Dummy Title http://example.com en-gb TYPO3 News Thu, 28 Mar 2024 08:45:31 +0100 Thu, 28 Mar 2024 08:45:31 +0100 TYPO3 EXT:news news-1026 Fri, 22 Mar 2024 08:01:28 +0100 Zusammen für Demokratie<br />Im Bund. Vor Ort. Für Alle. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zusammen-fuer-demokratieim-bund-vor-ort-fuer-alle-1026 Als Anwaltsorganisation nehmen wir die politischen Angriffe auf die Menschen- und Bürgerrechte und auf den demokratischen Zusammenhalt in dieser Gesellschaft sehr genau wahr. Deshalb ist es für uns selbstverständlich, als Teil eines großen zivilgesellschaftlichen Bündnisses für Solidarität und die Verteidigung der Demokratie zu kämpfen und gemeinsam gegen die Gefahr von rechts vorzugehen.  
Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV

https://www.zusammen-fuer-demokratie.de/

Es geht uns alle an: Gemeinsam Demokratie und Menschenrechte verteidigen!

Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft.

Wir treten ein für die unteilbaren Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und eine klimagerechte Zukunft. Wir stehen für eine vielfältige, freie und offene Gesellschaft. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie und alle, die hier leben, gegen die Angriffe der extremen Rechten.

Uns verbindet die Überzeugung, dass jeder Mensch die gleiche Würde hat. Wir setzen uns ein für das Recht eines jeden Menschen auf ein gutes und friedliches Leben in einer gesunden Umwelt – auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, angemessenen Wohnraum, auf gute Bildung und Gesundheitsversorgung, auf freie Religionsausübung. Wir stehen auf gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde und der Schutz vor Verfolgung sind für uns nicht verhandelbar.

Es ist an der Zeit, diese Werte mit vereinten Kräften zu verteidigen.

Denn extreme Rechte wie die AfD wollen diese Grundfesten unserer Gesellschaft zerstören. Sie sind die Stichwortgeber für einen Diskurs des Ausschlusses, der Ungleichheit und des Antifeminismus; für Gewalt, Terror und Bedrohungen. Rassistische, antisemitische und queerfeindliche Angriffe beeinträchtigen schon lange den Alltag vieler Menschen. Täglich ereignen sich mindestens fünf rechte Gewalttaten mit existenziellen Folgen für die Betroffenen. Menschen mit Behinderungen erleben Ausgrenzung und Abwertung. Engagierte werden bedrängt und mit Morddrohungen konfrontiert. Gelingt es der extremen Rechten weiter an Einfluss zu gewinnen – gar an Regierungsmacht zu kommen – drohen massenhafte Vertreibungen.

Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Bedrohung entschieden entgegenstellen. Solidarisch und in unserer ganzen Vielfalt!

In diesen Zeiten braucht es mehr denn je eine Politik, die soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Spaltung bekämpft, statt die Gräben zu vertiefen.

Bei den anstehenden Wahlen in Deutschland und Europa droht, dass die AfD und andere extrem rechte Parteien weiter gestärkt werden. Noch können wir diese Entwicklung stoppen. Wir haben die Wahl.

Nie wieder ist jetzt!

https://www.zusammen-fuer-demokratie.de/

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Grundrechte Rechtsextremismus
news-1023 Wed, 06 Mar 2024 16:22:00 +0100 Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts - Schwerpunkt: Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-schwerpunkt-iran-1023 Aktions-Bericht vom 24. Januar 2024 Zum Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts am 24. Januar widmete sich der RAV im Jahr 2024 gleich mit mehreren Veranstaltungen dem Iran. Dort hatte der Tod von Jina Masha Amini 2022 landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime seither mit grausamer Gewalt begegnet. Alle paar Tage werden Menschen hingerichtet, im vergangenen Jahr waren es mindestens 600. Menschenrechte werden massenhaft verletzt.

„Doch ausgerechnet im Iran, wo sie so bitternötig wäre, ist anwaltliche Vertretung nur noch schwer möglich“, erklärte der Vorsitzende des RAV-Vorstands, Dr. Peer Stolle, bereits vorab in der Einladung. Das Mullah-Regime handele willkürlich und Anwält*innen würden verfolgt. Ihnen werde oft das gleiche vorgeworfen wie ihren Mandant*innen, so Stolle. RAV-Mitglied Nasrin Karimi, die aus Teheran stammt und sich heute in Berlin engagiert, erinnerte daran: „Das Land war 2009 schon einmal im Fokus, doch auch 15 Jahre später ist die Lage katastrophal.“

Die Anwältin wies zudem darauf hin: „Seit seiner Entstehung verletzt das Regime durchweg das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung. Und das, obwohl der Iran seit 1975 Mitglied des Internationalen Pakts über bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ist.“ Mehr Informationen zur Lage im Iran finden sich zudem im aktuellen Bericht der Europäischen Demokratischen Anwält*innen (EDA).

Veranstaltung mit iranischem Anwalt Sina Yousefi in Berlin

Welchen Gefahren sind Anwält*innen im Iran konkret ausgesetzt? Darüber informierte am Vorabend des Aktionstags der nach Deutschland geflüchtete Anwalt Sina Yousefi in den Räumen der Berliner Rechtsanwaltskammer, die die Veranstaltung gemeinsam mit DAV und RAV organisiert hatte. Es moderierte die Aktivistin und Journalistin Daniela Sepehri, es dolmetschte Dr. Sosan Jafari.

Anwalt Yousefi erinnerte an die zu diesem Zeitpunkt fünf inhaftierten Anwält*innen: Khosro Alikordi, Amirsalar Davoudi, Mohammad Najafi, Arash Keykhosravi und Jalal Fatemi. Weitere warteten noch auf die Vollstreckung der Haftstrafe. Anschließend erklärte er das Justizsystem, schilderte die Arbeitsbedingungen, beantwortete zahlreiche Fragen des Publikums in dem voll besetzten Raum und bedankte sich herzlich für die Unterstützung aus Deutschland.

„Je entschlossener Anwältinnen und Anwälte für ihre Unabhängigkeit kämpfen, desto stärker werden sie verfolgt“, ergänzte Karimi. „Aufgrund der verschärften Regelungen der Strafprozessordnung sind politische Gefangene gezwungen, sich an ‚Vertrauensanwälte‘ zu wenden, die die Oberste Justizbehörde des Landes zugelassen hat. Und die sind ganz und gar nicht unabhängig.“

„Hochachtung vor den Kolleg*innen“

„Ich habe Hochachtung vor dem Mut, mit dem viele Kolleg*innen im Iran diesen Kampf seit Jahrzehnten tagtäglich führen und dabei wörtlich alles riskieren. Viele Kolleg*innen im Iran zahlen mit ihrer Gesundheit, ihrer beruflichen Existenz, manche gar mit ihrem Leben", sagte Ursula Groos. Die Rechtsanwältin ist Teil des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Berlin, stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte sowie Mitglied im RAV.

Sie betonte, wie wichtig die freie Berufsausübung ist und dankte den Kolleg*innen im Iran für ihren Kampf. „Sie kämpfen auch für uns. Denn die Menschenrechte – und somit wir alle – werden geschwächt, solange deren Ausübung auch nur einem einzigen Menschen vorenthalten wird.“

50 Personen vor der Iranischen Botschaft in Berlin

Am 24. Januar 2024 demonstrierten ca. 50 Personen vor der iranischen Botschaft in Berlin vom RAV, in Kooperation mit der Rechtsanwaltskammer Berlin und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen sowie der VDJ. Dabei wurde die Petition der Foundation of the Endagered Lawyer verlesen, die eine Vielzahl von Rechtsanwaltsorganisationen weltweit unterzeichnet hatte. Der Vorsitzende des RAV, Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, hat in einem Redebeitrag auf die Situation des Kollegen Amirsalar Davoudi hingewiesen, der seit 2018 inhaftiert ist und für den der RAV eine Patenschaft übernommen hat. Der RAV fordert dringend seine Freilassung. Die Kollegin Nasrin Karimi wies zudem auf das Schicksal vieler weitere Kolleginnen und Kollegen hin, die teilweise bei den Protesten getötet wurden oder inhaftiert sind.

Hamburg nähert sich dem Thema künstlerisch

Auch in Hamburg gab es am 24. Januar um 15 Uhr einen Protest vor dem iranischen Konsulat. Einige der 12 Anwält*innen sind in ihren Roben erschienen, die Kolleg*innen Maede Soltani und Afrouz Maghzi hielten Reden. Dann wurde eine Schweigeminute in Gedenken an die tags zuvor im Iran Hingerichteten abgehalten.

Fortgesetzt wurde die Veranstaltung ab 17 Uhr in den Räumen von Kölibri/GWA in St. Pauli, in Kooperation mit dem Verein Interkulturelle Werkstatt e.V. Zu sehen war eine Ausstellung des queeren Aktivisten und Künstlers Ashkan Shabani. Er führte persönlich durch eine interaktive Lichtinstallation und stimmte so auf einen Abend voller Austausch und Erkenntnis ein.

Bei einer anschließenden Theater-Performance der Gruppe Drang und der Initiative Splitter im Exil ging es um das Trauma des ehemaligen Teheraner Universitätsdozenten Ali Fathi. Bei einer Demonstration im Iran im Jahr 1981 hatten ihn Splitter einer Handgranate getroffen. Er flüchtete nach Deutschland und stellte fest: Die Granate, die ihn verletzte, war in dem Land, produziert worden, das ihm Zuflucht gewährte: Deutschland. Basierend auf dieser Erfahrung hat er ein Theaterstück geschrieben.

Die ehemalige politische Gefangene Shohreh Ganbary sprach über ihre persönliche Erfahrung in der Isolationshaft. Besonders erschüttert hat, unter welchen Bedingungen Schwangere in der Haft Kinder zur Welt bringen. Doch Ganbary übte auch Widerstand in Form von Kunst, die sie an diesem Abend in Hamburg präsentierte.

Zudem wurde der Film "Sie Töteten" von der Maahaa Gruppe und der Regisseurin Maryam Soleimani Rad gezeigt. Er bot einen Überblick über die Gewaltwellen, in denen das Regime seit seiner Machtübernahme Regimekritiker*innen ermordet hat. Trotz der schweren Themen herrschte eine einladende Stimmung, im Raum duftete es nach einer köstlichen Suppe, die deutschen und iranischen Kolleg*innen begegneten sich in einer warmen, herzlichen Stimmung.

Was ist der 24. Januar für ein Tag?

Der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts wird jeden 24. Januar in mehreren Städten, Ländern und Kontinenten abgehalten. Gelegentlich ist auch von „Tag des gefährdeten Anwalts“ oder des „Anwalts in Gefahr“ die Rede, gemeint ist immer dasselbe. Auf Englisch heißt er „Day of the Endangered Lawyer“. Etabliert haben ihn 2009 die EDA. Das Datum 24. Januar geht zurück auf einen Mord im Jahr 1977: Damals töteten in Madrid Faschisten drei Gewerkschaftsanwälte in deren Kanzlei. Vergangenes Jahr war der Tag Afghanistan gewidmet, 2022 stand Kolumbien im Fokus.

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Iran Tag des bedrohten Anwalts
news-1020 Tue, 05 Mar 2024 08:16:16 +0100 Schmerzgriffe als polizeiliche Praxis: Menschenrechte schützen, Polizeigewalt entgegentreten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/schmerzgriffe-als-polizeiliche-praxis-menschenrechte-schuetzen-polizeigewalt-entgegentreten-1020 ABSAGE: Veranstaltung, 20.3.24 in Berlin Achtung: Veranstaltungsabsage und traurige Nachricht

Leider kann die Veranstaltung „Schmerzgriffe als polizeiliche Praxis: Menschenrechte schützen, Polizeigewalt entgegentreten“ am Mittwoch nicht stattfinden und wird auf unbestimmte Zeit verschoben.

Biplab Basu, Mitbegründer von Reachout und der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt sowie Mitveranstalter und Panelist der Podiumsdiskussion, ist leider in der Nacht zum 14.3. verstorben. Sein unermüdlicher Einsatz für Gerechtigkeit wird unfassbar fehlen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Mitstreiter*innen und den vielen Menschen, die er durch sein Engagement berührt und geprägt hat.  

https://www.instagram.com/p/C4iyirzMjf2/?igsh=bmJleG5lZjFreXly

Wenn es Neuigkeiten zur Veranstaltung gibt, teilen die Veranstalter*innen diese auf ihren Kanälen.

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Sogenannte Schmerzgriffe gehören in vielen Bundesländern zur polizeilichen Praxis - und haben erschreckende Normalität erlangt. Betroffene rassistischer Polizeieinsätze erleben diese Praxis schon lange und auch Klimaprotestierende sind zunehmend von Schmerzgriffen betroffen. Aus menschenrechtlicher Sicht ist der Einsatz von Schmerzgriffen höchst problematisch.   

Doch wie wirken Schmerzgriffe eigentlich genau? Was richten sie im menschlichen Körper an? Wie sind sie als polizeiliche Maßnahme rechtlich zu bewerten? Können Schmerzgriffe juristisch unter den Folterbegriff der Europäischen Menschenrechtskonvention gefasst werden? Wie kann die Zivilgesellschaft sich gemeinsam positionieren und solidarisch zeigen gegen diese sich zunehmend verselbstständigenden Polizeipraktiken?  

Über diese und weitere Fragen sprechen Biplab Basu, Luisa Paßlick, Joschka Selinger, Lars Ritter und Michèle Winkler gemeinsam auf dem Podium. Es wird die Problematik von Polizeigewalt aufgezeigt, gezielt über Lösungsansätze gesprochen und diskutiert, was es braucht, um Menschenrechte zu schützen. 

Diskussionsteilnehmende
Biplab Basu, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
Luisa Paßlick, Verein demokratischer Ärzt*innen
Joschka Selinger, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Lars Ritter, Letzte Generation
Moderation:  Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. 

Die Veranstaltung findet am Mittwoch, den 20.03.2024 um 18.30 Uhr im Nachbarschaftshaus Urbanstraße (Urbanstraße 21) in Berlin statt. Der Eintritt ist frei.  

Wir bitten bis zum 18. März um Anmeldung unter diesem Link

Die Podiumsdiskussion findet in deutscher Sprache statt. Eine Übersetzung ins Englische versuchen wir nach Bedarf anzubieten. Bitte vermerken Sie in der Anmeldung, ob Sie eine Übersetzung ins Englische wünschen.

Veranstalter:
Amnesty International Deutschland e.V.
Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Green Legal Impact e.V.
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Verein demokratischer Ärzt*innen

Einladung als PDF (dt/eng)

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Pain grips as police practice: protecting human rights, countering police violence.

The event will take place on Wednesday, March 20, 2024 at 18.30 in the Nachbarschaftshaus Urbanstraße (Urbanstraße 21) in Berlin. Admission is free. The venue is accessible.

Please register by March 18 at this link.  

The panel discussion will be held in German. A translation into English may be be provided if required. Please note in the registration form by March 12 whether you would like a translation into English.

So-called pain grips are routinely used by police in many federal states - and have become alarmingly normal. Those affected by racist police measures have been experiencing this practice for a long time and climate protesters are also increasingly affected by the technique. From a human rights perspective, the use of pain grips is highly problematic.  

But how exactly do pain grips actually work? What do they do to the human body? How can they to be assessed legally as a police measure? Can pain grips be legally classified as torture under the European Convention on Human Rights? How can the civil society position itself collectively and show solidarity against these increasingly wide-spread police practices? 

These and other questions will be discussed by Biplab Basu, Luisa Paßlick, Joschka Selinger, Lars Ritter and Michèle Winkler on the podium. The issue of police violence will be highlighted, specific solutions and the questions of what it takes to protect human rights in this context will be discussed.

Participants in the discussion
Biplab Basu, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
Luisa Paßlick, Verein demokratischer Ärzt*innen
Joschka Selinger, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Lars Ritter, Letzte Generation
Moderation:  Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. 

Click here for the event. Please spread the word and share this email. Thank you!

With best regards,

Amnesty International Deutschland e.V.
Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Green Legal Impact e.V.
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Verein demokratischer Ärzt*innen

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Polizei Polizeigewalt Veranstaltungen
news-1017 Wed, 28 Feb 2024 13:40:35 +0100 NEIN zur Bezahlkarte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nein-zur-bezahlkarte-1017 Offener Brief, 28.2.2024

Sehr geehrte Frau Senatorin Kiziltepe,
sehr geehrter Regierender Bürgermeister Wegner,
sehr geehrte Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses,

mit der Einführung der Bezahlkarte für Bezieher*innen von Leistungen nach dem AsylbLG wird die Büchse der Pandora geöffnet – ein Instrument, das das Potenzial der absoluten Kontrolle, Überwachung und Restriktion bietet.

Wir, ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, lehnen die Bezahlkarte strikt ab und fordern Berlin dazu auf, aus dem Vergabeverfahren auszusteigen.

Entmündigend

Die Bezahlkarte eröffnet die Möglichkeit, massiv in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen einzugreifen. Es kann von außen reglementiert werden, welche Waren Menschen wo einkaufen können, ob und wieviel Bargeld sie abheben dürfen und Überweisungen ins In- und Ausland werden ihnen komplett untersagt.

Das wird den Alltag der Menschen enorm einschränken: Die Raten für den Rechtsbeistand, Geld für die Klassenfahrt oder die Möglichkeit, Dinge günstig auf dem Flohmarkt zu kaufen – all das wird für die Betroffenen nicht mehr möglich sein. Der Alltag von Geflüchteten mit Behinderung würde durch die Bezahlkarte im besonderen Maße beeinträchtigt werden und das Risiko einer gesundheitlichen Unterversorgung erhöhen – so können etwa der Fahrdienstleister oder auch die Kosten für Gebärden- Dolmetscherdienste nur per Überweisung bezahlt werden.

Verfassungswidrig

In Artikel 1 GG heißt es, die Würde des Menschen ist unantastbar. Empfänger*innen von Leistungen nach dem AsylbLG erhalten nicht nur Leistungen unterhalb des Existenzminimums (knapp 20% weniger als Bügergeldempfänger*innen). Mit der Bezahlkarte können sie über dieses wenige Geld noch nicht einmal frei entscheiden. Das dahinterstehende Ziel haben die Politiker*innen klar formuliert: Man will die Zahl der Asylsuchenden „deutlich und effektiv“ senken. Sozialleistungen werden somit als Abschreckungsinstrument missbraucht.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil bereits 2012 festgestellt, dass die Menschenwürde nicht für migrationspolitische Zwecke relativiert werden darf. Aber genau das passiert gerade.

Diskriminierend

Asylsuchende werden einmal mehr als Menschen zweiter Klasse behandelt. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist bereits zutiefst diskriminierend, da es u.a. besagt, dass es eine Gruppe von Menschen in Deutschland gibt, die scheinbar nicht würdig sind, das hier geltende Existenzminimum zu erhalten.

Mit der neuen Bezahlkarte werden diese Menschen noch weiter entrechtet. Kaum vorstellbar, welch ein Aufschrei durch die Gesellschaft ginge, wenn man gleiches mit deutschen Bürgergeldempfänger*innen machen würde.

Stigmatisierend

Asylsuchenden Menschen wird pauschal unterstellt, in erster Linie wegen monetärer Anreize nach Deutschland zu kommen. Dabei wurde in der Migrationsforschung und selbst durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages längst festgestellt, dass wesentlich für die Wahl eines Ziellandes die familiären und sozialen Bindungen, Bildungs- und Arbeitsperspektiven sowie rechtsstaatliche Sicherheit einer demokratisch verfassten Gesellschaft sind. Menschen fliehen in erster Linie vor Krieg, Unterdrückung und humanitären Notlagen. Ökonomische Faktoren greifen für die Erklärung von Fluchtbewegungen viel zu kurz.

Dennoch wird Asylsuchenden vorgeworfen, das Sozialhilfesystem „auszunutzen“. Es wird behauptet, dass Menschen, die Asylbewerberleistungen beziehen, von diesem wenigen Geld auch noch etwas an ihre Familien im Herkunftsland überweisen. Wenn Menschen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen, wo anfangs alle leben müssen und manche auch für die gesamte Zeit ihres Aufenthalts in

Deutschland, dann erhalten sie einen monatlichen Barbetrag von maximal 204 € pro erwachsene alleinstehende Person. Wenn es den Menschen durch äußerste Sparsamkeit gelingt, 20-30 € davon zur Seite zu legen, um damit ihre Familien in Afghanistan, Syrien, Eritrea oder sonst wo zu unterstützen, ist fraglich, was daran verwerflich sein soll und worin der Sozialhilfemissbrauch liegt.

Diese falschen Beschuldigungen sind populistisch und nähren Vorurteile und Ressentiments in der Gesellschaft gegenüber Geflüchteten.

Fehlannahmen

Das zynische Ziel der Bezahlkarte ist Abschreckung. Doch niemand lässt sich auf eine gefährliche und oft auch sehr kostspielige Flucht ein, nur weil er*sie in Deutschland Bargeld erhält. Im Umkehrschluss wird eine Bezahlkarte auch niemanden abschrecken. Es wird die Menschen nur noch mehr entrechten und diese scheibchenweise Entrechtung stärkt am Ende nur rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen und Parteien.

Was Menschen aus dem Ausland auf lange Sicht eher abschrecken wird, sind die rassistischen und migrationsfeindlichen Töne von immer mehr Politiker*innen. Doch davon werden auch die Fachkräfte abgeschreckt, die die deutsche Wirtschaft eigentlich so dringend hier haben möchte.

Mindeststandards

Noch ist unklar, wie die Karte in Berlin ausgestaltet sein wird und welche „Mindeststandards“ gelten. Klar ist jedoch, dass sie den Leistungsträgern die technischen Möglichkeiten bietet, die Handlungsfreiheit der Karteninhaber*innen massiv einzuschränken. Das heißt, es besteht die Möglichkeit, den Kauf bestimmter Waren und Dienstleistungen zu regulieren, die Bezahlfunktion örtlich zu beschränken, Überweisungen auszuschließen und die Karte jederzeit zu sperren.

Die Bezahlkarte erinnert an das diskriminierende Chipkartensystem, das der Berliner Senat 2003 aufgrund des massiven zivilgesellschaftlichen Protestes wieder abgeschafft und durch Bargeldzahlungen ersetzt hat.

Alternative

Bargeld allein ist sicher nicht das Nonplusultra. Es ist für alle Beteiligten von Vorteil, wenn das monatliche Schlangestehen für die Auszahlung der Leistungen vermieden wird und eine Wahlfreiheit zwischen digitaler und barer Bezahlung gegeben ist. Deshalb befürworten wir, dass allen asylsuchenden Menschen ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung ein kostenloses Bürgerkonto zur Verfügung gestellt wird.

Asylsuchende haben gemäß dem Zahlungskontengesetz einen Anspruch auf den Abschluss eines Basiskontovertrags. Solch ein Konto hat den Vorteil, dass AsylbLG-Empfänger*innen genauso wie alle anderen Menschen selbstbestimmt über ihr Geld entscheiden können UND dass Sozialbehörden entlastet werden, da sie die Leistungen einfach auf das Konto überweisen können.

Mit dieser Praxis hat Berlin bereits positive Erfahrungen gemacht. 2015 hat die Sparkasse zwei Kundencenter speziell für Geflüchtete eröffnet. Leider wurde dieses spezialisierte Beratungssystem eingestellt. Diese Praxis der Basiskontoeröffnung muss in Berlin wieder forciert werden, anstatt weiter dem humanitären wie rechtlichen Abwärtstrend zu folgen.

Berlin darf sich am Vergabeverfahren für die Bezahlkarte nicht beteiligen. Hier ist kein Platz für Stigmatisierung und Entrechtung geflüchteter Menschen!

Unterzeichnende Organisationen:

Amaro Drom e.V.
Amoro Foro e.V.
Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
AWO Kreisverband Mitte e.V.
BARE Bündnis
Be an Angel e.V.
Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
Berliner Aids-Hilfe e.V.
Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
BIG e.V.
BumF e.V.
BZSL – Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V.
Diakoniewerk Simeon gGmbH
Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V.
Each One Teach One (EOTO) e.V.
Fixpunkt e.V.
Flüchtlingsrat Berlin
Frauenhaus Cocon
FRAUENRAUM - Fachberatungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt
Frauen für Frauen in Konflikt- und Gewaltsituationen e. V.
Frauenselbsthilfe – Frauen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen e.V
Frauenzentrum Paula Panke e.V.
Frauenzimmer e.V.
GLADT e.V.
HÎNBÛN
Integrationsbüro des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin
Interkulturelle Initiative e.V.
JUMEN e.V.
Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB)
Korientation e.V.
Kurdisches Zentrum e.V.
LARA – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*
MeG betreutes Wohnen gGmbH
Migrationsrat Berlin e.V.
Pfarrerin der Evangeliums-Kirchengemeinde Margareta Trende '
REACH OUT
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Sea-Watch e.V.
Seebrücke Berlin e.V.
SOLWODI Berlin e.V.
Sprungbrett Zukunft e.V.
S27 – Kunst und Bildung, Verein zur Förderung der Interkulturellen Jugendarbeit e.V.
terre des hommes Deutschland e.V.
Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg
Verein Iranischer Geflüchteter
VIA Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V.
Wedding hilft e.V.
WiR Netzwerk
Willkommensbündnis für geflüchtete Menschen in Steglitz-Zehlendorf
xart splitta
XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.

Offener Brief als PDF

]]> Pressemitteilung Migration & Asyl news-1016 Mon, 19 Feb 2024 11:34:22 +0100 „Einzelfälle“ mit System: Tödliche Polizeigewalt vor Gericht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einzelfaelle-mit-system-toedliche-polizeigewalt-vor-gericht-1016 Veranstaltung am 21.2.2024 in Berlin

21. Februar, 19.30 Uhr, SO36, Oranienstraße 190, Berlin-Kreuzberg
Mit Verdolmetschung (EN/FR), Eintritt frei

Auf YouTube hier zu verfolgen: https://www.youtube.com/watch?v=_a-03h7r9ac

Veranstaltung mit dem Solidaritätskreis Justice for Mouhamed (Dortmund) und der Initiative 2. Mai (Mannheim)

Polizeigewalt gegenüber Menschen mit Rassismuserfahrung hat in Deutschland System: Überdurchschnittlich oft sind sie unter den Opfern tödlicher Polizeischüsse, tödlich verlaufender Einsätze und Tod im Gewahrsam. In rund drei Viertel dieser Fälle waren die Toten in einer psychischen Ausnahmesituation; ein zusätzlicher Gefährdungsfaktor ist die gesellschaftliche Ausgrenzung Armutsbetroffener. In der öffentlichen Darstellung setzt sich nach einem tödlichen Polizeieinsatz oft das Narrativ der Polizei durch, dass die Gewalt verharmlost und durch eine Täter-Opfer-Umkehr rechtfertigt. Nur selten führen Ermittlungen in solchen Fällen zur Anklage gegen die Täter*innen, noch seltener kommt es zu Verurteilungen. Deshalb ist von besonderer Bedeutung, dass momentan gleich mehrere Gerichtsprozesse wegen tödlicher Polizeigewalt unter solidarischer Prozessbegleitung stattfinden.

In Dortmund begann im Dezember der Strafprozess gegen fünf Polizist*innen, die am 8. August 2022 den jugendlichen Geflüchteten Mouhamed Lamine Dramé aus dem Senegal mit Pfefferspray und Tasern traktiert und schließlich mit fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole getötet haben. Dem 16-Jährigen legte die Dortmunder Polizei noch Handschellen an, als dieser schon im Sterben lag. Darüber hinaus versetzte der Einsatzleiter dem bereits am Boden Liegenden sogar noch einen Tritt. Diese Beobachtung hat ein Betreuer als Augenzeuge vor Gericht ausgesagt. Er hatte wegen der Befürchtung, Mouhamed könne sich selbst verletzen, die Polizei gerufen. Selbst die Staatsanwaltschaft hält das Vorgehen der Polizei für übermäßige Gewalt. Der Todesschütze muss sich deshalb wegen Totschlags, drei Beamt*innen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und der Einsatzleiter wegen Anstiftung verantworten.

Seit Januar stehen in Mannheim zwei Polizisten vor Gericht, die am 2. Mai 2022 Ante P. mit Pfefferspray und Schlägen überwältigten, am Boden auf dem Bauch liegend festhielten, mit Handschellen fesselten und – laut Gutachten der Rechtsmedizin in Heidelberg – dabei erstickten. Der 47-jährige hatte eine psychische Erkrankung und lebte seit 33 Jahren selbstständig in einer eigenen Wohnung. Sein behandelnder Arzt am Zentrum für seelische Gesundheit hatte die Polizei gerufen, da er besorgt war, dass Ante P. sich in Gefahr bringen könnte. Am Tattag waren am Marktplatz, einem migrantischen Viertel der Stadt, rund 70 Zeug*innen vor Ort, die 120 Bilder und Videos aufgenommen haben. Auch diesen Aufnahmen ist es zu verdanken, dass es nun zu einem Gerichtsprozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Amt und fahrlässiger Tötung durch Unterlassen kommt. Kurz vor seinem Tod sagte Ante P.: „Ich will einen Richter“.

In Dortmund und Mannheim unterstützen die Soligruppen auch die Nebenklage von Angehörigen der Opfer. Sie fordern Gerechtigkeit für die Getöteten und Konsequenzen für Täter*innen. Auf der Veranstaltung im SO36 berichten sie über die ersten Verhandlungstage, die Verteidigungsstrategie der Angeklagten und ihre Erfahrungen als solidarische Prozessbegleiter*innen. Darüber hinaus sollen politische Forderungen diskutiert werden, um tödliche Polizeigewalt effektiv zu bekämpfen.

Die Veranstaltung wird auf Deutsch live auf YouTube übertragen, den Streaming-Link erfahrt ihr einige Tage vorher über die Sozialen Medien der beteiligten Gruppen.

Veranstaltende: Solidaritätskreis Justice for Mouhamed | Initiative 2. Mai | Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/ CILIP | Recherchegruppe Death in Custody | Grundrechtekomitee | KOP Berlin | ISKS Berlin | Rote Hilfe OG Berlin | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

Plakat (PDF)

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Polizeigewalt Veranstaltungen
news-1015 Fri, 09 Feb 2024 14:12:42 +0100 Hold the Date and Call for Nominations for the Ebru Timtik Award 14 June 2024 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/hold-the-date-and-call-for-nominations-for-the-ebru-timtik-award-14-june-2024-1015 Focus Country of 2024: Philippines In 2021, a group of lawyers and lawyers’ organisations came together to establish an annual International Fair Trial Day (IFTD) to be observed every year on 14 June. This initiative is supported by more than 100 legal associations across the world, all of which are committed to the vital importance of the right to a fair trial and the serious challenges to due process rights worldwide. They established a Steering Group for the organisation of IFTD.

The Steering Group agreed that in each subsequent year, one country - where fair trial rights are being systemically violated - would be chosen as the focus country, and an event would be organised to mark IFTD, as well as a series of activities around the event to draw attention to the situation in that country. The events include holding a conference on systemic fair trial issues and making a public statement with concrete recommendations on how to tackle these.

The decision to establish an IFTD was also accompanied by the establishment of the Ebru Timtik Award. Ebru Timtik is a lawyer from Turkey who lost her life on 27 August 2020 as a result of a 238-day hunger strike she undertook to protest against the systemic violations of fair trial rights which people in Turkey are facing. Every year, on the occasion of the IFTD, the Ebru Timtik Award is granted by an independent jury to an individual or individuals and/or an organisation who have or which has made a significant contribution to the defence and promotion of the right to a fair trial in the focus country.

The first IFTD focus country chosen was Turkey, in 2021. A virtual conference was held on 14 June 2021, to mark the occasion. The first Ebru Timtik Award was granted posthumously to Ebru Timtik herself. The second conference, which focused on the systemic fair trial issues in Egypt, took place in Palermo, Italy on 17-18 June 2022. Mohamed El-Baqer and Haitham Mohammadein, two Egyptian human rights lawyers who were in detention at the time, received the Ebru Timtik Award. In 2023, the focus country was Mexico. Legal professional organisations, bar associations, and civil society organisations from Mexico and across the world gathered for the 2023 IFTD conference held in Mexico City on 14 June 2023. The winners of the Ebru Timtik Award 2023 were two feminist lawyers, Alicia de los Ríos Merino and Ana Yeli Pérez Garrido, who were celebrated for their tireless work to address the justice struggle for the systemic issue of enforced disappearances and violence against women in Mexico.

2024 International Fair Trial Day Focus Country: Philippines

The Steering Group has expanded since 2021 to include a number of other prominent organisations taking part in the work, all as listed below. Several nominations were received for this year’s IFTD focus country. Following due consideration of the proposals, the Philippines has been chosen as the focus country of 2024. This decision is based on the following:

a) Independence of judges and lawyers

The guarantee of an independent judiciary and legal profession is core rule of law principle, and the independence of judges and lawyers is indispensable for the operation of a judicial system that ensures fair trials. Such independence has been under serious threat in the Philippines for a long time. In the 15 years from September 2007 to December 2022, a total of 271 incidents of what appear to be work-related attacks on Filipino lawyers and judges have been recorded by the National Union of Peoples’ Lawyers[1] Out of these, there were 86 unlawful killings and at least 185 other forms of attacks such as attempted killings, threats, intimidation, surveillance, and labelling or vilification. Targeted in these attacks were 20 judges (including two retired/former judges) and 165 lawyers (including both those in public service and private practice). The peak of the attacks were recorded during the term of former President Rodrigo Duterte from 2016-2022. Under the tenure of the current President Ferdinand Marcos Jr., 41 attacks and threats were monitored from 1 July 2022 to 31 December 2023, including three killings of lawyers.[2] The pressure on the legal community is therefore still strong, given also that  various other forms of harassment  and persecution of legal professionals persist, including the “red tagging”[3] of legal professionals.  A culture of impunity is predominant in respect of these unlawful actions.. They go hand-in-hand with the continued constriction of civic space and, human rights defenders, and political activists. The red-tagging is often followed by the filing of trumped-up charges and, in some cases, terrorism prosecutions.[4]

In their joint communication to the Philippine government dated 15 June 2023, Margaret Satterthwaite, UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers, and Fionnuala Ní Aoiláin, UN Special Rapporteur on the protection and promotion of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, raised the vulnerable situation of Filipino human rights lawyers and judges, particularly victims of a killing, an attempted killing, arbitrary surveillance, and red-tagging as “communist terrorists” or “terrorists”.[5] They cautioned the Philippine government:

“The reported abuses are alarming on their own, but they are even more troubling as targeted attacks on legal workers that appear to be aimed at leaving communities without legal assistance. Such acts interfere with the ability of lawyers and paralegals to perform their professional functions without intimidation, hindrance, harassment or improper interference. If confirmed, the reported instances of red-tagging would also violate the rule that lawyers should not be identified with their clients or their clients’ causes.”

b) Drug-related extrajudicial killings and accountability

Despite President Marcos’ claims that the “war on drugs” initiated by his predecessor, Rodrigo Duterte, will have a “new face” aimed at drug rehabilitation, drug-related extrajudicial killings have continued. Marcos has not rescinded the executive orders that provide overbroad authority to the police to conduct anti-drug raids and operations under procedures that effectively facilitate extrajudicial executions, and are the legal basis used by the police to try to justify unlawful killings. From 30 June 2022, when Marcos assumed office, until 15 October 2023, the Dahas Project of the University of the Philippines Diliman’s Third World Studies Center has documented 438 drug-related fatalities in 471 days, averaging nearly one death per day.

There is little or no accountability for these killings. From 6,252 deaths from police operations, based on official figures (though estimated by human rights groups to be 30,000 including unlawful killings by unidentified gunmen), only two cases have resulted in the conviction of police officers.[6] The majority of these cases remain uninvestigated and unresolved.

The International Criminal Court (ICC) in July 2023 resumed its investigation into possible crimes against humanity committed in the context of the “war on drugs”, following the failure of the Philippine government to prove that it was genuinely and properly investigating the same.[7] President Marcos has maintained that the Philippines will not cooperate with the investigation,[8] while progress in the domestic review is unclear. The constitutionally independent Commission of Human Rights (CHR) remains excluded from the probe[9] despite a definitive finding of impunity in cases it has investigated, stating in an April 2022 report:

“Overall, the CHR finds that the government has failed in its obligation to respect and protect the human rights of every citizen, in particular, victims of drug-related killings. It has encouraged a culture of impunity that shields perpetrators from being held to account.”[10]

During the Universal Periodic Review (UPR) of the Philippines’ human rights record in 2023, several states and the UN High Commissioner on Human Rights urged the Philippine government to rejoin the ICC as a State party to the Rome Statute and conduct prompt, impartial, thorough and transparent investigations into all killings and other human rights violations committed in the context of the drug war.[11]

c) Targeting of activists, rights defenders, and civil society organisations through counterterrorism measures

The Anti-Terrorism Act that took effect in July 2020 provides the state significant powers, including the designation of terrorists or terrorist organisations, the surveillance and interception of communications, inquiries into bank deposits, and freezing of assets. Human rights advocates have strongly criticised the broad definition of terrorism under the law and warned of the potential for its misuse. Acting on dozens of lawsuits challenging the constitutionality of the law, the Supreme Court in 2021 declared most assailed provisions as “not unconstitutional” under a facial challenge, striking down only a proviso in the definition that could result in the criminalisation of legitimate actions like protests and strikes, as well as the mode of adopting designations of foreign and supranational jurisdictions.[12]

The Philippine government has exploited the ambiguous and sweeping definition of terrorism, leveraging its extensive authority under the Anti-Terrorism Act to obscure armed conflict, dissent, advocacy, and protest by categorising them as acts of terrorism. Consequently, counterterrorism measures have exacerbated violations of fundamental rights and freedoms, a trend that was started by the counterinsurgency entity, the National Task Force to End Local Communist Armed Conflict (NTF-ELCAC).

Trumped-up charges of “terrorism”, “material support for terrorists”, and “facilitating the commission of terrorism” have already falsely implicated local community organisers and rights defenders, including paralegal volunteers and clergy conducting humanitarian missions in poor and militarised communities. Four indigenous peoples’ rights activists, a community doctor, and several peace consultants have also been designated as “terrorists,” and their bank accounts and those of their family members and organisations were frozen. Two cases for financing terrorism are now being tried against a community journalist and a lay worker and staff of religious groups, some of whom had been detained following illegal office raids and planting of evidence.[13]

Using its broad authority to ex parte investigate bank deposits and freeze assets without delay under the Anti-Terrorism Act (ATA) and the Terrorism Financing Prevention and Suppression Act of 2011 (TFPSA), the Anti-Money Laundering Council (AMLC) and the Anti-Terrorism Council (ATC) have implemented targeted financial sanctions against church groups and non-profit organisations (NPOs), including civil forfeiture proceedings, jeopardising their very existence and withholding crucial assistance from their intended beneficiaries.

At the same time, the Philippine government has imposed burdensome regulations on NPOs based on amorphous concepts of “beneficial ownership” and “related accounts” to comply with recommendations of the Financial Action Task Force (FATF), particularly on the so-called protection of NPOs from misuse by terrorist organisations (Recommendation No. 8). These have resulted in their exclusion from financial services by banks and deprived them of their right to seek, secure, and use resources.

Under the ATA and the TFPSA, parties are not afforded the right to notice and hearing before they are designated as “terrorists” or “terrorist organisations” or their assets are frozen. Freeze orders and criminal prosecutions are also issued and initiated based on secret evidence, mostly perjured testimonies from alleged former rebels. Although the Philippine Supreme Court has recently introduced rules[14] that offer judicial safeguards and remedies under the ATA and the TFPSA, it is contended that they cannot adequately rectify, let alone address the fundamental flaws inherent in these laws.[15]

In a joint communication to the Philippine government dated 10 October 2023,[16] six UN Special Rapporteurs expressed grave concerns on the judicial harassment, red-tagging, office raids, and targeted financial sanctions against religious groups; human rights, indigenous and humanitarian organisations; rights defenders; indigenous peoples; journalists; and lawyers in the name of countering terrorism and terrorist financing. They stressed that “any rights limitations in the name of the fight against terrorism and the financing of terrorism must meet the objective criteria of proportionality, necessity, legality and non-discrimination under international law”[17] and “any terrorism-related listing and asset freezing procedure must comport with due process and procedural rights, including the right to fair trial, the presumption of innocence, the right to appeal, and a right to effective protection by the courts”.[18]

d) Torture and other cruel, inhuman or degrading treatment

The congestion rate in penal facilities under the Bureau of Corrections (BuCor) stands at 421%,[19] while pre-conviction detention facilities under the Bureau of Jail Management and Penology (BJMP) are operating at 367% of official capacity.[20]

These overcrowded conditions lead to routine disregard and violation of international law standards such as International Covenant on Civil and Political Rights, the Convention against Torture and the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (Mandela Rules) and the United Nations Rules for the Treatment of Women Prisoners and Non-custodial Measures for Women Offenders (Bangkok Rules).[21] Instances of prohibited practices such as torture (including psychological torture) and other proscribed ill-.-treatment, including corporal punishment, and degrading strip searches of visitors,[22] persist. Adequate provisions for sleeping facilities, sanitary and hygiene installations, health care services, nutritional food, drinking water, and access to reading materials are often neglected. The daily meal allowance, ranging from PhP39 to PhP70, is deemed insufficient.[23]

The inhumane conditions in jails contribute to a high mortality rate, with approximately 5,200 prisoners dying annually at the New Bilibid Prisons,[24] and 300 to 800 deaths each year in BJMP jails.[25] A nominal PhP15 daily medical allowance per detainee is allocated by the government, further exacerbating the inadequate support for detainees’ well-being.[26] The plight of vulnerable prisoners, such as nursing mothers and their infants, the elderly, and those afflicted with life-threatening diseases, became most pronounced during the COVID-19 pandemic.

Despite the existence of the Anti-Torture Law in the Philippines, Karapatan has recorded 488 instances of torture since July 2010. Among these cases, 244 occurred during the Benigno S. Aquino III administration, 233 during the Rodrigo Duterte administration, and 11 during the Ferdinand Marcos Jr. administration.[27]

These cases consistently reveal a pattern of deliberate violations prohibited by international and domestic legal law and standards on detention, torture, and cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment by State agents. This includes the victims being subjected to red-tagging, which has historically led to more severe violations like extrajudicial killings, enforced disappearances, arbitrary or illegal arrest or detention, and torture and ill-treatment.[28]

Patterns in these cases involve the use of secret detention facilities or safe houses by State agents, despite Philippine laws prohibiting such practices. The victims often experience physical and psychological torture or other proscribed ill-treatment; coercion to sign documents with perjured statements; denial of access to counsel of their own choice; no or restricted access and visitation by family members or human rights groups; and red-tagging within detention facilities.[29] Human rights lawyers have witnessed how their clients were deprived of their right to be assisted by counsel at all times in order to force them into fake surrenders or guilty pleas.

During its recent second visit to the Philippines, the UN Subcommittee on Prevention of Torture and Other Cruel, Inhuman, or Degrading Treatment or Punishment (SPT) visited over 40 places of deprivation of liberty in the country, conducted confidential interviews with staff members and persons deprived of liberty, and examined the treatment of individuals in different stages of the criminal justice system. Following the visit, the SPT called on the Philippines to fast-track the adoption of the bills to designate the National Preventive Mechanism.[30]

e) Arbitrary detention

The Philippine jail population stands at 130,000 in detention (pre-conviction) facilities, and 50,000 in penal facilities. Drug arrests have been the major driver of jail and prison congestion in the Philippines. More than 70% of the BJMP detainee population and BuCor convicted population are arrested for drug offences.[31] The arrests have continued under the present administration; the police chief has reported that it made 16,463 arrests in drug-related operations in its first 100 days of office.[32]

The absence of clarity as to how many of these cases relate to the drug trade as opposed to personal drug use and how many persons were convicted, released or remain in pretrial detention, combined with irregularities in due process especially in cases of undercover operations, gives rise to concerns that numerous cases may constitute arbitrary detention.

The continuing weaponisation of penal laws against rights defenders and political activists has also brought the number of political prisoners to 795, as of 30 November 2023. Out of this number, there are 98 with life-threatening illnesses and 78 elderly persons.[33]

In its submission to the 2022 UPR of the Philippines, the NUPL described the Philippine government’s use, circumvention, reinterpretation, or reinventing of the law to justify or legitimise State action or repression, which has resulted in a high incidence of arbitrary detention in the country. The planting of evidence, particularly firearms, ammunition, explosives, and explosive devices, remains to be a modus operandi of law enforcement authorities as a means of placing targeted individuals in custody. Both drug-related and politically-related arrests stem from a conscious government policy of identifying and neutralising “enemies of the state”.

The writ of habeas corpus has proven to be ineffective, as security forces undermine the process by fabricating “evidence” to expedite the filing of indictments. In turn, the courts routinely dismiss the victims’ petitions, citing them as “moot and academic”, in accordance with the prevailing doctrine in the 1985 case of Ilagan v. Enrile.[34] The Philippines’ legal framework for lawful arrest and detention may be robust, but this legality has not prevented arbitrary arrest and detention.

Pressure by international actors, and solidarity and support to the Filipino legal community, remain crucial to improve the human rights situation in the Philippines. The 2024 IFTD offers a concrete possibility of bringing about change, and promises to have a strong impact with strategic analysis of policy and systemic conditions.

Call for nominations for the Ebru Timtik Award

The Steering Group of the IFTD would like to also invite you to nominate one or more individual(s) or an organisation for the Ebru Timtik Award from amongst those who have demonstrated outstanding commitment and sacrifice in upholding fundamental values related to the right to a fair trial in the Philippines. The individual(s) or organisation nominated for the award must be or have been active in defending and or promoting the right to a fair trial in the Philippines through either a recent outstanding piece of work in relation to this fundamental right or their distinguished long-term involvement in fair trial issues.

The deadline for nominations is 1 May 2024. To nominate, please send your nominations to nominationsetaward@gmail.com in English and kindly include: (1) the candidate’s detailed bio, (2) a letter signed by the nominating organisation/group of individuals explaining the reasons why they/it consider(s) that the candidate should be granted the Award, and (3) one recommendation/supporting letter from an unrelated, external organisation, if the application is submitted by a group of individuals.

For the details of the award criteria and process please see “Selection criteria for the grant of the Ebru Timtik Fair Trial Award”. After the deadline, a jury composed of independent individuals who are experienced with the right to a fair trial, including one or more from the focus country, will review and assess the nominations and determine the award recipient(s).

Signatures:


[1]National Union of Peoples’ Lawyers, Under Siege: Attacks and Threats on Filipino Lawyers and Judges.

[2] Ibid.

[4] “Red-tagging” in this context means the practice by the security forces or government officials or “shills” (individuals who attempt to give credibility to a person or organization without disclosing that they have a close relationship with the said person or organization involved) of subjecting individuals or organizations critical or not fully supportive of the actions of the government to malicious harassment and blacklisting N. This tagging identifies these individuals and organizations as communists or terrorists or both. It produces a chilling effect on general discourse and can encourage assassinations and retaliations.

[11] Report on the Philippines of the Working Group of the Universal Periodic Review, A/HRC/52/13, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G23/081/56/PDF/G2308156.pdf.

[15] NUPL Press Statement, January 5, 2024, Rights lawyers note measures to provide judicial safeguards and remedies under challenged Terror Law; but raise serious concerns on certain provisions.

[17] Ibid., p.11.

[18] Ibid., p.12.

[21] Karapatan Alliance Philippines Submission to the UN Subcommittee on Prevention of Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (SPT), November 2023.

[27] Supra note 21.

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International Fair Trial Day (IFTD)
news-1013 Fri, 02 Feb 2024 12:32:22 +0100 RAV kritisiert Beschneidung der Oppositionsrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kritisiert-beschneidung-der-oppositionsrechte-1013 RAV-Pressemitteilung, 2.2.2024 Bundestagsgruppen dürfen nur zehn Anfragen pro Monat stellen

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) kritisiert die Entscheidung der Regierungsfraktionen, dass Die Linke, bestehend aus 28 Abgeordneten, künftig nur noch zehn Kleine oder Große Anfragen pro Monat stellen darf. Der Bundestag hat dies am Freitagvormittag auf Empfehlung des Ältestenrats beschlossen.

»Diese Beschneidung der Oppositionsrechte ist bedenklich, gerade in diesen Zeiten, in denen unsere Demokratie von Parteien wie der AfD sowieso schon unter Beschuss steht«, sagt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Die Rechte der Opposition sind ein Kern der Demokratie, sie müssen gewahrt werden«.

Vorausgegangen war die Spaltung der Linksfraktion vergangenes Jahr. Diesen Freitag sind dann 28 Abgeordnete als parlamentarische Gruppe „Die Linke“ anerkannt worden und 10 weitere Abgeordnete als Gruppe „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“. Beiden Gruppen gesteht die Regierungsmehrheit nun bis zu zehn Kleinen oder Großen Anfragen pro Kalendermonat zu.

Wir fordern ein unbegrenztes Fragerecht für alle Gruppen in der Opposition“, so Stolle.

In der aktuellen Legislaturperiode hatte die Linksfraktion nach eigenen Angaben mindestens 966 Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt, in der vergangenen Legislaturperiode insgesamt 2.800, also circa 58 im Monat. „Die nun beschlossene Reduktion auf 10 Anfragen im Monat steht nicht im Verhältnis zur Reduktion der Zahl der Abgeordneten von Die Linke“, bemerkt Stolle.

Für die Arbeit der Rechtsanwält*innen des RAV sind die Anfragen der Linken von großer Bedeutung. Als Beispiele nennt Stolle Anfragen, die zur Aufarbeitung der Terrorserie des NSU beitragen, ebenso wie zur polizeilichen Datenspeicherung, etwa von Fußballfans, oder zum Zeugnisverweigerungsrecht für Menschen in sozialen Berufen. „Die Anfragen der Linken und die Antworten darauf liefern wertvolle Informationen, die anders niemals ans Licht kommen würden“, erklärt Stolle.

Hier die PM zum Download (PDF).

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Pressemitteilung
news-1012 Tue, 30 Jan 2024 11:34:49 +0100 BMJ: Eckpunkte zum Kindschaftsrecht und zum Abstammungsrecht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bmj-eckpunkte-zum-kindschaftsrecht-und-zum-abstammungsrecht-1012 RAV-Stellungnahme, 30.1.2024 Stellungnahme des RAV

auf die vorgelegten Eckpunkte zum Kindschaftsrecht und zum Abstammungsrecht:

 

Verfasser: Dirk Siegfried, Rechtsanwalt & Notar

I.  Eckpunkte für die Reform des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Adoptionsrechts

Diese Eckpunkte unterstützen wir in vollem Umfang. Sie sind kindeswohlorientiert und gehen etliche praxisrelevante Probleme an, wie z.B. die Mängel beim Schutz vor häuslicher Gewalt. Zu ergänzen wären diese Eckpunkte aus unserer Sicht um einen weiteren Punkt:

§§ 9a AdVermiG, 196a FamFG sollten ersatzlos gestrichen werden. Die Vorschriften belasten die Adoptionsverfahren mit unnötiger Bürokratie. Die Sanktion des § 196a FamFG ist ferner kindeswohlwidrig, da sie Ausnahmen zum Wohl des Kindes nicht zulässt. Sie ist zudem in Fällen, in denen das Kind in eine bestehende Gemeinschaft nach § 1766a BGB hineingeboren wurde, unpraktikabel, da sich häufig vor Einleitung des Verfahrens nicht vorhersehen lässt, ob das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1766a BGB bejaht.

II. Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts

Auch in diesen Eckpunkten sind zahlreiche Anliegen angesprochen, die wir unterstützen, z.B. die Besetzung der zweiten Elternstelle durch eine Frau ohne Adoptionsverfahren sowie präkonzeptionelle Elternschaftsvereinbarungen. In unserer nachfolgenden Stellungnahme möchten wir uns auf die aus unserer Sicht kritischen Punkte und auf die „Reformvorschläge im Einzelnen“ unter IV. des Eckpunktepapiers beschränken:

1. Personen ohne Angabe eines Geschlechts im Personenstandsregister oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ und Personen, die den Geschlechtseintrag geändert haben

Schon die Überschrift „Eintrag der Elternschaft im Personenstandsregister“ unter IV.1.b) der Eckpunkte verkennt das Problem. Es geht nicht nur darum, wie eine Elternschaft im Personenstandsregister eingetragen wird. Vielmehr wird diesen Personen aktuell in vielen Fällen die Elternschaft (ohne Adoption) verwehrt: So können z.B. Personen ohne Geschlechtseintrag die zweite Elternstelle aktuell über § 1592 Nrn. 1 und 2 BGB zumindest nach herrschender Auffassung überhaupt nicht einnehmen. Es muss also zuvörderst einmal darum gehen, die bestehende verfassungswidrige Diskriminierung (vgl. BVerfG, B. vom 10.10.2017, 1 BvR 2019/16) zu beseitigen und die Elternschaft überhaupt erst zu ermöglichen. Bevor sie dann eingetragen werden kann.

Ohnehin sind die Eckpunkte in diesem Punkt völlig unklar: Die unter IV.1.b) offengelassene Frage ist ja, was denn die „allgemeinen Regelungen des Personenstandsrechts“ besagen. Besagen sie z.B., dass die Elternstellen geschlechtsunabhängig besetzt werden und dann entsprechend dem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag des jeweiligen Elternteils mit „Mutter“ oder „Vater“ oder „Elternteil“ benannt werden? Oder gerade nicht? Der Umstand, dass die Eckpunkte diese sich aufdrängende Frage so leichtfüßig umgehen, lässt befürchten, dass es beim bisherigen verfassungswidrigen Zustand bleiben soll bzw. dieser für Personen ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ noch vertieft werden würde. Diese könnten sich nicht einmal mehr auf eine nachträglich entstandene Lückenhaftigkeit des Gesetzes berufen, wenn diese Lücke nun zementiert wird. Das wäre sowieso inakzeptabel, aber auch mit den Zusagen beim Entwurf des SBGG nicht zu vereinbaren. Es wird auf Seite 59 unten des SBGG-E vielmehr ausdrücklich erklärt, dass es sich dort nur um eine Übergangslösung bis zur anstehenden Reform des Abstammungsrechts handelt. Diese Zusage muss eingehalten werden.

2. Mangelhafte Rückwirkung

Die Eckpunkte sehen – unter IV.8. – nur für eine Fallgruppe, die der Kinder, die in eine Ehe zweier Frauen hineingeboren wurden, eine Rückwirkung vor. Selbst für diese Fallgruppe ist die vorgesehene Rückwirkung mangelhaft: Es ist nicht begründbar, die gemeinsame Elternschaft beider Frauen noch von einer Elternschaftsanerkennung abhängig zu machen. Vielmehr muss die formlose Anzeige gegenüber dem Standesamt genügen.

Vor allem aber ist zu beanstanden, dass für andere Eltern und deren Kinder eine Rückwirkung überhaupt nicht vorgesehen ist - nicht für nicht verheiratete Frauenpaare, nicht für Personen ohne Geschlechtseintrag oder mit Geschlechtseintrag „divers“ und auch nicht für Eltern mit einer Änderung des Personenstands. Dies ist weder mit den Interessen dieser Eltern und ihrer Kinder zu vereinbaren, noch mit dem Ziel der Entlastung von Gerichten und Behörden. Diese bleiben und werden vielmehr durch die Fortführung der dort noch anhängigen Verfahren und durch weitere, derzeit noch nicht anhängige Verfahren belastet, in die die Eltern durch die fehlende Rückwirkung gezwungen werden.

Auch der unter IV.8. vorgesehene Rückwirkungszeitpunkt ist völlig unzureichend. Es sollte zumindest der Zeitpunkt des Urteils des BVerfG zur „Sukzessivadoption“ vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, maßgeblich sein.

3. Abkehr vom Vorrang des Kindeswohls

Besonders besorgniserregend ist die unverhohlene Abkehr der Eckpunkte vom Vorrang des Kindeswohls: Bisher war das Kindeswohl unbestritten der entscheidende Aspekt des Abstammungsrechts. So hat das BVerfG im Urteil vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, unter Rn. 49 ausgeführt:

„Das Kindeswohl ist wesensbestimmender Bestandteil des Art. 6 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 108, 82 <102>). Die verfassungsrechtliche Gewährleistung dient in erster Linie dem Schutz des Kindes. Sie beruht auf dem Gedanken, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Das Elternrecht ist um des Kindes willen gegen Eingriffe des Staates geschützt (vgl. BVerfGE 59, 360 <376 f.>; 61, 358 <371 f.>).“

Die Eckpunkte verstoßen hiergegen in zweierlei Hinsicht:

Es liegt im Kindeswohl, eine möglichst baldige zuverlässige Zuordnung der Elternschaft zu erhalten. Die Eckpunkte sehen in IV.3.a) und b) für Fälle, in denen es bisher diese zuverlässige Zuordnung gab, aufwändige Prüfungsverfahren und ein Aufschieben der Eltern-Kind- Zuordnung vor. Bereits dies ist mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren.

Unter IV.3.b) wird ferner lediglich erklärt, das Kindeswohl habe „Bedeutung“. Es „kann“ der „entscheidende Faktor“ sein. Das ist wesentlich weniger als bisher unstreitig und vom BVerfG für maßgeblich angesehen. Unverhohlen findet hier ein Paradigmenwechsel weg vom Kindeswohl und hin zu angeblichen Interessen leiblicher Väter statt. Dies ist sowieso unzulässig und nicht einmal durch die geltend gemachten Interessen leiblicher Väter geboten:

Der auf Seite 10 oben der Eckpunkte aufgeführte Beispielsfall lässt sich schon nach aktuellem Recht leicht dadurch lösen, dass der leibliche Vater die Vaterschaft des „Sperrvaters“ anfechten kann, wenn keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Diese Einschränkung liegt im Wohl des Kindes. Weitergehende Anfechtungsrechte sind kindeswohlwidrig.

Schon deswegen ist auch der unter IV.3.b) vorgesehenen „Interessenabwägung“ zu widersprechen. Völlig unklar ist auch, was mit der anzustellenden Erwägung gemeint sein soll, „ab wann sich der leibliche Vater um das Kind bemüht hat“. Von Bedeutung könnte allenfalls sein, ab wann er sich um die rechtliche Elternschaft bemüht hat. Das wäre aktuell schon im Rahmen einer vorgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung möglich und zukünftig auch im Rahmen einer präkonzeptionellen Elternschaftsvereinbarung bzw. Vaterschaftsanerkennung. So dass es im Wesentlichen um die Fälle ginge, in denen die leiblichen Väter es unterlassen haben, sich rechtzeitig um die rechtliche Vaterschaft zu bemühen bzw. diese der Mutter anzubieten. Es zeigt sich hier zum einen, wie wichtig es ist, den Beteiligten Möglichkeiten zu bieten, frühzeitig Rechtssicherheit zu erzeugen, zum anderen, dass Kindern die von ihnen dringend benötigte Rechtssicherheit nicht im Interesse leiblicher Väter, die von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht haben, verweigert werden darf.

4. Bevormundung nicht verheirateter Mütter

Bis zum Kindschaftsrechtsreformgesetz 1996 war zur Vaterschaftsanerkennung nicht die Zustimmung der Mutter, sondern die des Kindes, vertreten durch das Jugendamt, erforderlich. Dies hat die damalige Bundesregierung sich wie folgt erklärt: „Dies erklärt sich aus dem System der Amtspflegschaft und dem darin liegenden Misstrauen gegenüber der Mutter eines nichtehelichen Kindes.“ (vgl. BT-Drucksache 13/4899, S. 54) und folgerichtig abgeschafft.

Mit den Eckpunkten soll das Rad nun offenbar zum Teil wieder zurückgedreht werden, wenn die Zustimmung der Mutter nun doch wieder in bestimmten Fällen unter den Vorbehalt der Überprüfung durch das Familiengericht und das Jugendamt gestellt werden soll.

Das darin zum Ausdruck kommende Misstrauen und die damit verbundene Bevormundung sind sachlich nicht gerechtfertigt und mit Art. 6 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.

5. Präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennungen

Es ist den Eckpunkten nicht sicher zu entnehmen, ob zukünftig präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennungen zulässig sein sollen. Wir halten dies für dringend geboten. Nur so kann Eltern die Möglichkeit geboten werden, schon vor der Zeugung Rechtssicherheit bezüglich der Eltern-Kind-Zuordnung zu schaffen. Dies liegt im Interesse aller Beteiligter, vor allem der Kinder, die ihre Zeugung dem Vertrauen in diese Rechtssicherheit verdanken.

6. Keine Strafbarkeit der Beteiligung an einer Zeugung mittels Bechermethode

Die Mitwirkung an der Zeugung mittels Bechermethode ist bereits nach aktuellem Recht nicht strafbar (vgl. Siegfried, FamRZ 2019, 1979). Das wird zwar z.T. behauptet. Deswegen ist eine „Klarstellung“ – wie unter IV.8. der Eckpunkte in Aussicht genommen – sicher sinnvoll. Die Klarstellung darf sich aber nicht nur auf den Wunschelternteil beziehen. Sie muss vielmehr für alle an der Zeugung mitwirkenden Personen gelten, um diese nicht einer aktuell überhaupt nicht bestehenden Strafbarkeit zu unterwerfen.

7. Keine Verschärfung der Regelungen zur Bekämpfung „missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen“

Unter IV.6. der Eckpunkte werden Verschärfungen der Regelungen zur Bekämpfung „missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen“ in Aussicht gestellt. Zwar nicht für dieses Reformvorhaben. Wir möchten hierzu gleichwohl klarstellen, dass wir solche Verschärfungen nicht für gerechtfertigt halten. Wir verweisen hierzu auf die nochmals als Anlage beigefügte gemeinsame Stellungnahme von DAV und RAV vom 06.05.2022, wonach vielmehr die Aufhebung der Regelungen in §§ 1597a BGB, und 85a AufenthG angemessen ist.

Berlin, 30.01.2024

Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen
news-1011 Mon, 29 Jan 2024 10:31:41 +0100 Rechtsstaat und Demokratie gegen den Angriff von rechts verteidigen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsstaat-und-demokratie-gegen-den-angriff-von-rechts-verteidigen-1011 RAV-Aufruf zur Teilnahme an der Menschenkette um den Bundestag. "Hand in Hand" am 3.2.2024 Update, 2.2.24: Als Treffpunkt für Jurist*innen schlagen wir den südlichen Eingang des Paul-Löbe-Hauses bei den Fahrradständern  vor. Vom Hauptbahnhof und über U- 5 bis  Bundestag ist das Paul-Löbe-Haus sehr gut erreichbar und bei Regen bietet der Eingang einen Unterstand.

Gemeinsam für Solidarität und die offene Gesellschaft auf die Straße gehen

Der RAV ruft zur Teilnahme an der Menschenkette um den Bundestag des Netzwerkes „Hand in Hand“ am 3. Februar um 13.00 Uhr in Berlin auf.

Als Anwältinnen und Anwälte beobachten wir seit langer Zeit, wie sich die Angriffe auf fundamentale rechtsstaatliche Grundlagen verschärfen und die Gleichheit der Menschen offen in Frage gestellt wird.

Die Verteidigung von Menschenrechten und den Schutz von Minderheiten verstehen wir als Kern unserer anwaltlichen Aufgabe. In diesem Sinne haben wir auch unser Engagement in dem #unteilbar-Bündnis verstanden.

Es geht jetzt darum, über all das Trennende hinweg in einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis diese Demokratie, die demokratischen Institutionen und die rechtsstaatlichen Errungenschaften zu verteidigen. Die Politik ist aufgefordert, die rechten Diskurse zu brechen und offensiv für die solidarische Gesellschaft einzutreten. Der Kampf gegen Rechtsradikalismus wird nicht durch ein Zurückweichen und die Aufgabe rechtsstaatlicher Positionen gewonnen.

#WirSindDieBrandmauer

Alle Infos unter: https://gemeinsam-hand-in-hand.org/

Aufruf als PDF

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news-1010 Tue, 23 Jan 2024 11:30:17 +0100 Kundgebung vor der Botschaft der islamischen Republik Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-vor-der-botschaft-der-islamischen-republik-iran-1-1010 24.1.2024 um 13 h Gemeinsam mit der Stiftung „Day of the Endangered Lawyer“ und einem internationalen Netzwerk von Anwältinnen/Anwälten- und Juristinnen/Juristen-Organisationen rufen die Rechtsanwaltskammer Berlin und der RAV zudem zu einer

Kundgebung am 24.01.2024 um 13 Uhr vor der iranischen Botschaft, Podbielskiallee 67, 14195 Berlin auf, um dort unsere Solidarität mit den Kolleg*innen im Iran auszudrücken und ihre Freilassung zu fordern.

Wir würden uns über zahlreiches Erscheinen freuen und rufen alle Kolleginnen und Kollegen auf, wenn möglich in Robe an der Versammlung teilzunehmen.

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Iran Tag des bedrohten Anwalts
news-1008 Fri, 19 Jan 2024 10:41:23 +0100 Jahrestag der Anerkennung des Genozids durch den Bundestag /publikationen/mitteilungen/mitteilung/jahrestag-der-anerkennung-des-genozids-durch-den-bundestag-1008 Pressemitteilung, 19.1.24. RAV fordert Abschiebestopp für jesidische Geflüchtete Am 19. Januar 2023 hat der Bundestag die Verbrechen des Islamischen Staats (IS) an den Jesid*innen als Völkermord anerkannt.

Im Rahmen seines Beschlusses stellte der Bundestag fest, dass auch neun Jahre nach dem Genozid Verfolgung und Diskriminierung von Jesid*innen im Irak noch immer andauern.

Heute, ein Jahr nach dem Anerkennungsbeschluss, ist die Lage von jesidischen Schutzsuchenden in der Bundesrepublik dagegen von akuter Angst vor Abschiebung geprägt.

Laut Auswärtigem Amt und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei durch den militärischen Sieg über den IS im Irak jegliche Verfolgungsgefahr für Jesid*innen gebannt.

Dass die Opfer des Genozids noch immer schwer unter dessen Folgen leiden, wird in der deutschen Asylpraxis nicht hinreichend berücksichtigt. Hunderttausende Jesid*innen leben noch immer als Vertriebene unter teils menschenunwürdigen Bedingungen in kurdischen Flüchtlingslagern. Ein Wiederaufbau jesidischer Siedlungsgebiete ist aufgrund anhaltender Konflikte in der Region Shingal nicht abzusehen und offensichtlich nicht im Interesse der lokalen Konfliktparteien.

Nach geheimen Absprachen zwischen dem Irak und der Bundesregierung bereits im April 2023, werden irakische Schutzsuchende seit Sommer 2023 erstmalig seit fast 20 Jahren wieder abgeschoben. Unter den bisher abgeschobenen befanden sich bereits rund 20 Jesiden.

Der RAV fordert Abschiebungen von Jesid*innen zu stoppen und ein Bleiberecht zu ermöglichen.

PM als Download (PDF)

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-1006 Wed, 17 Jan 2024 08:00:00 +0100 Landgericht Hamburg verhandelt Verfahren gegen Demonstrierende vom G20-Gipfel /publikationen/mitteilungen/mitteilung/landgericht-hamburg-verhandelt-verfahren-gegen-demonstrierende-vom-g20-gipfel-1006 Pressemitteilung, 17.1.2024 Der RAV fordert: Angriffe der Hamburger Staatsanwaltschaft auf die Versammlungsfreiheit müssen aufhören

Am 18.01.2024 soll in Hamburg erneut ein Gerichtsverfahren gegen sechs Angeklagte beginnen, denen die Teilnahme an einer Demonstration gegen den G20-Gipfel im Sommer 2017 vorgeworfen wird.

Wie bereits in vorherigen Verfahren (Fabio V. || Rondenbarg-Prozess geplatzt), die allesamt ergebnislos wieder beendet wurden, wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg den sechs Angeklagten nicht etwa eine eigene gewalttätige Handlung, sondern allein die Teilnahme an der Versammlung am Rondenbarg vor, die von Einheiten der Bundespolizei und der Polizei Hamburg vor Ort gewaltsam aufgelöst wurde.

Dabei ist seit der Liberalisierung des entsprechenden Landfriedensbruch-Paragraphen in den siebziger Jahren klar, dass die bloße Teilnahme an einer Versammlung selbst dann, wenn diese einen gewaltsamen Verlauf nimmt, nicht der Strafbarkeit des § 125 StGB unterfällt. Nur diejenigen, die selbst als Täter*in oder Teilnehmende aktiv gewalttätig – etwa gegen Polizeibeamt*innen – agieren, können sich nach der entschärften Fassung strafbar machen, eine Einschränkung, die die CDU jüngst im Bundestag wieder abzuschaffen versuchte – indes erfolglos. Um diese eindeutige Gesetzeslage zu torpedieren, behauptet die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift entgegen der tatsächlichen Faktenlage, es habe sich nicht um eine Demonstration gehandelt.

Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV e.V., kritisiert die Haltung der Hamburger Staatsanwaltschaft: „Die nach wie vor pauschale Weigerung der Staatsanwaltschaft, die Verfahren gegen die damals jungen Demonstrierenden nach nunmehr annähernd sieben Jahren einzustellen, ist nicht nachvollziehbar. Sie lässt befürchten, dass mit der Belastung der Angeklagten durch die nun bis in den Sommer hinein nötigen Anreise zu 28 Verhandlungsterminen eine Sanktion, die auf juristischem Wege nicht erreicht werden kann, durch faktische Einschnitte in den Alltag hervorgerufen werden soll. Dies ist rechtsstaatlich nicht hinnehmbar.

PM als Download (PDF)

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G20-Gipfel Hamburg 2017
news-1007 Wed, 17 Jan 2024 06:03:56 +0100 Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts 2024 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-2024hamburg-1007 Veranstaltung: 24.01.2024, 17-21 h, Hamburg: Talk, Performance, Videoinstallation. Hamburg || Kundgebung: 24.01.2024 um 15 h vor dem iranischen Konsulat, Bebelallee 18, 22299 Hamburg Solidarität mit unseren bedrohten Kolleg*innen im Iran
(hier folgend die Aktivitäten in Hamburg. Zu der Veranstaltung am 23.1.14 und der Kundgebung vor der iranischen Botschaft in Berlin s. hier)

Anlässlich des Tages der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts, der sich 2024 der Situation der Kolleginnen und Kollegen im Iran sind in Hamburg folgende Aktivitäten/Veranstaltungen geplant:

24.1.24 um 15 h: Kundgebung vor dem Konsulat der Islamischen Republik Iran, Bebelallee 18, 22299 Hamburg. Kolleg*innen sind aufgerufen, an der Kundgebung in Robe teilzunehmen.
Aufruf als PDF

24.1.24 von 17 - 21 h: Talk, Performance, Videoinstallation. GWA St. Pauli, Hein-Köllisch-Platz 11, 20359 Hamburg
Poster als PDF

In der Zeit von 17 bis 21 Uhr wollen wir, RAV e.V. und IKW e.V., im Kölibri/GWA St. Pauli die aktuelle Verfolgung unserer Kolleg*innen historisch und gesamtgesellschaftlich kontextualisieren.

Mittels einer Theaterperformance der Theatergruppe drang „mad in Germany Splitter im Exil" wird auf die Kontinuität deutscher Waffenlieferungen an das iranische Regime von der sogenannten Kulturrevolution bis heute, mehr als einem Jahr nach dem Mord an Jina Mahsa Amini zu Bekämpfung der Protestbewegung Jin Jian Azadi hingewiesen. 
Mittels der Videoinstallation, Queer Life Freedom von und mit Ashkan Shabani, lgbtiq+ Aktivist und queerer Fotojournalist aus dem Iran und Gesprächen mit Aktivist*innen, Shohreh Ghanbary, ehemals Inhaftierte im Iran, Aktivistin und Künstlerin, Afrooz Maghzi, iranische Anwältin und Rechtsrecherche, Made Soltani, Tochter des iranischen Anwalts Abdolfattah Soltani  wird die Gewalt auch gegenüber der queeren Bewegung eingeordnet.

Die Veranstaltung wird vom RAV e.V. und IKW e.V. organisiert und findet in Kooperation mit der GWA St. Pauli e.V. statt. Der Eintritt in diese vielfältigen und recht aufwändigen Veranstaltungen ist frei, wobei wir uns über Spenden dafür sehr freuen würden: https://ikw-hamburg.de/kontakt-spenden/. Bitte verwendet als Zweck "mujeres 24.01.24

Es werden da sein:
Maryam Srad (Videoaktivistin)
Ashkan Shabani (Künstler und Journalist) mit der Ausstellung queer life freedom
Afrooz Maghzi (iranische Anwältin und Soziologin)
Maede Soltani (Aktivistin und Tochter des iranischen Anwalts Abdolfatta Soltani)
Shohre Ghanbari ( Aktivistin, Künstlerin; ehemalige politische Gefangene)
Ali Fathi (Splitter im Exil mad in Germany)
Die Theatergruppe Drang aus Berlin

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news-1014 Tue, 16 Jan 2024 10:32:00 +0100 Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts am 24. Januar 2024 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-am-24-januar-2024-1014 Presseankündigung, 16.1.2024 Sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten,

mit der Auspeitschung von Frauen, Streit über Öltanker im Golf von Oman oder der Finanzierung des Hamas-Terrors in Gaza macht der Iran täglich Schlagzeilen – weniger wissen wir über die rechtliche Lage und die Arbeit von Anwält*innen in der Islamischen Republik. Aus erster Hand darüber berichten kann der Rechtsanwalt Sina Yousefi. Er hat es geschafft, dem Gewaltregime und dem Gefängnis zu entkommen.

Jetzt ist Yousefi in Berlin und steht für Interviews zur Verfügung (auf Wunsch exklusiv, mehr Infos zur Person s.u.). Möglich ist ein Gespräch vor oder auf unseren Veranstaltungen zum Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts (Termine s.u.). Dieser widmet sich dieses Jahr dem Iran. Dort hatte der Tod von Jina Masha Amini 2022 landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime mit grausamer Gewalt begegnet. Mindestens 600 Menschen wurden im vergangenen Jahr hingerichtet, Menschenrechte werden massenhaft verletzt.

Ausgerechnet im Iran, wo sie so bitter nötig wäre, ist anwaltliche Vertretung nur noch schwer möglich“, erklärt Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV. Das Mullah-Regime handele willkürlich und die Anwält*innen selbst würden verfolgt. Ihnen werde oft das gleiche vorgeworfen wie ihren Mandant*innen, so Stolle. Mindestens fünf Anwält*innen sitzen im Iran derzeit im Gefängnis. Einer davon ist Amirsalar Davoudi. Für ihn hat der RAV eine Patenschaft übernommen.Unser Kollege Armisalar Davoudi und alle anderen Kolleg*innen müssen freigelassen werden“, fordert der RAV-Vorstandsvorsitzende. „Rechtsanwält*innen, die einfach nur ihre Arbeit machen, gehören nicht ins Gefängnis – weder im Iran noch in irgendeinem anderen Land der Welt“, so Stolle weiter. Stolle weist zudem auf Deutschlands Verantwortung hin: „Demokratische Rechtsstaaten tragen eine Mitschuld an der Unterdrückung, wenn sie weiterhin Wirtschaftsbeziehungen und Handel mit dem Gewaltregime zulassen“, kritisiert Stolle. Er fordert von der Bundesregierung ebenso wie von deutschen Unternehmen: „Keine Zusammenarbeit mit dem Regime, bis alle gefangenen Anwält*innen frei sind! Der Iran muss die Menschenrechte achten.

Veranstaltungen des RAV:

 

Der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts wird jeden 24. Januar in mehreren Städten, Ländern und Kontinenten abgehalten. Vergangenes Jahr war der Tag Afghanistan gewidmet, 2022 ging es um Kolumbien. Etabliert haben den Aktionstag 2009 die Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA), die damit einem Mord von 1977 gedenken: Damals töteten Faschisten drei Gewerkschaftsanwälte in deren Kanzlei in Madrid.

„Der Iran verletzt das internationale Recht“

Im Jahr 2009 war der Iran schon mal das Fokus-Land, doch 15 Jahre später ist die Lage weiterhin katastrophal“, erklärt Nasrin Karimi. Die in Teheran geborene und in Berlin tätige Rechtsanwältin ist Mitglied im RAV und Expertin für deutsch-iranisches Recht sowie für Familien- und Erbrecht. „Das iranische Regime verletzt seit seiner Entstehung durchweg das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung.“ Und das, obwohl der Iran seit 1975 Mitglied des Internationalen Pakts über bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ist.

Karimi betont: „Je entschlossener Anwälte für ihre Unabhängigkeit kämpfen, desto stärker werden sie verfolgt. Aufgrund der verschärften Regelungen der Strafprozessordnung sind politische Gefangene gezwungen, sich an Anwälte zu wenden, die die Oberste Justizbehörde des Landes als ‚Vertrauensanwälte‘ zugelassen hat. Die sind nicht unabhängig".“

Mehr über das Justizsystem des Iran, die Praxis der Rechtsprechung und vor allem über Alltag und Arbeitsbedingungen von Anwält*innen im Iran erfahren Sie bei unseren Veranstaltungen, zu denen wir sie herzlich einladen!

 Weitere Informationen:


Die Presseankündigung als Download (PDF), hier auch mit weiteren Informationen zu Rechtsanwalt Sina Yousefi.

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Tag des bedrohten Anwalts Pressemitteilung
news-1005 Mon, 15 Jan 2024 10:17:10 +0100 Juristische Organisationen verurteilen rechtsextremistischen "Masterplan" aufs Schärfste /publikationen/mitteilungen/mitteilung/juristische-organisationen-verurteilen-rechtsextremistischen-masterplan-aufs-schaerfste-1005 Gemeinsames Statement, 15.1.24 Was im November im kleinen Kreis nahe Potsdam entworfen wurde, ist mehr als nur eine schauerliche Vision. Es ist ein Angriff auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat. Die massenhafte Deportation von Menschen aus Deutschland darf nie wieder Realität werden. Die gesetzliche Legitimation solcher Phantasien muss mit allen juristischen und politischen Mitteln verhindert werden. Dieses Treffen darf sich in der Rückschau nicht als „zweite Wannseekonferenz“ entpuppen.

Die unterzeichnenden juristischen Organisationen stellen sich entschlossen gegen das skizzierte Konzept und das dahinterstehende Menschen- und Weltbild, das nicht nur unzähligen in Deutschland tätigen Juristinnen und Juristen, sondern uns allen nicht wieder gutzumachenden und dauerhaften Schaden zufügen würde.

Die unterzeichnenden Organisationen

Bundesrechtsanwaltskammer
Deutscher Anwaltverein
Deutscher Juristinnenbund
Deutscher Richterbund
Neue Richtervereinigung
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen
 

Das gemeinsame Statement als Download (PDF), das weitere Zeichnungen enthält, die nach Veröffentlichung eingegangen sind. Diese sind:

Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger
Bundesverband der Unternehmensjuristen
Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften
Deutsche Strafverteidiger
Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung
EDV-Gerichtstag

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Rechtsextremismus
news-1004 Mon, 15 Jan 2024 08:58:07 +0100 Strafrechtsreform zur Abschaffung von § 353d Nr. 3 StGB nutzen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafrechtsreform-zur-abschaffung-von-353d-nr-3-stgb-nutzen-1004 Gemeinsame Stellungnahme, 11.1.24 Gemeinsame Stellungnahme der Organisationen:
Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
Netzwerk Recherche e.V.
Deutscher Journalisten-Verband
Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di)
Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Reporter ohne Grenzen e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien enthält den Auftrag, das Strafgesetzbuch systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche zu überprüfen. Dabei soll ein Fokus auf historisch überholten Straftatbeständen, der Modernisierung des Strafrechts und der schnellen Entlastung der Justiz liegen.[1] Das Bundesministerium der Justiz hat kürzlich Eckpunkte für die anstehende Reform vorgelegt.[2] Jedenfalls an einer Stelle enthält der Vorschlag aus Sicht der Unterzeichnenden eine erhebliche Lücke: Der Gesetzgeber sollte die Reform zur Abschaffung von § 353d Nr. 3 StGB nutzen, jedenfalls aber den Straftatbestand an die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) anpassen und eine Ausnahme für Medienschaffende vorsehen. Die Norm richtet sich nach ihrer Entstehungsgeschichte in erster Linie gegen die Presse, wird schon seit langem kritisiert und aktuell im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Gerichtsbeschlüssen zur Letzten Generation diskutiert.[3]

Nach § 353d Nr. 3 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer den Wortlaut der Anklageschrift oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens ganz oder in wesentlichen Teilen öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Die Norm soll Verfahrensbeteiligte (Laienrichter und Zeugen) davor schützen, durch die vorzeitige Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt zu werden, sowie die Persönlichkeitsrechte der vom Verfahren Betroffenen wahren.[4] Eine Feststellung, ob diese Schutzgüter im Einzelfall überhaupt betroffen sind, oder eine Abwägung, etwa mit dem für die Medien streitenden öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung, sieht sie nicht vor.

§ 353d Nr. 3 StGB greift damit in die Pressefreiheit ein. Das strikte Veröffentlichungsverbot unter Androhung einer Freiheitsstrafe entfaltet eine erhebliche Abschreckungswirkung für die Presseberichterstattung, verstärkt durch den unklaren Anwendungsbereich der Norm. Was „amtliche Dokumente“ sind,[5] ist ebenso umstritten wie die Fragen, wann ein Verfahren abgeschlossen[6] ist oder eine Veröffentlichung in „wesentlichen Teilen“ erfolgt.[7] Das Veröffentlichungsverbot kann
demgegenüber seinen Schutzzweck kaum erreichen. Die Norm verbietet allein die Wiedergabe im Wortlaut, die sinngemäße Wiedergabe ist Medien hingegen gestattet.[8] Gerade die wortlautgetreue Veröffentlichung gewährleistet in Fällen von großem
öffentlichen Interesse die sachliche und faktenbasierte Auseinandersetzung mit den Akteninhalten. Darüber hinaus gehört es gerade zum Kern journalistischer Sorgfaltspflichten, die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen zu schützen und eine Abwägung im Einzelfall zu treffen, ob und unter welchen Umständen die Veröffentlichung gerechtfertigt ist, etwa durch umfangreiche Anonymisierungen. Diese über zivilrechtliche Ansprüche abgesicherte Pflicht besteht unabhängig von der
Strafbarkeit nach § 353d Nr. 3 StGB. Eine Schutzlücke droht daher nicht.

Dementsprechend forderten bereits vor mehr als zehn Jahren Medienverbände[9] sowie die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen[10] und der FDP[11] die Abschaffung der Norm. Die Einschätzung der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wonach die Norm korrekte Berichterstattung kriminalisiere und es zugleich höchst fraglich sei, ob sie das Ziel des Gesetzgebers erreichen könne,[12] trifft weiter zu. Zwischenzeitlich hat zudem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mehrfach entschieden, dass eine Verurteilung von Medienangehörigen wegen der Veröffentlichung von Dokumenten aus Strafverfahren gegen die EMRK verstößt, wenn die Gerichte zuvor keine Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung oder der Unschuldsvermutung festgestellt und mit den Rechten der Presse abgewogen haben.[13] Auch der Bundesgerichtshof äußerte kürzlich Zweifel, ob die Norm verfassungs- und konventionsmäßig ist.[14]

In der Gesamtschau ist jedenfalls die Anpassung von § 353d Nr. 3 StGB an die Gewährleistungen der Pressefreiheit nicht nur rechtspolitisch geboten, sondern auch verfassungsrechtlich zwingend.

Kontakte:
Deutscher Journalisten-Verband
Christoph Brill: brill@djv.de

Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Benjamin Lück: benjamin.lueck@freiheitsrechte.org

Reporter ohne Grenzen e.V.
Nicola Bier: nicola.bier@reporter-ohne-grenzen.de

Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
Hannah Vos: hannah.vos@okfn.de

Netzwerk Recherche e.V.
Dr. Thomas Schnedler: schnedler@netzwerkrecherche.de

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Dr. Lukas Theune: kontakt@rav.de

Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di)
Matthias von Fintel: matthias.vonfintel@verdi.de

[1] Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und FDP, S. 106.
[2] Bundesministerium der Justiz (BMJ), Eckpunkte zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs, November 2023, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Modernisierung_Strafgesetzbuch.html.
[3] Siehe nur Süddeutsche Zeitung, Verklagt vom Staat, 4. Dezember 2023, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/medien/fragdenstaat-353d-bundesverfassungsgericht-1.6313936; Legal Tribune Online, 25. August 2023, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/353d-stgb-reform-noetig-bgh-urteil-zitieren-urteil-presse/.
[4] BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.06.2014 – 2 BvR 429/12, Rn. 25-27.
[5] Dazu zuletzt BGH, Urteil vom 16. Mai 2023, Az. VI ZR 116/22.
[6] Vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 2. September 2013 - 629 Qs 34/13: „um die Bestimmtheit der Vorschrift […] dürfte es schlechter denn je stehen.“
[7] Siehe zu Unterschieden in der Rechtsprechung etwa Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20. Juli 2016 – (1) 53 Ss 3/16 (18/16) und LG Amberg, Beschluss vom 9. Februar 2015 - 11 Qs 5/15.
[8] BVerfG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 1 BvL 15/84, Rn. 25.
[9] ARD, BDZV, DJV, Deutscher Presserat, VDZ, Ver.di, VPRT und ZDF, Gemeinsame Stellungnahme vom 9. Juni 2010, Seite 9, abrufbar unter https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/INFOS/Themen/Medienpolitik/Presserecht/Quellenschutz/PrStG-E-21-06-10.pdf.
[10] Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit in Straf- und Strafprozessrecht, BT-Drs. 16/576.
[11] Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Pressefreiheit, BT-Drs. 16/956.
[12] Leutheusser-Schnarrenberger, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2007, 249 (251).
[13] EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011, Pinto Coelho v. Portugal – 28439/08.
[14] BGH, Urteil vom 16. Mai 2023, Az. VI ZR 116/22, Rn. 18.

StN als Download (PDF)

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Presserecht
news-1003 Fri, 12 Jan 2024 05:47:59 +0100 Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts 2024<br />Solidarität mit unseren bedrohten Kolleg*innen im Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-2024solidaritaet-mit-unseren-bedrohten-kolleginnen-im-iran-1003 Informationsveranstaltung: 23.01.2024 um 18 h, Littenstraße in Berlin || Kundgebung: 24.01.2024 um 13 h vor der iranischen Botschaft, Podbielskiallee in Berlin Anlässlich des Tages der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts, der sich 2024 der Situation der Kolleginnen und Kollegen im Iran widmet, veranstaltet die Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK-Berlin) gemeinsam mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und dem Deutschen Anwaltsverein (DAV) eine Informations- und Diskussionsveranstaltung.

Jedes Jahr am 24. Januar wird der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts begangen.
In diesem Jahr steht der Iran im Fokus. Dort hatte 2022 der Tod von Jina Masha Amini landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime seither mit grausamer Gewalt begegnet. Mindestens 600 Menschen wurden 2023 hingerichtet, Menschenrechte werden massenhaft verletzt. Mehrere unserer Kolleg*innen, darunter Rechtsanwalt Amirsalar Davoudi, für den der RAV eine Patenschaft übernommen hat, befinden sich allein wegen ihrer beruflichen Tätigkeit momentan dort in Haft.

Bei der Veranstaltung wird unser iranischer Kollege Rechtsanwalt Sina Yousefi berichten, wie das Regime gegen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen vorgeht. Er wird uns weiter über die Besonderheiten des iranischen Rechtssystems und der Arbeit von Rechtsanwält*innen in der Verteidigung der Rechte ihrer Mandant*innen informieren. Rechtsanwalt Yousefi wurde selbst durch das Regime verfolgt, konnte 2023 aus dem Iran fliehen und lebt jetzt in Berlin.

Außerdem wollen wir auf der Veranstaltung darüber sprechen, wie wir (weiter) unsere bedrohten Kolleg*innen im Iran unterstützen können.

Durch die Veranstaltung führt die Aktivistin und Journalistin Daniela Sepehri, profunde Kennerin der Menschenrechtssituation im Iran.

Die Informationsveranstaltung findet am 23.01.2024 um 18 Uhr in den Räumen der Berliner Rechtsanwaltskammer, Littenstr. 9, 4. Etage, 10179 Berlin statt. Einlass ab 17:30 Uhr.

Wir laden alle herzlich ein, an der Veranstaltung teilzunehmen.

Für eine Übersetzung von Farsi nach Deutsch ist gesorgt.

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Gemeinsam mit der Stiftung „Day of the Endangered Lawyer“ und einem internationalen Netzwerk von Anwältinnen/Anwälten- und Juristinnen/Juristen-Organisationen rufen die Rechtsanwaltskammer Berlin und der RAV zudem zu einer

Kundgebung am 24.01.2024 um 13 Uhr vor der iranischen Botschaft, Podbielskiallee 67, 14195 Berlin auf, um dort unsere Solidarität mit den Kolleg*innen im Iran auszudrücken und ihre Freilassung zu fordern.

Wir würden uns über zahlreiches Erscheinen freuen und rufen alle Kolleginnen und Kollegen auf, wenn möglich in Robe an der Versammlung teilzunehmen.

Einladungen als Download (PDF)

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news-1002 Fri, 05 Jan 2024 08:10:03 +0100 Gefangen & Wohnungslos /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gefangen-wohnungslos-1002 Buchvorstellung - Lesung – Diskussion, 17.1.24 um 17 h in Berlin Klaus Jünschke war monatelang in den Justizvollzugsanstalten Köln, Siegburg und Rheinbach und hat dort mit Häftlingen gesprochen, die vor ihrer Haft wohnungs- bzw. obdachlos waren – und danach mit größter  Wahrscheinlichkeit auch wieder sind.
Aus ihren Erzählungen über die Gründe, die zur Inhaftierung führten, aus den Berichten über die Haftsituation und die Zukunftsaussichten ist das Buch „Gefangen & Wohnungslos“ entstanden. Es informiert die Öffentlichkeit über eine soziale Notlage, deren Behebung längst überfällig ist.

Um armen und wohnungslosigkeitserfahrenen Menschen zu ermöglichen, dabei zu sein, ist die Lesung kostenfrei und es wird auch etwas zu Essen und zu Trinken geben. Kommt vorbei!!

"Gefangen & Wohnungslos"
Buchvorstellung - Lesung – Diskussion
Mi, 17.01.2024, 17:00
Mit dem Autor Klaus Jünschke, Köln

Haus der Demokratie | Greifswalder Str. 4  | 10405 Berlin

Tram M4, Bus 142 + 200, Haltestelle "Am Friedrichshain"
Eintritt frei (Spenden erwünscht)
Essen & Trinken für alle – Beginn der Lesung 18:00

Eine Veranstaltung der Wohnungslosen_Stiftung & Klaus Jünschke. Moderation: Stefan Schneider
Eine VA in Kooperation mit dem RAV u.a.

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Sozialrecht Veranstaltungen
news-994 Mon, 04 Dec 2023 10:49:12 +0100 RAV befürchtet vollständige Aushöhlung des europäischen Asylrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-befuerchtet-vollstaendige-aushoehlung-des-europaeischen-asylrechts-994 Presseinfo vom 4. Dezember 2023: Fachgespräch am 07.12.2023 um 18 Uhr zur GEAS-Reform Aus Sicht des RAV führt die von der EU angestrebte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu einer fast vollständigen Entrechtung von Schutzsuchenden – sollte die Reform wie geplant umgesetzt werden. Der RAV lädt daher unter dem Titel "Mehr als diskussionswürdig: Die Reform des Europäischen Asylsystems" zu einem Fachgespräch am Donnerstag, 7.12.23 um 18 hHU Berlin,  Unter den Linden 6, Raum 2094 ein. Die Veranstaltung kann auch im Stream verfolgt werden.

Es soll das unübersichtliche Reformpaket kritisch beleuchtet werden. Denn darin verbergen sich verschiedene Reglungen, die einen gravierenden Einschnitt in die Rechte Schutzbedürftiger bedeuten und die bislang geltenden Verfahrensgarantien fast vollständig aufgeben. 

Zu den gravierendsten Eingriffen gehören

Rechtsanwältin Berenice Böhlo aus dem RAV-Vorstand sagt dazu: „Mit den Verordnungs-Entwürfen senkt die Europäische Union menschenrechtliche Standards für den Umgang mit Asylbewerber*innen auf ein beschämend niedriges Niveau. Damit verrät sie die Grundwerte, auf denen sie aufbaut. Mit den Entwürfen will die EU Handlungsfähigkeit und eine harte Hand im Umgang mit Migrant*innen demonstrieren. Sie nutzt dafür eine Politik, die lang und hart erkämpfte Grundsätze zum Schutz von Verfolgten und zur Integration von Menschen mit Fluchtgeschichte mit einem Handstreich aufgibt. Werden an den Entwürfen keine substanziellen Veränderungen vorgenommen, muss die GEAS-Reform konsequent verhindert werden.

In Deutschland werden die geplanten Änderungen von einer schrill geführten Debatte begleitet. Auch Vertreter*innen von Parteien, die ein Menschenrechte verteidigendes Selbstverständnis für sich in Anspruch nehmen, setzen sich vehement für die Verschärfung des GEAS ein. Sie schaffen so ein Abschreckungsszenario, in dem aus Flucht „irreguläre Migration“ wird, die es zu unterbinden gilt. Selten findet dabei eine sachliche Auseinandersetzung mit den geplanten Änderungen statt.

Um diesem Diskurs entgegenzuwirken veranstaltet der RAV gemeinsam mit der Refugee Law Clinic Berlin und der Professur für Recht und Migration der HU Berlin am 07.12.2023 eine Informationsveranstaltung. Sie findet parallel zum geplanten Ende der Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Kommission und Minister*innenrat statt. Bei der Veranstaltung werden Prof. Dr. Pauline Endres de Oliveira (HU Berlin), Dr. Bernd Kasparek (HU Berlin) und Catharina Ziebritzki (Equal Rights Beyond Borders) über den Stand des GEAS-Reformprozesses informieren und diesen inhaltlich einordnen. Moderiert wird die Veranstaltung von dem Journalisten Christian Jakob (TAZ).

Parallel wird ein >>> Fact-Sheet <<< veröffentlicht, das die maßgeblichen Änderungen der Reform zusammenfasst.

Für die Veranstaltung wird um Anmeldung an kontakt@rav.de gebeten.
Als Ansprechpartner steht für Sie zur Verfügung: Julius Becker, Rechtsanwalt, becker@blkr-berlin.de

Presseinfo als PDF
Flyer als PDF

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Pressemitteilung Migration & Asyl Veranstaltungen
news-991 Fri, 24 Nov 2023 11:33:41 +0100 Massive Kritik der AG Migrationsrecht Süd des RAV an bayerischem Beschluss, bei der Bezahlkarte für Geflüchtete vorpreschen zu wollen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/massive-kritik-der-ag-migrationsrecht-sued-des-rav-an-bayerischem-beschluss-bei-der-bezahlkarte-fuer-gefluechtete-vorpreschen-zu-wollen-991 Pressemitteilung, 24.11.23 Populistisches Vorhaben greift ungerechtfertigt in Grundrechte von Geflüchteten ein und ist weder sach- noch zweckgerecht.

In der vergangenen Woche beschloss das bayerische Kabinett die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete. Das Vorhaben sei ein Mittel zur Verringerung von "Zuzugsanreizen und der Finanzierung von Schlepperkriminalität". Außerdem wolle Bayern Vorreiter sein, die Beschlüsse aus dem Bund-Länder-Gipfel Anfang November umzusetzen.

Der RAV betrachtet das Vorhaben als populistische Symbolpolitik und kritisiert den erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen. „Betroffen sei vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal von der AG Migrationsrecht Süd des RAV, „Mittels der Datenerhebung über ihre Einkäufe kann eine Kontrolle der Migrant*innen stattfinden, was auch die Erstellung von Bewegungsprofilen ermöglichen würde.

Der Rechtsanwalt erklärt weiter: „Auch drohen erhebliche Einschränkungen in der allgemeinen Handlungsfreiheit, wenn die Sperrung bestimmter Waren und regionale Beschränkungen erfolgen, und wir befürchten schwerwiegende Verletzungen des Datenschutzes unserer Mandant*innen, insbesondere bei der übereilten Umsetzung hier in Bayern.“ 

Zudem ist das Vorhaben weder sach- noch zweckgerecht: In der Erfahrung der Migrationsrechtsanwält*innen würden Schleuser*innen in der Regel nicht nach der Flucht bezahlt, und die Betroffenen unterstützen ihre Verwandten im Ausland meistens erst dann, wenn sie selbst arbeiteten und Geld verdienten. Dies sei gleichzeitig ein Hauptanliegen der Betroffenen: die Unabhängigkeit von Sozialleistungen.

