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Bundesverfassungsgericht setzt Verschärfung des Versammlungsrechts in Bayern außer Kraft

Pressemitteilung vom 27.2.2009
Bundesverfassungsgericht setzt Verschärfung des Versammlungs-rechts in Bayern außer Kraft

Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen Großteil der
Bußgeldvorschriften des Bayrischen Versammlungsgesetzes sowie das Recht, anlasslos jede Demonstration zu filmen vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – außer Kraft gesetzt. (Beschluss vom 17. Februar 2009
– 1 BvR 2492/08 –). Das Bundesverfassungsgericht darf eine Regelung nur dann vorläufig außer Kraft setzen, wenn durch die Geltung des Gesetzes erhebliche Nachteile entstehen und eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann.
Wer in Bayern demonstrierte, sah sich seit Oktober letzten Jahres mit einer Vielzahl von neuen Ge- und Verboten konfrontiert, deren Nichteinhaltung empfindliche Bußgelder nach sich ziehen sollte. Außerdem mussten alle damit rechnen, bei der Ausübung ihres Grundrechts gefilmt zu werden. Bayern hatte als erstes aller Bundesländer von seiner neuen Länder-Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht Gebrauch gemacht. Weitere Länder-Versammlungsgesetze sind geplant oder schon im Gesetzgebungsverfahren. Das Bayrische Gesetz diente in Niedersachsen als Vorlage.
Das Bundesverfassungsgericht befürchtete, dass Bürgerinnen und Bürger durch das Gesetz vom Demonstrieren abgeschreckt werden könnten. Ohne die Machtkritik durch das Volk entstünde jedoch ein schwerer Schaden für die Grundrechte einzelner und das freiheitlich-demokratische Gemeinwesen.
Der RAV begrüßt die Entscheidung. Zugleich zeigt sich der Vorstand besorgt darüber, wie häufig das Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit korrigierend eingreifen muss. Eine Vielzahl weiterer Verfassungsbeschwerden, unter anderem zu weitreichenden Demonstrationsverboten bei Castor-Transportensind noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig. „Offensichtlich ist den Parlamentariern und Versammlungsbehörden das Grundrechtsbewusstsein abhanden gekommen, so dass sie immer wieder vom Verfassungsgericht belehrt werden müssen“, so Karen Ullmann, RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwältin in Hamburg. „Es ist bemerkenswert und zeigt den Trend der Zeit, dass die Länder ihre neue Gesetzgebungskompetenz ausschließlich nutzen, um das geltende Recht zu verschärfen, anstatt endlich verständliche und grundrechtsfreundliche Regeln zu schaffen.“
Die nächste Probe für die Versammlungsfreiheit stellt sich bei der Nato-Tagung Anfang April in Strasbourg. Auch auf deutscher Seite sind zahlreiche Gegendemonstrationen geplant. Die Demokratie der Straße darf nicht, wie regelmäßig im Wendland oder auch beim G8-Gipfel, polizeitaktischen Erwägungen geopfert werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht deutlich, dass eine Rückkehr von der Grundrechts-Demontage durch Gesetzgebung und Polizei hin zu effektivem Grundrechtsschutz auf der Straße dringend notwendig ist.