Zudem gibt es keine seriöse Quelle, die Bargeldauszahlung als Pullfaktor für Migration bestätigt. Die Migrationsforschung (*) zweifelt am schematischen System der Pull/Push-Faktoren als Erklärung für Fluchtentscheidungen und betont stattdessen die Bedeutung rechtsstaatlicher Garantien, die hier - zumindest auf dem Papier - für Alle gelte. 

Die geplante Beschränkung führe schließlich zu Entmündigung der Betroffenen auch im Bereich Ernährung, wenn bestimmte - bspw. afrikanische - Lebensmittel bayernweit nur in München oder Nürnberg in Fachgeschäften erworben werden können, gleichzeitig Geflüchtete oft in ländlichen Kommunen untergebracht werden. Wenn Betroffene zudem an jeder Kasse als Asylbewerber*innen erkennbar sind, kein Onlinekauf möglich ist und "bestimmte Händler" ausgeschlossen sein sollen, resultiert das in weiterer Diskriminierung und Stigmatisierung der Betroffenen. Das System der Bezahlkarten hieße, dass jenseits großer Händler*innen keine Käufe getätigt werden könnten. Betroffen wären u.a. Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkte oder Schulfeste, Käufe bei Straßenhändler*innen, private Käufe von Gebrauchtartikeln, Tickets im ÖPNV oder Toilettengebühren. Das Gegenteil von Integration wäre die Folge.

Auch wie Geldzahlungen für die Beschaffung von Personalpapieren aus der Heimat erfolgen sollen, die von den Ausländerbehörden regelmäßig gefordert werden, oder wie die Menschen ihre rechtliche Vertretung finanzieren sollen, ist nicht geklärt. Die überwiegende Zahl der asylrechtlichen Mandant*innen kommt für die Gebühren selbst auf; Prozesskostenhilfe wird regelmäßig abgelehnt. 

Die massiven Eingriffe in die Rechte auf Handlungsfreiheit, informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz und Bewegungsfreiheit halten die Rechtsanwält*innen vom RAV für ungerechtfertigt. Die bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, von diesem populistischen Schnellschuss Abstand zu nehmen und sich stattdessen auf rechtlich und praktisch durchdachte Lösungen zu konzentrieren.

* Z.B. Oliviero Angeli, wissenschaftlicher Koordinator des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) an der Technischen Universität Dresden.

Kontakt:
Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Email: yunus.ziyal@anw-nbg.de
oder Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV

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Sozialrecht Migration & Asyl
news-990 Tue, 21 Nov 2023 10:38:26 +0100 30 Jahre sind genug!<br />Schluss mit der Repression gegen kurdische Vereine und Aktivist*innen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/30-jahre-sind-genugschluss-mit-der-repression-gegen-kurdische-vereine-und-aktivistinnen-990 Pressemitteilung, 21.11.23 Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) fordert: Das PKK-Verbot muss aufgehoben werden. Seit dem 22.11.1993 unterliegt die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in Deutschland einem Betätigungsverbot.

 „Es gibt keine Gründe, das PKK-Verbot aufrecht zu erhalten“, erklärt der Geschäftsführer Lukas Theune. »Auf Grundlage dieser Entscheidung werden Tausende Menschen verfolgt, die sich politisch engagieren. Das darf in einer Demokratie nicht der Fall sein«, so Theune weiter.

Die PKK gefährdet weder die öffentliche Sicherheit in Deutschland, noch begeht sie hier Straftaten. Durch das Betätigungsverbot wurde in der deutschen Gesellschaft ein Negativbild von Kurdinnen und Kurden erzeugt, das gravierende Folgen für ihr Alltagsleben hat. Vielen Geflüchteten wurde die Asylanerkennung wieder aberkannt. Hier aufgewachsene Jugendliche werden nicht eingebürgert, weil sie sich für die Rechte der Kurd*innen in der Türkei einsetzen und auf die täglich in der Türkei stattfindenden Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen.

Seit Verhängung des PKK-Verbots sind Kurdinnen und Kurden in Deutschland von Grundrechtseinschränkungen und Kriminalisierung, von Diskriminierung, Ausgrenzung und Misstrauen betroffen, wenn sie sich beispielsweise gegen völkerrechtswidrige Einsätze des türkischen Militärs wenden, das im Auftrag der türkischen Regierung nicht vor Giftgas und Bombardierung von zumeist kurdischen Zivilist*innen zurückschreckt.

Die deutsche Regierung muss sich entscheiden: für eine wertebasierte Außenpolitik gegenüber der türkischen Regierung, für allgemeingültige Menschenrechte und für den Schutz von Minderheiten. Oder für eine opportunistische Politik der Machtspiele auf Kosten einer der größten Minderheiten in Deutschland, nämlich der kurdischstämmigen Bevölkerung, die durch das Betätigungsverbot systematisch kriminalisiert wird.

Wir als RAV stehen klar an der Seite derjenigen, die hier von Repression, Überwachung und Einschüchterung betroffen sind. Wir fordern: Weg mit dem Betätigungsverbot!

Kontakt:
Dr. Lukas Theune, RAV-Geschäftsführer
Email: lukas.theune@rav.de
Tel. 030 417 23 555

PM als Download (PDF)

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PKK
news-989 Tue, 14 Nov 2023 17:29:59 +0100 Mehr als diskussionswürdig: Die Reform des Europäischen Asylsystems /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mehr-als-diskussionswuerdig-die-reform-des-europaeischen-asylsystems-989 Veranstaltung am 7.12.23 in Berlin und als Stream Am 8.6.23 hat sich der EU-Innenrat auf tiefgreifende Reformen und Verschärfungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Die Reformvorschläge befinden sich derzeit im EU-Gesetzgebungsverfahren und werden im Falle ihrer Verabschiedung weitreichende Folgen für Schutzsuchende in Europa haben. Angesichts der Vielzahl an geplanten Neuregelungen herrscht weitgehend noch Unkenntnis über deren Details und was diese in der Praxis bedeuten können.

Welche Konsequenzen die GEAS-Reform für die Menschenrechte von Schutzsuchenden haben und inwieweit die Vorschläge im Widerspruch zu internationalem Recht stehen, wollen wir am

7.12.23 um 18 h

erörtern.

Sprechen werden:
Prof.in Dr.in Pauline Endres de Oliveira, HU Berlin
Catharina Ziebritzki, Equal Rights Beyond Borders, Berlin
Dr. Bernd Kasparek, HU Berlin

Moderation: Christian Jakob, Journalist

Im Anschluss besteht der Raum für Fragen und Diskussion.

Ort:
Humboldt Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
Raum 2094

Der Veranstaltung kann auch im Stream verfolgt werden: https://hu-berlin.zoom.us/j/63360797773?pwd=N0xWQzcwTWkyUkFiOTdGK3NiakM1UT09#success

Veranstalter:
RAV, RLC-Berlin, Professur für Migration und Recht der HU-Berlin

Fact Sheet zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (PDF)

Flyer (PDF)
 

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news-987 Mon, 13 Nov 2023 08:28:56 +0100 Bar Associations and International Lawyers’ Organisations Call for the Protection of Lawyers in Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bar-associations-and-international-lawyers-organisations-call-for-the-protection-of-lawyers-in-iran-987 Joint Statement, 10.11.2023 NAZANIN SALARI
MAHMOUD TARAVAT-RUY
MASOUD AHMADIAN

The impending trial of Nazanin Salari, Mahmoud Taravat-Ruy, and Masoud Ahmadian in the Shiraz Islamic Revolution Court on November 11 is a stark reminder of the persistent assault on human rights and freedom of expression in Iran. Accused of "cooperation with 'hostile' countries," "assembly and collusion to act against national security," and "propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran," these lawyers have become targets of a system that seeks to silence their unwavering commitment to justice and their efforts to advocate for positive change.

Nazanin Salari is a lawyer and a member of the Fars Bar Association. She was also the former Head of the Human Rights Commission at the Fars Bar Association. She is a women's rights advocate and a human rights activist. She was initially arrested in November 2020 and was charged with “cooperation with ‘hostile’ countries”, “assembly and collusion to act against national security”, and “propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran. She was arrested again in November 2022 while peacefully demonstrating in front of the Shiraz Bar Association to show her support for the "Woman, Life, Freedom" national uprising, which was in response to the murder of Jina Mahsa Amini, a 22-year-old girl from Saqqez, by the morality police in Tehran. She was then released on bail on 19 November 2022. She was charged with “inciting people to corruption and prostitution” and “appearing in public places without hijab”. The court sessions for these charges were held on the 5th and 7th of November 2023.

 

Mahmoud Taravat-Ruy is a lawyer, member and former President of the Fars Bar Association. He is a human rights activist and has provided legal counsel for numerous political and conscientious defendants. Mahmoud Taravat-Ruy was initially arrested in November 2020 and was charged with “cooperation with ‘hostile’ countries”, “assembly and collusion to act against national security”, and “propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran. He was rearrested in November 2022 during a peaceful gathering in front of the Shiraz Bar Association to show his support for protestors who took to the streets after the death of Jina Mahsa Amini. He was released on bail on 19 November 2022 and charged with “assembly and collusion to act against national security”. The court sessions for these charges were held on 5th and 7th of November 2023.

Masoud Ahmadian Asadabadi is a lawyer and member of the Fars Bar Association. He is a human rights activist and an advocate for women’s and children's rights and has provided legal counsel for many political and conscientious defendants. Mr Ahmadian is representing Mr Taravat-Ruy and Ms Salari in their 2022 cases but was himself also arrested in November 2020 and charged with “cooperation with ‘hostile’ countries”, “assembly and collusion to act against national security”, and “propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran” for his human rights work.

The court hearing of these three lawyers will be held on Saturday 11 November 2023 at 8:00 a.m. (Iran Standard Time) at Branch One of the Revolutionary Court in Shiraz.

Practising as a lawyer, defending human rights, taking part in international scientific and academic meetings and working to improve the law are very often described as criminal activities by the regime. These justifications are used by the state to overlook the human rights violations carried out by the regime. The Ministry of Intelligence’s assertion that these defenders of human rights are criminals is an affront to the principles of justice and equity.

The undersigned organisations stand in solidarity with Nazanin Salari, Mahmoud Taravat-Roui, Masoud Ahmadian, and all the lawyers who fight for human rights and a more just society in Iran.

The undersigned organizations intend to reiterate, with the utmost firmness, to the Islamic Republic of Iran, the Basic Principles of the United Nations on the Role of Lawyers, particularly Article 16, which states:

16. Governments shall ensure that lawyers (a) are able to perform all of their professional functions without intimidation, hindrance, harassment or improper interference; (…) and (c) shall not suffer, or be threatened with, prosecution or administrative, economic or other sanctions for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics.

The international community must condemn this blatant violation of fundamental rights and call for the immediate cessation of these unjust proceedings. The world is watching, and we will not remain silent in the face of such grave injustice.

Signatories:

  1. International Bar Association’s Human Rights Institute
  2. International Observatory for Lawyers in Danger
  3. Centre for Supports of Human Rights (CSHR)
  4. Lawyers for Lawyers
  5. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
  6. Defence Commission of the Barcelona Bar Association
  7. AED - European Democratic Lawyers
  8. The Hanseatic Bar of Hamburg (Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg)
  9. The German Bar Association
  10. Geneva Bar Association (Ordre des Avocats Genève)
  11. The German Federal Bar (Bundesrechtsanwaltskammer, BRAK)


Statement als PDF

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Iran Repression gegen Rechtsanwälte
news-986 Tue, 07 Nov 2023 12:42:03 +0100 „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“ (Primo Levi) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/es-ist-geschehen-und-folglich-kann-es-wieder-geschehen-primo-levi-986 Aufruf zur Teilnahme an der Gedenkdemonstration am 9. November 2023 um 18.00 Uhr am Mahnmal Levetzowstraße 7-8, 10555 Berlin 85 Jahre nach der Reichspogromnacht ist jüdisches Leben so gefährdet wie lange nicht mehr. Im Zuge des von Hamas und Islamischem Dschihad zu verantwortenden Massakers an vorwiegend jüdischen Zivilist*innen in Israel kam und kommt es auch weltweit und in Deutschland zu antisemitischen Angriffen. Rechtfertigungen des Massenmordes, der Brandanschlag auf die Kahal Adass Jisroel Synagoge in Berlin-Mitte, Markierungen von Häusern mit Davidsternen sind nur ein Ausschnitt aus der Vielzahl von Bedrohungen und Gefährdungen von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Gleichzeitig steigt auch die Anzahl und das Ausmaß rechter, neonazistischer antisemitischer Straftaten und Gewalt Jahr für Jahr an. Der 7. Oktober 2023 stellt eine Zäsur dar. Das „Nie wieder“, von dem wir immer sprechen, ist jetzt.

In dieser Zeit ist es für uns als Organisation von Rechtsanwält*innen, die sich dem Schutz und der Verteidigung der unteilbaren Menschenrechte verpflichtet fühlen, wichtig, sich solidarisch zu erklären, mit allen Jüdinnen und Juden weltweit, die derzeit angegriffen und bedroht werden; in Deutschland, in Israel, in den USA oder anderswo. Das Eintreten für Menschenrechte bedeutet für uns auch das entschiedene Eintreten gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Menschenfeindlichkeit.

Deswegen rufen wir auf zur Teilnahme an der jährlich stattfindenden Gedenkdemonstration in Berlin-Moabit für die Opfer der Reichspogromnacht und der Shoah. Wir würden uns freuen, viele unserer Kolleg*innen dort wiederzusehen.

Der Vorstand des RAV:
Dr. Peer Stolle, Franziska Nedelmann, Berenice Böhlo, Dr. Björn Elberling, Angela Furmaniak, Antonella Giamattei, Anna Gilsbach, Benjamin Hersch, Waltraut Verleih

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news-985 Tue, 07 Nov 2023 06:55:12 +0100 Geplantes, neues Abschiebegesetz schränkt Grundrechte von Betroffenen weiter massiv ein /publikationen/mitteilungen/mitteilung/geplantes-neues-abschiebegesetz-schraenkt-grundrechte-von-betroffenen-weiter-massiv-ein-985 Gemeinsame Presseinformation des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. und des Abschiebungsreporting NRW, 7.11.2023 Am 25.10.20023 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf zum sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetz verabschiedet und an Bundestag und Bundesrat übermittelt.[1]

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. sowie das dem Grundrechtekomitee angegliederte Projekt Abschiebungsreporting NRW kritisieren vor allem die weitreichenden Eingriffe in Grundrechte, namentlich in das Recht auf Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf Privatsphäre sowie den Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen sowie das Gesetzgebungsverfahren selbst scharf. Der 72-seitige Referent:innenentwurf wurde den Verbänden ohne sachlichen Grund mit einer Stellungnahme-Frist von nur 48 Stunden übermittelt. Eine ernsthafte fachliche Auseinandersetzung mit Expert:innen ist seitens der Bundesregierung offensichtlich nicht erwünscht.

Julia Schulze Buxloh vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. erklärt.:

Eine Vielzahl der geplanten Regelungen ist eindeutig verfassungs- und europarechtswidrig. Statt eines Überbietungswettbewerbs an Schäbigkeiten und verfassungswidriger Scheinlösungen brauchen wir sachgerechte Debatten und eine menschenrechtskonforme Politik.

Britta Rabe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. kritisiert:

Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ enthält populistisch motivierte Maßnahmen. Mit noch unnachgiebigerer Härte und Mitteln der Gewalt – wie Inhaftierung und polizeilicher Kontrolle und Disziplinierung – soll gegen Menschen vorgegangen werden. Ziel ist vor allem, Geflüchtete als angeblich unberechtigt „Leistungen erschleichende“ Straftäter:innen rassistisch zu markieren.

Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW stellt fest:

Dieses Gesetz wird sein propagiertes Ziel nicht erreichen. Schon jetzt werden Rechte von Betroffenen bei Abschiebungen verletzt, wie wir aus den Recherchen und Dokumentationen des Abschiebungsreporting NRW wissen. Die geplante Einschränkung von Grundrechten steht in keinerlei Verhältnis zu den von der Bundesregierung propagierten zusätzlichen 600 Abschiebungen pro Jahr.“ 

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. und das daran angegliederte Abschiebungsreporting NRW fordern daher – auch angesichts der weiteren Verschärfungen, die aktuell diskutiert werden – Bundesregierung, Bundesrat und Parlament zu einer grundlegenden Umkehr in der Migrationspolitik auf. Es braucht eine progressive Politik, die sich endlich traut, den Menschenrechtsschutz in den Mittelpunkt zu stellen, den Fakt von immerwährenden Migrationsbewegungen anzuerkennen und positiv zu gestalten.

Hintergrundinformationen: Zu einigen vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im Einzelnen:

Hierbei soll lediglich eine Ausnahme für Familien mit Kindern unter 12 Jahren gelten. Die Nichtankündigung von Abschiebungen schränkt schon bisher den effektiven Rechtsschutz der Betroffenen massiv ein. Nun soll diese Praxis ausgeweitet werden. Dabei wird sie von den Betroffenen oft als besonders unwürdig beschrieben. Abzuschiebende Menschen können sich nicht auf die Ausreise vorbereiten, sich nicht verabschieden oder die Auflösung ihres Haushaltes organisieren.

Dabei ist einer der oft genannten Gründe für die Nichtnennung der Abschiebetermine, dass die Betroffenen sich sonst verborgen halten könnten. Genau dies ist in Haft oder öffentlichem Gewahrsam aber gerade nicht möglich. Daher kann diese Maßnahme im Gesetzentwurf nur so interpretiert werden, dass auch hier die Rechte der Betroffenen weiter eingeschränkt werden sollen. Effektiver Rechtsschutz wird verhindert. Der Gesetzentwurf selbst nennt nämlich als Grund der Maßnahme einzig die Entlastung der Ausländerbehörden.  

Falsche oder unvollständige Angaben im Asyl- sowie Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren sollen zukünftig strafbar werden. Haben bislang falsche oder unvollständige Angaben zur Ablehnung des Asylgesuchs oder zum Verlust des Schutzstatus führen können, wird hier nun zusätzlich mit dem schärfsten Schwert des Rechtsstaates agiert. Diese Regelung verstößt gegen den Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, der einen grundlegenden Baustein unseres Rechtsstaates darstellt. Zum anderen wird damit Asylsuchenden die Sicherheit genommen, dass der Inhalt der Anhörung vertraulich bleibt, was für viele eine grundlegende Voraussetzung ist, über erlebte Verfolgung sprechen zu können.

Auch sind Eingriffe in die Berufsfreiheit von Anwält:innen und Berater:innen zu befürchten, sollten die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen angehalten sein, auch gegenüber diesen zu ermitteln. Einhergehend könnte damit eine Pflicht, eine erschöpfende Prüfung der Wahrheit des Vortrages vorzunehmen, was die Beratungstätigkeit verunmöglichen könnte. Zudem wird dieses Vorhaben zur ohnehin schon bestehenden Überlastung der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte beitragen.

- dass bereits jetzt eine hohe Anzahl an Ermittlungsverfahren gem. § 129 StGB geführt wird, ohne, dass jedoch die Verdachtsmomente für eine Verurteilung schließlich genügen,

- dass bereits jetzt u.a. § 129 StGB in Zusammenhang mit sog. „Clan“-Kriminalität gebracht wird – erneut ohne entsprechende strafgerichtliche Verurteilung – und damit rassistisch konnotiert gegen Personen vorgegangen wird,

- dass zunehmend Ermittlungsverfahren gem. § 129 StGB gegen Antifaschist:innen und Klimaaktivist:innen eingeleitet werden, um missliebige politische Haltungen zu kriminalisieren, wird hiermit ein Instrument geschaffen, dass aus hiesiger Sicht demokratischem Recht widerspricht: Die Ausweisung von Betroffenen wird lediglich aufgrund einer Verdachtslage möglich.

 

Kontakte:
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Julia Schulze Buxloh
Telefon: +49 (0)30 41 72 35 55
E-Mail: kontakt@rav.de

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Britta Rabe
Telefon: 0221 / 972 69 -20 und -30
E-Mail: brittarabe@grundrechtekomitee.de, info@grundrechtekomitee.de

Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 32
Mobil 01575 / 40 35 862
E-Mail: rose@abschiebungsreporting.de

 

[3] Siehe hierzu auch die Stellungnahme, u.a. https://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Stellungnahmen/160222_RAV-StN-Koeln-Gesetz.pdf

Gemeinsame PM als Download (PDF)

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-984 Fri, 03 Nov 2023 13:32:49 +0100 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzentwurf-der-bundesregierung-zum-kontrollierten-umgang-mit-cannabis-984 Stellungnahme des RAV vom 3.11.23 Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) (BT-Drs. 20/8763) anlässlich der Anhörung im BT-Gesundheitsausschuss am 06. November 2023.

Verfasser: Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt in Bremen

Vorbemerkungen

Einerseits: Der Einstieg in die Entkriminalisierung der Drogenpolitik ist überfällig, das CanG ist ein wichtiger, wenn auch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung (immerhin: der zweite Schritt zu gewerblichen Modellprojekten wird bereits angekündigt: S. 68 – möge es nicht bei Ankündigungen bleiben).

Andererseits: Man ersetze in dem GesE zum KCanG das Wort Cannabis durch Alkohol und die Absurdität der gesamten Konstruktion springt ins Auge.

Allerdings: Internationales und Europarecht werden als Hemmschuhe in Stellung gebracht (BT-Drs. S. 69 ff.); dass dabei letztlich nur die ‚Flucht‘ in das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit weiterhelfen soll, greift zu kurz. Soweit in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung des BVerfG vom 27.04.1994 (BVerfGE 90, 145) Bezug genommen wird (aaO), ist gleichermaßen die aktuelle Entscheidung vom 14.06.2023 (2 BvL 3/20 u.a., Rn. 68 ff.) in den Blick zu nehmen: Dass dort auch im Jahre 2023 noch immer unverhohlen auf den „europäischen Kulturkreis“ verwiesen wird, in dem man den Alkoholkonsum „nicht effektiv unterbinden könne“ (aaO Rn. 103 f.), hinterlässt Fassungslosigkeit und provoziert ein süffisantes „na denn: Prost!“

Außerdem: Der Konsum von illegalisierten Rauschmitteln war immer schon straffrei (und übrigens auch kein Bußgeldtatbestand, s. dazu u. 3.4), auch wenn es bekanntlich schwierig ist, straffrei zu konsumieren. So oder so irritiert jedoch der Antrag der CDU/CSU-Fraktion (BT-Drs. 20/8735), wenn es unter der Überschrift „Cannabislegalisierung stoppen“ u.a. heißt, eine „Legalisierung von … Konsum für alle Erwachsenen wird zu einer Ausweitung des Cannabiskonsums führen.“

Der Schildower Kreis (Drogenpolitisches Netzwerk aus Wissenschaft und Praxis: SK) hat sich unter dem 24.07.2023 ebenso ausführlich wie fundiert zu dem diesem GesE zugrundeliegenden RefE geäußert. Der Verfasser (selbst SK-Mitglied) macht sich jene Stellungnahme zu eigen und verweist ergänzend darauf, auch um Wiederholungen zu vermeiden.

1.

Zielsetzung(en)

Die in der Begründung des GesE zum CanG genannten Ziele – verbesserter Gesundheitsschutz, Stärkung cannabisbezogener Aufklärung und Prävention, Eindämmung illegaler Märkte für Cannabis, Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes, Kontrolle der Qualität von Konsumcannabis zum Verbraucherschutz, Verhinderung der Weitergabe verunreinigter Substanzen (BT-Drs. 20/8704 S. 1) – sind zu befürworten; dass sie mit dem geplanten Gesetz jedenfalls besser erreicht werden, als bei Beibehaltung des geltenden Rechts, ist fachlich weitgehend unstreitig.

Die bisherige Drogenkontrollpolitik ist (übrigens nicht nur, was Cannabis betrifft) gerade in puncto Prohibition gescheitert. „Die bisherige restriktive Cannabis-Politik hat die Ziele eines ausreichenden Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutzes sowie einer wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität nicht erreicht. Eine große und weiter zunehmende Zahl von Menschen in Deutschland erwerben und konsumieren Cannabis vom Schwarzmarkt mit unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit und den Jugendschutz. Dieser gesellschaftlichen Realität stellt sich dieses Gesetz.“ (BT-Drs. aaO S. 70) Zu Recht! Auf die geplante Evaluation (§ 43 KCanG) mag man so oder so gespannt sein; der Versuchung, mögliche Ergebnisse der Evaluation in der Diskussion um das CanG vorwegzunehmen, ist zu widerstehen.

Eher versteckt (unter F. Weitere Kosten, BT-Drs. aaO S. 4) findet auch die Entlastung der Gerichte Erwähnung, wo „voraussichtlich ... rund 225 Mio“ Euro jährlich eingespart werden sollen. Dabei wird unterschlagen, dass nicht nur gerichtliche Strafverfahren stark verringert werden, sondern vor allem auch der Aufwand bei Polizei und Staatsanwaltschaften (s. aber auch BT-Drs. aaO S. 84 f.).

Eine ganz wesentliche Zielsetzung der Entkriminalisierung wird damit freilich nur indirekt thematisiert: Die polizeiliche und strafjustizielle Verfolgung von Cannabis-Konsument*innen zu reduzieren, den Kontrolldruck abzubauen und das notorische Kriminalisierungsrisiko zu senken.

Unklar bleibt, was mit Schutz der Bevölkerung („Bürgerinnen und Bürger“) vor „den Folgen des … Cannabis-Konsums“ gemeint sein soll, zumal auch von indirekten Folgen die Rede ist (BT-Drs. aaO S. 1): Über den Nichtraucherschutz hinaus, der hier nicht gemeint sein kann, dienen die Konsumverbote (s.u. 3.4) dem Kinder- und Jugendschutz.

2.
Änderungen des BtMG (Art. 3) sowie BZRG und EGStGB (Art. 11 und 13)

2.1
BtMG ohne Cannabis

Es ist konsequent (und letztlich auch gesetztechnisch überzeugend), Cannabis komplett aus dem Anwendungsbereich des BtMG zu nehmen (qua Änderung der Anlagen). „Die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG gelten daher in diesem Rahmen nicht mehr für cannabisbezogene Handlungen.“ (BT-Drs. aaO S. 128). Zu den neuen Strafbarkeitsvorschriften des KCanG bzw. des MedCanG, die insoweit die §§ 29 ff. BtMG vollständig ersetzen, wird andernorts Stellung genommen (s.u. 3.6).

Es darf angenommen werden, dass tatbestandliche Unterschiede zwischen den §§ 29 ff. BtMG einerseits und § 34 KCanG sowie § 25 MedCanG andererseits und die auch daraus folgenden abweichenden Strafandrohungen gewollt sind, und das ist auch gut so. Insbesondere das Absehen von den horrenden Strafandrohungen der §§ 30, 30a BtMG, die oft zu einer ‚Flucht‘ in die minder schweren Fälle führen, um überhaupt noch zu einigermaßen angemessenen Strafen kommen zu können, ist zu begrüßen: „[Die] Einführung einer kontrollierten Weitergabe von Cannabis an Erwachsene zu nicht-medizinischen Zwecken ist eine Reaktion auf eine geänderte Risikobewertung, sodass geringere Strafrahmen sachgerecht sind.“ (BT-Drs. aaO S. 128)

Insgesamt sollte noch deutlicher zum Ausdruck kommen, dass das neue Can-Recht keine Submaterie des Btm-Rechts darstellt, sondern eine eigenständige Rechtsmaterie vornehmlich im Bereich des Gesundheits-, Verbraucherschutz- sowie Kinder- und Jugendschutzrechts.

2.2
Änderungen zum BZR (§ 40 ff. KCanG und Art. 11) und des EGStGB (Art. 13)

Die Regelungen zur Tilgungsfähigkeit (§§ 40 ff. KCanG) sind zu begrüßen; der damit verbundene Aufwand ist rechtsstaatlich hinzunehmen. Bemerkenswert ist, dass selbst der GesE von ca. 328.000 Betroffenen ausgeht (BT-Drs. aaO S. 85 und 88). Wegen der in § 40 Abs. 3 KCanG vorgesehenen Restriktionen (dazu BT-Drs. aaO S. 133) werden für zahlreiche weitere Fälle das Antragsverfahrens des BZRG greifen müssen.

Art. 313 EGStGB soll hinsichtlich noch nicht vollstreckter Strafen entsprechend gelten (Art. 316o EGStGB des Entwurfs: müsste wohl Art. 316p werden, da Art. 316o inzwischen anderweitig belegt ist). Dass die Regelung dahingehend eingeschränkt werden soll, auch die Umstellung von Straftaten auf Ordnungswidrigkeiten nicht zu erfassen, überzeugt nicht (gilt entsprechend für die in § 48 BRZG vorgesehene Änderung). Für andere Fälle bliebe nur das Begnadigungsrecht.

3.
Einführung eines KCanG (Art. 1)

Vorliegend soll primär zum KCanG Stellung genommen werden, beschränkt auf einige Einzelregelungen (und vorrangig aus strafrechtlicher und kriminalpolitischer Sicht):

3.1
Terminologisches (u.a. § 1 KCanG)

Der Katalog des § 1 KCanG ist beeindruckend, aber ggf. nicht erschöpfend, was auch der Abgleich mit dem BtMG zeigt (das darauf ergänzend Bezug genommen werden soll, BT-Drs. aaO S. 92, überzeugt nicht). Insb. wäre es an der Zeit, gesetzgeberisch das Handeltreiben einzugrenzen: Die allzu extensive Rechtsprechung sollte nicht auch noch auf das neue Can-Recht übertragen werden. Entsprechendes gilt – soweit daran überhaupt festgehalten werden soll (dazu 3.3 und 3.6) – für die nicht geringe Menge.

Cannabis ist zukünftig „kein Betäubungsmittel“ mehr (BT-Drs. aaO S. 150), und erst recht – wie gerne bei der Polizei, in Teilen der Justiz und der Medien dramatisiert – kein „Rauschgift“! Oder man soll – endlich – so ehrlich sein, auch Alkohol als Betäubungsmittel und Rauschgift zu klassifizieren.

3.2
Umgangs-Verbote (§ 2 KCanG) und Ausnahmen (Abs. 3)

Dass ein Gesetz, das die bisherigen „Verbotsregelungen“ zu Recht als gescheitert einstuft (BT-Drs. aaO S. 1), beginnt mit einem umfassenden Verbot des Umgangs mit Cannabis (§ 2 Abs. 1), irritiert und ist wohl einerseits nur gesetzestechnisch zu erklären und andererseits (aaO S. 70) den internationalen und europarechtlichen Vorgaben geschuldet. Juristisch interessant sind „verwaltungsrechtliche“ Verbote (BT-Drs. aaO S. 92) allerdings nur, wenn Verstöße Konsequenzen zeitigen; deshalb sei dies erörtert, wo es um Straf- und Bußgeldvorschriften geht (s.u. 3.4, 3.6 und 3.7). Der SK (aaO S. 2) kritisiert gleichwohl zu Recht, dass der GesE weiterhin den Geist der Prohibition atmet.

Entscheidend – gerade auch in puncto Strafbewehrung der Verbote – sind letztlich die Ausnahmen, also der Besitz gem. § 3, der private Eigenanbau gem. § 9 und der gemeinschaftliche Eigenanbau gem. §§ 11 ff. Weitere Ausnahmen ergeben sich – gesetztechnisch nicht ganz überzeugend (zumal der GesE in BT-Drs. aaO S. 93 die zulässigen Umgangsformen in § 2 als „abschließend“ begreift) – aus den Strafvorschiften zum Erwerb (§ 34 Abs. 1 Nr. 8 KCanG; s. dazu u. 3.3.2).

Dass diese Ausnahmen nicht „in militärischen Bereichen der Bundeswehr“ gelten, lädt zum Schmunzeln ein – und zu fragwürdigen Umkehrschlüssen, denn es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass es auch andere Bereiche gibt, in denen die genannten Ausnahmen nicht gelten (aber dafür sah sich die Bundesgesetzgebung evtl. nicht zuständig).

3.3
Erlaubter Besitz (§ 3 KCanG) – nur – für „Erwachsene“?

Im Hinblick auf die Ziele des Gesetzes (s.o. 1) ist es nachvollziehbar, dass Erlaubnisse nur für „Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben“, gelten. Was in der Regelungssystematik der Verbotssanktionierung (§§ 2 Abs. 1 iVm 34 Abs. 1) aber ggf. übersehen wurde: Wenn der unerlaubte Besitz weiterhin strafbar sein soll, könnte dies dahingehend missverstanden werden, dass sich Jugendliche in jedem Fall strafbar machen, da ihnen jeglicher Besitz untersagt bleibt (arg. § 3). Eine Klarstellung erscheint angezeigt, denn ein Sonderstrafrecht für Jugendliche wäre ein inakzeptables Novum – die Klarstellung ist bisher allerdings nur in der Begründung zu finden (BT-Drs. aaO S. 93 zu § 2 Abs. 4 Nr. 2 KCanG): Dier Rede ist von Fällen, dass „Minderjährige gegen das verwaltungsrechtliche Verbot verstoßen, sie sich aber im für Erwachsene straffreien Rahmen verhalten haben, sodass für sie keine Strafbarkeit gegeben ist“. Und an andere Stelle heißt es dazu (BT-Drs. aaO S. 129):

§ 2 Abs. 1 sieht für die Cannabis-Umgangsformen, die in § 34 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 genannt sind, ein grundsätzliches Verbot vor. Ausnahmen sind nach § 2 Abs. 3 nur für Volljährige vorgesehen. Das Konsumcannabisgesetz verfolgt im Sinne des Jugendschutzes die Intention, dass der Umgang mit Cannabis für Minderjährige verwaltungsrechtlich verboten bleibt (vgl. insb. § 5 Abs. 1). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – Strafrecht dient nur als ultima ratio – sollen aber die Handlungen, die Erwachsenen gestattet werden, auch für Minderjährige nicht strafbewehrt sein. Obwohl das verwaltungsrechtliche Umgangsverbot mit Cannabis für Minderjährige nach § 2 Abs. 1 also uneingeschränkt gilt, sind insb. die Straftatbestände § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6 und 8 (straffreier Besitz und Erwerb von Cannabis bis zu 25 g; straffreier gleichzeitiger Anbau von maximal drei Cannabispflanzen; straffreie Weitergabe von Cannabis unter sehr engen Grenzen) so ausgestaltet, dass eine Strafbarkeit für Jugendliche erst dann gegeben ist, wenn auch der zulässige Handlungsrahmen für Erwachsene überschritten ist. Soweit sich Minderjährige – wie Erwachsene – strafbar machen, gelten weiterhin nicht die allgemeinen Strafrahmen und Strafzumessungsvorschriften, sondern die besonderen Rechtsfolgenbestimmungen des JGG (§§ 2 Abs. 2, 5 ff.).

Ohne diese Begründung ließe sich all das dem Gesetzestext allerdings nicht entnehmen.

Dass der GesE hier (also in Bezug auf „Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben“, wenn auch nur in der Begründung) von „Erwachsenen“ spricht, irritiert zudem, da das Recht bisher Kinder und Jugendliche sowie Heranwachsende kennt (JGG; s. auch § 1 Nr. 18-20 KCanG), außerdem Volljährige.

§ 3 Abs. 1 und 2 KCanG sind die Schlüsselnormen für die Entkriminalisierung und deshalb grundsätzlich zu befürworten. Diskutabel sind die Mengen (vgl. auch BT-Drs. 20/8763 S. 11 und 20/8704 S. 196 f.) – zumal in Anbetracht einer verwirrenden Regelungstechnik (der BRat weist aaO zudem zutr. auf absehbare Konkurrenzprobleme hin):

3.3.1
Besitz

Der Besitz „von bis zu 25 g Cannabis“ ist Volljährigen „zum Eigenkonsum“ erlaubt (§ 3 Abs. 1 KCanG). Dabei verzichtet auch die Begründung des GesE darauf, an Wirkstoffmengen anzuknüpfen, stattdessen wird lediglich auf „konsumfähiges getrocknetes Pflanzenmaterial“ abgestellt (BT-Drs. aaO S. 94; zu § 19 Abs. 3 S. 2 KCanG s. 3.3.2). Damit wird immerhin auch Abschied genommen von der „geringen Menge“ des § 31a Abs. 1 BtMG und von der Orientierung an den sog. „Konsumeinheiten“. Im Übrigen ist dem GesE allerdings nicht zu entnehmen, wie die max. Menge von 25 g Cannabis (bzw. 50 g bzgl. Erwerb, s.u.) begründet wird (ausf. dazu SK aaO S. 3 f.).

3.3.2
Erwerb und Entgegennahme

Der Erwerb bzw. die Entgegennahme von Cannabis ist verboten (§ 2 Abs. 1 Nr. 8); eine Ausnahmeregelung i.S.d. § 3 (zum Besitz, s.o.) ist nicht vorgesehen, die Entgegennahme nur im Rahmen der geplanten Anbauvereinigungen. Die Botschaft irritiert: Du darfst Cannabis in bestimmten Mengen besitzen, aber nicht erwerben! Die Auflösung erfolgt – gesetzestechnisch nicht wirklich überzeugend – erst bei den Strafvorschriften: Der Erwerb bzw. die Entgegennahme von max. 25 g „pro Tag“ und max. 50 g „pro Monat“ (gemeint ist offenbar der Kalendermonat) ist zwar verboten (s.o.), aber nicht strafbar (arg. § 34 Abs. 1 Nr. 8).

Der Systematik – und dem Grundansatz – des Gesetzes gemäß könnte unklar sein, welche Quelle des Erwerbs damit gemeint ist. Die folgende Klarstellung im GesE ist zu begrüßen, verbunden mit der Hoffnung, dass sich auch die spätere Strafverfolgungspraxis daran orientiert (BT-Drs. aaO S. 129):

Dies gilt unabhängig davon, ob das Cannabis auf dem Schwarzmarkt oder auf legalem Weg erworben wurde. Dieser Ansatz ist sachgerecht, um die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten sowie aufwendige und unverhältnismäßige labortechnische Untersuchungen zu vermeiden.

Da das KCanG zunächst einmal (und perspektivisch außerhalb von Modellprojekten) keinen legalen „Erwerb“ (gegen Entgelt) von Cannabis kennt, ist dieser bis auf Weiteres auf den Schwarzmarkt beschränkt, während das Gesetz im Übrigen die Entgegennahme im Rahmen von Anbauvereinigungen (§§ 19 ff.: „kontrollierte Weitergabe“) normiert, dies freilich – terminologisch nicht frei von Widersprüchen – nicht unentgeltlich (§ 25).

Die Mengendifferenzierung hinsichtlich der Weitergabe an Heranwachsende (in § 19 Abs. 3 S. 2 KCanG: max. 30 g) und zusätzlich die Begrenzung auf einen „THC-Gehalt von 10 %“ ist nicht zu legitimieren – immerhin handelt es sich um dieselben Heranwachsenden, die unbegrenzte Mengen an Tabakerzeugnissen und sogar hochprozentigem Alkohol erwerben dürfen! Es irritiert zudem, dass sie zugleich Cannabis (ohne Begrenzung des THC-Gehalts) bis zu 50 g pro Monat straffrei erwerben oder entgegennehmen dürfen (arg. § 34 Abs. 1 Nr. 8 b).

3.4
Konsumverbote (§ 5 KCanG)

Sanktionsbewehrte Konsumverbote waren dem BtMG bisher fremd (auch das JSchG kennt keine vergleichbaren Regelungen, vgl. §§ 9 f.); ob lokale Alkoholkonsumverbote in Teilen der Öffentlichkeit rechtmäßig sind, bleibt umstritten (vgl. nur Braun, Die Gemeinde 2018, 76 mwN).

Die Regelungen des § 5 Abs. 2 KCanG erzeugen – das ist gerade am Beispiel einiger Städte bereits eindrucksvoll dargelegt worden (vgl. auch SK aaO S. 10) – flächendeckende Bannkreise. Die Entfernung von 200 m (und das heißt: 400 m im Durchmesser) von Schulen, Kinderspielplätzen sowie Kinder-/Jugendeinrichtungen und Sportstätten sowie schließlich Anbauvereinigungen schießt über das legitime Ziel im wahrsten Sinne des Wortes weit hinaus! Einmal mehr stellt sich hier – und gerade auch in Fußgängerzonen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5) – die Frage nach der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung des „öffentlichen Konsums von Alkohol“ (dass der GesE von „örtlichen Konsumverboten“ spricht, BT-Drs. aaO S. 131, stiftet zusätzlich Verwirrung). Dass im Hinblick auf die Kontrolle solcher Bannkreise erhebliche Vollzugsdefizite vorprogrammiert sind (so der BRat in BT-Drs. aaO S. 169; dagegen die BReg in BT-Drs. 20/8763 S. 3), was letztlich mit einer gewissen Willkür einhergehen wird, macht es nicht besser.

3.5
Anbauvereinigungen

Der SK (aaO S. 7 ff.) hat sich umfassend zu den Regelungen die zukünftigen Anbauvereinigungen betreffend geäußert, insb. zu deren Realitätsgehalt: Dem ist hier nichts hinzuzufügen.

3.6
Strafbarkeiten

Verstöße gegen die Verbote des § 2 Abs. 1 KCanG sollen durchweg strafbewehrt sein (§ 34 Abs. 1 KCanG), es sei denn, es sind Ausnahmen vorgesehen (s.o. 3.2). Bei aller Einsicht in die Vorgaben des internationalen und europäischen Rechts (s.o. vor 1.) ist keineswegs ausgemacht, dass alle Verbote strafbewehrt sein müssten: Gerade der Besitz größerer Mengen als erlaubt muss nicht mit Strafe bedroht sein (z.T. noch weitergehend: SK aaO S. 4 ff.).

§ 34 Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a) und b) stellen weiterhin – also ohne Abkehr vom BtMG – auf die „nicht geringe Menge“ ab; dazu der GesE (BT-Drs. aaO S. 130):

Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit.

Dies der Rechtsprechung zu überlassen, ist gewagt. Der SK (aaO S. 4 f.) hat überzeugend dargelegt, dass die besseren Gründe ohnehin dafür sprechen, auf die Kategorie der nicht geringen Menge ganz zu verzichten.

Auch die Gewerbsmäßigkeit (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG) – wenngleich aus dem BtMG übernommen (dort §§ 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 30 Abs 1 Nr. 2) – ist in Frage zu stellen, trifft die Strafverschärfung in der strafjustiziellen Praxis doch v.a. sozial Schwächere und Drogenkonsument*innen.

Wenn schließlich daran festgehalten werden soll, neben Schusswaffen auch andere gefährliche Gegenstände z.B. dafür genügen zu lassen, das bloße Sichverschaffen einer nicht geringen Menge Cannabis zum Verbrechen (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 a KCanG) hochzustufen, sollte klargestellt werden, dass sich dies allenfalls auf sog. gekorene ‚Waffen‘ beziehen kann. Dass Verbrechenstatbestände im neuen Can-Recht überhaupt unangebracht sind, hat der SK überzeugend dargelegt (aaO S. 4 ff.).

3.7
Ordnungswidrigkeiten

Soweit der Verstoß gegen bestimmte Regularien bußgeldbewehrt sein soll, ist die Höhe der Geldbußen zu überdenken: Während § 17 Abs. 1 OWiG regelmäßig von max. 1.000 € ausgeht, sind in § 36 Abs. 2 KCanG Geldbußen von bis zu 100.000 € vorgesehen, in einigen Fällen ‚nur‘ von bis zu 30.000 €. Sogar der – ggf. auch nur fahrlässige – Konsum in einem Bannkreis (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) soll mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 € belegt werden können: Völlig unverhältnismäßig (vgl. auch SK aaO S. 6). Selbst das BtMG (dort § 32 Abs. 2) kennt ‚nur‘ Geldbußen bis zu 25.000 €.

4.
Hintertüren für Länder (wie z.B. Bayern)?

Der bayrische Gesundheitsminister hat bereits angekündigt, man werde „alle rechtlich infrage kommenden juristischen Schritte ergreifen, um gegen das Gesetz vorzugehen, sollte es in Kraft treten“ (PM v. 28.09.2023).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen haben Antragstellende allerdings einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis (§§ 11, 12; vgl. auch BT-Drs. 20/8704 S. 183 und 20/8763 S. 8). Auch die §§ 12 Abs. 3 und 13 Abs. 4 bieten den zuständigen Behörden keinen Spielraum, „gegen das Gesetz vorzugehen“.

Soweit § 11 Abs. 3 Ziff. 3 KCanG auf Rechtsvorschriften verweist, die „aufgrund dieses Gesetzes“ erlassen werden können, sind das zunächst einmal solche des Bundes (§§ 17 Abs. 4, 21 Abs. 4 und 27 Abs. 7). Letztlich macht gerade die Verordnungsermächtigung des § 30 KCanG deutlich, dass außerhalb dessen Anwendungsbereichs (betr. Zahl der Anbauvereinigungen; krit. dazu SK aaO S. 8) kein Raum ist für restriktive landesrechtliche Verordnungen.

Es wird zukünftig strikt zu kontrollieren sein, dass Bundesrecht Landesrecht bricht (Art. 31 GG) und die Bundestreue eingehalten wird.

Berlin/Bremen, den 03.11.2023

StN als Download (PDF)

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news-983 Fri, 03 Nov 2023 08:15:48 +0100 Urgent request for intervention in favour of Mrs Nasrin Sotoudeh /publikationen/mitteilungen/mitteilung/urgent-request-for-intervention-in-favour-of-mrs-nasrin-sotoudeh-983 Gemeinsames Statement von internationalen Jurist*innenorganisationen, 2.11.23 To:

Ms. Margaret Satterthwaite
UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers
Email: hrc-sr-independencejl@un.org

Ms. Mary Lawlor
UN Special Rapporteur on the situation of Human Rights Defenders
Email: defenders@ohchr.org

Ms. Marija Pejčinović Burić
Secretary General of the Council of Europe
Fax: + 33 (0)3 88 41 27 99

Ms. Dunja Mijatović
Commissioner for Human Rights of the Council of Europe
Email: commissioner@coe.int

Ms. Roberta Metsola
President of the European Parliament
Email: roberta.metsola@europarl.europa.eu

Mr. Charles Michel
President of the European Council
Email: ec.president@consilium.europa.eu

Ms. Ursula von der Leyen
President of the European Commission
Email: ec-president-vdl@ec.europa.eu

Mr. Juan Fernando López Aguilar
President LIBE Committee of the European Parliament
Email: juanfernando.lopezaguilar@europarl.europa.eu

EEAS Iran Division
Email: iran-division@eeas.europa.eu

Venice, 31/10/2023

Re: Urgent request for intervention in favour of Mrs Nasrin Sotoudeh

Dear all,

The undersigned organizations urge you to take concrete and urgent action in the case of Nasrin Sotoudeh, prominent and well-known lawyer and human rights defender [1].

On Sunday, 29 October, the media broke the news that she had been arrested while attending the funeral of Armita Garavand, the 16-year-old girl who died after 28 days in a coma following her arrest by the infamous Morality Police in the Tehran metro[2].

She was taken along with other arrested women to the Vozara detention centre, the same one in which Mahsa Amini died last year[3].

She was scheduled to be heard in her case on Monday, 30 October, at Evin prison, but was not brought to court because she refused to wear a veil.

She was then taken to Qarchak prison, known for its poor conditions of detention, and is currently on a hunger strike in protest, refusing both essential medication for her health and visits[4].

The Iranian authorities must immediately and unconditionally free Nasrin Sotoudeh, drop all  charges against her and stop persecuting her for her efforts to protect, inter alia, women from discrimination and humiliation to which they are subjected in contravention of the principle of civilization enshrined in Article 1 of the Universal Declaration of Human Rights, ratified by Iran in 1948, according to which 'all human beings are born free and equal in dignity and rights' where dignity comes even before rights.

Likewise, the international community, including the EU given its ongoing dialogue with Iran, must condemn all forms of violence, including executions, discrimination and persecution, recognizing the freedoms of thought, conscience, religion, expression, assembly and association, as well as the right to a fair trial, as foundations of civilized living.

We Colleagues, Magistrates, NGOs and civil society are united and resolute in denouncing these violations of fundamental rights and freedoms and support human rights defenders. We no longer need martyrs to mourn, but heroes whose examples are to be followed.

We request a concrete statement from you, a decisive commitment to end the judicial harassment of Nasrin Sotoudeh, recalling the tenets of the UN Declaration on Human Rights Defenders and the UN Basic Principles on the Role of Lawyers on the therein enshrined States’ responsibility[5].

If we do not defend human rights defenders, who will defend human rights? [6] 

We thank you for your attention and we look forward to your urgent and effective intervention.

Best regards,

Asociacion Libre de Abogadas y Abogados – Free Association of Lawyers
____________________________________________________________

[1] Nasrin Sotoudeh, 60, mother of two, a distinguished Iranian human rights lawyer, was arrested for a second time on June 13, 2018 after she represented a woman facing imprisonment for peacefully protesting against Iran’s compulsory hijab law by removing it in public. Sotoudeh was informed that she had been detained based on a 5 year prison sentence that was issued against her in absentia in 2015 by a Revolutionary Court judge on the charge of “espionage in hiding”.

On March 9, 2019, she received a copy of a court ruling issued after a one-day hearing held in absentia on December 30, 2018, by Branch 28 of the Islamic Revolution Court in Tehran. The Court found her guilty and sentenced her to 33 years in prison and 148 lashes on the following seven charges: “gathering and collusion against national security” (Article 610 of the Islamic Penal Code), “spreading propaganda against the system” (Article 500), “effective membership of the illegal and anti-security splinter groups Defenders of Human Rights Centre, LEGAM and National Council of Peace” (Article 498); “encouraging people to commit corruption and prostitution, and providing the means for it” (Article 639),“appearing without the sharia-sanctioned hijab at the premises of the magistrate’s office” (Article 638); “disrupting public order and calm” (Article 618) and “spreading falsehoods with intent to disturb the public opinion”(Article 698).
She is currently serving her sentence although she is on medical furlough since July 2021, and continues to advocate for people’s basic human rights.
For her commitment to the defence of human rights she has been honoured internationally with many prestigious awards such as PEN America’s 2011 Freedom to Write, the Sakharov Prize of the European Parliament in 2012, the Ludovic Trarieux International Human Rights Prize in 2018, the Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) Human Rights Award in 2019 and the Right Livelihood Award in 2020.

[4] Confirmed by her husband Reza Khandan on his Facebook page, 30 October 2023. Jailed Iranian Activist Sotoudeh on Hunger and Medicine Strike, Iranwire, 31 October 2023.

[5] Resolution n. 53/144 adopted by the UN General Assembly on December 9, 1998, Article 2 “1. Each State has a prime responsibility and duty to protect, promote and implement all human rights and fundamental freedoms, inter alia, by adopting such steps as may be necessary to create all conditions necessary in the social, economic, political and other fields, as well as the legal guarantees required to ensure that all persons under its jurisdiction, individually and in association with others, are able to enjoy all those rights and freedoms in practice. 2. Each State shall adopt such legislative, administrative and other steps as may be necessary to ensure that the rights and freedoms referred to in the present Declaration are effectively guaranteed.

[6] Quote from Rosemary Nelson, lawyer and human rights defender killed by a car bomb in Lurgan, Northern Ireland, in 1999.

**************************************************

Avocats Européens Democrats / European Democratic Lawyers
Avocats Sans Frontières / Lawyers Without Borders
Avocats Sans Frontières / France
Conseil National des Barreaux les Avocats – National Bar Council of France / France
Consiglio Nazionale Forense / Italian National Bar Council
Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) / Europe
Défense Sans Frontière-Avocats Solidaires / France
Deutscher Anwalt Verein – The German Bar Association / Germay
European Criminal Bar Association
European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights
European Young Bar Association
Fédération des Barreaux d'Europe
Foundation Day of the Endangered Lawyer
Giuristi Democratici - Democratic Jurists / Italy
International Association of Lawyers, Institute for the Rule of Law
International Association of People's Lawyers (IAPL), Monitoring Committee on Attacks on Lawyers
Institut des Droits de l’Homme des Avocats Européens (IDHAE)
Lawyers For Lawyers / The Netherlands
Lawyers’ Rights Watch Canada
Legal Team Italia / Italy
National Association of Democratic Lawyers (NADEL) / South Africa
Observatoire International des Avocats en Danger / International Observatory for Lawyers (OIAD)
Ordine degli Avvocati di Venezia / Italy
Ordre des Avocats Geneve - Geneva Bar Association / the Switzerland
Ordre des Barreaux Francophones et Germanophone (AVOCATS.BE) - Association of French- and German-speaking Bar Associations / Belgium
Özgürlük İçin Hukukçular Derneği – Association of Lawyers for Freedom / Turkey
Progressive Lawyers' Association / Turkey
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) / Germany
Syndicat des Avocats de France - Trade Union of Lawyers / France
The Law Society of England and Wales
Union of the Italian Criminal Chambers – Endangered Lawyers Observatory and Europe Observatory / Italy
Verenigung Sociale Advocatuur Nederland - Netherlands Association of Social Advocates

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Iran Repression gegen Rechtsanwälte
news-988 Tue, 31 Oct 2023 13:03:00 +0100 APPELL: Die Menschenwürde gilt für alle – auch für Geflüchtete! Gegen sozialrechtliche Verschärfungen und für die Abschaffung des Asylbewerberleistungssetzes /publikationen/mitteilungen/mitteilung/appell-die-menschenwuerde-gilt-fuer-alle-auch-fuer-gefluechtete-gegen-sozialrechtliche-verschaerfungen-und-fuer-die-abschaffung-des-asylbewerberleistungssetzes-988 Gemeinsames Statement von 154 Organisationen, 31.10.2023

Seit einigen Wochen werden beharrlich Sachleistungen und Leistungskürzungen für Geflüchtete gefordert. Dabei erhalten die Betroffenen schon jetzt vielfach lediglich die reduzierten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der Debatte werden Gruppen gegeneinander ausgespielt, und die Menschenwürde wird offen in Frage gestellt. Wir lehnen sozialrechtliche Verschärfungen ab und fordern: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft und die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden.

Mit Bestürzung verfolgen wir die aktuelle politische Debatte über Asylsuchende, die zunehmend von sachfremden und menschenfeindlichen Forderungen dominiert wird. Die Diskussionen über Sozialleistungen sind dafür ein gutes Beispiel. Solange Geflüchtete bedürftig sind, haben sie Anspruch auf das sozialrechtlich definierte Existenzminimum. Nun geht es offenkundig darum, diesen grundlegenden Anspruch Asylsuchender einzuschränken, mit der Begründung, so könne die Zahl der Geflüchteten in Deutschland reduziert werden. Die im Raum stehenden Forderungen reichen von einer generellen Umstellung von Geld- auf Sachleistungen über diskriminierende Bezahlkarten und eine Kürzung des Existenzminimums bis hin zur Forderung, dass kranken Menschen eine medizinische Grundversorgung vorenthalten werden soll.

Diese Debatte suggeriert, Geflüchtete seien die zentrale Ursache für die zweifellos vorhandenen gesellschaftlichen Missstände wie fehlender Wohnraum oder fehlende Schul- und Kitaplätze. Diese haben jedoch andere Ursachen und würden auch bestehen, wenn Deutschland keine Asylsuchenden aufnehmen würde. Geflüchtete werden so zu Sündenböcken für die verfehlte Sozialpolitik der letzten Jahre, ohne dass dadurch die tatsächlich bestehenden Probleme gelöst werden. Wer aber Scheinlösungen präsentiert, verspielt Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit.

Bereits 2012 hat das Verfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Existenzminimum festgehalten und dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau (heute „Bürgergeld“) entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ (Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10) Mit anderen Worten: Sozialleistungen dürfen nicht gekürzt werden, um Menschen von der Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Rund zehn Jahre später, im Jahr 2022, verurteilte das Bundesverfassungsgericht eine zehnprozentige Kürzung der Grundleistungen für alleinstehende Geflüchtete, die in „Gemeinschaftsunterkünften“ leben müssen, als verfassungswidrig.

Im Übrigen ist die Behauptung, bessere soziale Bedingungen würden zu mehr Schutzsuchenden führen, seit langer Zeit wissenschaftlich widerlegt. Bereits heute erhalten Geflüchtete vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen drastisch reduzierte Geldbeträge, neben einem Platz im Mehrbettzimmer, Kantinenessen und Hygienepaketen und einer oft unheilvoll verzögerten Gesundheitsversorgung. Kein Mensch, der aus einem Krieg oder vor politischer Verfolgung flieht, gibt die Flucht auf, weil er oder sie in Deutschland demnächst mit noch mehr Sachleistungen leben muss. Wenn in diesem Jahr 2023 das Bundesamt in über 70 Prozent aller Asylanträge, die bis September inhaltlich entschieden wurden, einen Schutzstatus feststellt, wird nur allzu deutlich, dass die Menschen nicht wegen der Sozialleistungen kommen, sondern hier Schutz suchen. Die Behauptung, von den geringen Asylbewerberleistungen würden relevante Geldbeträge in Herkunftsländer überwiesen oder im Nachhinein an Schlepper ausgehändigt, ist zynisch und realitätsfern.

Die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip garantieren ein menschenwürdiges Existenzminimum - für alle Menschen. Wir sagen: Wer unterschiedliche Gruppen gegeneinander ausspielt und die Menschenwürde, Artikel 1 unserer Verfassung, offen in Frage stellt, wendet sich gegen zentrale Errungenschaften unserer Demokratie und des Sozialstaates. Und wer das durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum missachtet, unterminiert den Rechtsstaat. Wir erneuern deshalb den Appell, zu dem sich im laufenden Jahr bereits mehr als 200 Organisationen zusammenfanden: Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden.

Appell als Download (PDF), hier auch mit der Liste der Unterzeichnenden

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Sozialrecht Bürger- und Menschenrechte Migration & Asyl
news-981 Tue, 26 Sep 2023 08:05:37 +0200 International Fair Trial Day (IFTD) - Mexico 2023 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-mexico-2023-981 Joint statement: Conclusions and recommendations arising from the International Fair Trial Day Conference held in Mexico on June 14, 2023 Legal professional organizations, bar associations, and civil society organisations from Mexico and across the world who gathered for the 2023 International Fair Trial Day conference held in Mexico City on 14 June are united in our condemnation of the injustices and grievous human rights abuses and violations taking place in Mexico.

The discussions during the event, which focused on the systemic fair trial rights violations in the country and the interplay between this and the other widespread human rights issues, have led the organisers, participants, and supporters of the event to draw attention to the following serious concerns that were raised during the conference:

1. Evidence has been provided by many actors and commentators that some of those responsible for administering justice in Mexico have failed to provide access to justice for victims of gross human rights violations and abuses. They also have failed to respect and ensure the fair trial rights of defendants during criminal proceedings, especially due to the inappropriate resort to pretrial detention and abusive practices against those deprived of their liberty. There is evidence of the widespread practice of torture and ill-treatment and corruption, as well as impunity for such practices, all of which is severely damaging respect for human rights and the rule of law in the country.

2. Authorities from the executive branch continue to undermine judicial independence in the country, by constantly criticizing and undermining judges´ decisions, promoting demonstrations against the courts, and harassing independent judges and lawyers.

3. The right to a fair trial is a basic human right enshrined in international law and the Mexican Constitution, but for many people in the country who are deprived of their liberty, denied access to justice, and refused effective redress for violations of their rights, it seems that this right is theoretical and illusory at best.

4. There is substantial empirical evidence that prisons are filled with those experiencing poverty and other social and economic challenges. There is a severe over-representation of people from marginalised communities in prisons. We have seen evidence that they are funnelled into the criminal justice system through arbitrary arrests and prosecutions for minor offences, held for years in pretrial detention, and denied basic fair trial guarantees, including access to effective legal assistance and interpretation, all of which undermine their ability to defend themselves. 

5. The undenied incarceration of human rights defenders and activists from the indigenous population, as well as the spurious criminal prosecutions and unfair trials brought against them, is tearing communities apart. This is further exacerbating the existing social disparities brought on by the ongoing disregard of their economic, social and cultural rights, apparent systemic racism, and human rights violations by the state agents. There is evidence that indigenous peoples who stand up for their autonomy and freedoms are subject to harassment and criminalisation, including through laws that disproportionately limit their right to protest. They are imprisoned for fighting for access to education, adequate health, housing, and clean water, and for opposing infrastructure projects and the actions of extractive industries that are causing substantial damage to the environment.

6. Femicides and sexual and gender-based violence continues to be a serious concern for many girls and women across the country. There appears to be a culture of impunity that facilitates ongoing patterns of violence against women and undermines their access to justice. Allegations of crimes by the military, in particular, are not being effectively investigated, and those in positions of command and authority are abusing their powers and resources to evade accountability, creating an atmosphere of impunity for those who wield such powers.

7. Those who seek justice for victims of enforced disappearances are being denied the support and redress they deserve. There is evidence that investigations, when they do take place, are ineffective, and impunity is rife, with over 100,000 missing persons still unaccounted for. In the absence of an institutional will and sufficient resources to carry out meaningful independent and effective investigations, the relatives, many of them women, are taking it into their own hands to seek truth and justice on behalf of the victims.

8. Torture and ill treatment appear to be deeply rooted in the criminal justice system, especially during criminal investigations. While perpetrators continue to evade justice and accountability, victims endure the long-lasting physical and mental impact of their ill-treatment, and they suffer the injustice of unfair trials tainted by the use of information as evidence derived from torture or other inhuman rights abuses.

9. Corruption is perceived to be endemic in the country, including in the justice system, further undermining the chances of obtaining fair and impartial justice, especially for people from disadvantaged backgrounds. This perception of corruption has severely damaged the public’s trust in criminal justice. Concerns about the effectiveness of the judiciary are being manipulated to justify executive interference in judicial independence, legal proceedings and harassment of judges, lawyers, and other criminal justice actors.

10. Access to justice for the most vulnerable sections of the population is made even more difficult by the insufficient number of public defenders for federal offences, and by the fact that the funding of this structure is functionally dependent on the judiciary´s budget,  which might be subjected to cuts by the executive and legislative branches.

We recognise and welcome efforts made by the Mexican authorities to address these challenges in recent years. There have been reforms to criminal procedure laws, new systems to facilitate more effective investigations and search of persons who are victims of enforced disappearances, and improved safeguards against torture and ill-treatment. However, these changes have produced mixed results, and efforts to implement better human rights protections have been hampered by a lack of capacity, expertise, resources, and ultimately political will. The prevalence of gender and racial discrimination serves as a further obstacle to access to justice.  

It is a fundamental right of the people in Mexico, and a key pillar of the rule of law, to access fair, equal, and meaningful justice, without discrimination on any status grounds. They deserve systems and institutions that protect their rights, respect their dignity, and provide effective access to justice.

It is the international and local human rights community’s role to fight for justice, and this is what we must do together by supporting one another and working together to highlight and tackle the root causes of injustice and unfairness. The systemic challenges that emerged as permeating the Mexican justice system require an equally systemic and genuine response. Mexican institutions need to be strengthened in order to restore public trust and confidence in their ability to fulfil their fundamental duty to uphold the law and to guarantee, in reality, equality, human rights, and access to justice.

We urge the relevant Mexican authorities, including the government, to address these challenges:

Finally, we applaud and stand in solidarity with the brave and passionate human rights defenders of Mexico, including its community activists, human rights NGOs, lawyers, journalists, and academics who challenge the abuses of State and other organized power and demand justice for all. Their dedication to the cause of justice and fair trial rights in the face of unacceptable threats to their safety and dignity are an inspiration to us all.

Download Statement (PDF)

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news-980 Tue, 12 Sep 2023 07:25:31 +0200 Klimagerechtigkeit jetzt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/klimagerechtigkeit-jetzt-980 Aufruf zur Teilnahme am globalen Klimastreik, 15.9.23 Der RAV ruft gemeinsam mit den Lawyers4Future dazu auf, sich am 15.9.23 an den Klimaprotesten zu beteiligen.
Angesichts der fortschreitenden Katastrophe können wir nicht untätig bleiben. Lasst uns mitmachen!

Infos zu allen Aktionen in den verschiedenen Städten finden sich hier: https://www.klima-streik.org/demos

In Berlin beginnt die Demo um 12:00 Uhr am Brandenburger Tor. Als RAV und Lawyers4Future treffen wir uns vor der Akademie der Künste, erkennbar sind wir an dem grünen Banner mit der Aufschrift „Klimagerechtigkeit jetzt!“ und RAV-Logo.

In Dresden treffen sich die RAV-Mitglieder und Freund*innen mit einem identischen Banner um 13 Uhr am Postplatz (Käseglocke).

In weiteren Städten bitten wir Euch sehr, Euch selbst zusammenzufinden.

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Klimagerechtigkeit
news-979 Thu, 24 Aug 2023 18:43:29 +0200 Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-fortentwicklung-des-voelkerstrafrechts-979 Stellungnahme des RAV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, 24.08.23 Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts hat der RAV die hier folgende Stellungnahme eingereicht.

Verfasser: Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt, Kiel/Leipzig

Diese Stellungnahme beschränkt sich auf die angedachten Änderungen strafprozessualer Normen zur Nebenklage in Verfahren wegen Straftaten nach dem VStGB.

Insoweit ist zunächst zu begrüßen, dass Verletzte von Straftaten nach dem VStGB ausdrücklich zur Nebenklage zugelassen werden sollen und dass Ihnen in etwa gleichem Maße wie Verletzten von Straftaten nach dem StGB auch das Recht auf Beistandsbeiordnung eingeräumt werden soll (vorgeschlagene Änderungen der §§ 395 und 397a StPO).

Zu kritisieren ist dagegen, dass der Entwurf die gesetzgeberische Tendenz, die tatsächliche Teilnahme von Nebenkläger_innen am Verfahren dann vor allem als störend zu behandeln und einzuschränken, fortsetzt und mit einer Sonderregelung für Verletzte von VStGB-Taten noch auf die Spitze treibt.

Das betrifft zum einen die Erweiterung der sog. „Pool-Lösung“, also der Möglichkeit, mehreren Verletzten auch gegen ihren Willen einen gemeinsamen anwaltlichen Beistand beizuordnen, § 397b StPO. Sollte diese Regelung nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers neben dem kodifizierten Regelbeispiel – mehrere Angehörige einer getöteten Person – v.a. „etwa bei Großschadensereignissen oder Umweltdelikten“ eingreifen (BT-Drs. 19/14747, S. 39), so wird sie in der gerichtlichen Praxis unproblematisch auch bei vorsätzlich gegen mehrere Personen gerichteten Taten für anwendbar gehalten; das Erfordernis der „gleichgelagerten Interessen“ wird zum Teil darauf reduziert, dass kein konkreter, eine gemeinsame Vertretung nach § 43a Abs. 4 BRAO ohnehin verbietender Interessenwiderspruch dargetan ist (so etwa Kammergericht, Beschluss vom 26.04.2021, 2 Ws 33/21, Rn. 7).

Letztere Tendenz wird durch den vorliegenden Entwurf für Betroffene von VStGB-Verstößen zementiert: für sie sollen gleichgelagerte Interessen in der Regel anzunehmen sein, wenn den Taten „der gleiche Lebenssachverhalt“, also letztlich die gleiche prozessuale Tat, „zugrunde liegt“ (Entwurf S. 38 f.). Dass aber etwa verschiedene Überlebende eines Massakers oder verschiedene Betroffene von massenhaft als Kriegstaktik eingesetzter sexualisierter Gewalt „in ihrer Opfererfahrung in gleicher Weise betroffen sind“ (Entwurf S. 39), so dass ihre Interessen ganz unproblematisch von demselben Beistand vertreten werden können, stellt eine bloße Behauptung dar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum dies für Betroffene von VStGB-Straftaten – anders als für Betroffene von Straftaten nach dem StGB – gar als gesetzlicher Regelfall gelten soll.

Daneben sieht der Entwurf für Betroffene von VStGB-Straftaten noch eine weitere Einschränkung ihrer Möglichkeit vor, tatsächlich aktiv am Prozess teilzunehmen: Ihre Verfahrensrechte sollen ausschließlich durch den anwaltlichen Beistand ausgeübt werden dürfen, wenn ihre Nebenklagebefugnis ausschließlich auf Straftaten nach dem VStGB beruht (geplante Einführung eines § 397b Abs. 4 StPO) – wenn es sich also um Fälle der Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips handelt. Als Begründung für diese Regelung werden im Entwurf ausschließlich Handhabbarkeitsbedenken angesichts der Vielzahl von Nebenklageberechtigten benannt (S. 39).

Gerade angesichts der Tatsache, dass die Regelung für „reine“ VStGB-Verfahren immer und völlig unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Nebenklageberechtigten, für StGB-Verfahren dagegen unabhängig von der Zahl der Nebenklageberechtigten nie gelten soll, lässt allerdings den Eindruck entstehen, dass hinter der Regelung auch Erwägungen zu den besonderen Herausforderungen der Teilnahme von Drittstaatsangehörigen an solchen Verfahren stehen – denn wenn die StPO diesen ein Recht auf aktive Teilnahme am Strafprozess in Deutschland einräumt, muss sich etwa das Aufenthaltsrecht fragen lassen, ob das nicht auch ein Recht auf Einreise nach Deutschland zur Teilnahme am Verfahren implizieren muss, usw.

Gerade die Tatsache, dass hier für Betroffene von Straftaten nach dem VStGB – also von Straftaten, die bundesdeutsche Gerichte häufig unter Anwendung des Weltrechtsprinzips verfolgen und bei denen Betroffene sich häufig nicht in Deutschland aufhalten – besondere Regelungen vorgesehen werden, lässt also den Eindruck entstehen, dass der Entwurf die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen beim und ihre aktive Teilnahme am Strafverfahren als besonders störend empfindet. Im Ergebnis sieht der Entwurf vor, dass einerseits bundesdeutsche Gerichte Strafgewalt über Territorium und Angehörige von Drittstaaten ausüben, dass aber andererseits die ebenfalls drittstaatsangehörigen Verletzten in ihrer Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, erheblich eingeschränkt werden – was wiederum auch die erhofften Wirkungen solcher Strafverfahren für betroffene Communities und Zivilgesellschaft in den jeweiligen Drittstaaten erheblich in Zweifel zieht.

Einen solchen Umgang mit den Interessen betroffener Drittstaatsangehöriger hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 18. August 2020 zurecht als sehr problematisch angesehen. Dort hatten in einem Verfahren wegen des Vorwurfs von Staatsfolter in Syrien syrische Presseangehörige Zugang zu Übersetzungsmöglichkeiten beantragt, nachdem die bis dahin übliche „Flüsterübersetzung“ ins Arabische in Folge von Corona-Sicherheitsmaßnahmen unmöglich geworden war. Das war vom Oberlandesgericht mit Machbarkeitserwägungen und u.a. mit dem Argument abgelehnt worden, dass die Antragstellenden die Gerichtssprache nicht beherrschten, liege in ihrer Verantwortungssphäre. Dass dies verfassungsrechtlich jedenfalls problematisch war, begründete das Bundesverfassungsgericht in seiner einstweiligen Anordnung gerade auch mit der besonderen Situation eines Strafverfahrens unter Rückgriff auf das Weltrechtsprinzip: Denn es sei zu berücksichtigen,
„dass es sich um ein Strafverfahren handelt, das – insbesondere in den Bevölkerungskreisen, für die die Beschwerdeführer zu berichten bezwecken – eine ungewöhnlich große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit naheliegend auch auf das Interesse von Medienvertretern stößt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dies gilt umso mehr angesichts des von den Beschwerdeführern betonten Umstands, dass die Bundesrepublik hier eine Gerichtszuständigkeit für sich beansprucht, die nach allgemeinen Grundsätzen nicht bestünde, sondern die gerade dem besonderen, die internationale Gemeinschaft als Ganze berührenden Charakter der infrage stehenden Straftaten geschuldet ist.“ (BVerfG, Beschluss vom 18.08.2020, – 1 BvR 1918/20, Rn. 11).

Was für den Umgang mit Medien gilt, muss aber aus hiesiger Sicht erst recht für Betroffene von Verbrechen nach dem VStGB gelten: wenn bundesdeutsche Gerichte eine Gerichtszuständigkeit über Straftaten beanspruchen, die sich in Drittstaaten und gegen Drittstaatsangehörige ereignet haben, dann müssen sie den Geschädigten solcher Straftaten in gleicher Weise wie den Geschädigten innerstaatlich begangener Straftaten eine Teilnahme am Verfahren ermöglichen. Dass dies – für die deutschen Gerichte, aber möglicherweise in der Folge auch für andere deutsche Behörden – Herausforderungen mit sich bringt, liegt eben nicht in der Verantwortungssphäre der Betroffenen, sondern ist schlicht Ausfluss der Wahrnehmung des Weltrechtsprinzips.

Dem RAV ist bewusst, dass die Beteiligung von drittstaatsangehörigen Betroffenen von VStGB-Straftaten besondere Herausforderungen mit sich bringt, die im hergebrachten System der Nebenklage nur schwer Berücksichtigung finden können, und dass core crimes i.S.d. VStGB auch durch ihr schieres Ausmaß noch einmal besondere Herausforderungen mit sich bringen können (vgl. aus der Praxis etwa den Bericht unseres Mitglieds Dieter Magsam, „Die Nebenklage im nationalen Völkerstrafprozess aus rechtspraktischer Perspektive“, in: Bock/Wagner (Hrsg.), Gerechtigkeit aus der Ferne? (Tagungsband), im Erscheinen, S. 135-145). Mit diesen Herausforderungen wird die deutsche Justiz und das deutsche Strafprozessrecht einen Umgang finden müssen, wollen deutsche Gerichte auch weiterhin eine Gerichtszuständigkeit nach dem Weltrechtsprinzip für sich beanspruchen. Es mag auch durchaus sein, dass hierfür bisher nicht vorhandene Regelungen angedacht werden müssen, um die Interessen der betroffenen Individuen und Communities und das Interesse an der Handhabbarkeit solcher Strafverfahren in Einklang zu bringen (vgl. etwa den Vorschlag einer „NGO-Nebenklage“ bei Magsam, a.a.O., S. 144 f.). Klar ist aus Sicht des RAV aber jedenfalls, dass die im Entwurf angelegte Behandlung von Verletzten von VStGB-Straftaten als „Nebenklageberechtigte zweiter Klasse“, deren Interessen einfach stellvertretend und gebündelt von einer_einem deutschen Rechtsanwält_in wahrgenommen werden können, nicht der richtige Weg ist.

Berlin, 24.08.2023

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Stellungnahmen
news-978 Fri, 28 Jul 2023 07:35:05 +0200 Bilanz nach 6 Monaten Chancenaufenthalt: Keine Chance für alle! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bilanz-nach-6-monaten-chancenaufenthalt-keine-chance-fuer-alle-978 Ergebnisse der Pressekonferenz: Bayerischer Flüchtlingsrat und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein sehen Befürchtungen bestätigt und fordern Nachbesserung, 27.7.23

Der Bayerische Flüchtlingsrat und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) haben in den letzten Wochen Anwält:innen, Haupt- und Ehrenamtliche sowie Antragsteller:innen in Bayern nach ihren Erfahrungen zum neuen Chancenaufenthaltsrecht befragt und die Ergebnisse in der heutigen Pressekonferenz vorgestellt.

Mit dem neuen Gesetz zum Chancenaufenthalt nach § 104c AufenthG wollte die Ampel-Koalition langjährig Geduldeten eine Perspektive geben. Bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum 01. Januar 2023 äußerten Migrationsrechtsanwält:innen und Menschenrechtsorganisationen Kritik, dass das Gesetz an zentralen Stellen fatale Lücken und Ungenauigkeiten aufweist.

Nach gut sechs Monaten und einer Befragung unter den Kolleg:innen in Bayern sieht der RAV die Befürchtungen bestätigt, die sie als bayerische Migrationsrechtsanwält:innen in einem offenen Brief zum Chancen-Aufenthalt im Oktober 2022 äußerten“, teilt Rechtsanwältin Antonella Giamattei vom RAV mit.

Auch wenn es durchaus positive Rückmeldungen gibt, zeichnen die geschilderten Fälle ein deutliches Bild. Unklarheiten und Schwachstellen im Gesetz geben Behörden einen großen Entscheidungsspielraum, der in Bayern häufig zulasten der Antragsteller:innen ausfällt. Ein Großteil der Personen, die bereits eine Ablehnung oder die Mitteilung über eine beabsichtigte Ablehnung erhalten haben, scheitert an formellen Erfordernissen, wie z.B. der fehlenden Duldung.

Das Chancenaufenthaltsrecht setzt vorherige Duldungszeiten voraus. Diese werden in Bayern systematisch nicht erreicht, da statt einer Duldung immer wieder gesetzlich nicht geregelte Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt werden. Die Verweigerung oder der Entzug von Duldungen hat zur Folge, dass Betroffene aufgrund einseitiger Handlungen der Behörden aus dem Chancenaufenthalt herausfallen“, so Giamattei weiter.

Über Umwege sorgen Ausländerbehörden dafür, dass die benötigten Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen. So werden plötzlich Duldungen ungültig gestempelt, aus heiterem Himmel Strafanzeigen wegen Passlosigkeit gestellt oder Ausweisungsverfahren wegen kleiner ausländerrechtlicher Vergehen eingeleitet. Personen, die bereits einen Pass abgegeben haben, erhalten keine Duldung mehr, da Ausländerbehörden keine Duldungsgründe mehr sehen. Personen, die noch keinen Pass abgegeben haben, erhalten Strafanzeigen wegen Passlosigkeit.

Wer bereits einen Pass abgegeben hat, erhält im Zweifel keine Duldung mehr und somit keinen Chancenaufenthalt. Wer keinen Pass besitzt, sieht sich mit einem Strafverfahren konfrontiert und erhält ebenfalls keinen Chancenaufenthalt. Diese Behördenwillkür widerspricht grundlegenden rechtstaatlichen Prinzipien und ist nicht hinzunehmen!“, kritisiert Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Es scheint gezielte Einflussnahmen der Behörden zu geben, die eine Erteilung des Chancenaufenthalts erschweren oder gar verhindern. Einige Behörden bauen bereits bei der Antragstellung trickreiche Hürden ein, die Betroffene verunsichern oder gar von der Antragstellung abhalten: So werden mündlich oder schriftlich unnötige Dokumente und gar Pässe gefordert, die explizit nicht für den Chancenaufenthalt benötigt werden.

Schon früher hat Bayern massiv Bleiberechtsregelungen unterwandert. Das muss ein Ende haben. Das Bundesinnenministerium muss dringend das Gesetz anpassen und eindeutige und unmissverständliche Weisungen herausgeben. Bayern sollte den Chancenaufenthalt als Chance begreifen, dem Fachkräftemangel sowie der Überlastung der Ausländerbehörden entgegenzusteuern“, fordert Weidhaase.

Unsere Forderungen zur Anwendung des Chancenaufenthaltsrechts in Bayern:

Unsere Forderungen zur Nachbesserung an den Bundesgesetzgeber/das Bundesinnenministerium:

Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:

Jana Weidhaase | Bayerischer Flüchtlingsrat | weidhaase@fluechtlingsrat-bayern.de    

Antonella Giamattei | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | kanzlei@giamattei.de

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Offener Brief RAV Migrationsrecht Süd, 31.10.2022: https://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/themen/auslaender_asylrecht/221031_OffenerBrief_Entwurf_des_so  g._Chancen-Aufenthaltsrechts_fin.pdf

Anwendungshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht vom 27.01.2023, https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/wp- content/uploads/2023/02/StMI-IMS-vom-27.01.2023-zum-Chancen-Aufenthaltsrecht.pdf

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-977 Fri, 21 Jul 2023 10:52:51 +0200 Letzte Chance, die israelische Regierung und die sie unterstützenden Abgeordneten von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Justizreform in der Knesset abzulehnen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/letzte-chance-die-israelische-regierung-und-die-sie-unterstuetzenden-abgeordneten-von-der-notwendigkeit-zu-ueberzeugen-die-justizreform-in-der-knesset-abzulehnen-977 Offener Brief der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), der Humanistischen Union (HU) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vom 20.07.2023 an das Auswärtige Amt und alle Parlamentarier:innen mit Kontakt nach Israel

Die erste Stufe der Justizreform der Regierung unter Benjamin Netanjahu ist letzte Woche Montag zur ersten Lesung ins Parlament gekommen. Alles sieht danach aus, als wollte die Regierung die Reform gegen den Widerstand der Zivilbevölkerung durchs Parlament peitschen. An den Protesten gegen die als „Coup“ bezeichnete Reform beteiligen sich Organisationen aus allen Bereichen des zivilen Lebens, Akademiker:innen, Offiziere, Jurist:innen, Gewerkschaften und viele weitere. Seit Dezember 2022 gehen jeden Samstag Hunderttausende in Israel auf die Straße, um für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu demonstrieren. Nachdem die Reform ins Parlament gebracht wurde, haben sich die Proteste noch einmal verstärkt und es kam auch zu Fällen von Polizeigewalt gegen Demonstrierende.

Die Gefahr für die israelische Demokratie ist real. Nicht umsonst hat US-Präsident Biden in aller Deutlichkeit dazu aufgerufen, die Reform zu stoppen. Das Gesetzespaket mit seinen über 189 Einzelgesetzen würde das demokratische Gefüge in Israel aus dem Gleichgewicht bringen. Die Regierung hat die erste Lesung des Gesetzes zur Änderung der Besetzung des Obersten Gerichts hinter sich gebracht. Dieses Verfahren ist deshalb so entscheidend, weil das Gericht in Israel die einzige verfassungsmäßige Institution darstellt, die nicht unmittelbar von der Regierung kontrolliert wird.

Zurecht warnte Amnesty International:
Sollte das Gesetz verabschiedet werden, wird der Oberste Gerichtshof Israels nahezu bedeutungslos, da die Regierung dessen Richterinnen und Richter ernennen würde und die Prüfung von Gesetzen durch den Obersten Gerichtshof umgehen könnte. Das heißt, die Rechte von Minderheiten und Einzelpersonen werden keinerlei Schutz mehr erfahren. Israel wird im besten Fall zu einer Pseudodemokratie werden, in der nur diejenigen bestimmen, die die Mehrheit bilden. Die Rechte aller Menschen – insbesondere aber die der Palästinenserinnen und Palästinenser – werden stärker gefährdet sein.

Insbesondere für deutsche Juristen:innenorganisationen war diese Entwicklung Veranlassung, sich in Israel in Gesprächen mit Partnerorganisationen ein Bild zu verschaffen. Vertreter:innen der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung e.V. (DIJV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und des Bundesgerichtshofes (BGH) haben mit hochrangingen Repräsentanten aus Anwaltschaft, Justiz sowie Wissenschaft und Forschung in Tel Aviv und Jerusalem gesprochen. Sie kamen dabei zu der Schlussfolgerung:

Die Justizreformen würden das Gleichgewicht zwischen Legislative, Exekutive und Judikative radikal verschieben und die Gewaltenteilung in Israel faktisch aufheben.

Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) hat den ehemaligen Dekan der juristischen Fakultät der Universität in Haifa, Prof. Dr. Eli Salzberger, zu einer Vortragsreihe nach Deutschland eingeladen. In der Diskussion mit Herrn Salzberger kam noch einmal deutlich heraus, wie gefährlich die Reform für die Demokratie in Israel ist. Gleichzeitig war Prof. Salzberger überzeugt, dass die Einflussnahme auf israelische Politiker:innen durch ihre deutschen Amtskolleg:innen möglich ist.

Die BRAK hat schon sehr früh den deutschen Justizminister aufgefordert, auf die israelische Regierung einzuwirken, damit sie Abstand von ihrem demokratiefeindlichen Projekt nimmt.

Diese Aufforderung trifft nun alle deutschen Ministerien, insbesondere das Auswärtige Amt, und alle Parlamentarier:innen mit Kontakt nach Israel. Angesichts der unmittelbaren Drohung der Verabschiedung der Reform sind Politiker:innen auf allen Ebenen gefordert, ihre Ablehnung der Reform unzweideutig und mit Nachdruck gegenüber ihren israelischen Amtskolleg:innen zu formulieren. So könnte beispielsweise das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel unter die Bedingung gestellt werden, dass die israelische Regierung die Reform aufgibt.

Solidarität kann es in der aktuellen Situation nur mit der demokratischen Protestbewegung in Israel geben. Mit ihr muss es unsere Bemühung sein, die rechtsstaatlichen Strukturen in Israel zum Schutz der Bürger- und Menschenrechte, insbesondere auch der Minderheiten in Israel, zu bewahren.

Der offene Brief als PDF

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news-976 Tue, 11 Jul 2023 11:28:38 +0200 Offen bleiben!<br />Für eine solidarische Gesellschaft! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/offen-bleibenfuer-eine-solidarische-gesellschaft-976 Aufruf zur Teilnahme, Demonstration am 16.7.23 in München Der RAV ist Teil des Münchner Bündnisses „Offen bleiben“ und ruft dazu auf, an der Demonstration am kommenden Sonntag, den 16.07.2023 um 16 Uhr in München teilzunehmen.

Offen bleiben“ ist ein zivilgesellschaftliches Bündnis von inzwischen [11.7.23] 163 Organisationen und mehr als 200 Einzelpersonen, die ein deutliches Signal für eine offene, solidarische Gesellschaft und gegen Abschottung setzen wollen.

Als Kampagne wollen wir vor allem gegen die Beschlüsse auf europäischer Ebene zu GEAS protestieren, die für eine Vielzahl von Schutzsuchenden Grenzverfahren in haftähnlicher Unterbringung an den Außengrenzen Europas vorsehen. In diesen Grenzverfahren wird effektiver Rechtschutz für die Betroffenen unmöglich sein und das Recht auf Asyl weiter ausgehöhlt.

Wir protestieren gegen Hetze und Stimmungsmache gegen Geflüchtete.

Und wir glauben nicht, dass die Antwort auf soziale Krisen Abschottung heißen kann, wie es die Ampelregierung aktuell betreibt.

Wir wollen: Offen bleiben!

Die Demonstration startet um 16 Uhr am Gärtnerplatz in München und wird mit Bühnenprogramm um 17.30 Uhr am Marienplatz enden.

Alle Infos sind zu finden unter: https://offen-bleiben-muenchen.de/.

Werdet auch gerne Unterstützer*in von „Offen bleiben“ unter: https://offen-bleiben-muenchen.de/unterstuetzen/.

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Aufruf:
Grenzen zu, alles gut?
Geflüchtete sind unser größtes Problem?
Wir glauben nicht, dass sich da alle einig sind!
Lasst uns gemeinsam laut werden gegen Abschottungs- und Scheuklappenpolitik!
Lasst uns laut sein für Solidarität und Menschenrechte!

Die EU höhlt das Recht auf Asyl gerade mit breiter politischer Unterstützung aus. Was früher nur rechte Parteien forderten, ist plötzlich Regierungsprogramm der Ampelkoalition.

Das Bittere und Skandalöse daran ist, dass gerade die aktuelle Bundesregierung mit dem Versprechen angetreten ist, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen [zu] beenden. […]“. Jetzt verwirklicht sie Seehofers Traum.

Statt Asylgründe individuell zu prüfen, will die EU Schnellverfahren an den Außengrenzen durchführen, ohne rechtliche Vertretung, unabhängige Beratung oder Rechtsmittel für Schutzsuchende. Anstatt für Ankommende menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen, sollen sie in Grenzlagern leben, die Haftanstalten gleichen und Entrechtung zum Standard machen. Statt Geflüchteten zu ermöglichen, sich in die Gesellschaft einzubringen, plant die Bundesregierung deren Abschiebungen und Inhaftierungen.

Die riesigen Herausforderungen von Wohnraumnot, Gesundheitskräftemangel, Klimaschutz oder Kita-Knappheit brauchen politische Lösungen. Anstatt sie anzugehen, fordert die Bundesregierung Abschottung und Verhinderung von Flucht und Migration und bedient damit eine Scheindebatte. Dabei hat die gute, pragmatische Politik und die gemeinsame gesellschaftliche Anstrengung für Geflüchtete aus der Ukraine gezeigt: Wir können auch anders!

Die Ampel sieht Abschottung als Antwort auf soziale Krisen – wir nicht!
Wir wollen eine offene und solidarische Gesellschaft!
Wir sagen: Offen Bleiben!

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Bürger- und Menschenrechte Migration & Asyl
news-974 Wed, 05 Jul 2023 11:53:11 +0200 Nein zur „Instrumentalisierung“ durch die Hintertür<br />Das Recht an den EU-Außengrenzen einhalten, nicht verbiegen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nein-zur-instrumentalisierung-durch-die-hintertuer-das-recht-an-den-eu-aussengrenzen-einhalten-nicht-verbiegen-974 Appell von 55 Organisationen an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, 5.7.23

Gerade erst haben die EU-Innenminister*innen sich auf verschärfte Grenzverfahren (unter Anwendung einer „Fiktion der Nicht-Einreise“, die absehbar zu Haft oder haftähnlicher Unterbringung führen wird), auf eine Ausweitung des Konzepts der „sicheren Drittstaaten“ sowie auf einen unzuverlässigen Solidaritätsmechanismus und die weitgehende Beibehaltung des Dublin-Systems geeinigt.

Doch der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht: Es wird mit Hochdruck an einer weiteren massiven Verschärfung gearbeitet. Die schwedische EU-Präsidentschaft hatte noch auf den letzten Metern ihrer Präsidentschaft die „Verordnung für Ausnahmen im Falle von Krisen, Instrumentalisierung und höherer Gewalt“ (Stand 23. Juni 2023) auf den Weg gebracht, nun macht die spanische Präsidentschaft mit den Vorschlägen weiter. Es sollen unter anderem die Verzögerung von Registrierungen, die Verlängerung von Grenzverfahren – dann für so gut wie alle Gruppen von Geflüchteten – sowie massive Absenkungen bei den Unterbringungs- und Aufnahmestandards möglich werden. Der Verordnungsentwurf wird aktuell zwischen den EU-Staaten verhandelt.

Die von der Bundesregierung für die GEAS-Reform gewünschten Ausnahmen vom Grenzverfahren für Kinder oder andere vulnerable Personen wären dem Verordnungsentwurf nach vom Tisch. Auch droht eine Legitimierung der Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen.

Bereits im Dezember 2022 appellierten 35 Organisationen an die Bundesregierung, dem damaligen Vorstoß für eine Instrumentalisierungsverordnung nicht zuzustimmen. In ihrem Prioritätenpapier spricht sich die Bundesregierung gegen die Aufnahme der Verschärfungen im Fall einer Instrumentalisierung aus. Angesichts der nun beginnenden Verhandlungen im Rat über die Krisen-Verordnung, in die die Vorschläge im Falle der „Instrumentalisierung“ eingefügt wurden, fordern wir erneut mit Nachdruck: Die Bundesregierung muss bei ihrem „Nein“ zur Instrumentalisierungsverordnung bleiben und darf einer Einführung der Krisen- Verordnung nicht zustimmen.

„Das Leid an den Außengrenzen beenden“

Seit Jahren verüben Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an den Außengrenzen der EU – unter anderem mittels Notstandsmaßnahmen – schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungen. Der Ausnahmezustand wird dazu genutzt, den Schutzsuchenden den Zugang zu humanitärer Hilfe zu verwehren und die Öffentlichkeit auszuschließen, um die Gewalt an der Grenze zu verbergen. Statt frierenden Menschen in den Urwäldern an der Grenze zu Belarus medizinisch zu helfen und ihr Asylverfahren einzuleiten, prügeln polnische Grenzschützer sie über die Grenze zurück. Statt Menschen aus Seenot zu retten, drängt die griechische Küstenwache schutzsuchende Menschen auf der Ägäis Richtung Türkei.

Das ist eine Krise der Menschlichkeit und eine Krise der Menschenrechte. Es ist auch eine Krise der Rechtsstaatlichkeit in der EU. Die Bundesregierung hat es sich mit dem Koalitionsvertrag zum Ziel gemacht, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen [zu] beenden“. Die nun diskutierte Verordnung wäre ein weiterer Schritt hin zu einem Europa, in dem grundlegende Werte wie Menschenwürde und Flüchtlingsschutz nicht zählen. Die Bundesregierung kann jetzt noch im Rat entscheidenden Einfluss nehmen.

Recht einhalten, nicht verbiegen

Der Entwurf der Verordnung für den Fall von Krise, Instrumentalisierung und höherer Gewalt sieht vor, europäische Vorschriften für Asylverfahren sowie für die Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden weit unter jedes erträgliche Minimum abzusenken. Im Falle einer Instrumentalisierung würde eine Regelung im Schengener Grenzkodex durch die Schließung von Grenzübergängen es fliehenden Menschen nahezu unmöglich machen, an den Außengrenzen einen Asylantrag zu stellen. Statt schutzsuchende Menschen zu schützen, erhöht besonders das Konzept der Instrumentalisierung sogar noch die Gefahr, dass diese illegal – und oft mit Gewalt – zurückgeschoben werden. Wenn es doch jemand schafft, einen Asylantrag zu stellen, erlaubt es die Verordnung, diese Person bis zu fünf Monate zu inhaftieren. Dies betrifft auch Traumatisierte, Menschen mit Behinderung, Familien und allein fliehende Kinder. An den Grenzen werden die Bedingungen, wie auf den griechischen Inseln und anderswo häufig genug gesehen, absehbar menschenunwürdig sein. Notwendige unabhängige rechtliche Beratung oder medizinische und psychologische Unterstützung werden kaum möglich sein.

Nein zu einer Instrumentalisierung durch die Hintertür, Nein zum aktuellen Entwurf der Krisen-Verordnung

Die Verordnung für den Fall von Krise, Instrumentalisierung und höherer Gewalt droht an den Außengrenzen den schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Europäisches Recht muss wieder angewendet werden – die vorgelegte Verordnung verbiegt aber das Recht und ermöglicht es, das geltende Recht an den Außengrenzen zu brechen. Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung eindringlich auf, dies nicht zuzulassen und in den Verhandlungen im Rat eine klare rote Linie zu ziehen.

Unterzeichnende Organisationen, Stand 4. Juli 2023

Bundesebene

Ärzte ohne Grenzen e.V.
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
Amnesty International Deutschland e.V.
Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
AWO Bundesverband e.V.
borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
Brot für die Welt
Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL
Der Paritätische Gesamtverband
Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.)
Deutscher Caritasverband e.V.
Diakonie Deutschland
ECCHR: European Center for Constitutional and Human Rights
ECPAT Deutschland e.V.
Equal Rights Beyond Borders e.V.
FORUM MENSCHENRECHTE – Netzwerk deutscher Menschenrechtsorganisationen
IPPNW e.V. - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs /Ärzt*innen in sozialer Verantwortung
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
Jugendliche ohne Grenzen
JUMEN e.V. - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland
Kindernothilfe e.V.
KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
#LeaveNoOneBehind
Lesben- und Schwulenverband (LSVD)
medico international
MISSION LIFELINE International e.V.
Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.
pax christi - Deutsche Sektion e.V.
r42 - Sail and Rescue
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
RESQSHIP e.V.
Sea-Watch
Seebrücke
SOLWODI Deutschland e.V.
SOS Humanity
Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus
terre des hommes
United4Rescue – Gemeinsam retten e.V.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAM)
ver.di Bundesmigrationsausschuss
Zukunftsforum Familie e.V.

Landesebene

Arbeitsgemeinschaft der Diakonie in Rheinland-Pfalz
Berlin hilft
Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
Diakonie Schleswig-Holstein
Flüchtlingsräte der Bundesländer
Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.
Landesintegrationsrat NRW
REFUGIO Thüringen
Wir packen's an e.V. - Nothilfe für Geflüchtete
XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
Zentrum Überleben

Statement als PDF

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Migration & Asyl
news-973 Mon, 26 Jun 2023 12:20:17 +0200 Gegen den Ausverkauf der Rechte von Schutzsuchenden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-den-ausverkauf-der-rechte-von-schutzsuchenden-973 Ganzseitige Anzeige in der TAZ, 17.6.23 Empfehlung (Mitteilung) Migration & Asyl news-972 Mon, 26 Jun 2023 08:40:06 +0200 Keine Ausnahmegerichte für die „Letzte Generation“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ausnahmegerichte-fuer-die-letzte-generation-972 Gemeinsame Erklärung von Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen und RAV, 20.06.2023 Seit vergangener Woche ist ein neuer Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Tiergarten in Kraft, welcher die Einrichtung neuer Stellen vorsieht, die für beschleunigte Verfahren der Staatsanwaltschaft Berlin zuständig sind. Zugleich änderte die Staatsanwaltschaft Berlin ihren Geschäftsverteilungsplan und zog die Zuständigkeit für beschleunigte Verfahren – die grundsätzlich bei der Amtsanwaltschaft liegt – an sich. Davon betroffen sind derzeit ausschließlich Fälle der „Straßenblockaden“ der Letzten Generation.

Diese Änderungen sind höchst problematisch bis hin zu verfassungsrechtlich bedenklich, da das Recht auf den gesetzlichen Richter faktisch ausgehebelt wird:

Ganz grundsätzlich eignet sich strafrechtliche Beurteilung der „Straßenblockaden“ der Letzten Generation ohnehin nicht für das beschleunigte Verfahren: Diese sind nach § 417 StPO vielmehr nur zulässig, wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist. Ausweislich der obergerichtlichen Rechtsprechung ist dies bei Aktionen der Letzten Generation ausdrücklich nicht der Fall. Die Beweislage ist schwierig, die rechtliche Würdigung umstritten und uneinheitlich, schließlich sind in jedem einzelnen Fall verfassungsrechtliche Abwägungen zu treffen. Hierfür sind beschleunigte Verfahren gerade nicht gemacht.

Unabhängig hiervon drängt sich der Eindruck auf, dass hier bewusst eine Sonderzuständigkeit für die Letzte Generation geschaffen wurde: Dieser Eindruck speist sich aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Regierungswechsel, hausinternen Gesprächen, den gleichzeitigen Änderungen der Geschäftsverteilungspläne von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Tiergarten – sowie dem Umstand, dass de facto nur die Fälle der Letzten Generation von dieser Änderung umfasst sind. Hier scheint es mithin allein um ein politisches Signal in der ohnehin schon von Populismus geprägten Debatte zu gehen, wobei dies wieder einmal zulasten der Beschuldigten- und Verfahrensrechte geht.

Ausnahmegerichte sind nach Art. 101 GG aus rechtsstaatlichen sowie nicht zuletzt rechtshistorischen Gründen unzulässig: Sie stellen eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter dar. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Justiz in Bezug auf die Letzte Generation nicht mehr unabhängig handelt und das Recht auf den gesetzlichen Richter ausgehebelt wird. Die Garantie des gesetzlichen Richters soll gerade „der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird (BVerfGE 95, 322 (327); 118, 212 (239); 148, 69, Rn. 47). Diese Unabhängigkeit sehen wir durch das Vorgehen von Amtsgericht Tiergarten im Zusammenspiel mit der Staatsanwaltschaft Berlin konkret gefährdet.

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Anfragen hierzu können über die Geschäftsstellen vermittelt werden
Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen: 030–34781265 / info@strafverteidiger-berlin.de
RAV: 030.417 235 55 / kontakt@rav.de

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news-971 Mon, 19 Jun 2023 18:15:44 +0200 RAV-Kongress verabschiedet Resolution_Gegen die Zerstörung des Rechts und den grenzenlosen Ausverkauf der Menschenrechte von Schutzsuchenden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kongress-verabschiedet-resolution-gegen-die-zerstoerung-des-rechts-und-den-grenzenlosen-ausverkauf-der-menschenrechte-von-schutzsuchenden-971 Leipzig, 17.6.2023

Gegen die Zerstörung des Rechts und den grenzenlosen Ausverkauf der Menschenrechte von Schutzsuchenden
Für das Recht, Rechte zu haben
Für das Recht auf ein individuelles und effektives Verfahren – Zugang zum Recht – für alle

Am 8. Juni 2023 haben die Innenminister*innen der EU einen Frontalangriff auf den Rechtsstaat beschlossen. Die Inhaftierung von Schutzsuchenden, die Rechtlosstellung durch die Fiktion der Nicht-Einreise, die Hinnahme von massenhaften refugees in orbit[1] und Abschiebungen in vermeintlich sichere Drittstaaten werden als alleinige Antwort auf Verfolgung und Flucht, auf Kriege und Krisen der Gegenwart formuliert. Statt individuelle und effektive Asylverfahren zu stärken, werden Vereinbarungen mit autokratischen und rassistischen Regimen wie der Türkei und Tunesien vorangetrieben.

Die Bundesregierung versucht, die Reform durch unwahre Behauptungen zu beschönigen, und bezeichnet sie als „Verschlechterung für wenige“ und „Verbesserung für viele.“ Tatsächlich können alle Schutzsuchenden durch die Anwendung des Drittstaatenkonzepts in das Grenzverfahren einbezogen werden – auch die vor den Taliban flüchtende afghanische Familie; auch eine Jina Amini, wenn sie vor ihrer Ermordung hätte flüchten können. Tatsächlich können alle Schutzsuchenden einschließlich Kinder inhaftiert werden. Allen Schutzsuchenden droht ein Schnellverfahren, in dem keine individuelle Prüfung stattfindet und effektiver Rechtsschutz nicht besteht.

Pushbacks, Haft und Verfahrensunrecht prägen bereits jetzt die Behandlung von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen. Anstatt diese Verbrechen zu bekämpfen, werden sie nun unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung legalisiert.

Wir stellen fest: Die Bundesregierung will sich in unvergleichlicher Geschichtsvergessenheit daran beteiligen, wie tragende Pfeiler des Rechtsstaats über Bord geworfen werden. Das aus den Lehren des Nationalsozialismus geborene Flüchtlingsrecht ist kein hehrer Grundsatz. Es geht um ein fundamentales Menschenrecht, das mit einem effektiven Verfahren flankiert werden muss. Schutzansprüche und Verfahrensrechte haben verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rang. Anstatt diese Rechte zu achten und zu schützen, betreibt die Bundesregierung eine Politik der Gewalt und der Abschottung – und wird damit den rechten und rassistischen Diskurs in Deutschland und die politische Rechte stärken statt schwächen, sie wird die Gefahr rassistischer Übergriffe erhöhen statt mindern.

Das Recht auf Schutz und das Recht auf Rechte gilt für alle – jedwede Klassifizierung von Geflüchteten sowie die Inhaftierung und Isolation in Lagern ist ein Bruch mit rechtsstaatlichen Verfahren, in jedem Einzelfall!

Wir sind auf neue Rechtskämpfe vorbereitet: Menschenwürde und Menschenrechte sind unteilbar!

 

[1] refugee in orbit ist eine geflüchtete Person, die zwar nicht direkt in ein Land zurückgeschickt wird, in dem sie möglicherweise verfolgt wird, der aber Asyl verweigert wird oder die keinen Staat finden kann, der bereit ist, ihren Antrag zu prüfen, und der auf der ständigen Suche nach Asyl von einem Land zum anderen pendelt.

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Migration & Asyl
news-970 Mon, 19 Jun 2023 18:05:13 +0200 RAV-Kongress verabschiedet Resolution_Sofortiges Ende der Repression im Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kongress-verabschiedet-resolution-sofortiges-ende-der-repression-im-iran-970 Leipzig, 17.6.203

Sofortiges Ende der Repression im Iran
Sofortiger Stopp der Todesurteile im Iran
Sofortige Freilassung unserer verfolgten Kolleg*innen im Iran

Seit mehr als einem halben Jahr finden Proteste im Iran statt. Was als Protest gegen den Zwang zum Tragen eines Hijabs und die Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam begann, hat sich zu einer landesweiten Revolution ausgeweitet. Seit dem Beginn der Massenproteste hat die staatliche Repression ein neues Ausmaß erreicht. Mehr als 700 Menschen wurden seitdem hingerichtet.

Wir als RAV zeigen uns solidarisch mit den Menschen im Iran, die für ihre elementaren Menschenrechte auf die Straße gehen, insbesondere den Frauen*, die gegen jahrzehntelange Unterdrückung und Demütigung kämpfen.

Aufgrund ihrer Überzeugungen und aufgrund ihres Einsatzes für ihre Mandant*innen wurden über 60 unserer Kolleg*innen in den letzten Jahren in Haft genommen. Zwei von ihnen sitzen derzeit noch in Haft, die Rechtsanwälte Mohammad Najafi und Amirsalar Davoudi.

Wir fordern ein Ende der Repression und vor allem die Abschaffung der Todesstrafe.
Das Recht auf freie Advokatur ist nicht verhandelbar.
Wir fordern ein sofortiges Ende der Behinderung und Einschränkung der anwaltlichen Tätigkeit im Iran.
Unsere Kollegen Mohammad Najafi und Amirsalar Davoudi sind umgehend freizulassen.

Frau! Leben! Freiheit!
Jin! Jiyan! Azadî!

Resolution Iran als PDF

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Iran
news-969 Mon, 19 Jun 2023 17:26:00 +0200 RAV-Kongress verabschiedet Resolution_Keine Kriminalisierung der Klimaaktivist*innen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kongress-verabschiedet-resolution-keine-kriminalisierung-der-klimaaktivistinnen-969 Leipzig, 17.6.2023

Keine Kriminalisierung der Klimaaktivist*innen
Für einen gesellschaftlichen Dialog statt staatlicher Hetze
Solidarität mit der Letzten Generation

Die Reaktionen auf die Aktionen der „Letzten Generation“ haben in den letzten Monaten das gesellschaftliche Klima erheblich verschärft. Mit diffamierenden Bezeichnungen wie „Klimaterroristen“ und der Forderung nach harten Strafen fand eine durch weite Teile der Politik geschürte Hetzkampagne statt. Dies kommt einer innenpolitischen Feindbestimmung gleich. Als Folge dieser Stimmungsmache nimmt die Gewaltbereitschaft von Bürger*innen und Polizeibeamt*innen gegen die Aktivist*innen deutlich zu.

Nicht die gravierenden politischen Versäumnisse in der Klimapolitik bestimmen den Diskurs, sondern allein die Kriminalisierungsversuche. Wer jetzt den § 129 StGB (kriminelle Vereinigung) anwenden will und härtere Strafen fordert, redet der Einschränkung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit das Wort. Hier bricht sich ein autoritäres Staats- und Demokratieverständnis Bahn.

Wenn Bundesinnenministerin Faeser repressive Maßnahmen mit den Worten begründet, dass „der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen“ dürfe, wird die Bedeutung des Begriffs des Rechtsstaats in ihr Gegenteil verkehrt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat sich mit der öffentlichen Vorverurteilung der Letzten Generation und all ihrer Spender*innen an dieser Verkehrung des Rechtsstaatsgedankens beteiligt.

Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams sind ein legitimer Bestandteil der Demonstrationsfreiheit. Sich jetzt hinter die Letzte Generation zu stellen, ist die Aufgabe alle derer, denen der Rechtsstaat am Herzen liegt. Die Frage, ob man die Aktionsformen im Einzelnen befürwortet oder nicht, tritt dahinter zurück.

Und in den Worten des UN-Generalsekretärs António Guterres: „Klimaaktivisten haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je.“ 

Wir fordern von der Bundesregierung ein Ende des Verfassungsbruchs, die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und endlich einen effektiven Klimaschutz!

Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen die Aktivist*innen und Unterstützer*innen der Letzten Generation sowie die Abschaffung des § 129 StGB!

Resolution Letzte Generation als PDF

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news-968 Thu, 15 Jun 2023 16:32:30 +0200 Der RAV kritisiert massive Behinderung anwaltlicher Tätigkeit durch Polizei beim „Leipziger Kessel“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-rav-kritisiert-massive-behinderung-anwaltlicher-taetigkeit-durch-polizei-beim-leipziger-kessel-968 Pressemitteilung, 15.6.2023 Unterbindung und Einschränkung anwaltlicher Tätigkeiten bei dem Versammlungsgeschehen am Wochenende in Leipzig nach den Urteilen im "Antifa-Ost"-Prozess

Im Rahmen der Proteste gegen die Verurteilung von Antifaschist*innen vorletzte Woche und gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Leipzig kam es als Reaktion hierauf verschiedentlich zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Sächsische Polizei. Insbesondere setzte die Polizei am Samstag, den 03.06.2023 etwa 1.000 ehemalige Teilnehmer*innen einer Versammlung in einem sogenannten „Leipziger Kessel“ am Alexis-Schumann-Platz fest.

»Der RAV verurteilt das Vorgehen der Polizei aufs Schärfste. Rechtswidrig wurde den Betroffenen der Zugang zu vor Ort anwesenden Anwält*innen verweigert. Dass der sächsische Innenminister das fehlerhafte Vorgehen der Polizei beim „Leipziger Kessel“ deckt und Aufklärung verweigert, ist Ausdruck eines völlig verschobenen Diskurses, der autoritäre und rechte Strömungen weiter befeuert.«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV.

Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 6 III c der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie § 137 Abs. 1 der Strafprozessordnung garantieren allen Beschuldigten in Strafverfahren, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem/einer Anwält*in verteidigen zu lassen. Mehreren im RAV organisierten Rechtsanwält*innen wurde trotz dieses grundlegenden Anspruchs der Betroffenen auf rechtlichen Beistand beim Leipziger Kessel der Kontakt mit sich darin befindenden Personen verweigert - und das, obwohl die Polizei bereits um 19:00 Uhr per Durchsage die Betroffenen als Beschuldigte in einem Strafverfahren über ihr Recht, sich anwaltlichen Beistand zu suchen, informierte.

So wurde schon zu Beginn dieses „Leipziger Kessels" einer Kollegin das Gespräch oder auch nur die räumliche Annäherung an im Kessel befindliche Personen - notwendig zur ersten Kontaktaufnahme - verwehrt, obwohl zunächst Rufe nach Beistand zu vernehmen waren. Selbst eine Nachfrage bei den Betroffenen durch Polizeibeamt*innen, ob sie Kontakt mit der anwesenden Anwältin wünschten, wurde durch die Polizei ausgeschlossen.

Weitere Versuche von Kolleg*innen, den Betroffenen Beistand zu leisten, wurden über die folgenden Stunden hinweg trotz Insistierens der Anwält*innen durch die Polizei verhindert. Erst gegen Mitternacht durften einige wenige Kolleg*innen in den abgesperrten Bereich und dort mit einzelnen minderjährigen Betroffenen sprechen. Dass diese, sich bereits seit Stunden im Kessel befindenden Jugendlichen in der Menge der Personen vor Ort durch die Anwält*innen gesucht werden konnten, wurde durch die Polizei vorher ebenso abgelehnt, wie der Vorschlag, dass dann die Beamt*innen die betreffenden Minderjährigen ausfindig machen könnten. Eine "bevorzugte Abarbeitung von Minderjährigen" war hier nicht zu erkennen.

Dazu erklärt Rechtsanwalt Mark Feilitzsch aus Dresden:

»Den etwa 1.000 Menschen im Leipziger Kessel wurde erklärt, dass sie Beschuldigte in einem Strafverfahren seien und das Recht hätten, einen Verteidiger hinzuzuziehen. Tatsächlich hat die Polizei jedoch genau das verhindert. Es ist zunehmend zu beobachten, dass im Zusammenhang mit politischen Protesten die anwaltliche Berufsausübung und damit der Zugang der Betroffenen zu rechtlichen Beistand behindert wird. Wenn – wie nun dieses Wochenende in Leipzig - viele Betroffene von den Nachmittagsstunden bis in den frühen Morgen ohne jeden Zugang zu anwaltlichem Beistand bleiben mussten, ist das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.«

Aber nicht nur den Rechtsanwält*innen wurde der Zugang zu den Betroffenen verwehrt. Auch den am Polizeikessel erschienenen und nachfragenden Eltern wurden ihre Kinder stundenlang vorenthalten. Selbst bei den anschließenden Maßnahmen der Belehrung der Minderjährigen, der Beschlagnahme von deren Telefonen, Durchsuchung und Identitätsfeststellung wurde den Eltern kein Anwesenheitsrecht eingeräumt. Die durch das stundenlange Festhalten eingeschüchterten und erschöpften Jugendlichen wurden aufgefordert, an polizeilichen Maßnahmen mitzuwirken und z.B. die PIN ihrer beschlagnahmten Telefone herauszugeben.

Dazu erklärt Rechtsanwältin Rita Belter aus Leipzig:

»Das Verhalten der Einsatzbeamt*innen verletzte in willkürlicher Weise die Rechte der Betroffenen und die der Sorgeberechtigten. Nun werden sich die Gerichte mit einer Vielzahl von Erlebnissen und der Feststellung deren Rechtswidrigkeit auseinandersetzen müssen.«

Eine weitere freiheitsentziehende Maßnahme wurde am 03.06.2023 vor dem Amtsgericht Leipzig vollzogen. Dort wurden ca. 20 - 25 Personen plötzlich von Polizeikräften zusammengedrängt und mit der Begründung, anlasslose Identitätsfeststellungen im Kontrollbereich vornehmen zu wollen, über zwei Stunden festgehalten. Die Identitätsfeststellung wurde - obwohl mehrfach angemahnt - erst 90 Minuten nach Kesselung begonnen. Zusätzlich erhielten alle dort Anwesenden einen grundlosen Platzverweis. Betroffen von diesen Maßnahmen war auch eine Rechtsanwältin, die unmittelbar nach der Haftvorführung ihres Mandanten bei dem Verlassen des Leipziger Amtsgerichts von den Polizeibeamt*innen mit in diesen Kessel gedrängt wurde und der ein Platzverweis nicht nur für das Gericht, sondern auch für den Ort ihrer Kanzlei ausgesprochen wurde.

Verschiedentliche Versuche, eine Begründung für die nicht nachvollziehbaren Maßnahmen zu erhalten, scheiterten. Widersprüche wurden nicht aufgenommen.

Auch mit diesem Vorfall werden sich die Gerichte beschäftigen müssen: Die betroffene Kollegin erhebt nun Klage zum Verwaltungsgericht gegen diesen schweren Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit.

Ebenfalls wurde am darauf folgenden Sonntag jede Versammlung an der Gefangenensammelstelle an der Hauptwache der Polizei in Leipzig mit Verweis auf die Allgemeinverfügung ('Versammlungsverbot') unterbunden. Als am Sonntag wartende Eltern, Angehörige und Freund*innen der (teilweise vorläufig) Festgenommenen an der Dimitroffstrasse auf die Entlassung der Festgenommenen aus dem "Leipziger Kessel" warteten und versuchten, eine Versammlung anzumelden, wurden sie ebenfalls durch die Polizei gekesselt und Identitätsfeststellungsmaßnahmen unterzogen.

Wir fordern die umfassende und lückenlose Aufklärung der offensichtlich rechtswidrigen Repressionsmaßnahmen, die Leipzig am Wochenende des 2. bis 4. Juni 2023 in einen grundrechtsfreien Raum verwandelt haben, sowie die Feststellung der Verantwortlichen für das widerrechtliche Vorgehen.
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Interviewanfragen können über die Geschäftsstelle vermittelt werden:
030.417 235 55 / kontakt@rav.de

Pressemitteilung als PDF

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Pressemitteilung
news-967 Wed, 14 Jun 2023 07:35:52 +0200 "Regime Change? Die Justizreform in Israel und der Widerstand dagegen" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/regime-change-die-justizreform-in-israel-und-der-widerstand-dagegen-967 Vortrag von Prof. Dr. Eli Salzberger an der Humboldt-Uni Berlin am 19.6.23 und weitere Termine in HH, D'dorf, FFM Seit Ende 2022 hat Israel eine neue Regierung, die eine umfassende Veränderung des israelischen Staates anstrebt. Kritische Stimmen sprechen von „Regime Change“, einem „populistischen Verfassungsputsch“ oder sogar einem „Anschlag auf Israels Demokratie“. Im Zentrum der Kritik steht die sogenannte Justizreform, mit der die Macht des Höchsten Gerichts beschnitten werden soll, einem zentralen Akteur in der israelischen Demokratie. Es gilt als liberale Bastion und steht als solche schon länger im Fadenkreuz der israelischen Rechten.

Viele befürchten durch die Reform das Ende der Gewaltenteilung. Sie glauben, dass die Justizreform sicherstellen soll, dass die Regierung ihre restlichen Pläne ohne institutionellen Widerstand durchsetzen kann: Einschränkung der Rechte vor allem der arabischen Bevölkerung Israels, von Frauen und LSBTIQ, Beschneidung des Streikrechts und der Pressefreiheit sowie eine weitere Verschärfung der Besatzung der palästinensischen Gebiete bis hin zu deren Annexion – der neuen Regierung wären praktisch kaum Grenzen gesetzt.

Hiergegen hat sich ein umfassender Widerstand gebildet, der einmalig ist in der israelischen Geschichte: Woche für Woche gehen häufig mehr als hunderttausend Menschen auf die Straße. Unser Gast Eli Salzberger ist Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Haifa. Er ist Mitbegründer der „Koalition für Demokratie“, der mehr als 150 akademische Jurist:innen angehören, die sich seit Antritt der neuen Regierung gegen deren Pläne engagieren. Er wird über die aktuellen Pläne der neuen Regierung und den Widerstand auf der Straße und in der Wissenschaft berichten und im Anschluss mit uns diskutieren.

Vortrag und Diskussion auf Englisch.

19.06.2023 um 18 Uhr an der Humboldt-Universität zu Berlin
Juristische Fakultät, Saal 213

Einführung und Moderation: Prof. Dr. Florian Jeßberger

Eine Veranstaltungsreihe der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)

Im Kooperation mit:
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Rechtsanwaltskammer Berlin
akj an der Humboldt-Universität
akj an der Uni Frankfurt/M
Fachschaftsrat Rechtswissenschaft an der Uni Hamburg

Weitere Termine:
20.06. in Hamburg
22.06. in Düsseldorf
23.06. in Frankfurt/M

Veranstaltungsflyer

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Veranstaltungen
news-966 Mon, 12 Jun 2023 12:50:22 +0200 Humanitäre und historische Verantwortung übernehmen: Keine Abschiebungen von Roma*, keine Abschiebungen nach Moldau. Moldau ist kein sicheres Herkunftsland! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/humanitaere-und-historische-verantwortung-uebernehmen-keine-abschiebungen-von-roma-keine-abschiebungen-nach-moldau-moldau-ist-kein-sicheres-herkunftsland-966 Gemeinsamer offener Brief an Berlins Innensenatorin Iris Spranger, 12.6.23 Sehr geehrte Frau Senatorin Spranger,

wir wenden uns heute an Sie, weil wir die Abschiebepraxis des Landes Berlins – vor allem in die Republik Moldau und insbesondere von Roma* – nicht länger hinnehmen. Mit großer Sorge verfolgen wir zudem die Bestrebungen der Bundesregierung, Moldau zum sicheren Herkunftsstaat einzustufen.

Seit Ende des Winterabschiebestopps am 31.3.2023 erfolgen aus Berlin fast wöchentlich Sammelabschiebungen in die Republik Moldau, wobei das Vorgehen der Vollzugsbehörden immer vehementer und gewaltvoller wird. Häufig werden Charter mit Doppeldestination eingesetzt und neben Moldau auch Ziele in den Westbalkanstaaten angeflogen. Auch während des Wintermoratoriums wurden fast 50 Menschen von Berlin nach Moldau abgeschoben.

Familientrennungen und Abschiebung von schwer Kranken und Menschen mit Behinderung

Bei den Abschiebungen kommt es regelmäßig zu Trennungen von Familien. Auch Familien mit sehr kleinen Kindern und schwangere Frauen sind davon betroffen. Diesen schweren Eingriff in den Schutz der Familieneinheit und Missachtung des Kindeswohls beobachten wir in dieser Häufigkeit vor allem bei Abschiebungen in die Republik Moldau. Wir kritisieren dies scharf! Das Recht auf Familie und Schutz des Kindeswohls können nicht dadurch verwirkt werden, dass ein Elternteil ggf. straffällig geworden ist, sich zum Zeitpunkt der Abschiebung woanders aufhält oder einen anderen rechtlichen Status hat als der Rest der Familie.

Ebenso stellen wir fest, dass bei allen Sammelabschiebungen nach Moldau oder in die Westbalkanstaaten auch Erwachsene und Kinder abgeschoben werden, die an schweren Krankheiten leiden und/oder körperliche oder geistige Behinderungen haben, und die in ihren Herkunftsländern keinen ausreichenden Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Auch Frauen, die vor schwerster häuslicher Gewalt geflohen und traumatisiert sind, befinden sich regelmäßig unter den Abzuschiebenden.

Nach unserem Eindruck prüft das Landesamt für Einwanderung das Vorliegen humanitärer Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen könnten, nicht oder nur unzureichend.[1] Selbst bei Menschen mit schwersten Erkrankungen/Behinderungen wird lediglich die reine Reisetauglichkeit geprüft. Weil so viele schwer kranke Menschen abgeschoben werden, begleiten regelmäßig Ärzt:innen und Sanitäter:innen die Flüge.

Moldau ist kein sicheres Herkunftsland – vor allem nicht für Roma*

Die Republik Moldau, eines der wirtschaftlich ärmsten Länder Europas,[2] leidet massiv unter den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: Energie und Lebensmittelpreise sind explosionsartig gestiegen, sehr viele Geflüchtete aus der Ukraine müssen untergebracht und versorgt werden.[3] Die Situation für von Armut betroffene Menschen in Moldau hat sich durch die rapide gestiegene Inflation erheblich zugespitzt. Darüber hinaus sind Regierung und Gesellschaft in Moldau aktuell von Destabilisierungsversuchen seitens des russischen Regimes und seiner Anhänger*innen in Moldau und der Region Transnistrien betroffen. Russland hat Moldau mehrfach mit einer Invasion gedroht.[4]

Viele der aus Moldau und den Westbalkanstaaten nach Deutschland geflohenen Asylsuchenden sind Roma*. Es ist hinreichend bekannt, dass Roma* in der Republik Moldau ebenso wie in den Westbalkanstaaten teils schweren Diskriminierungen und seit Generationen bestehender Ausgrenzung in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgesetzt sind. Die tradierte gesellschaftliche Schlechterstellung der Roma* und der tief verwurzelte Antiziganismus in der Republik Moldau fußen auch in der 500 Jahre andauernden Versklavung von Roma* in den ehemaligen Fürstentümern Moldau und Walachei – dem Gebiet der heutigen Republik. Der Handel und Besitz von Roma* wurde erst 1855 untersagt.[5]

Viele Roma* in Moldau leben in existenzbedrohender Armut. Häufig werden Personenstandsurkunden nicht ausgestellt. Hinzu kommen unzureichender Schutz vor häuslicher Gewalt, mangelnder Zugang zu Krankenversorgung, Sozialhilfeleistungen, Schulbildung, Rechtsschutz, Wohnraum und gesicherten Arbeitsverhältnissen.[6] Durch die Corona-Pandemie sowie aktuell durch den kriegsbedingten Wegfall Russlands und der Ukraine als Ziele temporärer Erwerbsmigration hat sich ihre Situation weiter massiv verschlechtert.

Doch die mehrfach dokumentierte strukturelle Diskriminierung der Roma* in Moldau und in den Westbalkanstaaten findet weder Eingang in asylrechtlicher Hinsicht noch in humanitäre Abwägungen seitens des Landes Berlin.

 Europaweiter Genozid an Roma* zur Zeit der NS-Herrschaft

Im Nationalsozialismus wurden Roma* und Sinti* mit dem Ziel ihrer Auslöschung europaweit verfolgt und systematisch ermordet. Sie waren ebenso wie die jüdische Bevölkerung Opfer eines Genozids, was die Bundesregierung jedoch erst 1982 formal anerkannte.[7]

Deutschland hat gegenüber den Überlebenden und Nachfahren der Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Sinti* und Roma* eine besondere Verantwortung – auch gegenüber jenen, die aus ihren Herkunftsländern nach Deutschland fliehen!

Doch Berlin entledigt sich ihrer durch Abschiebung, statt ihnen Schutz, Entschädigung und Anerkennung für das zugefügte Leid in der Vergangenheit zu bieten. Der über Generationen andauernde Re-Traumatisierungsprozess der Nachfahrern der Opfer nationalsozialistischer Vernichtungsstrategien des 20. Jahrhunderts als auch derer, die aufgrund ihrer Roma*-Identität bis in das 19. Jahrhundert versklavt wurden, setzt sich dadurch bis in die Gegenwart fort.

Wir schließen uns der Unabhängigen Kommission Antiziganismus an, die in ihrem im Juli 2021 veröffentlichten Abschlussbericht schreibt:

„Mit Blick auf die praktische Anwendung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ist klarzustellen, dass die in Deutschland lebenden Rom_nja aus historischen und humanitären Gründen als eine besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen sind. Landesregierungen und Ausländerbehörden sind aufgefordert, die Praxis der Abschiebung von Rom_nja sofort zu beenden.“ [8]

Wir fordern einen Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik Berlins:

Die asyl- und ausländerrechtlich geforderten Atteste kann nur vorlegen, wer auch Zugang zu medizinischer Versorgung in Berlin hat. Die seit Herbst 2021 bestehende Praxis der bis zu sechs Monate verzögerten Ausstellung der Gesundheitskarte als Nachweis der Behandlungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist rechtlich und humanitär unhaltbar. Der Berliner Senat muss den unverzüglichen Zugang für alle Asylsuchenden in Berlin zu ärztlicher Versorgung sicherstellen.

Sehr geehrte Frau Spranger, wir appellieren an Sie: Bitte setzen Sie sich in Berlin wie auch bei der bevorstehenden Innenminister*innen-Konferenz für einen Richtungswechsel ein, hin zu einer auf Bleiberecht und Entschädigung ausgerichteten Politik gegenüber in Deutschland schutzsuchenden Roma*.

Mit freundlichen Grüßen

Die Erstunterzeichnenden

Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. | BARE Berlin – Bündnis gegen Antiziganismus und Roma*-Empowerment | BBZ – Beratungszentrum und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant*innen | Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen | Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. | Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. | Bundes Roma Verband e.V. | Fabrik Osloer Straße e.V. | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Frauenkreise / Space2groW | Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V. | Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V. | InterAktiv e.V. | interkular gGmbH | Jugendliche ohne Grenzen | JUMEN e.V. | Kampagne Bleiberecht für Alle – statt Chancenfalle! | KommMit – für Geflüchtete und Migrant:innen e.V. | Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. | Kulturen im Kiez e.V. | Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung (LAMA) der GEW Berlin | LARA e.V. Mobile Beratung für geflüchtete Frauen die sexualisierte oder häusliche Gewalt erlebt haben | Leah Carola Czollek, Leiterin des Instituts Social Justice und Radical Diversity | Mediterranea Berlin e.V. | MeG betreutes Wohnen gGmbH | Moabit hilft e.V. | Prof. Dr. Gudrun Perko, Professorin an der Fachhochschule Potsdam und Leiterin des Instituts Social, Justice und Radical Diversity | Reistrommel e.V. |Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) | Roma Center e.V./ Roma Antidiscrimination Network | RomaniPhen e.V. | Solidaritätsdienst International e.V. (SODI) |Sprungbrett Zukunft Berlin e.V. | terre des hommes Deutschland e.V.| Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V. | VIA Regionalverband Berlin/Brandenburg | Volkssolidarität Berlin e.V. | Willkommensbündnis für geflüchtete Menschen in Steglitz-Zehlendorf | XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V. | Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Kontakt: Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030 22476 311, buero@fluechtlingsrat-berlin.de

Fußnoten:

(1) Vgl. u.a. Interview in der taz vom 25.05.2023: https://taz.de/Umgang-mit-Roma-aus-Moldau/!5933465/
(2) Vgl. Information des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, www.bmz.de/de/laender/moldau/soziale-situation-107218
(3) Moldau, mit einer Gesamtbevölkerung von 2.3 Millionen Einwohner*innen hat ca. 107.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Eine mehrfache Zahl an Geflüchteten ist über Moldau nach Westeuropa geflohen, musste aber zunächst in Moldau versorgt werden, vgl. https://data.unhcr.org/en/situations/ukraine
(4) Siehe u.a. Reportage „Moldau – Ein Land im Schatten des Krieges“,  05.04.2023 in der ARD-Mediathek, www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/moldau-ein-land-im-schatten-des-krieges-100.html
(5) Vgl. „Als Roma-Sklaven wie Gegenstände verkauft wurden“, FAZ, 18.05.2023, www.faz.net/aktuell/politik/ausland/roma-sklaven-nachkommen-fordern-reparationen-von-der-kirche-18887391.html?GEPC=s3
[6] Vgl. Kristina Holzapfel, „Diskriminiert und abgelehnt: Rom*nja aus Moldau“, Hrsg. PRO ASYL und Flüchtlingsrat Berlin 2022, www.proasyl.de/news/diskriminiert-und-abgelehnt-romnja-aus-moldau/, zur Situation in Serbien u.a. Minority rights Group Europe (Hrsg:): „Roma in the Republic of Serbia: The Challenges of Discrimination“, 2021: https://minorityrights.org/publications/roma-serbia/
[7] Exemplarisch für die systematische Tötung von Sinti* und Roma* im nationalsozialistischen Europa ist das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu nennen, in welches gezielt Sinti* und Roma* deportiert, interniert und ermordet wurden.
[8] BMI (Hrsg.): „Perspektivwechsel. Nachholende Gerechtigkeit. Partizipation.“ Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, 2021, S. 16, www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/07/kommission-antiziganismus.html

Der offene Brief als PDF

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-949 Tue, 06 Jun 2023 08:00:00 +0200 Das Recht auf Schutz darf nicht abgeschafft werden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-recht-auf-schutz-darf-nicht-abgeschafft-werden-949 Offener Brief von Rechtsanwält*innen und Jurist*innen, 26.5.23 Das Recht auf Schutz darf nicht abgeschafft werden
Dem rechten Diskurs mit einer Politik der Menschenrechte entgegentreten

Offener Brief von Rechtsanwält*innen und Jurist*innen

An
die Mitglieder der Bundesregierung
die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
die Ministerpräsident*innen der Bundesländer

Freitag, 26.05.2023

Wir stehen in diesen Tagen vor den massivsten Verschärfungen des Flüchtlingsrechts seit Jahrzehnten. Es erfolgt ein Paradigmenwechsel. Die Bundesregierung will das Asylverfahren demontieren und zu einem Schnellverfahren an den Außengrenzen machen.  Mit der Fiktion der Nicht-Einreise wird ein Zustand der Rechtslosigkeit statuiert. Dies wird mit der Einrichtung von Internierungslagern einhergehen. Flankierend dazu sollen auf nationaler Ebene Ausreisezentren geschaffen, Abschiebehaft ausgeweitet, die Liste sicherer Herkunftsstaaten verlängert und die Möglichkeiten des polizeilichen Zutritts zu Unterkünften zur Durchführung von Abschiebungen ausgebaut werden.

Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag in der Migrationspolitik einen „Paradigmenwechsel“ – in entgegengesetzter Richtung – angekündigt, „um Geflüchtete zu schützen“, und verabredet, sich für „bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren“ auf europäischer Ebene einzusetzen.

Nun betreibt sie eine Politik der Abschottung, in der die Menschen und ihre Rechte keinen Platz in den veröffentlichten Beschlüssen und Statements haben. Die von der Bundesregierung forcierten Änderungen auf nationaler und europäischer Ebene sind nicht nur eine der weiteren x-beliebigen Verschärfungen des Asylrechts – sie stellen das Recht von Geflüchteten, sie stellen den Rechtsstaat als solchen in Frage.

Diese Politik wird keiner Kommune helfen, die Wohnraum und Infrastruktur benötigt. Diese Politik wird keiner und keinem der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen vor Ort helfen, die sich derzeit vor Ort mit aller Kraft einsetzen, um Geflüchtete aus der Ukraine oder Afghanistan beim Ankommen zu unterstützen.

Diese Politik wird die Entrechtung und das Leid an den europäischen Außengrenzen eskalieren. Sie macht die Ausgrenzung von Geflüchteten in Deutschland und deren Inhaftierung und Abschiebung zu ihrem Markenkern. Statt ernsthaft Fluchtursachen zu bekämpfen, werden die Schutzsuchenden zum Problem erklärt.  

Statt an dieser Spirale mitzudrehen, muss dem rechten Diskurs eine Politik der Menschenrechte entgegensetzt werden. Anstatt das Asylrecht faktisch abzuschaffen, müssen der Zugang zum Recht und ein effektives Flüchtlingsrecht gewährleistet werden.

Konkret fordern wir:

Das aus den Lehren des Nationalsozialismus geborene Flüchtlingsrecht ist kein hehrer Grundsatz. Es geht um ein fundamentales Menschenrecht, das mit einem effektiven Verfahren flankiert werden muss. Schutzansprüche und Verfahrensrechte haben verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rang. Wir fordern die Bundesregierung und die verantwortlichen Politiker*innen auf, sich auf Verfassung und Menschenrechte zu besinnen, anstatt in einer aufgeladenen Debatte tragende Grundpfeiler des Rechtsstaates über Bord zu werfen. 

Ansprechpartner*innen:

Rechtsanwältin Berenice Böhlo, boehlo [at] aufenthaltundsoziales.de
Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert, lehnert [at] aufenthaltsrecht.net

Der Offene Brief als PDF

Unterzeichner*innen des offenen Briefes

1) Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, Berlin
2) Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, Leipzig/Berlin
3) Ünal Zeran, Rechtsanwalt, Hamburg
4) Kim Marie Horstmann, Rechtsanwältin, Bonn
5) Lena Ronte, Rechtsanwältin, Frankfurt 
6) Matija Vorih, Rechtsanwalt, Berlin 
7) Mahsheed Momen, Rechtsanwältin, Wiesbaden
8) Dominique Köstens, Rechtsanwältin, Bremen
9) Yunus Ziyal, Rechtsanwalt, Nürnberg
10) Carsten Ilius, Rechtsanwalt, Berlin
11) Alexander Gorski, Rechtsanwalt, Berlin
12) Felix Briesenick, Rechtsanwalt, Nürnberg
13) Sebastian Röder, Rechtsanwalt, Singen
14) Inigo Valdenebro, Rechtsanwalt, Berlin
15) Gisela Seidler, Rechtsanwältin, München  
16 ) Suraia Sabah-Turkmany, Rechtsanwältin, Hamburg
17) Petra Isabel Schlagenhauf, Rechtsanwältin, Berlin
18) Fiona Macdonald, Rechtsanwältin, Berlin
19) Hannah Fleck, Rechtsanwältin, Bad Bentheim
20) Friedrich Sauerbier, Rechtsanwalt, Berlin
21) Julian Stöckl, Rechtsanwalt, München
22) Thorsten Müller, Rechtsanwalt, Bremen
23) Peter Holzschuher, Rechtsanwalt, Nürnberg
24) Antonella Giamattei, Rechtsanwältin, München
25) Jean-Claude Schöninger, Rechtsanwält, Lahr
26) Volker Gerloff, Rechtsanwalt, Berlin
27) Iris Ludwig, Rechtsanwältin, München
28) Gabriele Heinecke, Rechtsanwältin, Hamburg
29) Christina Clemm, Rechtsanwältin, Berlin
30) Inken Stern, Rechtsanwältin, Berlin
31) Michael Brenner, Rechtsanwalt, Nürnberg
32) Waltraut Verleih, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
33) Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, Berlin
34) Michaela Staufer, Rechtsanwältin, Landau
35) Julia Röhrbein, Rechtsanwältin, Leipzig
36) Robin Michalke, Rechtsanwalt, Leipzig
37) Kamiar Ehsani, Rechtsanwalt, Kirchheim/Teck
38) Thomas Voges, Rechtsanwalt, Leipzig
39) Gerhard Howe, Rechtsanwalt, Berlin
40) Thomas Stöckl, Rechtsanwalt, Leipzig
41 ) Renate Ebrahaim, Rechtsanwältin, Berlin
42) Katharina Fröbel, Rechtsanwältin , Berlin
43) Thomas Moritz, Rechtsanwalt, Berlin
44) Daniel Schmidt-Blümel, Rechtsanwalt , München 
45) Annette Jansen, Rechtsanwältin, Berlin
46) Raik Höfler, Rechtsanwalt, Leipzig
47) Berenike Klapper, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
48) Shirin Fragner, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
49) Dr. Marco Bruns, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
50) Federico Traine, Rechtsanwalt Berlin
51) Marina Link, Rechtsanwältin, Berlin
52) Julius Engel, Rechtsanwalt, Berlin
53) Linh Steffen, Rechtsanwältin, Berlin
54) Lena Stehle, Rechtsanwältin Berlin
55) Simon Hagemann, Rechtsanwalt, Göttingen
56) Joachim Schürkens, Rechtsanwalt, Schweinfurt 
57) David Hölscher, Rechtsanwalt, Berlin
58) Christina Isbrandt, Rechtsanwältin, Bielefeld
59) Dr. Jonathan Leuschner, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
60) Florian Weitkamp, ​​Rechtsanwalt, Berlin
61) Lorenz Haase, Rechtsanwalt, München
62) Miriam Frieding, Rechtsanwältin, Berlin
63) Ronska Grimm, Rechtsanwälte , Berlin 
64) Isabel Antz, Rechtsanwältin, Chemnitz
65) Gilda Schönberg, Rechtsanwältin, Berlin   
66) Yaşar Ohle, Rechtsanwalt, Berlin
67) Andreas Eibelshäuser, Rechtsreferendar, Berlin
68) Ursula Groos, Rechtsanwältin, Berlin
69) Lea Voigt, Rechtsanwältin, Bremen
70) Yasemin Kostik, Rechtsanwältin, Hamburg
71) Dr. Saber Meglalu, Rechtsanwalt, Bremen
72) Ralph Monneck, Rechtsanwalt, Berlin
73) Carolin Helmecke, Rechtsanwältin, Dresden
74) Jeanette Höpping, Rechtsanwältin , Berlin
75) Dr. Annabelle Voßberg, Rechtsanwältin , Frankfurt am Main
76 ) Regina Götz, Rechtsanwältin Berlin
77) Junis Mustafa, Rechtsanwalt, Osnabrück
78) Bernd Vetter, Rechtsanwalt, Hamburg 
79) Undine Weyers, Rechtsanwältin , Berlin 
80) Katrin Brockmann, Rechtsanwältin, Berlin
81) Henning Meier, Rechtsanwalt, Köln
82) Christian Mucha, Rechtsanwalt, Leipzig
83) Joachim Schaller, Rechtsanwalt, Hamburg
84) Heiko Habbe, Rechtsanwalt, Hamburg
85) Stephanie Otrakci, Rechtsanwältin, Hannover
86) Katrin Hildebrandt, Rechts7anwältin, Rostock
87) Katja Herrlich, Rechtsanwältin, Frankfurt (Oder)
88) Julia Schulze Buxloh, Rechtsanwältin, Köln
89) Dagmar Schnürer, Rechtsanwältin, Berlin
90) Marc Meyer, Rechtsanwalt, Hamburg
91) Kathrin Kuhn, Rechtsanwältin, München
92) Dr. Mark Swatek, Rechtsanwalt , Berlin
93) Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
94) Antonia Plettenberg, Rechtsanwältin (Syndicusrechtsanwältin), Münster
95) Viktor Riad, Rechtsanwalt, Berlin
96) Anne Nitschke, Rechtsanwältin, Dresden
97) Wolfgang Berendsohn, Rechtsanwalt, Hamburg
98) Oliver Wolf, Rechtsanwalt, Berlin
99) Ulrike Köllner, Rechtsanwältin, München
100) Anna Magdalena Busl, Rechtsanwältin, Bonn 
101) Dr. Dr. Maximilian Pichl, Universität Kassel 
102) Florian van Bracht, Rechtsanwalt, München
103) Dr. Hanswerner Odendahl, Rechtsanwalt, Köln
104) Maria Kalin, Rechtsanwältin, Ulm 
105) Simone Rapp. Rechtsanwältin, Berlin
106) Johannes Palm, Rechtsanwalt, Dortmund
107) Harald Klinke, Rechtsanwalt, Bonn
108) Stephanie Jörs, Rechtsanwältin, Lübeck
109) Markus Morische, Rechtsanwalt, Cuxhaven
110) Sophie Dittmeyer, Rechtsanwältin, Köln 
111) Diana Blum, Rechtsanwältin, Berlin
112) Teresa Amigo, Rechtsanwältin, Berlin
113) Friedhelm Koch, Rechtsanwalt, Potsdam
114) Dersim Coskun, Rechtsanwalt, Köln
115) Jele Coskun, Rechtsanwalt, Köln
116) Baki Coskun, Rechtsanwalt, Düsseldorf
117) Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin, Berlin
118) Nadine Arndt, Rechtsanwältin, Berlin
119) Dr. Sven-U. Burkhardt, Rechtsanwalt, Dortmund 
120) Christoph Tometten, LL.M. (Köln/Paris 1), Rechtsanwalt, Berlin
121) Patricia Stelzer, Rechtsanwältin, Düsseldorf
122) Anja Lederer,  Rechtsanwältin, Berlin
123) Barbara Wessel, Rechtsanwältin, Berlin
124) Cana Mungan, Rechtsanwältin, Berlin
125) Antonio Leonhardt, Rechtsanwalt, Berlin
126) Susanne Müller, Rechtsanwältin, Tellingstedt
127) Felix Dengler, Rechtsassessor, Köln
128) Jan Sürig, Rechtsanwalt, Bremen
129) Ahmed Abed, Rechtsanwalt, Berlin
130) Andreas Groß, Rechtsanwalt, Wiesbaden
131) Ilka Quirling, Rechtsanwält:in, Hamburg 
132) Victor Pfaff, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
133) Dr. Jan Benjamin Daniels, Rechtsanwalt, Bonn
134) Jürgen Westerath, Rechtsanwalt, Mönchengladbach
135) Annette Fölster, Rechtsanwältin, Berlin
136) Florian Robbert, Rechtsanwalt, Berlin
137) Ianka Pigors, Rechtsanwältin Hamburg
138) Stephan Urbach, Rechtsanwalt, Essen 
139) Regine Schönleber, Rechtsanwältin, Berlin
140) Yasemin Akgün-Tasci, Hamburg
141) Soraya Sharifi-Aghaei, Rechtsanwältin, Hamburg
142) Thomas Korn, Rechtsanwalt, Berlin
143) Nicolai Schneider, Rechtsanwalt, Hamburg
144) Anke Thiesing-Rieck, Rechtsanwältin, Hamburg
145) Ozan Atas, Rechtsanwalt, Mönchengladbach 
146) Fabian Rust, Rechtsanwalt, Bremen
147) Andreas Günzler, Rechtsanwalt, Berlin
148) Helmut Bäcker, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
149) Michael Werner, Rechtsanwalt, Erlangen
150) Franziska Andrae, Rechtsanwältin, Lübeck 
151) Katrin Niedenthal, Rechtsanwältin, Bielefeld
152) Marten Kaspar, Rechtsanwalt, Berlin
153) Henrik Solf, Rechtsanwalt, Berlin
154) Nora Ebeling, Rechtsanwältin, Berlin
155) Iñigo Schmitt-Reinholtz, Rechtsanwalt, Nürnberg
156) Peter Knitsch, Rechtsanwalt, Staatssekretär a.D., Erkrath
157) Franziska Andrae,  Rechtsanwältin, Lübeck
158) Eberhard Kunz, Rechtsanwalt, Wiesbaden
159) Stephan Kuhn, Rechtsanwalt Frankfurt
160) Lukas Sunnus, Rechtsanwalt, Berlin
161) Claudia Reichel, Rechtsanwältin, Nürnberg
162) Jenny Fleischer, Rechtsanwältin, Berlin
163) Claire Deery, Rechtsanwältin, Göttingen
164) Peter Fahlbusch, Rechtsanwalt, Hannover
165) Ulrich Wittmann, Rechtsanwalt, Hamburg
166) Axel Selbert, Rechtsanwalt, Kassel
167) Bilal Alkatout, Rechtsanwalt, Berlin
168) Christian Woldmann, Rechtsanwalt, Hamburg
169) Catrin Hirte-Piel, Rechtsanwältin, Bielefeld
170) Christoph Köhler, Rechtsanwalt, Leipzig
171) Katrin Inga Kirstein, Rechtsanwältin, Hamburg
172) Marie Krannich, Rechtsanwältin, Göttingen
173) Markus Prottung, Rechtsanwalt, Hamburg
174) Paulo Dias, Rechtsanwalt, Hannover
175) Magdalena Gajczyk, Rechtsanwältin, Minden
176) Dr. Sabine Mock, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
177) Jan Kurtz, Rechtsanwalt, Kiel
178) Katharina Gruber, Rechtsanwältin, Hamburg
179) Conrad Zimmer, Rechtsanwalt, Berlin
180) Ralf Fischer, Rechtsanwalt, Berlin
181) Wiebke Judith, Juristin und rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL
182) Michael Heinz, Rechtsanwalt, Hamburg
183) Mark Nerlinger, Rechtsanwalt, Hamburg
184) Giannina Mangold, Rechtsanwältin, Nürnberg
185) Klaus Piening, Rechtsanwalt a.D., Hamburg
186) Zahra Oubensalh, Rechtsanwältin, Hannover 
187) Dr. Robert Brockhaus, Rechtsanwalt, Berlin
188) Jens Dieckmann, Rechtsanwalt, Bonn
189) Sophie Baumann, Rechtsanwältin, Berlin
190) Nasrin Karimi, Rechtsanwältin, Berlin
191) Finn Pietruschka, Rechtsanwalt Berlin 
192) Dr. Jannik Rienhoff, Rechtsanwalt, Marburg
193) Werner Kannenberg, Jurist/Beamter, Berlin
194) Christian Mertens, Rechtsanwalt, Köln
195) Rolf Stahmann, Rechtsanwalt, Berlin
196) Malte Engeler, Richter am Verwaltungsgericht und Mitglied der Neuen Richtervereinigung e.V. , Berlin
197) Adrian Furtwängler, Rechtsanwalt, Berlin
198) Elisa Costadura, Juristin bei IRAP, Berlin
199) Philipp Stagnier, Rechtsanwalt, Köln
200) Stephan Schneider, Rechtsanwalt, Berlin
201) Ulrich Schönweiß. Rechtsanwalt, Nürnberg 
202) Albert Lohmann, VorsRi am VG iR, Mitglied der Neuen Richtervereinigung, Bochum 
203) Silke Born-Gotta, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
204) Astrid Meyerhöfer, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
205) Joona Nissinen, Rechtsanwalt, Hamburg
206) Werner Seufert, Rechtsanwalt, Karlsruhe 
207) Katrin Kohoutek, Richterin und Mitglied der Neuen Richtervereinigung e.V., Hamburg
208) Björn Stehn, Rechtsanwalt, Hamburg
209) Udo Sürer, Rechtsanwalt, Lindau (Bodensee)
210) Wilfried Hamm, Richter a.D. und Mitglied der Neuen Richtervereinigung
211) Matthias Wisbar, Rechtsanwalt, Hamburg
212) Katrin Angelos, Rechtsanwältin, Berlin 
213) Luisa Hammer, Rechtsassesorin/Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Frankfurt am Main
214) Michaela Ecker, Richterin a.D. und Mitglied der Neuen Richtervereinigung  e.V., Freiamt 
215) Konrad Kramer, Verwaltungsrichter a.D. und Mitglied der Neuen Richtervereinigung
216) Dr. Christian Schliemann Radbruch (ECCHR), Berlin
217) Bijan Moini, Rechtsanwalt, Berlin
218) Doreen Lindner, Ass.jur., VDJ Bundesvorstand
219) Matthias Nübold, Rechtsanwalt, Berlin
220) Jonas Deyda, Jurist und Doktorand, Leipzig
221) Gwendolin Buddeberg, Rechtsanwältin, München 
222) Anne Kling, Juristin, Berlin
223) Dr. Christiane Rädel, Rechtsanwältin, Berlin
224) Klemens Tönges, Rechtsanwalt, Oldenburg
225) Thomas Oberhäuser, Rechtsanwalt, Ulm
226) Marianne Krause, Richterin, Mitglied der Neuen Richtervereinigung 
227) Ulrich Karpenstein, Rechtsanwalt, Berlin
228) Ulrich Kraft, Rechtsanwalt, Berlin
229) Sonja Benning, Rechtsanwältin, Berlin
230) Marcel Keienborg, Rechtsanwalt, Düsseldorf
231) Sophia Eckert, Juristin und Referentin für Flucht und Migration bei terre des hommes
232) Benjamin Hersch, Rechtsanwalt, Berlin
233) Michael Mai, Rechtsanwalt, Berlin
234) Carola Handwerg, Rechtsanwältin, Berlin
235) Simone Böhne, Rechtsanwältin, Greifswald
236) Jana Siebeck, Rechtsanwältin, Berlin
237) Saskia Piotrowski, Rechtsanwältin, Köln
238) Michael Hiemann, Rechtsanwalt, Arnstadt
239) Karen Chautard, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
240) Karolin Klempin, Rechtsanwältin, Lübeck
241) Dieter Kierzynowski, Rechtsanwalt, Berlin
242) Canan Bayram, Rechtsanwältin, Berlin 
243) Mirco Beth, Rechtsanwalt, Hamburg
244) Frauke Helmich, Rechtsanwältin, Westerkappeln
245) Behnaz H. Ronasi, Rechtsanwältin, Berlin
246) Lara Gaber, Rechtsanwältin, Köln
247) Shehbaz Khan, Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
248) Sarah Schwegler, Rechtsanwältin, Reutlingen 
249) Csilla Ivanyi, Rechtsanwältin, Berlin
250) Harald Genz-Kuna, Rechtsanwalt, Berlin
251) Steven-Marc Jefferys, Rechtsanwalt, Berlin
252) Gabriel Goritzka, Rechtsanwalt, Bremen
253) Berndt Hintzelmann, Rechtsanwalt, Berlin
254) Pauline Heim, Rechtsanwältin, Berlin
255) Britta Lüers, Rechtsanwältin, Berlin
256) Katharina Kraft, Berlin
257) Susanne Schröder, Rechtsanwältin, Hannnover
258) Oskar Hahn, Rechtsanwalt, Villingen-Schwenningen
259) Esther Kleideiter, Rechtsanwältin, Berlin
260) Christian Borschberg, Rechtsanwalt, Heidelberg
261) Birgit Landgraf, Rechtsanwältin, Bochum
262) Eike Richter, Rechtsanwalt, Berlin
263) David Werdermann, Rechtsanwalt, Berlin
264) Insa Graefe, Rechtsanwältin, Hamburg
265) Hanna Henning Rechtsanwältin aus Hungen
266) Rita Belter, Rechtsanwältin, Leipzig
267) Alexander Paetow, Rechtsanwalt, Berlin
268) Agnes Krol, Rechtsanwältin, Frankfurt
269) Roman Fränkel, Rechtsanwalt, Frankfurt 
270) Anya Lean, Juristin, Berlin
271) Julius Becker, Rechtsanwalt, Berlin
272) Jutta Bärthel, Rechtsanwältin, Hamburg
273) Milan Martín, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
274) David Simon Nelle, Abiturient, Berlin 
275) Christoph Unrath, Rechtsanwalt, München*
276) Clara Bünger, Volljuristin, Berlin
277) Oda Jentsch, Rechtsanwältin, Berlin
278) Caroline von Wedel-Parlow, Rechtsanwältin Berlin
279) Irene Lehmann, Rechtsanwältin, Frankfurt
280) Maik Elster, Rechtsanwalt, Jena
281) Jan Plischke, Rechtsanwalt, Linden
282) Manfred Weidmann, Rechtsanwalt, Tübingen
283) Anna Larissa Faust, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
284) Sven Adam, Rechtsanwalt, Göttingen
285) Christina Koch, Rechtsanwältin, Berlin
286) Sebastian Pukrop, Rechtsanwalt, Berlin
287) Abdul R. Issa, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
288) Arne Semsrott, Projektleiter FragDenStaat, Berlin
289) Cornelia Theel, Rechtsanwältin, Hamburg
290) Dr. Andreas Engelmann, Rechtsanwalt und Bundessekretär der VDJ, Frankfurt
291) Ingrid Meinecke, VRinVG und Mitglied der NRV e.V., Potsdam
292) Imeke de Weldige, Rechtsanwältin Berlin
293) Nazifa Wardak, Rechtsanwältin, Hamburg
294) Ursula Wens, Rechtsanwältin Hamburg
295) Vivian Kube, Rechtsanwältin, Berlin 
296) Dr. Frank Bleckmann, VRiLG, Neue Richtervereinigung
297) Markus Zöbelein, Rechtsanwalt, Wiesmoor
298) Ulrich Engelfried, Dozent u. Autor, Mitglied der NRV Hamburg
299) Heribert Golumbeck, Rechtsanwalt, Dortmund
300) Manfred Alex, Rechtsanwalt, Hamburg
301) Saadet Dindar, Rechtsanwältin, Bonn
302) Katrin Lehmann, Vors.Ri HessVGH a.D., Mitglied NRV Hessen
303) Roland Meister, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
304) Yener Sözen, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
305) Seyhan Gökkaya, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
306) Stefan Wiesinger, Rechtsanwalt, München 
307) Ferdinand Georgen, Richter am VG aD, Wiesbaden
308) Aisha Irshad, Rechtsanwältin Hamburg 
309) Marcus Lippe, Rechtsanwalt, Berlin
310) Alexander Wilhelm, Rechtsanwalt, Augsburg
311) Andrea Würdinger, Juristin, Referentin für Asyl-und Migrationsrecht
312) Christopher Liebig, Rechtsanwalt, Bochum
313) Till Kopplow, Rechtanwalt, Wiesbaden
314) Angela Zaschka, MA Soz.manag. Asylzentrum Tübingen e.V.
315) Eman Abou-Daher, Flüchtlingsberatung Asylzentrum Tübingen e.V.
316) Anna Krug, Rechtsanwältin, Kassel
317) Rudolf Jakobi-Jeutter, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
318) Günter Jung, Richter a.D. und Flüchtlingsberatung Reutlingen
319 Frank Stierlin, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
320) Christine Hoffmann, Rechtsanwältin, Bamberg
321) Laura Klaffus, Rechtsanwältin, Rostock
322) Dana Pietsch, Sozialberaterin, Ethnologin Asylzentrum Tübingen e.V.
323) Alexander Dauch, Rechtsanwalt, Grünstadt
324) Samuel Kupffer, Rechtsanwalt, Heidelberg
325) Ulrike Horstmann, Rechtsanwältin, Hamburg
326) Hagen Richter, Rechtsanwalt, Berlin
327) Luci Crone, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
328) Farhad Bahlol, Rechtsanwalt, Bremen
329) Franz Auer, Rechtsanwalt, Deuerling
330) Hans Kölfen, Rechtsanwalt, Berlin
331) Anna Münzner, Rechtsanwältin, Berlin
332) Dr. Franz Bethäuser, Rechtsanwalt, München 
333) Julian Hölzel, Rechtsanwalt, Berlin
334) Teresa Quadt, Juristin/Doktorandin, Berlin
335) Fritz Maier, Rechtsanwalt, München
336) Marcel Kasprzyk, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
337) Canem Stocker-Latour, Rechtsanwältin, Frankfurt 
338) Michael Oberwinder, Rechtsanwalt, Frankfurt 
339) Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin, Dresden
340) Theda Giencke, Rechtsanwältin, Berlin
341) Josephine Koberling, Rechtsanwältin, Berlin
342) Julia Bailey, Rechtsanwältin, Erlangen
343) Doris Appel-Hamm, Richterin a.D., Bonn, Neue Richtervereinigung
344) Ulrich v. Klinggräff, Rechtsanwalt,  Berlin
345) Eberhard Reinecke, Rechtsanwalt, Köln
346) Barbara Wilsing, Rechtsanwältin, Gießen
347) Philipp Schönberger, Jurist, Berlin
348) Daniel Marquard,  Rechtsanwalt, Hamburg
349) Ko Watari, Rechtsanwältin, Hamburg
350) Thomas  Frede, Rechtsanwalt,  Leverkusen 
351) Matthias Schister, Rechtsanwalt, Berlin
352) Hubert Heinhold,Rechtsanwalt,München
353) Christof Momberger, Rechtsanwalt, Friedberg
354) Ludwig Müller-Volck, Rechtsanwalt, Frankfurt
355) Karl Krützmann Verwaltungsrichter i. R. Köln 
356) Dr. Ralf Ritter, Rechtsanwalt, Hamburg
357) Simon Welzel, Rechtsanwalt, Bremen
358) Prof. (Yeditepe Univ. Istanbul) Dr. Rolf Gutmann, Rechtsanwalt, Schorndorf
359) Anna Frölich, Rechtsanwältin, München
360) Hubert Heinhold, Rechtsanwalt, München
361) Mathes Breuer, Rechtsanwalt München
362) Thomas Hessel, Rechtsanwalt, München
363) Dirk Asche, Rechtsanwalt, München
364) Annemarie Gaugel, Rechtsanwältin, München
365) Hartmut Wächtler, Rechtsanwalt, München
366) Lorenz Haase, Rechtsanwalt, München
367) Sherly Huth, Rechtsanwältin, München
368) Katharina Camerer, Rechtsanwältin, München
369) Robert Pfeiffer, Rechtsassessor, München
370) Lorenz Funk, Rechtsanwalt, Berlin
371) Sandra Göke, Rechtsanwältin, Crailsheim
372) Arne Dahm, Rechtsanwalt, Hamburg
373) Arzu Kazak, Rechtsanwältin, Heidelberg
374) Enno Jäger, Rechtsanwalt, Hamburg
375) Thomas Jung, Rechtsbeistand, Stuttgart
376) Gudrun Weckmann-Lautsch, Rechtsanwältin, Esslingen a.N.
377) Bettina Feix , Rechtsanwältin, Bad Wörishofen
378) Jens Neubert, Neue Richtervereinigung e.V., Hamburg
379) Tobias Krenzel, Rechtsanwalt, Berlin
380) Ernst Dietzfelbinger,  Rechtsanwalt, Calw
381) Ursula Damson-Asadollah, Rechtsanwältin, Stuttgart
382) Fiona Wiera, Rechtsanwältin, Remscheid
383) Irene Kohlmann, Rechtsanwältin, Berlin
384) Elvin Jabrayil, LL.M. Eur., Rechtsanwalt, Blankenheim
385) Julia Kraft, Rechtsanwältin, Berlin
386) Sabine Ziesemer, Juristin, Schwerin
387) Prof. Dr. Christine Graebsch, Hochschullehrerin, Dortmund
388) Katrin Reichel, Rechtsanwältin, Rostock
389) Luisa Roßnagel, Richterin AG, NRV
390) Sarah Johnecke, Rechtsanwältin, Köln
391) Dr. Dominique Schimmel, Referentin BTV, Berlin 
392) Cornelia Ganten-Lange, Rechtsanwältin, Hamburg
393) Erna Hepp, Rechtsanwältin in Hamburg
394) Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt, Bremen
395) Luxcy Alex Lambert, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
396) Petra Siegers, Rechtsanwältin, Wiesloch
397) Harald Schandl, Rechtsanwalt,  Freiburg
398) Jasmina Trogrlic, Rechtsanwältin, Aachen 
399) Natascha Raquet, Rechtsanwältin, Stuttgart
400) Volker Schmidt, Rechtsanwalt, Stuttgart
401) Ingvild Geyer-Stadie, Rechtsanwältin, München
402) Herbert Bolk, Richter i.R., Bad Schwartau
403) Gerd Nies, ehem. Rechtsanwalt, Gewerkschafter i.R., München
404) Florian Haas, Rechtsanwalt, Starnberg
405) Rüdiger Jung, Rechtsanwalt a.D., Berlin 
406) Tanja Keller, Ri'in am ArbG, Regensburg
407) Felix Beise, Rechtsanwalt, München
408) Ulrike Birzer, Rechtsanwältin, Berlin
409) Joachim Genge, Rechtsanwalt, Berlin
410) Heike Geisweid , Rechtsanwältin, Bochum
411) Constanze Zander-Böhm, Rechtsanwältin, Hamburg
412) Holger Rothbauer
413) Lena Babic, Rechtsanwältin, Mannheim
414) Stefan Gräbner, Rechtsanwalt, Berlin
415) Marie Ellersiek, Rechtsanwältin, Berlin
416) Jesús Valdés Reyes, Rechtsanwalt, Offenburg
417) Raphael Thomas, Rechtsanwalt, Berlin
418) Angela Furmaniak, Rechtsanwältin, Lörrach 
419) Reiner Hartdorf, Rechtsanwalt, Warendorf
420) Fenna Busmann, Rechtsanwältin, Hamburg
421) Lena Koch, Rechtsanwältin, Hamburg
422) Petra Ladenburger, Rechtsanwältin, Köln
423) Alexandra Braun, Rechtsanwältin, Marburg 
424) Verina Speckin, Rechtsanwältin. Rostock
425) Sabine Tittus, Rechtsanwältin, Nürnberg
426) Nakibe Ademi, Rechtsanwältin, Hamburg 
427) Elias Hanna, Rechtsanwalt, Bremen
428) Ronja Ullrich, Rechtsanwältin, Bad Oldesloe 
429) Dirk Weise, Rechtsanwalt,  Weil der Stadt
430) Anette Schmidt, Rechtsanwältin, Hamburg
431) Christine Siegrot, Rechtsanwältin, Hamburg 
432) Christian Reischl, Rechtsanwalt, Köln
433) marianne kunisch rechtsanwältin münchen
434) Patrick Wischmann, Rechtsanwalt, Hannover
435) Alexander Hoffmann. Rechtsanwalt, Kiel/Leipzig 
436) Tim King, Rechtsanwalt, München 
437) Dr. Wolf Molkentin, Rechtsanwalt, Kiel
438) Hannah Rainer, Rechtsreferendarin, Berlin
439) Dr. Jonathan Burmeister, Rechtsanwalt, Berlin
440) Felicitas Selig, Rechtsanwältin
441) Gesa Israel, Rechtsanwältin, Dresden
442) Reinhard Bauer, Rechtsanwalt (bis 2015) Köln
443) Reinhold Niemerg, Rechtsanwalt, Berlin 
444) Michal Armbruster, Rechtsanwältin, Freiburg
445) Carsten Oestmann, Rechtsanwalt, Ludwigsburg
446) Friedrich Schikora, Rechtsanwalt, München 
447) Johannes Santen, Rechtsanwalt, Hamburg
448) Handan Ceylan, Rechtsanwältin, Berlin 
449) Mark Feilitzsch, Rechtsanwalt, Dresden
450) Felicitas Kohler, Rechtsanwältin, Dachau
451) Antonia von der Behrens, Rechtsanwältin, Berlin 
452) Marta Spichal, Rechtsanwältin, Berlin
453) Berthold Fresenius, Rechtsanwalt, Frankfurt
454) Dr. Bian Sukrow, Leitung der Law Clinic an der Bucerius Law School, Hamburg
455) Michael Koch, Rechtsanwalt, Würzburg
456) Christiane Koch, Rechtsanwältin, Würzburg 
466) Johannes Hentschel, Rechtsanwalt, Göttingen
467) Prof. Dr. Dorothee Frings, iR, Köln
468) Anna Liora Boyn, Rechtsanwältin, Hamburg 
469) Lino Miguel Peters, Rechtsanwalt, Hamburg
470) Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa, Rechtsanwältin
471) Prof. Dr. Frederik v. Harbou, Hochschullehrer, Ernst-Abbe-Hochschule Jena
472) Volker Fritze, Rechtsanwalt, Bonn
473) Stephen Helmes, Rechtsanwalt, Waldshut-Tiengen
474) Sebastian Baunack, Rechtsanwalt, Berlin
475) Ulrich Stege, Rechtsanwalt und Dozent, Turin (Italien)
476) Rhea Nachtigall, Doktorandin, Justus-Liebig-Universität Gießen 
477) Prof. Dr. Nora Markard, Professorin, Universität Münster
478) René Bahns, Rechtsanwalt , Frankfurt
479) Christian Möhlenbeck, Radebeul
480) Sarah Lincoln, Rechtsanwältin, Berlin
481) Pia Storf, Doktorandin/ wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Münster 
482) Dr. Simon Herker, Rechtsreferendar, Berlin
483) Michael Hummel, Rechtsanwalt, Baden-Baden
484) Helga Rauh, Rechtsanwältin, Nürnberg
485) Susanne Giesler, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
486) Dr. Helene Heuser, Juristin, Hamburg
487) Claudia Lind, Rechtsanwältin, Berlin
488) Ernst Okolisan, Rechtsanwalt, Nürtingen
489) Gülcin Güven, Rechtsanwältin, Berlin
490) Heinrich Comes, Rechtsanwalt, Köln
491) Juliane Linke, Rechtsanwältin, Berlin
492) Charlotte Posch, Juristin, Berlin
493) Philip Rusche, Jurist, Berlin
494) Dr. Barbara Weiser, Juristin, Osnabrück 
495) Dr. Bertold Huber, Vors. Richter am VG aD, Frankfurt aM
496) Carolin Kaufmann, Rechtsanwältin, Berlin
497) Malte C. Greisner, Rechtsanwalt, Berlin
498) Björn Cziersky-Reis, Rechtsanwalt, Berlin
499) Isabel Kienzle, Doktorandin, FAU Erlangen-Nürnberg
500) Ralf Dittmar, Rechtsanwalt, Gießen
501) Kerstin Becker, Juristin & Referentin für Flüchtlingspolitik, Berlin
503) Heinz-Peter Nobert, Rechtsanwalt, Saarlouis
504) Monika Maria Sommer, Rechtsanwältin, Berlin
505) Lothar Hinz,  Rechtsanwalt, Hagen
506) Susanne Bücken. Sozialwissenschaftlerin & Dozentin, Aachen
507) Münevver Toktas, Rechtsanwältin, Köln 
508) Florian Reicke, Rechtsanwalt, Berlin
509) Maria Mammeri-Latzel, RiAG Berlin
510) Prof. Dr. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt, Bremen
511) Dr. Jahn-Rüdiger Albert, Rechtsanwalt, Fürth
512) Johanna Mantel, Juristin & Lehrbeauftragte, Berlin
513) Astrid Boxberg, Rechtsanwältin, Bonn
514) Jan Bütepage, Rechtsanwalt, Bremen
515) Tobias Hassler, Rechtsanwalt, Nürnberg
516) Hubert Weber, Rechtsanwalt, München
517) Bernhard Baumann-Czichon, Rechtsanwalt, Bremen 
518) Elisabeth Faltinat, Juristin, Berlin
519) Dr. Eckart Wähner, Rechtsanwalt, Berlin
520) Cornelius Lüpke, Rechtsanwalt, Berlin
521) Kristina Ratz, Rechtsanwältin, Frankfurt 
522) Michaela Streibelt, Rechtsanwältin, Berlin
523) Tim Engels, Rechtsanwalt, Düsseldorf
524) Livia Giuliani, Juristin, Berlin 
525) Bernhild Schömel, Rechtsanwältin, Kassel
526) Jonathan Kießling, Doktorand, FAU Erlangen-Nürnberg
527) Isaf Gün. Gewerkschaftssekretärin, IG Metall, Frankfurt 
528) Servan Adsiz, Rechtsanwältin Köln/ Syndikusanwältin IGM Frankfurt
529) Eva Reichert, Rechtsanwältin, Köln
530) Marlene Stiller, Doktorandin, Universität Münster
531) Marco Noli, Rechtsanwalt, München
532) Linda Lübcke, Volljuristin, Berlin
533) Ulrike Zecher, Rechtsanwältin, Berlin
534) Jonas Teubner, Rechtsanwalt, Leipzig
535) Jana Runge, Rechtsanwältin, Hamburg
536) Katharina Söker, Rechtsschutzsekretärin, Berlin
537) Leonie Därr, Rechtsanwältin, Berlin
538) Nils Dietrich, Rechtsanwalt, Bremen
539) Wiebke Poschmann, Rechtsanwältin, Berlin
540) Vincent Walter, Referendar Magdeburg
541) Anna Gilsbach, Rechtsanwältin, Berlin
542) Christine Engels, Rechtsanwältin, Berlin
543)Antje Becker, Volljuristin, Offenbach
544) Rainer Willhoeft, Rechtsanwalt, Hamburg
545) Markus Niedworok, Rechtsanwalt, Tübingen
546) Shinta Zafiraki Sanyoto, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
547) Inga Matthes, Volljuristin, Berlin
548) Yeter Kaplan , Rechtsanwältin, Köln 
549) Stefan Dornow, Rechtsanwalt, Tutzing
550) Moritz Assall, Justiziar, Hamburg 
551) Joachim Schröder, Rechtsanwalt i.R.
552) Dr. Franziska Meyer, Rechtsanwältin, Bremen
553) Alexandra Pfeiffer, Rechtsanwältin, Berlin
554) Lale Emiroglu, Rechtsanwältin, Münster
555) Guido Steinke, Rechtsanwalt, Hamburg
556) Zaineb Tahmaz, Rechtsanwältin, Berlin
557) Petra Dervishaj, Rechtsanwältin, Hamburg
558) Jakob Junghans, LL.M.oec, Jurist und Doktorand, Universität Halle
559) Thomas Wings, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
560) Barbara Brandbeck, Rechtsanwältin, Ettlingen
561) Jörg Schmidt-Rohr,Rechtsanwalt, Wiesloch
562) Carolin Runge, Juristin, Hannover 
563) Hubert Weber, Rechtsanwalt, München
564) Robert Nestler, Geschäftsführer, Equal Rights Beyond Borders, Berlin
565) Lena Pfaff, Rechtsanwältin, Tübingen
566) Birgit Große Stetzkamp, Rechtsanwältin, Münster
567) Sonja Grass, Rechtsanwältin, Zweibrücken
568) Prof. Dr. Klaus Riekenbrauk, Rechtsanwalt, Unkel
569) Marie Melior, Rechtsanwältin, Berlin
570) Anke Langensiepen, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
571) Johanna Siemssen, Rechtsanwältin, Hamburg
572) Andreas Barlang, Rechtsanwalt in Landau / Pfalz
573) Alexander Wagner, Rechtsanwalt, Bremen
574) Eva Dworschak, Rechtsanwältin, Bremen
575) Marten Mittelstädt, Rechtsanwalt, Berlin
576) Ilil Friedman, Rechtsanwältin, Berlin
577) Matthias Höllerer, Rechtsanwalt, Ulm
578) Michael Sack, Betreuer, München
579) Thomas Wanie, Rechtsanwalt, Rostock
580) Britta Jensen, Volljuristin, Hamburg
581) Denise Honsberg-Schreiber, Rechtsanwältin, Eltville
582) Adolf Sander, Rechtsanwalt u. Notar a. DD. 
583) Moritz v. Hammerstein, Flüchtlingsberatung, Neuruppin
584) Bernd Waldmann-Stocker, Rechtsanwalt aD, Berlin
585) Michael Röder, Flüchtlingsberatung, Diepholz
586) Bernadette Tusch, Fairbleib Südniedersachsen-Harz+
587) Lutz Bucklitsch, Flüchtlingshilfe Iran, Berlin 
588) Nicolas Chevreux, Rechtsberater, Berlin
589) Klemens Roß, Jurist, Essen
590) Wilko Zicht, Fraktionsjustiziar, Bremen
591) Eva Weber, Geflüchtetenberaterin + Musikerin, Berlin
592) Uta Liebau, Goslar Verein "Leben in der 
593) Olivia Grote, Rechtsanwältin, Berlin
594) Clarissa Haack, Juristin, München
595) Thomas Barke Jurist und Vorstandsmitglied bei IBiS e.V. Oldenburg
596) Klaus Walliczek, Jurist, Minden
597) Marco Frank, Geschäftsführung, REFUGIUM Flüchtlingshilfe e.V.
598) Kerstin Müller, Fachanwältin für MIgrationsrecht, Köln
599) Greta von der Decken, Juristin, KommMit für Geflüchtete und Migrant:innen e.V.
600) Anna-Magdalena Papadopoulos, Asylverfahrensberatung Erstaufnahmeeinrichtung Bonn
601) Michael Wulf, Rechtsanwalt, Kiel
602) Laura Elaine Hoffmann, Rechtsanwältin, Hildesheim
603) Jana Laurentius, Rechtsanwältin, Bonn
604) Martin Javitz, Rechtsanwalt, Stuttgart
605) Gunter Christ, Rechtsanwalt, Köln
606) Martina Habermann, Rechtsanwältin, Soltau
607) Barbara Neander, Rechtsanwältin, Bremen
608) Engin Sanli, Rechtsanwalt, Stuttgart
609) Tim Schröder, Rechtsanwalt, Hamburg
610) Zeljko Grgic, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
611) Muska Helmand, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
612) Claudia Vogel, Rechtsanwältin, Freiburg
613) Assal Pezeshkian, Rechtsanwältin, Düsseldorf
614) Martina Dieterich, Rechtsanwältin, Bremen
615) Wiebke Schmidt, Rechtsanwältin, Dortmund
616) Inga Schulz, Rechtsanwältin, Berlin
617) Yvo Dengs, Rechtsanwalt, Hamburg
618) Sonja Plückebaum, Rechtsanwältin, Darmstadt
619) Thomas Kühle, Rechtsanwalt, Lingen
620) Birgit Sieger, Rechtsanwältin Düsseldorf
621) Elke Dausacker, Fachanwältin für Migrationsrecht, Dozentin Refugee Law Clinic Siegen, Siegen
622) Michael Heß, Rechtsanwalt, Nürnberg
623) Geraldine Trotzier, Fachanwältin für Migrationsrecht, Heidelberg
624) Michael Verhoeven, Rechtsanwalt, Köln 
625) Mojdeh Gorji, Rechtsanwältin, Hamburg
626) Dorothea Hennen, Rechtsanwältin, Aachen
627) Marin Rasso Scheid, Rechtsanwalt, München
628) Edith Kiefer, Rechtsanwältin Berlin
629) Svenja Schmidt-Bandelow Rechtsanwältin, Berlin
630) Rolf Werner, Rechtsanwalt, Stolberg
631) Karl-Heinz Barth, Fachanwalt für Migrationsrecht, München
632) Fidan Kilic, Fachanwältin für Migrationsrecht, Heidelberg
633) Peter Klusmann, Fachanwalt für Migrationsrecht, Gelsenkirchen
634) Salih Saydam,Rechtsanwalt , Konstanz
635) Michael Bock, Rechtsanwalt, Mülheim an der Ruhr
636) Irene Schäfer, Rechtsanwältin, Bonn
637) Walter Grotjahn StD i.R.
638) Dr. Thomas von Plehwe, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe
639) Felix Isensee, Rechtsanwalt, Berlin
640) Martin Schafhausen, Rechtsanwalt, Vizepräsident Deutscher Anwaltverein, Frankfurt am Main
641) Florian Träger, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Migrationsrecht, Münster
642) Monika Rohde-Wittenschläger, Rechtsanwältin in Duisburg
643) Henning J. Bahr, LL.M., Rechtsanwalt, FA für Verwaltungs-, Agrar- und Migrationsrecht, Osnabrück
644) Michael Devers, Rechtsanwalt, Rheinberg
645) Bahman Wahab, Rechtsanwalt, Hamburg
646) Erika Albrandt, Rechtsanwältin, München 
647) Burkhard Zimmer, Rechtsanwalt, Köln
648) Brigitte Faßbender, Rechtsanwältin, Bonn
649) Juliane Scheer, FAin für Migrationsrecht, München 
650) Andreas Sauter, FA für Migrationsrecht, Wuppertal
651) Sabine Schölermann, Rechtsanwältin, Köln
651) Jana Schmidt-Oehmichen, Rechtsanwältin, Dresden
652) Ijaz Chaudhry, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
653) Oriane Lafargue, LL.M., FAin für Migrationsrecht, Frankfurt am Main
654) Stefanie Thume, Rechtsanwältin, Köln
655) Mirian Deis, Rechtsanwältin, Köln
656) Sascha Kellmann, Rechtsanwalt, Köln
657) Kaja B. Schellenberg, Sozialpädagogin, Göttingen
658) Gunther Specht, Rechtsanwalt, Marburg
659) Albert Sommerfeld, Rechtsanwalt, Soest
660) Sven Brodt, Rechtsanwalt, Ingelheim am Rhein
661) Bernhard K. Schmidt, Rechtsanwalt, Münster
662) Florentine Heiber, Rechtsanwältin, Wuppertal
663) Ralf Becker, Rechtsanwalt, Eriskirch
664) Dr. Andrea Struwe, Rechtsanwältin, Köln
665 Dieter Unseld, Rechtsanwalt, Marburg
666) Zerrin Konur, Fachanwältin für Migrationsrecht, Heidelberg
667) Albert Timmer, Rechtsanwalt, Bremen
668) Manuel Kabis, RA und FA für Migrations- sowie FA für StrafR, Dortmund
669) Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und FA für Strafrecht, Vorsitzender RAV e.V., Berlin
670) Ann-Christin Kohl, Rechtsanwältin, Münster
671) Laura Celine Siebert, Diplomjuristin, Münster
672) Harry Gerson, Rechtsanwalt, Bochum
673) Günter Werner, Rechtsanwalt, Kirchtimke
674) Michael Blass, Rechtsanwalt, Kiel
675) Richard Langer, Rechtsanwalt, Augsburg
676) Thomas Gluth, Rechtsanwalt, Hannover
677) Markus G. Fischer, Rechtsanwalt, München
678) Doreen Gläßer-Fathi, Fachanwältin für Migrationsrecht, Dresden
679) Tilman Kurz, Fachanwalt für Strafrecht, Berlin
680) Karin May, Rechtsanwältin 
681) Jana Zober-Kühne, Rechtsanwältin, Halle/Saale
682) Katja Söchtig-Höwing, Rechtsanwältin, Magdeburg
683) Magdalena Holtkötter, Rechtsanwältin, Berlin
684) Christian Zimmer, Rechtsanwalt, Berlin
685) Nenad Mikec, Rechtsanwalt, Stuttgart
686) Ursula Langer-Martin, Rechtsanwältin, Augsburg
687) Dr. Venous Sander, Rechtsanwältin, Darmstadt
688) Guido Ehrler, Rechtsanwalt, Basel
689) Lara Martin, Rechtsanwältin, Konstanz
690) Joachim Schürmann, Rechtsanwalt, Krefeld
691) Dr. Laura von Vittorelli, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Berlin
692) Ulf Frenkler, Jurist, Landessprecher Neue Richtervereinigung Hessen
693) Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Kassel
694) Charlotte Laube, UFU Hannover
695) Volker Mundt Rechtsanwalt Berlin
696) Jakob Goepfert, Student, Refugee Law Clinic Hamburg
697) Wolfram Treiber, Rechtsanwalt, Karlsruhe
698) Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin, Karlsruhe
699) Katrin Bajraktari, Lehrerin, Hannover
700) Moritz Cuber, Rechtsanwalt, Köln
701) Julia Nanda, Rechtsanwältin Memmingen
702) Sophie Scheytt, Juristin, Berlin
703) Leo Matthias Waltermann, Rechtsanwalt, Chemnitz
704) Laura Bärthel, InstitutsdozentinHSB, Wolfsburg
705) Amber Okumus, Juristin, Neuss
706) Lea Mechsner, Rechtsanwältin Hamburg
707) Antoni von Langsdorff, Rechtsanwältin, München
708) Ralph Baier, Rechtsanwalt, Neunkirchen
709) Sait Kaynak, Avukat (TR), Dresden
710) Laura Aulmann, Rechtsanwältin, Berlin
711) Anna-Lena Blankschyn, Rechtsanwältin, Hamburg
712) Noah Kistner, Rechtsanwalt, Hamburg
713) Julian Trüstedt, Rechtsanwalt, Berlin
714) Michael Plöse, Rechtsanwalt, Berlin
715) Arne Timmermann, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen
und Strafverteidiger

716) Alexander von Engelhardt. Rechtsanwalt, Berlin
717) Nevin Duran, Rechtsanwältin, Berlin
718) Jörg Eichler, Mitarbeiter des Sächsischen Flüchtlingsrat e.V., Mitglied der Sächsischen Härtefallkommission
719) Katharina Högy, Juristin, Berlin
720) Onur Can Yağbasan, Rechtsanwalt, Hamburg
721) Barbara Dubick, Rechtsanwältin Berlin
722) Jonas Weßling, Rechtsanwalt, Köln
723) Utz Weber, Rechtsanwalt, Wuppertal
724) Dorothea Goergens, Rechtsanwältin, Hamburg
725) Moritz Depenbrock, Jurist, Öffentliche Rechtsauskunft Hamburg
726) Lea Hupke, Rechtsanwältin, Berlin
727) Urs Marquardt, Zimmerer, Rechtsberater, rlc-berlin.org
728) Hannah Rachow, Mitglied Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
729) John Nündel, Vorstandsvorsitzender der Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
730) Katharina Stübinger, Promotion Universität Palermo,Vorstand RLC Berlin
732) Tim Sültenfuß, Head of Legal Department, Sea-Watch e.V., Bremen
733) Isabel Bento Bilbao, spanische Rechtsanwältin, Rechtsberaterin bei BBZ - Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen  (Träger: KommMit e.V.), Mitglied Refugee Law Clinic Berlin
734) Sophia Härtel, Rechtsreferentin KOK e.V., Berlin
735) Daniela Boehme, Rechtsanwältin, Frankfut am Main
736) Victoria Lies, Rechtsreferendarin, Berlin
737) Lukas Bastisch, Rechtsanwalt, Berlin
738) Jesse Vogt, Jurist und Vorstandsmitglied Refugee Law Clinic Berlin, Berlin
739) Sigrid Gies, Juristische Referentin
740) Maria Gerdes, Juristin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Goethe Law Clinic, Frankfurt am Main
741) Marlene Bergner, Mitglied der Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
742) Dr. Maximilian Oehl, LL.M., Rechtsanwalt, Berlin
743) Claas Lohmann, Doktorand, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Göttingen
744) Dr. Till Liebau, Radiologe,Goslar
745) Dr. Thomas Krapf, LL.M., Projektleiter Menschenrechte fördern, GIZ Mauretanien
746) Amy Xu, Studentin, Refugee Law Clinic Berlin
746) Jule Gensler, Studentin, Refugee Law Clinic Berlin
747) Sigrun Krause, Rechtsanwältin, Dresden
748) Josefina Leisle (Refugee Law Clinic Göttingen)
749) Nina Lotz (Rechtsberaterin Refugee Law Clinic Berlin Neukölln)
750) Saleh Jumaa  (Rechtsberater Refugee Law Clinic
751 Thomas Röth
752) Astrid Aengenheister, Rechtsanwältin und FAin Strafrecht, Bonn
753) Rasmus Stumpf (Mitglied der Refugee Law Clinic Göttingen)
754) Yeelen Bihn, Rechtsanwalt, Berlin
755) Oliver Klostermann, Rechtsanwalt & Notar, Glinde
756) Caroline Mohrs, Rechtsanwältin, Potsdam
757) Daniel Weber, Rechtsanwalt, Berlin
758) Stephanie Dufner, E.MA, Rechtsanwältin, Stuttgart
759) Lukas Granrath, Rechtsreferendar, Refugee Law Clinic Cologne, Köln
760) Robert Koop, Rechtsanwalt, Lingen (Ems)
761) Dominik Bender, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
762) Mara Kunz, Referentin, Heidelberg
763) Paula Mahel (Rechtsberaterin Refugee Law Clinic)
764) Sophia Pfründer, Rechtsreferendarin, Bielefeld
765) Annika Gießler, Rechtsreferendarin (Janusz Korczak Humanitäre Flüchtlingshilfe Hannover)
766) Elke Gabsa, Rechtsanwältin, Gießen
767) Giovanna Adlon, Rechtsberaterin, Berlin&Eisenhüttenstadt
768) Elisabeth Niekrenz, Rechtsanwältin, Leipzig
769) Dinah Bauer, Rechtsanwältin, Lindau (B)
770) Melina Garcin, Rechtsanwältin, Berlin
771) Kai Weber, Geschäftsführer, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. , Hannover
772) Timmo Scherenberg, Geschäftsführer Hessischer Flüchtlingsrat
773) Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, Kiel
774) Falko Behrens, Volljurist, Berlin
775) Birgit Naujoks, Geschäftsführerin, Flüchtlingsrat NRW e.V.
776) Meliha Karatas, Rechtsanwältin, Lübeck,
777) Bärbel Graw-Sorge, Rechtsanwältin, Kiel
778) Jibran Khalil, Vorstand Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
779) Björn Maibaum, Rechtsanwalt Köln
780) Lena Franke, Juristin, Hamburg
781) Jürgen Arnold, Fachanwalt für Familienrecht , München
782) Burkhard Peters, Rechtsanwalt Mölln
783)  Katharina Voss, Juristin, Europäische Migrationspolitik, Diakonie Deutschland
784) Charlotte Spieler, Rechtsanwältin i.R,, Kiel
785) Jessica Allermann, Studentin, Refugee Law Clinic Kiel & Abschiebehaftberatung Nord
786) Armin Henning, Ingenieur, Refugee Law Clinic Kiel
787) Andreas Langer, Rechtsanwalt, Vallenda
788) Dr. Babette Tondorf, Rechtsanwältin, Hamburg
789) Debora Gervink, Studentin der Rechtswissenschaften und Mitglied der Refugee Law Clinic Kiel e.V., Kiel
790) Dilan Akdogan, Vorstand Saarländischer Flüchtlingsrat e.V., Saarlouis
791) Refugee Law Clinic Dresden
792) Liban Hassan Awsaid, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
793) Pierrette Onangolo Flüchtlingsrat RLP e.V.
794) Reinhard Marx, Rechtsanwalt i.R., Frankfurt am Main
795) Thomas Gluth, Rechtsanwalt,  Hannover
796) Horst Reichelt, Rechtsanwalt, Köln
797) Birgit Hanke, Rechtsanwältin, Lippstadt
798) Hannah Franz, Dipl. Juristin/Wissenschaftl. Mitarbeiterin, Refugee Law Clinics Deutschland e.V.
799) Eva Lindenmaier, Rechtsanwältin, Berlin
800) Dr. iur. Rainer Keil, Universität Heidelberg
801) Prof. Dr. Anuscheh Farahat
802) Gerhard Strauch, RA Wiesbaden
 

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Migration & Asyl
news-965 Tue, 06 Jun 2023 07:27:00 +0200 Recht für Alle?! Kongress zu solidarischen Rechtskämpfen in Krisenzeiten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-kongress-zu-solidarischen-rechtskaempfen-in-krisenzeiten-965 Presseinfo vom 6.6.2023 Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) veranstaltet vom 16. bis 17. Juni 2023 einen Kongress in Leipzig zu solidarischen Rechtskämpfen in Zeiten multipler Krisen.

Gleichzeitig wirft das Programm ein Auge auf die Entwicklung der Arbeit des RAV der vergangenen Jahrzehnte.

"Wer hat Zugang zum Recht? Ist das Recht für alle Personen in unserer Gesellschaft gleichermaßen da? Diesen Fragen wollen wir uns im Rahmen des Kongresses widmen", erklärt Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV.

Dabei erwartet die Teilnehmer*innen ein abwechslungsreiches Programm. Von Defiziten im Strafvollzug, über sexualisierte Gewalt, Vergesellschaftung, Klimaklagen, bis hin zu Rassismus und migrationspolitischen Fragen widmen wir uns einer Vielzahl an aktuellen Themen. Im Mittelpunkt der einzelnen Vorträge steht stets die Frage: Wie können wir gesellschaftlichen Missständen mit den Mitteln des Rechts und mit politischer Vernetzung entgegentreten?

Emanzipatorische Rechtskämpfe gestern und heute

Zu Beginn der Arbeit in den 70er Jahren setzte sich der RAV insbesondere gegen die Einschränkung von individuellen Freiheitsrechten ein. Aktuelle emanzipatorische Rechtskämpfe erfordern heute zudem das Durchsetzen kollektiver Rechte der Teilhabe. Diese Entwicklung möchte der RAV in zwei Abendpodien nachvollziehen und diskutieren.

Vernetzung über die Anwaltschaft hinaus

In 24 unterschiedlichen Arbeitsgruppen bieten wir Raum für fachlichen anwaltlichen Austausch und eine darüberhinausgehende Vernetzung. Wir werden dabei auch mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ins Gespräch kommen. „Rechtspolitische Schlagkraft entwickeln wir nur, wenn wir Expertise bündeln und gemeinsam kämpfen", so Rechtsanwältin Franziska Nedelmann aus dem Vorstand des RAV, „Menschenrechte sind unteilbar.

Alle Informationen: www.rav-kongress.de

Hintergrund

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) ist eine bundesweit tätige, politische Anwaltsorganisation. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. Neben rechtspolitischer Vernetzung bietet der RAV auch Fachschulungen für Rechtsanwält*innen an.

Kontakt
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, RAV-Geschäftsführer
Telefonischer Kontakt kann über die Geschäftsstelle hergestellt werden: 030.417 235 55
Mail: lukas.theune@rav.de oder kontakt@rav.de

Presseinfo als PDF

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Pressemitteilung
news-963 Wed, 31 May 2023 14:35:26 +0200 Richter*innen und Anwält*innen im Dialog – eine kommunikative Herausforderung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/richterinnen-und-anwaeltinnen-im-dialog-eine-kommunikative-herausforderung-963 Koop-Veranstaltung von RAV und NRV | 28.6.2023 in Berlin Jede*r Anwält*in kennt es: Hoffnungsfroh beginnt der Gerichtstermin um 9 Uhr. Nach einer kurzen Begrüßung beginnt die Vorsitzende auf einem herumzuhacken, wirft unsubstantiierten Vortrag vor und verweist auf irgendeine noch nie gehörte BGH-Entscheidung. Mit bitterbösem Blick stellt sie das Unterliegen im Rechtsstreit in Aussicht, murmelt noch irgendwas von der Berufshaftpflicht – und das alles in Anwesenheit der eigenen Mandantschaft.

Und die Richter*innen kennen dies: Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist anberaumt. Wir haben uns gut vorbereitet und dann liegt am Morgen des Sitzungstags ein 12-seitiger Schriftsatz in der Sache vor. Oder, ebenso unerfreulich: Im Termin erscheint ein Terminsvertreter unter Hinweis darauf, dass er ansonsten mit der Sache nicht befasst sei und nur seine Kollegin vertrete. Vergleichsvorschläge werden mit dem schlichten Hinweis „Ich habe nur den Auftrag, hier den Antrag zu stellen“ beiseite gewischt.

Kommunikation vor Gericht ist gekennzeichnet durch den der Verhandlung zugrundeliegenden Konflikt zwischen den Prozessparteien. Neben unterschiedlichen Interessen gibt es auch, unabhängig vom konkreten Fall, unterschiedliche Verpflichtungen. Anwält*innen dürfen nicht den Interessen der Mandantschaft und erst recht nicht deren geäußertem Willen zuwiderhandeln, Richter*innen nicht materielles oder formelles Recht missachten.

Ein Austausch zwischen beiden Berufsgruppen über diese und andere Befindlichkeiten findet kaum statt.

Daher möchten wir im Rahmen dieser Veranstaltung einen Dialog über unseren Umgang miteinander und unsere Kommunikation insbesondere im Gerichtssaal wagen. Wir wollen Verständnis für die jeweils andere Seite wecken und uns über den jeweiligen Arbeitsalltag und die verschiedenen Arbeitsweisen austauschen. Wir wünschen uns einen lebendigen, offenen Dialog, bei dem auch Kritikpunkte benannt und diskutiert werden dürfen.

Termin und Ort

28.06.2023 um 18 h
Haus der Demokratie und Menschenrechte

Robert-Havemann-Saal
Greifswalderstr. 4
10405 Berlin

Der Eintritt ist frei.

Eine Kooperationsveranstaltung von RAV und der Neue Richtervereinigung (NRV).

Einladung als PDF
 

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Veranstaltungen
news-962 Tue, 30 May 2023 16:43:13 +0200 Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzes-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-und-zur-aenderung-weiterer-vorschriften-962 Stellungnahme des RAV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz, 30.5.23 Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften hat der RAV die hier folgende Stellungnahme eingereicht.

Verfasser*in: Inken Stern, Rechtsanwält*in

Vorbemerkung

Grundsätzlich ist das Vorhaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz zu begrüßen, ein einheitliches, selbstbestimmtes und behördliches Verfahren zur Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrages und Vornamens zu etablieren. Der RAV hätte die durch das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung zur dritten Option (Beschl. v. 10.10.2017, 1 BvR 2019/16) angeregte Möglichkeit der Abschaffung des geschlechtlichen Personenstandes favorisiert, in dem zumindest der geschlechtliche Personenstandsregistereintrag nach der Geburt für alle Menschen offen gelassen aber mit dem individuellen Recht verbunden wird, das selbstbestimmte Geschlecht auf Erklärung gegenüber dem Standesamt in das Personenstandsregister eintragen zu lassen. Denn zum einen sollte – wie es auch in § 1 Abs. 1 SBGG-E als Ziel des Gesetzes formuliert ist – „die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen“ losgelöst sein. Zum anderen birgt die Anknüpfungsmöglichkeit an das rechtliche Geschlecht als Unterscheidungskriterium eine Gefahr der Diskriminierung. Auch wäre wünschenswert gewesen, den Inhalt des Gesetzes allein im Personenstandsgesetz anzusiedeln, anstelle nunmehr wieder ein Sondergesetz zu schaffen.

Es war überfällig, das menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz zu ersetzen und ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem Personen ohne die bisherigen, nicht zumutbaren Voraussetzungen und deutlich niedrigschwellig die begehrten Änderungen des geschlechtlichen Personenstandseintrags und/oder des Vornamens vornehmen lassen können, falls sie ihre Geschlechtsidentität staatlich anerkannt wissen wollen.

Daher wird ausdrücklich das mit dem Selbstbestimmungsgesetz behördlich angesiedelte Verfahren als Verbesserung begrüßt, bei dem es zu den gewünschten Änderungen allein aufgrund eigener Erklärung und Versicherung sui generis kommen soll. Es sind jedoch einige nicht hinnehmbare Regelungen vorgesehen. Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme auf die Themenkomplexe hinsichtlich Zugang (1.), Verfahren (2.), Wirksamkeitsfrist (3.) Eltern-Kind-Zuordnung (4.), Offenbarungsverbot und Bußgeld (5.) und Folgeregelungen (6.) sowie einige allgemeine und redaktionelle Anmerkungen (7.).

1. Zugang

Als erklärungsberechtigter Personenkreis sind Personen vorgesehen, „deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenregister abweicht“ (§ 2 SBBG-E) und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 EGBGB-E). Diese Ausweitung des Personenkreises im Vergleich zum TSG ist verfassungsrechtlich geboten und wird daher ausdrücklich begrüßt.

§ 3 SBGG-E regelt den Verfahrenszugang von Minderjährigen. Ausdrücklich begrüßt wird, dass in der Gesetzesbegründung der Ausbau und die Stärkung von ergebnisoffenen und kostenlosen Beratungsangeboten für Minderjährige und ihre Sorgeberechtigten vorgesehen ist.

In dem Entwurf ist angedacht, dass Verfahren für unter 14 Jährige die gesetzlichen Vertretenden führen und ab einem Alter von 14 Jahren die Minderjährigen zwar die Erklärung selbst abgeben, aber immer noch die Zustimmung der Vertretenden gegeben sein oder diese durch das Familiengericht ersetzt werden müsse.

Bei der Geschlechtsidentität handelt es sich jedoch um ein höchstpersönliches Rechtsgut, so dass die Erklärung und Versicherung auch von beschränkt geschäftsfähigen Kindern unabhängig von ihrem Alter abgegeben werden können sollte. Dies dürfte sowohl dem Kindeswohl als auch der Kinderrechtskonvention Rechnung tragen.

Es könnte entweder die positive Zustimmung oder ein konstitutiver Ablauf einer Frist, im Rahmen derer die Sorgeberechtigten nach einer Beratung der Familie ihren entgegenstehenden Willen kundtun könnten, zur zusätzlichen Voraussetzung für die Änderungen gemacht werden. Aus Sicht des RAV sollte das Verfahren jedenfalls für Erklärende ab dem Alter von 14 Jahren nach einer verpflichtenden Beratung unabhängig von den Sorgeberechtigten geführt werden können. Falls weiterhin das Zustimmungserfordernis der Vertretenden oder allein durch die Vertretenden gestaltende Erklärungen zum Erfordernis gemacht werden, ist die Möglichkeit des Ersatzes durch die Familiengerichte unabdingbar.

2. Verfahren

Das Standesamt als registerführende Behörde mit der Zuständigkeit für die Entgegennahme der Erklärungen und Versicherungen zu betrauen ist sachgerecht.

Personen, die eine Änderung ihres geschlechtlichen Personenstands und/oder Vornamen(s) begehren, müssen nach § 2 SBGG-E eine Erklärung abgeben, mit der sie zusätzlich versichern, dass ihre Geschlechtsidentität dem neu gewählten Geschlechtseintrag und/oder neu gewählten Vornamen besser entspricht und sie sich der Tragweite und Folgen der Erklärung bewusst sind. Es wird begrüßt, dass das Gesetz auf weitere Voraussetzungen (abgesehen bei den Verfahren von Minderjährigen) verzichtet und seinem Titel Rechnung trägt und allein die Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität ausschlaggebend für die Änderung(en) ist.

3. Wirksamkeitsfrist

Erst mit der Eintragung in das Geburtenregister soll die selbstbestimmte Geschlechtsidentität Wirksamkeit entfalten. § 4 SBGG-E sieht bisher eine Möglichkeit der Erklärungsrücknahme innerhalb von drei Monaten nach der Erklärung gegenüber dem Standesamt vor. Unabhängig von der schwierigen praktischen Umsetzung, dass das Standesamt erst drei Monate später die Eintragungen vorzunehmen hat, erschließt sich der Hintergrund dieser „Reflexionsfrist“ nicht. In der Begründung heißt es, sie soll „nicht ernst gemeinte Erklärungen“ (S. 40) ausschließen. Es wird bereits von den Erklärenden zusätzlich die Abgabe einer Eigenversicherung gefordert, mit der u.a. erklärt wird, sich über die Bedeutung und Wirkungen bewusst zu sein. Die Einführung dieser Bedenkzeit nach Abgabe der Erklärung und Versicherung lässt anmuten, dass von den Verfassenden dieses Referentenentwurfs davon ausgegangen wird, dass sich eine Mehrzahl bei der Abgabe ihrer Erklärungen und Versicherungen nicht sicher wären. Die vorausgesetzte Eigenversicherung erfordert jedoch bereits vorab eine Auseinandersetzung und auch eine Entscheidung. Dies ist ein normimmanenter Widerspruch.

Im Verfahren nach § 45b PStG ist eine so genannte Reflexionsfrist nicht vorgesehen. Auch ist aus der Praxis zu berichten, dass eine solche nicht notwendig gewesen wäre. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung der Verfahren ist nicht erkennbar, ist daher nicht gerechtfertigt oder verhältnismäßig. Daher fordern wir § 4 SBGG-E ersatzlos zu streichen.

4. Eltern-Kind-Zuordnung

Mit § 11 SBGG-E wird eine Neuregelung geschaffen, die sich an die des TSG anlehnt. Allerdings wird hier nun unterschieden zwischen der Mutter nach § 1591 BGB bzw. dem gebärenden Elternteil sowie dem Vater nach § 1592 BGB. Während für die Mutterschaft nach § 11 SBGG-E das Geschlecht unerheblich sein soll, denn jede Person, die gebärt, wird von § 1591 BGB erfasst und als Mutter registriert. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage.

Hingegen soll das männliche Geschlecht für die Vaterschaft bei Geburt des Kindes zwingend sein, sofern die Vaterschaft aufgrund einer Ehe oder einer Anerkennungserklärung entsteht. Für die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nach § 1592 Nr. 3 BGB soll es wiederum auf das Geschlecht nicht ankommen.

Diese so deklarierte Interimslösung scheint die Wiedergabe der derzeitigen gesetzlichen Abstammungsregeln zu sein, außer dass zusätzlich eine Klarstellung erfolgt, dass transidente Männer auch durch Anerkennung oder Ehe Väter werden können sollen. Dieses Ziel ist jedoch auch leicht durch eine entsprechende Auslegungshilfe des Bundesministeriums des Innern an die Standesämter zu bewerkstelligen.

Daher ist § 11 SBGG-E ersatzlos zu streichen und stattdessen die Abstammungsrechtsreform voranzutreiben. Denn grundsätzlich erwartet der RAV, dass im Rahmen des Abstammungsrechts die binären Elternrollen und Begriffe „Mutter“ und „Vater“ ersetzt werden, so dass eine geschlechtliche Verortung und Zuweisung für die Elternrolle irrelevant wird.

Einzige Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung des TSG ergibt sich aus § 27 Abs. 3 PStG-E. Denn darin wird nunmehr geregelt, dass die Elternteile nicht mit ihren bei Geburt zugewiesenen Namen, sondern mit den offiziell geführten Vornamen und dem bei Geburt des Kindes bestehenden Geschlechtes in den Geburtenregistern der Kinder registriert werden sollen. Ein entsprechender Widerspruch zwischen der binär geschlechtlichen Elternrolle wird bewusst hingenommen (S. 63 der Begründung).

Mit § 42 Abs. 2a PStVO-E wird die Möglichkeit für Eltern geschaffen, sich eine Geburtsurkunde ausstellen lassen zu können, in der sie als „Elternteil“ anstelle der Registereinträge „Mutter“ oder „Vater“ betitelt werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass das Elternteil einen offenen Geschlechtseintrag hat oder das Geschlecht geändert hat. Diese Norm soll in Verbindung mit § 27 Abs. 3 PStG-E Ausdruck der Achtung des Offenbarungsverbots, da sich Elternteile Geburtsurkunden ihrer Kinder mit ihnen als Elternteil und dem aktuell geführten Namen ausstellen lassen und sich damit ausweisen können. Denn die Elternrollen „Mutter“ und „Vater“ werden mit den binären Geschlechtern in Verbindung gebracht, so dass es für alle Erklärenden wünschenswert sein dürfte eine Geburtsurkunde ausgestellt zu bekommen ohne die zugewiesene binäre Elternrolle.

Allerdings sollte die Norm derart ausgestaltet werden, dass alle Geburtsurkunden künftig keine binären Elternrollen mehr ausweisen oder zumindest alle Eltern, unabhängig von einem offen gelassenen Geschlechtseintrag (§ 22 Abs. 3 PStG) oder der Änderung ihres Geschlechtseintrags – d.h. auch cis-geschlechtliche Personen – sich eine Geburtsurkunde mit „Elternteil“ ausstellen lassen können. Hintergrund ist der, dass andernfalls an den mit „Elternteil“ in Geburtsurkunden betitelten Personen erkennbar ist, dass diese entweder eine Person nach § 22 Abs. 3 PStG sind oder ein Verfahren nach §§ 2, 3 SBGG-E durchlaufen oder aber das Kind adoptiert haben. Mit der Vorlage einer solchen Geburtsurkunde geht ein (verstecktes) Outing als nicht normkonforme Familie einher, wodurch eine Diskriminierungsgefahr geschaffen wird.

5. Offenbarungsverbot und Bußgeld

Der RAV begrüßt ausdrücklich, dass weiterhin ein Offenbarungsverbot geregelt wird und zusätzlich eine Bußgeldvorschrift eingeführt wird. Das Offenbarungsverbot richtet sich nach der Begründung an öffentliche Stellen und Private. Diese Klarstellung wird wertgeschätzt.

Es wäre wünschenswert, wenn die im Offenbarungsverbot geregelten Ausnahmen lediglich aufgrund schützenswerter Interessen begründen dürften. Auch sollte die Bußgeldnorm nicht nur für die eng ausgelegte Offenbarung greifen. Vielmehr sollte auch Deadnaming (Verwendung des bei Geburt zugewiesenen Namens) und Misgendering (Verwendung des bei Geburt zugewiesenen Geschlechts) erfasst werden. Als Vorsatzform sollte jedenfalls grobe Fahrlässigkeit ausreichen.

6. Folgeregelungen

§ 7 SBGG-E trifft eine Regelung hinsichtlich gesetzlich festgelegter geschlechtlicher Quoten. Allerdings benennt der Entwurf lediglich Quoten hinsichtlich des weiblichen oder männlichen Geschlechts. Der offen gelassene und diverse Geschlechtseintrag bleiben unerwähnt. Es bedarf daher einer Nachbesserung.

§ 9 SBGG-E regelt die Zuordnung zum männlichen Geschlecht im Spannungs- oder Verteidigungsfall. Dies ist eine Norm, die verhindern soll, dass sich Personen ihrer Wehrdienstpflicht in besonderen Situationen entziehen. Daher ist sie aus dem Selbstbestimmungsgesetz zu streichen und eine Norm mit ihrem Sinn und Zweck im Wehrpflichtgesetz zu verankern, falls dies tatsächlich notwendig ist.

7. allgemeine und redaktionelle Anmerkungen

Grundsätzlich wäre wünschenswert, wenn der Gesetzes- und Begründungstext einheitlich genderneutrale Formulierungen verwenden würde und nicht einerseits von den durch das Selbstbestimmungsgesetz betroffenen Personen und andererseits alle anderen zu Benennenden im generischen Maskulinum (wie bspw. „die gesetzlichen Vertreter, der Betreuer“ etc.) darstellt.

§ 12 SBGG-E soll diskriminierende Sprache im Rechtsraum legitimieren und ist deswegen zu streichen. Vielmehr wäre es an der Zeit, nicht nur zukünftige Gesetze geschlechtsneutral zu fassen, sondern auch den bisherigen Stand einer redaktionellen Überprüfung und Umschreibung zu unterziehen.

Darüber hinaus bedarf es auch einer Anpassung von gesetzlich festgelegten binär-geschlechtlich ausgestalteten Berufsbezeichnungen. Wir wünschen uns eine Änderung von § 12 Abs. 4 BRAO, denn danach dürfen Kolleg*innen lediglich die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder „Rechtsanwältin“ führen. Dies ist mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar und sollte neu geregelt werden. Ebenso verhält es sich für andere Berufsgruppen.

Darüber hinaus sind §§ 1 Abs. 2, 6 Abs. 2 und 3 SBGG-E zu streichen. Es fehlt diesen Normierungen ein eigener Regelungsgehalt.

§ 1 Abs. 2 SBGG-E stellt fest, dass das Selbstbestimmungsgesetz keine Regelungen zu medizinischen Maßnahmen trifft. Dies ergibt sich jedoch aus dem Selbstbestimmungsgesetz, ohne dass es hierzu eines deklarativen Ausspruches bedarf. Auch aus der Gesetzesbegründung wird nicht deutlich, weshalb diese Nicht-Normierung notwendig sein könnte. Vielmehr ist die Norm überflüssig und daher zu streichen. Es wird unsererseits allerdings davon ausgegangen, dass die Bundesregierung – wie im Koalitionsvertrag von 2021 festgelegt – noch Regelungen zur Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden physischen Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen treffen wird.

§ 6 Abs. 2 SBGG-E erscheint angesichts der durch die Öffentlichkeit aufgeheizten Diskussion zum Hausrecht entstanden zu sein. Die Norm enthält jedoch keinen eigenen Gehalt in der Feststellung, dass das Hausrecht zu Einrichtungen weiterhin unter den jetzigen Voraussetzungen, d.h. unter Beachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, gegeben ist, und ist daher zu streichen. Vielmehr erweckt der Verweis auf das Hausrecht, das von den Regelungen des Selbstbestimmungsgesetzes unberührt bleiben soll, den Eindruck, als könnte der gleichberechtigte Zugang von trans-, inter- und nicht-binär-geschlechtlichen Personen zu geschlechtsspezifischen Räumen von den jeweiligen Betreibenden abhängen. Dies gilt auch deshalb, da die derzeitige Begründung zu dieser Norm von transfeindlichen Vorurteilen getragen wird. Denn als Hintergrund der Norm wird von Übergriffen seitens transidenten gegenüber cis-geschlechtlichen Frauen ausgegangen. Angesichts der Realität von Übergriffen von cis-männlichen Personen sollte hier jedenfalls im Rahmen der Begründung eine Klarstellung erfolgen. Denn inter-, nicht-binär- und transidente Personen sind eine vulnerable Gruppe, die es gerade vor Übergriffen und auch vor Diskriminierung zu schützen gilt.

Auch § 6 Abs. 3 SBGG-E enthält keinen eigenen Regelungsgehalt und ist daher zu streichen. Denn auch heute gilt bereits, dass sportliche Leistungen unabhängig vom Geschlechtseintrag bewertet werden können. In diesem Zusammenhang wäre erstrebenswert, den Diskriminierungsschutz hinsichtlich inter-, nicht-binären- und transidenten Personen hervorzuheben.

In § 15 Abs. 2 SBGG-E liegt ein offensichtliches Redaktionsversehen vor. Auch das Offenbarungsverbot nach § 13 SBGG-E und die Bußgeldvorschriften nach § 14 SBGG-E müssen entsprechend für Änderungen des Geschlechtseintrags und Vornamen nach dem TSG oder dem PStG gelten.

Berlin, 29.05.2023

Die StN als PDF

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Stellungnahmen
news-956 Sun, 28 May 2023 07:09:47 +0200 International Fair Trial Day Conference and the Ebru Timtik Award Ceremony /publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-conference-and-the-ebru-timtik-award-ceremony-956 14 June 2023, Mexico City/Mexico (In-Person & Online Event) 14 June 2023, Mexico City/Mexico
10:00 – 17:30 CST
In-Person & Online Event Venue TBC
Registration: HERE

PRELIMINARY AGENDA

Die angegebenen Zeiten sind die Ortszeiten aus Mexico-City.

10:00-10:15 h Opening Remarks

10:15-10:45 h Keynote Speeches

10:45-11:45 h Setting the Scene: Systemic Fair Trial Rights Concerns in Mexico

Moderator: TBC
Speakers:

11:45-12:00 h Coffee Break

12:00-13:30 h From Rights to Justice: Unveiling the Interplay Between Human Rights Challenges and Due Process in Mexico

Moderator: TBC
Speakers:


13:30-14:30 h Lunch break

14:30-16:00 h Seeking Accountability: Responses to The Phenomenon of Enforced Disappearances and Summary Executions

Moderator: TBC
Speakers:


16:00-16:30 h Coffee Break

16:30-17:30 h Ebru Timtik Award Ceremony


17:30 h Closing

Programm (PDF)

10:00 -10:15

10:00 -10:10:00 -10:1510:00 -10:151510:00 -10:15

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International Fair Trial Day (IFTD) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)
news-948 Wed, 24 May 2023 07:50:03 +0200 Keine Abschaffung des Rechts auf Asyl!<br />Kein Asylkompromiss 2.0! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-abschaffung-des-rechts-auf-asyl-kein-asylkompromiss-20-948 Aufruf zur Beteiligung an Demonstration am 26.5.2023 in Berlin

Demoaufruf in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Dari als PDF

Vor 30 Jahren haben Zehntausende in Deutschland gegen den sogenannten Asylkompromiss demonstriert. Ihr Ziel war, die Änderung des Grundgesetzes zu verhindern, die eine massive Einschränkung des Asylrechts beinhaltete.

Heute befürchten wir einen noch schlimmeren Asylkompromiss: Die Europäische Union plant eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die den Zugang zum Recht auf Asyl weitestgehend versperren und Pushbacks legalisieren würde. Dieser gefährliche Trend muss gestoppt werden!

Diese Reform bedeutet eine Aushebelung des Flüchtlingsschutzes und eine Verletzung grundlegender Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. In verpflichtenden Grenzverfahren sollen Fluchtgründe ignoriert und Schutzsuchende stattdessen in unsichere Drittstaaten abgeschoben werden. Das Dublin-System soll beibehalten und sogar verschärft werden, anstatt echte Solidarität zu entwickeln.

Am 8. Juni 2023 treffen sich die EU-Innenminister:innen, um über diese Reform im Rat der EU abzustimmen. Die deutsche Bundesregierung will den Vorschlägen im Großen und Ganzen zustimmen. Damit will die Ampel ihren Koalitionsvertrag brechen und all das umsetzen, wovon Seehofer und die Rechten immer geträumt haben. Das müssen wir verhindern!

Wir wollen nicht, dass das Sterben im Mittelmeer, unwürdige Lager wie Moria, Haftzentren mit Stacheldraht sowie brutale Pushbacks im europäischen Asylsystem dauerhaft festgeschrieben werden. Die Grenzverfahren inklusive der Inhaftierungen sind für alle EU- Staaten verpflichtend vorgesehen, nicht nur an den Außengrenzen. Damit wäre auch Deutschland verpflichtet Masseninhaftierungen und Grenzverfahren für Geflüchtete durchzuführen, die nicht an den Außengrenzen registriert wurden.

Unter dem Motto “Keine Abschaffung des Rechts auf Asyl! Kein Asylkompromiss 2.0!" rufen wir alle auf, sich uns anzuschließen, um die Ampelparteien zu einem Veto gegen die Asylverfahrens- und die Asylmanagementverordnung aufzufordern. Unrecht darf nicht in Recht gegossen werden!

Wir starten vor der Parteizentrale der SPD in Berlin und ziehen mit einem Zwischenstopp an der Vertretung der Europäischen Kommission am Pariser Platz vorbei bis zur Grünen- Zentrale.

Am 30. Jahrestag des Asylkompromisses, dem 26. Mai, um 17 Uhr, wollen wir gemeinsam den Asylkompromiss 2.0 stoppen und uns für eine Welt einsetzen, in der Menschenrechte geachtet werden. Lasst uns am 26.05. in Berlin ein starkes Zeichen setzen und gegen den Asylkompromiss 2.0 protestieren.

Wann: Freitag 26.05. um 17:30 Uhr Wo:

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PRO ASYL
Abolish Frontex Adopt a Revolution
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
SOS Humanity
Seebrücke
Watch The Med Alarmphone
Aktive der Kampagne BLEIBERECHT FÜR ALLE- statt Chancenfalle!
Flüchtlingsrat Berlin
Flüchtlingsrat Brandenburg
Borderline Europe
BBZ/ Kommmit e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
BIPoC Ukraine & friends in germany
Interventionistische Linke
Mediterranea Berlin e.V.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.
Kargah e.V.
Wir packen’s an e.V.
Sea-Eye Berlin

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Migration & Asyl
news-947 Tue, 23 May 2023 17:38:48 +0200 Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich /publikationen/mitteilungen/mitteilung/vor-dem-gesetz-sind-nicht-alle-gleich-947 Lesung am 8.6.23 in Nürnberg; DESI-Programmgruppe & in Kooperation mit dem RAV Das Versprechen lautet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sie sind nicht gleich. Das Recht hierzulande begünstigt jene, die begütert sind; es benachteiligt die, die nichts haben. Wirtschaftsdelikte in Millionenhöhe werden mit minimalen Strafen belegt oder eingestellt. Prozesse gegen Menschen, die einen Wodka stehlen, enden hart und immer härter...

In einer spannenden Reportage deckt Ronen Steinke systematisches Unrecht auf. Er besucht Strafanstalten, recherchiert bei Staatsanwälten, Richtern, Anwälten und Verurteilten. Und er stellt dringende Forderungen, was sich ändern muss.

Ronen Steinke ist Redakteur und Autor der Süddeutschen Zeitung. Der promovierte Jurist recherchiert seit Jahren zu Justizthemen. Seine Biografie über Fritz Bauer wurde preisgekrönt verfilmt und in viele Sprachen übersetzt. Steinke lebt in Berlin.

Präsentiert von der DESI-Programmgruppe & in Kooperation mit dem RAV (Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V.)

Termin: 8.6.2023
Einlass: 19.30 Uhr
Beginn: 20.00 Uhr

Ort: DESI, Brückenstr. 23 in 90419 Nürnberg

Plakat (PDF)

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Veranstaltungen
news-946 Tue, 23 May 2023 05:59:48 +0200 Gemeinsam gegen Hinrichtungen im Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsam-gegen-hinrichtungen-im-iran-946 RAV-Redebeitrag, 20.5.23 Am 22. Mai 2023 fand auf dem Wittenbergplatz eine Kundgebung von Echo Iran gegen die Hinrichtungen im Iran statt, an der zwischen 2.000 - 3.000 Menschen teilnahmen. Der RAV, der seit Beginn der Proteste sich mit den Menschen im Iran solidarisch erklärte und auch eine Patenschaft für den im Iran inhaftierten Menschenrechtsanwalt Amirsalar Davoudi übernommen hat, wurde von den Organisator*innen angefragt, eine Rede zu halten.

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede unserer Kollegin Nasrin Karimi, die auf der Kundgebung gehalten wurde.
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freudinnen und Freunde,

Wieder ist die Welle der Hinrichtungen, die in diesen Tagen im Iran vollstreckt werden, der traurige Anlass der heutigen Kundgebung.

70% aller in der Welt vollstreckten Todesurteile im Jahre 2022 wurden laut dem Bericht von Amnesty im Iran vollstreckt. Dieser mörderische Zustand im Iran spitzt sich immer weiter zu. Seit September 2022, dem Beginn der landesweiten Massenproteste, sind mehr als 700 Menschen hingerichtet worden, SIEBEN HUNDERT Menschen! Mindestens 7 davon wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Protesten. Allein gestern sind 19 Menschen hingerichtet worden. Die Botschaft des Regimes lautet: Wer es wagt, zu protestieren und unsere Macht in Frage zu stellen, der wird vernichtet!“

Dies dürfen wir aber nicht zulassen. Es ist uns unerträglich, wie die Welt der blutigen Repressionen von iranischen Bürgerinnen und Bürgern tatenlos zusieht. Wir dürfen aber das iranische Volk in diesen dunklen Stunden nicht alleine lassen.

Im Iran werden Menschen eingekerkert, gefoltert, hingerichtet, weil ihre Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Regierung übereinstimmen. Wir müssen den Machthabern zeigen, dass wir sehen und berichten, welches Unrecht und welche Gewalt sie ihren Bürgern antun. Wir wollen diesen Menschen in den Gefängnissen einen Namen und eine Stimme geben, Sie und ihren Fall und die gravierenden Verstöße gegen Verfahrensgarantien, die auch im Iran gelten, publik machen.

Wir wollen öffentlichen Druck auf das iranische Regime ausüben und die Freilassung aller politischen Gefangenen fordern. Deshalb sind wir heute hier! Das Regime hat erst jetzt wieder verstärkt begonnen, Menschen zu hängen - jetzt, da es im Westen stiller um die iranische Repression und die mörderische Justizmaschinerie geworden ist. Die deutsche Politik und die Massenmedien in Deutschland und Europa dürfen angesichts der massiven Gewalt des Regimes gegen die Demonstranten nicht schweigen. Wir müssen weiter unsere Stimme erheben und unsere Empörung kundtun. Unser Protest und unsere Solidarität müssen genauso hörbar sein wie im Oktober letzten Jahres, als sich hier in Berlin Zehntausende Menschen bei einer Demonstration mit den Protesten im Iran solidarisiert haben.

Iran hat völkerrechtlich bindende Verträge ratifiziert. Der Iran bekennt sich öffentlich zu seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen – doch die Islamische Republik bricht diese Verträge täglich; durch Folter, willkürliche Haft, Entrechtung von Frauen und ethnischen und religiösen Minderheiten. Der Iran war 1945 eines der 51 Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen. Der Iran hatte unter der Herrschaft von Mohammad Reza Shah Pahlavi die beiden Schlüsselabkommen für den Schutz der Menschenrechte der UNO, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ratifiziert. Auch das Abkommen zur Beendigung aller Formen von Rassendiskriminierung wurde vom Iran ratifiziert. Auch wenn Iran zu diesem Zeitpunkt von einem demokratischen Rechtsstaat weit entfernt war, für die Zivilgesellschaft war die völkerrechtliche Einbindung des Iran in die UNO-Menschenrechtsabkommen von immenser Bedeutung.

Damit war 1979 Schluss, die Islamische Republik Iran tötete seit ihrer Gründung tausende Andersdenkende willkürlich, bis heute nimmt die staatliche Gewalt gegen ihre Bürger kein Ende, wie die aktuelle grausame Hinrichtungswelle belegt.

Die Islamische Republik Iran bekennt sich aber bis heute immer wieder aufs Neue zu den UN-Menschenrechtskonventionen. Der Iran ratifizierte seither sogar weitere UN-Menschenrechtsabkommen. Bis heute hat der Iran aber weder

 

Und wir wissen warum!
Kein anderer Staat bricht seit der Gründung der Islamischen Republik 1979 so offen und schamlos die UNO-Menschenrechtskonventionen wie der Iran.

Seit 1985 verabschiedet die Generalversammlung der Vereinten Nationen nahezu jährlich eine Resolution zur kritischen Situation der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran, obwohl Resolutionen nur in seltenen und gravierenden Fällen beschlossen werden.

Nun hat der UN-Menschenrechtsrat am 24.11.2022 eine unabhängige Untersuchung des gewaltsamen Vorgehens der Behörden gegen die Demonstranten im Iran beschlossen. 25 der 47 Mitgliedstaaten stimmten auf einer Sondersitzung des Rats in Genf für eine von Deutschland und Island eingebrachte Resolution.   Nun soll eine unabhängige internationale Untersuchungsmission Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentieren und Beweise für eine mögliche Strafverfolgung der Verantwortlichen sammeln.

Geradezu unglaublich ist die Tatsache, dass Iran, zum Vorsitzenden des Sozialforums 2023 des UN-Menschenrechtsrats gewählt wurde. Wie es am 10.Mai 2023 bekannt gemacht wurde, soll Ali Bahreini, Botschafter und Ständiger Vertreter der Islamischen Republik bei den Vereinten Nationen im November 2023 den Vorsitz des Sozialforums des UN-Menschenrechtsrats (UNHCR) übernehmen. Wirklich, ist das zu glauben? Das iranische Regime, Urheber massiver Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen übernimmt den Vorsitz eines UNHCR-Forums? Diese Entscheidung ist ein Hohn und eine Beleidigung der iranischen Bürger und Bürgerinnen, die ihre Bürger- und Menschenrechte einfordern und hierbei ihr Leben riskieren.

Die Anwaltschaft verurteilt die Anschläge auf die Ausübung des Rechts auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit, das Recht auf Leben sowie auf körperliche Unversehrtheit!

Die Anwaltschaft fordert von der iranischen Justiz die Einhaltung elementarer justizieller Mindeststandards zum Schutz der Gefangenen!

Wir Anwälte fordern die Einrichtung eines unabhängigen und unparteiischen UN-Mechanismus, um die Menschenrechtsverletzungen im Iran zu untersuchen. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Denn Straflosigkeit verhindert Gerechtigkeit. Allen bereits erfolgten gewalttätigen Aktionen der Sicherheits- und Justizbehörden im Iran muss unabhängig nachgegangen werden. Jedem Opfer von Gewalt während der Proteste im Iran muss justizielle Gerechtigkeit zukommen und zwar durch Gerichte, die vom Regime unabhängig sind!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Zan Zendegi Azadi!
Frau Leben Freiheit!

Redebeitrag als PDF
Flyer der Kundgebung

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Iran
news-945 Wed, 17 May 2023 11:43:42 +0200 Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-kompromisse-auf-kosten-des-fluechtlingsschutzes-945 Appell an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, 17.5.23 Europaweit arbeiten politische und gesellschaftliche Strömungen auf die weitgehende Abschaffung des Flüchtlingsschutzes hin. Sie stellen die Allgemeingültigkeit von Menschenrechten, rechtsstaatlichen Grundsätzen und europäischen Werten infrage. Gleichzeitig beobachten wir einen massiven Anstieg und die billigende Inkaufnahme von gewaltsamen und menschenunwürdigen Handlungen gegenüber Schutzsuchenden, insbesondere an den Außengrenzen der Europäischen Union. Verstöße gegen geltendes Recht werden teils gar nicht mehr oder nur unzureichend verfolgt.

Die unterzeichnenden Organisationen sind enttäuscht über die am 28. April 2023 öffentlich gewordene deutsche Position der Bundesregierung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Anstatt sich dem Trend der Entwertung europäischer Grund- und Menschenrechte und der Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze entschieden entgegenzustellen, signalisiert die Regierung mit ihrer Position die Bereitschaft, diesen Weg um jeden Preis mitzugehen. Damit gerät sie in eklatanten Widerspruch zu zentralen Versprechen des Koalitionsvertrags.(1)

Durch die beabsichtigte Zustimmung der Regierung zu verpflichtenden Grenzverfahren ist zu erwarten, dass Standards bei der Prüfung von Schutzgesuchen in der EU so stark abgesenkt werden, dass keine fairen Verfahren mehr zu erwarten sind – zumal diese in Kombination mit der Anwendung des Konzepts der “Fiktion der Nicht-Einreise" absehbar unter Haft oder haftähnlichen Bedingungen erfolgen werden. Unterstützt die Ampel-Koalition die Absenkung der Anforderungen an sogenannte „sichere Drittstaaten”, bricht sie ihr Versprechen, jedes Asylgesuch inhaltlich zu prüfen. Asylanträge könnten so pauschal als unzulässig abgelehnt und Schutzsuchende ohne inhaltliche Prüfung ihres Schutzbegehrens in einen Drittstaat abgeschoben werden. Das bedeutet einen Rückzug aus dem Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union, vergleichbar mit dem deutschen Asylkompromiss vor dreißig Jahren.

Die aktuellen Reformvorschläge rütteln nicht nur an den Grundfesten des Rechtsstaates, sondern werden auch bereits existierende Probleme des europäischen Asylsystems noch verschärfen. Die Verantwortung für die Durchführung von Asylverfahren bliebe weitgehend bei den Außengrenzstaaten, was schon jetzt zu ihrer Überlastung und der Nichtanwendung von bestehenden Regelungen, zu starken Verzögerungen beim Zugang zum Schutz sowie zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führt. Lediglich geringfügige Veränderungen an einem dysfunktionalen System können daran nichts ändern. Stattdessen sollte lieber durch Deutschland mit Nachdruck an einer solidarischen Aufnahme von Ankommenden in der EU gearbeitet werden, welche die Rechte und Bedürfnisse der Schutzsuchenden stärker in den Mittelpunkt stellt.

Im Vorfeld des kommenden Treffens der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 appellieren wir an die Bundesregierung, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen:

  1. Für menschenwürdige und faire Asylverfahren: Keine verpflichtenden Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen!
  2. Für  Flüchtlingsschutz  in  der  Europäischen  Union:  Keine  Absenkung  der Anforderungen an “sichere Drittstaaten”!
  3. Für echte Solidarität in der Flüchtlingsaufnahme: Keine Weiterführung des gescheiterten Dublin-Systems!
     

Menschenwürdige und faire Asylverfahren statt verpflichtende Grenzverfahren

Die Ausweitung der Grenzverfahren, die mit dem Vorschlag der Asylverfahrensverordnung verpflichtend werden sollen, lässt erwarten, dass sich die humanitären Missstände an den EU- Außengrenzen noch verschärfen und der Flüchtlingsschutz durch absehbare Verfahrensmängel weiter untergraben wird. Schon heute sind Asylverfahren an den Grenzen mit systemischen Mängeln behaftet. In den geschlossenen Lagern auf den griechischen Inseln beispielsweise besteht weder eine ausreichende medizinische Versorgung noch haben Anwältinnen und Anwälte gesicherten Zugang zu den Menschen. Die Qualität und damit die Rechtssicherheit der Verfahren leiden, wenn Personen innerhalb kürzester Zeit und unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Fluchtgründe vortragen müssen. Das Erzählen einer Verfolgungsgeschichte bedarf des Vertrauens und eines geschützten Raumes – dies ist in Grenzverfahren in der Regel nicht möglich.

In Kombination mit der Fiktion der Nicht-Einreise werden Grenzverfahren zudem voraussichtlich zu Inhaftierungen an den EU-Außengrenzen führen. Dass die Bundesregierung Minderjährige von der Haft ausnehmen will, ist zu begrüßen, reicht jedoch nicht. Denn die Inhaftierung von Schutzsuchenden allein aufgrund ihres Schutzgesuches ist menschenrechtlich grundsätzlich nicht hinnehmbar, auch und insbesondere, weil dies gegen die Grundfeste der Genfer Flüchtlingskonvention verstößt.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, gegen die Einführung von verpflichtenden Grenzverfahren zu stimmen.(2)

Flüchtlingsschutz in der EU sicherstellen – keine Auslagerung in Drittstaaten

Die größte Gefahr für den Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union liegt in dem Vorschlag, die Anwendung des Konzepts von „sicheren Drittstaaten“ auszuweiten und die Anforderungen hinsichtlich des anzuwendenden Schutzes im Drittstaat abzusenken. Schutzsuchende könnten dann ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in ein außereuropäisches Land abgeschoben werden, in dem sie möglicherweise nicht in allen Landesteilen sicher sind oder zu dem sie gar keine Verbindung haben. Flüchtlingsschutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention müsste dort ebenfalls nicht gewährt werden – nach der deutschen Position soll der Schutz zwar im Wesentlichen der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen und eine Verbindung zu dem Land soll bestehen, gemäß anderer im Rat diskutierter Vorschläge liegen die Anforderungen an den Schutz jedoch weit unter diesem Niveau. Setzt sich ein solcher Vorschlag durch, wird dies voraussichtlich massiv die Gefahr völkerrechtswidriger Kettenabschiebungen in Herkunftsländer wie Syrien oder Afghanistan erhöhen.

Ein Missbrauch des Konzepts der “sicheren Drittstaaten”, der Menschen mit ernstzunehmenden Schutzgründen von der inhaltlichen Asylprüfung von vornherein ausschließt, lässt sich bereits unter den derzeitigen viel strengeren Vorgaben beispielsweise in Griechenland beobachten.(3)

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, gegen eine Erweiterung des Konzepts der “sicheren Drittstaaten” zu stimmen.

Echte Solidarität statt Weiterführung eines gescheiterten Systems

Die anhaltende Solidaritätskrise innerhalb der EU und die unfairen Zuständigkeitsregelungen der Dublin-Verordnungen – insbesondere das Ersteinreisekriterium – führen   dazu, dass Mitgliedstaaten  bestehende  Regelungen  nicht  anwenden  und  versuchen,  immer  mehr Verantwortung an Nicht-EU-Länder auszulagern. Die aktuellen Reformvorschläge verstärken die Schwachstellen des gescheiterten Zuständigkeitssystems. Das gilt auch für den deutschen Vorschlag, die Zeit für eine innereuropäische Rücküberstellung an den zuständigen Mitgliedstaat von sechs auf zwölf Monate zu verdoppeln. Derartige Vorschläge verlegen mehr Verantwortung auf die Außengrenzstaaten und sind unsolidarisch. Vor allem gehen sie hauptsächlich zu Lasten der Schutzsuchenden, die noch länger auf die inhaltliche Prüfung ihres Asylantrags in der EU warten müssen. Anstatt ein dysfunktionales System neu aufzulegen, sollte an einem tatsächlich solidarischen Aufnahmemechanismus gearbeitet werden. Entscheidend für einen neuen Mechanismus der Verantwortungsteilung ist aber, dass sich sowohl die einzelnen EU- Mitgliedstaaten als auch die Schutzsuchenden darin wiederfinden können. Er muss auch die Interessen und Verbindungen der betroffenen Menschen berücksichtigen und nach Anerkennung des Schutzgesuchs innerhalb der EU frühestmöglich Freizügigkeit erlauben.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, gegen eine Weiterführung des derzeitigen Dublin-Systems und für eine solidarische Aufnahme in allen Mitgliedstaaten der EU, die auch die Bedürfnisse der Betroffenen stärker in den Blick nimmt, zu stimmen.

Fußnoten

(1) Dort heißt es: „Wir wollen die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden”, „Wir wollen bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren und bei der Integration in den EU-Staaten“,„Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden.

(2)  Im Übrigen würde eine staatliche Verpflichtung, Grenzverfahren einzuführen, auch eine komplette Neuregelung des im Aufenthaltsrecht verankerten deutschen Flughafenverfahrens nach sich ziehen, inklusive einer Neubewertung, ob für das Flughafenverfahren ein Haftantrag erforderlich ist.

(3) Siehe Offener Brief von 15 NGOs an die griechischen Asylbehörden, die Minister für Migration und Asyl und für Auswärtige Angelegenheiten sowie die EU-Kommission: “European Commission dispels Greece’s designation of Türkiye as a “safe third country” for refugees – Repeal the national list of safe third countries”, verfügbar unter: https://rsaegean.org/wp-content/uploads/2022/10/2022-10-27_SafeThirdCountry_CSO-Letter-1.pdf.

 

Unterzeichnende Organisationen, Stand 16.5.2023

Bundesebene

Ärzte ohne Grenzen e.V.
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
Amnesty International Deutschland e.V.
Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
AWO Bundesverband e.V.
borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
Brot für die Welt
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V.
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Caritasverband e.V.
Diakonie Deutschland
Deutscher Frauenrat e.V.
ECCHR: European Center for Constitutional and Human Rights
Equal Rights Beyond Borders e.V.
FORUM MENSCHENRECHTE – Netzwerk deutscher Menschenrechtsorganisationen
GGUA Flüchtlingshilfe e.V.
IPPNW e.V. - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
JUMEN e.V. - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland
KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
#LeaveNoOneBehind
medico international
misereor e.V.
MISSION LIFELINE International e.V.
Neue Richtervereinigung
Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.
pax christi - Deutsche Sektion e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
RESQSHIP e.V.
SOS MEDITERRANEE
r42 - Sail and Rescue Sea-Eye e.V.
Sea-Watch
Seebrücke
SOS Humanity
terre des hommes
United4Rescue – Gemeinsam retten e.V.
World Vision Deutschland e.V

Landesebene

Diakonie Baden
Diakonie Württemberg
Die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Baden
Die Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche
Diakonie Hessen. Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen- Waldeck e.V.
Evangelische Kirche im Rheinland
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
fluchtpunkt – kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge, Hamburg
Flüchtlingsräte der Bundesländer
Lippische Landeskirche
Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Zuflucht – Ökumenische Ausländerarbeit e.V.

Appell als PDF

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Europa Migration & Asyl
news-944 Tue, 16 May 2023 12:50:16 +0200 30 Jahre Holtfort-Stiftung<br />Verleihung der Holtfort-Preise für die Jahre 2021, 2022 und 2023 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/30-jahre-holtfort-stiftungverleihung-der-holtfort-preise-fuer-die-jahre-2021-2022-und-2023-944 Samstag, 10. Juni 2023. Leibnizhaus, Holzmarkt 4-6, 30159 Hannover Seit 1995 wird der Werner-Holtfort-Preis für eine juristisch und bürgerrechtlich herausragende Leistung vergeben, mit der – und sei es im Einzelfall – Bürger- und Menschenrechte verteidigt werden. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Bildung junger und der Fortbildung erfahrener Rechtsanwält*innen. Die Bildung und Fortbildung steht in der Tradition des Kampfes um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht. Förderung und Würdigung gehen miteinander einher.

PROGRAMM am 10.6.2023

11:00   Ankunft der Gäste

11:30   Begrüßung, Rechtsanwalt Benjamin Hersch, Vorsitzender der Holtfort-Stiftung

11:40   Vortrag: Erinnerungen an Werner Holtfort, Dr. Sylvia Remé, Hannover

12:00   Verleihung des Holtfort-Preises an die drei Preisträger*innen

Preisträger*innen 2021
Refugee Law Clinics Deutschland e.V., Hamburg
Laudatio: Waltraut Verleih, Rechtsanwältin und Mediatorin (RAV e.V.), Frankfurt/M.

Preisträger*innen 2022
Lawyers4Future e.V., Berlin
Laudatio: Prof. Dr. Claudio Franzius, Universität Bremen, Professur für Öffentliches Recht, insbes. Verwaltungsrecht und Umweltrecht, Bremen

Preisträger*innen 2023
Inhaftierte iranische Anwaltskolleg*innen Mostafa Nili | Arash Keykhosravi | Amirsalar Davoudi | Mohammad Najafi | Saeid Ataei Kachooei | Giti Šafi'i, alle Iran
Laudatio: Rechtsanwältin Nasrin Karimi (RAV e.V.), Berlin

12:20   Erwiderung der Preistragenden

12:40   Schlusswort, Prof. Dr. Christian Wolf (Ko-Vorsitzender der Holtfort-Stiftung)

13:00   Buffet und Ausklang des Tages (16:00 Uhr)

Moderation: Dr. Lukas Theune (RAV e.V.), Berlin

Kontakt:
Volker Eick: volker.eick@rav.de, mobil: 01522.1614 306
Benjamin Hersch: hersch@kanzlei-moeckernkiez.de, mobil: 0163.2535687

Termin und Ort
Samstag, 10. Juni 2023
Leibnizhaus, Holzmarkt 4-6, 30159 Hannover

Anreise: Vom Hauptbahnhof: Nehmen Sie die U-Bahnen 3, 7 oder 9 (Richtung Wettbergen, Empelde) und steigen Sie an der 2. Station (Markthalle/ Landtag) aus. Verlassen Sie die U-Bahn-Station in Richtung Marktkirche. Gehen Sie nach der Marktkirche links in die Kramerstraße. Am Ende der Straße finden Sie den Holzmarkt, den Brunnen und die historische Fassade des Leibnizhauses.

Bitte beachten Sie, dass die Deutsche Bahn AG Reparaturarbeiten an der Verbindung nach Hannover aus Richtung Osten und Norden vornimmt; prüfen Sie daher bitte die aktuellen Fahrverbindungen!

Informationen zu den preistragenden Organisationen und Personen können dieser PDF entnommen werden

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Veranstaltungen Holtfort-Preis
news-943 Fri, 12 May 2023 12:45:53 +0200 Präsentation des Grundrechte-Reports 2023 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/praesentation-des-grundrechte-reports-2023-943 Presseeinladung, 23.5.23 um 10h in Berlin Die Teilnahme an der Präsentation ist per Videokonferenzsystem oder im Haus der Demokratie, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, möglich. Um eine vorherige Anmeldung bei der Teilnahme im Haus der Demokratie wird gebeten.
grr@humanistische-union.de

Der Grundrechte-Report 2023 thematisiert verfassungsrechtlich relevante Fragen aus dem vergangenen Jahr, die zugleich von aktueller Bedeutung sind. Hierzu gehören grundrechtliche Auswirkungen der Maßnahmen anlässlich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die wachsende Armut in Deutschland. Darüber hinaus werden im Report tödliche Polizeigewalt, rassistische Polizeikontrollen und Grundrechtsverletzungen an geflüchteten Menschen thematisiert sowie Einschnitte in die informationelle Selbstbestimmung und Probleme in der deutschen Justiz besprochen.

Vorgestellt wird der Report in diesem Jahr von Susanne Baer, die bis Anfang des Jahres Richterin des Bundesverfassungsgerichts war. Sie ist Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Eine Aktivist*in der „Letzten Generation“ wird von ihren Erfahrungen mit dem staatlichen Umgang mit Aktionen der Klimaaktivist*innen berichten. Die exzessive Verhängung von Präventivgewahrsam gegen Klimaaktivist*innen etwa in Bayern wird im Grundrechte-Report als nicht mehr mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar kritisiert.

Für die Redaktion des Grundrechte-Reports wird Benjamin Derin sprechen. Er ist Rechtsanwalt und Mitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV).

Die Mitherausgeberin des Grundrechte-Reports Lea Welsch wird als Teil der Redaktion die Präsentation moderieren. Sie ist Rechtsanwältin und Mitglied des Bundesvorstandes der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ).

Seit mehr als fünfundzwanzig Jahren erscheint der „Grundrechte-Report: Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland“. Die 38 Einzelbeiträge im 27. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2022. Der Report analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

Informationen zur Teilnahme und Möglichkeiten für Fragen an das Podium: Bei Interesse an einer Teilnahme an der Videokonferenz oder im Haus der Demokratie (begrenzte Kapazität), melden Sie sich bitte bis zum 22. Mai 2023 an unter grr@humanistische-union.de.

Rezensionsexemplare (auch als Pdf) zu Pressezwecken können vorab über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an die Geschäftsführerin der HU, Carola Otte, unter 030 -2045 0256 oder info@humanistische-union.de.

Grundrechte-Report 2023 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland (FISCHER Taschenbuch Verlag). Herausgegeben von: Rolf Gössner, Rosemarie Will, Britta Rabe, Benjamin Derin, Wiebke Judith, Sarah Lincoln, Lea Welsch, Rebecca Militz, Max Putzer, Rainer Rehak.

ISBN 978-3-596-70882-6

Der Grundrechte-Report 2023 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte

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Grundrechte
news-942 Tue, 09 May 2023 16:33:01 +0200 Erklärung des RAV aus Anlass des Flüchtlingsgipfels am 10.5.23 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/erklaerung-des-rav-anlaesslich-des-fluechtlingsgipfels-am-10523-942 Pressemitteilung 3/23 vom 9.5.23 Wir lehnen die de facto Abschaffung des Asylrechts durch die Ampel ab.

Mit den Beschlussvorschlägen zum Europäischen Asylrecht aus dem Bundeskanzleramt bricht die Ampelkoalition mit dem bisherigen Konsens der Politik in Deutschland nach 1945.
Die Lehre aus dem Faschismus war die Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 16a Grundgesetz.

Nun ist die einzige Antwort der Ampel:
- Abschottung nach Außen,
- Ausweitung der Repression in Hinblick auf Ankerzentren und
- Abschiebehaft im Inneren.

Es geht hier nicht um Ideologie, sondern um unsere Unmenschlichkeit, die sich zeigt im Umgang mit Schutzsuchenden.
Es geht hier darum, dass wir das Recht beliebig relativieren, je nachdem, wer es in Anspruch nimmt.

Dieses Unrecht greift die Grundlagen unserer Gesellschaft an. Kein Kompromiss kann dies rechtfertigen. Es ist Zeit, andere Wege zu gehen, statt immer wieder gescheiterte Abschottungsstrategien zu verfolgen.

Zum morgigen Flüchtlingsgipfel fordern wir ein Ende der Zwangskasernierung von schutzsuchenden Menschen und die Streichung der Arbeitsverbote. Statt Symbolpolitik, wie die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, braucht es einen Aufbruch, der die Unteilbarkeit der Welt und die nicht nach Herkunft und Identität relativierte Menschenwürde ins Zentrum politischen Handelns rückt.

Die Vertretung von egoistischen Partikularinteressen und staatliche Aufrüstung, Gewalt und Abschottung von Schutzsuchenden ist eine rückwärtsgewandte Politik, die wir ablehnen.

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Interviewanfragen können über die Geschäftsstelle vermittelt werden: 030.417 235 55 / kontakt@rav.de

PM als PDF

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-940 Tue, 04 Apr 2023 16:14:32 +0200 Recht für alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-solidarische-rechtskaempfe-in-krisenzeiten-2-940 Rechtspolitischer Kongress, 16./17.6.23 in Leipzig Wir laden alle Kolleg*innen, Jurist*innen und rechtspolitisch interessierte Menschen ein, mit uns gemeinsam zwei Tage lang zu diskutieren, sich auszutauschen und zu feiern.

Alle Informationen finden sich auf dieser RAV-Kongress-Website: https://www.rav-kongress.de/

Beginnen wollen wir am Freitagabend mit einer Auftaktveranstaltung, auf der wir uns – auch anhand der Geschichte des RAV – mit der Entwicklung emanzipatorischer Rechtskämpfe beschäftigen wollen. Ende der 70er Jahre, als der RAV gegründet wurde, ging es in erster Linie um juristische Abwehrkämpfe gegen staatliche Zumutungen und Sanktionen, um den Kampf für eine freie Advokatur und gegen die Einschränkung individueller Freiheitsrechte. Und wo stehen wir heute, was hat sich mittlerweile verändert? Angesichts etwa der zunehmenden sozialen Ungleichheit und der Zuspitzung der Klimakrise sehen wir uns immer mehr in einem Selbstverständnis und einer Rolle, bei der es um die Notwendigkeit des Gestaltens und des Durchsetzens von kollektiven Rechten, des solidarischen Kampfes um Rechte und Teilhabe an Rechten für alle geht. Neben die Abwehr staatlicher Eingriffe und Übergriffe tritt proaktiv, dass wir Erwartungen an den Staat haben und eigene Forderungen stellen.

Am Kongress-Samstag wollen wir in verschiedenen Formaten, hauptsächlich interaktiven Workshops, aktuelle Rechtskämpfe um das Recht und den Zugang zum Recht sichtbar machen, unsere Rollen und Bündnisse reflektieren, uns austauschen und für gemeinsame Kämpfe vernetzen. 

In insgesamt 24 Workshops und anderen Gesprächsformaten geht es um feministische Rechtskämpfe, Antidiskriminierung und Zugang zum Recht, Migrationsrecht und institutionalisierten Rassismus, Rechtskämpfe außerhalb der Bundesrepublik, Strategien gegen entgrenzte Staatsgewalt, Perspektivenwechsel auf das Recht, anwaltliche Arbeit und soziale Bewegungen sowie anwaltliche politische Vernetzung, aber auch Streikrecht, die juristische Ausbildung, Berufsverbote, Strafvollzug und gendergerechte Sprache. Die Workshops werden von kritischen Jurist*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, juristischen Aktivist*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen gemeinsam angeboten.

Und am Samstagabend soll sich der Kreis in einer weiteren größeren Diskussion schließen. Hier wollen wir uns – ausgehend von der beschriebenen Entwicklung von einem Abwehrkampf für den Erhalt individueller Freiheitsrechte zu offensiven Forderungen für ein solidarisches Recht – mit der Entwicklung eines (Menschen-)Rechtsverständnisses beschäftigen, welches nicht stehen bleibt bei rein individuellen Schutzrechten für den*die Einzelne*n, sondern kollektive Forderungen nach Teilhabe, nach Gleichstellung und Antidiskriminierung sowie dem Schutz der Lebensgrundlagen für alle erhebt und dazu beiträgt, strukturelle Veränderungen zu bewirken.

Jetzt anmelden! Wir freuen uns auf Euch!

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RAV Veranstaltungen
news-937 Wed, 22 Mar 2023 17:46:00 +0100 RAV übernimmt Patenschaft für iranischen Menschenrechtsanwalt<br />Wir setzen uns für die Freiheit von Amirsalar Davoudi ein /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-uebernimmt-patenschaft-fuer-iranischen-menschenrechtsanwaltwir-setzen-uns-fuer-die-freiheit-von-amirsalar-davoudi-ein-937 Pressemitteilung 2/23 vom 20.3.2023 Amirsalar Davoudi ist einer der renommiertesten iranischen Rechtsanwälte, der sich gegenwärtig in Haft befindet. Er hat eine Vielzahl von politischen Gefangenen vor Gericht verteidigt. In seinen Schriften und Vorträgen, die in Zeitschriften, auf Webseiten und in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden, hat er das Justizsystem und die Politik des Islamischen Regimes in Teheran kritisiert sowie für Bürger*innen- und Menschenrechte gestritten.

15 Jahre Haft wegen Einsatz für die Menschenrechte

Amirsalar Davoudi wurde am 20. November 2018 festgenommen und im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert. Am 31. Mai 2019 wurde er vom Islamischen Revolutionsgericht in Teheran zu 15 Jahren Haft, 111 Peitschenhieben, einer hohen Geldstrafe und zwei Jahren Entzug aller sozialen Bürgerrechte verurteilt. Nachdem er im Juni 2021 – nach zwei Jahren und sieben Monaten in Haft – vorübergehend auf Kaution freigelassen wurde, ließ ihn das Regime am 26. Juni 2022 erneut verhaften. Er konnte sich nicht von seiner Frau und seiner Tochter verabschieden.

Der RAV fordert, Amirsalar Davoudi und alle anderen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die im Iran inhaftiert sind, freizulassen. Unser Kollege Davoudi steht stellvertretend für eine Vielzahl von Kolleg*innen, die vom iranischen Regime wegen ihres Einsatzes für ihre Mandant*innen und für die Menschenrechte verfolgt und eingesperrt sind. Zurzeit befinden sich neben Davoudi noch sechs weitere Rechtsanwält*innen – die Kolleg*innen Arash Kaykhosravi, Mostafa Nili, Saeid Ataei Kachooei, Mohammad Najafi und Giti Shafi’i – im Gefängnis (Stand 28. Februar 2023). Auch deren Freilassung fordert der RAV. Unsere Forderungen werden wir gegenüber dem iranischen Justizministerium und der iranischen Botschaft vertreten.

Zum Hintergrund

Unser Kollege Amirsalar Davoudi wurde am 21. Juni 1981 geboren. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.
Er ist Mitglied der Iranischen Anwaltskammer (Iranian Bar Association, IBA) sowie der Menschenrechtskommission der Teheraner Anwaltskammer. Davoudi hat zahlreiche politische Angeklagte verteidigt, darunter die Frauenrechtlerin Aliyeh Motallebzadeh und Angehörige der Bahá’í-Gemeinde, die aufgrund ihrer Religion im Iran verfolgt und diskriminiert werden.
Zu seinen Mandant*innen gehörte auch der zunächst zum Tode verurteilte und später zu jahrelanger Haft verurteilte Journalist und Blogger Soheil Arabi, dem vorgeworfen wurde, er habe sich durch gewisse Äußerungen der Häresie schuldig gemacht und sei vom islamischen Glauben abgefallen. In den letzten Jahren vor seiner Inhaftierung wurde Davoudi zu einem der bedeutendsten Anwälte im Iran.
Seine Tätigkeit ging über die Verteidigung der Rechte seiner Mandant*innen weit hinaus. In den sozialen Netzwerken klärte Amirsalar Davoudi die iranische Bevölkerung über ihre Bürger*innenrechte auf und bot Beratungen an. Zudem äußerte er sich kritisch zur Todesstrafe und zur iranischen Justiz. Vor allem seine Veröffentlichungen wurden zum Anlass für seine Verfolgung und Verurteilung genommen.

Verhaftung von Amirsalar Davoudi

Davoudi wurde im November 2018 von Geheimdienstagenten in seinem Büro verhaftet und ins Evin-Gefängnis verbracht. Am 31. Mai 2019 wurde er vom Islamischen Revolutionsgericht in Teheran wegen »Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten«, »Bildung einer Gruppe zum Umsturz der Ordnung« und »Beleidigung der Staatsgewalt« zu 15 Jahren Haft, 111 Peitschenhieben, einer Geldstrafe von 60 Millionen Rial (mit Stand 2021: ca. 1.500 Dollar) und zwei Jahren Entzug aller sozialen Bürgerrechte verurteilt. Der Entzug aller sozialen Bürgerrechte bedeutet, dass es ihm verboten ist, für politische Ämter zu kandidieren oder in Bildungs- oder journalistischen Institutionen beschäftigt zu sein.
Am 13. April 2021 wurde Davoudi ins Gohardasht-Gefängnis in Karaj verlegt. Einen Tag später akzeptierte der Oberste Gerichtshof einen Antrag Davoudis auf Wiederaufnahme des Verfahrens, woraufhin er am 13. Juni 2021 gegen Zahlung einer Kaution von 20 Milliarden Rial (Stand 2021, ca. 470.000 Dollar) vorübergehend freigelassen wurde. Davoudi wurde am 26. Juni 2022 erneut verhaftet, er durfte sich nicht von seiner Frau oder Tochter verabschieden. Sein Wiederaufnahmeantrag wurde abgelehnt, das ursprüngliche Urteil bestätigt.

Haftbedingungen

Zu Beginn seiner Haft wurde Davoudi kein Rechtsbeistand gewährt, und er wurde sechseinhalb Monate in Einzelhaft gehalten. Erst später wurde er mit drei weiteren Gefangenen in einer kleinen Zelle zusammengelegt. Auch der Kontakt zu seiner Familie wurde während seiner Inhaftierung radikal unterbunden, so hatte er bis zu seinem Prozess keinen persönlichen Kontakt zu seiner Ehefrau oder Tochter.
Um den Druck auf den Menschenrechtsanwalt zu erhöhen und mehr über seine Arbeit herauszufinden, wurde auch seine Frau verhört. Am 9. Februar 2020 wandte Davoudi sich in einem Offenen Brief an die iranische Bevölkerung und kündigte an, in einen Hungerstreik zu treten, um auf seine Rechte als politischer Gefangener aufmerksam zu machen und gegen die Ablehnung seines Antrags auf Hafturlaub zu protestieren. Davoudi beendete seinen Hungerstreik am 19. Februar 2020, Hafturlaub wurde ihm nicht gewährt. Am 17. März 2021 begann der Anwalt einen erneuten Hungerstreik aus Protest gegen die vermehrte Verlegung politischer Gefangener in normale Gefängnisse, in denen Familienbesuche noch größeren Einschränkungen unterliegen.

Amirsalar Davoudi ist kein Einzelfall

In den letzten Jahren wurden mehrere unserer Kolleg*innen von der Justiz des Irans verhaftet und verurteilt. Unter den Verurteilten finden sich u. a. die Namen von Nasrin Sotoudeh und Mohammad Najafi. Die beiden Anwält*innen wurden zu je 12 bzw. 14 Jahren Haft verurteilt, weil sie die Rechte von politischen Gefangenen vertreten haben.
Uns sind die Namen von 66 weiteren Kolleg*innen bekannt, die in den letzten Jahren im Iran wegen ihres Einsatzes für ihre Mandant*innen und für die Menschenrechte verhaftet worden sind. Auch wenn der Großteil wieder entlassen wurde, zeigt diese Praxis der iranischen Repressionsorgane, wie gefährdet die Arbeit unserer Kolleg*innen ist.

Kontakt: Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und RAV-Vorstandsvorsitzender: info@dka-kanzlei.de oder Tel. 030-446 79 20

Die Patenschaft ist mit Unterstützung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (www.igfm.de) entstanden.

Die Pressemitteilung als PDF

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Iran Bürger- und Menschenrechte
news-939 Wed, 22 Mar 2023 17:37:34 +0100 "Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-solidarische-rechtskaempfe-in-krisenzeiten-1-939 Rechtspolitischer Kongress des RAV am 16./17. Juni 2023 in Leipzig; Save the date Ob Du für eine Nichtregierungsorganisation arbeitest, Rechtsanwält*in oder Aktivist*in bist oder noch in der juristischen Ausbildung steckst - wir laden alle interessierten Personen herzlich ein, mit uns gemeinsam zwei Tage lang zu diskutieren, sich fortzubilden, zu vernetzen und auch zu feiern.

Beginnen wollen wir am Freitagabend mit einer Auftaktveranstaltung, auf der wir uns – auch anhand der Geschichte des RAV – mit der (Fort)Entwicklung emanzipatorischer Rechtskämpfe beschäftigen.

Ende der 70er Jahre, als der RAV gegründet wurde, ging es in erster Linie um juristische Abwehrkämpfe gegen staatliche Zumutungen und Sanktionen, um den Kampf für eine freie Advokatur und gegen die Einschränkung individueller Freiheitsrechte.

Wo stehen wir heute, was hat sich mittlerweile verändert? Angesichts etwa der zunehmenden sozialen Ungleichheit und der Zuspitzung der Klimakrise sehen wir uns als RAV immer mehr in einem Selbstverständnis und einer Rolle, bei der es um die Notwendigkeit des Gestaltens und des Durchsetzens von kollektiven Rechten, des solidarischen Kampfes um Rechte und Teilhabe an Rechten für alle geht. Neben die Abwehr staatlicher Eingriffe und Übergriffe tritt proaktiv, dass wir Erwartungen an den Staat haben und eigene Forderungen stellen.

Was für ein Programm erwartet Dich genau?

Nach dem Auftakt am Freitagabend wollen wir am Kongress-Samstag in insgesamt 24 interaktiven Workshops und Gesprächsformaten aktuelle Rechtskämpfe um das Recht und den Zugang zum Recht sichtbar machen, unsere Rollen und Bündnisse reflektieren, und uns für gemeinsame Kämpfe vernetzen.
Die Themen beinhalten u.a.:

Die Workshops und Panels werden von kritischen Jurist*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, juristischen Aktivist*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen gemeinsam angeboten.

Am Samstagabend soll sich der Kreis in einer weiteren größeren Diskussion schließen. Hier wollen wir uns - ausgehend von der beschriebenen Entwicklung von einem Abwehrkampf für den Erhalt individueller Freiheitsrechte zu offensiven Forderungen für ein solidarisches Recht - mit der Entwicklung eines (Menschen-)Rechtsverständnisses beschäftigen, welches nicht stehen bleibt bei rein individuellen Schutzrechten für den*die Einzelne*n, sondern kollektive Forderungen nach Teilhabe, nach Gleichstellung und Antidiskriminierung sowie dem Schutz der Lebensgrundlagen für alle erhebt und dazu beiträgt, strukturelle Veränderungen zu bewirken.

Im Anschluss an diese Veranstaltung werden wir den Kongress mit einer ausgelassenen Party beenden.

Unter http://www.rav-kongress.de findest Du bald (geplant ist Ende März und Anmeldungen ab 6. April) weitergehende Infos zum Programm, Ort, der Anmeldung u.v.m.

Wir freuen uns auf Deine Teilnahme!

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RAV Veranstaltungen
news-938 Mon, 20 Mar 2023 13:00:00 +0100 Joint declaration on the 7th year of EU-Turkey Statement /publikationen/mitteilungen/mitteilung/joint-declaration-on-the-7th-year-of-eu-turkey-statement-938 18.3.2023 March 18 2023 marks the 7th anniversary of the 2016 EU-Turkey Statement. In 2016, Turkey assumed the role of the European Union’s border guard. It received billions of Euros from the EU on the condition that it held migrants in Turkey and received those who were deported back. Turkey, however, did not hesitate to exploit this position, using migrants as a threat and, when necessary, as leverage against the EU.

On February 6 2023, following the earthquakes in Turkey, living conditions for migrants have deteriorated. Increasing racism has led to violent attacks against migrants; for this reason, the earthquake-affected areas can no longer be considered safe for migrants. As aid policies have excluded migrants from the relief system, migrants have difficulties accessing even basic necessities such as drinking water or shelter. Migrants have been labeled as "looters", and there have been reports that members of Arabic-speaking communities in the region have been the target of racially-motivated mob attacks. Representatives of the Turkish state publicly use anti-migrant rhetoric and promote racist sentiment. Further, migrants who survive the attacks may be tortured by law enforcement officers, as has been reported by legal and rights-based organizations working in the region.

The February 6 earthquake affected at least 10 cities in Turkey. These cities also host the highest percentage population of migrants compared to the local population. Migrants, who already constitute one of the most vulnerable sectors of society due to their socioeconomic status, are among the most mistreated subjects post-earthquake. As early as the second day of the earthquake, when thousands of people were still struggling to survive while trapped under the rubble, fake news with a racist, anti-migrant agenda was circulated by government agencies and representatives of political parties. This openly threatened migrants who had survived the earthquake. Not only did state representatives fail to take any precautions to ensure the safety of migrants, they also failed to take the necessary steps to transfer migrants to other cities. Migrants cannot travel outside their registered cities without travel permits and the lack of issuance of these permits left thousands of people stranded in the aftermath of the disaster. By the beginning of March there were still people in the earthquake zone who could not find a tent, while nightly temperatures dropped below zero. This fact reveals that Turkey has consistently avoided fulfilling its obligation to protect the migrant population.

On the other side of Europe’s border, the Greek Coast Guard and Frontex (the EU’s Border Protection Agency), with bloated budgets increasing further every year, are building up the walls of Fortress Europe, threatening people’s lives by pushing migrants back to Turkey. In Greece, the islands that are close to the Anatolian peninsula are defined as ‘hotspots’ where exceptional procedural rules apply. Here, migrants are portrayed as a threat to the existence of Greece itself. Migrants who do manage to reach these islands after surviving pushback incidents face difficulties in accessing the asylum procedure and health care, and are forced to live in camps that operate as open-air prisons, far from city centers. Many migrants' applications for international protection are rejected on the grounds that Turkey is a safe third country, citing the EU-Turkey Statement, which also turned the islands into de facto open-air prisons for people who are not permitted to leave. Moreover, in the Greek border camps, from the EU-Turkey Statement until today, many people have lost their lives trapped there, with no accountability from the Greek state and no change in migration policy. On the contrary, the Greek state with the (political and financial) support of the EU is opening new camps. In Greece, the people are being incited against migrants by media and political networks – just as in Turkey. In Greece, the government criminalizes migrants and people who work or stand in solidarity with migrants, launching absurd criminal investigations and convicting people in trials without evidence. By applying criminal provisions on espionage, smuggling and human trafficking, Greece reproduces yet again the climate of fear, which is already well established in Turkey through the extensive use of ‘anti-terror’ legislation.

We, the undersigned organizations, declare that policies of border externalization, and of turning migrants into a cheap labor force, should be stopped immediately. We are against the use of migrants as leverage in domestic and international politics.

We underline that the externalization statements signed between the EU and Turkey or North African countries are against international law. These externalization statements should be immediately revoked, as they violate the responsibilities of the parties to the 1951 Convention Relating to the Status of Refugees.

We, the undersigned organizations, demand:


 

Academics for Peace / Germany (Barış İçin Akademisyenler Almanya)
Adalet İçin Hukukçular / Lawyers for Justice
Agora Association Izmir (Turkey)
ASGI - Association for Juridical Studies on Immigration
Asociación Americana de Juristas
Association for Mutual Support and Solidarity with Migrants (Göçmen Yardımlaşma ve Dayanışma Derneği) (Turkey)
Avukat Dayanışması / Lawyer solidarity
Campaign Against Criminalising Communities (CAMPACC)
Center for Research and Elaboration on Democracy/Group of International Legal Intervention (CRED/GIGI)
Civic Space Studies Association (Sivil Alan Araştırma Derneği - Türkiye)
Community Peacemakers Teams (CPT) (Greece)
Confederation of European Alevi Unions (Avrupa Alevi Birlikleri Konfederasyonu)
Confederation of Lawyers of Asia & Pacific (COLAP)
Confederation of Public Employees' Trade Unions (Kamu Emekçileri Sendikaları Konfederasyonu - KESK) (Turkey)
de:border | migration justice collective (Netherlands)
Democratic Alevi Associations (Demokratik Alevi Dernekleri - DAD) (Turkey)
Democratic Lawyers Association of Bangladesh (DLAB)
Demokrasi İçin Hukukçular / Lawyers for democracy
Demokratische Jurist*innen Schweiz
Diotima - Centre for Gender Rights & Equality (Greece)
Doug Nicholls, General Secretary, General Federation of Trade Unions
European Democratic Lawyers (AED)
European Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH)
Feminist Autonomous Centre for research (FAC)
Foundation for Society and Legal Studies (Toplum ve Hukuk Araştırmaları Vakfı - TOHAV) (Turkey)
Giuristi Democratici (Italy)
Göç Araştırmaları Derneği (Association for Migration Resarch - Turkey)
Haldane Society of Socialist Lawyers
Hubyar Sultan Alevi Cultural Association (Hubyar Sultan Alevi Kültür Derneği) (Turkey)
I Have Rights, Samos (Greece)
International Association of Democratic Lawyers (IADL)

International Federation for Human Rights (FIDH)
Iran of the World
Iuventa-Crew
İnsan Hakları Derneği - İHD (Human Rights Association) (Turkey)
Kadın Zamanı Derneği (Women's Time Association / Turkey)
Kadınlar Birlikte Güçlü Platformu - KBG (Women Are Stronger Together Platform - Istanbul) (Turkey)
Kartal hukukçular derneği
La Garriga Societat Civil (Catalunya)
Lawyers Association for Freedom (Özgürlük İçin Hukukçular Derneği - ÖHD) (Turkey)
Legal Center Lesvos (Greece)
Lesvos LGBTQI+ Refugee Collective
MAYA Eğitim Kültür Araştırma Yardımlaşma ve Dayanışma Derneği (Maya Association for Education, Culture, Research, Solidarity and Cooperation)
Media and Law Studies (Medya ve Hukuk Çalışmaları Derneği) (Turkey)
Medya ve Göç Derneği (The Media and Migration Association (MMA) - Turkey
Migrant Solidarity Network / Ankara (GDA / Ankara)
Mültecilerle Dayanışma Derneği (Association for Solidarity with Refugees) (Turkey)
National Union of People's Lawyers of the Philippines (NULP)
Observatori DESC, Cátedra UNESCO de desarrollo humanos sostenible (Universidad de Girona)(Catalunya)
ÖDAV / Libertarian democrat lawyers
Pembe Hayat LGBTİ+ Dayanışma Derneği (Pink Life LGBTİ+ Solidarity Association-Turkey)
People's Bridges (Halkların Köprüsü) (Turkey)
Pir Sultan Abdal Cultural Association (Pir Sultan Abdal Kültür Derneği) (Turkey)
Progressive Lawyers Association (Çağdaş Hukukçular Derneği - ÇHD) (Turkey)
Progrssive Lawyers Group (Çağdaş Avukatlar Grubu) (Turkey)
Refugee Legal Support Athens
Refugees in Libya (refugeesinlibya.org)
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V (RAV)
Research Institute onTurkey (RIT)
Schweizerischer Friedensrat, Zürich
Sınırsız Kadın Dayanışması (Woman’s Solidarity Without Borders - Istanbul)
Sol Hukuk (Turkey)
Solidarité sans frontières
Sosyal Hukuk
Syndicat des avocats de France (SAF)
Tadamun Antimili (Colombia)
The Catalan association ACDDH
the Socialist Lawyers Association of Ireland
Toplumsal Hukuk (Turkey)
Transnational Migrants Coordination
Turkey Human Rights Litigation Support Project (TLSP)
Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen
We Want to Live Together Initiative (Birlikte Yaşamak İstiyoruz İnsiyatifi) (Turkey)
Yoga and Sports with Refugees

Declaration (PDF)

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EU-Türkei-Deal Migration & Asyl
news-936 Fri, 17 Mar 2023 11:59:51 +0100 Pressereferent*in (w/m/d) ab dem 2.5.2023 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/pressereferentin-w-m-d-ab-dem-252023-936 RAV-Stellenausschreibung vom 17.3.23 Der RAV sucht eine*n Pressereferent*in (w/m/d) ab dem 2.5.2023 für 15-20 Wochenstunden

Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.
Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken.
Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine notwendige Bedingung dar, um diese Aufgabe wahrnehmen zu können.

Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere

 

Wir suchen eine Person, die möglichst viele der nachfolgenden Punkte erfüllt

 

Wir bieten

 

Bewerbungsunterlagen bitten wir per E-Mail als PDF bis zum 6.4.23 an Dr. Lukas Theune (Geschäftsführer) lukas.theune@rav.de und an gs@rav.de (Geschäftsstelle) einzureichen.

Die Vorstellungsgespräche sind für den 18. und 21.4.23 in Berlin geplant.

Die Stellenausschreibung als PDF

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RAV
news-935 Tue, 14 Mar 2023 16:30:10 +0100 Entscheidung für Gewalt in Lützerath /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entscheidung-fuer-gewalt-in-luetzerath-935 Bericht über die Demonstrationsbeobachtung rund um die Räumung von Lützeratz, Januar 2023 Auf gut 50 Seite und in sieben Kapiteln – nebst Chronologie und Zusammenfassung der Ereignisse in Lützerath im Januar 2023 – berichtet hier das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. über die Polizeigewalt und das Räumungsgeschehen auf Geheiß der REW.

Der Bericht basiert auf den von insgesamt 14 Beobachter*innen im Zeitraum vom 10. bis 22. Januar 2023 in und um Lützerath gemachten Erfahrungen. Basierend auf diesen Beobachtungen, Gesprächen mit Aktivist*innen, einer umfassenden Auswertung der Medienberichterstattung und Aussagen von Polizei und Landesregierung sowie Beiträgen des Ermittlungsausschuss und Demo-Sanitäter*innen entstand so ein umfassender und aktueller Überblick zum damaligen Geschehen.

Versammlungs- und Pressefreiheit wurden buchstäblich mit den Füßen (und Pferdehufen) getreten, zahlreiche Demonstrierende ohne Not und z.T. schwer verletzt. Der polizeiliche Schwerpunkt polizeilicher Einsätze lag, so das Komitee, auf der Verletzung der Demonstrierenden: »Die Polizei kompensierte die wenigen und kurzen Gewahrsamsnahmen mit immenser Gewalt auf der Großdemonstration und während der Massenaktionen zivilen Ungehorsams«.

Angesichts der medial bis auf wenigen Ausnahmen in den Print- und TV-Medien unkritisch übernommenen Darstellungen der Polizei, die »besonnen und professionell« gehandelt haben will, eine wichtige klarstellende Publikation, der eine große Verbreitung zu wünschen ist. Allerdings, man mache sich nichts (oder wenigstens nicht allzu viel) vor, eine Repolitisierung der Proteste oder gar breitere gesellschaftliche Debatte zu Polizeigewalt und Klimaprotesten steht aus – und wird es auch zukünftig schwer haben. Diese Dokumentation macht dafür ein Angebot (ve).

Hier die Broschüre "Entscheidung für Gewalt" als PDF

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Polizeigewalt Versammlungsfreiheit Demonstrationsfreiheit
news-934 Fri, 10 Mar 2023 07:15:34 +0100 Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-weiterentwicklung-der-fachkraefteeinwanderung-934 Stellungnahme des RAV, 8.3.2023 Stellungnahme des RAV

Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat: Entwurf einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Verfasser/in: Christoph von Planta, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Migrationsrecht, Andreas Conzelmann, Rechtsanwalt  

I. Vorbemerkung

Aus Sicht des RAV enthalten die Gesetzespakete eine Vielzahl begrüßenswerter Regelungen. Positiv sehen wir insbesondere,  

 

II. Allgemeiner Handlungsbedarf im Erwerbsmigrationsrecht

Trotz der begrüßenswerten Neuregelungen sieht der RAV noch vielfachen Handlungsbedarf. Dies betrifft sowohl die geplanten Neuregelungen als auch das bereits vorhandene Normensystem, bei dem sich in der Rechtsanwendungspraxis immer Klärungs- und Verbesserungsbedarf zeigt:

1. Zugang zum Recht

Der RAV weist darauf hin, dass alle geplanten Regelungen in der Praxis nur dann funktionieren können, wenn gleichzeitig mit Priorität und schnellstmöglich Maßnahmen ergriffen werden, um für sämtliche Migrantinnen und Migranten auch den Zugang zum Recht zu gewährleisten.

Bereits aktuell weisen viele Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen unerträglich lange Wartezeiten auf. Es vergeht oft Monate, bis überhaupt ein Antrag auf Erteilung nationaler Visa gestellt werden kann. Hier sind zwar Bemühungen des Auswärtigen Amts erkennbar, diesem Missstand abzuhelfen (Schaffung des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten, zunehmende Einschaltung externer Dienstleister, einige Schritte in Richtung der Digitalisierung des Verfahrens). Dennoch sind hier noch viele dringende Maßnahmen erforderlich, um ein effizienteres und nutzerfreundlichereres Einreiseverfahren zu schaffen. Hier ist insbesondere die sichere digitale Datenübermittlung zu erwähnen.  Es dauert noch immer mehrere Wochen, bis der Postsack mit den Antragsunterlagen die zuständige Ausländerbehörde erreicht, wo die Unterlagen dann eingescannt oder abgeheftet werden.  Wichtig ist schließlich auch die Ergreifung aller möglicher Maßnahmen zur Erhöhung der lokalen Kapazitäten der Visastellen. Daneben ist zu hoffen, dass baldmöglichst flächendeckend allen Einwanderinnen und Einwanderern die digitale Visumantragstellung ermöglicht wird. Dabei ist dem RAV der Hinweis wichtig, dass trotz des nachvollziehbaren besonderen Interesses der Bundesrepublik an der Fachkräfteeinwanderung, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels nicht zulasten anderer Gruppen von Einwanderinnen und Einwanderer gehen dürfen, die in gleichem Maße auf den Zugang zum Recht angewiesen sind. Im Wege der Familienzusammenführung nach Deutschland nachziehende Menschen haben regelmäßig einen Rechtsanspruch auf Einreise und sind über Art. 6 GG besonders schutzbedürftig.

Katastrophal ist derzeit die Situation in fast allen Ausländerbehörden bundesweit. Oftmals verbarrikadieren sich die Ausländerbehörden aufgrund Überlastung, weder Anrufe noch unangekündigte persönliche Vorsprachen sind möglich, E-Mails und Schreiben bleiben teilweise über Monate oder ganz unbeantwortet, Postfächer laufen voll, Termine sind nicht oder erst viele Monate später buchbar. Dies führt immer wieder dazu, dass qualifizierte drittstaatsangehörige Fachkräfte ihre zugesagten Arbeitsplätze wieder verlieren, und teilweise frustriert das Bundesgebiet wieder verlassen.  Insbesondere in Fällen von privilegierten Staatsangehörigen der in § 41 AufenthV genannten „Best-Friends“-Staaten, die regelmäßig visumfrei einreisen und im Inland Aufenthaltstitel zur Beschäftigung beantragen, führt die Untätigkeit der Behörden oft zu großem Frust, da sie bis zum Vorsprachetermin bei der Ausländerbehörde zur Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels zur Untätigkeit verdammt sind. Den entsprechenden Personenkreis generell auf das nationale Visumverfahren zu verweisen, ist auch keine Lösung und führt vielmehr zur Doppelbelastung der Behörden.

Im Bereich der Fachkräfteweinwanderung entwickeln sich auch beschleunigte Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG immer wieder zur Farce, weil die Verfahren mangels Zugangs der Arbeitgeber zu den Behörden nicht oder erst nach mehreren Wochen überhaupt eingeleitet werden können. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass § 71 Abs. 1 S.5 AufenthG den Bundesländern die Möglichkeit offen lässt, auf die Schaffung zentraler Ausländerbehörden für die Fachkräfteeinwanderung zu verzichten, was bundesweit zu einem wenig überschaubaren Flickenteppich an für die Fachkräfteeinwanderung zuständigen Ausländerbehörden geführt hat. Die Absicht des Gesetzgebers, ausländerbehördliche Fachkompetenz in jeweils mindestens einer zentralen Ausländerbehörde zu bündeln, um einheitlichere und damit berechenbarere, transparentere und schnellere Entscheidungen zur Gewinnung der benötigten Fachkräfte zu treffen, hat sich bislang jedenfalls nur teilweise realisiert. Es wäre insbesondere im Hinblick darauf wünschenswert, dass das Arbeitsmigrationsrecht durch die vorliegenden Gesetzesnovellen erheblich umfangreicher und komplizierter werden wird, wenn der entsprechende Ansatz im Rahmen der Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wieder aufgenommen und weiterverfolgt würde.

Die vorhandenen Defizite beim Zugang zum Recht stellen bereits jetzt bei der Fachkräfteeinwanderung einen veritablen Standortnachteil im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte dar. Die neuen Aufgaben, die den beteiligten Behörden durch das geplante Gesetz und die geplante Verordnung künftig auferlegt werden sollen, werden nicht dazu führen, dass die Behörden entlastet werden. Im Gegenteil ist abzusehen, dass u.a. neue Aufenthaltstitel wie die Chancenkarte (§ 20a AufenthG-E), neue Systeme wie das Punktesystem in § 20a AufenthG-E, neue Rechtsinstitute wie die Anerkennungspartnerschaften in § 16d Abs. 4a AufenthG-E zu einer weiteren Belastung der Behörden führen. Auch in der Praxis nicht einmal für Rechtskundige noch verständliche Normen wie die Vorschriften der § 18g Abs. 1 oder § 18g Abs. 2 AufenthG-E tragen nicht dazu bei, den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern bei den Behörden die Entscheidungsfindung zu erleichtern. Der mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020 eingeschlagene Weg, die Regelungen der Arbeitsmigration systematischer und einfacher zu gestalten, wird in den vorliegenden Entwürfen leider nicht fortgeführt.

2. Beschleunigung und Verschlankung der Verwaltungsverfahren

Insgesamt ist festzustellen, dass sich in dem Gesetz- und im Verordnungsentwurf zu wenige Regelungen finden, die zur Beschleunigung und Verschlankung der Verwaltungsverfahren führen und den neuen Verfahren entgegengesetzt werden, die Verwaltungsmehraufwand schaffen. Dies lässt befürchten, dass dadurch den Rechtssuchenden der Zugang zum Recht noch weiter erschwert wird. Bereits der aktuelle Status Quo ist inakzeptabel. Diesen als Grundlage für die Einführung und die Bemessung des Aufwands neuer Regelungen zu nehmen, ist unseres Erachtens verfehlt. Wir halten es für unabdingbar, gleichzeitig mit der Einführung neuer aufwandverursachender Vorschriften und Verfahren in allen Bereichen des Rechts zu prüfen, wie die Verfahren verschlankt und effizienter gestaltet werden können.

Begrüßenswert in den neuen Vorschriften zur Blauen Karte EU ist in diesem Zusammenhang die Vereinfachung des Arbeitgeberwechsels in den ersten 12 Monaten in § 18g Abs. 4-E AufenthG. Die Regelung, dass die Ausländerbehörde für den Zeitraum von 30 Tagen den Arbeitsplatzwechsel aussetzen und innerhalb dieses Zeitraums die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnen kann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Blauen Karte EU nicht vorliegen, sollte als Blaupause für die Einführung entsprechender Regelungen im Bereich der Regelungen für Fachkräfte gem. §§ 18a, b und d AufenthG dienen.

Auch die Vermeidung unnötiger Prüfungen der Lebensunterhaltssicherung in § 18g Abs. 6 AufenthG sorgt für Entlastung. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das aktuelle System grundsätzlich Doppelprüfungen verlangt. Muss ein nationales Visumverfahren betrieben werden, sind sowohl im Visumverfahren gegenüber der Auslandsvertretung und der nach § 31 AufenthV zustimmenden Einreisestellen der Ausländerbehörden als auch nach der Einreise im kurz darauffolgenden Antragsverfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde die mehr oder weniger identischen Unterlagen bspw. zur Lebensunterhaltssicherung einzureichen und zu prüfen. Hier sollte der Gesetzgeber im Sinne der Verwaltungseffizienz die Einführung klarer Regelungen prüfen, die entsprechende Mehrfachprüfungen vermeiden.

Eine deutliche Erleichterung und sehr praxisrelevant ist, dass der Zusammenhang zwischen Qualifikation und Beschäftigung in §§ 18a, 18b AufenthG künftig entfallen wird. Dadurch wird eine Vielzahl praktischer Probleme gelöst. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass auf europäischer Ebene bei der Blauen Karte EU weiterhin die Qualifikationsangemessenheit gefordert wird, was die Zahl der für eine Blaue Karte EU in Betracht kommenden Personen erheblich einschränkt.

Dass für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Beschäftigung für Fachkräfte (§§ 18a, 18b AufenthG) sowie für die Erteilung einer Blauen Karte EU in Engpassberufen und bei Berufsanfängern (§ 18g Absatz 1 Satz 2 AufenthG-E) zukünftig nicht mehr die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) erforderlich sein wird, wenn die Fachkräfte im Bundesgebiet eine qualifizierte Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, vereinfacht und beschleunigt im Grundsatz die Verfahren. Allerdings werden den nun ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit zuständigen Behörden im Rahmen ihres Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraums zusätzliche Entscheidungen abverlangt, die möglicherweise im Kompetenzbereich der Bundesagentur für Arbeit besser aufgehoben wären. So sollen die Behörden laut Gesetzesbegründung „in Grenzfällen“ die Bundesagentur für Arbeit fakultativ beteiligen. Es wird sich zeigen, ob die Befreiung vom Zustimmungserfordernis in der Praxis tatsächlich zu einer Verschlankung und Beschleunigung des Verfahrens führen wird oder ob die Entscheidungspraxis der Ausländerbehörden durch die Prüfung entsprechender Grenzfälle gehemmt wird.

3. Möglichkeiten der Verfahrensverschlankung und -beschleunigung

Möglichkeiten, die Verfahren im Erwerbsmigrationsrecht zu beschleunigen und effizienter zu gestalten, sieht der RAV neben der ohnehin dringend notwendigen schnellstmöglichen Schaffung schlanker digitaler Verwaltungsprozesse wie der digitalen Antragstellung und des rechtssicheren Austauschs von Dokumenten zwischen Auslandsvertretung, Ausländerbehörden und Beteiligten in folgenden Maßnahmen:

a. Einführung bindender Fristen, innerhalb derer Anträge zu bescheiden sind. Diese sind mit der Erlaubnisfiktion für den Fall nicht rechtzeitiger Bescheidung zu verbinden. Beispielhaft zu nennen sind hier die im Bereich der Arbeits- und Bildungsmigration bereits existierenden Vorschriften der § 36 Abs. 2 BeschV oder § 31 Abs. 1 S.3 f. AufenthV.

Im Bereich der Blauen Karte EU sollte zumindest die Verfahrensgarantie des Art. 11 Abs. 1 der Hochqualifiziertenrichtlinie RL-EU 2021/1883 in das AufenthG übernommen werden. Die Richtlinie schreibt vor, dass die zuständigen Behörden Anträge auf Erteilung einer Blauen Karte EU möglichst bald, spätestens aber 90 Tage nach Einreichung des vollständigen Antrags schriftlich zu bescheiden haben und die Betroffenen über diese Entscheidung zu informieren sind. Diese Verfahrensgarantie ist deutschen Ausländerbehörden in aller Regel unbekannt. Auch wenn die 90-Tage-Frist in der Praxis nicht wirklich attraktiv ist, würde eine entsprechende Vorschrift aktuell in Visa- und in ausländerbehördlichen Verfahren oft helfen. Auch diese Frist sollte mit der Erlaubnisfiktion für den Fall nicht rechtzeitiger Bescheidung verbunden werden.

b. Einführung von Erlaubnisfiktionen zur Aufnahme einer Beschäftigung.

Wir schlagen vor, die geplante Vorschrift des § 81 Abs. 6a-E, wonach im Rahmen innereuropäischer Migration von Inhabern Blauer Karten EU spätestens 30 Tage nach der Einreichung des vollständigen Antrags auf Erteilung einer Blauen Karte EU die beantragte Beschäftigung ausüben darf, auf alle Verfahren nach Abschnitt 3 und 4 des Kapitels des AufenthG bei möglicher Antragstellung im Inland auszuweiten. Dies würde in Praxis ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgebern viel Druck nehmen. Insbesondere in den Fällen von privilegierten Staatsangehörigen der in § 41 AufenthV genannten „Best-Friends“-Staaten, die in der Regel ohne nationales Visum einreisen und im Inland Aufenthaltstitel zur Beschäftigung beantragen (dürfen), führt die aktuelle Untätigkeit bzw. teilweise auch Unfähigkeit der Behörden oft zu großem Frust, da sie bis zum Vorsprachetermin bei der Ausländerbehörde zur Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels zur Untätigkeit verdammt sind. Hier würde eine entsprechende Regelung allen Beteiligten nützen.

c. Änderung des § 81 Abs. 5a AufenthG 

Durch Einführung des § 81 Abs. 5a AufenthG wurde zuletzt eine durchaus sinnvolle Beschleunigungsnorm geschaffen. Für künftige Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 des AufenthG wird die Beschäftigung bereits ab dem Zeitpunkt der Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels und nicht erst ca. 8 Wochen später nach Aushändigung bzw. Übersendung des Aufenthaltstitels erlaubt. Warum diese Erleichterung aber nur für Antragsteller von Aufenthaltstiteln im Bereich der Bildungs- und Erwerbsmigration gelten soll, erschließt sich nicht. So kann bspw. die Bestellerin einer Blauen Karte EU ihre Erwerbstätigkeit sofort aufnehmen, nicht aber ihr begleitender Ehemann. Insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass elektronische Aufenthaltstitel künftig direkt durch die Bundesdruckerei an die Betroffenen verschickt werden sollen und die Ausländerbehörde die Herrschaft über den Aufenthaltstitel mit der Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitel vollständig aus der Hand geben wird. Im elektronischen Aufenthaltstitel ist als Tag der Erteilung des Aufenthaltstitels der Tag der Bestellung vermerkt. Arbeiten sollen die Betroffenen aber erst dürfen, wenn ihnen die elektronische Karte vorliegt. Ebenso wenig wie bei Aufenthaltstiteln zum Zweck der Familienzusammenführung macht dies bei der Bestellung von humanitären Aufenthaltstiteln Sinn. Oft liegen bereits zum Zeitpunkt der Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels Arbeitsplatzangebote vor, die dann erst nach Erhalt der Karte begonnen werden können, was häufig die Sozialkassen unnötig für weitere Monate belastet. Oder es muss trotz der bereits erfolgten Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels noch einmal die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt werden. Wir regen deshalb dringend an, § 81 Abs. 5a AufenthG so zu formulieren, dass die Erwerbstätigkeit generell ab der Bestellung des eAT erlaubt ist und nicht lediglich für Fälle des Kapitels 2, Abschnitt 3 und 4.

d. Klarstellung und Ausweitung der Ausnahmevorschriften zum Absehen von der Durchführung von Visaverfahren (§ 39 AufenthV)

Bereits jetzt sind in §§ 39 und 41 AufenthV eine Vielzahl von Durchbrechungen der grundsätzlichen Pflicht zur Durchführung eines Visumverfahrens aus dem Ausland geregelt. Auch § 5 Abs. 2 S.2 AufenthG ermöglicht die Durchbrechung der grundsätzlichen Verpflichtung zur Durchführung eines geregelten Einreiseverfahrens. Die geplante Vorschrift des § 18i Abs. 1 S.1 AufenthG-E enthält nunmehr eine weitere Durchbrechung der Pflicht zur Durchführung eines Visumverfahrens. In der Praxis ist Frage des Erfordernisses der Durchführung bzw. Nachholung Visumverfahrens einer der Hauptstreitpunkte des migrationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens. In diesem Bereich gibt es weiterhin mehrere umstrittene Regelungen, deren Klärung erheblichen Druck von Betroffenen, Behörden und Arbeitgebern nehmen würde:  

§ 39 Nr. 3 AufenthV

Die Vorschriften der §§ 18b Abs. 2 AufenthG, künftig § 18g AufenthG-E (Blaue Karte EU) und § 18d AufenthG (Aufenthaltstitel für Wissenschaftler, Forscher) sind als Anspruchsfälle formuliert („wird … erteilt“). Viele hochqualifizierte Drittstaatsangehörige sind im Besitz von Schengen-Visa und nutzen die Zeit ihres kurzfristigen Aufenthalts im Bundesgebiet auch zur Arbeitssuche oder zu Vorstellungsgesprächen. Wird in diesen Fällen ein Blaue-Karte-EU-Arbeitsplatz erst nach der Einreise gefunden oder ein entsprechender Arbeitsvertrag erst nach der Einreise verhandelt und geschlossen, ist nach aktueller Rechtslage (§ 39 Nr. 3 AufenthV) die Antragstellung auf Erteilung einer Blauen Karte EU aus einem kurzfristigen Aufenthalt mit Schengenvisum bzw. aus einem rechtmäßigen visumfreien Aufenthalt ohne vorherige Ausreise und Nachholung des Visumverfahrens zulässig. In der Praxis stellen sich die Behörden trotz der bestehenden mehr oder weniger eindeutigen Regelung bei Antragstellung im Inland von Inhabern eines Schengenvisums regelmäßig quer und verweisen Antragsteller immer wieder auf das Visumverfahren. Oder aber die Anträge werden nicht mit der hier gebotenen Schnelligkeit entschieden. Aufgrund der Vorschrift des § 81 Abs. 4 S.2 AufenthG entfalten entsprechende Anträge aus einem kurzfristigen Aufenthalt mit Schengenvisum keine Fiktionswirkung, so dass den qualifizierten Antragstellerinnen und Antragstellern regelmäßig der Sturz in die Illegalität und damit einer Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthalts und die Ausweisung droht. Wenn dann die zulässigen Schengen-Tage ablaufen, ohne dass eine Entscheidung der Behörde erfolgt ist, entsteht die Ausreisepflicht, obwohl nach aktueller Rechtslage ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Blauen Karte EU im Inland besteht. Dadurch, dass hier keine vernünftige Regelung existiert, entsteht für alle an diesen Verfahren Beteiligten, die sich sämtlich rechtmäßig verhalten wollen (ausländische Arbeitnehmer:innen, Rechtsberater:innen, Arbeitgeber, und Behörden) eine unnötige aufenthaltsrechtliche Unsicherheit und allein wegen der Strafbarkeit des unerlaubten Aufenthalts eine ganz erhebliche Drucksituation. Nicht gerade zur Erleichterung beigetragen hat die Tatsache, dass sich die Anwendungshinweise des BMI zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Gegensatz zu den Vorgängerweisungen zur Vorgängernorm des § 19a AufenthG a.F. zu dieser Frage nicht mehr verhalten.

§ 39 Nr. 6 AufenthV

Ebenfalls in Anspruchsfällen können Drittstaatsangehörige einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn sie einen von einem anderen Schengenstaat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Verordnungsgeber mit der Norm des § 39 Nr. 6 AufenthV allen Inhabern von Aufenthaltstiteln von EU-Mitgliedstaaten in Anspruchsfällen ohne weiteres die Antragstellung im Inland ermöglichen wollte, geht inzwischen wohl die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass ein für die Antragstellung im Inland erforderlicher rechtmäßiger Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung erst gar nicht vorliegt, wenn der oder die Betroffene bereits mit der Absicht der Begründung eines Daueraufenthalts eingereist ist. Aufgrund Art. 21 Abs. 1 SDÜ soll dann bereits die Einreise ins Bundesgebiet rechtswidrig gewesen sein. Selbst wenn in § 39 Nr. 6 AufenthV eine der Vorschrift des § 39 Nr.3 AufenthV vergleichbare Formulierung fehlt, stellt sich dann eine vergleichbare Problematik wie in § 39 Nr. 3 AufenthV. Auch hier kann die Beantragung eines Aufenthaltstitels im Inland faktisch nur dann möglich sein, wenn die Einreise zu kurzfristigen Zwecken erfolgt ist und die Voraussetzung für einen Rechtsanspruch erst nach der Einreise ins Bundesgebiet entstanden ist. In der Praxis werden die Betroffenen aufgrund der entsprechenden obergerichtlichen Rechtsprechung oft grundsätzlich und ausnahmslos auf das Visumverfahren verwiesen und zur Ausreise aufgefordert. Die neue Vorschrift des § 18i Abs. 1 S.1 AufenthG-E wird diesbezüglich jetzt jedenfalls für Inhaber von Blauen Karten EU aus anderen Mitgliedstaaten für Klarheit sorgen. Bei sonstigen drittstaatsangehörigen Fachkräften mit anderen Aufenthaltstiteln aus anderen Mitgliedstaaten verbleibt es auch bei Angeboten für Blaue-Karte-EU-Jobs bei der oft langanhaltenden Unsicherheit, ob ein nationales Visumsverfahren durchzuführen ist oder nicht.  Hier entfalten die Anträge wenigstens Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG, was zwar den unerlaubten Aufenthalt verhindert, aber keine Rechtsklarheit schafft.

In beiden genannten Fallgruppen sollte der Gesetzgeber für Klarheit sorgen. Im Hinblick auf das erhebliche Interesse an der Einwanderung von Fachkräften sollte geprüft werden, ob nicht im Rahmen einer Erweiterung des § 39 Nr. 7 AufenthV die Beantragung von Aufenthaltstiteln nach § 18g AufenthG-E sowie der Familiennachzug zu den entsprechenden Personen generell im Inland zugelassen werden kann. Im Hinblick auf die bereits existierende Vielzahl von Durchbrechungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG wäre dies kein großer Schritt und würde für alle Beteiligten Klarheit bringen. Notwendig wäre in diesem Zusammenhang überdies die Einfügung einer Gegenausnahme zu § 81 Abs. 4 S.2 AufenthG für alle Anspruchsberechtigte auf Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis bzw. zumindest für Antragsteller:innen auf Erteilung einer Blauen Karte EU bei Vorliegen eines konkreten Vertragsangebots.

In § 39 Nr. 6 AufenthV sollte schließlich klargestellt werden, dass in Anspruchsfällen grundsätzlich die Antragstellung auf Erteilung von Aufenthaltstiteln im Inland zulässig ist. Die Herstellung von Rechtsklarheit würde hier zu einer erheblichen Entlastung führen.

4. Rechtsklarheit bei Mitteilungspflichten

§ 82 Abs. 6 AufenthG

Nach Ansicht des RAV sollten die Mitteilungspflichten in § 82 Abs. 6 AufenthG eindeutiger formuliert werden. In § 82 Abs. 6 AufenthG verpflichtet in der jetzigen Fassung mit dem uneingeschränkten Verweis auf Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beispielsweise auch Inhaber von Niederlassungserlaubnissen nach § 18c AufenthG zur Mitteilung der vorzeitigen Beendigung der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit. Dies widerspricht dem Zweck der Norm, nämlich den Ausländerbehörden zu ermöglichen, auf den Wegfall der für die Erteilung des Aufenthaltstitels maßgeblichen Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu reagieren, da die Niederlassungserlaubnis eben nicht mehr an eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit geknüpft ist.

Zudem halten wir eine Klarstellung des Wortlauts, auch im Hinblick auf ein drohendes Bußgeld nach § 98 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG, bezüglich des Beginns der zweiwöchigen Mitteilungsfrist für sinnvoll. Unklar ist, ob die Frist erst ab der Beendigung der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit beginnt oder, im Fall einer Beschäftigung, schon ab Ausspruch der Kündigung. Ebenso unklar ist der Zeitpunkt der Mitteilungspflicht bei einer anhängigen Kündigungsschutzklage.

5. Einführung einer Vorschrift für sog. „Digitale Nomaden“

Spätestens seit der Corona-Krise und der damit einhergehenden Einführung der Arbeit im Home-Office häufen sich die Sachverhalte, in denen ausländische Arbeitnehmer:innen in Deutschland für Unternehmen tätig sind, die Ihren Sitz außerhalb des Bundesgebietes und keine Betriebsstätte im Bundegebiet haben. Eine aufenthaltsrechtliche Regelung für diese Sachverhalte ist dringend angezeigt.

Zumindest für die Staatsangehörige der sog. „Best-Friends“-Staaten existiert mit § 26 Abs. 1 BeschV bereits eine Regelung, welche diese Sachverhalte abdeckt. In der Praxis gibt es hier allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Die Vorschrift wird von den Ausländerbehörden und der Bundesagentur für Arbeit häufig unterschiedlich interpretiert, was zu willkürlichen und den Antragstellern schwer vermittelbaren Entscheidungen führt. So geht beispielsweise das Landesamt für Einwanderung des Landes Berlin (LEA) in seinen Verwaltungsvorschriften davon aus, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c in Verbindung mit § 26 Abs.1 BeschV an die dort genannten Staatsangehörigen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen möglich ist, auch wenn es keine Betriebsstätte im Inland gibt. Im Rahmen der Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit wird die Zustimmung jedoch oft versagt, weil das beschäftigende Unternehmen nicht über eine Betriebsstätte im Inland verfügt. Rechtssicherheit ist so nicht gewährleistet. Eine Klarstellung der Norm, zumindest in den neuen Anwendungshinweisen wäre zu begrüßen.

Wir weisen darauf hin, dass es sich bei der Personengruppe der sogenannten digitalen Nomaden in der Regel um hochqualifizierte Fachkräfte mit sehr guten Einkommen handelt. Für viele Fachkräfte ist das Modell, zunächst vom Home-Office aus für den ausländischen Arbeitgeber weiterzuarbeiten, um so finanziell abgesichert in Deutschland Fuß fassen zu können und dann in ein inländisches Arbeitsverhältnis zu wechseln, eine niedrigschwellige Möglichkeit zum Einstieg in die Fachkräftemigration. Das Risiko, dass diese Personengruppe zur Last für das Sozialsystem wird, ist gering, vielmehr müssen die Betroffenen Beiträge in die Sozialversicherung leisten und sind wirtschaftlich gut integriert. Es wäre zu begrüßen, wenn für diese sog. digitalen Nomaden eine mit § 26 Abs. 1 BeschV vergleichbare Regelung, unabhängig von der Staatsangehörigkeit geschaffen würde.


III. Handlungsbedarf im Fachkräftebereich

Der RAV begrüßt, dass die neue Hochqualifiziertenrichtlinie großzügig in das Aufenthaltsgesetz umgesetzt werden soll. Insbesondere begrüßen wir, dass die Gehaltsgrenzen für die Blaue Karte EU deutlich abgesenkt werden sollen, so dass ein deutlich größerer Personenkreis von den attraktiven Regelungen der Blauen Karte EU profitieren wird. Erfreulich ist auch, dass die Blaue Karte EU künftig auch international Schutzberechtigten, die in Deutschland oder einem anderen europäischen Land anerkannt wurden, erteilt werden kann.

Für besonders praxisrelevant halten wir die Änderungen in §§ 18a und b AufenthG-E, wonach Fachkräften künftig Aufenthaltserlaubnisse für jede qualifizierte Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen erteilt werden kann.

Unerfreulich ist, dass es der Gesetzgeber in § 18 Abs. 4a AufenthG-E für nötig hält, durch die Verpflichtung der Abgabe entsprechender Erklärungen zum konkreten Arbeitsplatzangebot sowohl ausländische Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber faktisch unter den Generalverdacht der kollusiven Täuschung zu stellen.  Die entsprechende Vorschrift lehnen wir nachdrücklich ab. 

1. § 18c AufenthG-E (Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte) 

Im Bereich des § 18c AufenthG begrüßen wir, dass Inhabern von Aufenthaltstiteln nach §§ 18a, b und d AufenthG mit ausländischen Ausbildung- bzw. Hochschulabschlüssen künftig bereits nach 3 Jahren Niederlassungserlaubnisse erteilt werden kann.

Handlungsbedarf sehen wir bei § 18c Abs. 1 AufenthG. § 18c Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangt für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, dass die Fachkraft seit drei Jahren „im Besitz“ eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b oder 18d ist. Hier regen wir an, dass für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis zukünftig lediglich die Ausübung einer Beschäftigung nach §§ 18a, 18b, oder 18d nachgewiesen werden muss. Vergleichbar geregelt ist das bereits für Inhaber von Blauen Karten EU in § 18c Abs. 2 S. 1 AufenthG. Die integrative Wirkung resultiert aus der Ausübung der Tätigkeit als Fachkraft und nicht aus dem Besitz des entsprechenden Aufenthaltstitels. Die aktuelle Regel führt zu dem unbilligen Ergebnis, dass beispielweise Inhaber von Aufenthaltstiteln zum Zweck der Arbeitsplatzsuche oder zum Zweck des Familiennachzugs nicht von der Regelung profitieren, obwohl sie eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben. Da die Mehrheit der Aufenthaltstitel zum Zweck des Ehegattennachzugs an Frauen ausgestellt werden, führt die aktuelle Regelung insbesondere zu einer erheblichen Benachteiligung von weiblichen Fachkräften und widerspricht dem im Eckpunktepapier genannten Ziel des Gesetzgebers die Erwerbsbeteiligung und Integration von Frauen zu erhöhen.

2. § 18c Abs. 2 S. 2 AufenthG (Niederlassungserlaubnis) 

§§ 18c Abs. 1 Nr. 5 und 18c Abs. 2 S. 2 AufenthG verweisen nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 5 AufenthG. Wir regen an, § 9 Abs. 2 S. 5 AufenthG auch entsprechend auf Fachkräfte und Inhabern Blauer Karten EU anzuwenden. Insbesondere für Blaue-Karte-EU-Inhaber ist es bei einer Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit Deutschkenntnissen auf Niveau A1 schwer, den in deutscher Sprache zu absolvierenden Einbürgerungstest/ Test Leben in Deutschland zu absolvieren, zumal sie keinen Anspruch auf einen Integrationskurs haben. Abgesehen davon ist bei Fachkräften aufgrund ihrer Qualifikation und der Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben davon auszugehen, dass sie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügen. Wir wünschen uns hier mehr Vertrauen in die Motivation der Fachkräfte zur Integration und zur Teilhabe an der Rechts- und Gesellschaftsordnung.

3. § 51 Abs. 10 AufenthG (Erlöschen)

Gem. § 51 Abs. 10 AufenthG beträgt die Frist, wann eine Blaue Karte EU erlischt, abweichend von § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG für Inhaber Blauer Karten EU und ihrer Familienangehöriger zwölf Monate. Diese Regelung stammt aus der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie. Der deutsche Gesetzgeber hat, um die Blaue Karte EU attraktiver zu gestalten, besonders großzügige (nationale) Regelungen zum Erwerb einer Niederlassungserlaubnis eingeführt. Für Inhaber von Niederlassungserlaubnissen gilt die Vorschrift des § 51 Abs.1 Nr. 7 AufenthG. Ihre Niederlassungserlaubnis erlischt nach einer Ausreise von 6 Monaten. Durch den Erwerb der Niederlassungserlaubnis erleidet ein ehemaliger Inhaber einer Blauen Karte EU also einen Rechtsnachteil im Vergleich zum Besitz einer Blauen Karte EU, der sich nur dadurch korrigieren lässt, dass die Niederlassungserlaubnis auf Antrag gleichzeitig zur fortbestehenden Blauen Karte EU erteilt wird. Wir regen an, die Regelung zur längeren Ausreisefrist von 12 Monaten auch auf Inhaber von Niederlassungserlaubnissen und deren Familienangehörige auszuweiten, die zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU waren. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die entsprechende Personengruppe nach Erhalt der Niederlassungserlaubnis schlechter gestellt sein soll als zuvor. Einer durch einen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet gut integrierten hochqualifizierten Fachkraft sollte die Flexibilität eingeräumt werden, auch nach einem längeren Auslandsaufenthalt ins Bundesgebiet zurückkehren zu können.  Unabhängig davon regen wir an, die längere Ausreisefrist von 12 Monaten auf alle Fachkräfte auszuweiten.

Erforderlich ist schließlich auch eine Klarstellung in § 51 AufenthG, dass die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht auf Inhaber von Blauen Karten EU anzuwenden ist. Gemäß Artikel 18 Abs. 3 der Hochqualifiziertenrichtlinie unterbrechen lediglich Aufenthalte außerhalb des ausstellenden Mitgliedstaates von mehr als zwölf aufeinander folgenden Monaten den rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt. Eine Regelung, die ein Erlöschen der Blauen Karte EU bei einer nicht nur vorübergehenden Ausreise vorsieht ist in der Richtline nicht ersichtlich.

4. § 18g Abs. 2 AufenthG-E (Blaue Karte EU)

Erfreulich ist, dass die Blaue Karte EU künftig auch Fachkräften mit Berufserfahrung ohne Hochschulabschluss offenstehen soll. Eine Beschränkung auf Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechologie gibt die Hochqualifiziertenrichtlinie nicht vor. Warum hier nicht entsprechend § 6 BeschV-E eine Erweiterung auf alle Berufsgruppen erfolgt, erschließt sich uns nicht.

Da diese Regelung ausschließlich auf IT-Kräfte abzielt, ist nicht ersichtlich weshalb § 18g Abs. 2 Nr. 1 zunächst ein Gehalt von mindestens 56,6 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung fordert, dann mit einem Verweis auf Abs. 1 S. 2 Nr. 1 wiederum auf die niedrigere Gehaltsgrenze für Beschäftigungen in den Mangelberufen verweist, zu denen auch die Gruppen 133 und 25 gehören.

Zudem ist aus unserer Sicht wichtig, dass für die Prüfung nach § 18g Abs. 2 Nr. 3 lit. b), namentlich, ob die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten hinsichtlich ihres Niveaus mit einem Hochschulabschluss oder einem Abschluss eines mit einem Hochschulstudium gleichwertigen tertiären Bildungsprogramms vergleichbar sind, transparent und praktikabel umgesetzt wird. Wir befürchten hier für die Antragsteller, Arbeitgeber und die beteiligten Behörden erhebliche Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob eine Vergleichbarkeit vorliegt. Insbesondere im Hinblick auf die häufig intransparenten Entscheidungen der im Antragsverfahren beteiligten Bundesagentur für Arbeit, besteht hier die Gefahr, dass Antragsteller und Arbeitgeber im Voraus nicht einschätzen können, ob eine Chance auf Erhalt der Blauen Karte EU besteht und wie hoch die Aussicht ist, den begehrten Aufenthaltstitel zu erhalten. Diese Unsicherheit schreckt insbesondere kleinere Betriebe, die noch wenig Erfahrung mit ausländischen Angestellten gemacht haben, mangels Planungssicherheit ab, ausländische Kräfte anzustellen.

5. § 18h Abs. 1 AufenthG-E (Kurzfristige Mobilität für Inhaber einer Blauen Karte EU)

Da mit der Regelung zur Nichtbeschäftigungsfiktion in § 30 Nr. 1 BeschV bereits eine Regelung besteht, die eine Geschäftsreise für eine Dauer von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen ermöglicht, halten wir § 18h Abs. 1 S. 1 AufenthG nicht für notwendig.

6. § 18i Abs. 1 Nr. 1 AufenthG-E (Langfristige Mobilität für Inhaber einer Blauen Karte EU)

Warum die Voraussetzung nach § 18 Abs. 2 Nr.4 AufenthG erst dann als erfüllt gilt, wenn der Ausländer länger als zwei Jahre im Besitz der Blauen Karte EU ist, die der andere Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt hat, ist nicht ersichtlich. Hier wünschen wir uns vor allem in Hinblick auf eine Verfahrensbeschleunigung und eine einheitliche Erteilungspraxis in den Mitgliedsstaaten mehr Vertrauen in die Prüfung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten.

7. § 38 Abs. 3 S.2 AufenthG-E (Aufenthaltserlaubnis für in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union langfristig Aufenthaltsberechtigte)

Nach § 38a Abs. 3 S. 1 Hs. 1 AufenthG in der Fassung seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes berechtigt der Aufenthaltstitel nach § 38a Abs. 1 AufenthG dazu, eine Erwerbstätigkeit iSd § 2 Nr. 2 AufenthG auszuüben, wenn die Bundesagentur für Arbeit der Ausübung der Beschäftigung nach § 39 Abs. 3 AufenthG zugestimmt hat. § 39 Abs. 3 AufenthG sieht grundsätzlich eine Vorrangprüfung vor. Nach alter Rechtslage galt hier, dass das Zustimmungserfordernis bzw. das Erfordernis einer Vorrangprüfung nicht eingriff, wenn für die angestrebte Beschäftigung nach den Vorschriften des AufenthG oder der BeschV von vornherein Zustimmungsfreiheit/ Vorrangprüfungsfreiheit gegeben war. Die Änderung durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz führte aber – jedenfalls bei wortgetreuer Auslegung – plötzlich dazu, dass daueraufenthaltsberechtigte Antragsteller, die als Fachkraft im Bundesgebiet arbeiten wollen, einer Vorrangprüfung unterlagen. Die Erteilung einer Blauen Karte EU in Regelberufen, die grundsätzlich nicht der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, bedurfte für in anderen Mitgliedstaaten Daueraufenthaltsberechtigte auf einmal der Zustimmung mit Vorrangprüfung. Dies betrifft in Zukunft auch Inhaber von künftig zustimmungsfreien Aufenthaltserlaubnissen als Fachkraft mit akademischer Ausbildung nach §§ 18a- und b AufenthG-E mit inländischen Ausbildungen bzw. Hochschulabschlüssen. Diese Rechtsfolge war bereits bei der Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nicht beabsichtigt. Der Verweis auf § 39 Abs. 3 AufenthG erfolgte durch den Gesetzgeber, um darauf hinzuweisen, dass in anderen Mitgliedstaaten Daueraufenthaltsberechtigte auch geringqualifizierte Beschäftigungen zulässig sind, nicht aber um eine Vorrangprüfung einzuführen. In der Gesetzesbegründung weist der Gesetzgeber deutlich darauf hin, dass durch die Neugestaltung keine inhaltlichen Änderungen beabsichtigt sein sollten (s. BT-Drs. 19/8285, S. 107). Hier regt der RAV dringend an, wieder zur Rechtslage vor dem 1.3.2020 zurückzukehren, zumal die mit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes eingetretene Rechtsfolge weder Sinn macht noch in das System des AufenthG passt. Gem. Art. 14 Abs. 3 RL 2003/109/EG ist ein Verzicht auf die Vorrangprüfung im Übrigen unionsrechtlich zulässig. Durch die beabsichtigte neue Vorschrift des § 38 Abs. 3 S.2 AufenthG-E wird die dargestellte Problematik nicht ansatzweise beseitigt. 

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass es in der Praxis für in anderen Mitgliedstaaten daueraufenthaltsberechtigte Fachkräfte neben den oben genannten rechtlichen Schwierigkeiten regelmäßig auch praktische Schwierigkeiten beim Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt gibt. So werden Vorabzustimmungsanfragen gem. § 36 Abs. 3 BeschV durch die Bundesagentur für Arbeit regelmäßig zurückgewiesen und darauf bestanden, dass die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung die Bundesagentur für Arbeit beteiligt. Dies liegt offenkundig daran, dass die „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ nicht auf Dauerhaltsberechtigte im Verfahren zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG ausgerichtet ist,  ein anderes Formular nicht existiert und das Verfahren nach § 38a AufenthG bei der Bundesagentur für Arbeit wenig bekannt ist. Hier sollte dafür Sorge getragen werden, dass auch bei der innereuropäischen Mobilität von Drittstaatsangehörigen ein reibungsloser Ablauf der Migration gewährleistet wird.


IV. Bildungsmigration und Chancenkarte

1. § 16a AufenthG-E (Aufenthaltserlaubnis für Berufsausbildung)

Die Abschaffung der Vorrangprüfung für eine Ausbildung mit Aufenthaltserlaubnis nach § 16a AufenthG (geplante Änderung in § 8 Abs. 1 BeschV) ist zu begrüßen. Auch die Lockerung der Zweckwechselverbote im Bereich der Ausbildung sind erfreulich. Allerdings sollte aus einer Ausbildung auch in vorübergehende Beschäftigungen wie beispielsweise den Freiwilligendienst oder in einen Au-Pair-Aufenthalt übergegangen werden dürfen, zumal dies den Auszubildenden die Möglichkeit einer Neuorientierung einräumen könnte. Ebenso begrüßenswert ist die Möglichkeit des Übergangs in eine Niederlassungserlaubnis aus einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung, wenn zuvor ein Aufenthaltstitel als Fachkraft vorgelegen hat. Dies erhöht die Bereitschaft zur Aus- und Weiterbildung.

Im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 16a Abs. 4 AufenthG ist in der Praxis die flächendeckende Praxis der Verfügung von Erlöschensauflagen zu bemängeln. Aufenthaltserlaubnisse zu Ausbildungs- und Studienzwecken werden durch Ausländerbehörden im gesamten Bundesgebiet ganz regelmäßig – mangels Einzelfall- und Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin bereits rechtlich zweifelhaft – mit Erlöschensauflagen für den Fall der Beendigung der Ausbildung oder des Studiums versehen. So führt auch die unverschuldete vorzeitige Beendigung einer Ausbildung oder auch der unverschuldete Abbruch des Studiums regelmäßig zu bösen Überraschungen, wenn die Ausländerbehörde bei der Vorsprache des Auszubildenden oder der Studierenden zur Verlängerung des Aufenthaltstitels aufgrund der Annahme des Erlöschens des Aufenthaltstitels plötzlich den Reisepass der/ des Betroffenen einzieht eine Frist zur Ausreise setzt. Die entsprechende Praxis ist vom Gesetzgeber aber gerade nicht beabsichtigt, was dringend klargestellt werden muss. Der Gesetzgeber gibt in § 16a Abs. 4 AufenthG die Möglichkeiten der Behörde im Falle der vorzeitigen Ausbildungsbeendigung eindeutig vor (Rücknahme, Widerruf, zeitliche Befristung). Eine vergleichbare Vorschrift findet sich im Bereich des Studiums in § 16b Abs. 6 AufenthG. Auch diese Norm macht deutlich, dass der Gesetzgeber - in Umsetzung von Art. 21 Abs. 6 REST-RL - im Falle des Studienabbruchs von den dort genannten Möglichkeiten der Aufenthaltsbeendigung als Regelfall ausgeht und im Falle der Studienbeendigung eben nicht ein automatisches Erlöschen beabsichtigt ist. Im Falle des automatischen Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung bei unverschuldetem Ausbildungsende wäre es der Ausländerbehörde rechtlich aufgrund der damit unmittelbar entstehenden Ausreisepflicht verwehrt, dem Auszubildenden ohne Neueinreise mit nationalem Visum die Chance der erneuten Arbeitsplatzsuche zu geben. Auch im Falle des unverschuldeten Studienplatzverlusts könnte aufgrund der mit dem Erlöschen des Aufenthaltstitels unmittelbar entstehenden Ausreisepflicht die Möglichkeit zur Suche eines neuen Studienplatzes ohne Umweg über § 5 Abs. 2 S.2 AufenthG gar nicht erst eingeräumt werden. Der Gesetzgeber sollte in diesem Zusammenhang deutlich klarstellen, dass entsprechende Erlöschensauflagen sowohl im Bereich der Ausbildung als auch im Bereich des Studiums system- und rechtswidrig sind und vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt sind.

Insbesondere im Bereich der Pflegeberufe wird händeringend nach Fachkräften gesucht. Hier sind viele Unternehmen dazu übergegangen, verstärkt potenziell Auszubildende in Drittstaaten anzuwerben und die Fachkräfte in Gesundheitsberufen selbst auszubilden. In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder Probleme mit der Vorschrift des § 38 BeschV. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit für eine Beschäftigung zu versagen, die aufgrund einer unerlaubten Arbeitsvermittlung oder Anwerbung zu Stande gekommen ist. Hier ist vor allem das Problem der unerlaubten Anwerbung oder Vermittlung von Gesundheitsfachkräften aus sog. Mangelstaaten zu beachten. In §§ 38, 39 BeschV ist die nichtstaatliche Arbeitsvermittlung von Gesundheitsfachkräften und deren Anwerbung für eine Beschäftigung in Gesundheitsberufen untersagt worden, um dem Verhaltenskodex der WHO Rechnung zu tragen. Der WHO-Kodex sieht vor, keine Gesundheitsfachkräfte aus Staaten anzuwerben, in denen selbst ein Mangel an Personal in den Gesundheitsberufen besteht. Im Anhang zu § 38 BeschV sind 47 Staaten gelistet, in denen nach den Feststellungen der WHO ein Mangel an Gesundheitspersonal besteht. Das in § 38 BeschV geregelte Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit ist grundsätzlich sinnvoll und unterstützenswert. Wenig überzeugend ist aber, dass das Anwerbungs- und Vermittlungsverbot auch für Anwerbung und Vermittlung zur Aufnahme von betrieblichen Ausbildungen zur/zum Kranken- oder Altenpfleger/in gelten soll, da es sich auch bei betrieblichen Ausbildungen um Beschäftigungen in Gesundheitsberufen handeln soll.  Dasselbe soll für die Anwerbung und Vermittlung zum Zweck der Nachqualifizierung iSd. § 16d AufenthG gelten. Die entsprechende Weisung des BMAS an die Bundesagentur für Arbeit zur Änderung der Verwaltungspraxis hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2019 für rechtmäßig, aber keineswegs für zwingend gehalten (s. BVerwG 1 C 41.18). Tatsächlich passt das Braindrain-Argument hier nicht wirklich, da den Gesundheitssystemen in den betroffenen Ländern ja überhaupt keine Gesundheitsfachkräfte entzogen werden. Bevor die Ausbildung erfolgt ist, handelt es sich bei den angeworbenen Azubis noch gar nicht um nicht Gesundheitsfachkräfte, die den entsprechenden Ländern entzogen werden. Vielmehr ist sogar möglich, dass diese irgendwann als ausgebildete Gesundheitsfachkräfte in ihre Heimatländer zurückkehren werden und ihren Staaten damit nutzen. Hier wäre allein die (erneute) Änderung der Weisungslage durch das BMAS ausreichend, um den Gesundheits- und Pflegeunternehmen die Anwerbung von Auszubildenden in Gesundheitsberufen wieder in allen Ländern zu ermöglichen.

2. § 16b AufenthG (Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken)   

Die Einführung einer gesetzlichen Mindestdauer für eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken ist zu begrüßen. Art. 18 der REST-Richtlinie gibt als Mindestdauer aber ein Jahr zwingend vor, wenn die Studiendauer nicht kürzer als ein Jahr ist. Dementsprechend ist nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber die einjährige Geltungsdauer nur „in der Regel“ vorsieht.   

Auch im Bereich des Studiums ist zu begrüßen, dass die bisher existierenden Zweckwechselverbote vor dem Abschluss des Studiums im Wesentlichen gestrichen werden. Die Erweiterung der Erlaubnis zur Beschäftigung in Abs. 3 ist im Übrigen erfreulich und schafft für Studierende und Arbeitgeber Flexibilität.

3. § 16d AufenthG (Anerkennungsverfahren)

Die neue Möglichkeit in §16d Abs. 3a AufenthG-E, das Anerkennungsverfahren mithilfe eines Anerkennungspartners vollständig in Deutschland durchzuführen ist positiv zu bewerten. Vorausgesetzt wird eine ausländische Berufsqualifikation, die von dem Staat, in dem sie erworben wurde, staatlich anerkannt ist und deren Erlangung eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hat, oder einen ausländischen Hochschulabschluss hat, der von dem Staat, in dem er erworben wurde, staatlich anerkannt ist. Hier ist bislang unklar, welche Stelle hier die Prüfung vorzunehmen hat, ob die ausländische Berufsqualifikation die von dem Staat, in dem sie erworben wurde, staatlich anerkannt ist und deren Erlangung eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hat. Sicherlich erste Adresse hierfür wäre die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB). Allerdings dauert bei der ZAB bereits jetzt die Feststellung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Hochschulabschlusses ca. 6 Monate, wenn nicht bereits ein Arbeitsplatzangebot für eine Blaue-Karte-EU-Beschäftigung vorliegt. Wenn nunmehr in großem Umfang Prüfungsanfragen eingehen, ist schnell mit kaum mehr erträglichen Prüfungszeiten zu rechnen.  Es ist deshalb konkret zu befürchten, dass in allen Verfahren, in denen jetzt die neue Voraussetzung eines im Ausland anerkannten, 2-jährigen Ausbildungsabschlusses vorausgesetzt wird, die bisher lange Dauer des Anerkennungsverfahrens durch die lange Dauer der Feststellung der staatlichen Anerkennung einer Ausbildung im Ausland ersetzt wird.

Zwingend muss hier deshalb eine der anabin-Datenbank vergleichbare, frei öffentlich zugängliche Datenbank geschaffen werden. Nur wenn zuverlässige staatliche Systeme zur schnellen Ermittlung der ausländischen Abschlüsse existieren, kann eine entsprechende schnelle Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals durch die Behörden erfolgen. Nur dann kann das neue Rechtsinstitut der Anekennungspartnerschaft Erfolg haben.

4. § 16f Abs. 1 AufenthG (Sprachkurs)

Sehr zu begrüßen ist, dass der Aufenthaltstitel zur Durchführung eines Sprachkurses deutlich attraktiver gestaltet worden ist (Möglichkeit der Nebenbeschäftigung, Zweckwechsel). Hier sollte der Gesetzgeber deutlicher hervorheben und fördern, dass ein Sprachkurs jedem Aufenthaltszweck – auch dem Ehegattennachzug! – vorgeschaltet werden kann.

5. § 16f Abs. 2 AufenthG (Schulbesuch)

Im Gegensatz zu der Regelung des § 16b Abs. 1 aF, die eine Aufenthaltserlaubnis für den Schulbesuch nur in Ausnahmefällen zugelassen hat, kann seit dem 1.3.2020 gemäß § 16f Abs. 2 AufenthG einer ausländischen Person eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs in der Regel ab der neunten Klassenstufe erteilt werden, wenn die in Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollte generell mehr Schulkindern der Besuch deutscher Schulen ermöglicht werden (so ausdrücklich BT-Drs. 19/8285, 90 und AH-FEG Nr. 16 f.2.3). Dafür wurde die ehemalige Beschränkung auf Ausnahmefälle in § 16b Abs. 1 S. 1 aF gestrichen. Leider wird die Neuregelung in § 16f Abs. 2 dem erklärten gesetzgeberischen Ziel nicht gerecht. Die beiden nun explizit erfassten Schulgruppen mit internationaler Ausrichtung (Nr. 1) bzw. überwiegend privater Finanzierung (Nr. 2) waren schon vor dem FEG allgemein anerkannte „Ausnahmefälle“ nach Nr. 16.5.2.2.3 und 16.5.2.2.4 AVV-AufenthG. Die Neuregelung hinterlässt mithin offensichtlich planwidrige Regelungslücken, insbesondere in den weiteren bislang anerkannten „Ausnahmefällen“, etwa für Schulkinder aus den sog. „best-friends“-Staaten (vgl. § 41 AufenthV und Nr. 16.5.2.2.1 AVV-AufenthG) oder für Schulkinder mit Begabtenstipendium sowie Hochbegabten, bei denen der Schulbesuch gerade die besondere Begabung fördern soll, weil die allgemeinbildende Schule hier einen besonderen Förderschwerpunkt hat (vgl. VAB Berlin Nr. 16f 2.2). Diese Lücken können aktuell nur durch eine Analogie zu § 16f Abs. 2 geschlossen werden. Wir regen die gesetzliche Klarstellung an.

6. § 17 Abs. 1 AufenthG-E (Ausbildungsplatzsuche)

Dass durch die Altersgrenze für die Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels auf 27 Jahre angehoben werden soll, wird die Zahl der in Betracht kommenden Antragsteller:innen aufgrund der weiterhin zu hohen Sprachanforderungen (gute Deutschkenntnisse = B2) nicht erhöhen.

7. § 20a AufenthG-E: Chancenkarte

Mit der Einführung eines Punktesystems wird ein neuer Ansatz im Aufenthaltsgesetz etabliert. Hierfür wird erheblicher Aufwand betrieben. Im Ergebnis ist bei der Chancenkarte in ihrer aktuell geplanten Form jedoch zu befürchten, dass die Chance, die mit der Chancenkarte gewährt wird, durch die Betroffenen nicht in dem erhofften Umfang genutzt werden wird.

Im Vergleich zu den bisherigen - in der Praxis kaum genutzten Aufenthaltstiteln zum Zweck der Arbeitssuche nach § 20 Abs. 1 und 2 AufenthG - handelt es sich bei der Chancenkarte um einen deutlich attraktiveren Aufenthaltstitel. Erfreulich ist zunächst, dass den Berechtigten jetzt ein volles Jahr und nicht nur sechs Monate zur Arbeitssuche eingeräumt werden. Dies ist wichtig, weil es sich in der Praxis gezeigt hat, dass es auch für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige schwer ist, in Deutschland eine angemessene Arbeitsstelle zu suchen und zu finden. Hier sollte den Chancenberechtigten durch die Bundesagentur für Arbeit unterstützende Leistungen angeboten werden wie besondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen und Bewerbungstrainings.

Begrüßenswert ist auch, dass klargestellt wird, dass die Chancenkarte auch für die Suche nach einer selbstständigen Tätigkeit und zur Durchführung von Anerkennungsmaßnahmen genutzt werden kann. Ebenso begrüßenswert ist, dass die Beantragung im Inland weniger eingeschränkt werden soll.

Auch wenn der Kreis der potenziellen Bewerber durch die großzügigere Behandlung von Fachkräften in Ausbildungsberufen und Bewerber, die die ausreichende Anzahl an Punkten erreichen, deutlich größer ist, ist dennoch zu befürchten, dass die Chancenkarte bei weitem nicht im Umfang genutzt werden wird. Ein erhebliches Defizit ist aus unserer Sicht, dass bislang nicht vorgesehen ist, dass Familienangehörige gemeinsam mit dem Arbeitssuchenden einreisen dürfen. Einwanderungsentscheidungen sind erfahrungsgemäß Lebensentscheidungen, die nicht allein, sondern im Familienkreis getroffen werden. Wenn allein der oder die Chancenberechtigte zur Arbeitssuche einreisen darf, ist unter den aktuellen Voraussetzungen realistischerweise davon auszugehen, dass eine Familie deutlich mehr als ein Jahr, eher aber zwei Jahre getrennt sein wird, bis sich die durch die Bundesrepublik eingeräumte Chance möglicherweise endgültig realisiert haben wird. Bis in Deutschland ein Arbeitsplatz gefunden wird, dauert es für neu einreisende Personen in der Regel 6-12 Monate. Ist der Arbeitsplatz endlich gefunden, ist ein Termin bei der zuständigen – in der Regel überlasteten - Ausländerbehörde zu vereinbaren, die zunächst die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholt. Wenn die Zustimmung vorliegt, kann irgendwann die Vorsprache bei der Ausländerbehörde erfolgen, wo der elektronische Aufenthaltstitel bestellt wird. Dieser trifft dann ca. 6-8 Wochen später beim bzw. bei der Betroffenen ein. Erst dann ist realistischerweise für die Familienangehörigen die Beantragung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung überhaupt möglich. Zu der Problematik, dass es oft Monate dauert bis ein Termin zur Visumsbeantragung bei der zuständigen Auslandsvertretung im Heimatland zur Familienzusammenführung vereinbart werden kann, kommt erschwerend hinzu, dass bei der Familienzusammenführung von einem gesicherten Lebensunterhalt in der Regel regelmäßig erst nach Ablauf der Probezeit (6 Monate) ausgegangen wird, so dass die zuständige Ausländerbehörde die Zustimmung nach § 31 Aufenthaltsverordnung erst dann erteilen wird, weil erst dann prognostisch von einem nachhaltigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden kann. Bis die Familie einreist, kann es danach ohne weiteres 2 Jahre dauern. Und dies auch nur dann, wenn der oder die Chancenberechtigte die Probezeit des ersten Jobs übersteht. In der aktuellen Form ist die Chancenkarte allein deshalb nur für ledige Berufsanfänger oder für Paare, bei denen beide Partner die Voraussetzungen der Chancenkarte erfüllen, attraktiv. Diese sind in aller Regel flexibel, haben (noch) keine Familie und sind auch wagemutig. Die Chancenkarte sollte aber auch auf „etablierte“ Fachkräfte abstellen. Diese haben andere Lebenssituationen. Wenn die Familie nicht auch die Chance bekommt, über die Chancenkarte mit einzureisen, werden die meisten Chancensuchenden sich gegen die Wahrnehmung der Chance mit einer Chancenkarte entscheiden. Es sollte es die Sache der Fachkräfte bzw. Chancensuchenden sein zu entscheiden, ob es der Familie zuzumuten ist, gegebenenfalls nach einem Jahr wieder ausreisen zu müssen.

Nicht ausreichend ist aus unserer Sicht überdies, dass während der Arbeitssuche mit der Chancenkarte nur eine Beschäftigung in Teilzeit möglich sein soll. Eine Halbzeittätigkeit in Deutschland wird in aller Regel nicht ausreichen, sich selbst und die Familie im Heimatland zu unterhalten. Personen, die mit einer Chancenkarte in Deutschland sind, unterscheiden sich nur in geringem Maße von Personen, die in Deutschland im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium nach Arbeit suchen, denen die uneingeschränkte Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erlaubt wird. Wenn tatsächlich ein attraktives Angebot gemacht werden soll, sollte die Erwerbstätigkeit entsprechend den Vorschriften des § 20 AufenthG-E uneingeschränkt erlaubt werden. Sollte die - unseres Erachtens unbegründete - Angst vor Missbrauch überwiegen, sollte den Chancensuchenden zumindest flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten entsprechend den neuen Regelungen zur Beschäftigung für Studierende in § 16b Abs. 3 AufenthG-E eingeräumt werden.

Des weiteren regt der RAV an, § 20a Abs. 2 S.2 AufenthG-E zu streichen. Dass die Chancenkarte nach § 20a AufenthG nicht für Personen anwendbar sein soll, die sich aus anderen Gründen als der Erwerbstätigkeit oder Ausbildung bereits in Deutschland aufhalten – etwa aus familiären oder humanitären Gründen, ist nicht nachvollziehbar. Wenn beispielsweise die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug entfällt, sollte auch eine bereits im Inland befindliche Person, die die Voraussetzung für eine Chancenkarte erfüllt, die entsprechende Chance zur Suche zur Arbeitssuche erhalten können. Es kommt letztlich doch darauf an, ob die Voraussetzungen für die Chancenkarte erfüllt werden und nicht auf die Frage der Qualität des Voraufenthalts. Warum soll beispielsweise eine ins Bundesgebiet im Wege der Familienzusammenführung nachgezogene drittstaatsangehörige Ehefrau, die nach 2 Jahren und 9 Monaten durch ihren deutschen Ehemann verlassen wird und noch nicht die Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG erfüllt, keine Chance durch die Erteilung einer Chancenkarte erhalten können, obwohl sie die Voraussetzungen dafür erfüllt? Bereits im Inland befindliche und bereits sprachkundige und integrierte Menschen können regelmäßig leichter in den Arbeitsmarkt integriert werden, als neu aus dem Ausland zuziehende Menschen. Regelmäßig sind diese Menschen bereits Teil des Arbeitsmarkts. Macht es im Beispielfall Sinn, die vom deutschen Ehemann verlassene Ehefrau ausreisen zu lassen, um ihr vom Ausland aus ggf. wieder die Chance auf eine Chancenkarte zu geben? Im gesamten Aufenthaltsrecht werden im Bereich der Ausländerbeschäftigung Zweckwechselverbote flächendeckend abgebaut. Dass und warum gerade hier ein entsprechender Zweckwechsel vom Familiennachzug in die Chancenkarte nicht möglich sein soll, erschließt sich nicht.

Dies ist im Übrigen - hier ist ein Exkurs zu § 9 BeschV im Zusammenhang geboten - genauso schwer erklärbar wie die Tatsache, dass der verlassenen Ehefrau im Beispielsfall trotz über 2-jähriger Erwerbstätigkeit in der Praxis ein Recht auf zustimmungsfreie Fortsetzung der Beschäftigung mit einem Aufenthaltstitel zur Beschäftigung über § 9 BeschV versagt wird, wenn sie (noch) keine Fachkraft ist bzw. nicht über die BeschV zum Arbeitsmarkt zugelassen werden kann, obwohl die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BeschV dem Wortlaut nach vorliegen. Das BVerwG hat am 21.8.2018 entschieden (BVerwG Urt. v. 21.8.2018 – 1 C 22.17), dass § 9 BeschV nach der Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck nur für Personen gelten soll, die bereits im Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis sind, bei der die Ausländerbehörde die Ausübung einer Beschäftigung – mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit – ausdrücklich zugelassen hat. Nur wenn einer Ausländerin oder einem Ausländer auf diesem Weg der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt eröffnet worden sei, soll es danach nicht der (nochmaligen) Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung der beschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen bedürfen. Inzwischen stellt ein erheblicher Teil der Literatur zu Recht die Frage, ob diese Ausführungen auch nach Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes noch zutreffen. Der VGH Mannheim hat diese Frage zuletzt als offene Rechtsfrage bezeichnet (VGH Mannheim, Beschluss vom 31.1.2022, 11 S 1085 (openjur). Es spricht tatsächlich viel dafür, dass angesichts des klaren Wortlauts des § 9 Abs. 1 BeschV ("Aufenthaltserlaubnis") und des mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Gestalt von § 4a AufenthG herbeigeführten Paradigmenwechsels hin zu einer gesetzlichen Verknüpfung der Erteilung von Aufenthaltstiteln mit der Eröffnung des Zugangs zur Erwerbstätigkeit die argumentative Grundlage für eine restriktive Interpretation von § 9 Abs. 1 BeschV entfallen ist. Der Gesetzgeber sollte das vorliegende Gesetzgebungsverfahren nutzen, um diese Streitfrage abschließend zu klären. Sinnvollerweise sollte hier klargestellt werden, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG i.V.m. § 9 BeschV entsprechend des Wortlauts des § 9 BeschV auch Inhabern von Aufenthaltstiteln außerhalb des Abschnitt 3 und 4 des Kap. 2. des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen

8.  Änderung der BeschV

1. § 26 Abs. 2 BeschV

Es ist bedauerlich, dass es bislang nicht gelungen ist, die sog. Westbalkan-Regelung auf weitere Länder auszuweiten. Dass die Regelung des § 26 Abs. 2 BeschV entfristet wird, ist zu begrüßen.

Weshalb weiterhin an einem Kontigent festgehalten wird, erschließt sich uns nicht. Der Bedarf an unqualifizierten Arbeitskräften ist vor allem in der Bau- und Gastrobranche enorm. Eine ungebremste Zuwanderung ist schon wegen der beschränkten Bearbeitungskapazitäten der Auslandsvertretungen nicht zu erwarten.

Es erschließt sich uns weiterhin nicht, warum bspw. eine seit Jahren in Finnland lebende Serbin nicht in Helsinki einen Antrag auf Erteilung eines Visums zur Beschäftigung nach der Westbalkanregelung stellen können soll. Das Problem der Zuordnung zum jeweiligen Länderkontingent sollte sich in Zeiten der Digitalisierung lösen lassen. Deshalb regen wir an, die erstmalige Antragstellung nicht nur in den in S. 1 genannten Staaten zu ermöglichen. Die Möglichkeit der Antragstellung bei der für den aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Auslandsvertretung würde auch die Situation der völlig überlasteten Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen in den in S. 1 genannten Staaten entspannen.

2. § 1 Abs. 2 BeschV / § 18 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG (Gehaltsgrenze für ab 45-Jährige)

Personen, die erstmalig eine Zustimmung der BA für eine Beschäftigung erhalten und 45 Jahre oder älter sind, müssen in bestimmten Fällen ein festgelegtes Mindesteinkommen erzielen. Dies gilt bisher bereits für Personen, die als Berufskraftfahrer (§ 24a BeschV) oder nach der Westbalkanregelung (§ 26 Abs. 2 BeschV) die Zustimmung erhalten. Hinzu kommen künftig Personen mit besonderer berufspraktischer Erfahrung ohne formale Qualifikation (§ 6 BeschV) und Pflegehilfskräfte (§ 22a BeschV).

Die Gehaltsgrenze liegt im Jahr 2023 bei 48.180 Euro brutto jährlich. Die zu erreichende Gehaltsschwelle kommt in den meisten Fällen einem vollständigen Ausschluss von über 45-jährigen Drittstaatsangehörigen gleich. Daran wird auch die minimale Aufweichung der Tatbestandsvoraussetzungen, dass künftig im Einzelfall ein erleichtertes Absehen von dieser Gehaltsgrenze eingeräumt werden, „wenn ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Beschäftigung besteht, insbesondere wenn die Gehaltsschwelle nur geringfügig unterschritten oder die Altersgrenze nur geringfügig überschritten wird“ nichts ändern. Tatsächlich gibt es erheblichen Bedarf und sehr viele sehr qualifizierte Menschen im Alter ab 45 Jahren, die hier dringend benötigt würden, gehen dem Arbeitsmarkt schlicht verloren, weil sie nicht über 4.000 € brutto monatlich verdienen können und bis jetzt noch nicht ausreichend vorgesorgt haben. Hier ist es eine Frage von Mut und Vertrauen, das Risiko einzugehen, dass diese Menschen mit 67 Jahren (ergänzend) Leistungen beziehen. Es sind immer Prognoseentscheidungen zu treffen. Auch bei einer Person, die (bei der ersten Zulassung zum Arbeitsmarkt) ein Gehalt in Höhe von rund 4.000 € brutto erhält, ist keinesfalls gewährleistet, dass diese Person mit 67 genügend Beiträge in die Rentenversicherung gelistet hat. Der RAV spricht sich dafür aus, die Begrenzung der Einwanderung von über 45-jährigen Fachkräften (§ 18 Abs. 1 Nr. 5) und für die in § 1 Abs. 2 BeschV genannten Gruppen der BeschV aufzuheben. 

Berlin, 08.03.2023

Christoph von Planta

Die Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen Migration & Asyl
news-933 Mon, 06 Mar 2023 09:11:53 +0100 International Fair Trial Day, 14 June 2023<br />Focus Country: Mexico /publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-1-933 Hold the Date and Call for Nominations for the Ebru Timtik Award. 14 June 2023, Mexico City/Mexico In 2021, a group of lawyers and lawyers’ organisations came together to establish an annual International Fair Trial Day (IFTD) to be observed every year on 14 June. This initiative is supported by more than 100 legal associations across the world, all of which are committed to the vital importance of the right to a fair trial and the serious challenges to due process rights worldwide. They established a Steering Group for the organization of IFTD.

The Steering Group agreed that in each subsequent year, one country --where fair trial rights are being systemically violated-- would be chosen as the focus country, and an event would be organized to mark IFTD, as well as a series of activities around the event to draw attention to the situation in that country. The events include holding a conference on systemic fair trial issues and making a public statement with concrete recommendations on how to tackle these.  The decision to establish an IFTD was also accompanied by the establishment of the Ebru Timtik Award. Ebru Timtik is a lawyer from Turkey who lost her life on 27 August 2020 as a result of a 238-day hunger strike she undertook to protest against the systemic violations of fair trial rights which people in Turkey are facing. Every year, on the occasion of the IFTD, the Ebru Timtik Award is made by an independent jury to an individual or individuals and/or an organisation who have or which has made a significant contribution to the defence and promotion of the right to a fair trial in the focus country.

The first IFTD focus country chosen was Turkey, in 2021. A virtual conference was held on 14 June 2021, to mark the occasion.  The first Ebru Timtik Award was granted posthumously to Ebru Timtik herself. The second conference, which focused on the systemic fair trial issues in Egypt, took place in Palermo/Italy on 17-18 June 2022. Mohamed El-Baqer and Haitham Mohammadein, two Egyptian human rights lawyers who were in detention at the time, received the Ebru Timtik Award.

2023 International Fair Trial Day Focus Country: Mexico

The Steering Group has expanded since 2021 to include a number of other prominent organisations taking part in the work, all as listed below. Several nominations were received for this year’s IFTD focus country. Following due consideration of the proposals, Mexico has been chosen as the focus country of 2023. This decision is based on the following: 

1.) Reports on the situation in Mexico illustrate that many parts of the judicial system in the country suffer from systemic corruption, lack of effective protection of due process rights, ineffective and delayed investigations and trials, discrimination, and improper government influence. Accordingly, there are concerns that the judiciary of some courts and regions fail to provide an effective and timely remedy for those who are wrongly accused of violent crimes or who are victims of crimes or human rights abuses. This becomes more striking against the backdrop of an extremely high violent crime rate and impunity. Evidence of corruption within the judiciary and investigative authorities, among other state institutions, remains a fundamental concern. Reports emphasize that the involvement of the state security forces and prosecutors in criminal activities and ‘serious and widespread human rights violations, including torture, enforced disappearances, and extrajudicial killings with near total impunity’ is an acute problem.[1]

2.) While Mexico is overall defined as a partially free country in the Freedom House Freedom in the World Report (with a 60/100 ranking), rule of law-related factors in the assessment downgrade Mexico’s ranking.  Accordingly, the ‘due process rights protection’ ranking of the country is only ¼, while the ‘judicial independence’ ranking is 2/4.[2] The Global Rule of Law Index of the World Justice Project places Mexico at the rank of 115 out of 140 countries worldwide. Mexico’s ‘criminal justice’ ranking in the Index is 128/140, while the ‘civil justice’ ranking is 131/140. The country is among the worst 10 countries when it comes to ‘corruption,’ ranking 134/140.[3]

3.) Enforced disappearances and summary executions remain one of the most important human rights issues in the country, with the state institutions consistently failing to find an effective solution. In 2021 alone, at least 7,698 missing or disappeared person cases were reported, bringing the total number since 1964 to more than 100,000 people.[4] The UN Committee on Enforced Disappearances visited Mexico in 2021 and shared its findings in 2022. These findings drew attention to the urgency and seriousness of the issue and urged the Mexican authorities to, among others, increase their efforts to combat enforced disappearances, take genuine steps to eradicate structural impunity, and facilitate coordination between different state institutions. [5]

4.) Mexico is rated as one of the most dangerous countries for human rights defenders working on organized crimes, corruption, and crimes by state agents.[6] They are targeted, face attacks, and, in some cases, are killed, abducted, and tortured for their legitimate human rights activities by members of organized groups or state agents. 15 journalists were killed between January and September 2022, and between January – June 2022, 12 human rights defenders were killed in Mexico.[7] Despite the seriousness of these crimes, the cases often remain unresolved with impunity shielding those who are responsible.

5.) Arbitrary, prolonged, and unlawful pretrial detention, in many cases without any charges, is a further systemic issue in the Mexican justice system. Ordering pretrial detention is an obligation for the judicial authorities for those charged with several crimes without any regard to the evidence or circumstances of the case file. The widely criticized arraigo detention that allows prosecutors to obtain detention authorization for up to 40 days without a charge is a further problematic practice used to undermine the due process rights of the accused.[8] These broad powers are extensively used by the judicial and prosecutorial authorities and as a result of their frequent application, prisons are overcrowded and prisoners face systematic human rights abuses and dire prison conditions.  

6.) In an October 2021 filing of an application to the Inter-American Court on Human Rights, the Inter-American Commission on Human Rights underlined some of these systemic issues, particularly those related to the use of detention, torture, and ill-treatment within Mexico’s criminal justice system, and recommended that Mexico:  

- ‘Adapt the country's legal system to permanently eliminate the concept of arraigo, including the constitutional and legal norms that uphold this practice. While this is being implemented, ensure that all judicial operators who are called upon to apply the concept of arraigo cease to do so by invoking conventionality control, in light of the corresponding inter-American standards.

- Provide appropriate training for officials working at the Office of the Deputy Attorney General of Tlalnepantla concerning the absolute prohibition of torture and cruel, inhuman, and degrading treatment during investigations of all crimes, including those that relate to organized crime, and implement a simple, easily accessible system for reporting any such acts.’[9]

7.) Similarly, in a September 2022 statement, the UN Working Group on Arbitrary Detention called on Mexico to urgently abolish mandatory pre-trial detention provided under the Constitution. According to the Committee, ‘[o]ne of the most serious consequences of mandatory pre-trial detention has been that many Mexicans spend more than a decade deprived of their liberty, awaiting trial, without sentence and in conditions of serious risk to their lives and personal integrity. It also contributes to prison overcrowding.’[10]

8.) In a judgment published in January 2023, the Inter-American Court on Human Rights also condemned the pre-procedural arraigo as well as the pretrial detention regulated in the 1999 Federal Code of Criminal Procedure, contrary to the American Convention on Human Rights. The Court ordered Mexico to: a) annul (dejar sin efecto) the provisions related to pre-procedural arraigo in its domestic law; and b) adapt its internal legal system on pretrial detention.[11]   

Against this dire background, the Organising Committee of the IFTD agreed that focusing on Mexico in 2023 will help draw more attention to the systemic fair trial violations in the country. It will provide support to many human rights defenders, including lawyers and journalists, and judges who are still being targeted for their legitimate activities, who are arbitrarily prosecuted, detained, and who face trials severely lacking in due process and failing to respect fair trial principles. 

The IFTD conference will be held on 14 June 2023 in Mexico and will be co-hosted by Mexico-based organisations. Further details of the agenda and the speakers who will participate in the conference will follow over the next few months. For now, we invite you to hold the date.

Call for nominations for the Ebru Timtik Award

The Organising Committee of the IFTD would like to also invite you to nominate one or more individual(s) or an organisation for the Ebru Timtik Award from amongst those who have demonstrated outstanding commitment and sacrifice in upholding fundamental values related to the right to a fair trial in Mexico. The individual(s) or organisation nominated for the award must be or have been active in defending and or promoting the right to a fair trial in Mexico through either his/her/their/its recent outstanding piece of work in relation to this fundamental right or his/her/their/its distinguished long-term involvement in fair trial issues. The deadline for nominations is 2 May 2023. To nominate, please send your nominations to nominationsetaward@gmail.com in English and kindly include: (1) the candidate’s detailed bio, (2) a letter signed by the nominating organisation/group of individuals explaining the reasons why they/it consider(s) that the candidate should be granted the Award, and (3) one recommendation/supporting letter from an unrelated, external organisation, if the application is submitted by a group of individuals.

For the details of the award criteria and process please see the attached “Selection criteria for the grant of the Ebru Timtik Fair Trial Award”. After the deadline, a jury composed of independent individuals who are experienced with the right to a fair trial, including one or more from the focus country, will review and assess the nominations and determine the award recipient(s).

 
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International Fair Trial Day (IFTD) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) Repression gegen Rechtsanwälte
news-932 Fri, 03 Mar 2023 07:03:41 +0100 Urgent request for intervention in favour of Mr. Reza Khandan /publikationen/mitteilungen/mitteilung/urgent-request-for-intervention-in-favour-of-mr-reza-khandan-932 Open Letter, 2.3.2023 To:
Ms. Margaret Satterthwaite
UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers
Email: hrc-sr-independencejl@un.org

Ms. Mary Lawlor
UN Special Rapporteur on the situation
of Human Rights Defenders
Email: defenders@ohchr.org

Ms. Marija Pejčinović Burić
Secretary General of the Council of Europe
Fax: + 33 (0)3 88 41 27 99

Ms. Dunja Mijatović
Commissioner for Human Rights of the Council of Europe
Email: commissioner@coe.int

Ms. Roberta Metsola
President of the European Parliament
Email: roberta.metsola@europarl.europa.eu

Mr. Charles Michel
President of the European Council
Email: ec.president@consilium.europa.eu

Ms. Ursula von der Leyen
President of the European Commission
Email: ec-president-vdl@ec.europa.eu

Mr. Juan Fernando López Aguilar
President LIBE Committee of the European Parliament
Email: juanfernando.lopezaguilar@europarl.europa.eu

Venice, 02/03/2023

Re: Urgent request for intervention in favour of Mr. Reza Khandan

Dear all,

The undersigned organizations urge you to take concrete and urgent action in the case of Reza Khandan[1], well-known human rights activist in Iran and husband of the prominent lawyer and human rights defender Nasrin Sotoudeh[2].

On Tuesday, 14 February, the media broke the news that he has been summoned to prison[3].

In September 2018, Khandan was arrested and charged with “spreading propaganda against the system” and “colluding to commit crimes against national security,” after posting several updates about his wife’s June 2018 arrest online and protesting against the mandatory hijab law by producing and distributing pins that read: 'I stand against the compulsory hijab'[4].

He was released on bail in December 2018[5], but in January 2019 was sentenced to six years in prison with another activist, Farhad Meysami[6].

Just a couple of weeks ago, his wife Nasrin Sotoudeh appeared on CNN to call for the release of Meysami whose life was gravely at risk after a lengthy hunger strike while in prison[7]; he was freed from the infamous and overcrowded Evin Prison on February 10[8].

The Iranian authorities must rescind the summons of Reza Khandan, drop all the charges against him and his wife Nasrin Sotoudeh and stop persecuting them for their efforts to protect, inter alia, women from discrimination and humiliation to which they are subjected in contravention of the principle of civilisation enshrined in Article 1 of the Universal Declaration of Human Rights, ratified by Iran in 1948, according to which 'all human beings are born free and equal in dignity and rights' where dignity comes even before rights.

Likewise, the international community, including the EU given its ongoing dialogue with Iran, must condemn all forms of violence, including executions, discrimination and persecution, recognizing the freedoms of thought, conscience, religion, expression, assembly and association, as well as the right to a fair trial, as foundations of civilised living.

We Colleagues, Magistrates, NGOs and civil society are united and firm in denouncing these violations of fundamental rights and freedoms and supporting human rights defenders. We ask for a concrete stance from you, an incisive commitment to end the judicial harassment of Reza Khandan and Nasrin Sotoudeh, recalling the tenets of the UN Declaration on Human Rights Defenders and the UN Basic Principles on the Role of Lawyers on the therein enshrined States’ responsibility[9].

If we do not defend human rights defenders, who will defend human rights?[10]

We thank you for your attention and we rely on your prompt and effective intervention.

Best regards,

Asociación Americana de Juristas
Avocats Européens Democrats / European Democratic Lawyers
Avocats Sans Frontières
Avocats Sans Frontières / France
Consiglio Nazionale Forense / Italian National Bar Council
Défense Sans Frontière-Avocats Solidaires / France
European Criminal Bar Association
European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights
Fédération des Barreaux d’Europe
Foundation Day of the Endangered Lawyer
International Association of People's Lawyers (IAPL), Monitoring Committee on Attacks on Lawyers
International Bar Association's Human Rights Institute (IBAHRI)
Institut des Droits de l’Homme, Barreau de Bruxelles / Belgium
Institut des Droits de l’Homme des Avocats Européens (IDHAE)
Magistrats Européens pour la Démocratie et les Libertés
New York City Bar Association / United States of America
Observatoire International des Avocats en Danger / International Observatory for Lawyers (OIAD)
Ordine degli Avvocati di Venezia / Italy
Progressive Lawyers' Association / Turkey
Rechtsanwaltskammer Berlin /Germany
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) / Germany
Union of the Italian Criminal Chambers – Endangered Lawyers Observatory and Europe Observatory / Italy

[1] See International Bar Association, “Iran: IBAHRI condemns prison sentence against Reza Khandan and calls for charges to be dropped”; PEN America, “PEN America Condemns Prison Summons Issued to Reza Khandan, Husband to Prominent Iranian Human Rights Lawyer Nasrin Sotoudeh”.
[2] Nasrin Sotoudeh, 59, mother of two, Iranian distinguished human rights lawyer, was arrested on June 13, 2018 after she represented a woman facing imprisonment for peacefully protesting against Iran’s compulsory hijab law by removing it in public. Sotoudeh was informed that she had been detained based on a 5 year prison sentence that was issued against her in absentia in 2015 by a Revolutionary Court judge on the following charge: "espionage in hiding".
On March 9, 2019, she received a copy of a court ruling issued after a one-day hearing held in absentia on December 30, 2018, by Branchh 28 of the Islamic Revolution Court in Tehran. The Court found her guilty and sentenced her to 33 years in prison and 148 lashes on the following seven charges: “gathering and collusion against national security” (Article 610 of the Islamic Penal Code), “spreading propaganda against the system” (Article 500) “effective membership of the illegal and ianti-security splinter groups Defenders of Human Rights Centre, LEGAM and National Council of Peace” (Article 498); “encouraging people to commit corruption and prostitution, and providing the means for it” (Article 639), “appearing without the sharia-sanctioned hijab at the premises of the magistrate’s office” (Article 638); “disrupting public order and calm” (Article 618) and “spreading falsehoods with intent to disturb the public opinion” (Article 698).
She is currently serving her sentence although she is on medical furlough since July 2021, and continues to advocate for people’s basic human rights. For her commitment to the defence of human rights she has been honoured internationally with prestigious awards such as PEN America’s 2011 Freedom to Write, the Sakharov Prize of the European Parliament in 2012, the International Human Rights Prize “Ludovic Trarieux” in 2018, the Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) Human Rights Award in 2019 and the Right Livelihood Award in 2020.
[3] A. Moshtaghian, “Husband of prominent Iranian human rights lawyer summoned by judiciary”, CNN.
[4] GCHR, “Iran: Human rights defender Reza Khandan arrested and Nasrin Sotoudeh remains on hunger strike”.
[5] FIDH, “Iran: Release on bail of Reza Khandan”.
[6] Radio Farda, “Two Prominent Rights Activists Sentenced to Six Year Each”.
[7] S. Noor Haq, “'They still want a regime change.' Iranian human rights lawyer Nasrin Sotoudeh says the anger behind Iran's protests remains”, CNN.
[8] J. Hallam, A. Moshtaghian, N. Kennedy, “Iran frees dissident Farhad Meysami after photos of his emaciated condition cause outrage online”, CNN.
[9] Resolution n. 53/144 adopted by the UN General Assembly on December 9, 1998, Article 2 “1. Each State has a prime responsibility and duty to protect, promote and implement all human rights and fundamental freedoms, inter alia, by adopting such steps as may be necessary to create all conditions necessary in the social, economic, political and other fields, as well as the legal guarantees required to ensure that all persons under its jurisdiction, individually and in association with others, are able to enjoy all those rights and freedoms in practice. 2. Each State shall adopt such legislative, administrative and other steps as may be necessary to ensure that the rights and freedoms referred to in the present Declaration are effectively guaranteed.
[10] Quote from Rosemary Nelson, lawyer and human rights defender killed by a car bomb in Lurgan, Northern Ireland, in 1999.

Der Brief als PDF

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Iran Bürger- und Menschenrechte
news-931 Wed, 01 Mar 2023 15:37:04 +0100 Recht gegen rechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-gegen-rechts-931 Report 2023 Wie schützen der Rechtsstaat und seine Institutionen die Betroffenen von Verfolgung, Flucht, Rassismus, Antisemitismus und Misogynie 30 Jahre nach der Zäsur von Rostock-Lichtenhagen und mehr als zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrund“?
Dieser Frage geht der nunmehr im dritten Jahr erscheinende Report „Recht gegen rechts“ anhand aktueller Beispiele nach. In mehr als 30 kurzen Artikeln werfen Jurist*innen, Rechtswissenschaftler*innen und Fachjournalist*innen - unter ihnen viele RAV Mitglieder - Schlaglichter auf aktuelle Probleme der Rechtsprechung, behördlichen Handelns und Rechtspolitik.

Angela Furmaniak berichtet vom Rauswurf eines rechten Anwalts aus dem Freiburger Anwaltsverein. Christina Clemm legt in ihrem Beitrag „Frauenhass und Antifeminismus“ die bestehenden Wahrnehmungslücken in der Justiz bei genderspezifischer Gewalt offen. Peer Stolle berichtet kritisch zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, die AfD als Verdachtsfall einzustufen. Besonders ans Herz gelegt sei das sehr persönliche Vorwort der Kollegin Seda Başay-Yıldız, die eindrücklich schildert, welch wiederkehrendes Moment rassistische Anschläge und das Schweigen der Mehrheit für Betroffene haben. 

Als RAV wollen wir die Debatte zur Frage des Einsatzes rechtlicher Mittel im „Kampf gegen rechts“ auch auf dem Kongress im Juni 2023 in Leipzig fortsetzen. Anknüpfend an das Spannungsfeld, das die Herausgeber*innen Nele Austermann, Andreas Fischer-Lescano, Heike Kleffner, Kati Lang, Maximilian Pichl, Ronen Steinke und Tore Vetter so beschreiben: „Das Recht gegen rechts - das ist im liberalen Rechtsstaat also immer auch die Mahnung, der Versuchung zu widerstehen, blind jenem „starken Staat“ zu vertrauen, der zu oft Teil des Problems war und ist. Dennoch können wir es uns nicht leisten, im Kampf gegen rechts auf das Recht zu verzichten. Statt unpolitischer Extremismusbekämpfung, die am Ende nur den Rechten selbst nützt, ist es notwendig, diesen Widerspruch des liberalen Rechtsstaats zu thematisieren und die Diskussion um Gegenstrategien im Recht selbst offensiv zu führen.

Recht gegen rechts. Report 2023, S. Fischer Verlag 2023

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Rechtsextremismus
news-930 Mon, 27 Feb 2023 12:36:13 +0100 Bericht vom Rand der Dienstleistungsperipherie: Kommerzielle Sicherheitsdienste in Deutschland /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-vom-rand-der-dienstleistungsperipherie-kommerzielle-sicherheitsdienste-in-deutschland-930 Veranstaltung, 7.3.2023 um 19:30 h in Freiburg/Brsg.

Sicherheitsdienste sollten kommerziell und nicht privat genannt werden. Sie vertreten kommerzielle, also profitorientierte Interessen, auf einem von ihnen mitgeschaffenen Angst- und Besorgnismarkt. Schon seit etwa 100 Jahren arbeiten sie hierzulande weitgehend unkontrolliert und juristisch kaum eingehegt.

Ihre Branche ist in den 2010er und 2020er Jahre stetig gewachsen. Dabei greifen das Selbstverständnis der Unternehmen und seiner Lobby-Organisation wie auch die Zuschreibung seitens staatlicher Akteure so ineinander, dass sich der Sektor verkaufsfördernd als Ko-Produzent von Sicherheit inszeniert und staatlicherseits inszeniert wird. Ein Ausdruck davon ist die Fortschreibung des ›Programms Innere Sicherheit 2008/2009‹, in dem es heißt, »Unternehmen aus dem Dienstleistungsspektrum der privaten Sicherheit sind ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland«. Beschlossen wurde das Programm von der deutschen Innenministerkonferenz (IMK).
Eine von der IMK beauftragte Arbeitsgruppe meldete im Jahr 2011, dass die Branche mit Landes- und Bundespolizeien sowie den Innenministerien Vereinbarungen und Verträge hat, an denen 123 Wach- und Sicherheitsunternehmen in zehn Bundesländern und im Bund (durch die Bahn AG) beteiligt sind. Zwölf weitere Vereinbarungen gibt es mit dem Lobbyverband Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW), und in sechs Bundesländern bestehen zudem Vereinbarungen zwischen weiteren Innenbehörden und dem BDSW.
Die Entwicklung der letzten 100 Jahre lässt sich ohne ein Verständnis von kapitalistischen Verwertungslogiken und ohne einen genaueren Blick auf staatliche Regulationsformen kaum verstehen, wie das Auf und Ab des Gewerbes in den vergangenen Jahrzehnten mit Blick auf Umsatz, Gewinn und Beschäftigte zu verstehen ist.

Der Vortrag skizziert diese Entwicklungen und will Raum für Diskussion lassen.

Sollte bis zur Veranstaltung der Referentenentwurf zu einem von der Ampelkoalition angekündigten "Sicherheitsgewerbegesetz" vorliegen, werden wir dessen Planungen diskutieren und mit den Forderungen des größten Lobbyverbands der Wachund Sicherheitsbranche, dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW), vergleichend bewerten.

Volker Eick ist Politikwissenschaftler und Mitglied im erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.
Er arbeitet in Berlin und Bern.

Termin und Ort:
07. März 2023 um 19:30 Uhr
Hörsaal 1010, UNI-Freiburg

Veranstalter:
Initiative Solidarity City, GS Humanities, Aktion Bleiberecht Freiburg, Arbeitskreis kritische Sozialarbeit (AkS)
Kontakt:
freiburg@Solidarity-City.eu

Flyer

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Lager Sicherheitsgewerbe Veranstaltungen
news-929 Thu, 23 Feb 2023 07:08:33 +0100 Iran: IBAHRI condemns prison sentence against Reza Khandan and calls for charges to be dropped /publikationen/mitteilungen/mitteilung/iran-ibahri-condemns-prison-sentence-against-reza-khandan-and-calls-for-charges-to-be-dropped-929 Statement, 21.2.23 The International Bar Association’s Human Rights Institute (IBAHRI) condemns the issuance of a summons for Iranian civil activist Reza Khandan to begin a six-year prison sentence that was handed down in 2018 for a Facebook post published in support of calls to dismantle discriminatory laws against women and for the release of human rights defenders. The IBAHRI calls on Iran’s authorities to drop all charges against Khandan, the husband of prominent human rights lawyer Nasrin Sotoudeh[1].

Sotoudeh, sentenced to 38 years imprisonment and 148 lashes – the most severe sentence recorded against a lawyer or human rights defender in Iran in recent years – has been on medical furlough from prison since July 2021. She was recently interviewed by Christiane Amanpour on CNN and spoke about the recent protests in Iran, political prisoners and the mounting concerns over the health of activist Farhad Meysami, who was on hunger strike in protest of Iran’s compulsory headscarf policy.  

In January 2019 Khandan was sentenced to six years' imprisonment by Tehran’s Revolutionary Court. He appealed the decision. The sentence had not been enforced. He has now been summoned to report to prison to begin serving his sentence.

IBAHRI Co-Chair and Immediate Past Secretary-General of the Swedish Bar Association Anne Ramberg Dr Jur hc commented: ‘The summons of Reza Khandan is clearly another attempt by Iran’s authorities to intimidate him and his wife, Nasrin Sotoudeh, into silence, and to stifle the momentum of protests. The IBAHRI condemns these actions in the strongest possible terms and calls for the summons of Khandan to be rescinded and for all charges against the couple to be dropped. The use of law to make it compulsory for women to wear a hijab is discriminatory and an affront to a woman’s right to equality and dignity. Protestors are telling Iran’s rulers that this law is not respected and cannot be enforced with brutal suppression, lengthy prison sentences and/or executions. Such actions by Iran’s authorities are a manifestation of their fear; realising they cannot govern with the consent of citizens, they instead seek to subjugate them. The IBAHRI urges Iran’s judiciary to adhere to international human rights laws and principles.’

In 2018, Khandan was arrested and charged with ‘spreading propaganda against the system’, ‘colluding to commit crimes against national security’ and ‘propagating and promoting disregard for hijab in the society’. He has publicly campaigned for the release of his wife, who has represented several women arrested for peacefully protesting the compulsory hijab law and is an outspoken opponent of the death penalty.

IBAHRI Co-Chair Mark Stephens CBE stated: ‘The IBAHRI condemns in the strongest possible terms the Iranian authorities’ latest attempt to intimidate Reza Khandan. This action demonstrates not only the brazen silencing of renowned activists, but also the targeting of any Iranian who voices support for the improvement of women’s rights in Iran. With the targeting of Nasrin Sotoudeh’s husband, we direct Iran’s authorities to Resolution 68/181, adopted by the United Nations General Assembly. It calls on States, inter alia, to ensure that the promotion and protection of human rights are not criminalised and to refrain from any act of intimidation or reprisal against women human rights defenders or their family members. The IBAHRI calls for Iran to respect an individual’s rights to exercise freedom of expression and their right to family life.

Khandan’s summons occurs against the backdrop of mass protests against mandatory hijab laws that have swelled into calls for the overthrow of Iran’s ruling clerical regime. There have been at least 520 protest-related deaths and detainment of almost 20,000 individuals. In a bid to deter further demonstrations, authorities have turned to the Revolutionary Court system, renowned for dispensing severe sentences against activists and protestors, including the use of the death penalty.

ENDS

For further information/interview requests, please send an email to: IBAHRI@int-bar.org

[1] Nasrin Sotoudeh has for more than a decade, been a leading voice in support of human rights and the rule of law in Iran, representing imprisoned women targeted for protesting the compulsory hijab law and speaking out against injustice. For her work, she has endured fabricated legal charges, grossly disproportionate prison sentences and serious health deterioration.

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Iran Bürger- und Menschenrechte
news-928 Tue, 21 Feb 2023 14:14:39 +0100 Gesetzentwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzentwurf-eines-gesetzes-zur-digitalen-dokumentation-der-strafgerichtlichen-hauptverhandlung-928 RAV-Stellungnahme, 17.2.23 Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung vom 22.11.2022

Verfasser: Prof. Dr. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt; Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt

Vorbemerkung

Der RAV nimmt den vorgelegten Gesetzesentwurf mit Freude zur Kenntnis. Die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ist seit langem Ziel der Anwält*innenschaft und in einem modernen Rechtsstaat Standard. Sie wird die Transparenz und damit auch die Akzeptanz strafgerichtlicher Hauptverhandlungen erhöhen. Leidige Diskussionen über den genauen Inhalt der Aussagen von Zeug*innen oder Sachverständigen werden damit endlich der Vergangenheit angehören, was auch dem Rechtsfrieden dient.

Im Einzelnen:

§ 271 StPO

Absatz 1 ist aus systematischen bzw. Klarstellungsgründen begrüßenswert.

Absatz 2 ist als Kernstück der neuen Regelung außerordentlich sinnvoll. Aus Sicht des RAV bedürfte es dabei zunächst nicht einmal der visuellen Aufzeichnung, um das Ziel des Gesetzes zu erreichen; vielmehr genügt jedenfalls in einem ersten Schritt die automatisiert in ein Transkript zu übertragende Audioaufzeichnung. Aussagepsychologisch ist ohnehin bekannt, dass es für die Frage der Glaubhaftigkeit von Aussagen auf Gestik und Mimik von Zeug*innen eher nicht ankommt. Große Vorteile einer Aufzeichnung auch als Video, die den damit verbundenen Aufwand rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Andererseits fielen bei der Video-Aufzeichnung bei weitem größere Datenmengen an als bei der reinen Audioaufzeichnung. Videos mit mehreren Stunden Länge sind jedenfalls derzeit noch kaum händelbar, weil viele Gigabyte groß; ob die automatisierte Transkribierung fehlerfrei möglich sein wird, ist noch unklar, zumal wenn man den derzeitigen mangelhaften Stand der Digitalisierung der Justiz in den Blick nimmt. Der GesE lässt offen, ob das Transkript aus einer Audio-Video-Datei heraus erfolgen soll oder – was technisch eher umzusetzen wäre – aus einer gesonderten Audiodatei. Hinzu kommt, dass Mikrofonanlagen in vielen landgerichtlichen und erst recht oberlandesgerichtlichen Sälen bereits vorhanden sind, sodass der Aufwand für die Steuerzahler*innen sich auch noch einmal deutlich verringert.

Auf der anderen Seite scheint es aus Sicht des RAV aber sinnvoll, auch Berufungsverfahren aufzuzeichnen. Warum diese von der Aufzeichnung ausgenommen sein sollen, überzeugt nicht (dem GesE ist eine Begründung dafür nicht zu entnehmen): Dort wird ebenfalls kein Inhaltsprotokoll wie bei amtsgerichtlichen Hauptverhandlungen geführt. Zudem ist forensisch zu beobachten, dass auch Berufungsverfahren mehrere Hauptverhandlungstage in Anspruch nehmen können, weil der Aufklärungsanspruch auch der sog. kleinen Strafkammern dem der Amtsgerichte regelmäßig überlegen ist. Insofern schlagen wir vor, § 271 Abs. 2 StPO wie folgt zu fassen:

„Eine Hauptverhandlung vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht ist zudem (in Ton) aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung ist…“

§ 272 StPO

§ 272 StPO enthält im Wesentlichen keine neuen Regelungen, sondern sortiert bereits bestehende Regelungen; insofern erübrigt sich eine Stellungnahme.

§ 273 StPO

Aus Sicht des RAV entfallen viele der Bedenken im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, wenn von einer visuellen Aufzeichnung bis auf Weiteres Abstand genommen wird (um erst einmal entsprechende Erfahrungen zu sammeln und zu evaluieren). Abgesehen davon ist Abs. 1 einerseits eine Selbstverständlichkeit, andererseits kaum justiziabel.

Absätze 2 und 3 erscheinen nachvollziehbar und stringent. Allerdings weckt Abs. 3 insofern Missverständnisse, als für „Aufzeichnungen“, die „in anderer Weise gespeichert“ werden, u.a. § 499 StPO gelten soll, für solche, die zur Akte genommen werden, hingegen nicht.

Auch gegen die Regelung in Absatz 4 ist nichts einzuwenden. Eine Erweiterung der Aufbewahrung könnte allerdings das bislang eher stiefmütterlich behandelte Institut der Wiederaufnahme des Verfahrens beleben, da die Voraussetzungen des § 359 StPO eher darzulegen sind, wenn ein Wortprotokoll der ehemaligen Hauptverhandlung existiert, deren Inhalt nun durch neue Beweismittel widerlegt werden kann. Dies könnte beispielsweise auch durch Antragsbefugnisse der Angeklagten ausgestaltet werden. S. 4 könnte lauten:

„Auf begründeten Antrag Angeklagter ist die Speicherung gemäß Satz 3 anzuordnen.“

Absatz 5 ist zu begrüßen, auch wenn kaum nachvollziehbar ist, dass Sachverständige ausgenommen wurden. Allerdings ist S. 2 zu erweitern, denn mit der gewählten Formulierung dürfen die Aufzeichnungen auch in anderen Strafverfahren verwendet werden, was gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen und das Persönlichkeitsrecht Verfahrensbeteiligter verletzen kann. Stattdessen sollte S. 2 lauten:

„Die Aufzeichnungen dürfen mit der Einwilligung sämtlicher Beteiligter auch in anderen Strafverfahren oder anderen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren verwendet werden.“

Absatz 6 ist begrüßenswert, wobei sich erst arg. Abs. 8 ergibt, das mit „Zugang“ offenbar „zur Verfügung stellen“ gemeint ist (alles weitere ergibt sich dann in der Tat aus § 32f StPO).

Absatz 7 ist zu weitgehend: Gerade vermeintlich Verletzten, die noch nicht in der Hauptverhandlung als Zeug*innen vernommen wurden, steht zu Recht nicht immer ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht zu (arg. § 406e StPO). Vor ihrer Einvernahme kann ihre Kenntnisnahme etwa vom Wortlaut der Erklärung Angeklagter besorgen lassen, dass der Untersuchungszweck gefährdet ist, weil die vermeintlich verletzte Person ihre Aussage auf die erhaltenen Informationen hin anpassen kann. Aus Sicht des RAV ist Absatz 7 zu streichen. Ungeachtet dessen erscheint die Formulierung „nach jedem Verhandlungstag unverzüglich“ ohnehin unrealistisch, zumindest missverständlich.

Absatz 8 ist grundsätzlich begrüßenswert. Im Hinblick auf die Mandant*innen gerät die Verteidigung allerdings in den Anwendungsbereich des § 201 Abs.1 Nr. 2 StGB: Die „Befugnisse“ müssten insoweit noch klarer gefasst werden. Auch können sich diesbzgl. Sach- und Rechtsfragen bei inhaftierten Angeklagten ergeben, deren Klärung noch aussteht.

§ 274 StPO

§ 274 StPO ist begrüßenswert.

§ 353d StGB

Gegen die vorgeschlagene Erweiterung des § 353d StGB ist nichts einzuwenden.

Bremen und Berlin, 17.02.2023

StN als PDF

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Stellungnahmen
news-927 Fri, 17 Feb 2023 10:31:51 +0100 Sofortige Einreiseerleichterungen ohne Unterscheidung nach Herkunft und Nationalität /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sofortige-einreiseerleichterungen-ohne-unterscheidung-nach-herkunft-und-nationalitaet-927 Gemeinsame Pressemitteilung, 17.2.23 Am 6. Februar 2023 töteten und verletzten zwei Erdbeben Zehntausende Menschen in der Türkei und in Syrien, zerstörten Dörfer und Städte in zehn Provinzen und ließen die Überlebenden ohne Obdach im harten Winter zurück. Das Katastrophengebiet ist so groß wie die Fläche Deutschlands.

Wir sprechen den Betroffenen und Angehörigen unser tiefstes Beileid aus.

Das Erdbeben machte keinen Unterschied zwischen Nationalität, sozialer Herkunft, Sprache, Religion, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung und verwüstete das gesamte Leben in dieser Region.

»Es darf keine Unterscheidung nach Nationalität und Pass für die Betroffenen derselben Katastrophe geben«, so Tareq Alaows von Pro Asyl. Bei der humanitären Hilfe muss die Nichtdiskriminierung und Unparteilichkeit die Grundmaxime sein. In der betroffenen Region leben viele Menschen alevitischer und kurdischer Herkunft. Es sind sehr viele Menschen aus Syrien und Afghanistan im Erdbebengebiet als Flüchtlinge untergekommen. Nach Angaben der Direktion für Migrationsmanagement beläuft sich die Zahl der registrierten Flüchtlinge in den 10 vom Erdbeben betroffenen Provinzen auf mindestens 1,7 Millionen.

In den sozialen Medien und von Flüchtlingsorganisation in der Türkei erreichen uns aber alarmierende Nachrichten: Neben diskriminierenden Maßnahmen bei der Verteilung von Hilfsgütern wird zu Hassverbrechen aufgestachelt. Nach einigen Posts in den sozialen Medien, in denen vorgeschlagen wurde, dass Flüchtlinge von Such- und Rettungsaktionen und humanitärer Hilfe ausgeschlossen werden sollten, verwandelte sich dieser diskriminierende Diskurs in einen über die »Plünderung« durch Flüchtlinge – es soll gezielt der Eindruck erweckt werden, dass Geflüchtete plündern. Mancherorts schlug dies in physische Gewalt und Folter um. Eine weitere Eskalation droht.

»Die erneut traumatisierten Menschen dürfen nicht allein gelassen werden. Andernfalls werden sie zunehmend zur Zielscheibe von Hassverbrechen, in einem Land, das schon vor dem Erdbeben in einer schweren Wirtschaftskrise steckte und in dem in drei Monaten gewählt werden soll. Es muss sichergestellt werden, dass die Menschen und ihre Schicksale nicht wieder zu Spielbällen der Politik gemacht werden.«, so Rechtsanwältin Berenice Böhlo vom Vorstand des RAV.

Nach dem von Präsident Erdoğan am 7. Februar 2023 verhängten Ausnahmezustand erlaubt die Direktion für Migrationsmanagement nur denjenigen Flüchtlingen eine Reisegenehmigung in andere Regionen, wenn Verwandte ihre Grundbedürfnisse, insbesondere eine Unterkunft befriedigen oder sie für sich ein Haus mieten können. Es wurde angekündigt, dass öffentliche Einrichtungen und Organisationen, einschließlich lokaler Regierungen, den vom Erdbeben betroffenen Flüchtlingen außerhalb des Erdbebengebiets keine Unterstützung bei der Unterbringung gewähren dürfen, und dass auch Nichtregierungsorganisationen keine Unterstützung bei der Unterbringung leisten dürfen.

Über die Situation in Syrien erfahren wir kaum etwas. Medico International verweist auf Partnerorganisationen vor Ort, wonach die Menschen allein gelassen sind und Hilfsmaßnahmen sie kaum erreichen. Stattdessen werden Hilfsmaßnahmen von Assad politisch instrumentalisiert. Hier muss ein breit angelegtes Evakuierungsprogramm unter der Kontrolle der UNO sofort beginnen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, Erdbebenopfern schnell, unbürokratisch und großzügig die Einreise zu ermöglichen ohne Unterschied nach Herkunft und Nationalität. Geflüchtete und von der Katastrophe betroffene Menschen, die sich in der Türkei aufhalten, müssen ebenfalls humanitäre Visa erhalten. Viele von ihnen haben Verwandte im Bundesgebiet und warten seit Jahren darauf, einreisen zu dürfen, was in der aktuellen Situation umso dringlicher ist.

Die PM ist gezeichnet von

Adopt a Revolution
Borderline-Europe
Flüchtlingsrat Berlin
Flüchtlingsrat Brandenburg
Medico International
Pro Asyl
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.

PM als PDF

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-925 Mon, 13 Feb 2023 08:14:54 +0100 Turkey’s terror list: An attack on lawyers and human rights /publikationen/mitteilungen/mitteilung/turkeys-terror-list-an-attack-on-lawyers-and-human-rights-925 Joint statement, 11.2.23 The undersigned organisations deplore the recent arbitrary designation of Günay Dağ as a “terrorist”. Günay Dağ is a lawyer at the International Bureau of the People's Law Office and a member of the Progressive Lawyers’ Association (ÇHD).  On 30 December 2022, he was added to the list called "list of wanted terrorists" published on the official website of the Ministry of Interior.  For the past three years, Günay Dağ has been a political refugee.
Although Günay Dağ has never been convicted of a criminal act of terrorism by a court, he is now being labelled as a “wanted terrorist” and member of a terrorist organisation.
We fear that Günay Dağ is being identified with his clients or his clients' causes as a result of discharging his professional functions, in contravention of international and universal law and standards relating to the role of lawyers.

Alleged “terrorists” placed on the official list are subdivided into five categories: red, blue, green, orange and grey, according to the ascribed level of threat and/or importance.  Günay Dağ has been included in the “green category,” with a reward of two million Turkish Liras offered for information leading directly to his arrest. This list published by the Ministry of Interior is solely based on the provisions of the "Regulation on Rewards to be Offered to Those Who Help in Exposing Terrorist Crimes or Seizing Evidence or Arresting Criminal Perpetrators", which is known as the "rewards regulation". However, this regulation does not provide any authorisation to the executive power to establish such a list, nor does it explain how the categories are to be determined or administered. Since the five colours have different amounts of monetary award, it is only known that the green category represents the medium level. This list has become an important tool for persecuting and prosecuting those who are considered as political opponents to the government. Critically, the list contains not only those accused of being directly involved with “terrorism”, but also lawyers that are representing them.

With such financial incentives for tips leading to an arrest, which can go up to almost five hundred thousand EURO, it appears that the authorities are trying to reach even persons who have fled and are no longer on Turkish territory.
The list includes a total of 971 people accused of being members of 19 different alleged “terrorist organisations”. The well-known journalist Can Dündar, who lives in exile, was also put on the list on 30 December 2022, thesame day as lawyer Günay Dağ,
Over the course of several years, a number of legal actions have been initiated by State authorities in Turkey against lawyers in violation of the prohibition of identifying lawyers with their clients. (See Article 18 of the UN Basic Principles on the Role of Lawyers: Lawyers shall not be identified with their clients or their clients' causes as a result of discharging their functions).

One of the well-known cases of this type concerns the prosecution of 22 lawyers from the Progressive Lawyers’ Association (ÇHD), which has been ongoing for more than 10 years. Many of the accused ÇHD lawyers have been imprisoned for years, although they have yet to be irrevocably convicted of a criminal offense.  Among them are Selçuk Kozağaçlı, the Chair of ÇHD and other colleagues working in the People's Law Office. Most of them have been acting as lawyers in politically sensitive cases. However, despite the heavy pressure against them, our colleagues who are not yet detained are still trying to pursue their legitimate professional activities as lawyers.

Arbitrary listing:

The listing entails serious consequences for the person concerned who faces serious risks of imprisonment, stigmatization and other human rights violations. Yet the list lacks a proper legal basis for its implementation. So far, only a decree of the Ministry of the Interior regulates the remuneration for informants.[1] There is no legal provision that regulates who can be put on the list, how persons may be removed from the list nor how the executive authorities may decide establishing such a list, nor how it is managed. The initiation and administration of the list is therefore arbitrary, contravening the principles of legality.

Violation of the presumption of innocence, right to a fair trial and right to private and family life:

The listing authority does not provide expressly for judicial review, nor does it spell out any procedures for review a judicial authority, despite the fact that listing necessarily results in a serious impairment of the exercise of the rights of those who have been listed.  The designation of a person as a terrorist without having been sentenced by a court or tribunal and without due process violates the presumption of innocence and the right to a fair trial. These human rights established under customary international and  guaranteed by treaties to which Turkey is a party, including the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR, articles 9 and 14) and the European Convention on Human Rights (ECHR, articles 5 and 6). In this regard, the European Parliament recently strongly condemned the Turkish government's disregard for the right to a fair trial in the context of the ECtHR's 2019 case Kavala v. Turkey.

Likewise, sharing personal information openly and illegally on the internet is a violation of the right to private and family life (ICCPR, article 17; ECHR, article 8).

INTERPOL blocking Turkey’s list:

A Red Notice is a request to law enforcement worldwide to locate and provisionally arrest a person pending extradition, surrender, or similar legal action. It is based on an arrest warrant or a court order issued by the judicial authorities in the requesting country. Member countries apply their own laws in deciding whether to arrest a person.  Red Notices are published by INTERPOL at the request of a member country, and must comply with INTERPOL’s Constitution and Rules.
In this context, we understand that INTERPOL has rejected most of the requests made by Turkey on the basis of this list, on the grounds that they lacked persuasive evidence and were politically motivated and therefore did not comply with binding INTERPOL regulations. In this regard, the Red Notice request for Can Dündar was rejected by INTERPOL.

Conclusion and recommendations:

In view of the above, the undersigned organisations call on the Turkish authorities to stop identifying lawyers with their clients or the causes they defend, including by putting an end to their listing as terrorists without due process and a fair trial. Additionally, we urge the Turkish authorities to remove lawyer Günay Dağ and all other lawyers from the "list of wanted terrorists" since their inclusion to this list is based on their legitimate activities as lawyers. Finally, the undersigned organisations call on the Turkish authorities to take all necessary measures to guarantee that all lawyers in Turkey are able to carry out their professional duties without fear of reprisal, hindrance, intimidation or harassment, in order to preserve the independence, integrity of the administration of justice and the rule of law.

This statement was endorsed by

Alternative Intervention of Athens' Lawyers.
Asociación Americana de Juristas (AAJ)
Association of Lawyers for Freedom (ÖHD)
Avocats Sans Frontières (ASF)
Center for Research amd Elaboration on Democracy/Group of International Legal Intervention
Confederation of Lawyers of Asia and the Pacific (COLAP)
Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE)
Défense Sans Frontières - Avocats Solidaires (DSF-AS)
European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH)
European Criminal Bar Association (ECBA)
European Democratic Lawyers (AED)
Giuristi Democratici Italia
Haldane Society of Socialist Lawyers
Indian Association of Lawyers
Institut des droits de l’homme du barreau de Bruxelles
International Association of Democratic Lawyers (IADL)
International Bar Association's Human Rights Institute (BAHRI)
International Commission of Jurists
Japan Lawyers International Solidarity Association(JALISA)
Judicial Reform Foundation
Lawyers for Lawyers (L4L, the Netherlands)
Lawyers' Rights Watch Canada
National Union of Peoples’ Lawyers (NULP, the Philippines)
Progressive Lawyers’ Association (ÇHD, Turkey)
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV, Germany)
The National Association of Democratic Lawyers [South Africa]
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen eV (VDJ)

 

[1] Regulation on Rewards to be Offered to Those Who Help in Exposing Terrorist Crimes or Seizing Evidence or Arresting Criminal Perpetrators

Statement PDF

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Pressemitteilung Repression gegen Rechtsanwälte Menschenrechte/Türkei
news-924 Fri, 03 Feb 2023 11:37:02 +0100 "Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-solidarische-rechtskaempfe-in-krisenzeiten-924 RAV-Kongress am 16./17.6. in Leipzig. >> Save the date und Call für Panels und Workshops

Der RAV ist in Planung eines Kongresses am 16. und 17. Juni 2023 in Leipzig unter dem Titel "Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten".

Für jeweils Freitag- und Samstagabend sind große Veranstaltungen geplant.

 

Über den Samstag verteilt werden wir die Möglichkeit haben, mindestens 15 unterschiedliche Panels und Workshops anzubieten, die jeweils 2 Stunden nicht überschreiten sollten. Wir laden Kolleginnen und Kollegen daher herzlich ein, uns bis zum 24. Februar 2023 konkrete Vorschläge (Thema, Moderation und mögliche Referent*innen) für Panels und Workshops am Samstag zu schicken, gerne auch in Kooperation mit anderen Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft.

 

Keinesfalls abschließend ist hier an Themenfelder wie Klimaschutz, Migrationsregime, Antidiskriminierungspolitiken, Rechtsstaat, Sicherheitsbehörden, soziale Rechte, Inklusion, Klassenkämpfe usw. gedacht.

 

Habt Ihr zu diesen und auch anderen Themen was zu sagen oder Fragestellungen/Ansätze, die in einem o.g. Format bearbeitet oder entwickelt werden sollten? Wir freuen uns auch über noch nicht fertige Ideen, die wir dann gemeinsam weiter entwickeln und konkretisieren könnten. Schreibt uns bitte bis zum 24. Februar an agprogramm2023@rav.de.

 

Wir freuen uns auf Ihre und Eure Vorschläge,

 

die Programm-AG

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RAV
news-923 Tue, 31 Jan 2023 18:36:37 +0100 Rassismus in der Polizei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rassismus-in-der-polizei-923 Eine wissenschaftliche Bestandaufnahme von Daniela Hunold und Tobias Singelnstein (Hrsg.) ›Das Problem heißt Rassismus‹, so versuchen seit Jahr(zehnt)en Aktivist*innen und nach und nach auch Fachleute sowie, vereinzelt, auch für die Polizei Tätige, zumindest eine Sensibilisierung in Institutionen und Gesellschaft für Rassismus innerhalb der Polizeibehörden zu erreichen.
Tatsächlich hat das Thema die gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt, aber Ausmaß und Formen institutionellen Rassismus in deutschen Polizeibehörden sind bisher nur in Ansätzen untersucht.

Dieser Sammelband bietet eine Grundlage für diese Herausforderungen: Der Forschungsstand aus verschiedenen Disziplinen wird hier zusammenführt und in sechs Abschnitten aufbereitet.
So können die begrifflichen, juridischen und historischen Grundlagen, Formen und Entstehungszusammenhänge (institutionellen) Rassismus nachgelesen werden.
Aufbereitet werden ebenso die unterschiedlichen polizeilichen Tätigkeitsbereiche, die Folgen von Rassismus für unterschiedliche Opfergruppen, Täter*innen und Gesellschaft, Methoden zur wissenschaftlichen Untersuchung des Phänomens sowie mögliche Umgangsweisen mit dem – das zeigt der Band – facettenreichen Umfang des Problems ›polizeilicher Rassismus‹ (ve).

Dies ist ein Open-Access-Buch, was bedeutet, dass es freien und uneingeschränkten Zugang gibt:

https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-37133-3

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Polizei Rassismus
news-921 Mon, 23 Jan 2023 11:34:26 +0100 Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts – Afghanistan<br />Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-afghanistan-kundgebung-vor-dem-auswaertigen-amt-921 Pressemitteilung, 23.1.23 24. Januar: Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts – Afghanistan
Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt um 15:30 h
Hunderte von Jurist*innen mit dem Tod bedroht

Der Sturz der afghanischen Regierung im August 2021 hat zwei Jahrzehnte des Fortschritts fast über Nacht zunichtegemacht. Das gesamte Rechtssystem des Landes ist im Wesentlichen zusammengebrochen. Die ab August 2021 geltenden Gesetze, einschließlich der afghanischen Verfassung aus dem Jahr 2004, wurden ihrer Wirkung beraubt. Jetzt werden die Grundsätze der Sharīʿa angewandt, und viele der von der De-facto-Regierung erlassenen Richtlinien stellen Einschränkungen der grundlegenden Menschenrechte dar, einschließlich der Presse- und Meinungsfreiheit, der Gleichbehandlung, der Freizügigkeit und des Rechts auf Privatsphäre. Der diesjährige Tag der verfolgten Anwält*innen widmet sich daher der Lage der Jurist*innen in Afghanistan.

Richter*innen und Staatsanwält*innen, die vor der Machtübernahme im August 2021 in der afghanischen Regierung tätig waren, sowie afghanische Anwält*innen müssen mit Repressalien rechnen, sowohl von Seiten der Taliban selbst als auch von den Tausenden verurteilter Straftäter, die freigelassen wurden, als die Taliban bei ihrer Machtübernahme die Türen der Gefängnisse im ganzen Land öffneten. Mitglieder der Taliban machen ihre ehemaligen Verteidiger*innen, Richter*innen oder Staatsanwält*innen für ihre Verurteilungen verantwortlich.
Darüber hinaus haben es Taliban auf Anwält*innen abgesehen, insbesondere auf Anwältinnen, die Opfer in Fällen vertreten, in denen Taliban-Mitglieder verurteilt wurden. Anwält*innen werden auch von den De-facto-Behörden verfolgt, weil sie in der Vergangenheit ihren Mitbürger*innen, insbesondere Frauen, Zugang zur Justiz gewährten und ihre Grundrechte und -freiheiten schützten. Da ihr Leben und das ihrer Familien in großer Gefahr war, waren viele afghanische Richter*innen und Staatsanwält*innen sowie Rechtsanwält*innen gezwungen, entweder aus dem Land zu fliehen oder unterzutauchen. Viele befinden sich nach wie vor in Lebensgefahr.

Entrechtung der afghanischen Anwaltskammer

Am 22. November 2021 erließ das Justizministerium der Taliban ein Dekret, mit dem die Afghanische Anwaltskammer (AIBA) ihrer Unabhängigkeit beraubt wurde, einschließlich ihrer Befugnis, Lizenzen an Rechtsanwält*innen zu vergeben. Einen Tag nach dem Erlass stürmten Taliban-Kräfte den Hauptsitz der AIBA in Kabul, bedrohten die Mitarbeiter*innen und Mitglieder der Vereinigung mit Gewalt und forderten sie auf, das Gebäude zu verlassen. Die Taliban verschafften sich Zugang zu den Datenbanken der AIBA, einschließlich der Daten von über 2.500 Anwält*innen und nichtanwaltlichen Mitarbeiter*innen. Diese Datensätze enthielten Informationen über die Personalien der Anwält*innen, die Namen von Familienangehörigen, Wohnadressen und Telefonnummern sowie Informationen über bearbeitete Fälle und die Verbindungen der Anwält*innen zu staatlichen und internationalen Organisationen sowie Informationen über Staatsanwält*innen und Richter*innen.
Die Taliban übernahmen auch die Kontrolle über die Bankkonten und Gelder der AIBA. Seitdem war die AIBA gezwungen, ihre Tätigkeit im Land einzustellen und wurde de facto dem Justizministerium der Taliban unterstellt.

Hunderte Kolleg*innen erwerbslos, auf der Flucht oder ermordet

In dem Erlass vom 22. November 2021 heißt es außerdem, dass nur von den Taliban zugelassene Anwälte vor Gericht auftreten dürfen. Ehemalige AIBA-registrierte Anwält*innen müssen daher eine neue Lizenz erwerben und eine Reihe von Kriterien erfüllen, die vom De-facto-Justizministerium festgelegt wurden. In der Praxis werden die Anwält*innen auf der Grundlage ihrer früheren Tätigkeiten und ihres Verständnisses der Sharīʿa-Grundsätze geprüft.
Wer früher auch nur im Entferntesten im Bereich der Menschenrechte tätig war oder Beziehungen zu internationalen Organisationen unterhielt, dem wird automatisch die Zulassung verweigert, so dass er nicht mehr praktizieren darf. Und obwohl vor dem Sturz der Taliban 25 Prozent der AIBA-Mitglieder Frauen waren, haben die Taliban bis heute nur Männern Lizenzen erteilt. Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Mehrheit der Anwält*innen, die rechtmäßig bei der AIBA registriert waren, nun mit einem Berufsverbot belegt sind und damit keine berufliche Perspektive mehr haben.
Nach Angaben der AIBA wurden seit ihrer Auflösung sieben Anwälte getötet und 146 Anwält*innen verhaftet, oder es wurde gegen sie ermittelt. Viele ihrer Kolleg*innen sahen sich gezwungen, aus dem Land zu fliehen oder sich mit ihren Familien zu verstecken, um den Verfolgungen zu entgehen.

Die Bundesregierung muss jetzt handeln

»Wenn die Bundesregierung tatsächlich eine konsequente Menschenrechtspolitik verfolgen will, so muss schnellstmöglich und unbürokratisch dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nach Deutschland einreisen und hier einen Aufenthalt bekommen können«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Bundesvorsitzender des RAV.

Gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Berlin, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte ruft der Republikanische Anwältinnen‐ und Anwälteverein auf zu einer

Kundgebung
24.01.23 um 15:30 Uhr
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1, 10117 Berlin

An diesem Tag wird seit 2010 weltweit der ›Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts‹ begangen. Dieses Jahr ist der ›Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts‹ den Kolleginnen und Kollegen in Afghanistan gewidmet, denen das Recht auf freie Advokatur durch das Taliban‐Regime systematisch entzogen wird. Mehrere hundert Kolleg*innen befinden sich aktuell auf der Flucht oder versuchen das Land zu verlassen.

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Hintergrund zur Lage der Anwält*innenschaft

Bis 2001 hatten mehrere Jahrzehnte Krieg und andere Konflikte die Infrastruktur Afghanistans dezimiert. Auch das Rechts- und Justizsystem war davon nicht verschont geblieben. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im November 2001 wurde jedoch eine breite Palette von Programmen zur Aufstockung des Personals und zum Wiederaufbau, zur Reform und zur Modernisierung der afghanischen Regierung, einschließlich der Gerichte, sowie des Rechtswesens durchgeführt.
Das neue System, das nach dem Sturz der Taliban eingeführt wurde, trennte das Recht von der Religion (Sharīʿa) und die Justiz vom Klerus oder der Stammes-Dschirga, d. h. dem Urteil der lokalen Ältesten.
Die Unabhängige Afghanische Anwaltskammer (AIBA) wurde 2008 auf der Grundlage des afghanischen Anwaltsgesetzes gegründet. Mit mehr als 6.000 Mitgliedern (darunter rund 1.500 Frauen) beaufsichtigte die AIBA die Zulassung und Regulierung von Anwält*innen, förderte die Chancengleichheit im Rechtsberuf, bildete künftige Anwält*innen aus und setzte sich für Rechtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit ein. Die AIBA hatte sich als unabhängige Institution etabliert, die sich für Grundrechte, ordnungsgemäße Verfahren, richterliche Unabhängigkeit, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte einsetzte. Seit ihrer Gründung war es der AIBA trotz kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Zwänge gelungen, die Rolle von Strafverteidiger*innen zu fördern und sich im Bereich der sozialen Gerechtigkeit zu engagieren, insbesondere bei der Verteidigung der Rechte von Opfern von Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Zu den weiteren Investitionen in das Justizsystem nach 2001 gehörte der Aufbau eines geschulten, unabhängigen Justizwesens, zu dem (zum ersten Mal) mehr als 270 Richterinnen gehörten. Auch für Staatsanwält*innen wurde eine umfassende Ausbildung bereitgestellt. Auch ihre Reihen wurden diversifiziert, so dass dort etwa 400 Frauen in ihnen tätig waren.

PM als PDF

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Tag des bedrohten Anwalts Feminismus Pressemitteilung
news-920 Tue, 17 Jan 2023 20:32:55 +0100 „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen - Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strassenblockierer-und-museumsrandalierer-haerter-bestrafenmenschen-und-kulturgueter-vor-radikalem-protest-schuetzen-920 RAV-Stellungnahme zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion anlässlich der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 18. Januar 2023.

Verfasser: Adrian Furtwängler, Rechtsanwalt

Die Stellungnahme als PDF

Vorbemerkung

Die CDU/CSU-Fraktion fordert in dem hier zu besprechenden Antrag, der Bundestag möge zunächst feststellen, dass sich die Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung innerhalb der letzten Monate zu einem radikalen und aggressiven Protest gewandelt habe, welcher kriminelle Mittel nicht scheue und dabei auch Leib und Leben von Menschen gefährde. Durch die Aktionen seien Rettungsfahrzeuge im Einsatz behindert, Historische Kunstwerke mutwillig beschädigt und das nationale Kulturgut absichtlich angegriffen worden. Die Aktionen seien nicht durch Art. 8 des Grundgesetzes gedeckt und bewegten sich außerhalb der demokratischen Ordnung. Aufbauend hierauf beantragt die CDU/CSU- Fraktion verschiedener Straftatbestände im StGB, sowie eine schwerwiegende Veränderung der Regelung zur Strafaussetzung zur Bewährung. Einen im konkreten Beschlussantrag nahezu wortgleich übernommenen Antrag der dortigen AfD-Fraktion[1] hat der Landtag von NRW mit den Stimmen der übrigen Fraktionen vollumfänglich abgelehnt.[2]

Die Stellungnahme widmet sich zunächst den unter Punkt I aufgeführten Grundannahmen des Antrages, ehe hierauf aufbauend eine Stellungnahme zu den einzelnen konkreten Forderungen unter Ziffer II des Antrages erfolgt.

I. Zu den Grundannahmen des Antrages

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Hinblick auf die dort angeführte vermeintliche Problemlage im Zusammenhang mit den Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung[3] bedauerlicherweise keine überprüfbaren Quellen aufweist. Hinsichtlich der im Antrag enthaltenen Annahme, dass Historische Kunstwerke mutwillig beschädigt worden sein sollen, sei zur Vollständigkeit darauf hingewiesen, dass an den Gemälden selbst im Museum Barberini, der Alten Pinakothek München und der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister jeweils keine Schäden entstanden sind.[4] Mit der Einschätzung der Antragsteller*innen, dass sich der Protest außerhalb der demokratischen Grundordnung verorte, widersprechen sie jedenfalls der Einschätzung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der feststellte, dass die Aktionen gerade zum Ausdruck brächten, wie sehr die Aktivist*innen das demokratische System respektieren.[5] Einer ausführlichen Betrachtung bedarf die im Antrag enthaltene Grundannahme, die Aktionen seien nicht durch Art. 8 GG gedeckt, es handele sich um Straftaten statt demokratischer Mittel und „der Rechtsstaat“ erfordere eine schnelle und harte Bestrafung der Aktionen. Diese Grundannahmen sind zum einen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar und zeugen darüber hinaus von einem autoritären und im Kern antidemokratischen Rechtsstaatsverständnis.

1. Zur rechtlichen Bewertung der Sitzblockaden

Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion nimmt im Hinblick auf die Strafbarkeit der Sitzblockaden von Klimaaktivist*innen eine Wertung vor, die in einem Rechtsstaat zunächst unabhängigen Gerichten obliegt und von diesen bislang nicht abschließend beurteilt wurde. Es ist insofern vorab darauf hinzuweisen, dass der weit überwiegende Teil der diesbezüglichen Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und insbesondere höchstrichterliche Entscheidungen bislang nicht vorhanden sind. Auch erstinstanzlich kann jedoch angesichts mehrerer Entscheidungen, die eine Strafbarkeit der Aktivist*innen nicht gegeben sehen[6] von einer einhelligen Rechtsprechung nicht gesprochen werden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass von den im Antrag der CDU/CSU-Fraktion enthaltenen Strafnormen lediglich die Nötigung gem. § 240 StGB in den Verfahren eine praktische Rolle spielt.

Die grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen diesbezüglich sind durch die Rechtsprechung des Bundverfassungsgerichts gesetzt und sprechen – soweit man diese Rechtsprechung ernstnimmt – gegen eine Strafbarkeit eines Großteils der Aktionen. Sie erfordern jedoch in jedem Fall eine umfassende Auseinandersetzung mit allen Umständen des Einzelfalls. Zum einen erfordert der Gewaltbegriff im Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB angesichts der ansonsten potentiell nahezu uferlosen Strafbarkeit eine eingrenzende Auslegung.[7] Ob die zur Begründung der Strafbarkeit bislang angewandte sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ langfristig weiterhin haltbar ist, wird in der neueren Rechtsprechung teilweise auch in Zweifel gezogen[8], wobei hierauf in dieser Stellungnahme nicht näher eingegangen werden soll. Zum anderen ist aufgrund des weiten Tatbestands die im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB vorzunehmenden Verwerflichkeitsprüfung als tatbestandsregulierendes, die handelnde Person begünstigendes strafbarkeitsbeschränkendes Korrektiv anzuwenden.[9] Im Rahmen dieser Verwerflichkeitsprüfung sind insbesondere die verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Aktivist*innen zu berücksichtigen.

a.) Versammlungsfreiheit und Sitzblockaden.

Auch Sitzblockaden unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gerade die Aktionen Zivilen Ungehorsams der Klimagerechtigkeitsbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zur Entstehung der wichtigsten Rechtsprechung im Bereich des Versammlungsrechts beigetragen haben. In der Brokdorf-Entscheidung von 1985 hat das Bundesverfassungsgericht das heute grundlegende Verständnis der Versammlungsfreiheit definiert. Demnach sind Versammlungen ein „wesentliches Element demokratischer Offenheit […] Sie bieten ... die Möglichkeit zur öffentlichen Einflußnahme auf den politischen Prozeß, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und Protest ...; sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren. Namentlich in Demokratien mit parlamentarischem Repräsentativsystem und geringen plebiszitären Mitwirkungsrechten hat die Versammlungsfreiheit die Bedeutung eines grundlegenden und unentbehrlichen Funktionselementes.[…] Schon generell gewinnen die von diesen Organen auf der Grundlage des Mehrheitsprinzips getroffenen Entscheidungen an Legitimation, je effektiver Minderheitenschutz gewährleistet ist; die Akzeptanz dieser Entscheidungen wird davon beeinflußt, ob zuvor die Minderheit auf die Meinungsbildung und Willensbildung hinreichend Einfluß nehmen konnte (vgl. BVerfGE 5, 85 (198f)). Demonstrativer Protest kann insbesondere notwendig werden, wenn die Repräsentativorgane mögliche Mißstände und Fehlentwicklungen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder aus Rücksichtnahme auf andere Interessen hinnehmen (vgl. auch BVerfGE 28, 191 (202)).“[10]

Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.[11] Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird.[12] Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden.[13] Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.[14]

Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen.[15] Der Schutz des Art. 8 GG besteht zudem unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist.[16]

Die Sitzblockaden von Klimaaktivist*innen innerhalb der letzten Monate unterliegen nach diesen Kriterien dem Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG. Sie sind – wie sich den bislang veröffentlichten Entscheidungen, aber auch der Berichtserstattung entnehmen lässt – von einer absoluten Friedlichkeit der Aktivist*innen geprägt. Sie stehen zudem, wie sich anhand der zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nachvollziehen lässt, in einer langen Tradition der demokratisch engagierten Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bewegen sich nicht außerhalb der demokratischen Ordnung, sondern sind wesentliches Element einer lebhaften Demokratie. Aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist daher diese grundlegende Bedeutung auch im Strafrecht zu beachten und ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung des § 240 Abs. 2 StGB eine umfassende Abwägung gegenüberstehender Rechtsgüter erfolgen muss. Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die (a) Dauer und die Intensität der Aktion, (b) deren vorherige Bekanntgabe, (c) Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, (d) die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch (e) der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand. Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen, ohne dass dem Strafgericht eine Bewertung zusteht, ob es dieses Anliegen als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben.[17]

b) Sachbezug der Aktionen

Es besteht gleich in mehrerlei Hinsicht ein Sachbezug zwischen dem Anliegen der Aktivist*innen und den konkret gewählten Aktionsorten und betroffenen Personen. Eine besondere Bedeutung entfaltet jedoch die in diesen Verfahren besondere Konstellation, dass die von den Aktionen zuvorderst angesprochene Thematik der Klimakrise und insbesondere der Dringlichkeit, Maßnahmen gegen diese zu ergreifen, ein Thema ist, das jeden auf diesem Planeten lebenden Menschen grundsätzlich und insbesondere auch im Hinblick auf seine zentralen Freiheitsrechte in der Zukunft betrifft.

Das Umweltbundesamt hinsichtlich der akuten Bedrohung durch die Klimakrise unter Bezugnahme auf den 6. Bericht des IPCC bekanntgegeben, dass eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zwar noch möglich sei. Dies jedoch nur bei einer „sofortigen globalen Trendwende“ sowie „tiefgreifenden Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren (d.h. in Energiesystemen, Städten, Land- und Forstwirtschaft, Landnutzung, Gebäuden, Verkehr und Industrie).“[18]

Darüber hinaus besteht der Bezug auch darin, dass gerade der Verkehrssektor einen immensen Einfluss auf die Möglichkeit hat, die Klimaziele zu erreichen. Auch hierzu hat das Umweltbundesamt ausführlich berichtet, dass gerade der Verkehrssektor für 20% der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist und eine Umgestaltung für die Einhaltung der Klimaziele unerlässlich ist.[19] Dies betrifft insbesondere auch den Individualverkehr mit PKW. Der Expertenrat für Klimafragen hat im Bezug hierauf explizit festgestellt, dass im Verkehrssektor derzeit nicht einmal versucht werde, die Klimaziele tatsächlich einzuhalten. Es wäre eine 14-mal höhere Minderungsmenge der Gesamtemissionen in diesem Bereich notwendig.[20]
Ein wesentlicher Bezugspunkt ist auch, dass für die Einhaltung der Klimaziele eine unverzügliche Abkehr von fossilen Energieträgern notwendig ist. Gerade die Gewinnung von Öl erfolgt zu einem nicht unerheblichen Anteil dafür, Treibstoffe für Kraftfahrzeuge herzustellen.
Die betroffenen Autofahrer*innen sind dementsprechend als Akteur*innen des täglichen Individualverkehrs, als Adressat*innen der Aufrufe für eine Verkehrswende, als Verbraucher*innen der Treibstoffe, insbesondere aber als Teil des Prozesses der Öffentlichen Meinungsbildung unmittelbar mit der Thematik verbunden und keine Unbeteiligten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein solcher Sachbezug nicht nur bei Versammlungen bestehe, die im direkten Umfeld von Entscheidungsträger*innen und Repräsentant*innen stattfinden.[21]

c) Die Bekämpfung der Klimakrise als Verfassungsziel aus Art. 20a GG

Eine Besonderheit der Sitzblockaden von Klimaaktivist*innen ist, dass aufgrund des wegweisenden Klima-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts[22] auch der Art. 20a GG im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Berücksichtigung zu finden hat. Das Bundesverfassungsgericht hat insofern klargestellt, dass Art. 20a GG eine justiziable Rechtsnorm ist, „die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll.“ Dabei erwächst aus Art. 20a GG eine objektivrechtliche Schutzpflicht des Staates, welche „auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen“ beinhaltet.
In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel des Art. 20a GG durch § 1 Satz 3 KSG dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.[23] Das BVerfG hat im Hinblick auf die Gefahren des Klimawandels darüber hinaus jedoch auch festgehalten, dass die Folgen einer Nichteinhaltung dieser Begrenzung der globalen Durchschnittstemperatur zugleich auch eine Gefahr für das Leib und Leben der hier lebenden Menschen und für die Freiheitsrechte der folgenden Generationen darstellt, da diese bei Unterlassen notwendiger Maßnahmen zum Klimaschutz die natürlichen Lebensgrundlagen nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten und somit in ihren Grundrechtspositionen eingeschränkt sind.[24] Vor diesem Hintergrund ist eine Vereinbarkeit mit Art. 20a GG Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung jedes staatlichen Eingriffs in Grundrechte.[25] Dementsprechend ist auch Art. 20a GG und somit die Dringlichkeit der Bekämpfung der Klimakrise in die im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB vorzunehmende Abwägung zugunsten der Aktivist*innen einzubeziehen.[26]

d) Rechtfertigender Notstand

In der Rechtsprechung bislang weitestgehend unbeachtet und daher ungeklärt ist, ob die Aktionen der Klimaaktivist*innen die Voraussetzungen eines rechtfertigenden Notstandes gem. § 34 StGB erfüllen und schon aus diesem Grund nicht als rechtswidrig anzusehen sind. Es sprechen jedoch wesentliche Argumente dafür, die hier lediglich kurz dargestellt werden sollen.

aa) Es ist zunächst eine Gefahr für notstandsfähige Rechtsgüter gegeben. Das OLG Naumburg hatte bereits im Bezug auf den Tierschutz festgehalten, dass drohende Gefahren für Rechtsgüter, die durch Staatszielbestimmungen verfassungsrechtlich geschützt sind, im Rahmen des § 34 StGB Berücksichtigung finden und somit einen Rechtfertigungsgrund darstellen können.[27] Die effektive Bekämpfung des Klimawandels zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen hat durch Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verfassungsrechtlichen Rang und stellt ein Notstandsfähiges Rechtsgut dar. Auf die diesbezügliche Konkretisierung des Schutzauftrages und die ausdrücklich anerkannte unmittelbare Gefahr für verfassungsrechtlich geschützte Freiheitsrechte durch die Klimakrise durch das Bundesverfassungsgericht wurde oben bereits hingewiesen.[28] Die Konsequenzen eines über 1,5 C° hinausgehenden Temperaturanstiegs sind in ihrem Ausmaß nicht nur grundrechtseinschränkend, sondern vielmehr für eine Vielzahl von Grundrechtspositionen existentiell bedrohend.[29]

bb) Die Gefahr ist auch gegenwärtig. Gegenwärtig ist die Gefahr dann, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder nur unter erheblichen Risiken abgewendet werden kann. Zwar hat die globale Erderwärmung die kritische Grenze von 1,5 Grad noch nicht überschritten – doch das steht der Gegenwärtigkeit nicht entgegen. Es kommt vorliegend vielmehr darauf an, bis wann die Gefahr eines solchen Temperaturanstiegs noch hinreichend erfolgreich abgewendet werden kann – die Gegenwärtigkeit erfordert also, dass sofortiges Handeln notwendig ist. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel ist dies der Fall, da eine Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze nur bei einer „sofortigen globalen Trendwende“ und unmittelbaren wirksamen Maßnahmen realisierbar ist.[30]

cc) Die Gefahr dürfte nicht anders abwendbar sein. Die Handlung der Blockierenden müsste daher zur Abwehr der Gefahr geeignet und erforderlich sein. Die Tathandlung selbst führt zwar nur mittelbar zu einer Reduzierung von Treibhausgasen und damit nicht unmittelbar zu einer Abwehr der Gefahren des Klimawandels insgesamt. Abwendbar sind die Gefahren des Klimawandels aufgrund der globalen Dimension von Klima und Erderwärmung nur durch internationales politisches Handeln. Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, das Gebot des Klimaschutzes verlangt vom Staat zur Abwendung der Gefahren international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken.[31] Staatliches Handeln ist jedoch nach der grundlegenden Funktionsweise der Demokratie Ausfluss einer aus dem öffentlichen Diskurs entspringenden gesellschaftlichen politischen Meinungsbildung. Hierauf zielen die Aktionen erkennbar ab – durch ein öffentliches Aufrütteln zu dem gebotenen öffentlichen Diskurs über wirksamen Klimaschutz anzuregen und hierdurch staatliches Handeln zu fordern.[32]

Dass das zur Bekämpfung der Klimakrise notwendige staatliche Handeln seit langem unterbleibt, hat das Bundesverfassungsgericht in dem o.g. Klima-Beschluss festgestellt. Dies wird auch in der juristischen Literatur im Strafrecht inzwischen durchaus anerkannt.[33] Dass dies dazu führt, dass die Aktionen von Klimaaktivist*innen auch als erforderlich im Rechtssinne angesehen werden können, hat zuletzt auch in der Rechtsprechung Anerkennung gefunden.[34]

e) Fazit

In der Gesamtbetrachtung lässt sich mithin sagen, dass – soweit die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Art. 8 GG im Strafverfahren und zu Art. 20a GG ernstgenommen wird - eine Strafbarkeit der Sitzblockaden in den meisten Fällen nicht gegeben sein dürfte. Die im Antrag der CDU/CSU-Fraktion zum Ausdruck gebrachte pauschale Bewertung der Sitzblockaden als „radikale“ und „aggressive“ Protestform, welche nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stünde, zeugt von einem rechtspolitischen Willen, den durch das Bundesverfassungsgericht im Brokdorf-Beschluss begründeten weitreichenden Schutz der Versammlungsfreiheit und das rechtsstaatlich-liberale Verständnis von Versammlungen (und somit auch von Aktionen des zivilen Ungehorsams) als wesentliches Funktionselement der Demokratie einzuschränken und somit einzelne unliebsame Protestformen dem Schutzbereich zu entnehmen. Sie stellt damit den Wesensgehalt des Art. 8 GG als „Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt […und…] als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewußten Bürgers“[35] grundlegend in Frage.

2. Zur rechtlichen Bewertung der Aktionen in den Museen

Die rechtliche Bewertung der Aktionen in den Museen dürfte maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig sein, insbesondere inwieweit überhaupt eine Beschädigung eingetreten ist, die für die handelnden Personen vorhersehbar war bzw. von diesen in Kauf genommen wurde. Auch soweit eine solche gegeben sein sollte, können auch diese Aktionen grundsätzlich unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stehen.[36] Auch werden die o.g. Ausführungen zu einer Rechtfertigung durch § 34 StGB unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sein. Im Ergebnis verbietet sich auch diesbezüglich eine pauschale rechtliche Beurteilung ohne Bezug auf den Einzelfall, wie sie sich in dem Antrag wiederfindet. Soweit dies öffentlich nachvollziehbar ist, existiert zu den Aktionen bislang keine gerichtliche Entscheidung. Angesichts der Gesamtzahl von 3 derartigen Aktionen in Deutschland ist jedoch darüber hinaus auch nicht davon auszugehen, dass sich aus diesen Aktionen eine besondere Notwendigkeit einer Verschärfung des Strafrechts insgesamt ergibt.

II. Zu den konkreten Beschlussanträgen

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen soll nunmehr auf die konkreten Beschlussanträge unter Punkt II. des Antrages eingegangen werden. Zu der Forderung nach einer zeitnäheren Bestrafung der Aktivist*innen lässt sich insoweit lediglich sagen, dass sich ein demokratischer Rechtsstaat gerade dadurch auszeichnet, in erster Linie an einem fairen und an verfassungsrechtlichen Grundsätzen orientierten Verfahren interessiert zu sein. Die Beschleunigung des Strafverfahrens als Selbstzweck zu sehen, ist in der Vergangenheit allzu oft mit dem Abbau von Verteidigungsrechten einhergegangen und steht daher durchaus im Widerspruch zu einer Stärkung des Rechtsstaates. Im Übrigen ist die in vielen Fällen durchaus zu bemängelnde Verzögerung von Verfahren maßgeblich darin begründet, dass alle Verfahrensbeteiligten unter einer Politik der zunehmenden Kriminalisierung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der für ein faires Verfahren notwendigen Infrastruktur zu leiden haben. Der Antrag leistet insofern keinen Beitrag für eine tatsächliche Lösung dieses Problems.

1. Änderung des § 240 Abs. 4 StGB

Soweit in dem Antrag gefordert wird, in § 240 Abs. 4 StGB weitere Regelbeispiele für einen besonders schweren Fall der Nötigung einzuführen, wonach Täter, die eine öffentliche Straße blockieren und billigend in Kauf nehmen, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben behindert werden oder die eine große Zahl von Menschen durch ihre Blockaden nötigen – etwa dann, wenn es durch die Blockaden im Berufsverkehr zu langen Staus kommt mit einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden, gründet dies offenkundig nicht auf einer strafrechtlichen Notwendigkeit hierfür. In den zu den Sitzblockaden ergangenen Entscheidungen wurden – soweit es sich um Verurteilungen handelt – weitestgehend (Gesamt-)Geldstrafen von unter 90 Tagessätzen ausgesprochen.[37] Dies bringt schon hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass selbst die Gerichte, die die Aktionen als strafbar ansehen jedenfalls nicht von einem Unrechtsgehalt der Tat ausgehen, das eine höhere Sanktion erfordert – schon gar nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe, die nach Ansicht der Antragsteller*innen die Regel werden soll. Eine konkrete Behinderung von Rettungskräften ist erkennbar in keinem dieser Fälle erfolgt und könnte auch bereits nach der derzeitigen Rechtslage durch die Gerichte ausreichend berücksichtigt werden. Die Entscheidung des AG Frankfurt am Main zu einer Abseilaktion im Rahmen der Proteste gegen die Räumung des Dannenröder Forstes[38] zeigt, dass es den Gerichten schon nach der aktuellen Rechtslage frei steht, einen besonders schweren Fall nach den Umständen des Einzelfalles anzunehmen. Zugleich zeigt die Rechtsprechung des BGH, auf die sich das AG Frankfurt bezieht, dass es auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keinerlei Anlass dazu gibt, davon auszugehen, dass alleine die Nötigung einer großen Zahl von Menschen – etwa durch eine Autobahnblockade – den Unrechtsgehalt derart steigert, dass ein besonders schwerer Fall anzunehmen sei.[39]

Der Vorschlag dient daher erkennbar dazu, eine Einzelfallgesetzgebung schaffen zu wollen, um mit dem Ziel der höheren Bestrafung unliebsamer Protestformen in die Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte einzugreifen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund, dass auch diese Protestformen unter dem besonderen Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stehen (s.o.), aus rechtsstaatlicher Sicht äußerst gefährlich.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Annahme, eine Veränderung des Strafrahmens dahingehend, dass eine Tat in der Mindeststrafe mit Freiheitsstrafe bedroht ist, nach kriminologischen Erkenntnissen nicht zu einer tatsächlichen Abschreckungswirkung führt.

2. Änderung des § 315b StGB

Die CDU/CSU-Fraktion beantragt, den Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) so auszugestalten, dass die Täter bereits dann bestraft werden, wenn die Blockade dazu geeignet ist, Leib und Leben eines Menschen zu gefährden und die Täter nur billigend in Kauf nehmen, dass Rettungsdienste nicht zu Unfallopfern durchkommen und den Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren anzuheben. Der § 315b StGB ist derzeit grundlegend so ausgestaltet, dass es zur Erfüllung des Tatbestandes einer abstrakten Gefährdung der Verkehrssicherheit bedarf, in deren Folge es zu einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben oder fremden Sachen von bedeutendem Wert kommt. Der Antrag zielt seiner Formulierung nach darauf ab, den grundlegenden Charakter des § 315b StGB ausschließlich im Hinblick auf Situationen, in denen das Hindernis in einer Sitzblockade besteht, dahingehend zu ändern, dass es sich nunmehr um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt und somit ausgerechnet Versammlungen, die unter dem Schutz des Art. 8 GG stehen, im Vergleich zu den übrigen abstrakten Gefährdungen der Verkehrssicherheit besonders unter Strafe zu stellen. Angesichts der mit dem Straßenverkehr grundsätzlich verbundenen vielfältigen Gefahr für Leib und Leben der Beteiligten, eröffnet eine solche Änderung eine unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten äußerst bedenkliche potentiell uferlose Strafbarkeit von Sitzblockaden im Rahmen des § 315b StGB. Es ist hierbei zu beachten, dass bei keiner Versammlung auf öffentlichem Straßenland eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und somit auch eine potentielle Verlängerung von Anfahrtswegen auszuschließen ist. Es liegt dementsprechend nahe zu vermuten, dass dem Antrag die Intention zugrunde liegt, die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Schutz der Versammlungsfreiheit im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB hierdurch zu umgehen und eine grundsätzliche Strafbarkeit von Sitzblockaden zu schaffen. Dies dürfte in Anbetracht der o.g. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 8 GG unvereinbar sein und jedenfalls zu einer dann durch die Rechtsprechung vorzunehmenden verfassungskonformen Auslegung des Tatbestandes oder Annahme eines unnormierten Rechtfertigungsgrundes aus Art. 8 GG[40] führen. Es führt überdies dazu, dass gerade derartige Handlungen, die nicht grundsätzlich auf die Gefährdung der Verkehrssicherheit abzielen besonders unter Strafe stellen würde.

Auch eine grundsätzliche Veränderung des § 315b StGB zu einem abstrakten Gefährdungsdelikt wäre rechtspolitisch abzulehnen, da sie eine schwerwiegende systematische Verwerfung im Hinblick auf die übrigen Verkehrsdelikte mit sich bringen würde.

3. Änderung des § 323c StGB

Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag, das Strafmaß für die Behinderung von hilfeleistenden Personen (§ 323c Absatz 2 StGB) auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe anzuheben, um die Behinderung von Rettungskräften als besonders verwerfliches Tun schwerer zu bestrafen. Angesichts dessen, dass - soweit dies bekannt ist - in keinem der Verfahren im Zusammenhang mit den Aktionen von Klimaaktivist*innen der Tatbestand des § 323c Abs. 2 StGB erfüllt gewesen ist, liegt die Vermutung nahe, dass diese Forderung im Wesentlichen deshalb in den Antrag aufgenommen wurde, um eine andere Faktenlage zu suggerieren. Im Übrigen ist die Behinderung von Rettungskräften mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt bereits nach § 115 Abs. 3 S. 1 StGB i.V.m. § 113 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bedroht. Es besteht mithin keinerlei Anlass für eine Neuregelung.

4. Änderung des § 304 StGB

Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Gemeinschädliche Sachbeschädigung gem. § 304 StGB dergestalt neu zu regeln, dass die Beschädigung oder Zerstörung solcher Gegenstände von bedeutendem finanziellen und/oder kunsthistorischen Wert als besonders schwerer Fall definiert und ein erhöhtes Strafmaß mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten eingeführt wird. Für diese Änderungen gibt es keinerlei rechtspolitische Notwendigkeit. Kunstgegenstände sind bereits nach der jetzigen Rechtslage vom Tatbestand des § 304 StGB umfasst und im Vergleich zu einer einfachen Sachbeschädigung gem. § 303 StGB ist die Beschädigung von Kunstgegenständen schon jetzt mit einer höheren Strafe bedroht. Eine zusätzliche Einführung des Tatbestandsmerkmals der Beschädigung von Gegenständen von bedeutendem finanziellem Wert verkennt den Schutzzweck des § 304 StGB, welcher gerade auf den Nutzen der Sache für die Allgemeinheit und nicht das individuelle finanzielle Interesse des Eigentümers ausgerichtet ist. Der Schadenssumme kann auch nach der jetzigen Rechtslage bereits durch die Gerichte im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen werden. Die beabsichtigte Mindeststrafe von 3 Monaten zeugt auch in diesem Kontext von der Absicht der Antragsteller*innen mittels einer Einzelfallgesetzgebung auf die Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte mit dem Ziel Einfluss zu nehmen, die Verhängung von Freiheitsstrafen im Bezug auf unliebsame Aktionsformen herbeizuführen.

5. Änderung des § 56 StGB

Die CDU/CSU-Fraktion fordert in dem Antrag, die Regelung zur Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) so auszugestalten, dass bei Personen, gegen die innerhalb einer laufender Bewährungszeit erneut eine Freiheitsstrafe aufgrund einer vorsätzlichen Straftat verhängt wird, künftig keine erneute Strafaussetzung zur Bewährung erfolgen kann. Dieser Reformvorschlag ist im Kontext der o.g. Beschlussanträge nicht anders zu verstehen, als dass die Antragsteller*innen hierdurch sicherstellen wollen, dass es zur Verhängung unbedingter Freiheitsstrafen gegen Klimaaktivist*innen kommt. Der Antrag hätte jedoch weit darüber hinausgehende Folgen für alle Strafverfahren.

Die Forderung ist indes nicht neu und wurde bereits in Folge der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Jahre 2019 diskutiert. Das BMJV hat in Folge dessen dargestellt, dass die sog. Kettenbewährung statistisch gesehen keine derartige Häufigkeit aufweisen, als dass der Vorwurf, dass die Gerichte hiermit leichtfertig umgehen würden.[41] Die schwerwiegenden Bedenken gegen eine solche Neuregelung wurden bereits zum damaligen Zeitpunkt in mehreren Stellungnahmen, u.a. der Neuen Richtervereinigung[42], der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer[43] und des Arbeitskreises Justiz in der Gewerkschaft ver.di[44] formuliert. Den genannten Stellungnahmen ist insoweit auch zum heutigen Zeitpunkt weiterhin zu folgen, dass ein gesetzgeberischer Eingriff dahingehend, die Möglichkeit einer erneuten Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen weder notwendig, noch kriminologisch sinnvoll und mit dem Resozialisierungsgedanken unvereinbar ist. Der Stellungnahme der NRV ist zuzustimmen, dass die Wiederholung der Behauptung, Gefängnisstrafen eher dazu geeignet wären, ein gesetzestreues Verhalten zu erreichen, als die Ermutigung zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung, jeglichen kriminologischen Erkenntnissen widerspricht und von einem autoritären und im Kern antidemokratischen Weltbild zeugt. Der gesetzgeberische Eingriff in die Praxis der Rechtsprechung würde es in Zukunft verhindern, begonnenen Resozialisierungsprozessen, veränderten Lebensumständen oder Verhältnismäßigkeitserwägungen ausreichend Rechnung zu tragen. Die ADB hat in der damaligen Stellungnahme zutreffend formuliert, dass der Vorschlag als Pauschalangriff auf alle an den Strafprozessen Beteiligten zu verstehen ist, da diesen ohne eine faktenorientierte Grundlage unterstellt wird, mit der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung leichtfertig umzugehen.

6. Abschließende Bemerkungen

Der Antrag zeugt von einem grundlegenden Missverständnis der Antragsteller*innen im Hinblick auf die Rolle des Zivilen Ungehorsams in einer lebendigen Demokratie. Der Zivile Ungehorsam ist nicht nur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Triebfeder in der Entwicklung der Freiheitsrechte. Im Bezug hierauf formulierte Jürgen Habermas: „Jede rechtsstaatliche Demokratie, die ihrer selbst sicher ist, betrachtet den Zivilen Ungehorsam als normalisierten, weil notwendigen Bestandteil ihrer politischen Kultur“[45] und weiter „der Zivile Ungehorsam bezieht seine Würde aus diesem hochgesteckten Legitimitätsanspruch des demokratischen Rechtsstaats. Wenn Staatsanwälte und Richter diese Würde nicht respektieren, den Regelverletzer als Kriminellen verfolgen und mit den üblichen Strafen belegen, verfallen sie einem autoritären Legalismus“[46]. In diesem Sinne bedeutet den Rechtsstaat zu stärken, die Versammlungsfreiheit gegen Bestrebungen der Kriminalisierung von Protestformen zu verteidigen. Im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wäre es zur Stärkung des Rechtsstaates und zur Entlastung der Justiz vielmehr geboten, in den § 240 Abs. 2 StGB aufzunehmen, dass eine Nötigung grundsätzlich dann nicht als verwerflich anzusehen ist, soweit die handelnden Personen lediglich ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen.

Endnoten

[1] „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“, Antrag der AfD-Fraktion im Landtag des Landes NRW vom 29.11.2022, Drucksache 18/1859, abrufbar unter: https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-1859.pdf.
[2] Landtag des Landes NRW, Plenarprotokoll 18/18 vom 09.12.2022, S.52-59, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMP18%2F18|52|59.
[3] Wobei sich der Antrag angesichts der aufgeführten Aktionsformen im Wesentlichen konkret auf die Aktionen der Letzten Generation (https://letztegeneration.de/) und/oder Scientist Rebellion (https://scientistrebellion.com/) bezieht.
[4] Vgl. https://taz.de/Letzte-Generation-bewirft-Monet-Bild/!5886956/, https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/klimaaktivisten-beschadigen-rahmen-von-rubens- gemalde-8594470.html, https://www.rnd.de/panorama/dresden-sixtinische-madonna-bei-attacke-durch- letzte-generation-beschaedigt-SZJDLAKUGN6SQ4YAFKUAPPR4VQ.html.
[5] Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hr. Thomas Haldenwang im Demokratie-Forum im Hambacher Schloss, SWR, 16.12.2022, abrufbar unter: https://www.swr.de/unternehmen/organisation/standorte/demokratieforum-102.html.
[6] Vgl. u.a. AG Freiburg (Breisgau), Urteil v. 21.11.2022, 24 Cs 450 Js 18098/22, juris; AG Tiergarten, Beschluss v. 23.11.2022, 362 Cs 167/22; AG Tiergarten, Beschluss v. 10.11.2022, 343 Cs 166/22; AG Tiergarten, Beschluss v. 05.10.2022, 303 Cs 202/22, BeckRS 2022, 31817.
[7] vgl. hierzu u.a. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 31 – 35.
[8] Vgl. AG Tiergarten, Urteil vom 24. November 2022 – 261b Cs 237/22.
[9] vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 36.
[10] BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 66.
[11] BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 41.
[12] BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 60.
[13] BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 –, BVerfGE 73, 206-261, Rn. 88; BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 1992 – 1 BvR 88/91 –, BVerfGE 87, 399-413, Rn. 44; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 39; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 32.
[14] BVerfG, Stattgebender Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 32.
[15] BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 –, BVerfGE 73, 206-261, Rn. 88; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 47; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 33.
[16] BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 33
[17] BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 39.
[18] vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/ipcc-bericht-sofortigeglobaletrendwende-noetig
[19] vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/klimaschutz-imverkehr#rolle
[20] Expertenrat für Klimafragen, Zweijahresgutachten 2022, S. 15, abrufbar unter: https://expertenrat- klima.de/content/uploads/2022/11/ERK2022_Zweijahresgutachten.pdf.
[21] BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 43.
[22] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177.
[23] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177, Rn. 208.
[24] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177, Rn. 117,147-148, 183, 184, 193, 194.
[25] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177, Rn. 190.
[26] Vgl. AG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 21. November 2022 – 24 Cs 450 Js 18098/22 –, Rn. 67 - 71, juris; AG Tiergarten, Beschluss vom 10. November 2022 – 343 Cs 166/22.
[27] Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Februar 2018 – 2 Rv 157/17 –, juris.
[28] BVerfG, s. Fn. 21 u. 22.
[29] vgl. aus wissenschaftlicher Perspektive zu den drohenden Konsequenzen des Klimawandels: L. Kemp et al., Climate Endgame: Exploring catastrophic climate change scenarios, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), USA, 119, e2108146119 (2022), abrufbar unter: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2214975119.
[30] Unter Verweis auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse ist dies ausführlich ausgeführt bei: Bönte, Mathis: Ziviler Ungehorsam im Klimanotstand, HRRS, 4/2021, 164-172, S. 166ff.
[31] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177.
[32] Zur Wirksamkeit der Aktionen der Letzten Generation aus sozialwissenschaftlicher Sicht insoweit: Karig, Friedemann, Wirkungsvolle Protestformen: Warum die „Letzte Generation“ alles richtig macht, Über Medien, 24. November 2022, abrufbar unter: https://uebermedien.de/79076/warum-die-letzte-generation-alles-richtig- macht/ .
[33] vgl. im Bezug auf die strafrechtliche Rechtfertigung: Satzger/von Maltitz, Das Klimastrafrecht – ein Rechtsbegriff der Zukunft, ZStW 2021, 1, 31 m.w.N. insbesondere auch Beispielen aus der Internationalen Rechtsprechung, ausführlich hierzu auch: Bönte, Mathis: Ziviler Ungehorsam im Klimanotstand, HRRS, 4/2021, 164-172, S. 169f.; Klein, Francesca Mascha: Die Rechtfertigung von Straftaten angesichts der Klimakrise, VerfBlog, 2022/3/04, https://verfassungsblog.de/die-rechtfertigung-vonstraftaten-angesichts-der-klimakrise/, DOI: 10.17176/20220305-001155-0.
[34] Vgl. AG Flensburg, Urteil vom 07. November 2022 – 440 Cs 107 Js 7252/22, juris; systematisch anders verortet: AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 14. März 2022 – 21 Cs - 721 Js 44/22 - 69/22 –, juris; ablehnend insoweit: AG Frankfurt, Urteil vom 13. Mai 2022 – 901 Ds 6120 Js 248353/20 –, Rn. 113, juris.
[35] BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 61.
[36] Grundlegend zum Schutz je nach öffentlicher Zugänglichkeit BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226-278.
[37] Vgl. u.a. AG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 22. November 2022 – 28 Cs 450 Js 23773/22 –, juris
[38] AG Frankfurt, Urteil vom 13. Mai 2022 – 901 Ds 6120 Js 248353/20 –, Rn. 122, juris.
[39] BGH, Urteil vom 29. Oktober 1996 – 1 StR 562/96 –, Rn. 13, juris.
[40] Vgl. zur Rechtfertigung unmittelbar aus den Grundrechten: AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 14. März 2022 – 21 Cs - 721 Js 44/22 - 69/22 –, juris.
[41] Vgl. hierzu: LTO, Justiz: Sind Kettenbewährungen ein Problem?, 28.06.2021, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/kettenbewaehrungen-bewaehrungsstrafe-bmjv-bericht-jumiko- rueckfallquote/.
[42] Abrufbar unter: https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/fg_strafrecht/2019_07_FG_StrR_Mannheimer_Appell.pdf.
[43] Abrufbar unter: https://www.bewaehrungshilfe.de/wp-content/uploads/2020/03/2020-01-18-Stellungnahme-Kettenbew%C3%A4hrungen.pdf
[44] Abrufbar unter: https://bund-laender.verdi.de/fachgruppen/justiz/++co++d395305e-5ee5-11ea-b1e2- 001a4a160100.
[45] Jürgen Habermas, Ziviler Ungehorsam - Testfall für den demokratischen Rechtsstaat, in: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1985, S. 81.
[46] Habermas, Fn. 44 , S. 91.

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Berlin, 15.01.2023

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Stellungnahmen
news-919 Mon, 16 Jan 2023 19:01:47 +0100 Afghanistan: Tag der bedrohten und verfolgten Anwält*innen am 24.1.23<br />Und Veranstaltung am 26.1.23 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-und-verfolgten-anwaeltinnen2023-afghanistan-919 Aufruf zur Teilnahme an Protestkundgebung am 24.1.23 || Einladung zur Veranstaltung am 26.1.23 (bitte auch den Veranstaltungshinweis für den 26.1.23 beachten, s.u.)
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Die Rechtsanwaltskammer Berlin, die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein rufen auf zu einer Kundgebung am

24.01.23 um 15:30 Uhr vor dem Auswärtigen Amt

Werderscher Markt 1, 10117 Berlin.

An diesem Tag wird seit 2010 weltweit der Tag der bedrohten Anwältin und des verfolgten Anwalts begangen.

Dieses Jahr ist der »Tag des bedrohten Anwalts« den Kolleginnen und Kollegen in Afghanistan gewidmet, denen das Recht auf freie Advokatur durch das Taliban-Regime systematisch entzogen wird. Mehrere hundert Kolleg*innen befinden sich aktuell auf der Flucht oder versuchen das Land zu verlassen.

Das Auswärtige Amt hat zwar ein Bundesaufnahmeprogramm vorgelegt. Dies ist allerdings so umständlich und langsam, dass bis heute unklar ist, welche Unterlagen für die Anträge über welche Stellen wo eingereicht werden können. Das Verfahren lässt befürchten, dass es nur ein rechtspolitisches Feigenblatt sein wird, das indes keine praktische Wirksamkeit zum Schutz unserer Kolleg*innen und so vieler anderer verfolgter Menschen aus Afghanistan entfaltet. Unsere Kolleginnen und Kollegen können nicht warten, ihr Leben ist in Gefahr und sie brauchen JETZT Unterstützung bei ihrem Wunsch, das Land zu verlassen.

Wir rufen daher dazu auf, sich an der Berliner Protestaktion vor dem Auswärtigen Amt zu beteiligen, die zeitgleich in zahlreichen anderen Ländern ebenfalls vor den Außenministerien durchgeführt wird.

Hintergrundinformtationen zur der Situation finden sich hier im Basic-Report (engl.).

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Überdies organisieren die oben genannten Organisationen gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein eine Veranstaltung mit einer bereits aus Afghanistan geflüchteten Kollegin.

Diese Veranstaltung findet statt am

26.01.2023 um 18:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Berliner Rechtsanwaltskammer

Littenstr. 9, 10179 Berlin.

Die Kollegin wird auf der Veranstaltung, moderiert vom Menschenrechtsbeauftragten der Kammer, Bilinc Isparta, die Situation der Kolleg*innen und allgemein der Justiz in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban skizzieren.

Im Anschluss wird es noch Gelegenheit geben, bei einem Getränk über die Situation und die notwendige Unterstützung durch uns ins Gespräch zu kommen.

Wir laden herzlich ein, auch an dieser Veranstaltung teilzunehmen und bitten zwecks besserer Planung um Anmeldung bei der RAK info@rak-berlin.org

Aufruf zur Kundgebung und Einladung zur Veranstaltung als PDF

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Tag des bedrohten Anwalts
news-918 Wed, 11 Jan 2023 13:19:00 +0100 Sicherungsverwahrung<br />Resozialisierung oder Wegsperren? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sicherungsverwahrungresozialisierung-oder-wegsperren-918 Podiumdiskussion, 11.1.23 in Berlin Die Kritischen Jurist*innen der FU-Berlin und der RAV laden Sie hier zu einer Veranstaltung zum Thema Sicherungsverwahrung ein.

Obwohl ein schwererer, gesetzlich geregelter staatlicher Eingriff in das Freiheitsgrundrecht kaum existieren dürfte, werden Betroffene der Sicherungsverwahrung gern vergessen. Das gilt sowohl für die Sicherungsverwahrten selbst, die den Hoheitsmaßnahmen unterliegen, als auch für die Begutachtenden und Mitarbeitenden im Vollzug. Betroffen sind zudem diejenigen, die die staatliche Macht – wie Richter*innen – repräsentieren oder – wie Rechtsanwält*innen und Therapeut*innen – im geregelten Verfahren den Sicherheitsverwahrten an die Seite gestellt werden.

In der Veranstaltung sollen Expert*innen aus Wissenschaft, Medien und Praxis erörtern, ob und wie die rechtliche und tatsächliche Situation einen Ausgleich zwischen dem Freiheitsrecht des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit zu gestalten in der Lage ist.

11. Januar 2023 um 18 Uhr
Hedwig Dohm Haus
Ziegelstr. 5
10117 Berlin

Es diskutieren:
Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn, Professur für Strafrecht und Kriminologie an der FU Berlin
Peter Conrad Braun, Leiter a.D. der Anstalt Pompestichting in Nijmegen, NL
Susan Boos, Journalistin und Autorin des Buchs "Auge um Auge. Die Grenzen des präventiven Strafens", Zürich, CH
Dr. med. Tatjana Voß, Leiterin der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz der Charité Berlin.

Die Veranstaltung soll eine kritische und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Sie richtet sich insbesondere an Personen, die in ihrem Berufsalltag mit der Sicherungsverwahrung in Berührung kommen sowie an Studierende der Rechtswissenschaft und sonstige Interessierte.

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Veranstaltungen Strafvollzug
news-917 Wed, 04 Jan 2023 09:04:59 +0100 GFF erhebt mit Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ Verfassungsbeschwerde gegen massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit in NRW /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gff-erhebt-mit-buendnis-versammlungsgesetz-nrw-stoppen-verfassungsbeschwerde-gegen-massive-einschraenkung-der-versammlungsfreiheit-in-nrw-917 Pressemitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), unterstützt vom RAV, 4.1.2023 Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) erhebt heute gemeinsam mit dem Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ Verfassungsbeschwerde gegen das seit Januar 2022 geltende Versammlungsgesetz NRW. Die vor dem Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen eingereichte Beschwerde greift vor allem neue Straftatbestände, erweiterte Überwachungsbefugnisse und das präzedenzlose Totalverbot von Versammlungen auf Autobahnen an. In der Kombination schrecken diese bereits für sich verfassungswidrigen Regelungen Menschen davon ab, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. Die GFF will erreichen, dass das Gericht die angegriffenen Vorschriften für nichtig erklärt. Per Eilantrag sollen einige Normen zudem bereits vorläufig außer Kraft gesetzt werden.

Das Versammlungsgesetz NRW ist ein offener Bruch mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit ist ein elementares Grundrecht für die demokratische Zivilgesellschaft – der Staat muss sie schützen und darf friedlichen Protest nicht erschweren“, sagt Joschka Selinger, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Die neuen Regelungen des Versammlungsgesetzes NRW zum Störungsverbot, zum Vermummungsverbot sowie zum Militanzverbot sind sehr weitreichend und unbestimmt formuliert, sodass Protestierende nicht wissen können, wann sie sich strafbar machen. Daneben weitet NRW die Befugnis zur staatlichen Videoüberwachung von Versammlungen enorm aus. Auch das kann einschüchtern und von der Teilnahme an Protesten abschrecken. Das bundesweit einmalige Pauschalverbot aller Versammlungen auf Bundesautobahnen nimmt zudem einen Teil des öffentlichen Raumes prinzipiell von der Versammlungsfreiheit aus. Autobahnen werden damit stärker geschützt als der NRW-Landtag und NS-Gedenkstätten.

Besonders betroffen ist die Klimabewegung. Die Verschärfung des Militanzverbots wird in der Gesetzesbegründung mit Klimaprotesten begründet und zielt insbesondere auf diese ab. Auch das Versammlungsverbot auf Autobahnen richtet sich eindeutig gegen Aktivist*innen, die den Autoverkehr unterbrechen, um auf die sich zuspitzende Klimakrise aufmerksam zu machen. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat hier seine staatliche Neutralität gegenüber zulässigen Versammlungsanliegen aufgegeben und die Grundrechte der Aktivist*innen verfassungswidrig einschränkt.

Wir wehren uns gegen die Überwachung und Beschränkung unserer Demonstrationen. Nordrhein-Westfalen hat eine vielfältige Zivilgesellschaft, die sich nicht kleinkriegen lässt", betont Iris Bernert-Leushacke, Sprecherin des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen“, die regelmäßig an Aktionen gegen Nazi-Demonstrationen teilnimmt.

Kein anderes Bundesland hat ein derart restriktives Versammlungsgesetz. Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF ähnlichen Tendenzen bei der Gestaltung künftiger Landesversammlungsgesetze vorbeugen und so eine schrittweise Aushöhlung der Versammlungsfreiheit verhindern.

Die acht Beschwerdeführenden sind Mitglieder unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Nordrhein-Westfalen, die ihr Engagement durch das Versammlungsgesetz in Gefahr sehen.  Sie werden vertreten durch Professor Tristan Barczak von der Universität Passau.

Die Verfassungsbeschwerde wird unterstützt von den Organisationen Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein.

Weitere Informationen zu unserem Fall finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/vb-versammlungsrecht-nrw

Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10-55

Die Pressemitteilung als pdf

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Versammlungsfreiheit Pressemitteilung Versammlungsrecht
news-916 Mon, 02 Jan 2023 09:55:52 +0100 Es gibt nur eine Menschenwürde<br />Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/es-gibt-nur-eine-menschenwuerdeasylbewerberleistungsgesetz-abschaffen-916 Gemeinsames Statement von 62 Organisationen, 2.1.2023 Viele Geflüchtete erhalten zum Leben lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen soll. Aber die Menschenwürde kennt nicht zweierlei Maß. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände fordern gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

Seit dem 1. Januar 2023 erhalten materiell bedürftige Menschen in Deutschland das sogenannte Bürgergeld. Das Bürgergeld tritt an die Stelle der bisherigen Hartz-IV-Leistungen. Geflüchtete wurden dabei allerdings nicht mitgedacht: Denn wie schon bei Hartz IV bleiben asylsuchende und geduldete Menschen auch vom Bürgergeld ausgeschlossen. Statt des regulären Sozialrechts gilt für sie das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). 

Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Es ist ein Sonderrecht für geflüchtete Menschen. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes unterschreitet das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich. Die Regelsätze sind viel niedriger. Oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt, die die Menschen diskriminieren und entmündigen. Weil Sachleistungen den individuellen Bedarf nie wirklich decken können, stellen sie in der Konsequenz eine weitere drastische Leistungskürzung dar. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung führt oft zu verschleppter, verspäteter und unzureichender Behandlung. Sanktionen führen häufig zu weiteren Kürzungen, die mitunter über viele Jahre aufrechterhalten werden. Durch die fehlende Einbindung in das reguläre Sozialsystem werden die Betroffenen zudem von den Maßnahmen der Arbeitsförderung weitgehend ausgeschlossen.

Erklärtermaßen hoffte man auf eine abschreckende Wirkung: Niedrige Geldbeträge und die Sachleistungsversorgung sollten Geflüchtete zur Ausreise bewegen. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Anwält*innenverbände sind sich seit Einführung des Gesetzes darin einig, dass das Asylbewerberleistungsgesetz wieder abgeschafft werden muss.

2012 hat das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10).

Trotzdem kürzte die große Koalition die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Jahren 2014 bis 2019 in mehreren Schritten erneut und weitete den Anwendungszeitraum von 15 auf 18 Monate aus. 2022 hat das Verfassungsgericht die 2019 eingeführten zusätzlichen Leistungskürzungen für Alleinstehende in Sammelunterkünften als verfassungswidrig gekippt (Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvL 3/21). Ein weiteres Verfahren ist anhängig (1 BvL 5/21).

Auch zu den Sanktionen, die das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht, hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert. Aus dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen vom 5.11.2019 geht klar hervor, dass die Sanktionen des Asylbewerberleistungsgesetzes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.

Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt damit gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das Grundrecht auf Gleichheit, das Sozialstaatsgebot (Art. 1, 3, 20 GG), das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), die UN-Kinderrechtskonvention und den UN-Sozialpakt.

Die Bundesregierung will das Asylbewerberleistungsgesetz laut Koalitionsvertrag von 2021 „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ überarbeiten, doch das reicht nicht aus. Letztlich bleibt es damit beim doppelten Standard.

Unsere Forderungen

Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden. Dies erfordert insbesondere folgende Änderungen:

  1. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld bzw. die Sozialhilfe (SGB II/XII). Auf migrationspolitisch motivierte Kürzungen und Sanktionen ist gemäß dem Urteil des BVerfG aus 2012 ausnahmslos zu verzichten.
  2. Einbeziehung aller Geflüchteten in die Sprach-, Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsinstrumente des SGB II.
  3. Einbeziehung geflüchteter Menschen in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (SGB V/XI). Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Menschen ohne Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Insbesondere muss ein Anspruch auf Sprachmittlung bei Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.
  4. Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder müssen – entsprechend ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie – einen Anspruch auf alle aufgrund ihrer besonderen Situation erforderlichen zusätzlichen Leistungen erhalten (insbesondere nach SGB IX, SGB VIII u.a.).
  5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind als Geldleistungen auszugestalten.
 

Unterzeichnende Organisationen, 02. Januar 2023

Bundesebene

   

Landesebene

 

Stadt- u. Kommunalebene

 

Das Statement als PDF

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Sozialrecht Pressemitteilung Migration & Asyl
news-915 Thu, 22 Dec 2022 10:32:01 +0100 Klimaschutz statt Repression: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt auch im Umgang mit der ›Letzten Generation‹! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/klimaschutz-statt-repression-verhaeltnismaessigkeitsgrundsatz-gilt-auch-im-umgang-mit-der-letzten-generation-915 Gemeinsame Erklärung, 22.12.2022 Gemeinsame Erklärung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, von Green Legal Impact e.V., Lawyers4Future, ClientEarth, der Humanistischen Union und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.

Mit dem Vorwurf der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« nach § 129 StGB fahren die Strafverfolgungsbehörden schweres Geschütz gegen gewaltfreien Klimaprotest auf, der mit der Einhaltung der Klimaschutzziele ein verfassungs- und völkerrechtlich legitimiertes Anliegen verfolgt. Angesichts der weitreichenden Grundrechtseingriffe, die durch diesen Vorwurf gerechtfertigt werden, halten wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin nach § 129 StGB gegen Menschen aus der Bewegung ›Letzte Generation‹ für unverhältnismäßig.

Die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der Bewegung ›Letzte Generation‹ hat eine neue Qualität erreicht. Am vergangenen Dienstag, den 13.12., kam es zu elf Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahmung von Handys, Laptops und Plakaten. Der Vorwurf lautet »Bildung einer kriminellen Vereinigung« gemäß § 129 Abs. 1 StGB, außerdem Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und Nötigung (§ 240 StGB). Medienberichten zufolge wurden Ermittlungen gegen insgesamt 34 Beschuldigte in acht Bundesländern eingeleitet, nachdem seit Mai bei mehreren Protestaktionen an der PCK-Raffinerie in Schwedt Ventile zugedreht und der Öl-Zufluss damit kurzzeitig unterbrochen worden sein soll. Zwei Wochen vor den Hausdurchsuchungen hatten mehrere Landesminister auf der Innenministerkonferenz Ermittlungen nach § 129 StGB gefordert.

Anfangsverdacht der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« bereits fraglich

Die Unterzeichnenden kritisieren dieses Vorgehen, denn bereits das Vorliegen des Anfangsverdachts bezüglich der Bildung einer kriminellen Vereinigung erscheint zweifelhaft. Der Tatbestand setzt voraus, dass eine Gruppe die Begehung von schweren Straftaten bezweckt, von denen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Das trifft auf das Festkleben an Straßen, Gemälden und Flughäfen als bislang wichtigster Protestform der ›Letzten Generationen‹ schon im Ansatz nicht zu. Ob Sitzblockaden und andere Formen des zivilen Ungehorsams überhaupt strafbares Verhalten darstellen, ist fraglich – Gerichte und Staatsanwaltschaften haben die wertungsoffenen juristischen Fragen der Verwerflichkeit und eines rechtfertigenden Klimanotstandes zuletzt unterschiedlich beantwortet und Protestierende vereinzelt freigesprochen. Jedenfalls aber haben die mit den Sitzblockaden verbundenen Vorwürfe kein ausreichendes Gewicht, um Vorwürfe nach § 129 StGB begründen zu können.

Ähnlich sieht es bei dem Zudrehen von Ventilen an der Raffinerie in Schwedt aus. Weder wurden durch die kurzzeitige Unterbrechung der Versorgung einer Raffinerie Menschen gefährdet, noch die öffentliche Sicherheit in erheblichem Maße beeinträchtigt. Auch zu Sachbeschädigungen kam es nicht. Dass die Aktion möglicherweise den Anfangsverdacht einer Störung öffentlicher Betriebe begründet, kann für sich genommen die Ermittlungen nach § 129 StGB ebenso wenig rechtfertigen.

Motivation, Ziele und Kontext entscheidend

Gerade weil der Vorwurf nach § 129 StGB weitreichende Ermittlungsmaßnahmen ermöglicht, die mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden sind, fordert auch der BGH die strikte Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Bewertung der Zwecke einer Vereinigung. Ob die Schwelle zu einer kriminellen Vereinigung im Sinne der Vorschrift überschritten wird, ist nicht allein anhand der begangenen Straftaten, sondern anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu bewerten, die auch den Rahmen und den Hintergrund der Taten in den Blick nimmt – und gerade dieser könnte nicht deutlicher gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung sprechen:

Die ›Letzte Generation‹ weist mit ihrem Protest auf etwas hin, das auch Barack Obama und Annalena Baerbock genau so formuliert haben: Dass wir zu der letzten Generation gehören, die die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels noch stoppen kann. »Die nächsten acht Jahre sind entscheidend«, erkennt selbst Bundeskanzler Olaf Scholz. Trotzdem reichen weder global noch national die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen aus, um die globalen Klimaziele sowie den in Deutschland verfassungsrechtlich vorgegebenen Reduktionspfad einzuhalten. Das wurde unlängst durch das Zweijahresgutachten des Expertenrates für Klimafragen bestätigt, der einen Paradigmenwechsel in der deutschen Klimaschutzpolitik anmahnt. Derweil hat der voranschreitende Klimawandel bereits in vielen Teilen der Erde verheerende Konsequenzen. Angesichts dieser Entwicklungen richtet sich die ›Letzte Generation‹ an die Politik. Die Bewegung fordert im Grunde nicht mehr, als die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und der völker- und verfassungsrechtlichen Pflicht, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5° C zu begrenzen. Die Proteste haben ein starkes kommunikatives Element und zielen auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung ab. Sie nehmen damit eine grundrechtlich garantierte Freiheit wahr, welche das Bundesverfassungsgericht als schlechthin konstitutiv für unsere Demokratie erachtet. Diese Umstände müssen die Ermittlungsbehörden bei der Bewertung des Verhältnisses von Straftaten und verfolgten Zwecken angemessen berücksichtigen.

Für die strafrechtliche Bewertung des Gesamtbildes ist außerdem entscheidend: Die Bewegung agiert nicht im Verborgenen, sondern trägt ihre Ziele und Methoden sowie die Identität der Beteiligten in die Öffentlichkeit. Dort, wo die gewählten Protestformen des zivilen Ungehorsams die Grenzen zur Strafbarkeit überschritten haben, stellen sich bislang alle Aktiven den Strafverfahren. All das spricht entscheidend gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung.

Ermittlungsmaßnahmen müssen Verhältnismäßigkeit wahren

In jedem Fall erscheinen die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen angesichts des gewaltfreien und öffentlichen Protests und der verfolgten Anliegen der Bewegung unverhältnismäßig. Die Mitglieder der ›Letzten Generation‹ haben bislang keinerlei Anstalten gemacht, ihre Taten zu verbergen und Ermittlungsmaßnahmen zu behindern.

Leider reihen sich die Ermittlungen in andere staatliche Maßnahmen gegen die ›Letzte Generation‹ ein, wie die wahrscheinlich verfassungswidrige Anordnung eines 30-tägigem Gewahrsams in Bayern. In ihrer Gesamtheit erwecken diese Maßnahmen den Eindruck einer Instrumentalisierung des Ordnungs- und Strafrechts für die Delegitimierung und Einschüchterung von unliebsamem Protest. Das ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig. Repression sollte nicht die Antwort des Staats auf eine Klimabewegung sein, die den Erhalt unser aller Lebensgrundlagen einfordert und an die Einhaltung von Gesetz und Recht erinnert.

Die Dringlichkeit des Problems erkennen!

Vor allem aber drohen die Diskussionen über strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen von der eigentlichen Problematik abzulenken. Die Verantwortlichen sollten sich mit dem Ruf der Protestierenden nach wirksamen Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe auseinandersetzen und endlich ihren verfassungsrechtlichen Pflichten nachkommen. Klimaschutz ist Menschenrecht, das haben Gerichte rund um die Welt bereits entschieden – und dieses Menschenrecht hat jeder Staat zu achten. Die ›Letzte Generation‹ wählt drastische Mittel, um auf das bis heute andauernde, drastische Versagen der Klimaschutzpolitik hinzuweisen. Die Dringlichkeit der Klimakrise haben die meist jungen Betroffenen nicht zu verantworten.

Berlin/Köln, 22. Dezember 2022

Gemeinsame Erklärung (PDF)

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Pressemitteilung
news-903 Wed, 30 Nov 2022 11:42:44 +0100 Bar Associations and International Lawyers’ Organisations Call for Protection of Lawyers in Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bar-associations-and-international-lawyers-organisations-call-for-protection-of-lawyers-in-iran-903 Joint Statement, 30 November 2022 The undersigned bar associations and international lawyers’ organisations call for the Islamic Republic of Iran and its agencies to protect, promote, and support the following basic rights:

  1. the independence of the legal profession;
  2. the principle of lawyer-client confidentiality;
  3. the right to have access to a legal representative;
  4. the right to prepare a defence.
     

This joint statement has been issued to help secure immediate, coordinated, multi-sectoral action on legal independence in Iran to guarantee lawyers practice their profession without fear of repression or persecution.

Since the 1979 Islamic Revolution and increasingly over the years, the legal profession in Iran has lost its independence and lawyers have been subjected to detentions, harassments, and persecutions.

Calls of interest

In line with the basic principles on the role of lawyers, and in consideration of the above, we signatories of this statement call on the Islamic Republic of Iran and all its related agencies to take immediate steps aimed at protecting and supporting the independence of the legal profession and lawyers in Iran.


In the 43 years of the ruling of the Islamic Republic of Iran, lawyers have been systematically pressured and harassed in various ways. One of the things that restricts lawyers in the field of defence is the establishment of rules and regulations that ignore the matter of defence and deprive lawyers of the freedom to defend their clients. When they do represent their clients despite such restrictions, they are often threatened, intimidated, and ultimately imprisoned. Threats against lawyers in Iran continue to grow and lawyers find themselves under increased surveillance. We, the undersigned, demand that the Islamic Republic and its agencies respect and support the following:

  1. Immediate release of all lawyers arrested for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics.
  2. Immediate cease of prosecution of all lawyers prosecuted for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics.
  3. Complete preservation of the independence of the legal profession.
  4. Right of individuals, lawyers included, under the rule of law.
  5. Right of the accused to be accorded a fair trial.
  6. Right of the lawyers to undertake the representation of clients (including other lawyers) or causes without fear of repression or persecution.


Signed by:

  1. International Bar Association’s Human Rights Institute
  2. German Federal Bar
  3. European Association of Lawyers for Democracy and Human Rights
  4. Association of Lawyers for Freedom (Özgürlük için Hukukçular Derneği)
  5. Defence Commission of the Barcelona Bar Association
  6. European Democratic Lawyers
  7. Association of Berlin Defence Lawyers (Vereinigung Berliner Strafverteidiger)
  8. Republican Lawyers Association (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)
  9. Montpellier Bar association
  10. Human Rights Institution of Montpellier
  11. Progressive Lawyers' Association (Çağdaş Hukukçular Derneği)
  12. Hanseatic Bar Hamburg, Germany (Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg)

*******

[1] Article 191, Article 346, Note to Article 346, Article 385, Note to Article 297
[2] Between 16 September – 6 October, at least 300 human rights defenders were arrested (https://www.iranintl.com/202210065096); between 30 October – 3 November, at least 150 human rights defenders were arrested (https://www.radiofarda.com/a/32120083.html).

Joint Statement (PDF)

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Iran
news-902 Mon, 28 Nov 2022 18:17:45 +0100 Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-beschleunigung-der-asylgerichtsverfahren-und-asylverfahren-902 Stellungnahme des RAV, 24.11.2022 Der RAV hat die hier folgende und ausführliche Stellungnahme eingereicht.

Zeitgleich wurde - kurz vor der mündlichen Anhörung - vom RAV, der BRAK, der RAK-Berlin und dem DAV eine Kurzfassung der RAV-Stellungnahme an die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschuss sowie dem federführenden Ministerium zur Kenntnis und Berücksichtigung versandt. Diese Kurzfassung findet sich hier.

Hier nun die lange Fassung:

Verfasser*innen:
Rechtsanwältin Josephine Koberling, Rechtsanwältin Anya Lean, Rechtsanwalt Julius Becker, Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Rechtanwalt Yunus Ziyal, Rechtsanwältin Inken Stern, Sebastian Pukrop (Rechtsreferendar), Rechtsanwältin Berenice Böhlo.

I. VORBEMERKUNGEN

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit »Asylverfahren […] fair, zügig und rechtssicher ablaufen«. Zugleich heißt es dort zu den Zielen der beabsichtigten Asylrechtsreform: »Wir wollen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung«.

Diese Vorhaben sind grundsätzlich zu begrüßen: Die Praxis zeigt, dass die Asylverfahren auf behördlicher Seite sowohl qualitativ als auch zeitlich enorme Mängel aufweisen – insbesondere zu Lasten der Asylantragsteller*innen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der im Verwaltungsrecht überdurchschnittlichen hohen Zahl gerichtlicher Entscheidungen, mit denen Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgehoben und ein Schutzstatus zuerkannt wird und die die Fehlerhaftigkeit des behördlichen Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenbaren. Das Gleiche gilt spiegelbildlich für die im Ergebnis zumeist ergebnislosen Widerrufsverfahren nach einer Schutzanerkennung. Die jeweiligen gerichtlichen Verfahren dauern zu lang.

Die Bundesregierung hat nun ohne eine vorangegangene zivilgesellschaftliche Debatte einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren vorgelegt, der auch, nachdem bereits wesentliche Vorschläge zurückgenommen wurden, weiterhin erheblicher Kritik begegnet.

Dem entscheidenden Grund für die Länge der Asylverfahren, nämlich der mangelhaften behördlichen Verfahrens- und Entscheidungspraxis, wird mit diesem geplanten Gesetz indes nicht begegnet. Auch nach der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden im Jahr 2021 wieder lediglich 33,1% der Klageverfahren negativ – also klageabweisend – entschieden. Auf der Verwaltungsebene bedarf es daher einer deutlichen Qualitätsverbesserung.

Darüber hinaus findet der Gesetzesvorschlag auch keine Lösung für den fundamentalen Missstand und die grundlegende Ursache für die Verfahrensdauer der Asylgerichtsverfahren: Das BAMF tritt im gerichtlichen Verfahren in aller Regel nicht auf. Prozesserklärungen sind dann tatsächlich nicht möglich, oft sieht auch die interne Weisungslage des BAMF vor, dass trotz gerichtlichen Hinweises weder Abhilfeentscheidungen erlassen, noch der Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt werden. Dies führte z.B. in den gerichtlichen Asylverfahren zu langer Dauer und verhinderte systematisch die Verkürzung der Verfahren.
Nachdem die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag noch angekündigt hatte, Asylverfahren »fair, zügig und rechtssicher« zu gestalten, steht nunmehr eine Beschneidung von Verfahrens- und Prozessrechten zulasten von Asylsuchenden im Mittelpunkt. Diese weitere Aushöhlung des Asylrechts, die offensichtlich als Ausgleich für die Implementierung des – zudem noch unzureichenden – Chancenaufenthaltsrechts im Schnellverfahren durchgesetzt werden soll, ist nicht hinnehmbar.

Folgende maßgebliche Punkte sind daher besonders zu kritisieren:

1. Das Gesetzesvorhaben wird mit Sicherheit zu einer Verlängerung der Asylverfahren führen.

2. Die anwaltliche Vertretung wird stark eingeschränkt.


II. ZUM ENTWURF IM EINZELNEN

1. § 12a AsylG-E: Asylverfahrensberatung

a. Bisherige Rechtslage
Nach der bisherigen Rechtslage (§ 12a AsylG) ist eine »freiwillige, unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung« vorgesehen. Diese Verfahrensberatung erfolgt gem. § 12a S. 2 AsylG in zwei Stufen: Zunächst ein Gruppengespräch mit Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens und auf der zweiten Stufe eine individuelle Asylverfahrensberatung, die entweder vom Bundesamt oder durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt wird (§ 12a S. 3 AsylG). Die Vorschrift wurde am 15.08.2019 (Inkrafttreten: 21.08.2019) in das AsylG eingefügt. Die Regelung dient auch der Umsetzung der Vorgaben aus der EU-Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU), insbesondere aus Art. 19 und 20.

Diese bestehende Regelung ist zunächst zu kritisieren, weil auch drei Jahre nach ihrer Einführung noch immer bei weitem nicht alle Asylsuchende an einer individuellen Asylverfahrensberatung teilnehmen. Eine derartige Beratung ist jedoch erstrebenswert, da sie aufgrund besserer Vorbereitung der Betroffenen die Qualität der persönlichen Anhörungen erhöht, damit helfen kann, Zeit einzusparen, sie auch aus rechtsstaatlicher Perspektive wünschenswert ist und letztlich die Akzeptanz der Entscheidungen des Bundesamts bei den Betroffenen erhöht. Der Fokus sollte hierbei auf der individuellen Beratung liegen; die allgemeinen Gruppengespräche zur Information über das Asylverfahren sind zwar ebenfalls grundsätzlich positiv zu bewerten, dürften aber auf die Qualität der Asylverfahren nur einen geringen Einfluss ausüben.

Insbesondere problematisch an der bestehenden Regelung ist jedoch, dass das Bundesamt selbst eine gleichzeitig ›staatliche‹ und ›unabhängige‹ Verfahrensberatung durchführen soll. Zwar ist auch bei der bestehenden Regelung vorgesehen, dass Wohlfahrtsverbände auf der zweiten Stufe der Verfahrensberatung tätig werden können. Dies ist jedoch nur optional, und es ist mindestens gleichberechtigt eine Beratung durch das Bundesamt selbst vorgesehen. Eine ›staatliche‹ Beratung durch die Behörde, die selbst die Entscheidung im Asylverfahren trifft, kann jedoch nicht als unabhängig gewertet werden, womit die bisherige Regelung zur Asylverfahrensberatung grundsätzlich falsch konstruiert ist.

b. Reformentwurf und Bewertung

Dieser strukturelle Fehler des § 12a AsylG wird mit der vorgesehenen Änderung aufgehoben. § 12a Abs. 1 AsylG-E spricht nicht mehr von ›staatlicher‹, sondern über eine »behördenunabhängige, unentgeltliche, individuelle und freiwillige« Asylverfahrensberatung. Zwar werden Wohlfahrtsverbände nicht explizit in der Norm genannt, es erschließt sich jedoch, dass insbesondere diese zukünftig für die Verfahrensberatung zuständig sein sollen. Hierzu sollen diese mit Haushaltsmitteln gefördert werden (§ 12a Abs. 1 AsylG-E).

Positiv zu bewerten ist auch, dass die Verfahrensberatung bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamtes durchgeführt werden kann und somit auch das Klageverfahren umfasst (§ 12a Abs. 2 S. 2 AsylG-E), wenn auch der Entwurf an dieser Stelle etwas missverständlich formuliert ist.

Auch ist zu begrüßen, dass im Rahmen der Verfahrensberatung in Fällen von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten eine Übermittlung derer Daten an das Bundesamt stattfinden soll. Es ist zu hoffen, dass dadurch die vorgesehenen Verfahrensgarantien für besonders schutzbedürftige Geflüchtete mehr zur Anwendung kommen (§ 12a Abs. 3 AsylG-E). An dem grundsätzlichen Zustand, dass besonderer Schutzbedarf häufig gar nicht erst erkannt wird, ändert dies wenig.

Ferner wird aus dem Entwurf nicht abschließend klar, ob die individuelle Verfahrensberatung eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) oder nur eine abstrakte Informationsvermittlung darstellt. Dies ist unter der bestehenden Rechtslage umstritten. Zu fordern ist eine diesbezügliche Klarstellung. Zwar sieht § 12a Abs. 2 S. 1 AsylG-E vor, dass die besonderen Umstände des Ausländers zu berücksichtigen sind. Dennoch ist der genaue Umfang der Verfahrensberatung auch unter dieser Formulierung weiter unklar und wird insofern auch zukünftig für Streit sorgen.

Ebenfalls ist den Organisationen, welche die Verfahrensberatung anbieten, gesetzlich der Zugang zu Erstaufnahmeeinrichtungen einzuräumen, damit die Beratung von den Betroffenen auch tatsächlich und niederschwellig in Anspruch genommen werden kann.

Wünschenswert wäre zuletzt eine gesetzliche Klarstellung, dass die Verfahrensberatung auch in Folge- und Widerrufsverfahren in Anspruch genommen werden kann. Auch dies ist unter der aktuellen Regelung ungeklärt und sorgt für Streit.

c. Empfehlung
Da der Gesetzesentwurf nicht weit genug geht, wird empfohlen, die Änderungen mit den folgenden Zielen einzuarbeiten:


2. § 17 AsylG-E: Hinzuziehung eines Dolmetschers im Wege der Bild- und Tonübertragung

a. Bisherige Rechtslage
Bisher regelte die Norm, dass bei der Anhörung »ein Dolmetscher, Übersetzer oder sonstiger Sprachmittler hinzuzuziehen [ist], der [...] zu übersetzen hat«.

b. Reformentwurf und Bewertung
Die Hinzuziehung soll nun auch durch Bild- und Tonübertragung in Ausnahmefällen möglich sein.

Die Neuregelung begegnet, was den Einsatz der notwenigen Technik betrifft, datenschutzrechtlichen Bedenken, die in der Praxis geklärt sein müssten und es bisher nicht sind.

Es ist auf Folgendes hinzuweisen: Sowohl die Qualität von Dolmetscher*innen als auch das Vertrauensverhältnis zwischen Dolmetscher*innen und Antragsteller*innen ist bereits im status quo ein Problem.

Diese Probleme werden durch den Reformentwurf nochmal verschärft, jedenfalls nicht geklärt. Der Vorschlag scheint den Aspekt, dass die Qualität durch eine solche Praxis gemindert wird, auch zu erkennen, wenn er andererseits vorschlägt, dass nur »ausnahmsweise in geeigneten Fällen« die Übersetzung auf diesem Wege möglich sein soll. Das Ziel der Regelung ist derweil, das Verfahren zu vereinfachen, wenn eine geeignete Übersetzung vor Ort nicht möglich ist. Eine solche Vereinfachung geht zu Lasten der Antragsteller*innen –, indem es ein Vertrauensverhältnis erschwert, und auch die erforderliche Nähe, die für Nuancen in einer Übersetzung nötig sein können, aufhebt.

Schließlich stellt sich die Frage, wie und woher das BAMF vor der Anhörung die »geeigneten Fälle« erkennen will, zumal häufig – und gerade in den genannten Fällen – die besondere Schutzbedürftigkeit erst im Lauf der Zeit (oft auch erst nach sensibler Beratung) geäußert bzw. erkannt wird.

c. Empfehlung
Für eine Hinzuziehung ist zwingend die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person notwendig. Diese ist als mündliche Erklärung zu Beginn der Anhörung aufzuzeichnen und als Wortprotokoll dem Anhörungsprotokoll beizufügen. Die antragstellende Person soll sich dazu äußern können, warum sie nicht lieber eine persönliche Übersetzung wünscht.


3. § 24 AsylG-E: Entscheidungszeitraum

a. Reformentwurf und Bewertung
Der Gesetzesentwurf setzt die in Artikel 31 Abs. 3-5 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) geregelten Entscheidungsfristen in nationales Recht um. Die Neuregelung ist einerseits zu begrüßen, denn sie schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Betroffene, Behörden, Gerichte und Beratende. Die Regelung adressiert auch diejenigen Stellen, die dem Bundesamt »zuarbeiten«, indem sie aktuelle Erkenntnismittel zur allgemeinen Lage oder spezifischen Konstellationen zur Verfügung stellt oder auf deren Weisungen und Entscheidungsleitlinien das Bundesamt Bezug nimmt. Auch sie sind gefordert, die Einhaltung der neu eingeführten Fristen zu ermöglichen.

Die Möglichkeit des Bundesamts, die Entscheidung bis zu 21 Monate aufzuschieben, wenn im Herkunftsstaat eine »ungewisse Lage« besteht, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, ist in der vorgeschlagenen Fassung zu unbestimmt und eröffnet die Möglichkeit, Entscheidungen zu Lasten der Schutzsuchenden fast zwei Jahre aufzuschieben. Unserer Erfahrung nach betrifft das vor Allem entscheidungsreife Fälle, die das BAMF nicht entscheiden möchte, da es politisch nicht opportun ist. So entscheidet das BAMF bspw. bis jetzt keine älteren Asylanträge von Ukrainer*innen, deren Antragsteller*innen nicht der § 24 AufenthG-Regelung unterfallen. Auch im Falle von Afghanistan führte die Regierungsübernahme durch die Taliban zunächst zu einem Entscheidungsstopp. Abschiebungsverbote erteilte das BAMF erst flächendeckend, als klar wurde, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit deren Voraussetzungen weit überwiegend gegeben sieht. Die Neuregelung würde diese verfahrensverzögernde Praxis rechtlich absichern und somit ausweiten.

b. Empfehlung
Die Möglichkeit des Bundesamts, die Entscheidung bis zu 21 Monate aufzuschieben, wenn im Herkunftsstaat eine »ungewisse Lage« besteht, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, ist abzulehnen.

4. § 25 AsylG-E: digitale Anhörung

a. Reformentwurf und Bewertung
Die Anhörung stellt das Kernstück des behördlichen Asylverfahrens dar. Sie hat in einem geschützten Raum und durch angemessene Befragung zur Übermittlung höchstpersönlicher Daten zu erfolgen. Dies ist in einer digitalen Anhörung nicht möglich.

b. Digitale Anhörung
Folgende Ausgangslage ist zu beachten:

c. Empfehlung
Eine Anhörung per Video kann in Aufnahmefällen und nur auf ausdrücklichen Wunsch und mit ausdrücklicher mündlicher Zustimmung erfolgen. Eine Entscheidung unter Verzicht auf die persönliche Anhörung kann nur auf Wunsch der schutzsuchenden Person und mit individuell verfasster Zustimmung erfolgen.


5. § 31 AsylG-E: Entscheidung des BAMF

hier: Änderung von Absatz 3 S. 2:
In Absatz 3 Satz 2 wird nach den Wörtern »anerkannt wird« das Wort »oder« durch ein Komma ersetzt, und nach den Wörtern »zuerkannt wird« werden die Wörter »oder durch das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden worden ist« eingefügt.

In Absatz 3 wird Satz 2 ergänzt und erweitert. Bisher regelte der Abs. 3, dass im Falle der Zuerkennung eines Schutzstatus nach dem AsylG keine Abschiebungsverbote mehr geprüft werden müssen. Das macht Sinn, da der internationale Schutz weitergeht als der humanitäre Schutz des AufenthG.

Nach neuer Rechtslage soll nun auch dann nicht mehr über Abschiebungsverbote entschieden werden, wenn diese in einem früheren Verfahren bereits abgelehnt wurden.

Das führte dazu, dass bei unzulässigen Asylfolgeanträgen über Abschiebungsverbote nicht mehr entschieden werden darf, auch wenn diese vorliegen. Es wäre zusätzlich die Feststellung der Abschiebungsverbote explizit zu beantragen.

a.
In der Praxis würden nicht-anwaltlich vertretene Antragsteller*innen kaum auf die Idee kommen, im Rahmen einer Folgeantragstellung explizit auch die Zuerkennung von Abschiebungsverboten zu beantragen, zumal die materiell-rechtliche Unterscheidung – insbesondere zwischen § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG – eine umfassende Kenntnis der europäischen und nationalen Rechtsprechung voraussetzt.

Die vorgeschlagene Änderung hätte im vergangenen Jahr 2021 bspw. folgende Auswirkung gehabt:

Für anwaltlich nicht vertretene Afghan*innen, deren Asylantrag schon früher abgelehnt worden war und die nach Machtübernahme der Taliban einen Folgeantrag stellten, konnte nach geltender Rechtslage ein Abschiebungsverbot festgestellt werden, ohne dass sie dies explizit beantragen mussten. Vielmehr brachten sie durch den Asylantrag zum Ausdruck, dass sie Schutz suchten vor den Gefahren und schweren Folgen einer Rückkehr nach Afghanistan.

Nach neuer Rechtslage wäre im Rahmen eines solchen Folgeantrags lediglich über die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz entschieden worden. Sieht das BAMF die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, würden Abschiebungsverbote mangels Antrags nicht geprüft werden. Der Asylfolgeantrag der im obigen Beispiel genannten Personengruppe wäre abgelehnt.

Dem BAMF käme im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung eine zusätzliche erhebliche Beratungspflicht zu, da § 25 Abs. 1 VwVfG vorsieht, dass die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen soll, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.

b.
Zudem entspricht die jetzt geltende Regelung bei Ablehnung eines Antrags, immer auch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden, den nationalen und europarechtlichen Vorgaben. Danach sind Abschiebungsverbote von Amts wegen in jeder Lage eines Verfahrens zu prüfen. Dies gebieten Inhalt und Bedeutung der Rechte der*s Antragstellerin*s aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Verletzung droht – vorliegend Art. 3 EMRK – sowie aus dem Grundgesetz – insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Schließlich steht auch Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit der drohenden Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der angedrohten Abschiebungsandrohung entgegen. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG statuiert ein echtes (subjektives) Grundrecht, das dem Einzelnen einen Anspruch auf Gewährung eines möglichst wirkungsvollen (effektiven) Rechtsschutzes verleiht. Insbesondere irreparable Folgen hoheitlicher Maßnahmen müssen durch einen tatsächlich wirksamen und möglichst lückenlosen Rechtsschutz so weit wie möglich vermieden werden. Ein lückenloser Rechtsschutz ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn im Rahmen eines die Abschiebung zunächst hindernden Asylfolgeantrags Abschiebungsverbote nicht geprüft würden, auch wenn diese geltend gemacht werden. Das BAMF könnte ablehnen, die Ausländerbehörde, die an die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten durch das BAMF gebunden wäre (§ 42 AsylG), könnte abschieben, ohne dass Abschiebungsverbote je geprüft werden.

An diesem unvertretbaren Ergebnis würde auch ein expliziter Antrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten nichts ändern, der bereits nach jetziger Rechtslage gem. § 51 VwVfG möglich ist, allerdings keine die Abschiebung hindernde Wirkung hat. Im Übrigen dauert die Prüfung derartiger Anträge derzeit durchschnittlich deutlich länger als 6 Monate. Die Prüfung ist daher in vielen Fällen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz abzusichern und führte zu einer weiteren Belastung der Verwaltungsgerichte.

c.
Eine Einbeziehung der Prüfung von Abschiebungsverboten dient letztlich auch der Verfahrensbeschleunigung, da spätestens bei der Frage der Vollziehbarkeit einer Rückführungsentscheidung, Abschiebungsverbote (die ja dem Aufenthaltsgesetz entstammen) zu prüfen wären.

d. Empfehlung
Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.


6. § 37 AsylG-E: Folge eines stattgebenden Eilrechtsschutzbeschlusses bei Unzulässigkeitsentscheidungen

Bisher ist ein Bescheid, der einen Asylantrag wegen der Zuerkennung von internationalem Schutz in einem anderen Mitgliedsstaat als unzulässig abgelehnt hat (sog. Drittstaatsbescheid), bei Stattgabe eines Eilrechtschutzantrags unwirksam. Diese Regelung soll nunmehr gestrichen werden. Laut Gesetzesbegründung ist das Ziel die Vermeidung von Endlosschleifen, die durch den erneuten Erlass eines Drittstaatsbescheids durch das BAMF ausgelöst werden sollen.

Die Streichung der Regelung führt aber – entgegen des proklamierten Gesetzeszwecks – zu einer deutlichen Verlängerung der Verfahren. Aus anwaltlicher Erfahrung werden den meisten Eilrechtschutzanträgen im Rahmen von Drittstaatsbescheiden aufgrund drohender Verletzungen von Art. 3 EMKR / Art. 4 GrCH stattgegeben. In diesen Fällen ist Deutschland nach der Rechtsprechung des EuGH ohnehin verpflichtet, ein neues Asylverfahren durchzuführen. Dies geschieht in der Regel auch, wenn ein Drittstaatsbescheid aufgrund der Stattgabe im Eilrechtsschutzverfahren unwirksam wird. Die gesetzliche Folge der Stattgabe im Eilrechtsschutzverfahren führt also in der Praxis zu einer Entlastung der Gerichte und einer Beschleunigung der Verfahren. Sie abzuschaffen, wäre kontraproduktiv.


7. § 73 AsylG-E: Widerruf und Rücknahme

a. Gegenwärtige Rechtslage
Die gegenwärtige Rechtslage sieht vor, dass eine fehlerhafte Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter bestimmten Umständen – insbesondere erwähnt das Gesetz hier unrichtige Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen – zurückgenommen werden kann (§ 73 Abs. 2 AsylG).

Ein Widerruf kann erfolgen, wenn eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland erfolgt ist (§ 73 Abs. 1 AsylG). Spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag hat die zuständige Behörde nach § 73 Abs. 2a AsylG zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorliegen.

Entsprechende Regelungen existieren für die Rücknahme und den Widerruf des subsidiären Schutzes (§ 73b AsylG) bzw. der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 73c AsylG). Mitwirkungspflichten im laufenden Asylverfahren sind in § 15 AsylG umfassend geregelt, § 15a AsylG regelt die Auswertung von Datenträgern und § 16 AsylG die Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität.

In der Praxis haben Überprüfungen in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen zu einem Widerruf geführt. In den Rücknahme- und Widerrufsverfahren, die im ersten Halbjahr 2018 eingeleitet und entschieden wurden, hatte der überprüfte Schutzstatus vielmehr in 99,3% der Fälle Bestand (BT-Drs. 19/38393). Auch bei der nachträglichen Überprüfung von Identitätsdokumenten Schutzberechtigter wurden nur 0,5% der eingesandten Dokumente als Fälschung identifiziert. Eine Reformierung ist daher dringend geboten: Um Kapazitäten beim BAMF zu schaffen – die an anderer Stelle gebraucht werden – und um vielen Betroffenen ein weiteres nervenaufreibendes Verfahren zu ersparen, das im Ergebnis nicht nötig ist.

b. Zum Referentenentwurf
Zunächst ist zu begrüßen, dass § 73a ff. eine Neuordnung und übersichtlichere Regelung vorschlagen und Tatbestände und Verfahren in jeweiligen Normen getrennt regeln. Zu begrüßen ist auch eine leichte Abkehr der gesetzgeberischen Fehlleistung aus dem Jahr 2018. Insbesondere ist daneben aus den genannten Gründen zu begrüßen, dass die – unionsrechtswidrige – Regelüberprüfung nach drei Jahren gestrichen werden soll.

Problematisch sind derweil einzelne folgende Punkte der Reformvorschläge:

Dies betrifft zum einen die Gründe, die gem. § 73 Abs. 1 AsylG-E zu einem Widerruf führen können und an dieser Stelle in Form von Regelbeispielen aufgeführt werden. Insbesondere kann und darf die Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit (Nr. 2) nicht regelhaft zu einem Widerruf führen: Die Möglichkeit der Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit ist oftmals Ausdruck des Bestehens administrativer Widersprüche oder widerstreitender Praktiken im Verfolgerstaat.

Ebenfalls abzulehnen sind die Verweise in § 73b AsylG-E auf die Mitwirkungspflichten in den § 15, 16 AsylG: Mitwirkungspflichten sind nach Anerkennung bzw. Zuerkennung eines Schutzstatus grundsätzlich abzulehnen. Hier bedürfte es einer spezifischen Regelung, die der bereits ausgesprochenen Schutzbedürftigkeit Rechnung trägt. Das Unionsrecht sieht Mitwirkungspflichten z.B. in Art. 4 Abs. 1 der QualifikationsRL vor, allerdings in äußerst engen Grenzen. Soweit es um die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des Schutzstatus im Unionsrecht geht, ist dies in Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 der QualifikationsRL geregelt. Auch hier ist bereits normiert, dass im Falle einer falschen Darstellung oder des Verschweigens eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen kann (Art. 19 abs. 3 (b) QualifikationsRL). Das Unionsrecht sieht dabei eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen haben. Art. 44 der AsylverfahrensRL sieht – ohne zwischen Rücknahme und Widerruf zu differenzieren – eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei neuen Erkenntnissen vor. Die anlasslose automatisierte und verpflichtende Regelprüfung im deutschen Recht ist dem Europarecht fremd.

Für die vorliegend interessierende Konstellation des Widerrufs und der Rücknahme ist Art. 11 Abs. 1 e) und Art. 19 Abs.3 b) und Abs.4 der QualifikationsRL zu beachten. Voraussetzung eines Widerrufs nach 11 Abs. 1 e) QualifikationsRL ist ein Wegfall der Umstände, aufgrund derer eine Person einen Schutzstatus erhalten hat, wobei der Nachweis hierzu von den Mitgliedstaaten gemäß 11 Abs. 2 QualifikationsRL zu führen ist.
Die Aberkennung eines Schutzstatus kann nach Unionsrecht außerdem erfolgen, wenn für die Zuerkennung des Schutzstatus eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente ausschlaggebend war. Art. 19 Absatz 4 der QualifikationsRL stellt fest, dass ein entsprechender Nachweis durch die Mitgliedstaaten zu führen ist.

Festzuhalten ist somit, dass sowohl für die Konstellation des Widerrufs als auch für die Konstellation der Rücknahme das Unionsrecht die Beweislast auf Seiten der Mitgliedstaaten verortet und nicht an Handlungen der Betroffenen anknüpft. Ein Widerruf bzw. eine Rücknahme im Rahmen einer Wertung als faktische Sanktion nicht erfolgter Mitwirkung ist unionsrechtswidrig.

Problematisch und zugleich nicht nötig ist § 73b Abs. 4 AsylG-E: Demnach soll im Rahmen eines Einbürgerungsverfahrens die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme entfallen. Dies ist abzulehnen. Es besteht auch keine Regelungsnotwendigkeit, da die Aufenthaltserlaubnis selbst bei erfolgtem Widerruf/Rücknahme nicht automatisch entfällt und somit auch in aller Regel weiter ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bestehen wird.

Schließlich ist die Monatsfrist zur Stellungnahme in § 73b Abs.6 AsylG-E praktisch zu kurz bemessen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass neue Unterlagen vorgelegt werden sollen. Die Frist ist regelhaft auf drei Monate zu setzen.

c. Empfehlung
§ 73 AsylG-E Abs 1 Nr. 1 bis 4 und 6 ist zu streichen
§ 73b AsylG Abs. 2 ist um den Widerruf und die Rücknahme des subsidiären Schutzes zu ergänzen.
§ 73b Abs. 4 AsylG-E ist zu streichen
§ 73b Abs. 5 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass der Verweis auf die Mitwirkungspflichten teilweise gestrichen, und die Beweislast des BAMF deutlich geregelt wird.
§ 73 b Abs. 6 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass die Frist auf 3 Monate gesetzt wird.


8. § 74 AsylG-E: Befangenheit von Richter*innen

a. Reformentwurf und Bewertung
Bislang führt ein Ablehnungsgesuch gem. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO dazu, dass die/der abgelehnte Richter*in vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur noch unaufschiebbare Handlungen vornehmen darf. Eine Ausnahme davon bildet § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 ZPO. Demgemäß führt eine Ablehnung wegen Befangenheit nach Beginn der mündlichen Verhandlung schon dann nicht zu einem Tätigkeitsverbot der*des Richters*in in der Sache, wenn dies zu einer Terminvertagung führen würde. Eine zeitliche Verzögerung durch einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag ist daher bereits durch die geltende Rechtslage ausgeschlossen.

b. Regelungsvorschlag
Die nunmehr vorgeschlagene Regelung erweitert den Ausnahmezeitraum des § 47 Abs. 2 ZPO auf drei Tage vor den Beginn der mündlichen Verhandlung. Wenn in diesem Fall die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu einer Vertagung der Verhandlung führt, so kann die mündliche Verhandlung auch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters erfolgen.

c. Kommentierung
Diese Erweiterung ist nicht nachvollziehbar. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet die Kammer, der die/der Einzelrichter*in angehört. Wieso eine Kammerentscheidung auch drei Tage vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung nicht möglich sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Selbst am Tag der mündlichen Verhandlung oder kurz davor ist nicht ersichtlich, weshalb die Kammer nicht über ein Ablehnungsgesuch entscheiden könnte. Die Kammer ist gem. § 45 Abs. 3 ZPO solange beschlussfähig, solange noch ein anderes Mitglied als der oder die abgelehnte Richter*in anwesend ist. Als beschlussfähige Mitglieder gelten auch die Richter*innen, die im Geschäftsverteilungsplan als ersatzzuständig vorgesehen sind, so dass eine Nichtbesetzung der Kammer fast ausgeschlossen ist.
Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass kein Kammermitglied anwesend ist, muss das nächsthöhere Gericht entscheiden. Die Regelung sieht aber vor, dass die Entscheidung über die Ablehnung zu einer Vertagung der Verhandlung führen muss. Wie dargelegt, ist dieser Fall extrem unwahrscheinlich, so dass die Regelung ins Leere geht und daher nicht erforderlich ist.

Die Länge der Frist ist im Gesetzesentwurf und seiner Begründung auch nicht näher erläutert und erscheint willkürlich gezogen. In der Praxis gibt es ohnehin bis kurz vor der mündlichen Verhandlung keine Handlungen der*/des zuständigen Einzelrichter*in, die eine Befangenheit begründen könnte. PKH-Anträge werden oft erst kurz vor der mündlichen Verhandlung entschieden und weitere Äußerungen erfolgen oft gar nicht. Somit würde die Ausweitung der Frist dazu führen, dass selbst bei offensichtlichem Vorliegen der Befangenheit mit dem*/der befangenen Richter*in verhandelt werden müsste. Dazu ist bereits geregelt, dass ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Befangenheitsantrag nicht zum Ausschluss der*/des Richter*in führen muss.

Die jetzige Rechtslage regelt bereits eine weitgehende Ausnahme vom Tätigkeitsverbot des/der* abgelehnten Richters*in, so dass eine Erweiterung des prozessualen Sonderrechts nicht gerechtfertigt und damit abzulehnen ist. Das Verfahrensrecht und die darin niedergelegten Garantien sollen eine Waffengleichheit zwischen den Kläger*innen und dem Gericht ermöglichen, die dem besonderen Prozessverhältnis geschuldet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht den Kläger*innen dient und nicht umgekehrt. Diese Verfahrensgarantien würden durch die vorgeschlagene Änderung noch weiter ausgehöhlt werden. Zu beachten ist auch, dass in anderen Rechtsgebieten (vgl. § 25 StPO) die Ausnahmen vom Tätigkeitsverbot nach Ablehnung an den Beginn der mündlichen Verhandlung geknüpft sind, weil dies prozessökonomisch zu rechtfertigen ist. Eine weitere Ausdehnung ist hingegen nicht mehr zu rechtfertigen, insbesondere mit Blick auf das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG.

d. Empfehlung
§ 74 AsylG-E ist abzulehnen.


9. § 77 AsylG-E: Schriftliches Verfahren

a. Reformentwurf und Bewertung
Bislang gibt es hierzu keine asylrechtliche Spezialregelung. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren kann auf Grundlage der Normen der VwGO (§ 101 Abs. 2 VwGO) nur mit Einverständnis aller Beteiligten erfolgen.

aa. Schriftliches Verfahren
Der Regelungsvorschlag sieht vor, dass in allen Fällen bei Klagen gegen Entscheidungen nach dem AsylG im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, wenn die*der Betroffene anwaltlich vertreten ist. Eine Ausnahme gilt nur für § 38 Abs. 1 AsylG (einfach unbegründet abgelehnte Asylanträge) und § 73b Abs. 7 AsylG (Neue Fassung, Widerruf oder Rücknahme einer bestehenden internationalen Schutzzuerkennung). Auf Antrag muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, worauf die Beteiligten hinzuweisen sind. Die Regelung soll laut Gesetzesbegründung der Verfahrenserleichterung dienen und nur sachliche und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von nicht schwerwiegender Tragweite betreffen. Dabei sollen nur solche Verfahren betroffen sein, in denen die Schutzberechtigung nicht zur Disposition steht, was durch die Ausnahmeregelungen sichergestellt sein soll.

Zunächst geht die Begründung des Entwurfs in mehreren Annahmen fehl. Zum einen steht nicht nur bei Entscheidungen gem. § 38 Abs. 1 AsylG und § 73b Abs. 7 AsylG (neue Fassung) die Schutzberechtigung zur Disposition. Dies ist vielmehr auch dann der Fall, wenn ein Asylantrag als unzulässig gem. § 29 AsylG oder als offensichtlich unbegründet gem. § 30 AsylG abgelehnt wurde.

Zum anderen liegt diesen Fälle oft eine besonders schwierige rechtliche und tatsächliche Lage zugrunde. Die qualifizierte Ablehnung im Fall des § 30 AsylG ist an hohe Hürden geknüpft, was dazu führt, dass die tatsächlichen Ausführungen des BAMF besonders umfangreich sein müssen. Dies gilt auch für Entscheidungen gem. § 29 AsylG. Hier kommt hinzu, dass die rechtliche Lage sich oft als äußert komplex darstellt, was allein die zahlreichen Vorlagen an den EuGH in den letzten Jahren beweisen.

Oft zeigt sich auch in diesen Verfahren, dass eine mündliche Verhandlung zu einem anderen Ergebnis führt und die Entscheidungen des BAMF aufgehoben werden. Weiterhin sind die Folgen einer qualifizierten Ablehnung deutlich weiterreichend (vgl. § 10 AufenthG, Arbeitsverbot, etc.), so dass hier nicht nur die Schutzberechtigung, sondern noch weitere Rechtsgüter betroffen sind. Hier auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, würde die Betroffenen unangemessen benachteiligen und ist nicht zu rechtfertigen.

Weiterhin ist es den Gerichten bereits jetzt gem. § 84 Abs. 1 VwGO möglich, ohne mündliche Verhandlung per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Laut Gesetzesbegründung des Entwurfs sollen aber ohnehin nur sachlich und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von der Neuregelung umfasst sein. Diese sind aber bereits von § 84 Abs. 1 und § 101 VwGO erfasst. Eine asylrechtliche Sonderregelung ist daher nicht nötig.

Weiterhin ist der Entwurf viel zu unbestimmt. Es ist nicht klar, wann ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt werden soll. Diese Unklarheit kann zum Verlust von Verfahrensrechten oder neuen, viel längeren Verfahren führen.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum die bisherigen Regelungen nicht ausreichen. Grundsätzlich ist bei aufgeklärtem Sachverhalt und einer einfachen Sach- und Rechtslage nicht ersichtlich, warum eine anwaltlich beratene Asylbewerber*in nicht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimmen sollte, wenn es sachdienlich erscheint. Die Umkehr dieser Dispositionsmöglichkeit über das Stattfinden der mündlichen Verhandlung ist mit den Verfahrensgarantien des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere im Asylverfahren, da die Glaubhaftigkeit des klägerischen Sachvortrags und die Glaubwürdigkeit der Kläger*innen aufgrund des Mangels an Beweismitteln fast ausschließlich in der mündlichen Verhandlung bewertet werden können und dieser daher besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – Az. 2 BvR 1516/93, Rn. 124). Dies liegt auch an einer mangelhaften und pauschalen Sachverhaltsaufklärung durch das BAMF.
Die Änderung sollte gestrichen werden.

bb. Einbeziehung neuer Entscheidungen
Bisher gibt es keine Regelung, die zu einer Einbeziehung einer neuen Entscheidung im laufenden Asylklageverfahren führt. Es gilt die Dispositionsmaxime. Der oder die Kläger*in entscheidet selbst, ob und in welchem Umfang gegen eine Entscheidung der Verwaltung Klage erhoben wird. Dies findet seinen Niederschlag in § 81 VwGO und § 82 VwGO, die regeln, dass ein/eine Kläger*in selbst Klage erheben muss und bestimmen kann, wogegen und in welchem Umfang geklagt wird. Weiterhin regelt § 88 VwGO, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen kann und an die Fassung der Anträge gebunden ist.

Die Regelung sieht vor, dass ein im laufenden Klageverfahren erlassener neuer Bescheid des BAMF, der den Asylantrag als einfach oder offensichtlich unbegründet ablehnt, automatisch Gegenstand des Verfahrens wird. Voraussetzung ist, dass sich das ursprüngliche Klageverfahren gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gerichtet hat. Begründet wird dies mit einer Beschleunigung der Verfahren. Insbesondere wird auf die Konstellation abgezielt, in der ein Dublin-Verfahren eingeleitet wurde und der ablehnende Bescheid aufgrund des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren rechtswidrig wird. Hier soll das BAMF im laufenden Klageverfahren eine materielle Prüfung durchführen können. Der ablehnende Bescheid wird dann automatisch Bestandteil der Klage.

Die Regelung ist äußerst problematisch und verstößt gegen fundamentale Rechtsprinzipien der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Dispositionsmaxime sieht vor, dass Kläger*innen selbst durch einen klageeinleitenden Akt darüber bestimmen können, ob und im welchem Umfang ein Rechtsakt angegriffen wird (oder der Erlass eines solchen begehrt wird). Er findet seinen Ausfluss in § 81 VwGO, der den Beginn des Gerichtsprozesses von der förmlichen Einleitung der Klage abhängig macht, in § 82 VwGO, der es dem oder der Kläger*in vorschreibt, den Umfang ihres Klagebegehrens zu bezeichnen, in § 88 VwGO, der das Gericht in seiner Entscheidung an das Klagebegehren bindet und in § 92 VwGo, der es den Kläger*innen erlaubt, eine Klage wieder zurückzunehmen (vgl. Kopp/Schenke § 119, Rn. 4; Sodan/Ziekow, § 88, Rn. 1). Die automatische Einbeziehung einer neuen und völlig anderen Verwaltungsentscheidung in ein Klageverfahren würde ganz grundsätzlich gegen die Dispositionsmaxime verstoßen. Eine ausreichende Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich.

Auch ist das erklärte Ziel, die Beschleunigung der Verfahren, nicht gewährleistet. Durch die automatische Einbeziehung des ablehnenden Gerichtsbescheids wird das Gerichtsverfahren nicht beendet, sondern automatisch verlängert. Zahlreiche Klageverfahren werden nicht geführt, weil die Betroffenen gegen negative (materielle) Entscheidungen des BAMF nicht klagen. Gegen alle negativen Bescheide, die im Anschluss an eine Ablehnung als unzulässig erlassen werden, wird nun automatisch ein Klageverfahren geführt, ob die Betroffenen das wollen oder nicht. Dies schließt im Übrigen auch solche Verfahren mit ein, in denen Abschiebungsverbote gewährt werden. Die (unfreiwilligen) Kläger*innen können dann auch keine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten, weil diese während des laufenden Asylklageverfahrens gem. § 10 Abs. 1 AufenthG gesperrt ist. Die Regelung erscheint angesichts der automatisch eintretenden und nachteiligen Folgen für Betroffene und Gerichtsbarkeit geradezu absurd.

Ob die nun eingefügte Regelung, nach der die Beklagte Bundesrepublik Deutschland stets die Kosten in einem solchen Verfahrensverlauf bei Rücknahme zu tragen hat, im Sinne der Steuerzahler*in ist, wird an dieser Stelle nicht weiter beurteilt. Weiterhin wird auch die pauschale Kostentragung des BAMF bei unverzüglicher Rücknahme der Klage nach Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts zu unabsehbaren Kosten für das BAMF führen. Bislang lehnt ein Großteil der Gerichte die Kostentragungspflicht des BAMF bei Erledigung eines Klageverfahrens gegen einen Dublin-Bescheid wegen Ablaufs der Überstellungsfrist ab. Die pauschale Kostenregelung geht daher zu Lasten des BAMF. Dies müsste auch dann gelten, wenn ein zweites Verfahren gegen den ablehnenden materiellen Asylbescheid anhängig gemacht wird und die Klage gegen den ersten Bescheid zurückgenommen wird. Ob sich der Streitwert nicht auch automatisch durch Erweiterung des Streitgegenstands erhöht und damit noch höhere Kosten für das BAMF verursacht, bleibt unklar.

Darüber hinaus setzt eine Entscheidung über die Begründetheit des Asylantrags auch voraus, dass eine entsprechende Anhörung stattgefunden hat. Eine solche Anhörung muss entsprechend den Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU erfolgen. Sie kann nicht in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung nachgeholt werden, weil dies den Anforderungen an Vertraulichkeit der Anhörung widerspricht (vgl. BVerwG 1 C 41.20 - Urteil vom 30. März 2021). Das heißt, dass das BAMF selbst in Fällen, in denen die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zunächst nicht zuständig ist, immer auch eine Anhörung zu den materiellen Asylgründen durchführen muss, damit ein ablehnender Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren ergehen kann. Dies erfordert einen zusätzlichen Zeitaufwand von rund 3 Stunden pro Antragsteller*in, da die Anhörung zu den materiellen Asylgründen in der Regel deutlich länger dauert, als die zur Zulässigkeit des Asylantrags. Die Regelung würde also zu einer deutlichen Mehrarbeit des BAMF führen und nicht zu einer Beschleunigung des Asylverfahrens.

Weiterhin stellt sich die Frage, was geschieht, wenn sich die Sachlage nach Erlass der Dublin-Entscheidung geändert hat, was bei zahlreichen Herkunftsländern der Fall ist. In diesem Fall müsste möglicherweise erneut eine Anhörung stattfinden, um eine ordnungsgemäße Entscheidung zu treffen. Das würde den Prozess noch mehr verlangsamen.

Die Regelung ist also nicht nur ein massiver und ungerechtfertigter Eingriff in die Verfahrensrechte der Betroffenen. Sie wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer höheren Belastung für die Gerichte und das BAMF führen und damit das Verfahren noch weiter verlangsamen.
Die Regelung sollte gestrichen werden.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem diesem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen.

Aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 21, 73 <77>; 36, 85 <87>; 60, 175 <210>; 89, 381 <391>; 112, 185 <206>). Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 9, 89 <95 f.>; 60, 175 <210 f.>; 67, 208 <211>; 74, 1 <5>; 89, 381 <391>) (- 1 BvR 367/15 - ).

b. Empfehlung
Der Vorschlag ist als Ganzes abzulehnen.


10. § 78 AsylG-E: Rechtsmittel

a. Bisherige Rechtslage
§ 78 AsylG bestimmt bisher im Wesentlichen, wann ein Urteil des Verwaltungsgerichts unanfechtbar ist und aus welchen Gründen die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen ist. Es handelt sich um ein gegenüber der VwGO einschränkendes Sonderprozessrecht im Asylverfahren. Denn in § 78 Abs. 3 AsylG sind für das Asylrecht die Gründe für die Zulassung der Berufung gegenüber der allgemeineren Regelung des § 124 VwGO stark eingeschränkt.

b. Gesetzesentwurf und Bewertung
Die vorgeschlagene Änderung durch Einfügung des § 78 Abs. 8 AsylG führt eine spezielle »Tatsachenrevision« ein und beschränkt zugleich die Revisionsmöglichkeiten für Betroffene.

Ziel der Neuregelung ist die Beschleunigung der Gerichtsverfahren und Vereinheitlichung der Rechtsprechung in Asylsachen. Eine bundesweit einheitliche Rechtsprechung zu asyl- und abschiebungsrelevanten Fragen soll laut der Begründung des Entwurfs Schutzsuchenden ermöglichen, frühzeitig die Erfolgsaussichten einer Klage zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Auf diese Weise könnten im Ergebnis ›erfolglose‹ Klagen verringert werden, die Gerichte würden entlastet.

Diese Erwartung ist aus unserer Sicht unbegründet. Zum einen geben nicht selten geringfügig abweichende Einzelumstände Grund für eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung. Eine Leitentscheidung für eine Vielzahl an Sachverhalten kann so kaum getroffen werden. Zum anderen bleibt unklar, in welcher Weise neue Entwicklungen im Herkunftsland in Abweichung von den Leitentscheidungen berücksichtigt werden können. Dies ist aber nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei einer volatilen Sicherheitslage tagesgenau erforderlich. In der Folge wird es statt zu Klarheit und Einheitlichkeit zu Unklarheit und Streit kommen.

Statt einer Entlastung der Gerichte ist daher eine erhöhte Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts, zu erwarten. Stellt man sich die Frage, wie das Asylverfahren für Schutzsuchende fairer gestaltet werden kann, so kann dies vor allem über eine Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten erreicht werden, nicht über deren Verkürzung.

c. Empfehlungen
Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.

Um die Verfahren fairer und einheitlicher zu gestalten, empfehlen wir stattdessen, die Zulassungsgründe zu erweitern. Nach allgemeiner Rechtsauffassung sind EuGH und EGMR nicht divergenzfähig im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (vgl. z.B. BayVGH, B. vom 09. April 2018, 11 ZB 18.30631, Rn. 2, zit.n.juris). Divergenzfähig wird eine Entscheidung des EuGH danach erst durch eine konkrete Übernahme des BVerfG im Einzelfall.
Das gilt zwar auch bei § 124 VwGO (und ist auch dort eigentlich nicht gerechtfertigt), richtet dort aber wegen der ansonsten erheblich weiter gefassten Zulassungsgründe nicht so großen Schaden an. Im Zweifel bestehen bei einer Abweichung von einer Entscheidung des EuGH auch »ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils« § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diesen Zulassungsgrund gibt es aber bei § 78 AsylG gerade nicht.
Besonders fatal ist dies, weil gerade im Asylrecht Entscheidungen des EuGH große Bedeutung haben, z.B. dessen Urteil vom 07. November 2013, C-199/12 bis C-201/12. Dieses wurde erst Jahre später durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Januar 2020, 2 BvR 1807/19, zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung übernommen und dadurch divergenzfähig. Eine Klarstellung, dass auch Entscheidungen des EuGH und des EGMR divergenzfähig sind, würde hier eine Klarstellung bewirken und die bisher bestehende Lücke schließen.


11. § 79 Besondere Vorschriften für das Berufungsverfahren

a. Reformentwurf und Bewertung
Die vorgeschlagene Änderung soll das bisher geltende Zurückverweisungsverbot lockern. Dies soll eine Entlastung bei den Oberverwaltungsgerichten erzielen.

Nach der bisherigen Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht verpflichtet, nach einer Zulassung der Berufung die Verfahren auch dann entscheidungsreif zu machen, wenn es die allgemeine asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevante Lage in einem Zielstaat anders als das Verwaltungsgericht beurteilt und die Schutzgewährung durch das Verwaltungsgericht wesentlich von dieser Beurteilung abhing. Dies soll sich nun ändern und das bisher geltende absolute Zurückweisungsverbot soll teilweise gelockert werden. Die Oberverwaltungsgerichte erhalten in bestimmten Fällen nun die Möglichkeit, Verfahren an die erstinstanzlichen Gerichte zurückzuverweisen.

Die Änderung geht aus unserer Sicht nicht weit genug. Statt das Zurückweisungsverbot ganz aufzuheben, wird es eingeschränkt.

Das Zurückweisungsverbot ist jedoch als Ganzes abzulehnen, denn es verkürzt die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen, indem es den in der VwGO vorgesehenen Instanzenzug verkürzt.

b. Empfehlung
Die vorgeschlagene Regelung ist abzulehnen und Abs. 2 stattdessen komplett zu streichen.


III. SONSTIGE REFORMVORSCHLÄGE

§ 3 Abs. 3  AsylG Ausschluss
Die Norm ist tatsächlich nicht praktikabel und hätte in der Praxis kaum Anwendungsfälle und ist daher abzulehnen. Die Regelung der Asylunwürdigkeit besteht bereits.

§ 5 Abs. 6 AsylG-E 
Eine Sicherheitsprüfung sollte in allen Fällen zwingend erfolgen.

§ 33 ASylG-E
Die Regelung, zumal ohne ausdrückliche Belehrung über die Rechtsfolgen des Nicht-Betreibens, ist abzulehnen.

§ 72 AsylG-E
Es ist zu begrüßen, dass die in § 72 Abs. 1 Nr. 1-3 AsylG genannten Gründe nun nicht mehr zum Erlöschen des Schutzstatus führen sollen, sondern in einem Verfahren nach § 73 AsylG-E zu prüfen sind. Es ist dagegen abzulehnen, dass eine Verzichtserklärung zur Durchführung des Asylverfahrens von der Ausländerbehörde an das Bundesamt weiterzuleiten ist. In der Praxis gibt es mit solchen Erklärungen gegenüber der Ausländerbehörde regelmäßig Probleme, da den Betroffenen nicht klar ist, auf was sie verzichten. In der Praxis sollte vielmehr vor Erteilung eines Aufenthaltstitels geprüft und qua Schreiben auch mitgeteilt werden, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei im Übrigen gleichbleibenden Verhältnissen nur noch die Rücknahme des Asylantrags entgegensteht. Der Verzicht kann rechtsgültig nur gegenüber dem Bundesamt erklärt werden.

Berlin, den 24. November 2022

Die Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen Migration & Asyl
news-901 Mon, 14 Nov 2022 05:59:42 +0100 The World is Watching /publikationen/mitteilungen/mitteilung/the-world-is-watching-901 Statement, 11. November 2022. Delegation of 60+ International Trial Observers Condemns Court Judgment in Decade-Long Criminal Prosecution of 21 Lawyers from ÇHD (Progressive Lawyers Association) and HHB (People’s Law Office) Delegation of 60+ International Trial Observers Condemns Court Judgment in Decade-Long Criminal Prosecution of 21 Lawyers from ÇHD (Progressive Lawyers Association) and HHB (People’s Law Office): Delegation Warns That “The World is Watching”   

This week, we – more than 60 lawyers from 9 countries representing more than 30 bar associations, NGOs and professional lawyers’ associations – have been observing the final hearings in the mass trial that started in 2013 against 22 lawyers from the ÇHD (Progressive Lawyers Association) and the HHB (People’s Law Office). There are now only 21 left, as Ebru Timtik died – hunger-striking for a fair trial – in the course of these proceedings.

Today, these lawyers have been convicted on charges of membership in a terrorist organization and participating in terrorist propaganda, and lengthy prison sentences have been imposed.

These convictions and sentences are in total violation of the right to a fair trial, the U.N. Basic Principles on the Role of Lawyers and the rule of law.

The only material facts brought to the Court were strictly linked to the defendants’ professional activities as lawyers in the field of human rights: taking part in a press conference, being present in or near a protest, advising clients of their right to remain silent, defending suspects charged with terrorism, etc. During the inquiry, some of the accused lawyers were subjected to wiretapping for over a year, in an apparent violation of the sanctity of legal professional privilege.

The U.N. Basic Principles specifically guarantee the right of lawyers to participate in public debate and to associate with each other and, further, state that lawyers must never be identified with their clients or their clients’ causes, nor suffer prosecution for any action in accordance with their professional duties.

Moreover, our colleagues were deprived of their right to a fair trial. Their request for sufficient time to present their defence was denied by the Court, which allowed only five short days of hearings for 21 defendants, and rejected the defendants’ request to postpone the hearing in order to permit a proper examination of the evidence, in particular electronic documents the authenticity of which is seriously questioned.

The trial was held in a courtroom at Silivri prison, with heavy police presence. The defendants were separated from their lawyers by two lines of police officers, hindering the ability of the defendants and their lawyers to communicate with confidentiality.

The defendants’ rights were also violated by the failure to complete proceedings within a reasonable time, as the trial has been ongoing for ten years without a proper justification for the protracted proceedings.

In addition, for several of the defendants, this trial relies on facts and evidence that have already been used in the 2017 trial against seven of the same defendants, in violation of the principle that no one should be tried twice for the same offense.

Finally, we are deeply concerned about the independence of the judiciary and the rule of law. In attacking these lawyers for their defense of human rights, it is human rights, democracy and the rule of law that are under siege.

We are always proud to stand in solidarity with our courageous colleagues, and we once again demand their immediate release.

The world is watching.

Signatures:
-    Amsterdam Bar Association
-    Asociación Libre de Abogadas y Abogados, Madrid (ALA)
-    AVOCATS.BE - Order of French- and German-speaking bar associations of Belgium
-    Berlin Bar Association
-    Bologna Bar Association
-    Bordeaux Bar Association
-    Brussels Bar Associaton
-    Conférence Régionale des Bâtonniers de l Ouest
-    Criminal Committee of the International Association of Lawyers
-    Defense Without Borders - Solidarity Lawyers, France (DSF-AS)
-    Dutch League for Human Rights
-    Épinal Bar Association
-    European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights, ELDH
-    European Democratic Lawyer (AED)
-    Fair Trial Watch
-    Foundation Day of the Endangered Lawyer
-    Hauts-de-Seine Bar Association
-    Human Right Institution of Montpellier
-    La Conférence des Bâtonniers de France
-    Lawyers for Lawyers
-    Liege-Huy Bar Association
-    Lyon Bar Association
-    Marseille Bar Association
-    Montpellier Bar Association
-    National Association of Democratic Jurists, Italy (GD)
-    National Lawyers Guild, US
-    Republikanischer Anwältinnen - und Anwälteverein e.V. (RAV)
-    Syndicat des Avocats de France
-    Syndicat des Avocats Pour la Démocratie, Belgium
-    The Association for the Support of Fundamental Rights Athens, Greece
-    The Center of Research and Elaboration on Democracy/ Legal International Intervention Group
-    The German Federal Bar
-    The International Observatory for Lawyers in Danger (OIAD) composed by 47 bar associations from Spain, France, Italy, Germany, Switzerland, Belgium, Turkey, Cameroon and Democratic Republic of Congo
-    Toulouse Bar
-    UIA-IROL (the Institute for the Rule of Law of the International Association of Lawyers)

Weitere Informationen: http://www.aeud.org/2022/11/the-world-is-watching/

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Pressemitteilung Prozessbeobachtung Menschenrechte/Türkei
news-900 Fri, 04 Nov 2022 07:13:20 +0100 Acht Jurist*innen-Organisationen rufen zum Protest auf /publikationen/mitteilungen/mitteilung/acht-juristinnen-organisationen-rufen-zum-protest-auf-900 Pressemitteilung 07/22, 4.11.2022 Acht Jurist*innen-Organisationen rufen zum Protest auf

Gegen die Todesurteile und in Solidarität mit den verfolgten Kolleg*innen im Iran

Gemeinsam mit dem Deutschen Juristinnenbund (djb), dem Deutschen Anwaltverein (DAV), der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, der Rechtsanwaltskammer-Berlin, der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), der Neuen Richtervereinigung (NRV) und dem ECCHR ruft der RAV auf zu einer von Juristinnen und Juristen organisierten

Kundgebung
Montag, 7. November um 17 Uhr
Pariser Platz am Brandenburger Tor

Seit fast zwei Monaten finden Proteste im Iran statt. Was als Protest gegen den Zwang zum Tragen eines Hijabs und die Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam begann, hat sich zu einer landesweiten Revolution ausgeweitet.

Die Repressionen gegen die mutigen Menschen in Iran – allen voran Frauen, die sich gegen jahrzehntelange Demütigung und Unterdrückung erheben – ist brutal und setzt auch auf Tötung der Gegner*innen. Vor allem die Basij‐Milizen und die Polizei gehen staatlich gewollt und mit äußerster Brutalität gegen die Protestierenden vor. Bisher sind über zweihundert Menschen getötet und eine Vielzahl von Menschen verletzt und inhaftiert worden. Gegen ca. 1.000 von ihnen sollen jetzt Verfahren geführt werden, mit der Todesstrafe wird gedroht.

»Die Menschen auf den Straßen Irans, die zum Tode Verurteilten, brauchen unsere ungebrochene Solidarität. Gerade als Rechtsanwält*innen stehen wir ein für die Verteidigung der Menschenrechte«, erklärt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Wir sind zutiefst entsetzt über die Repressalien, denen viele iranische Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt sind. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität«, so Peer Stolle weiter.

Die meisten der festgenommenen Demonstrierenden haben bislang keine Möglichkeit, anwaltlich vertreten zu werden. Berichten zufolge wurden bei einer Protestversammlung vor der Anwaltskammer in Teheran, die die mangelhaften Rechtsberatungsmöglichkeiten für verhaftete Demonstrierende kritisierte, mindestens drei Anwält*innen festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen ein.

Daher fordern wir:


Für Pressegespräche steht Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV zur Verfügung: 030-44 67 92 16; stolle@dka-kanzlei.de

Die PM als PDF

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Iran Pressemitteilung Bürger- und Menschenrechte
news-899 Thu, 03 Nov 2022 14:37:45 +0100 Jin, Jiyan, Azadî<br />Stopp mit der Repression in Iran<br />Weg mit der Todesstrafe /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stopp-mit-der-repression-im-iran-899 Aufruf zur Teilnahme an Protestkundgebung, 7.11.2022 Jin – Jiyan – Azadî
Stopp mit der Repression im Iran
Weg mit der Todesstrafe
Sofortige Freiheit für die politischen Gefangenen

Wir, Richter*innen, Rechtsanwält*innen, Jurist*innen wollen am Montag, den 7. November 2022 um 17 h auf dem Pariser Platz (Brandenburger Tor) unsere Solidarität, unsere tiefste Bewunderung für die feministische Revolution im Iran, für die Frauen, aber auch für alle anderen Menschen, die trotz der Verfolgung auf die Straße gehen und gegen das iranische Regime protestieren, zum Ausdruck bringen. Insbesondere richten wir uns heute gegen die diese Woche verhängten Todesurteile gegen Demonstrant*innen.

Seit fast zwei Monaten finden Proteste in Iran statt. Was als Protest gegen den Zwang zum Tragen eines Hijabs und die Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam begann, hat sich zu einer landesweiten Revolution ausgeweitet, die sich gegen das Regime direkt richtet und von sehr vielen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird.

Die Repressionen gegen die mutigen Menschen in Iran – allen voran Frauen, die sich gegen jahrzehntelange Demütigung und Unterdrückung erheben – ist brutal und setzt auch auf Tötung der Gegner*innen, nun eben auch mittels gerichtlicher Todesurteile. Vor allem die Basij-Milizen und die Polizei gehen staatlich gewollt und mit äußerster Brutalität gegen die Protestierenden vor. Bisher sind über zweihundert Menschen getötet und eine Vielzahl von Menschen verletzt und gefangen genommen worden. Gegen ca. 1000 von ihnen sollen jetzt Verfahren geführt werden.

Die meisten festgenommenen Demonstrant*innen haben bislang keine Möglichkeit, anwaltlich vertreten zu werden. Berichten zufolge wurden bei einer Protestversammlung vor der Anwaltskammer in Teheran, die die mangelhaften Rechtsberatungsmöglichkeiten für verhaftete Demonstrant*innen scharf kritisierte, mindestens drei Anwält*innen festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen ein. Trotz der massiven rechtsstaatlichen Bedenken wurden schon die ersten Todesurteile verhängt, aus dem einzigen Grund, für ihre Freiheitsrechte auf die Straße gegangen zu sein.

Die Menschen auf den Straßen Irans, die zum Tode Verurteilten, brauchen unsere ungebrochene Solidarität. Gerade als Richter*innen, als Rechtsanwält*innen, als Jurist*innen stehen wir ein für die Verteidigung der Menschenrechte. Für das Recht, gegen ein unmenschliches Regime auf die Straße zu gehen, für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und für das Recht auf Leben und gegen staatlich legitimiertes Töten.

Wir sind  zutiefst entsetzt über die Repressalien, denen viele iranische Rechtsanwält*innen ausgesetzt sind – sie werden unter Druck gesetzt, erhalten Drohungen und werden verhaftet allein wegen der Ausübung ihres Berufs. Wir bekunden unsere Solidarität mit den angegriffenen Kolleg*innen.

Deshalb fordern wir:

 Jin – Jiyan – Azadî

Aufruf als PDF

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Iran Veranstaltungen
news-898 Sun, 30 Oct 2022 08:01:53 +0100 Gesetz zum ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ muss dringend nachgebessert werden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zum-chancen-aufenthaltsrecht-muss-dringend-nachgebessert-werden-898 Pressemitteilung 6/22, 31.10.22 Die AG Migrationsrecht Süd des RAV hat einen Offenen Brief  an das Bundesinnenministerium und weitere Regierungs- und Ausschussmitglieder des Deutschen Bundestags verfasst. Wir drücken damit unsere große Besorgnis aus, dass die Bayerischen Behörden das geplante Gesetz zum ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ (Ch-AR) bereits jetzt massiv torpedieren und nach Verabschiedung unterlaufen werden.

»Gerichtsfestes Gesetz ist ausschlaggebend«

»Mit den derzeitigen vagen und unklaren Formulierungen wird das geplante ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ zumindest in Bayern leerlaufen«, so der Nürnberger Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV. »Auch im Interesse eines gerichtsfesten Gesetzes bedarf es dringend der Nachbesserung. Darauf haben bereits der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und auch wir als RAV hingewiesen«.

Bayerische Behörden torpedieren ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹

Die »äußerst restriktive Behördenpraxis der bayerischen Behörden«, so die Münchener Rechtsanwältin Antonella Giamattei für die AG Migrationsrecht Süd, »führt uns zu der Vermutung, dass bayerische Behörden bereits jetzt Maßnahmen ergreifen, um bei möglichst vielen derzeit noch Ausreisepflichtigen zu verhindern, dass diese in den Genuss der künftigen Bleiberechtsregelung kommen«.

»Gesetzentwurf muss dringend nachgebessert werden«

Der Gesetzentwurf des ›Chancen-Aufenthaltsrechts‹ wurde nach erster Lesung im Bundestag zur weiteren Beratung in den Innenausschuss verwiesen. »Das ist der Ort, wo die im Gesetzentwurf verbliebenen Lücken, Unklarheiten und fehlenden Präzisierungen nachgearbeitet werden müssen, um sodann gerichtsfest vom Bundestag verabschiedet werden zu können«, so die Berliner Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied, Berenice Böhlo, die begrüßte, dass »auch die Bayerische SPD diese Defizite erkannt hat«.

Den Offenen Brief der AG Migrationsrecht Süd des RAV finden Sie hier:
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-des-sog-chancen-aufenthaltsrechts-ch-aroffener-brief-897

Die o.g. Stellungnahmen unter:

https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-35-22-referentenentwurf-einfuehrung-chancen-aufenthaltsrecht?file=files/anwaltverein.de/downloads/newsroom/stellungnahmen/2022/dav-sn-35-2022-einfuehrung-eines-chancen-aufenthaltsrechts.pdf

https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-einfuehrung-eines-chancen-aufenthaltsrechts-877

Kontakt: Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Tel.: 0911-376 64 27-7; yunus.ziyal@anw-nbg.de

Die Pressemitteilung als PDF

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-897 Sat, 29 Oct 2022 18:53:11 +0200 Entwurf des sog. Chancen-Aufenthaltsrechts (Ch-AR)<br />Offener Brief /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-des-sog-chancen-aufenthaltsrechts-ch-aroffener-brief-897 Brief an Bundesministerin Faeser und Staatsministerin Alabali-Radovan, AG Migrationsrecht Süd im RAV, 31.10.2022 Nürnberg/München, 31.10.2022

Offener Brief an

Bundesministerin des Innern und für Heimat,
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zugleich Beauftragte für Antirassismus und die zuständigen Ausschüsse des Bundestags

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Faeser,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Alabali-Radovan,

derzeit diskutieren Sie im Bundestag bzw. in den Ausschüssen den Entwurf des sog. Chancen-Aufenthaltsrechts (Ch-AR). Dieser soll insbesondere Langzeitgeduldeten eine Perspektive bieten und es Menschen mit bisher ungeklärter Identität ermöglichen, erst einen sicheren Status zu erhalten, um dann ihre Identität zu klären.

Im Rahmen der Verbändebeteiligung haben die Anwaltsverbände RAV und DAV bereits angemerkt, dass der Text zur geplanten Regelung zwar in die richtige Richtung weist, aber an entscheidenden Stellen nicht nachvollziehbare Einschränkungen enthält (wie z.B. die Stichtagsregelung 01.01.2022 oder die Beschränkung auf Duldungsinhaber*innen).

In einer Stellungnahme zum Entwurf des Chancen-Aufenthaltsrechts vom 30.09.2022 bezog sich auch die bayerische SPD-Landtagsfraktion auf diese Kritik. Sie äußert darin die Besorgnis, dass aufgrund der »restriktiven Asylpolitik, die sich in rigidem Vollzug durch Ausländerbehörden widerspiegelt«, ohne Normenklarheit und exakte Formulierungen das Chancen-Bleiberecht in Bayern kaum Verbesserungen brächte.

Mit diesem Offenen Brief wollen wir als bayerische Rechtsanwält*innen im Migrationsrecht diese Besorgnis teilen und mit unserer beruflichen Erfahrung inhaltlich unterfüttern. Wir schließen uns ausdrücklich den Forderungen aus der Stellungnahme (s.u.) nach einer Nachbesserung des Gesetzes an.

Die folgende Faktensammlung dazu wurde auf den Bayerischen Migrationsrechtlichen Tagen vom 7. bis 9. Oktober 2022 in Berching erarbeitet. Auf dieser jährlich stattfindenden Tagung diskutieren regelmäßig über 30 Rechtsanwält*innen vor allem aus Bayern aktuelle Entwicklungen im Asyl- und Migrationsrecht und schulen sich gegenseitig in der praktischen Rechtsanwendung.

Die Erfahrungen der Jurist*innen mit bayerischen Behörden zeigen:

 

Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen geltendes Recht. Das AufenthG sieht einen abgeschlossenen Katalog von Aufenthaltstiteln vor. Die Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) gehört nicht dazu. Sie ist ein gesetzlich nicht geregelter Sonderstatus, der in Bayern systematisch rechtswidrig erteilt wird. Das Chancen-Aufenthaltsrecht setzt vorherige Duldungszeiten voraus. Diese werden in Bayern systematisch nicht erreicht, da immer wieder GÜB erteilt werden und somit der erforderliche Duldungszeitraum unterbrochen und im Ergebnis dann nicht erreicht wird, obwohl die Menschen rein zeitlich die vorausgesetzten Aufenthaltszeiten erfüllen.

Auch bei Menschen aus dem Irak – für die es seit 20 Jahren einen faktischen Abschiebestopp gibt – werden nunmehr GÜB statt Duldungen erteilt.
In einigen Fällen werden Duldungen widerrufen, obwohl sich an der Nicht-Durchführbarkeit der Abschiebung seit Monaten nichts geändert hat.

Andere Kolleg*innen berichten, dass Mandant*innen in Oberfranken gleich gar keine Ausweisdokumente (Duldungen oder GÜB) mehr ausgestellt werden.
Die Verweigerung oder der Entzug von Duldungen hat zur Folge, dass Betroffene aus dem Ch-AR in der derzeitigen Fassung herausfallen – und das nur aufgrund einseitiger Handlungen der Behörden.

Kurz: In sehr vielen Fällen ist es willkürlich und rechtswidrig, dass Personen nur eine GÜB, statt einer Duldung erhalten.

Immense Zunahme von Ausweisungsverfahren bei Langzeitgeduldeten einzig aufgrund aufenthaltsrechtlicher Verstöße

In vielen der Fälle ist ein sachlicher Grund, die Ausweisung gerade jetzt zu verfügen, nicht erkennbar. Hier vermutet die Anwaltschaft keinen Zufall, denn eine Ausweisung verhindert die spätere Erteilung eines Aufenthaltstitels. Auch hier führt das Handeln bayerischer Ausländerbehörden dazu, dass das Ch-AR in weiten Teilen zukünftig leerlaufen wird.
Ziel des Ch-AR ist auch die Identitätsklärung. Durch die Ausweisung wird dies verhindert, da Betroffene erst recht nicht bei der Identitätsklärung mitwirken werden, wenn ihnen eine Aufenthaltsperspektive verwehrt wird.

Auffallende Häufung von Strafanzeigen im Jahr 2022 wegen fehlender Pässe

In den Strafverfahren beobachten unsere Mitglieder, dass die von Staatsanwaltschaften geforderten Strafhöhen steigen und inzwischen nicht selten auch bei erstmaligen Verstößen Strafen von bis zu 120 Tagessätzen aufgerufen werden (die der Gewährung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen).
Wurden Strafverfahren eingestellt oder ergingen Strafen unter den ›magischen Grenzen‹ von 50/90 Tagessätzen, so reagierten die Ausländerbehörden nicht selten umgehend mit Ausweisungsbescheiden.

Auch kam es bereits zu Versuchen von Abschiebungen von Menschen, die künftig vom Ch-AR profitiert hätten – am bekanntesten ist sicherlich der Fall eines Iraners aus Passau, der von der Ausländerbehörde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgeladen wurde, um ihn dann in Abschiebehaft zu nehmen. Der Abschiebungsversuch wurde erst nach massivem öffentlichen Druck abgebrochen.

Der beschriebene Aktionismus der Ausländerbehörden ist besonders vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass dieselben Behörden seit langem vorgeben, überlastet zu sein, wenn es um die Erteilung von Aufenthaltstiteln geht.

Die genannten Maßnahmen der Behörden lesen wir vor diesem Hintergrund als gezielte Versuche, die Betroffenen aus den Tatbestandsvoraussetzungen des geplanten § 104c AufenthG zu drängen und so die Bleiberechtsregelung bereits vor deren Erlass zu unterminieren.
Andere Bundesländer haben Vorgriffsregelungen auf das Ch-AR erlassen – Bayern versucht im Gegenteil, den Anwendungsbereich des Ch-AR bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes so gering wie möglich zu halten.

Frau Reem Alabali-Radovan, in Ihrem Grußwort auf den Hohenheimer Tagen zum Migrationsrecht 2022 wiederholten Sie die guten Absichten der Regierung:
»In der neuen Bundesregierung wollen wir mit verkrusteten Strukturen aufräumen. Wir wollen die Paragraphen im SGB, im Aufenthalts - und im Asylgesetz auf die gesellschaftliche Wirklichkeit ausrichten. Wir wollen den alten Streit, das Mauern und Blockieren in der Integration hinter uns lassen. Wir wollen Deutschland als modernes Einwanderungsland voranbringen«.

Frau Nancy Faeser, in der ersten Lesung zum Ch-AR im Bundestag äußerten Sie:
»Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist das Ende der Kettenduldungen und damit auch das Ende der Bürokratie und vor allen Dingen der Unsicherheit, die für die Menschen damit verbunden war. Für die betroffenen Menschen war das eine große Belastung. Aber auch für die Behörden waren Kettenduldungen schwierig, übrigens auch für viele mittelständische Unternehmen, die gut integrierten Menschen gerne eine Perspektive in unserem Land geben wollen. Es ist allerhöchste Zeit, das zu ändern«.

Aufgrund unserer Erfahrungen im bayerischen Migrationsrecht gehen wir davon aus, dass das Ch-AR – wenn es bei den derzeitigen unscharfen Formulierungen, möglichen Einschränkungen und Ermessensspielräumen bleibt – für die allermeisten unserer geduldeten Mandant*innen keine Verbesserungen bringt.

Bayern hat bereits die gesetzlichen Bestimmungen zur Ausbildungsduldung in bundesweit einmaliger Praxis systematisch unterlaufen. Dies darf sich nicht mit dem Ch-AR wiederholen!

Die Bundesregierung muss den Gesetzesentwurf des Ch-AR dringend nachbessern

Aus bayerischer Perspektive werden wir sonst eine Abkehr vom ›Mauern und Blockieren in der Integration‹ nicht erkennen können und auch kein Ende der Kettenduldungen.

Gute Absichten und schöne Formulierungen nutzen unseren Mandant*innen nichts – nur harte (»gerichtsfeste«) Rechtsansprüche.

Mit freundlichen Grüßen

RAV Migrationsrecht Süd
 

Im Einzelnen sind mindestens folgende Änderungen notwendig


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Stellungnahmen Migration & Asyl
news-896 Mon, 24 Oct 2022 19:32:48 +0200 Referenten-Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referenten-entwurf-eines-gesetzes-zur-beschleunigung-der-asylgerichtsverfahren-und-asylverfahren-896 Stellungnahme des RAV, 24.10.2022 Verfasser*innen: Rechtsanwältin Josephine Koberling, Rechtsanwältin Anya Lean, Rechtsanwalt Julius Becker, Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Rechtanwalt Yunus Ziyal, Rechtsanwältin Barbara Wessel, Rechtsreferendar Sebastian Pukrop, Rechtsanwältin Berenice Böhlo.

I. Vorbemerkungen

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit »Asylverfahren […] fair, zügig und rechtssicher ablaufen«. Zugleich heißt es zu den Zielen der beabsichtigten Asylrechtsreform: »Wir wollen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung«.

Diese Vorhaben sind grundsätzlich zu begrüßen: Die Praxis zeigt, dass die Asylverfahren, auf behördlicher Seite sowohl qualitativ als auch zeitlich enorme Mängel aufweisen – insbesondere zu Lasten der Asylantragsteller*innen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den jährlich hohen Schutzquoten, die erst gerichtlich durchgesetzt werden – und die damit die Fehlerhaftigkeit des behördlichen Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenbaren. Das Gleiche gilt spiegelbildlich für die im Ergebnis zumeist ergebnislosen Widerrufsverfahren nach einer Schutzanerkennung. Die gerichtlichen Verfahren dauern zu lang.

Unterdessen läuft die angekündigte Beschleunigung im Reformentwurf aber allein auf eine weitere Verschärfung des Asylrechts hinaus. Hier ist insbesondere, neben Beschleunigungsvorhaben auf behördlicher Ebene, auf die weitere Abkopplung des Prozessrechts in Asylverfahren vom allgemeinen Verwaltungsprozessrecht hinzuweisen. Die strukturellen Ursachen für die lange Dauer von Asylverfahren und Asylprozessen hingegen werden vom Reformentwurf nicht adressiert.

II. Grundsätzliche Vorbemerkung zum Entwurf

Der Reformentwurf ist von der Analyse getragen, externe Faktoren würden maßgeblich die Länge der Asylverfahren beeinflussen, insbesondere auch Anwält*innen, indem sie etwa Beweis- und Befangenheitsanträge stellen, um die Einhaltung von Verfahrensrechten durchzusetzen. Tatsächlich aber ist für die Länge der Asylverfahren und Asylprozesse noch immer entscheidend, dass die Exekutive zu langsam ist und zu oft Entscheidungen trifft, die sich später als rechtswidrig erweisen. Bereits jetzt bestehen gesetzliche Fristen für die Bescheidung von Asylanträgen (vgl. § 24 Abs. 4 AsylG). Diese werden von der Exekutive gegenwärtig allerdings nicht eingehalten. Nach wie vor werden im Schnitt 40 % der Entscheidungen durch die Gerichte aufgehoben; hieran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Die durchschnittliche Dauer der Asylprozesse in den einzelnen Bundesländern reicht von 6,6 Monaten in Rheinland-Pfalz bis zu 44,6 Monaten in Brandenburg. Es ist also klar ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte der Länder mit den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten gut oder schlecht auf die Vielzahl von Asylprozessen reagieren können.

Der vorliegende Entwurf stellt kein effektives Mittel dar, um dieses Ziel einer Beschleunigung, die zugleich den rechtlichen Vorgaben und qualitativ guten Entscheidungen Rechnung trägt, zu erreichen. Der Entwurf schafft keine zusätzlichen Ressourcen bei Exekutive und Judikative, sondern beschränkt Verfahrensrechte der Asylantragsteller*innen und beschneidet damit das rechtliche Gehör der Betroffenen. Der Gesetzesentwurf ist getragen von einer richterlichen und behördlichen Perspektive und lässt die Perspektive der Antragsteller*innen und ihrer Anwält*innen auf Verwaltungsverfahren und -prozess vermissen. Dabei geht die rechtsstaatliche Gewissheit verloren, dass nur rechtlich durchsetzbare Verfahrensrechte zu materiell rechtmäßigen Verfahren und damit einem möglichst hohen Niveau materieller Gerechtigkeit führen können.

Schließlich erklärt der vorliegende Entwurf nicht nachvollziehbar den Zusammenhang zwischen einer »Vereinheitlichung« der Rechtsprechung und einer dadurch entstehenden Beschleunigung.

Abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Wie schon bei der letzten Asylrechtsreform sind wieder äußerst kurze Fristen zur Stellungnahme der Verbände vorgesehen. Dies ist scharf zu kritisieren; es erschwert eine gehaltvolle Auseinandersetzung mit dem Gesetzesentwurf, die für eine überlegte Reform des Asylrechts dringend geboten erscheint. Das Asylrecht ist von einer hohen Regelungsdichte gekennzeichnet und wurde regelmäßig in kurzen zeitlichen Abständen reformiert, ohne dass sich hierdurch an den im Koalitionsvertrag festgestellten Mängeln etwas geändert hätte.
 

III. Zum Entwurf im Einzelnen

1. § 12a AsylG-E: Asylverfahrensberatung

a. Bisherige Rechtslage

Nach der bisherigen Rechtslage (§ 12a AsylG) ist eine »freiwillige, unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung« vorgesehen. Diese Verfahrensberatung erfolgt gem. § 12a S. 2 AsylG in zwei Stufen: Zunächst ein Gruppengespräch mit Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens und auf der zweiten Stufe eine individuelle Asylverfahrensberatung, die entweder vom Bundesamt oder durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt wird (§ 12a S. 3 AsylG). Die Vorschrift wurde am 15.08.2019 (Inkrafttreten: 21.08.2019) in das AsylG eingefügt. Die Regelung dient auch der Umsetzung der Vorgaben aus der EU-Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU), insbesondere aus Art. 19 und 20.

Diese bestehende Regelung ist zunächst zu kritisieren, weil auch drei Jahre nach ihrer Einführung noch immer bei weitem nicht alle Asylsuchende an einer individuellen Asylverfahrensberatung teilnehmen. Eine derartige Beratung ist jedoch erstrebenswert, da sie aufgrund besserer Vorbereitung der Betroffenen die Qualität der persönlichen Anhörungen erhöht, damit helfen kann, Zeit einzusparen, sie auch aus rechtsstaatlicher Perspektive wünschenswert ist und letztlich die Akzeptanz der Entscheidungen des Bundesamts bei den Betroffenen erhöht. Der Fokus sollte hierbei auf der individuellen Beratung liegen; die allgemeinen Gruppengespräche zur Information über das Asylverfahren sind zwar ebenfalls grundsätzlich positiv zu bewerten, dürften aber auf die Qualität der Asylverfahren nur einen geringen Einfluss ausüben.

Insbesondere problematisch an der bestehenden Regelung ist jedoch, dass das Bundesamt selbst eine gleichzeitig ›staatliche‹ und ›unabhängige‹ Verfahrensberatung durchführen soll. Zwar ist auch bei der bestehenden Regelung vorgesehen, dass Wohlfahrtsverbände auf der zweiten Stufe der Verfahrensberatung tätig werden können. Dies ist jedoch nur optional, und es ist mindestens gleichberechtigt eine Beratung durch das Bundesamt selbst vorgesehen. Eine ›staatliche‹ Beratung durch die Behörde, die selbst die Entscheidung im Asylverfahren trifft, kann jedoch nicht als unabhängig gewertet werden, womit die bisherige Regelung zur Asylverfahrensberatung grundsätzlich falsch konstruiert ist.

b. Reformentwurf und Bewertung

Dieser strukturelle Fehler des § 12a AsylG wird mit der vorgesehenen Änderung aufgehoben. § 12a Abs. 1 AsylG-E spricht nicht mehr von ›staatlicher‹, sondern von »behördenunabhängige[r], unentgeltliche[r], individuelle[r] und freiwillige[r]« Asylverfahrensberatung. Zwar werden Wohlfahrtsverbände nicht explizit in der Norm genannt, es erschließt sich jedoch, dass insbesondere diese zukünftig für die Verfahrensberatung zuständig sein sollen. Hierzu sollen diese mit Haushaltsmitteln gefördert werden (§ 12a Abs. 1 AsylG-E).

Positiv zu bewerten ist auch, dass die Verfahrensberatung bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamtes durchgeführt werden kann und somit auch das Klageverfahren umfasst (§ 12a Abs. 2 S. 2 AsylG-E), wenn auch der Entwurf an dieser Stelle etwas missverständlich formuliert ist.

Auch ist zu begrüßen, dass im Rahmen der Verfahrensberatung in Fällen von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten eine Übermittlung derer Daten an das Bundesamt stattfinden soll. Es ist zu hoffen, dass dadurch die vorgesehenen Verfahrensgarantien für besonders schutzbedürftige Geflüchtete mehr zur Anwendung kommen (§ 12a Abs. 3 AsylG-E). An dem grundsätzlichen Zustand, dass besonderer Schutzbedarf häufig gar nicht erst erkannt wird, ändert dies wenig.

Allerdings geht der Entwurf nicht weit genug.

Die von § 12a Abs. 1 AsylG-E vorgesehene Formulierung zur Förderung »im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel« öffnet eine Hintertür zur erneuten Beschränkung der unabhängigen Verfahrensberatung, da diese von der Bewilligung von Haushaltsmitteln abhängig ist. Fraglich ist, ob die vom Entwurf berechneten Mittel in Höhe von 5 Millionen (2022), 20 Millionen (2023) und 80 Millionen (2024) in der Höhe ausreichend sind und vom Bundeshaushalt auch in Zukunft so verabschiedet werden. Insbesondere ist die Nachfrage nach unabhängiger Verfahrensberatung stark abhängig von der Anzahl der Asylsuchenden in einem bestimmten Zeitraum und kann daher erheblich variieren. Hier wäre es zielführender, die einschränkende Formulierung auszulassen, um das Angebot an Beratung flexibler erweitern zu können.

Ferner wird aus dem Entwurf nicht abschließend klar, ob die individuelle Verfahrensberatung eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) oder nur eine abstrakte Informationsvermittlung darstellt. Dies ist unter der bestehenden Rechtslage umstritten. Zu fordern ist eine diesbezügliche Klarstellung. Zwar sieht § 12a Abs. 2 S. 1 AsylG-E vor, dass die besonderen Umstände des Ausländers zu berücksichtigen sind. Dennoch ist der genaue Umfang der Verfahrensberatung auch unter dieser Formulierung weiter unklar und wird insofern auch zukünftig für Streit sorgen.

Ebenfalls ist den Organisationen, welche die Verfahrensberatung anbieten, gesetzlich der Zugang zu Erstaufnahmeeinrichtungen einzuräumen, damit die Beratung von den Betroffenen auch tatsächlich und niederschwellig in Anspruch genommen werden kann.

Wünschenswert wäre zuletzt eine gesetzliche Klarstellung, dass die Verfahrensberatung auch in Folge- und Widerrufsverfahren in Anspruch genommen werden kann. Auch dies ist unter der aktuellen Regelung ungeklärt und sorgt für Streit.

c. Empfehlung
Einarbeitung von Änderungen mit dem Ziel:


2. § 17 AsylG-E: Hinzuziehung eines Dolmetschers im Wege der Bild- und Tonübertragung

a. Bisherige Rechtslage
Bisher regelte die Norm, dass bei der Anhörung »ein Dolmetscher, Übersetzer oder sonstiger Sprachmittler hinzuzuziehen [ist], der [...] zu übersetzen hat«.

b. Reformentwurf und Bewertung
Die Hinzuziehung soll nun auch durch Bild- und Tonübertragung möglich sein.

Die Neuregelung begegnet was den Einsatz der notwenigen Technik betrifft, datenschutzrechtlichen Bedenken, die in der Praxis geklärt sein müssten und es bisher nicht sind.

Es ist auf Folgendes hinzuweisen: Sowohl die Qualität von Dolmetscher*innen als auch das Vertrauensverhältnis zwischen Dolmetscher*innen und Antragsteller*innen ist bereits im status quo ein Problem.

Diese Probleme werden durch den Reformentwurf nochmal verschärft, jedenfalls nicht geklärt. Der Vorschlag scheint den Aspekt, dass die Qualität durch eine solche Praxis gemindert wird, auch zu erkennen, wenn er andererseits vorschlägt, dass in sog. »ungeeigneten Fallkonstellationen« die Übersetzung auf diesem Wege ausgeschlossen sein soll. Das Ziel der Regelung ist derweil, das Verfahren zu vereinfachen, wenn eine geeignete Übersetzung vor Ort nicht möglich ist. Eine solche Vereinfachung geht zu Lasten der Antragsteller*innen – indem es ein Vertrauensverhältnis erschwert, und auch die erforderliche Nähe, die für Nuancen in einer Übersetzung nötig sein können, aufhebt.

Schließlich stellt sich die Frage, wie und woher das BAMF vor der Anhörung die »ungeeigneten Fälle« erkennen will, zumal häufig - und gerade in den genannten Fällen - die besondere Schutzbedürftigkeit erst im Lauf der Zeit (oft auch erst nach sensibler Beratung) geäußert bzw. erkannt wird.

c. Empfehlung
Für eine Hinzuziehung ist zwingend die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person notwendig. Diese ist als mündliche Erklärung zu Beginn der Anhörung aufzuzeichnen und als Wortprotokoll dem Anhörungsprotokoll beizufügen. Die antragstellende Person soll sich dazu äußern können, warum sie nicht lieber eine persönliche Übersetzung wünscht.


3. § 24 AsylG-E: digitale Anhörung / Entscheidung ohne Anhörung / Entscheidungszeitraum

a. Reformentwurf und Bewertung
Die Anhörung stellt das Kernstück des behördlichen Asylverfahrens dar. Sie hat in einem geschützten Raum und durch angemessene Befragung zur Übermittlung höchstpersönlicher Daten zu erfolgen. Dies ist in einer digitalen Anhörung nicht möglich.

aa. digitale Anhörung
Folgende Ausgangslage ist zu beachten:

bb. Entscheidung ohne Anhörung
Die Anhörung ist das »Herzstück des Asylverfahrens«. Es darf nicht ins Ermessen des Bundesamts gestellt werden, ob von ihr abgesehen werden kann, weil das Bundesamt der Auffassung ist, dass die schutzsuchende Person nicht in der Lage sei, an der Anhörung teilzunehmen. Bevor von einer Anhörung abgesehen werden kann, müssen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Teilnahme, z.B. durch Schaffen eines besonders geschützten Rahmens, zu ermöglichen. Bleibt die Teilnahme trotz Bemühungen beider Seiten unmöglich, muss es der schutzsuchenden Person überlassen bleiben, die Entscheidung, auf die Anhörung zu verzichten, selbst zu treffen.

cc. Entscheidungszeitraum
Der Gesetzesentwurf setzt die in Artikel 31 Abs. 3-5 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) geregelten Entscheidungsfristen in nationales Recht um. Die Neuregelung ist einerseits zu begrüßen, denn sie schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Betroffene, Behörden, Gerichte und Beratende. Die Regelung adressiert auch diejenigen Stellen, die dem Bundesamt „zuarbeiten“, indem sie aktuelle Erkenntnismittel zur allgemeinen Lage oder spezifischen Konstellationen zur Verfügung stellen, oder auf deren Weisungen und Entscheidungsleitlinien das Bundesamt Bezug nimmt. Auch sie sind gefordert, die Einhaltung der neu eingeführten Fristen zu ermöglichen.

Die Möglichkeit des Bundesamts, die Entscheidung bis zu 21 Monate aufzuschieben, wenn im Herkunftsstaat eine „ungewisse Lage“ besteht, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, ist jedoch abzulehnen. Sie ist in der vorgeschlagenen Fassung zu unbestimmt und eröffnet die Möglichkeit, Entscheidungen zu Lasten der Schutzsuchenden fast zwei Jahre aufzuschieben.

b. Empfehlung
Eine Anhörung per Video kann in Aufnahmefällen und nur auf ausdrücklichen Wunsch und mit ausdrücklicher mündlicher Zustimmung erfolgen. Eine Entscheidung unter Verzicht auf die persönliche Anhörung kann nur auf Wunsch der schutzsuchenden Person und mit individuell verfasster Zustimmung erfolgen.
 

4. § 25 AsylG-E: Beteiligung von Rechtsanwält*in oder Begleitperson

a. Reformentwurf und Bewertung

Der Änderungsvorschlag sieht im Wege eines neuen Abs. 8 des § 25 AsylG vor, dass erstens gesetzlich festgeschrieben wird, dass eine Begleitung durch eine*n Rechtsanwältin*anwalt oder sonstige Personen möglich ist, zweitens eine Intervention dieser Personen erst am Schluss vorgesehen ist, und drittens eine Anhörung auch dann durchgeführt werden soll, wenn die Begleitperson trotz Ladung mit einer angemessenen Frist nicht teilnimmt.

Grundsätzlich haben Asylantragstellende in jeder Phase des Verfahrens das Recht, sich anwaltlich vertreten zu lassen (§ 14 VwVfG). Eine solche Vertretung soll nicht nur pro forma erfolgen dürfen, sondern muss auch effektiv erfolgen können. Daher muss es der*dem Bevollmächtigten ermöglicht werden, in jeder Phase des Asylverfahrens vorzutragen, zu rügen, zu beraten, Einsicht in die Verwaltungsvorgänge zu erhalten und an persönlichen Vorsprachen teilzunehmen. Dazu gehört auch die Begleitung zur Anhörung. Die Anhörung ist Kernstück des Asylverfahrens und zentraler Moment der Tatsachenermittlung. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Anhörung im Asylverfahren, die noch durch die oft bestehende Beweisnot der asylantragstellenden Person erhöht wird, ist eine anwaltliche Begleitung umso notwendiger und zentraler.

Es entspricht den europarechtlichen und grundgesetzlichen Vorgaben ebenso wie der Asylverfahrensrichtlinie, die anwaltliche Begleitung zuzulassen und tatsächlich zu ermöglichen. Zwar ist die Begleitung durch die*den Rechtsanwältin*anwalt nicht notwendige Bedingung für die Durchführung einer Anhörung; ist es jedoch der Wunsch der*s Asylantragstellers*in, sich anwaltlich begleiten zu lassen, so muss dieses Recht effektiv gewährt werden.

Eine solche effektive Vertretung durch eine*n Rechtsanwältin*anwalt (siehe Erwägungsgrund 23 der AsylVfRL, der insoweit Ausdruck des Grundsatzes des fairen Verfahrens ist), ist nicht gewährleistet, wenn die Anhörung trotz rechtzeitigem Verlegungsantrag und Angabe von Hinderungsgründen der*des Rechtsanwältin*anwalts durchgeführt wird.

Den Zeitpunkt der Beteiligung zwingend vorzugeben, nimmt der anhörenden Person die Möglichkeit, die Anhörung so zu gestalten, wie es der Einzelfall gebietet. So kann es notwenig sein, bereits zu Beginn der Anhörung oder mittendrin Fragen mit der*dem Rechtsanwält*in zu klären. Auch Verständnisfragen und Fragen zu Erkrankungen, Atteste, Familienmitgliedern etc. werden an die Rechtsanwält*innen gestellt. Dies entspricht auch den Vorgaben der Dienstanweisung Asyl des BMI vom 25.04.2017, Seite 52. Die rechtsanwaltliche Begleitung dient nicht einem Selbstzweck, sondern soll die Wahrung der Rechte der Asylantragstellenden gewährleisten. Es erweist sich nicht als praktikabel, wenn bei fehlerhaften Übersetzungen, Belehrungen oder Ähnlichem ein Eingreifen nicht erlaubt sein dürfte.

Rechtsanwält*innen sind Organe der Rechtspflege und dienen damit nicht nur den Interessen ihrer Mandant*innen sondern auch der Wahrung rechtsstaatlicher Standards und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Ihre Beteiligung am Asylverfahren dient damit nicht zuletzt der Sicherung der Qualität der Anhörung und der Rechtsfindung. Bei Verfahrensfehlern, die zu einer fehlerhaften Beurteilung des Asylbegehrens führen könnten, wäre die Anhörung dann nochmals zu führen, da der Fehler erst am Ende der Anhörung gerügt werden könnte.

Hinzu tritt aus rein praktischer Sicht, dass die Anhörungen - wenn ein*e Antragsteller*in sich auf mehrere Fluchtgründe beruft (bspw. geschlechtsbezogene Gewalt, Kriegsgeschehen im Herkunftsstaat und Erkrankungen) - häufig in Themenblöcke unterteilt werden. So die*der Rechtsanwältin*anwalt erst am Ende ein Fragerecht innehätte, würde dies ein Auseinanderreißen des Vortrags zur Folge haben, mit der Konsequenz, dass das Anhörungsprotokoll an Punkten ggf. missverständlich wird. Dies gestaltet sich dann im Zuge der Protokollkontrolle und Rückübersetzung schwieriger, ggf. müssen dann weitere Ergänzungen/Korrekturen vorgenommen werden. Aus Praxiserfahrung anwaltlicher Begleitung zu Anhörungen lässt das vorgeschlagene Prozedere eher eine Verzögerung der Anhörung befürchten, als eine Verfahrensbeschleunigung. Die in einer weit überwiegenden Anzahl guter Kooperation von anhörender Person und anwaltlicher Begleitung, die durch eine Leitungsfunktion der anhörenden Person und kooperativen Miteinander geprägt war, sollte nicht zerstört werden.

In der Praxis kommt es weiterhin vor, dass sich beim BAMF die anhörende Person und die entscheidende Person unterscheiden. Der*die Entscheider*in ist daher auf ein nachvollziehbares Protokoll des*der Anhörer*in angewiesen. Die vorgeschlagene Änderung ist praxisfern und wirkt verfahrensverzögernd.

b. Empfehlung
Streichen von S. 2 § 25 Abs. 8 S. 3 AsylG-E
 

5. § 30 AsylG-E: Qualifizierte Ablehnung von Asylanträgen

a. Bisherige Rechtslage
Nach dem bisherigen § 30 AsylG ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (Abs. 1). Abs. 3 besteht aus einem Katalog, der bei bestimmten Voraussetzungen eine Fiktion der offensichtlichen Unbegründetheit vorsieht.

b. Regelungsvorschlag und Kommentierung
Die Norm soll neu gefasst und weitere Gründe sollen in den Katalog aufgenommen werden, bei deren Vorliegen der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Die aufgezählten Gründe entsprechen weitestgehend den Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie, Art. 31 Abs. 8. Diese Norm sieht vor, dass in diesen Fällen ein beschleunigtes Verfahren auch an der Grenze durchgeführt werden kann.

Art. 32 Abs. 2 der Asylverfahrensrichtlinie nimmt darauf Bezug und gibt vor, dass im Falle von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Artikel 31 Absatz 8 aufgeführten Umstände gegeben ist, die Mitgliedstaaten einen Antrag ferner als offensichtlich unbegründet betrachten können.

1. Keineswegs sieht die Richtlinie jedoch eine zwingende Ablehnung als offensichtlich unbegründet vor, sondern stellt diese Ablehnung ins Ermessen der Behörde. Dem gegenüber ist der Gesetzesentwurf als gebundene Entscheidung (»ist [...] abzulehnen«) formuliert und deshalb bereits nicht richtlinienkonform.

2. Zudem fallen zwei Unterpunkte des § 30 Abs. 1 AsylG-E als besonders problematisch auf:
a)
Text des Gesetzentwurfs:
Nr. 4: »ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat, oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen,«
Text der RL:
» […] angenommen werden kann, dass der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat.«
Hier stellt sich die Frage: Welche Umstände sollen das sein, die die »Annahme offensichtlich rechtfertigen“? In der Praxis wird die Norm zu erheblichen Ermittlungsaufwand führen, der in der Regel keinen Beweis dafür zu Tage fördern wird, dass Dokumente mutwillig beseitigt oder vernichtet wurden. Die Norm wird keinerlei Anwendungsbereich finden.

b)
Text des Gesetzentwurfs:
Nr. 8: »einen Folgeantrag (§ 71 Absatz 1) oder einen Zweitantrag (§ 71a Absatz 1) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde.«
Text der RL:
»[…] der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht unzulässig ist.«
Hier ist der unter 1. genannte Kritikpunkt besonders relevant. Jeden Asylfolgeantrag, der zulässig war, aber im Ergebnis unbegründet als offensichtlich unbegründet abzulehnen, entspricht weder dem Zweck von Art. 32 AsylVRL noch ist eine solche Regelung verhältnismäßig.

Die Tatsache, dass eine Person einen weiteren Asylantrag stellt, der zulässig ist, rechtfertigt nicht in jedem Fall und derart pauschal die Annahme, dass ein Asylantrag eindeutig aussichtslos ist. Insoweit besteht der materiell-rechtliche Unterschied zwischen Erst- und Folgeantragsteller*innen nicht.

Die Richtlinie wollte es lediglich ermöglichen, auch Folgeanträge materiell als offensichtlich unbegründet abzulehnen.

Darüber hinaus sieht die Richtlinie weder Zweitanträge vor noch regelt sie deren Ablehnung als offensichtlich unbegründet.

aa) Weder die Asylverfahrensrichtlinie 2005 noch deren geänderte Fassung von 2013 kennt den Begriff des Zweitantrags, wie ihn das deutsche Recht in Abgrenzung zu einem Folgeantrag verwendet.

In einer Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zum Az. C-8/20 geht die Europäische Kommission folglich davon aus, dass »beim gegenwärtigen Stand der Unionsgesetzgebung eine nationale Regelung mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 2 Buchst. q Richtlinie 2013/32/EU nicht vereinbar ist, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz bei Fehlen neuer Elemente oder Erkenntnisse als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, wenn das erfolglose vorangegangene Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wurde«.

Das BVerwG hat die Frage der Europarechtskonformität des § 71a AsylG bisher nicht beantwortet. Im Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4.16 – wurde dies ausdrücklich offengelassen. Dort heißt es:
»Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a. F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n. F) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71 a Rn. 3 ff.)«.

bb) Die Aufzählung von Art. 31 der AsylverfahrensRL ist abschließend, daher ist die Aufnahme des Zweitantrags nicht richtlinienkonform:
»Was das Unionsrecht im Übrigen betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in Art. 31 Abs. 8 VRL aufgezählten Fallkonstellationen – anders als in den Fällen des Art. 23 Abs. 4 VRL a.F. (vgl. hierzu EuGH, U. v. 31.01.2013 –  § 30 AsylG  – Funke-Kaiser / Fritz / Vormeier – Seite 10 – Lfg. 137 – 20.06.2022<<>>C-175/11 – NVwZ-RR 2013, 334 = EzAR-NF Nr. 24) – abschließenden Charakter haben. Die Annahme vom abschließenden Charakter beruht zum einen auf Art. 5 VRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, günstigere Regelungen vorzusehen; zum anderen liegt sie in der geänderten Funktion der Richtlinie begründet, die nicht mehr nur Mindestnormen schaffen will, sondern nunmehr auf die Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Asylsystems abzielt (vgl. die Erwägungsgründe Nr. 11 ff.). Abschließend bedeutet aber nicht, dass die Mitgliedstaaten in vollem Umfang von der Option Gebrauch machen müssen; soweit ein Mitgliedstaat von einer der Optionen keinen Gebrauch gemacht hat, gelten dann die Vorgaben der Richtlinie dann insoweit nicht (vgl. zu alledem EuGH, U. v. 25.07.2018 – C-404/18 – juris und wko; Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 3. Aufl., Chp. 31 Rdn. 7)« (Funke-Kaiser / Fritz / Vormeier, GK-AsylG - Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, § 30 AsylG, Rn. 13).

c. Empfehlung
§ 30 Abs. 1 AsylG-E ist abzulehnen.

Wenn schon nicht das Konzept offensichtlicher Unbegründetheit gänzlich gestrichen werden wird, was aufgrund der erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen und der enormen Fehlerquote der BAMF-Bescheide zu befürworten wäre, so ist die Ablehnung jedenfalls ins Ermessen zu stellen, um individuelle Umstände sowie das Verhalten der betroffenen Person und die in Rede stehenden Interessen berücksichtigen zu können.

Sofern an einer Neuregelung der Norm festgehalten wird, sind zumindest § 30 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 8 AsylG-E zu streichen, da sie praxisuntauglich und nicht richtlinienkonform sind.

Beizubehalten ist § 30 Abs. 2 AsylG-E, der eine Privilegierung von Minderjährigen vorsieht und als Umsetzung eines effektiven Schutzes von Minderjährigen zu begrüßen ist. Allerdings sollte der Anwendungsbereich von § 30 Abs. 2 AsylG-E den gesamten § 30 Abs. 1 AsylG-E umfassen, damit auch dessen Nr. 7 und 8.


6. § 31 AsylG-E: Entscheidung des BAMF

hier: Änderung von Absatz 3 S. 2:
In Absatz 3 Satz 2 wird nach den Wörtern »anerkannt wird« das Wort »oder« durch ein Komma ersetzt und nach den Wörtern »zuerkannt wird« werden die Wörter »oder durch das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden worden ist« eingefügt.

In Absatz 3 wird Satz 2 ergänzt und erweitert. Bisher regelte der Abs. 3, dass im Falle der Zuerkennung eines Schutzstatus nach dem AsylG keine Abschiebungsverbote mehr geprüft werden müssen. Das macht Sinn, da der internationale Schutz weitergeht.

Nach neuer Rechtslage soll nun auch dann nicht mehr über Abschiebungsverbote entschieden werden, wenn diese in einem früheren Verfahren bereits abgelehnt wurden.

Das führte dazu, dass bei unzulässigen Asylfolgeanträgen über Abschiebungsverbote nicht mehr entschieden werden darf, auch wenn diese vorliegen. Es wäre zusätzlich die Feststellung Abschiebungsverbote explizit zu beantragen.

a.
In der Praxis würden nicht anwaltlich vertretene Antragsteller*innen kaum auf die Idee kommen, im Rahmen einer Folgeantragstellung explizit auch die Zuerkennung von Abschiebungsverboten zu beantragen – zumal die materiell-rechtliche Unterscheidung – insbesondere zwischen § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG – eine umfassende Kenntnis der europäischen und nationalen Rechtsprechung voraussetzt.

Die vorgeschlagene Änderung hätte im vergangenen Jahr bspw. folgende Auswirkung gehabt:

Für anwaltlich nicht vertretene Afghan*innen, deren Asylantrag schon früher abgelehnt worden war und die einen Folgeantrag stellten, konnte nach geltender Rechtslage ein Abschiebungsverbot festgestellt werden, ohne dass sie dies explizit beantragen mussten. Vielmehr brachten sie durch den Asylantrag zum Ausdruck, dass sie Schutz suchten vor den Gefahren und schweren Folgen einer Rückkehr nach Afghanistan.

Nach neuer Rechtslage wäre im Rahmen eines solchen Folgeantrags lediglich über die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz entschieden worden. Sieht das BAMF die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, würden Abschiebungsverbote mangels Antrags nicht geprüft werden. Der Asylfolgeantrag der im obigen Beispiel genannten Personengruppe wäre abgelehnt.

Dem BAMF käme im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung eine zusätzliche erhebliche Beratungspflicht zu, da § 25 Abs. 1 VwVfG vorsieht, dass die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen soll, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.

b.
Zudem entspricht die jetzt geltende Regelung bei Ablehnung eines Antrags, immer auch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden, den nationalen und europarechtlichen Vorgaben. Danach sind Abschiebungsverbote von Amts wegen in jeder Lage eines Verfahrens zu prüfen. Dies gebieten Inhalt und Bedeutung der Rechte der*s Antragstellerin*s aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Verletzung droht - vorliegend Art. 3 EMRK - sowie aus dem Grundgesetz - insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Schließlich steht auch auch Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit der drohenden Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der angedrohten Abschiebungsandrohung entgegen. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG statuiert ein echtes (subjektives) Grundrecht, das dem Einzelnen einen Anspruch auf Gewährung eines möglichst wirkungsvollen (effektiven) Rechtsschutzes verleiht. Insbesondere irreparable Folgen hoheitlicher Maßnahmen müssen durch einen tatsächlich wirksamen und möglichst lückenlosen Rechtsschutz so weit wie möglich vermieden werden. Ein lückenloser Rechtsschutz ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn im Rahmen eines die Abschiebung zunächst hindernden Asylfolgeantrags Abschiebungsverbote nicht geprüft würden, auch wenn diese geltend gemacht werden. Das BAMF könnte ablehnen, die Ausländerbehörde, die an die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten durch das BAMF gebunden wäre (§ 42 AsylG), könnte abschieben, ohne dass Abschiebungsverbote je geprüft werden.

An diesem unvertretbaren Ergebnis würde auch ein expliziter Antrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten nichts ändern, der bereits nach jetziger Rechtslage gem. § 51 VwVfG möglich ist, allerdings keine die Abschiebung hindernde Wirkung hat. Im Übrigen dauert die Prüfung derartiger Anträge derzeit durchschnittlich deutlich länger als 6 Monate. Die Prüfung ist daher in vielen Fällen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz abzusichern und führte zu einer weiteren Belastung der Verwaltungsgerichte.

c.
Eine Einbeziehung der Prüfung von Abschiebungsverboten dient letztlich auch der Verfahrensbeschleunigung, da spätestens bei der Frage der Vollziehbarkeit einer Rückführungsentscheidung, Abschiebungsverbote (die ja dem Aufenthaltsgesetz entstammen) zu prüfen wären.

d. Empfehlung
Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.


6. § 73 AsylG-E: Widerruf und Rücknahme

a. Gegenwärtige Rechtslage
Die gegenwärtige Rechtslage sieht vor, dass eine fehlerhafte Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter bestimmten Umständen - insbesondere erwähnt das Gesetz hier unrichtige Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen - zurückgenommen werden kann (§ 73 Abs. 2 AsylG).

Ein Widerruf kann erfolgen, wenn eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland erfolgt ist (§ 73 Abs. 1 AsylG). Spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag hat die zuständige Behörde nach § 73 Abs. 2a AsylG zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorliegen.

Entsprechende Regelungen existieren für die Rücknahme und den Widerruf des subsidiären Schutzes (§ 73b AsylG) bzw. der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 73c AsylG). Mitwirkungspflichten im laufenden Asylverfahren sind in § 15 AsylG umfassend geregelt, § 15a AsylG regelt die Auswertung von Datenträgern und § 16 AsylG die Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität.

In der Praxis haben Überprüfungen in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen zu einem Widerruf geführt. In den Rücknahme- und Widerrufsverfahren, die im ersten Halbjahr 2018 eingeleitet und entschieden wurden, hatte der überprüfte Schutzstatus vielmehr in 99,3% der Fälle Bestand, BT-Drs. 19/38393. Auch bei der nachträglichen Überprüfung von Identitätsdokumenten Schutzberechtigter wurden nur 0,5% der eingesandten Dokumente als Fälschung identifiziert. Eine Reformierung ist daher dringend geboten: Um Kapazitäten beim BAMF zu schaffen, die an anderer Stelle gebraucht werden; und um vielen Betroffenen ein weiteres nervenaufreibendes Verfahren zu ersparen, das im Ergebnis nicht nötig ist.

b. Zum Referentenentwurf
Zunächst ist zu begrüßen, dass § 73a ff. eine Neuordnung und übersichtlichere Regelung vorschlagen und Tatbestände und Verfahren in jeweiligen Normen getrennt regeln. Zu begrüßen ist auch eine leichte Abkehr der gesetzgeberischen Fehlleistung aus dem Jahr 2018. Insbesondere ist daneben aus den genannten Gründen zu begrüßen, dass die – unionsrechtswidrige – Regelüberprüfung nach drei Jahren gestrichen werden soll.

Problematisch sind derweil einzelne folgende Punkte der Reformvorschläge:
Dies betrifft zum einen die Gründe, die gem. § 73 Abs. 1 AsylG-E zu einem Widerruf führen können und an dieser Stelle in Form von Regelbeispielen aufgeführt werden. Insbesondere kann und darf die Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses (Nr. 1), die Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit (Nr. 2) und die freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland (Nr. 4) nicht regelhaft zu einem Widerruf führen: Es existieren in der Praxis zahlreiche auch zwingende Umstände, warum Personen, die als Asylberechtigte bzw. Flüchtlinge anerkannt sind, sich um einen Nationalpass bemühen. Nicht zuletzt die Einbürgerungsbehörden verlangen deren Vorlage zur Identitätsklärung regelmäßig. Verfolgerstaaten benutzen den Entzug der Staatsangehörigkeit oftmals im Rahmen der Verfolgung Andersdenkender. Die Möglichkeit der Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit ist oftmals Ausdruck des Bestehens administrativer Widersprüche oder widerstreitender Praktiken im Verfolgerstaat. Ebenso ist die Rückkehr in den Verfolgerstaat oftmals Ausdruck höchster sittlicher und moralischer Verpflichtungen, wie etwa den Besuch sterbender Familienangehöriger, bei denen persönliches Risiko in Kauf genommen wird.
Der Normvorschlag verstößt in dieser weitreichenden Form auch gegen Unionsrecht: Gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2011/95/EU darf nur die freiwillige und vor allem auf Dauer angelegte Schutzunterstellung (Mantel/Stern in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, § 72 AsylG, Rn. 5) zu einem Widerruf führen. Ebenfalls muss klargestellt werden, dass sowohl die Beschaffung von Dokumenten als auch Reisen in das Herkunftsland dann nicht zu einem Widerruf führen, wenn sie keine Schutzunterstellung darstellen, sondern zu einem anderen Zweck, etwa für eine Heirat oder für eine Verfestigung des Aufenthaltszwecks erforderlich sind.
Ebenfalls abzulehnen sind die Verweise in § 73b AsylG-E auf die Mitwirkungspflichten in den § 15, 16 AsylG: Mitwirkungspflichten sind nach Anerkennung bzw. Zuerkennung eines Schutzstatus grundsätzlich abzulehnen.  Hier bedürfte es einer spezifischen Regelung, die der bereits ausgesprochenen Schutzbedürftigkeit Rechnung trägt. Das Unionsrecht sieht Mitwirkungspflichten z.B. in Art. 4 Abs. 1 der QualifikationsRL vor, allerdings in äußerst engen Grenzen. Soweit es um die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des Schutzstatus im Unionsrecht geht, ist dies in Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 der QualifikationsRL geregelt. Auch hier ist bereits normiert, dass im Falle einer falschen Darstellung oder des Verschweigens eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen kann (Art. 19 abs. 3 (b) QualifikationsRL). Das Unionsrecht sieht dabei eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen haben. Art. 44 der AsylverfahrensRL sieht – ohne zwischen Rücknahme und Widerruf zu differenzieren – eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei neuen Erkenntnissen vor. Die anlasslose automatisierte und verpflichtende Regelprüfung im deutschen Recht ist dem Europarecht fremd.

Für die vorliegend interessierende Konstellation des Widerrufs und der Rücknahme ist Art. 11 Abs. 1 e) und Art. 19 Abs.3 b) und Abs.4 der QualifikationsRL zu beachten. Voraussetzung eines Widerrufs nach 11 Abs. 1 e) QualifikationsRL ist ein Wegfall der Umstände, aufgrund deren eine Person einen Schutzstatus erhalten hat, wobei der Nachweis hierzu von den Mitgliedstaaten zu führen ist gemäß 11 Abs. 2 QualifikationsRL.
Die Aberkennung eines Schutzstatus kann nach Unionsrecht außerdem erfolgen, wenn für die Zuerkennung des Schutzstatus eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente ausschlaggebend war. Art. 19 Absatz 4 der QualifikationsRL stellt fest, dass ein entsprechender Nachweis durch die Mitgliedstaaten zu führen ist.

Festzuhalten ist somit, dass sowohl für die Konstellation des Widerrufs als auch für die Konstellation der Rücknahme das Unionsrecht die Beweislast auf Seiten der Mitgliedstaaten verortet und nicht an Handlungen der Betroffenen anknüpft.  Ein Widerruf bzw. eine Rücknahme im Rahmen einer Wertung als faktische Sanktion nicht erfolgter Mitwirkung ist unionsrechtswidrig.

Problematisch und zugleich nicht nötig ist § 73b Abs. 4 AsylG-E: Demnach soll im Rahmen eines Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme entfallen. Dies ist abzulehnen. Es besteht auch keine Regelungsnotwendigkeit, da die Aufenthaltserlaubnis selbst bei erfolgtem Widerruf/Rücknahme nicht automatisch entfällt und somit auch in aller Regel weiter ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bestehen wird.

Schließlich ist die Monatsfrist zur Stellungnahme in § 73b Abs.6 AsylG-E praktisch zu kurz bemessen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass neue Unterlagen vorgelegt werden sollen. Die Frist ist regelhaft auf drei Monate zu setzen.

c. Empfehlung
§ 73 AsylG-E Abs 1 Nr. 1 bis 4 und 6 ist zu streichen
§ 73b AsylG Abs. 2 ist um den Widerruf und die Rücknahme des subsidiären Schutzes zu ergänzen.
§ 73b Abs. 4 AsylG-E ist zu streichen
§ 73b Abs. 5 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass der Verweis auf die Mitwirkungspflichten teilweise gestrichen, und die Beweislast des BAMF deutlich geregelt wird.
§ 73 b Abs. 6 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass die Frist auf 3 Monate gesetzt wird.


7. § 74 AsylG-E: Befangenheit von Richter*innen

a. Reformentwurf und Bewertung
Bislang führt ein Ablehnungsgesuch gem. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO dazu, dass die*der abgelehnte Richter*in vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur noch unaufschiebbare Handlungen vornehmen darf. Eine Ausnahme davon bildet § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 ZPO. Demgemäß führt eine Ablehnung wegen Befangenheit nach Beginn der mündlichen Verhandlung schon dann nicht zu einem Tätigkeitsverbot der*des Richters*in in der Sache, wenn dies zu einer Terminvertagung führen würde. Eine zeitliche Verzögerung durch einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag ist daher bereits durch die geltende Rechtslage ausgeschlossen.

b. Regelungsvorschlag
Die nunmehr vorgeschlagene Regelung erweitert den Ausnahmezeitraum des § 47 Abs. 2 ZPO auf zwei Wochen vor den Beginn der mündlichen Verhandlung. Wenn in diesem Fall die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu einer Vertagung der Verhandlung führt, so kann die mündliche Verhandlung auch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters erfolgen.

c. Kommentierung
Diese Erweiterung ist nicht nachvollziehbar. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet die Kammer, der die *der Einzelrichter*in angehört. Wieso eine Kammerentscheidung bereits 2 Wochen vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung nicht möglich sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Selbst am Tag der mündlichen Verhandlung oder kurz davor ist nicht ersichtlich, weshalb die Kammer nicht über ein Ablehnungsgesuch entscheiden könnte. Die Kammer ist gem. § 45 Abs. 3 ZPO solange beschlussfähig, solange noch ein anderes Mitglied als der oder die abgelehnte Richter*in anwesend ist. Als beschlussfähige Mitglieder gelten auch die Richter*innen, die im Geschäftsverteilungsplan als ersatzzuständig vorgesehen sind, so dass eine Nichtbesetzung der Kammer fast ausgeschlossen ist.
Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass kein Kammermitglied anwesend ist, muss das nächsthöhere Gericht entscheiden. Die Regelung sieht aber vor, dass die Entscheidung über die Ablehnung zu einer Vertagung der Verhandlung führen muss. Wie dargelegt ist dieser Fall extrem unwahrscheinlich, so dass die Regelung ins Leere geht und daher nicht erforderlich ist.

Die Länge der Frist ist im Gesetzesentwurf und seiner Begründung auch nicht näher erläutert und erscheint willkürlich gezogen. In der Praxis gibt es ohnehin bis kurz vor der mündlichen Verhandlung keine Handlungen der*des zuständigen Einzelrichter*in, die eine Befangenheit begründen könnte. PKH-Anträge werden oft erst kurz vor der mündlichen Verhandlung entschieden und weitere Äußerungen erfolgen oft gar nicht. Somit würde die Ausweitung der Frist dazu führen, dass selbst bei offensichtlichem Vorliegen der Befangenheit mit dem*der befangenen Richter*in verhandelt werden müsste.

Die jetzige Rechtslage regelt bereits eine weitgehende Ausnahme vom Tätigkeitsverbot der*des abgelehnten Richters*in, so dass eine Erweiterung des prozessualen Sonderrechts nicht gerechtfertigt und damit abzulehnen ist. Das Verfahrensrecht und die darin niedergelegten Garantien sollen eine Waffengleichheit zwischen den Kläger*innen und dem Gericht ermöglichen, die dem besonderen Prozessverhältnis geschuldet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht den Kläger*innen dient und nicht umgekehrt. Diese Verfahrensgarantien würden durch die vorgeschlagene Änderung noch weiter ausgehöhlt werden. Zu beachten ist auch, dass in anderen Rechtsgebieten (vgl. § 25 StPO) die Ausnahmen vom Tätigkeitsverbot nach Ablehnung an den Beginn der mündlichen Verhandlung geknüpft sind, weil dies prozessökonomisch zu rechtfertigen ist. Eine weitere Ausdehnung ist hingegen nicht mehr zu rechtfertigen, insbesondere mit Blick auf das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG.

d. Empfehlung
§ 74 AsylG-E ist abzulehnen.


8. § 77 AsylG-E: Schriftliches Verfahren

a. Reformentwurf und Bewertung
Bislang gibt es hierzu keine asylrechtliche Spezialregelung. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren kann auf Grundlage der Normen der VwGO (§ 101 Abs. 2 VwGO) nur mit Einverständnis aller Beteiligten erfolgen.

aa. Schriftliches Verfahren
Der Regelungsvorschlag sieht vor, dass in allen Fällen bei Klagen gegen Entscheidungen nach dem AsylG im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, wenn die*der Betroffene anwaltlich vertreten ist. Eine Ausnahme gilt nur für § 38 Abs. 1 AsylG (einfach unbegründet abgelehnte Asylanträge) und § 73b Abs. 7 AsylG (Neue Fassung, Widerruf oder Rücknahme einer bestehenden internationalen Schutzzuerkennung). Auf Antrag muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, worauf die Beteiligten hinzuweisen sind. Die Regelung soll laut Gesetzesbegründung der Verfahrenserleichterung dienen und nur sachliche und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von nicht schwerwiegender Tragweite betreffen. Dabei sollen nur solche Verfahren betroffen sein, in denen die Schutzberechtigung nicht zur Disposition steht, was durch die Ausnahmeregelungen sichergestellt sein soll.

Zunächst geht die Begründung des Entwurfs in mehreren Annahmen fehl. Zum einen steht nicht nur bei Entscheidungen gem. § 38 Abs. 1 AsylG und § 73b Abs. 7 AsylG (neue Fassung) die Schutzberechtigung zur Disposition. Dies ist vielmehr auch dann der Fall, wenn ein Asylantrag als unzulässig gem. § 29 AsylG oder als offensichtlich unbegründet gem. § 30 AsylG abgelehnt wurde.

Zum anderen liegt diesen Fälle oft eine besonders schwierige rechtliche und tatsächliche Lage zugrunde. Die qualifizierte Ablehnung im Fall des § 30 AsylG ist an hohe Hürden geknüpft, was dazu führt, dass die tatsächlichen Ausführungen des BAMF besonders umfangreich sein müssen. Dies gilt auch für Entscheidungen gem. § 29 AsylG. Hier kommt hinzu, dass die rechtliche Lage sich oft als äußert komplex darstellt, was allein die zahlreichen Vorlagen an den EuGH in den letzten Jahren beweisen.

Oft zeigt sich auch in diesen Verfahren, dass eine mündliche Verhandlung zu einem anderen Ergebnis führt und die Entscheidungen des BAMF gekippt werden. Weiterhin sind die Folgen einer qualifizierten Ablehnung deutlich weiterreichend (vgl. § 10 AufenthG, Arbeitsverbot, etc.), so dass hier nicht nur die Schutzberechtigung, sondern noch weitere Rechtsgüter betroffen sind. Hier auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, würde die Betroffenen unangemessen benachteiligen und ist nicht zu rechtfertigen.

Weiterhin ist es den Gerichten bereits jetzt gem. § 84 Abs. 1 VwGO möglich, ohne mündliche Verhandlung per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Laut Gesetzesbegründung des Entwurfs sollen aber ohnehin nur sachlich und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von der Neuregelung umfasst sein. Diese sind aber bereits von § 84 Abs. 1 und § 101 VwGO erfasst. Eine asylrechtliche Sonderregelung ist daher nicht nötig.

Weiterhin ist der Entwurf viel zu unbestimmt. Es ist nicht klar, wann ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt werden soll. Diese Unklarheit kann zum Verlust von Verfahrensrechten oder neuen, viel längeren Verfahren führen.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum die bisherigen Regelungen nicht ausreichen. Grundsätzlich ist bei aufgeklärtem Sachverhalt und einer einfachen Sach- und Rechtslage nicht ersichtlich, warum eine anwaltlich beratene Asylbewerber*in nicht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimmen sollte, wenn es sachdienlich erscheint. Die Umkehr dieser Dispositionsmöglichkeit über das Stattfinden der mündlichen Verhandlung ist mit den Verfahrensgarantien des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere im Asylverfahren, da die Glaubhaftigkeit des klägerischen Sachvortrags und die Glaubwürdigkeit der Kläger*innen aufgrund des Mangels an Beweismitteln fast ausschließlich in der mündlichen Verhandlung bewertet werden können und dieser daher besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – Az. 2 BvR 1516/93, Rn. 124). Dies liegt auch an einer mangelhaften und pauschalen Sachverhaltsaufklärung durch das BAMF.
Die Änderung sollte gestrichen werden.

bb. Beweisantrag
»Sinn [der gegenwärtigen rechtlichen Regelung] (…) ist, dem Antragsteller die zur Ablehnung seines Antrags führenden Erwägungen des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, um ihm zu ermöglichen, sich darauf einzurichten, etwa einen neuen oder veränderten Beweisantrag zu stellen oder im abschließenden Vortrag sich mit der im Beschluss zutage getretenen Auffassung des Gerichts auseinanderzusetzen« (BVerwG, U.v. 6.10.1982, 7 C 17/80, juris).

Bislang gibt es keine asylrechtliche Spezialregelung. Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann gem. § 86 Abs. 2 VwGO nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

Die Neuregelung sieht vor, dass die Ablehnung eines Beweisantrags mit einer Entscheidung über die verfahrensabschließende Entscheidung verbunden werden kann. Die Beteiligten sollen darauf hingewiesen werden und sollen Möglichkeit zur Stellungnahme haben. Die Rechtfertigung liegt einzig in einer Straffung und Beschleunigung der Asylverfahren. Weiterhin soll (vorgeblich) rechtsmissbräuchlichen Beweisanträgen, die nur mit dem Ziel, das Verfahren zu verschleppen, entgegengewirkt werden.

Die massive Einschränkung der Verfahrensrechte ist nicht nachvollziehbar. Zunächst kann die Gesetzesbegründung keine asylrechtlichen Sonderregelungen rechtfertigen. Die Dauer der mündlichen Verhandlungen liegt in erster Linie daran, dass die Gerichte den gesamten Sachverhalt neu aufklären müssen, weil dieser durch das BAMF nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Weiterhin ist nicht ersichtlich, woher sich die Annahme stützt, dass Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung rechtsmissbräuchlich gestellt werden würden.

Die mündliche Verhandlung ist Kernstück des asylgerichtlichen Verfahrens. Die Verpflichtung zur Ablehnung eines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung soll es den Antragstellenden ermöglichen, die zur Ablehnung des Antrags führenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Gerichts erkennen zu können damit sie sich in der Verfolgung ihrer Rechte darauf einrichten können (BVerwGE 12, 268, 269; 30, 57, 58). Diese Kenntnis soll die Antragstellenden in die Lage versetzen, ggf. einen zweckdienlichen neuen und ergänzenden Beweisantrag zu stellen (BVerwG, 15, 175, 176), neue Tatsachen vorzutragen (BVerfG, NVwZ 1987, 785) und sich mit der aus dem Beschluss hervorgehenden Auffassung des Gerichts auseinanderzusetzen (BVerwGE 12, 268, 269). Dabei soll auch das Gericht veranlasst werden, sich vor Erlass einer Entscheidung über die Entscheidungserheblichkeit des Beweisantrags schlüssig zu werden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Erwägungen im Asylrecht nicht gelten sollten. Hier wird wieder auf die herausragende Bedeutung der mündlichen Verhandlung im asylgerichtlichen Verfahren verwiesen. Darüber hinaus würde es eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung von Art. 103 Abs. 1 GG bedeuten.

Rein praktisch ist auch davon auszugehen, dass die Neuregelung zu erheblichen Verlängerungen der Verfahrenszeiten führen wird. Wie bereits dargelegt, dient die Verpflichtung zur Entscheidung eines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung auch dazu, den Kläger*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Beweisanträge zu modifizieren und sachdienlich zu stellen. Ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben, führt das dazu, dass Beweisanträge in allen möglichen Varianten gestellt werden müssen, da die Einschätzung des Gerichts unklar bleibt. Jeder dieser - möglicherweise sachundienlich - gestellten Beweisanträge müsste dann durch das Gericht schriftlich entschieden werden.

Weiterhin dient die Verpflichtung zur förmlichen Entscheidung per Beschluss in der mündlichen Verhandlung auch dazu, eine Nachprüfung der Erwägungen durch die nächste Instanz zu ermöglichen. Damit keine Rügerechte verloren gehen, ist es nötig, bereits in der mündlichen Verhandlung hierzu Stellung nehmen zu können.

Schließlich dient die Verpflichtung zur Bescheidung über Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung auch dazu, einen Anspruch auf ein Rechtsgespräch durchzusetzen. Rein praktisch legen zahlreiche Gerichte ihre rechtliche Einschätzung eines Falls aber erst dann offen, wenn sie per Beschluss über einen Beweisantrag entscheiden müssen. Diese Offenlegung ist aber notwendig um ein Rechtsgespräch zu führen, da sonst unklar bleibt, welche rechtlichen Argumente überhaupt erforderlich sind und welche Streitpunkte bestehen.

Den Gerichten stehen mit dem geltenden Recht in § 87b Abs. 2 VwGO bereits ausreichende rechtliche Instrumentarien zur Verfügung, die mündliche Verhandlung entsprechend vorzubereiten, so dass das Gericht qua seiner juristischen Expertise auch als Einzelrichter*innen in der Lage sein sollte, Beweisanträge durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung zu bescheiden. Dies ist das klassische Handwerkszeug des Gerichts.
Die Änderung in Abs. 4 sollte gestrichen werden.

cc. Mündliche Verhandlung
Die mündliche Verhandlung ist - ähnlich wie die persönliche Anhörung im behördlichen Verfahren - Kernstück des asylgerichtlichen Verfahrens. In ihr hat die*der Richter*in die Möglichkeit, sich einen persönlichen Eindruck von der*dem Kläger*in zu machen und die Glaubhaftigkeit des Sachvortrags zu prüfen. In ihr können abschließend alle Fragen geklärt und ein Rechtsgespräch geführt werden. Sie dient am Ende der Wahrheitsfindung und ermöglicht ein möglichst gerechtes Ergebnis.

dd. Einbeziehung neuer Entscheidungen
Bisher gibt es keine Regelung, die zu einer Einbeziehung einer neuen Entscheidung im laufenden Asylklageverfahren führt. Es gilt die Dispositionsmaxime. Der oder die Kläger*in entscheidet selbst, ob und in welchem Umfang gegen eine Entscheidung der Verwaltung Klage erhoben wird. Dies findet seinen Niederschlag in § 81 VwGO und § 82 VwGO, die regeln, dass ein oder eine Kläger*in selbst Klage erheben muss und bestimmen kann, wogegen und in welchem Umfang geklagt wird. Weiterhin regelt § 88 VwGO, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen kann und an die Fassung der Anträge gebunden ist.

Die Regelung sieht vor, dass ein im laufenden Klageverfahren erlassener neuer Bescheid des BAMF, der den Asylantrag als einfach oder offensichtlich unbegründet ablehnt, automatisch Gegenstand des Verfahrens wird. Voraussetzung ist, dass sich das ursprüngliche Klageverfahren gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gerichtet hat. Begründet wird dies mit einer Beschleunigung der Verfahren. Insbesondere wird auf die Konstellation abgezielt, in der ein Dublin-Verfahren eingeleitet wurde und der ablehnende Bescheid aufgrund des Ablaufs der 6-monatigen Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren rechtswidrig wird. Hier soll das BAMF im laufenden Klageverfahren eine materielle Prüfung durchführen können. Der ablehnende Bescheid wird dann automatisch Bestandteil der Klage.

Die Regelung ist äußerst problematisch und verstößt gegen fundamentale Rechtsprinzipien der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Dispositionsmaxime sieht vor, dass Kläger*innen selbst durch einen klageeinleitenden Akt darüber bestimmen können, ob und im welchem Umfang ein Rechtsakt angegriffen wird (oder der Erlass eines solchen begehrt wird). Er findet seinen Ausfluss in § 81 VwGO, der den Beginn des Gerichtsprozesses von der förmlichen Einleitung der Klage abhängig macht, in § 82 VwGO, der es dem oder der Kläger*in vorschreibt, den Umfang ihres Klagebegehrens zu bezeichnen, in § 88 VwGO, der das Gericht in seiner Entscheidung an das Klagebegehren bindet und in § 92 VwGo, der es den Kläger*innen erlaubt eine Klage wieder zurückzunehmen (vgl. Kopp/Schenke § 119, Rn. 4; Sodan/Ziekow, § 88, Rn. 1). Die automatische Einbeziehung einer neuen und völlig anderen Verwaltungsentscheidung in ein Klageverfahren würde ganz grundsätzlich gegen die Dispositionsmaxime verstoßen. Eine ausreichende Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich.

Auch ist das erklärte Ziel, die Beschleunigung der Verfahren, nicht gewährleistet. Durch die automatische Einbeziehung des ablehnenden Gerichtsbescheids wird das Gerichtsverfahren nicht beendet, sondern automatisch verlängert. Zahlreiche Klageverfahren werden nicht geführt, weil die Betroffenen gegen negative (materielle) Entscheidungen des BAMF nicht klagen. Gegen alle negativen Bescheide, die im Anschluss an eine Ablehnung als unzulässig erlassen werden, wird nun automatisch ein Klageverfahren geführt, ob die Betroffenen das wollen oder nicht. Dies schließt im Übrigen auch solche Verfahren mit ein, in denen Abschiebungsverbote gewährt werden. Die (unfreiwilligen) Kläger*innen können dann auch keine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten, weil diese während des laufenden Asylklageverfahrens gem. § 10 Abs. 1 AufenthG gesperrt ist. Die Regelung erscheint angesichts der automatisch eintretenden und nachteiligen Folgen für Betroffene und Gerichtsbarkeit geradezu absurd.

Absolut ungeklärt ist auch, wer die Anwaltskosten für die automatische Erhebung der Klage tragen soll. Die Einbeziehung der neuen Entscheidung des BAMF führt automatisch zu einer Erhöhung der Gebühren für die (unfreiwilligen) Kläger*innen. Sind diese auch verpflichtet, die Kosten zu tragen, wenn sie nie gegen die materielle Asylentscheidung des BAMF klagen wollten, sondern diese ggf. akzeptiert hätten?

Darüber hinaus setzt eine Entscheidung über die Begründetheit des Asylantrags auch voraus, dass eine entsprechende Anhörung stattgefunden hat. Eine solche Anhörung muss entsprechend den Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU erfolgen. Sie kann nicht in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung nachgeholt werden, weil dies den Anforderungen an Vertraulichkeit der Anhörung widerspricht (vgl. BVerwG 1 C 41.20 - Urteil vom 30. März 2021). Das heißt, dass das BAMF selbst in Fällen, in denen die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zunächst nicht zuständig ist, immer auch eine Anhörung zu den materiellen Asylgründen durchführen muss, damit ein ablehnender Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren ergehen kann. Dies erfordert einen zusätzlichen Zeitaufwand von rund 3 Stunden pro Antragsteller*in, da die Anhörung zu den materiellen Asylgründen in der Regel deutlich länger dauert, als die zur Zulässigkeit des Asylantrags. Die Regelung würde also zu einer deutlichen Mehrarbeit des BAMF führen und nicht zu einer Beschleunigung des Asylverfahrens.

Weiterhin stellt sich die Frage was geschieht, wenn sich die Sachlage nach Erlass der Dublin-Entscheidung geändert hat, was bei zahlreichen Herkunftsländern der Fall ist. In diesem Fall müsste möglicherweise erneut eine Anhörung stattfinden, um eine ordnungsgemäße Entscheidung zu treffen. Das würde den Prozess noch mehr verlangsamen.

Die Regelung ist also nicht nur ein massiver und ungerechtfertigter Eingriff in die Verfahrensrechte der Betroffenen. Sie wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer höheren Belastung für die Gerichte und das BAMF führen und damit das Verfahren noch weiter verlangsamen.
Die Regelung sollte gestrichen werden.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem diesem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen.

Aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 21, 73 <77>; 36, 85 <87>; 60, 175 <210>; 89, 381 <391>; 112, 185 <206>). Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 9, 89 <95 f.>; 60, 175 <210 f.>; 67, 208 <211>; 74, 1 <5>; 89, 381 <391>) (- 1 BvR 367/15 - ).

b. Empfehlung
Der Vorschlag ist als Ganzes abzulehnen.


9. § 78 AsylG-E: Rechtsmittel

a. Bisherige Rechtslage
§ 78 AsylG bestimmt bisher im Wesentlichen, wann ein Urteil des Verwaltungsgerichts unanfechtbar ist und aus welchen Gründen die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen ist.  Es handelt sich um ein gegenüber der VwGO einschränkendes Sonderprozessrecht im Asylverfahren. Denn in § 78 Abs. 3 AsylG sind für das Asylrecht die Gründe für die Zulassung der Berufung gegenüber der allgemeineren Regelung des § 124 VwGO stark eingeschränkt.

b. Gesetzesentwurf und Bewertung
Die vorgeschlagene Änderung durch Einfügung des § 78 Abs. 8 AsylG führt eine spezielle »Tatsachenrevision« ein und beschränkt zugleich die Revisionsmöglichkeiten für Betroffene.

Ziel der Neuregelung ist die Beschleunigung der Gerichtsverfahren und Vereinheitlichung der Rechtsprechung in Asylsachen. Eine bundesweit einheitliche Rechtsprechung zu asyl- und abschiebungsrelevanten Fragen soll laut der Begründung des Entwurfs Schutzsuchenden ermöglichen, frühzeitig die Erfolgsaussichten einer Klage zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Auf diese Weise könnten im Ergebnis ›erfolglose‹ Klagen verringert werden, die Gerichte würden entlastet.

Diese Erwartung ist aus unserer Sicht unbegründet. Zum einen geben nicht selten geringfügig abweichende Einzelumstände Grund für eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung. Eine Leitentscheidung für eine Vielzahl an Sachverhalten kann so kaum getroffen werden. Zum anderen bleibt unklar, in welcher Weise neue Entwicklungen im Herkunftsland in Abweichung von den Leitentscheidungen berücksichtigt werden können. In der Folge wird es statt zu Klarheit und Einheitlichkeit zu Unklarheit und Streit kommen.

Statt einer Entlastung der Gerichte ist daher eine erhöhte Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts, zu erwarten. Stellt man sich die Frage, wie das Asylverfahren für Schutzsuchende fairer gestaltet werden kann, so kann dies vor allem über eine Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten erreicht werden, nicht über deren Verkürzung.

c. Empfehlungen
Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.

Um die Verfahren fairer zu gestalten empfehlen wir stattdessen, die Zulassungsgründe zu erweitern. Nach allgemeiner Rechtsauffassung sind EuGH und EGMR nicht divergenzfähig im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (vgl. z.B. BayVGH, B. vom 09. April 2018, 11 ZB 18.30631, Rn. 2, zit.n.juris). Divergenzfähig wird eine Entscheidung des EuGH danach erst durch eine konkrete Übernahme des BVerfG im Einzelfall.
Das gilt zwar auch bei § 124 VwGO (und ist auch dort eigentlich nicht gerechtfertigt), richtet dort aber wegen der ansonsten erheblich weiter gefassten Zulassungsgründe nicht so großen Schaden an. Im Zweifel bestehen bei einer Abweichung von einer Entscheidung des EuGH auch »ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils« § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diesen Zulassungsgrund gibt es aber bei § 78 AsylG gerade nicht.
Besonders fatal ist dies, weil gerade im Asylrecht Entscheidungen des EuGH große Bedeutung haben, z.B. dessen Urteil vom 07. November 2013, C-199/12 bis C-201/12. Dieses wurde erst Jahre später durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Januar 2020, 2 BvR 1807/19, zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung übernommen und dadurch divergenzfähig. Eine Klarstellung, dass auch Entscheidungen des EuGH und des EGMR divergenzfähig sind, würde hier eine Klarstellung bewirken und die bisher bestehende Lücke schließen.

10. § 79 Besondere Vorschriften für das Berufungsverfahren

a. Reformentwurf und Bewertung
Die vorgeschlagene Änderung soll das bisher geltende Zurückverweisungsverbot lockern. Dies soll eine Entlastung bei den Oberverwaltungsgerichten erzielen.

Nach der bisherigen Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht verpflichtet, nach einer Zulassung der Berufung die Verfahren auch dann entscheidungsreif zu machen, wenn es die allgemeine asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevante Lage in einem Zielstaat anders als das Verwaltungsgericht beurteilt und die Schutzgewährung durch das Verwaltungsgericht wesentlich von dieser Beurteilung abhing. Dies soll sich nun ändern und das bisher geltende absolute Zurückweisungsverbot soll teilweise gelockert werden. Die Oberverwaltungsgerichte erhalten in bestimmten Fällen nun die Möglichkeit, Verfahren an die erstinstanzlichen Gerichte zurückzuverweisen.

Die Änderung geht aus unserer Sicht nicht weit genug. Statt das Zurückweisungsverbot ganz aufzuheben, wird es eingeschränkt.

Das Zurückweisungsverbot ist jedoch als Ganzes abzulehnen, denn es verkürzt die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen, indem es den in der VwGO vorgesehenen Instanzenzug verkürzt.

b. Empfehlung
Die vorgeschlagene Regelung ist abzulehnen und Abs. 2 AsylG stattdessen komplett zu streichen.


III. Sonstige Reformvorschläge

§ 3 Abs. 3  AsylG Ausschluss
Die Norm ist tatsächlich nicht praktikabel und hätte in der Praxis kaum Anwendungsfälle und ist daher abzulehnen. Die Regelung der Asylunwürdigkeit besteht bereits.

§ 5 Abs. 6 AsylG-E 
Eine Sicherheitsprüfung sollte in allen Fällen zwingend erfolgen.

§ 33 ASylG-E
Die Regelung, zumal ohne ausdrückliche Belehrung über die Rechtsfolgen des Nicht-Betreibens, ist abzulehnen.

§ 72 AsylG-E
Es ist zu begrüßen, dass die in § 72 Abs. 1 Nr. 1-3 AsylG genannten Gründe nun nicht mehr zum Erlöschen des Schutzstatus führen sollen, sondern in einem Verfahren nach § 73 AsylG-E zu prüfen sind. Es ist dagegen abzulehnen, dass eine Verzichtserklärung zur Durchführung des Asylverfahrens von der Ausländerbehörde an das Bundesamt weiterzuleiten ist. In der Praxis gibt es mit solchen Erklärungen gegenüber der Ausländerbehörde regelmäßig Probleme, da den Betroffenen nicht klar ist, auf was sie verzichten. In der Praxis sollte vielmehr vor Erteilung eines Aufenthaltstitels geprüft und qua Schreiben auch mitgeteilt werden, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei im Übrigen gleichbleibenden Verhältnissen nur noch die Rücknahme des Asylantrags entgegensteht. Der Verzicht kann rechtsgültig nur gegenüber dem Bundesamt erklärt werden.

Berlin, den 24. Oktober 2022

Die Stellungnahme des RAV als PDF

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Stellungnahmen Migration & Asyl
news-895 Fri, 21 Oct 2022 06:40:46 +0200 Feministische Außenpolitik – oder doch nicht? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/feministische-aussenpolitik-oder-doch-nicht-895 Pressemitteilung 5/22 vom 21.10.22 Anwält*innen fordern von der Bundesregierung eine Menschenrechtspolitik, die die Betroffenen tatsächlich erreicht.

In Iran beobachten wir den Beginn einer Revolution. Einer feministischen Revolution. Angeführt von Frauen*, die für ihre Freiheit und eine neue Gesellschaft kämpfen. Für ihren Mut werden sie getötet, gefoltert und inhaftiert.

Der Mut dieser Frauen* beeindruckt uns. Er führt weltweit zum Ausdruck von Solidarität. Die gleichen Solidaritätsbekundungen hallen noch nach mit den Frauen*, die in Afghanistan seit über einem Jahr für ihre Rechte demonstrieren. Die gleichen Solidaritätsbekundungen verstummen mittlerweile mit den mutigen Frauen* in Belarus.

Aber was passiert, wenn genau diese mutigen Menschen internationalen Schutz benötigen? Erhalten sie Zugang zu dem Schutz, den die europäische und deutsche Rechtsordnung ihnen verspricht?

»Nein«, sagt Rechtsanwältin Berenice Böhlo aus dem Vorstand des RAV, »im Gegenteil: schutzbedürftige Menschen haben fast keine legalen Möglichkeiten, um überhaupt nach Deutschland oder Europa zu kommen, und zwar auch dann nicht, wenn sie nachweislich politisch verfolgt sind oder ihr Leben ernsthaft in Gefahr ist. So warten beispielsweise unsere afghanischen Mandantinnen, denen von Deutschland eine Aufnahme versprochen wurde, seit Monaten und Jahren in Pakistan oder Iran auf die Bearbeitung oder Erteilung ihrer Visa, damit sie in Deutschland das Asylrecht erhalten können. Ansonsten bleibt ihnen nur die lebensgefährliche Flucht über vollkommen unsichere Routen.«

Dennoch verkündet Innenministerin Nancy Faeser noch am 8. Oktober 2022, dass gerade diesen letzten Fluchtwegen, die sie als „unerlaubte Einreisen über das Mittelmeer und die Balkanroute“ bezeichnet, durch scharfe Kontrollen Einhalt geboten werden müsse. Das ist mehr als zynisch, sieht doch das europäische Asylsystem eine „erlaubte Einreise“ zur Schutzgewährung gar nicht vor. Humanitäre Visa werden nur in seltenen Einzelfällen erteilt. Für eine Erteilung von Visa setzt sich das Auswärtige Amt noch nicht einmal eine Bearbeitungsfrist. Schöne feministische Außenpolitik.

Die Solidarität mit mutigen Frauen* im Iran, in Afghanistan und andernorts endet an den europäischen Außengrenzen. Sie endet in der Bürokratie der deutschen Visumstellen.

»Ein Menschenrecht ohne Zugang zum Recht ist ein leeres Versprechen. Wir fordern echte Solidarität jenseits solidarischer Worte« sagt Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Vizevorsitzende des RAV.

Wir fordern von Bundes- und Landesregierungen, die über Jahrzehnte von männlichen Innen- und Außenministern verantwortete Politik zu beenden und folgende Sofortmaßnahmen zu beschließen:

► sofortige und effektive Aufnahmeprogramme auf Landes- und Bundesebene für Schutzsuchende aus Iran;

► die sofortige Aufstockung der personellen und sachlichen Ressourcen an den deutschen Botschaften, insbesondere in den Nachbarstaaten von Krisenländern;

► eine Weisung des Auswärtigen Amtes, dass jede deutsche Auslandsvertretung zur Annahme von Visumanträgen aus Krisenländern zuständig ist und diese unverzüglich zu bearbeiten sind;

► einen sofortigen und von der IMK und dem BMI zu beschließenden formellen Abschiebestopp für alle Krisenländer;

► die Erteilung von humanitären Visa für gefährdete Menschen in geregelten Verfahren anhand klarer Fristen;

► die Aussetzung der Dublin-Verfahren.

PM als PDF

Kontakt:
Rechtsanwältin Berenice Böhlo, +49(0)30 247 240 90, info@aufenthaltundsoziales.de
Rechtsanwältin Barbara Wessel, +49(0)30 62 20 17 48, wessel@anwaeltinnen-kreuzberg.de

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-891 Wed, 12 Oct 2022 10:12:19 +0200 Gesetzeslücke endlich schließen<br />Menschen in Abschiebehaft brauchen Pflichtanwält*innen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesluecke-endlich-schliessen-menschen-in-abschiebehaft-brauchen-pflichtanwaeltinnen-891 Pressemitteilung 4/2022 vom 12.10.22 Zusammen mit mehr als 50 Organisationen fordert der RAV den Bundestag sowie die Bundesminister*innen Nancy Faeser, Dr. Marco Buschmann und Lisa Paus auf, Menschen in Abschiebehaft, Anwält*innen zur Seite zu stellen und dies gesetzlich vorzuschreiben. Dass dies bislang nicht verpflichtend ist, sei »eines Rechtsstaates unwürdig«, so die Unterzeichner des Positionspapiers.

Immer wieder landen in Deutschland Menschen in Abschiebehaft und werden somit ihrer Freiheit beraubt, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Mehr als fünfzig Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet kritisieren diese Praxis in einem Positionspapier scharf. Sie fordern das Bundesinnen-, das Bundesjustiz-, das Bundesfamilienministerium sowie die Mitglieder ausgewählter Bundestagsausschüsse auf, analog zur Pflichtverteidigung im Strafprozess auch eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen in Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft gesetzlich einzuführen. Eine entsprechende Möglichkeit bietet das angekündigte neue Gesetzespaket zum Migrationsrecht.
Die Organisationen begründen ihre Forderung damit, dass es in der Abschiebungshaft immer wieder zu schwerwiegenden Verfahrensfehlern kommt, die meist erst durch anwaltliche Unterstützung korrigiert werden können. Die Betroffenen kennen sich mit dem in Deutschland geltenden Rechtssystem nicht hinreichend aus, um sich wirksam gegen die Anordnung oder Verlängerung der Haft wehren zu können. »Gegenüber der die Haft beantragenden Behörde sind die Betroffenen somit offensichtlich in einer unterlegenen Position«, so Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Peter Fahlbusch. »Ohne eine anwaltliche Vertretung sehen sie sich hilflos einem Verfahren ausgesetzt, das sie nicht verstehen und deshalb auch nicht beeinflussen können. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig und sollte unbedingt geändert werden«.

Zu den Unterzeichnern gehören u.a. PRO ASYL, Amnesty International, das Diakonische Werk, die Caritas, der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, terre des hommes, der Deutsche Anwaltverein, die Neue Richtervereinigung und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

In der Abschiebungshaft wird einer Person die Freiheit entzogen, ohne dass sie eine Straftat begangen hat. Dieser Freiheitsentzug greift massiv in die Grundrechte der betroffenen Person ein. In unserem Rechtsstaat werden deshalb an einen Haftbeschluss hohe formale und inhaltliche Anforderungen gestellt. Diesen Anforderungen wird die Praxis in der Abschiebungshaft häufig nicht gerecht; valide Schätzungen gehen von rund fünfzig Prozent fehlerhaften Inhaftierungen aus. Eine Ursache für die Fehlerquote ist, dass Betroffene, die oftmals mittellos sind und denen es an System- und Sprachkenntnissen fehlt, ohne professionellen Beistand vor Gericht keine Chance haben, ihre Grundrechte zu verteidigen. »Die Freiheitsentziehung stellt das schärfste Schwert unseres Rechtssystems dar«, so Rechtsanwalt Fahlbusch für den RAV. Um den Rechtsstaat durchzusetzen, braucht es deshalb eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen.

Hintergrund:
Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover erklärt: »Seit 2001 habe ich bundesweit 2.282 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.197 dieser Menschen (d.h. 52,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert […]. Zusammengezählt kommen auf die 1.197 Gefangenen 31.235 rechtswidrige Hafttage, das sind gut 85 Jahre rechtswidrige Haft«. Über die fatalen Fehler, die in der Abschiebehaft geschehen, spricht Rechtsanwalt Fahlbusch im Interview mit PRO ASYL sowie im Podcast (Folge 3).

Positionspapier: https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einfuehrung-der-pflichtbeiordnung-von-anwaeltinnen-in-der-abschiebungshaft-889

Diese PM als PDF

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-889 Wed, 12 Oct 2022 09:00:00 +0200 Einführung der Pflichtbeiordnung von Anwält:innen in der Abschiebungshaft /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einfuehrung-der-pflichtbeiordnung-von-anwaeltinnen-in-der-abschiebungshaft-889 Positionspapier, 12.10.22

Zusammenfassung

In der Abschiebungshaft wird einer Person die Freiheit entzogen, ohne dass sie eine Straftat begangen hat. Die Haft sichert lediglich die Abschiebung, also den Vollzug eines Verwaltungsaktes. Mit diesem Freiheitsentzug wird massiv in die Grundrechte der betroffenen Person eingegriffen; in unserem Rechtsstaat werden deshalb an einen Haftbeschluss hohe formale und inhaltliche Anforderungen gestellt. Diesen Anforderungen wird die Praxis in der Abschiebungshaft häufig nicht gerecht; valide Schätzungen gehen von rund 50 % fehlerhaften Inhaftierungen aus. Bei einer derart hohen Fehlerquote drohen rechtsstaatliche Grundsätze ihre generelle Gültigkeit zu verlieren. Eine Ursache für die Fehlerquote ist, dass Betroffene, die oftmals mittellos sind und denen es an System- und Sprachkenntnissen fehlt, ohne professionellen Beistand vor Gericht keine Chance haben, ihre Grundrechte zu verteidigen. Um den Rechtsstaat durchzusetzen und das Leid der Betroffenen zu mindern, braucht es eine Pflichtbeiordnung von Anwält:innen. Sie kann für Waffengleichheit sorgen und eine effektive Kontrolle der Haftanträge und Gerichtsbeschlüsse ermöglichen.

Abschiebungshaft dient allein zur Sicherung der Abschiebung

Nach den Vorschriften des Migrationsrechts (v.a. § 50 Abs. 1 AufenthG) dürfen Ausländer sich nur in Deutschland aufhalten, wenn sie über bestimmte Aufenthaltsrechte verfügen. Haben sie kein explizites Recht zum Aufenthalt, sind sie verpflichtet, das Land zu verlassen. Tun sie dies nicht freiwillig, kann die Ausreisepflicht zwangsweise durchgesetzt werden (Abschiebung). Unter bestimmten Umständen wird allerdings die Abschiebung ausgesetzt (Duldung).

Ist zu befürchten, dass sich eine Person gegen ihre Abschiebung wehrt, oder ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich der Abschiebung entzieht, kann die zuständige Behörde gegen sie bei Gericht Abschiebungshaft(1) beantragen (siehe vor allem § 62 Abs. 2 und 3 AufenthG). Ist der Antrag nach Meinung des Gerichts ausreichend begründet, ordnet es die Haft an.

Abschiebungshaft darf daher ausschließlich dem Zweck dienen, die Abschiebung der betreffenden Person zu sichern. Die Menschen werden somit nicht inhaftiert, weil ihnen eine Straftat vorgeworfen würde. Vielmehr soll die Haft sicherstellen, dass sie auch wirklich das Land verlassen.

Abschiebungshaft ist Freiheitsentzug und erfordert die Einhaltung von Verfahrensrechten

Abschiebungshaft stellt eine Freiheitsentziehung und damit einen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG dar. Sie löst Leid aus: Je länger die Menschen sich in einem solchen Gewahrsam befinden, umso größer wird der seelische und körperliche Schaden.(2) Sind Kinder involviert, weil beispielweise ein Elternteil in Abschiebungshaft genommen wird,(3) kann dies zudem langfristige Folgen für das körperliche und seelische Wohl der Kinder bedeuten und das Familienleben nachhaltig belasten.(4)

Die Freiheitsentziehung stellt das schärfste Schwert unseres Rechtssystems dar. Bei ihrer Anordnung hat deshalb die Wahrung von Verfahrensrechten gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG Verfassungsrang; Verfahrensrecht ist hier also Verfassungsrecht. Wird das Verfahrensrecht nicht eingehalten, führt dies zur Rechtswidrigkeit der Haft. Die Einhaltung von Verfahrensrechten ist daher grundlegende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von richterlichen Entscheidungen. Sie beugt falschen und willkürlichen Entscheidungen vor.

In den Fällen der Abschiebungshaft sind jedoch bei den gerichtlichen Anordnungsverfahren immer wieder schwerwiegende Verfahrensfehler festzustellen,(5) zum Beispiel Haftanordnungen trotz nicht ausreichend begründeter Haftanträge. Deshalb wird eine Vielzahl der gerichtlichen Haftanordnungen im Beschwerdeverfahren als rechtswidrig aufgehoben. Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover teilt dazu die folgende Statistik (Stand 12.9.2022) mit: „Seit 2001 habe ich bundesweit 2.282 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.197 dieser Menschen (dh 52,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche ‚nur‘ einen Tag, andere monatelang). Zusammengezählt kommen auf die 1.197 Gefangenen 31.235 rechtswidrige Hafttage, das sind gut 85 Jahre rechtswidrige Haft. Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in knapp 4 Wochen (genau: 26,1 Tage) zu Unrecht in Haft. Rund 100 Verfahren laufen z.Zt. noch.“(6)

Recht auf rechtliches Gehör, Verteidigungsrechte und Waffengleichheit, Recht auf Familienleben und Kindeswohl

Art. 103 Abs. 1 GG begründet eine objektivrechtliche Verpflichtung des Staates, jeder Person, die an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist oder von einer gerichtlichen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, rechtliches Gehör zu gewähren.(7) Dies stellt die Ausprägung des Rechtsstaatsgedankens für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens dar.(8) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst auch das Recht, sich im Verfahren zu Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern.(9) Dieses Anhörungserfordernis dient der vollständigen Erfassung des Sachverhalts durch das Gericht.(10) Auch soll die Anhörung sicherstellen, dass die einzelne Person nicht Objekt der richterlichen Entscheidung wird, sondern vor einer Entscheidung die Möglichkeit erhält, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen.(11)

Die Betroffenen kennen sich jedoch mit dem in Deutschland geltenden Rechtssystem nicht hinreichend aus, um sich wirksam gegen die Anordnung oder Verlängerung der Haft wehren zu können. Sach- und Rechtslage sind oftmals sehr komplex, weil hier Unions-, Migrations- sowie Haft(verfahrens)recht zusammenkommen. Wenn die Abschiebungshaft Familienmütter oder -väter betrifft, wird zudem das Recht auf Familie (Art. 6 GG und Art. 8 EMRK) und das Kindeswohl der betroffenen Kinder (Art 3 UN-KRK) meist nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, obgleich dazu eine rechtliche Verpflichtung besteht.(12) Auch kommt es immer wieder zu rechtswidriger Inhaftnahme von Minderjährigen aufgrund fehlerhafter Alterseinschätzungen.(13) Hinzu tritt die oftmals sehr erhebliche Sprachbarriere. Auch eine Akteneinsicht ist ohne Anwält:in nicht möglich. Gegenüber der die Haft beantragenden Behörde sind die Betroffenen somit offensichtlich in einer unterlegenen Position. Ohne eine anwaltliche Vertretung sehen sie sich hilflos einem Verfahren ausgesetzt, das sie nicht verstehen und deshalb auch nicht beeinflussen können, als dessen Ergebnis die Menschen aber ihre Freiheit verlieren. Vollkommen zu Recht empfinden die Menschen das Verfahren oftmals nicht als fair und die Entscheidungen nicht als gerecht.

Die nötige Expertise in diesem Bereich bringen erfahrene Anwält:innen mit. Zur Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit und der Verteidigungsrechte sowie der Einhaltung von grund- und menschenrechtlichen Garantien in Bezug auf Familienleben und Kindeswohl ist daher zwingend eine Pflichtbeiordnung von Anwält:innen erforderlich. Wegen der essenziellen Bedeutung der gerichtlichen Anhörung in einem Haftverfahren ist auch sicherzustellen, dass die Beiordnung bereits vor der ersten Anhörung stattfindet.

Pflichtbeiordnung gesetzlich regeln!

Da es sich bei der Abschiebungshaft um eine Administrativhaft und nicht um eine Strafhaft handelt, sind die Regelungen in §§ 140, 141 StPO, die eine Pflichtverteidigung im Strafprozess vorsehen, nicht unmittelbar anwendbar.

Eine Beiordnung von Anwält:innen ist andererseits dem FamFG, das auch das Verfahren in Abschiebungshaftsachen regelt, nicht vollständig fremd (siehe § 78 FamFG). Systematisch könnte eine Pflichtbeiordnung im Kontext der Abschiebungshaft etwa in einem § 420a FamFG geregelt werden.

Mittellose Gefangene könnten, so immer wieder das Gegenargument, beantragen, dass der Staat ihre Anwaltskosten übernimmt (sogenannte Verfahrenskostenhilfe). Eine solche Verfahrenskostenhilfe wird aber nur dann gewährt, wenn der Antrag oder die Beschwerde nach Ansicht des Gerichts Aussicht auf Erfolg hat. Das heißt, ein:e Anwält:in muss erst einmal detaillierte Begründungen schreiben, ohne sicher sein zu können, jemals hierfür bezahlt zu werden. Da sie von ihrer Arbeit lebt, kann sie sich das nur selten leisten. Gefangene, die eine:n Anwält:in nicht bezahlen können, sind somit nicht in der Lage, ihre Rechte effektiv wahrzunehmen. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig und sollte unbedingt geändert werden.

Hinzu kommt für viele Betroffene, dass sie unter den Bedingungen der Haft und/oder wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht in der Lage sind, eigenständig rechtzeitig eine:n Anwält:in einzuschalten.

Aus diesem Grund fordern wir, dass analog zur Pflichtverteidigung im Strafprozess auch eine Pflichtbeiordnung von Anwält:innen in Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft schon vor der ersten gerichtlichen Anhörung gesetzlich eingeführt wird.

Amnesty International Deutschland
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Bundesfachverband zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft
Der Paritätische – Gesamtverband
Deutscher Anwaltverein
Deutscher Caritasverband
Diakonie Deutschland
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
Neue Richtervereinigung
Postmigrantischer Jurist*innenbund
Pro Asyl
Rechtsberaterkonferenz
Refugee Law Clinics Deutschland
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
SOS-Kinderdorf terre des hommes

Bayerischer Flüchtlingsrat Diakonie Hamburg Diakonie Hessen
Flüchtlingsbeauftragte der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
Flüchtlingsrat Brandenburg
Flüchtlingsrat Bremen
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen
Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
Flüchtlingsrat Thüringen
Hessischer Flüchtlingsrat
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein – Regionalgruppe NRW
Sächsischer Flüchtlingsrat
Abschiebehaft-Kontaktgruppe Dresden
Amnesty International Oberhausen
Beirat für Flüchtlingsarbeit des Evangelischen Kirchenkreises Oberhausen
Caritas Karlsruhe
Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf
Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
Flüchtlingsrat Oberhausen
fluchtpunkt. Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge
Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Hof
Law Clinic an der Bucerius Law School, Hamburg
Migrationsrechtliche Legal Clinic Dortmund
Pro Asyl/Flüchtlingsrat Essen
Rechtsberatung für Menschen in Abschiebehaft Hamburg
Refugee Law Clinic Hannover
Refugee Law Clinic Trier
Seebrücke Oberhausen
Seebrücke Stuttgart
STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative

Endnoten:
(1) „Abschiebungshaft“ wird hier als Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der migrationsrechtlichen Verwaltungshaft verstanden und schließt damit etwa den Ausreisegewahrsam oder die Überstellungshaft ein.
(2) Siehe dazu jüngst World Health Organisation (WHO), Addressing the health challenges in immigration detention, and alternatives to detention. 2022.
(3) 62.0.5 AVwV-AufenthG.
(4) Siehe dazu bspw. Bail for Immigration Detainees (BID), Fractured Childhoods: the separation of families by immigration detention. April 2013.
(5) J. Schmidt-Räntsch, Freiheitsentziehungssachen gem. §§ 415 ff. FamFG, NVwZ 2014, S. 110 ff. Schmidt-Räntsch war als Richterin beim BGH über Jahre hinweg mit Abschiebungshaftverfahren beschäftigt.
(6) P. Fahlbusch, E-Mail vom 12.9.2022.
(7) B. Remmert, Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, 94. Ergänzungslieferung, Art. 103 I GG Rn. 1.
(8) B. Remmert, Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, 94. Ergänzungslieferung, Art. 103 I GG Rn. 20, 23.
(9) BVerfG, Beschluss v. 7.10.1981 – 2 BvR 1194/80, juris Rn. 36; H. Radtke, BeckOK Grundgesetz, 48. Edition, Art. 103 GG Rn. 7, 11.
(10) B. Remmert, Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 103 I GG Rn. 21.
(11) BVerfG, Beschluss v. 8.1.1959 – 1 BvR 396/55, Rn. 27.
(12) BGH, Beschluss v. 23.3.2021 - XIII ZB 95/19, Asylmagazin 10-11/2021, 393, Rn. 8 f.
(13) Siehe BGH, Beschluss v. 25.8.2020 - XIII ZB 101/19.

Positionspapier als PDF

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Abschiebungen Grundrechte
news-890 Mon, 10 Oct 2022 11:37:10 +0200 Chatkontrolle STOPPEN!<br />Kinderschutz statt Massenüberwachung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/chatkontrolle-stoppen-kinderschutz-statt-massenueberwachung-890 Gemeinsamer Aufruf, 10.10.2022 Die EU-Kommission möchte Messenger und viele andere Internetdienste dazu zwingen, unsere Nachrichten und Onlineinhalte zu überwachen – und damit unsere freie und private Kommunikation untergraben. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden Kinder nicht besser schützen. Stattdessen verengen sie den Blick auf technokratische Überwachungsinstrumente, die unverhältnismäßig unsere Grundrechte einschränken. Mit der Chatkontrolle wird ein Überwachungspaket geschaffen, das sich gegen die gesamte Bevölkerung der EU richtet.

Der Verordnungsvorschlag der EU ist ein Angriff auf unsere Freiheitsrechte und nimmt uns die Möglichkeit, selbstbestimmt über unser Leben mit Technik zu entscheiden. In Zukunft sollen Behörden unsere Familienchats kontrollieren und entscheiden, welche Apps wir installieren können. Uploadfilter sollen maßregeln, was wir auf sozialen Medien schreiben und im Internet teilen dürfen. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird untergraben. Das bedroht insbesondere unser Recht auf vertrauliche private und freie öffentliche Kommunikation. Davon sind im digitalen Zeitalter auch andere Grundrechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit abhängig und gefährdet.

Eine technische Umsetzung des Gesetzes ist nur durch den Aufbau einer beispiellosen und undurchsichtigen Überwachungsinfrastruktur möglich, die nicht demokratisch kontrollierbar ist. Die Verantwortung dafür wälzt die EU-Kommission auf private Unternehmen ab und zwingt sie, die Sicherheit und Privatsphäre ihrer Dienste drastisch einzuschränken. Private Nachrichten sollen durch eine fehler- und missbrauchsanfällige „künstliche Intelligenz“ überwacht werden. Das wird unzählige Falschmeldungen von legitimer und legaler Kommunikation erzeugen. Dabei werden Unschuldige in den Fokus der Sicherheitsbehörden gerückt. Das bindet auch Kapazitäten, die für gezielte und effektive Ermittlungen gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder genutzt werden müssten.

Die Chatkontrolle gefährdet insbesondere Personen und Organisationen, die vorrangig auf vertrauliche Kommunikation angewiesen sind: Geschäftsgeheimnisse, ärztliche Schweigepflicht, Anwält*innengeheimnis, journalistischer Quellenschutz, Seelsorge, gewerkschaftliche Aktivitäten, Start-Ups, politischer Protest. Die Sicherheit und Vertraulichkeit der Kommunikation von uns allen werden untergraben und damit zentrale Stützen der Zivilgesellschaft ausgehöhlt. Jugendliche können nicht mehr sicher kommunizieren und Opfern sexualisierter Gewalt wird eine wichtige Möglichkeit genommen, sich vertraulich Hilfe zu suchen.

Wir fordern von allen politisch Verantwortlichen, dass sie den Schutz der freien Meinungsäußerung, der Privatsphäre und der Sicherheit im Internet für alle Menschen sicherstellen, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche. Das blinde Vertrauen in vermeintliche technische „Lösungen“ wird Kinder nicht schützen. Stattdessen muss die EU-Kommission zielgerichtete Alternativen vorlegen und die nötigen Mittel für Prävention und Opferschutz zur Verfügung stellen. Das Überwachungspaket mit der Chatkontrolle wird eine Überwachungsinfrastruktur dystopischen Ausmaßes schaffen und muss verhindert werden.

Liste der Erstunterzeichner:

Algorithmwatch
ArGE Tübingen
Berliner Wassertisch
ChaosComputerClub
D64 e.V.
Dachverband der Fanhilfen e.V.
Digitalcourage
Digitale Freiheit
Digitale Gesellschaft
DVD – Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
FifF – Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
Gesellschaft für Informatik
Giordano-Bruno-Stiftung
Humanistische Union
Humanistische Union Berlin-Brandenburg
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Load e.V.
MOGiS e. V. - Eine Stimme für Betroffene
RAV – Republikanischer Anwält*innen- und Anwälteverein e.V.
Reporter ohne Grenzen
Superrr Lab
Whistleblower Netzwerk
Zwiebelfreunde e.V.

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Überwachung
news-888 Fri, 30 Sep 2022 18:04:04 +0200 Entwurf des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen- Anhalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-des-zehnten-gesetzes-zur-aenderung-des-gesetzes-ueber-die-oeffentliche-sicherheit-und-ordnung-des-landes-sachsen-anhalt-888 RAV-Stellungnahme, 22.9.22 Berichterstatter: RA Michael Plöse

I. Allgemeine Einschätzung

Der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung zielt neben der Einführung kameragestützter Geschwindigkeitsüberwachung auf festgelegten Verkehrsabschnitten als Modellprojekt (Section Control) in erster Linie auf eine Verstetigung und teilweise umfangreiche Erweiterung bislang zu Erprobungszwecken befristeter polizeilicher Eingriffsbefugnisse zur Überwachung, Verhaltenssteuerung und Beweissicherung des als Bedrohung wahrgenommenen „polizeilichen Gegenübers“ von erheblicher Grundrechtsrelevanz. Dabei tritt vor dem Hintergrund zweifelhafter Wirksamkeit und auf ungenügender empirischer Entscheidungsgrundlage die präventive Zielrichtung der gesetzlichen Befugnisse hinter ihrer primär repressiven Praxisbedeutung zurück, was (kompetenz-)verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die mit der im Entwurf vorgeschlagenen deklaratorischen Klarstellung, dass die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten „gleichrangige“ Teilaufgabe der Polizei sei, womöglich retuschiert, aber kaum beantwortet werden können. Dabei fehlen nicht nur wirksame Regelungen zum Schutz von durch Amts- oder Berufsgeheimnis geschützten Vertrauensverhältnissen, sondern auch hinreichende Beteiligungsrechte der Betroffenen, um eine notwendige Erweiterung der Transparenz des polizeilichen Handelns zu erreichen. Damit genügt der Entwurf auch nicht den vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers. Schließlich sollen mit den vorgeschlagenen Befugnissen – nicht nur reflexhaft – auch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden können, wogegen nicht nur systematische, sondern auch durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Die im RAV organisierten Anwältinnen und Anwälte raten daher nicht zu einer Entfristung der Eingriffsbefugnisse und fordern deren unabhängige wissenschaftliche Evaluation auch unter Berücksichtigung ihrer Zusammenwirkung mit anderen Befugnissen unter dem Aspekt einer Überwachungsgesamtbilanzierung.

II. Ausführungen zu den einzelnen Maßnahmen des SOG LSA

1. Verfolgungsvorsorge für künftige Straftaten als Polizeiaufgabe (§ 2 SOG LSA)

Mit der Aufnahme der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten neben deren Verhütung in § 2 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA solle klargestellt werden, dass die Verfolgungsvorsorge gleichrangige Teilaufgabe der Polizei im Rahmen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten sei. Die Regelung hat rein deklaratorische Bedeutung, denn auch bisher schon stellte § 2 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA klar, dass die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten nach Maßgabe der allgemeinen und besonderen Befugnisse des SOG LSA (allein) der Polizei obliegt. Dabei macht die Begründung klar, dass es der Landesregierung in erster Linie um die Weiternutzung von Daten aus Strafverfahren zu polizeilichen Zwecken geht, selbst, wenn das für die Datenverarbeitung Anlass gebende Verfahren bereits abgeschlossen ist (§ 484 Abs. 4 StPO i.V.m. § 23 SOG LSA). Dass auf dieser Grundlage bereits seit Jahren doppelfunktionalen Zwecken dienende Datenbanken von der Polizei betrieben werden, ändert nichts daran, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Verfolgung von Straftaten gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG grundsätzlich beim Bund liegt. Datenerhebung zum Zwecke der Vorsorge zukünftiger Strafverfolgung ist nach insoweit übereinstimmender Rechtsprechung von BVerfG und LVerfG LSA nur soweit zulässig, wie ihr lediglich eine Begleitfunktion gegenüber der vorrangig der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers obliegenden Straftatenverhütung zukommt (BVerfGE 113, 348, 372) bzw. dieser vordergründig präventive Zwecke verfolgt, für seine Regelung jedoch den „Effekt“ einer wirksameren Strafverfolgung „genutzt“ wird (LVerfG LSA, Urteil vom 11. Dezember 2014, LVG 9/13, S. 28 BA). Schon aus diesem Grund kann die Verfolgungsvorsorge keine „gleichrangige Teilaufgabe“ der Polizei im Rahmen der „Vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ gegenüber der Straftatenverhütung darstellen, zumal beide Ziele von ihrer Zweckrichtung her miteinander in Konflikt stehen.

In diesem Licht müssen die im Gesetzentwurf verstetigten Befugnisse betrachtet werden. Denn soweit „Daten […] nur zum Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur Verwertung in einem künftigen Strafverfahren, also zur Strafverfolgung, erhoben“ werden, fällt die Regelung der Erhebung in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers (BVerfGE 113, 348, 370). In diesem Zusammenhang begegnen insbesondere die Befugnisse zu Bild- und Tonaufzeichnungen im Pre-Recording-Verfahren verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Dauerhafter Einsatz von Body-Cam und sonstiger Bild- und Tonaufzeichnungen (§ 16 SOG LSA)

Die Landesregierung empfiehlt die dauerhafte Einführung gesetzlicher Befugnisse zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen im Pre-Recording-Modus zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben der Polizeibeamt*innen oder von Dritten.
Systematisch regelt § 16 SOG LSA die „Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen sowie an gefährlichen Orten und an oder in besonders gefährdeten Objekten sowie zur Eigensicherung“. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs soll der neu gefasste Absatz 3 den Einsatz von Body-Cams regeln, wobei deren Einsatzbereiche gegenüber der im Testbetrieb geltenden Regelung (vgl. § 16 Abs. 3a SOG LSA in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Juli 2017, GVBl. LSA Nr. 12/2017, S. 130) sowohl tatbestandlich erheblich ausgeweitet als auch auf die gesamte Landesfläche erstreckt werden sollen. Dabei lässt die vorgeschlagene Regelung jedoch jegliche Präzisierung der hierbei zum Einsatz kommenden Technik vermissen. Von der Neufassung des Absatz 3 werden nunmehr sowohl Videoaufzeichnungen aus und in Dienstfahrzeugen (Dashcams) sowie in Diensträumen (statische Videoüberwachung) als auch durch mobil am Körper getragene Geräte (Bodycams) im Pre-Recording-Modus bei der Durchführung polizeilicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Verkehrsraum, in Arbeits-, Betriebs-, Geschäfts- und sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen im Sinne von § 43 Abs. 7 SOG LSA erfasst. Nach dem Entwurf würde eine Bereichsausnahme für solchermaßen verhaltenslenkende, offene Videoüberwachung – von § 17 Abs. 6 SOG LSA abgesehen – lediglich noch für die unter den Schutz von Art. 13 GG stehenden Wohnräume sowie Hafträume verbleiben.

a) Fehlerhafte Ausgangspunkte
Wie schon bei ihrer erstmaligen Erprobung 2017 steht die ganz im Bundestrend liegende Diskussion um die Einführung der Body-Cam in Sachsen-Anhalt ganz im Zeichen des von den Polizeigewerkschaften unterstützten Narrativs einer stetigen Zunahme von Gewalttaten gegenüber Dienstkräften. Die hierzu als Beleg angeführte Zunahme einschlägiger Strafverfahren nach dem Bundeslagebild „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten“ des BKA (vgl. Drs. 7/685, S. 18; demgegenüber differenzierend Polizei Sachsen-Anhalt, Abschlussbericht Modellversuch Body-Cams, 2020, S. 6 f.) reflektiert jedoch nur unzureichend die durch gesellschaftlichen Wandel und polizeigewerkschaftliche Politisierung dieses Narrativs gesteigerte Anzeigenbereitschaft, die sie begleitende Veränderung und Ausweitung der strafgesetzlichen Bestimmungen (§§ 113–115 StGB) sowie den engen Zusammenhang zwischen polizeilicher Zwangsausübung und statistisch erfasster Widerstandshandlung – ganz unabhängig vom Ausmaß der konkreten Gefährdung einer Dienstkraft (vgl. Derin/Singelnstein, Die Polizei, S. 157 m.w.N., Arzt, Stellungnahme 5 zur Drs. 7/685, S. 7 ff. m.w.N.). Demgegenüber bleiben die berechtigten Interessen von Betroffenen polizeilicher Zwangs- bzw. Gewaltausübung, die neben der Forderung nach unabhängigen Polizeibeschwerdestellen sehr viel stärker den anglo- amerikanischen Diskurs um die Dokumentation polizeilicher Aufgabenwahrnehmung geprägt haben, weitgehend außer Betracht (vgl. Arzt/Schmidt, Bodycam als Objekt staatlichen Sehens und Zeigens, FS f. T. Feltes 2021, S. 319; Eick/Plöse, Re-Monopolisierung des polizeilichen Blicks?, in: FG f. R. Will 2016, S. 724). Vor diesem Hintergrund wurde aus dem RAV heraus dafür plädiert, bis zu einer Einführung unabhängiger Beschwerdestellen, bei denen das Videomaterial verwahrt, der Zugang für Betroffene und Polizei gleichermaßen sichergestellt und über die Löschung der Daten gewacht wird, auf die Einführung von Body-Cams als ein wichtiger Schritt zur gegenseitigen Abrüstung zu verzichten (Plöse/Eick, BodyCams an Polizeiuniformen, RAV- InfoBrief #112, 2016). Es kam bekanntlich anders.

b) Fehlende Evidenz
Vor diesem Hintergrund erscheint die Auswertung des Modellversuchs Body-Cam im Land Sachsen-Anhalt zwischen 2018 und 2019 beachtlich, die in der mit dieser Technik ausgestatteten Testgruppe nicht nur eine unzureichend signifikante deeskalierende Wirkung (zwischen 1% und 12%), sondern teilweise sogar eskalative Effekte (zwischen 1% und 4%) feststellte, wobei alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Personen (2% bis 15%) von vornherein unberücksichtigt blieben, bei denen nach bisherigen Studien zur Videoüberwachung gerade nicht mit einer gewaltvermindernden Wirkung der Body-Cam zu rechnen ist. Dass ausgerechnet in der Testgruppe gewalttätige Übergriffe gegen Dienstkräfte gestiegen sind, während sie in der nicht mit Kameratechnik ausgestatteten Kontrollgruppe im Modellversuchszeitraum sanken, mag auch auf methodischen Fehlern bei der Vergleichsgruppenbildung beruhen (vgl. Zurawski, Protokoll des Innenausschusses der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18.11.2014, NR . 20/33, S. 34 ff.), liegt jedoch durchaus im Trend aktueller Vergleichsstudien (vgl. Ariel et al., Wearing Body Cameras Increase Assaults against Officers and does not Reduce Police Use of Force, 2016; Pang & Pavlou, Armed with Technology, 2016). Maßgeblich bleibt der Befund, „dass die erhoffte positive Wirkung der Body-Cam in der Verbesserung der Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamten weder in den Zahlen der PKS, noch in der Bewertung der Nutzer sowie aus den Berichten der beteiligten Behörden erkennbar ist“ (Abschlussbericht S. 43; vgl. auch Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Striegel, Drs. 7/6558 vom 03.09.2020, S. 4 f.). Es ist daher nur konsequent, mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz die Geeignetheit der Body-Cam zur Erreichung des gesetzlichen Ziels des Eigenschutzes in Frage zu stellen und die Maßnahme vor dem Hintergrund des mit ihr einhergehenden massiven Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger*innen als nicht gerechtfertigt anzusehen. Zur Erreichung des von der Landesregierung verfolgten Ziels einer verstärkten „gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung“ hat sich der Einsatz von Body-Cams zudem als gänzlich untauglich herausgestellt, wollte man nicht „ausufernde Diskussionen über Sinn und Rechtmäßigkeit der Maßnahme“ sowie ein in Einzelfällen „nur durch das Ausschalten der Kamera“ deeskalierbares aggressives Verhalten (Abschlussbericht S. 36) als Beiträge in diesem Sinne verstehen.

Für die im RAV organisierten Anwält*innen ist es nicht nachvollziehbar, dass sich dieser Befund durch eine gesetzliche Ausweitung der Einsatzbereiche der Body- Cam verbessern soll. Vielmehr wird ein verfassungsrechtlich hoch problematisches und gesellschaftspolitisch riskantes Sozialexperiment auf die wesentlichen Bereiche des sozialen Lebens ausgeweitet sowie die mit dem panoptischen Blick der Polizei einhergehende Definitionsmacht über Lebensräume einseitig aufgerüstet. Dies lehnen wir ab.

c) Fehlende Verfassungsmäßigkeit
Die vorgeschlagene Regelung ist zudem unbestimmt und trägt den von Verfassungs wegen beachtlichen schutzwürdigen Belangen der Betroffenen nicht ausreichend Rechnung. Die vorgelegte Neufassung von § 16 Abs. 3 SOG LSA erlaubt Bild- und Tonaufzeichnungen – scheinbar – anlasslos an oder in den zugelassenen Einsatzorten im Pre-Recording-Modus als kurzzeitige technische Erhebung (§ 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SOG LSA-E), d.h. als bis zu zwei minütige Speicherung (§ 16 Abs. 3 S. 2 SOG LSA-E). Im Modellbetrieb war der Einsatz noch auf – durch andere gesetzliche Ermächtigungen legitimierte – Maßnahmen der Identitätsfeststellung beschränkt gewesen. Damit geht die gesetzliche Ermächtigung auch insofern über den Modellbetrieb hinaus, als durch die tatbestandliche Beschränkung auf IDF- Maßnahmen ein Betrieb der Geräte im Pre-Recording-Modus mit dem Beginn solcher Maßnahmen zusammenfiel. Nunmehr ist für den Pre-Recording-Betrieb der Body-Cam nur noch das Erfordernis einer Diensthandlung – „Maßnahme“ im Gegensatz zur schlichten-hoheitlichen Handlung (z.B. Streifendienst) – sowie eine Beschränkung des Einsatzraums auf nicht unter den Schutz von Art. 13 GG fallende Räume vorgesehen. Auch wenn derartige „Erhebungen“ nach spätestens zwei Minuten automatisch zu löschen sind, rückt die „mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ unvereinbare Dystopie einer Gesellschaftsordnung, in der Unsicherheit darüber besteht, ob „abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden“ (BVerfGE 65, 1, 43), in greifbare Nähe. Vor diesem Hintergrund erscheint nicht nur die Dauer der Pre-Recording-Funktion mit 2 Minuten unverhältnismäßig lang. Die Formulierung „höchstens“ legt zudem nahe, dass der Dienstkraft hier ein Ermessen über die Dauer des Pre-Recording-Verfahrens im Einzelfall zukommen soll (so auch die Stellungnahme der Landesregierung in Drs. 8/1231, S. 8), was weder sinnvoll noch realistisch ist und dem Charakter der „automatischen“ Löschung entgegensteht.
Auch Verordnungsermächtigungen, die eine abstrakt-generelle Regelung durch das zuständige Ministerium erlauben würden, sind nicht erkennbar.

Aus Gründen der Normenklarheit und Normenwahrheit sollte bereits die gesetzliche Formulierung deutlich machen, dass mit der Erhebung zugleich eine (jedenfalls) kurzzeitige Speicherung verbunden ist, auch wenn der Begriff der „Aufzeichnung“ dies nahelegt (vgl. aber die Unterscheidung zwischen Aufzeichnung und Aufnahme in § 16 Abs. 2 SOG LSA sowie in § 18 Abs. 1 und 4 VersammlG LSA). Soweit dieser Begriff nach der Gesetzesbegründung (S. 19) „auch die Befugnis zur Übertragung des Bild- und Tonsignals an eine Lage- und Führungsstelle der Polizei“ umfassen soll, kann dies nicht nachvollzogen werden. Eine solche Befugnis erschließt sich weder aus dem systematischen Zusammenhang des Begriffs zu anderen Regelungen des SOG LSA (insbesondere § 22 SOG LSA) noch im Hinblick auf die Begriffsbestimmungen in § 2 DSUG LSA. Sie widerspricht aber vor allem dem teleologischen Verständnis der Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 2 SOG LSA, wonach eine automatisierte Löschung innerhalb von 2 Minuten zu erfolgen hat, was regelmäßig nur sichergestellt werden kann, wenn die Daten nicht zwischenzeitlich ausgeleitet und auf einem anderen Server (zwischen-)gespeichert werden.
Regelungen zum Schutz der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträger*innen (vgl. § 17 Abs. 4d SOG LSA) fehlen gänzlich, sind aber von Verfassung wegen erforderlich, wenn die Body-Cam im betriebsbereiten Einsatz auch in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen während der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeiten zum Einsatz kommen dürfen soll. Dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Räume (erkennbar) der Ausübung entsprechender Tätigkeiten gewidmet sind, die dem Schutz von durch Amts- oder Berufsgeheimnis geschützten Vertrauensverhältnissen unterfallen (z.B. Anwält*innenkanzleien, Ärzt*innenpraxen oder Kliniken), oder ob die berufliche Tätigkeit im öffentlichen Verkehrsraum durchgeführt wird (vgl. etwa § 33a Abs. 5 Satz 2 PAG Thüringen).

Soweit im Pre-Recording-Modus auch Tonaufzeichnungen erlaubt werden sollen, verlässt dies vor dem Hintergrund der zwischen 1% und 3% liegenden Abschreckungswirkung des Kurzspeichermodus den Bereich der präventiven Funktionalität. Dies wird schon dadurch deutlich, dass eine dauerhafte Aufzeichnung nach § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SOG-LSA-E aufgrund „verbaler Ungebühr“ (vgl. Abschlussbericht, S. 38) regelmäßig ausscheidet, weil von ihr allein keine Gefahr für Leib oder Leben der Polizeikräfte oder Dritter ausgehen kann, mögen ihr auch „tatsächliche Anhaltspunkte“ hierfür entnommen werden können; daher kommt für sie allenfalls eine Speicherung auf der Grundlage der StPO in Betracht.
Entsprechend wurden die gesicherten Aufnahmen im Probezeitraum 2018/2019 in mindestens 22 Fällen zur Verfolgung von Beleidigungsdelikten weiterverwendet (vgl. Anlage 4 zum Abschlussbericht). Damit erfolgt die Tonaufnahme allerdings allein „zum Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur Verwertung in einem künftigen Strafverfahren, also zur Strafverfolgung,“ welche außerhalb der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers für das Polizeirecht liegt.

d) Unzulässige Ausweitung auf Versammlungsgeschehen
Soweit die Gesetzesbegründung den Einsatz von Body-Cams ausdrücklich auch neben § 18 VersammlG LSA „in einer Versammlung“ eröffnen möchte und dies durch die Wahrung des Zitiergebots in § 2 des Gesetzentwurfes unterstreicht, widerspricht dies nicht nur systematischen Gründen; es ist auch – anders als die Landesregierung nahelegt – mit der Rechtsprechung des BVerfG und des LVerfG LSA nicht vereinbar. § 18 VersammlG LSA erlaubt die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen von Teilnehmenden bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.
Demgegenüber soll es nach § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SOG LSA-E genügen, dass sich die Versammlung z.B. im öffentlichen Verkehrsraum oder in der Öffentlichkeit zugänglichen Räumlichkeiten aufhält und die Polizei dort Maßnahmen trifft. Bereits durch das Pre-Recording-Verfahren werden personenbezogene Daten erhoben, (kurzzeitig) gespeichert und potentiell für eine dauerhafte Speicherung bis zu 2 Minuten bereitgehalten. Damit verfolgt die Landesregierung ausdrücklich verhaltenslenkende Zwecke (vgl. auch Arzt, in: Reeder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, § 19a Rn. 19). Die typischerweise von derartigen Überwachungsmaßnahmen ausgehenden Chilling effects berühren jenen Bereich legitimer staatsbürgerlicher Paranoia, den das BVerfG ausdrücklich in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbststimmung einbezieht, wenn es davon ausgeht, dass „wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, […] möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten“ wird (BVerfGE 65, 1, 43).
Insoweit verkennt die Landesregierung den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich von Art. 8 Abs. 1 GG als ein grundsätzlich staatsfreies und unreglementiertes Freiheitsrecht (BVerfGE 69, 315, 349) grundlegend, wenn sie in der Gesetzesbegründung (S. 20) ausführt, „von der Durchführung von Bildaufzeichnungen zur Eigensicherung [gehe] keine spezifische Abschreckungswirkung in Bezug auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus“. Dabei kann sie sich insbesondere nicht auf die Begründung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts LSA vom 11. November 2014 berufen. Dieses hatte sich ausgehend von Befugnissen nach § 11 Nr. 7 SOG LSA lediglich zu Videoaufzeichnungen an Kontrollstellen „auf dem Weg zu Versammlungen“ geäußert und hier unter der Voraussetzung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben von Polizeikräften lediglich eine „Reflexwirkung“ durch die zu Abschreckungszwecken erfolgende offene Videoüberwachung im Verkehrsgeschehen angenommen, die „keine zusätzliche Abschreckungswirkung in Bezug auf die Versammlungsteilnahme“ erzeuge (S. 30 BA). Eine solche ist jedoch mit einer im Pre-Recording-Modus mitgeführten Body-Cam, deren Aufnahme- und Speichertätigkeit im Versammlungsgeschehen für die Teilnehmenden kaum nachvollzogen werden kann, durchaus anzunehmen. Insofern ist schon zu bezweifeln, dass es sich bei einer Body-Cam im Versammlungsgeschehen noch um eine offene Datenerhebung handelt (vgl. Arzt, a.a.O., § 19a Rn. 36).

Anders als bei dauerhaft gespeicherten Erhebungen nach § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SOG LSA-E, die regelmäßig auch die Schwelle des § 18 Abs. 1 VersammlG LSA überschreiten, werden im Pre-Recording-Modus auch keinesfalls Personen aufgenommen, die sich in Folge eigener Gewalttätigkeit nicht mehr auf den Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG berufen könnten. Die Auffassung der Landesregierung steht auch in Widerspruch zum Stand der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. So stehen bei der Rechtsprechung des OVG NRW im Versammlungsgeschehen Aufzeichnungen in Frage, welche „die gesamte – möglicherweise emotionsbehaftete – Interaktion der Teilnehmer optisch fixieren und geeignet sind, Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen zu geben. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken.“ Dies gelte ausdrücklich auch für „flüchtige“, d. h. nicht (dauerhaft) gespeicherte Aufnahmen bzw. Bildübertragungen (Beschluss vom 13.03.2020 - 15 B 332/20 -, Rn. 13 und 15). Nach Auffassung des RAV sollte der Einsatz von Body-Cams in Versammlungsgeschehen ausdrücklich ausgeschlossen werden.

e) Fehlende Betroffenenrechte
Unzureichend ist der Entwurf von § 16 Abs. 3 und 6 SOG LSA schließlich hinsichtlich der Sicherungen der erhobenen Daten gegen Manipulationen durch Beteiligte; außerdem fehlen signalgebende Vorschriften zum Betroffenenschutz. Bei der Einführung der Body-Cam wird der Aspekt der Erweiterung der Transparenz des polizeilichen Handelns immer wieder betont (vgl. Abschlussbericht S. 5 m.w.N.). Durch die gefertigten Aufzeichnungen unterlägen Beschwerden gegen behördliche Maßnahmen, „sowohl seitens der Polizei als auch der Öffentlichkeit einer besseren Überprüfbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Beurteilung.“ (ebd.) Dies setzt jedoch voraus, dass der den Bild- und Tonaufzeichnungen zugeschriebene Sicherungseffekt nicht nur einseitig zugunsten von Dienstkräften zur Wirkung kommt, sondern mit dem Ziel der Transparenz polizeilicher Handlungen als hoheitliche Maßnahmen, die im besonderen Maße den Diskriminierungsverboten des Art. 3 GG unterfallen, auch ein subjektiv-öffentlicher Anspruch von Betroffenen polizeilicher Maßnahmen begründet wird, die Einschaltung der Recording-Funktion der Body-Cam verlangen zu können. In diesem Fall begegneten auch Tonaufzeichnungen im Pre-Recording-Modus keiner kompetenziellen Regelungssperre des Landesgesetzgebers, weil dieser nicht nur den Schutz von Leib und Leben der Dienstkräfte bezweckte, sondern den Schutz der Betroffenen gegen „verbale Ungebühr“ seitens der Dienstkräfte. Dies setzt ferner voraus, dass die erhobenen Aufnahmen nach ihrer Speicherung weder von den am Einsatz beteiligten Dienstkräften noch ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten gelöscht oder verändert werden können und die Betroffenen auch in realistischer zeitlicher Distanz noch ein ausdrückliches Recht zur Einsicht und Sicherung ihrer Daten haben (Sperrung bzw. Einschränkung).

Polizeigesetze anderer Länder sehen daher eine Aufzeichnungspflicht auch auf Verlangen der von der polizeilichen Maßnahme Betroffenen (vgl. etwa § 33a Abs. 5 S. 5 PAG Thüringen) bzw. eine Aufzeichnungsobliegenheit bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs (vgl. etwa § 24c Abs. 2 S. 1 ASOG Bln) vor, ferner Vorkehrungen gegen eine Veränderung der Aufzeichnungen (vgl. § 24c Abs. 4 S. 1 und 2 ASOG Bln). Zwar steht den Betroffenen in Sachsen-Anhalt über § 32c SOG LSA i.V.m. §§ 13, 14 DSUG LSA ein (beschränktes) Auskunftsrecht über die sie betreffenden Daten zu, dieses ist jedoch regelmäßig an das LKA zu richten. Die kurze Sperrzeit von 3 Monaten in § 16 Abs. 6 SOG LSA-E würde es aus anwaltlicher Sicht erforderlich machen, eine längere Speicherung im Interesse des Betroffenen vorsorglich im Eilverfahren gerichtlich durchzusetzen, insbesondere, wenn Betroffene bis dahin keine Einsicht erhalten haben. Hier sollte in der Befugnisnorm selbst ein direkter Anspruch für die Betroffenen auch als Rechtsgrund für eine einschränkende Datenspeicherung „für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen“ (vgl. § 24c Abs. 4 S. 3 Nr. 2 ASOG Bln) vorgesehen werden.


3. Einführung von Section Control als Modellprojekt (§ 16a SOG LSA)

Auch die Einführung kameragestützter stationärer Geschwindigkeitskontrollen stellt einen Beitrag zur Ausweitung der Überwachungstechnologie dar und unterliegt somit nicht nur im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besonderen Rechtfertigungsanforderungen. Der vorliegende Entwurf eines neuen § 16a SOG LSA übernimmt dabei weitgehend die erstmals in Niedersachen eingeführte Rechtsgrundlage des § 32 Abs. 6 NPOG, die zunächst das OVG Lüneburg als Maßnahme zur Verhinderung von Unfallgefahren in Folge von Geschwindigkeitsübertretungen für kompetenzrechtlich unproblematisch und hinreichend bestimmt erachtet hatte (Urteil vom 06.10.2020, 11 LC 149/16), was das BVerwG bestätigt (Beschluss vom 31.07.2020, BVerwG 3 B 4.20) und das BVerfG nicht zum Anlass für eine eigene Entscheidung genommen hat. Begrüßenswert sind insoweit die gesetzlichen Vorgaben zur Datensparsamkeit in Abs. 2 sowie die ministeriale Berichtspflicht gegenüber dem Landtag. Letztere sollte allerdings nicht einmalig, sondern periodisch erfolgen. Da sich die Einrichtung der Abschnittskontrollen finanziell nicht selbst tragen (z.B. durch eingenommene Bußgelder bei festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen) und vordergründig dem Schutz von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmenden zu dienen bestimmt sind, wird empfohlen, die Datenerhebung durch Abschnittskontrollen unter einen Erforderlichkeitsvorbehalt zu stellen, in dem diese auf unfallbelastete Verkehrsabschnitte beschränkt werden. In der Umsetzung wird darauf zu achten sein, dass die gesetzlich vorgesehenen Hinweise rechtzeitig und nachvollziehbar über die Maßnahme informieren und mehrsprachig gestaltet sind. Ferner fordern die vom RAV vertretenen Rechtsanwält*innen, dass die vor Durchführung der Maßnahme nach § 23 DSUG LSA anzufertigende Datenschutzfolgenabschätzung veröffentlicht, das Modellprojekt zeitlich befristet und eine Evaluationspflicht vorgesehen wird.


4. Dauerhafte Befugnis der elektronischen Fußfessel zur Abwehr von terroristischen Straftaten (§§ 36c und 106 SOG LSA)

Die präventivpolizeiliche elektronische Aufenthaltsüberwachung wird von den durch den RAV vertretenen Anwält*innen grundsätzlich abgelehnt. Es handelt sich um eine tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifende Maßnahme. Die Person, die eine derartige Fessel trägt, weiß, dass jeder ihrer Schritte nachvollzogen werden kann.
Die Betroffenen sind dieser Beobachtung rund um die Uhr unausweichlich ausgesetzt, was – auch empirischen Studien zufolge – zu psychischen Problemen führen kann. Diese Maßnahme führt auch zur Stigmatisierung, da die Geräte für andere Menschen in der Umgebung wahrnehmbar sind (Luczak, Stellungnahme RAV zum Gesetzentwurf des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, 17.9.19).

Soweit das BVerfG elektronische Fußfesseln im Bereich der Führungsaufsicht im Strafvollstreckungsverfahren für verfassungskonform hält (vgl. BVerfGE 156, 63), konnte es hierbei jedoch von der zur Verurteilung führenden Anlasstat des Betroffenen als Grundlage der erforderlichen Prognose über seine Gefährlichkeit in Bezug auf bestimmte Rechtsgüter ausgehen. Demgegenüber erlauben §§ 36a, 36c SOG LSA den Einsatz elektronischer Fußfesseln bereits bei einer konkreten Wahrscheinlichkeit einer in absehbarer Zeit begehbaren terroristischen Straftat und weiten die Zulässigkeit dieser Beschränkung weit ins Vorfeld einer konkreten Gefahr auch gegenüber nicht vorbestraften Personen aus. Dabei weitet der Katalog des § 3 Nr. 5 SOG LSA das begriffliche Verständnis dessen, was als terroristische Straftat erfasst sein soll, weit in Deliktsgruppen der allgemeinen Kriminalität aus (z.B. §§ 211, 212, 224, 226, 227 StGB), wenn diesen eine Nähe zu terroristischen Aktivitäten zukommt. Damit hat die gesetzliche Regelung ihre an den Grundrechten orientierte Beschränkungsfunktion weitgehend verloren und erweist sich als unverhältnismäßig.

Dabei sind derartige Prognosen stigmatisierungsanfällig (vgl. BVerfGE 115, 320, 351) und durch eine „hohe Ambivalenz der potenziellen Bedeutung einzelner Verhaltensumstände geprägt“ (BVerfGE 113, 348, 377). Da der Eingriff sich auf mögliche zukünftige Aktivitäten bezieht, kann er sich häufig nur auf Tatsachen stützen, bei denen noch offen ist, ob sie sich zu einer Rechtsgutverletzung weiterentwickeln (vgl. BVerfGE 110, 33, 59), während die mit der polizeilichen Entscheidung einhergehenden Freiheitsbeschränkungen stets unmittelbar wirksam und Verstöße hiergegen strafbewährt sind (vgl. § 106 SOG LSA). Im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind, haben auch Personen das Tragen einer Fußfessel zu dulden, von denen tatsächlich gar keine Gefahr ausgeht.

Dass von dieser weitgehenden Befugnis im Probezeitraum nur in einem Anwendungsfall für eine relativ kurze Dauer Gebrauch gemacht wurde, spricht einerseits für einen zurückhaltenden Gebrauch dieser Befugnis, wirft andererseits aber auch Fragen nach ihrer Erforderlichkeit auf. Das BVerfG hat daher den Gesetzgeber in der Fußfessel-Entscheidung dazu verpflichtet, „die spezialpräventiven Wirkungen und technischen Rahmenbedingungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung empirisch zu beobachten und das gesetzliche Regelungskonzept gegebenenfalls den dabei gewonnenen Erkenntnissen anzupassen“ (BVerfGE 156, 63, 64, Leitsatz 4 und 123 ff.). Vor diesem Hintergrund fordern die im RAV organisierten Anwält*innen, nicht nur die §§ 36c und 106 SOG LSA nicht zu entfristen, vielmehr die Befristung auch auf die §§ 36a und 36b SOG LSA auszuweiten und auch hier eine begleitende Evaluationspflicht durch unabhängige wissenschaftliche Institutionen einzuführen.

Die StN als PDF

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Sachsen Anhalt Versammlungsrecht Stellungnahmen
news-887 Fri, 30 Sep 2022 15:50:56 +0200 Fluchtwege nicht weiter einschränken!<br />Kommission verschärft Lage für aus Russland fliehende Menschen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluchtwege-nicht-weiter-einschraenkenkommission-verschaerft-lage-fuer-aus-russland-fliehende-menschen-887 Gemeinsame Pressemitteilung von Pro Asyl und RAV, 30. September 2022 In einer Pressekonferenz am Freitag kündigt Kommissarin Ylva Johansson neue Verschärfungen für die Einreise von russischen Staatsangehörigen an. Insbesondere sollen Mitgliedstaaten laut dem neuen Leitfaden der Kommission weiterhin keine Visumsanträge von Russ*innen annehmen, die bereits in einen Drittstaat geflüchtet sind. Damit verlangt die Kommission, dass die Menschen in Russland in der Falle warten sollen bis über einen Visumsantrag entschieden ist, kritisieren PRO ASYL und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

Während Johansson mehrfach in der Pressekonferenz wiederholt, dass der neue Leitfaden nicht das Recht auf Asyl beeinträchtigt, so geht dies am Kern des Problems vorbei. Wenn kein Zugang zur EU besteht, dann können Kriegsdienstverweiger*innen, Oppositionelle oder Journalist*innen auch keinen Asylantrag stellen.

Viele Kriegsgegner*innen scheitern bislang an einer Flucht. Die Hürden, um Schutz in Deutschland und Europa zu bekommen, sind hoch. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Organisationen deswegen tatsächliche Fluchtwege und Schutz der Menschen, die sich dem verbrecherischen Regime und Krieg entziehen wollen:

Lasst sie rein! Für ein Recht zu kommen und zu bleiben.

Den Kriegsgegner*innen in Russland muss jetzt und ohne Ausreden Schutz gewährt werden!

Gegenwärtig gilt: Die restriktive und langwierige Praxis der Visavergabe an deutschen Botschaften und Konsulaten verhindert die legale Einreise. Die, die es bis nach Deutschland schaffen, sind im Rahmen des Dublin-Verfahrens von Verzögerung und Abschiebung in europäische Nachbarstaaten bedroht. Die Asylverfahren dauern zu lange. Die aktuelle Verfolgungsgefahr in der Russischen Föderation wird zudem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang regelmäßig verkannt.

Wir fordern: Handelt jetzt!

Es darf kein zweites Afghanistan geben, kein erneutes Versagen der bundesdeutschen und europäischen Asyl- und Aufnahmepolitik. Es ist dringend notwendig, entschlossen zu handeln und russischen Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und Menschen, die gegen den Krieg sind, jetzt Schutz zu bieten, wie es auch bei Ukrainer*innen geschehen ist.

Die Bundesregierung muss entsprechend ihrer humanitären Verantwortung und den menschenrechtlichen Verpflichtungen handeln. Den Ankündigungen von Regierungsmitgliedern, denen Schutz zu gewähren, die sich dem Krieg entgegenstellen, müssen effektive Taten folgen.

Effektiver Schutz bedeutet zum einen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss sich im Hinblick auf die am 22. September 2022 von Putin erklärte Teilmobilmachung positionieren und seine Anerkennungspraxis transparent machen.

Damit der Umgang mit schutzsuchenden Menschen in und aus Russland nicht zu einem weiteren Versagen führt, braucht es jetzt eine effektive und unbürokratische Praxis in den Botschaften und Konsulaten ebenso wie im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Deutschland kann nicht auf eine europäische Lösung warten, sondern muss voranschreiten.

Wir rufen in Erinnerung: Ein Recht auf Schutz besteht nicht erst dann, wenn Verfolgung bereits erfolgt ist. Das Recht auf Schutz bedeutet, sich vor dem Erleiden von Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Schutz benötigen all diejenigen, die gegen den Krieg und somit aus Sicht des russischen Regimes Feind*innen sind.

Gleichzeitig gilt: Eine Flüchtlingspolitik, die sich an den kurzfristigen Aufmerksamkeitsspannen für Krisensituationen orientiert, ist abzulehnen. Tagtäglich sterben Flüchtlinge oder verzweifeln auf der Balkan-Route, an der belarussisch-polnischen Grenze, in griechischen Flüchtlingslagern oder in den libyschen Folterlagern. Push-Backs erfolgen systematisch mit dem Wissen und der Zustimmung, zumindest aber dem  tatenlosen Zuschauen aller europäischen Regierungen.

Wir fordern: Flüchtlinge müssen Zugang zum Recht auf Schutz haben. Die Verletzung dieses flüchtlingspolitischen Grundsatzes muss umgehend beendet werden.

Wir fordern von der Bundesregierung und den Landesregierungen:

Pressekontakte:
Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Tel. 030-24 72 40 90
Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Tel. 030-25 29 87 77

Frankfurt, Berlin, 30.9.22

PM als PDF

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Migration & Asyl
news-886 Tue, 27 Sep 2022 12:00:49 +0200 Wohnungen sichern durch effektiven Kündigungsschutz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wohnungen-sichern-durch-effektiven-kuendigungsschutz-886 Offener Brief an Bundesjustizminister Dr. Buschmann, 28.9.22 Pressemitteilung dazu, 28.9.22 Siehe auch die Pressemitteilung vom gleichen Tag hier unter dem Brief oder auch hier als PDF

An

Herrn Bundesminister der Justiz
Dr. Marco Buschmann
Mohrenstraße 37
10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Buschmann,

bei den aktuellen Überlegungen zur Verbraucherentlastung müssen die Mieter*innen besonders in den Blick genommen werden. Bereits jetzt zeichnen sich hohe Sprünge bei den Warmwasser- und Heizkosten ab, die die Zahlungskraft dieser Menschen in wenigen Monaten zusätzlich stark beeinträchtigen werden. In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Zahlungsverzugskündigung eines der brisantesten wohnungspolitischen Problemfelder.

Mietschulden gezahlt – Wohnung trotzdem verloren. Das darf nicht sein!

Wenn Mietzahlungen von Mieter*innen (teilweise) ausbleiben, wird von Vermieterseite regelmäßig sowohl eine fristlose als auch hilfsweise eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen.

Die bestehende gesetzliche Regelung gibt den Mieter*innen die Möglichkeit, innerhalb einer Schonfrist von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage den gesamten Mietrückstand auszugleichen und die fristlose Kündigung des Mietvertrages so unwirksam zu machen. Damit sollen die Mieter*innen trotz kurzzeitiger Zahlungsschwierigkeiten ihre Wohnung sichern können und gleichzeitig die Interessen der Vermieter*innen gewahrt werden.

Diese „Heilung“ wirkt sich nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nur auf die fristlose Kündigung aus. Eine zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, die auf dem gleichen Zahlungsrückstand beruht, bleibt hingegen wirksam.

Besonders in angespannten Wohnungsmärkten wird häufig wegen höherer Wiedervermietungsmieten von Vermieter*innen jede Möglichkeit genutzt, den Mietvertrag zu kündigen. Hierdurch geraten Personen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind, unter den enormen Druck drohender Wohnungslosigkeit.

Ein Mietrückstand kann aber auch die Folge berechtigter Streitigkeiten um Mietminderungen, Mieterhöhungen nach Modernisierung oder Nachzahlungen von Betriebskosten sein. Die Kündigungsdrohung verschiebt solche Konflikte einseitig zu Lasten der betroffenen Mieter*innen. Darüber hinaus hebelt diese Rechtslage die sozialrechtlichen Schutzvorschriften zur Verhinderung von Obdachlosigkeit aus. Denn Mieter*innen können von den Sozialleistungsbehörden die Übernahme ihrer Mietschulden nur verlangen, wenn dadurch Wohnungslosigkeit vermieden wird. Da die Nachzahlung eine fristgerechte Zahlungsverzugskündigung aber nicht heilen kann, verweigern die Sozialleistungsbehörden regelmäßig die Übernahme von Mietschulden.

Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig

Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dieses Problem zu lösen. Durch Inflation und Energiekostenexplosion steigen die finanziellen Herausforderungen für Mieter*innen erheblich. Es wird vermehrt zu Mietrückständen kommen und betroffene Mieter*innen werden die dann drohenden Zahlungsverzugskündigungen nicht heilen können. Wenn dann aufgrund möglicherweise nur kurzfristiger finanzieller Engpässe das Mietverhältnis dauerhaft verloren ist, droht vielen Menschen die Wohnungslosigkeit. Das hätte ernste soziale Probleme für die ganze Gesellschaft zur Folge.

Handeln Sie schnell! Stellen Sie gesetzlich klar, dass sich die „Heilungswirkung“ bei Begleichung aller Mietschulden auch auf die ordentliche Kündigung erstreckt. Der vergangene Wahlkampf hat bewiesen, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen und das Mietrecht zu den wichtigsten politischen Themen gehören. Die bereits vorliegenden Bundesratsinitiativen aus Hamburg, Brandenburg und Berlin könnten hierfür aufgegriffen werden.

Mit erwartungsvollen Grüßen

Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Berlin
Berliner Mieterverein
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Gewerkschaftsbund
Deutscher Mieterbund
Deutscher Mieterbund NRW
Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe
Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe
im Deutschen Caritasverband
Mieter helfen Mietern – Hamburger Mieterverein
Mieter helfen Mietern – Münchner Mieterverein
Mieter helfen Mietern – Nürnberger MieterInnengemeinschaft
Mieter/-innen-Schutzverein Münster und Umgebung
Mieterbund Darmstadt Region Südhessen
Mieterladen Hannover
Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend
Mieterverein Dortmund und Umgebung
Netzwerk Mieten & Wohnen
Neue Richtervereinigung
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Straßenmagazin bodo in Dortmund und Bochum

Der Brief als PDF

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Pressemitteilung vom 28.9.22

Eine deutliche Verbesserung des Kündigungsschutzes für Wohnungsmieter*innen ist dringend nötig

Offener Brief von Mietervereinen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Jurist*innenverbänden an Justizminister Dr. Marco Buschmann

Steigende Energiepreise und eine hohe Inflation bringen viele Menschen an ihre finanziellen Belastungsgrenzen. Spätestens mit den nächsten Heizkostenabrechnungen drohen Zahlungsrückstände, die im schlimmsten Fall zur Kündigung des Mietverhältnisses führen können, so dass vielen Menschen der Verlust von Wohnraum drohen könnte. »Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig« fordern daher Mieter*innenvereine, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Jurist*innenverbände in einem gemeinsamen Offenen Brief  an den Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann. Zwar diskutiert die Bundesregierung derzeit einen temporären Schutz durch Kündigungsmoratorien. Das ist aus Sicht der Unterzeichner*innen des offenen Briefes nicht genug: Viel wichtiger wäre die Möglichkeit, eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs durch Ausgleich des Mietrückstands abzuwenden.

Bislang kann durch eine Nachzahlung des Mietrückstands nur die fristlose Kündigung geheilt werden, während die oft gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen bleibt. Der Wohnungsverlust droht dann ein paar Monate später, obwohl der Mietrückstand beglichen wurde.

Benjamin Raabe, RAV:
»Es besteht hier dringender Handlungsbedarf. Die Möglichkeit, eine Zahlungsverzugskündigung durch Ausgleich der Mietrückstände auszugleichen, gibt es seit nahezu 100 Jahren. Im Bedarfsfall zahlten die Wohlfahrtsbehörden, die übrigens von den Mietgerichten in jeder einzelnen Räumungsklage informiert werden. Seit der BGH-Entscheidung läuft dieses bisher gut funktionierende Schutzsystem leer. Alle, die damit beruflich zu tun haben, fordern eine Reform – übrigens auch der Bundesgerichtshof.«

Dr. Rainer Tietzsch, Berliner Mieterverein:
»Das Problem ist seit langem bekannt. Immer wieder haben Mieter*innen und Sozialverbände auf das Problem hingewiesen. In drei Bundesratsinitiativen wurde das Problem thematisiert – bislang erfolglos. Auf Grund der Energiepreissteigerung und der davon galoppierenden Inflation wird der Handlungsbedarf deutlicher denn je.«

Werena Rosenke, BAG Wohnungslosenhilfe e.V.
»Jeder Wohnungsverlust muss verhindert werden, daher hat der Gesetzgeber dafür zu sorgen, dass bei einer Mietschuldenbefriedigung nicht nur die außerordentliche Kündigung, sondern auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses geheilt ist. Wir erwarten, dass die im Koalitionsvertrag versprochene Änderung im Mietrecht umgesetzt wird.«

Hier der Offene Brief an den Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann.

Kontakte:
Rechtsanwalt Benjamin Raabe, raabe@jrr-berlin.de, 030-780 96 66 20
Rechtsanwalt Henrik Solf,  solf@schoenhauser.berlin, 030-442 93 86

PM als PDF

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Kündigungsschutz Mietrecht
news-885 Mon, 19 Sep 2022 18:41:45 +0200 Privatsphäre ist Grundrecht<br />Keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/privatsphaere-ist-grundrecht-keine-anlasslose-vorratsdatenspeicherung-von-ip-adressen-885 Offener Brief des AK-Vorrats und weiteren zeichnenden Organisationen/Personen an Innenministerin Faeser, Justizminister Buschmann, Familienministerin Paus sowie an Bundesvorsitzende von SPD, Grüne und FDP, 19.9.2022 Die aktuellen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung, deren Anwendung seit Juli 2017 nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ausgesetzt sind, verpflichten öffentlich zugängliche Internetzugangsdienste zur pauschalen Speicherung aller IP-Adressen, die den Endnutzer:innen für eine Internetnutzung zugewiesen wurden, inklusive einer eindeutigen Kennung des Anschlusses, einer zugewiesenen Benutzerkennung sowie Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung. Im Falle von Internet-Sprachkommunikationsdiensten müssten auch die IP-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und die zugewiesene Benutzerkennungen gespeichert werden.

Am 20. September wird der Gerichtshof der Europäischen Union seine Entscheidung über das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verkünden. In den darauf folgenden Monaten geht es um die Erfüllung des Koalitionsvertrags [1]. Die Bundesregierung will sich laut Vertrag von der Überwachungspolitik der Vorgängerregierung konsequent abwenden und die „Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.“

Koalitionsvertrag einhalten!
Der Koalitionsvertrag schließt jede Form der anlasslosen Speicherung der Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger aus. Das betrifft auch die von der Bundesinnenministerin erhobene Forderung [2] nach der Einführung einer anlasslosen und pauschalen IP-Vorratsdatenspeicherung. Wir rufen Sie auf, die Versprechen des Koalitionsvertrags gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einzuhalten!

Schwerer Eingriff in die Grundrechte: IP-Daten bedingen Verfolgung und Profilbildung von Menschen
Regierungen, Parlamente und große Teile der Bevölkerung unterschätzen das Risiko von IP-Adressen für das tägliche Leben. In seinem Urteil aus Oktober 2020 (La Quadrature du Net) betont der EU-Gerichtshof die Sensibilität von IP-Daten: „Da die IP-Adressen jedoch insbesondere zur umfassenden Nachverfolgung der von einem Internetnutzer besuchten Internetseiten und infolgedessen seiner Online-Aktivität genutzt werden können, ermöglichen sie die Erstellung eines detaillierten Profils dieses Nutzers. Die für eine solche Nachverfolgung erforderliche Vorratsspeicherung und Analyse der IP-Adressen stellen daher schwere Eingriffe in die Grundrechte des Internetnutzers aus den Art. 7 und 8 der Charta dar und können abschreckende Wirkungen wie die in Rn. 118 des vorliegenden Urteils dargelegten entfalten.
Zuletzt bestätigte eine Studie[3] zu Privatsphäre und IPv6-Adressen, dass IP-Adressen trotz Vorkehrungen zum Datenschutz eindeutige und dauerhafte Tracking-Identifikatoren sein können.

IP-Vorratsdatenspeicherung ist ungeeignet für den Schutz von Kindern
In Deutschland werden Forderungen nach massenhafter Speicherung von Kommunikationsdaten hauptsächlich mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt begründet. Im November 2021 hatte der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung gemeinsam mit zehn weiteren Bürgerrechts- und Berufsverbänden dargelegt, warum Vorratsdatenspeicherung zum Schutz von Kindern ungeeignet [4] ist. Im Januar 2022 bestätigte eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage zudem, dass Vorratsdatenspeicherung nicht notwendig ist. Laut Daten des Bundeskriminalamts [5] konnten nur 3 % alle Fälle der „Nutzung, des Handels oder der Verbreitung von Kinderpornographie in den Jahren 2017 bis 2021“ aufgrund nicht vorhandener IP-Adressen nicht weiter verfolgt werden.
Im April 2022 kritisierte gegen-missbrauch e.V. [6]: „(…) das Problem ist nicht die [fehlende Vorratsdatenspeicherung], sondern, das[s] die Ermittlungsbehörden vom Personal und der Ausstattung noch im 19. Jahrhundert sind, und Täter:innen tatsächlich im Jahr 2022“.

Vorratsdatenspeicherung hilft nicht für mehr Sicherheit
Der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung (AKV) betont in seiner Analyse [7] einer Studie[8] des Max-Planck-Instituts aus 2011:
Dass Straftäter heutzutage oftmals elektronisch statt wie früher mündlich oder postalisch kommunizieren, bedeutet also nicht, dass die Benutzung der Kommunikationsnetze total nachvollziehbar sein müsste, wie es auch bei der mündlichen und postalischen Kommunikation nie der Fall gewesen ist.“ Der AKV hebt hervor: „Im Jahr 2020 wurde die Verbreitung pornografischer Schriften laut Kriminalstatistik zu 91,3% aufgeklärt - ohne dass eine Pflicht zur IP-Vorratsdatenspeicherung in Kraft ist!
Die Studie kommt daher zu dem Ergebnis: „Insbesondere gibt es bislang keinen Hinweis dafür, dass durch eine umfängliche Verfolgung aller Spuren, die auf das Herunterladen von Kinderpornografie hindeuten, sexueller Missbrauch über den Zufall hinaus verhindert werden kann.“ (221f)
Umgekehrt gilt, dass anonyme Kommunikation Kinder schützt, indem sie anonyme Beratung, Selbsthilfe und Strafanzeigen ermöglicht.

Kinderschutz geht ohne Massenüberwachung
Anstelle von Massenüberwachung sind es gezielte und unmittelbare Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche schützen können. Dazu gehören bessere und schnellere gezielte Ermittlungen, Schutz- & Präventionskonzepte an Schulen und kirchlichen Einrichtungen sowie die Stärkung der Kompetenzen von Kontaktpersonen in Behörden, Beratungsstellen und öffentlichen Einrichtungen.

Vorratsdatenspeicherung trifft unschuldige Bürger:innen
Während sich Kriminelle technisch vor Massenüberwachung schützen können, würde eine pauschale Vorratsdatenspeicherung vor allem rechtstreu lebenden Menschen erfassen und schwer in ihren Grundrechten verletzen. Überwachung muss in einer Demokratie die Ausnahme bleiben und darf niemals zum Standard werden.

Recht auf vertrauliche Internetnutzung
Die vertrauliche und anonyme Internetnutzung ist für die Meinungs- und Informationsfreiheit unerlässlich. Eine generelle und verdachtslose Vorratsspeicherung unserer Identität und IP im Internet würde das Ende der Anonymität im Internet bedeuten. Sie würde es den meisten Bürger:innen unmöglich machen, das Internet frei vom Risiko staatlicher Beobachtung (z.B. auch wegen eines falschen Verdachts), missbräuchlicher Offenlegung durch Mitarbeiter:innen des Anbieters und versehentlichen Datenverlustes zu nutzen. Dadurch hätte eine IP-Vorratsdatenspeicherung unzumutbare Folgen, wo Menschen nur im Schutz der Anonymität überhaupt bereit sind, sich in einer Notsituation beraten und helfen zu lassen (z.B. Opfer und Täter:innen von Gewalt- oder Sexualdelikten), ihre Meinung trotz öffentlichen Drucks zu äußern oder Missstände bekannt zu machen (Presseinformanten, anonyme Strafanzeigen, ausländische Dissidenten). Bürger:innen müssen die Möglichkeit haben, sich anonym mit Journalist:inn:en, Behörden, Anwaltskanzleien, Beratungsstellen und Ärzt:inn:en auszutauschen, ohne dabei rückverfolgt werden zu können.

Massenüberwachungsfreie Politik
Wir fordern Sie auf, den Koalitionsvertrag umzusetzen, die Freiheitsrechte der Bevölkerung zu schützen und langfristig den Weg einer massenüberwachungsfreien Politik einzuschlagen.
Stoppen Sie die Vorratsdatenspeicherung, schützen Sie Telefon- und auch Internetnutzer:innen!

Erstunterzeichnende Organisationen und Personen
   •   Aktion Freiheit statt Angst e.V.
   •   AlgorithmWatch
   •   Deutsche Aidshilfe
   •   Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD)
   •   DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG
   •   DieDatenschützerRhein-Main
   •   Digitalcourage e.V.
   •   Digitale Gesellschaft e. V.
   •   Dr. Rolf Gössner, Jurist/Publizist, Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte
   •   Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V.
   •   freiheitsfoo / freiheitsfoo.de
   •   Humanistische Union e.V.
   •   Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
   •   mailbox.org – Heinlein Hosting GmbH
   •   Monique Hofmann – Bundesgeschäftsführerin Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
   •   Netzwerk Recherche
   •   Neuen Richtervereinigung e.V., Bundesvorstand
   •   openPetition
   •   Peter Leppelt – Mitglied des Digitalrat Niedersachsen
   •   Prof. Dr. Clemens Arzt – FÖPS Berlin - Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheit (Gründungsdirektor)
   •   Prof. Dr. Fredrik Roggan – Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg
   •   Prof. Dr. Ira Diethelm – Carl von Ossietzky Universität
   •   Prof. Dr.-Ing. Tibor Jager – Bergische Universität Wuppertal
   •   Prof. Thorsten Holz – CISPA Helmholtz Center for Information Security
   •   Reporter ohne Grenzen e. V. / Reporters Without Borders (RSF) Germany
   •   Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

Fußnoten:
1 https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/
2 https://www.deutschlandfunk.de/nancy-faeser-spd-innenminister-konferenz-sicherheit-katastrophenschutz-100.html
3 https://dl.acm.org/doi/10.1145/3544912.3544915
4 http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/799/1/lang,de/
5 https://dserver.bundestag.de/btd/20/005/2000534.pdf#page=39
6 https://twitter.com/echo_pbreyer/status/1518620276648558592
7 http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/537/55/lang,de/%20
8 https://grundrechte.ch/2013/MPI_VDS_Studie.pdf

Brief als PDF

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Daten Überwachung
news-884 Mon, 19 Sep 2022 09:54:33 +0200 Forderung an die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen: Recht auf Familiennachzug umsetzen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/forderung-an-die-bundesregierung-und-die-koalitionsfraktionen-recht-auf-familiennachzug-umsetzen-884 Berlin, zum Weltkindertag am 20. September 2022 Die über 20 unterzeichnenden Organisationen und Verbände beraten und begleiten Geflüchtete und Migrant:innen in In- und Ausland täglich selbst oder durch Partnerorganisationen in ihren Familiennachzugsverfahren oder setzen sich politisch für ihre Belange ein. Hierbei erleben wir, wie die jahrelangen Verfahren, die vielen Hürden und die gesetzlichen Verschärfungen der letzten Jahre die Menschen zermürben und Inklusion oft unmöglich machen. Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen deshalb mit Nachdruck auf, die im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen beim Familiennachzug in dem nächsten Gesetzesentwurf vollumfänglich umzusetzen. Dabei muss der Verwirklichung des Grundrechts auf Familienleben der Betroffenen und der vorrangigen Achtung des Kindeswohl der beteiligten Kinder die oberste Priorität eingeräumt werden.

Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen fordern daher folgende Reformen im nächsten Gesetzespaket zum Asyl- und Aufenthaltsrecht:

  1. Den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wiederherstellen.
  2. Den Rechtsanspruch für Geschwister beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verankern.
  3. Die aktuellen EuGH-Urteile bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit für volljährig werdende und bereits im Verfahren volljährig gewordene Minderjährige umsetzen.
  4. Administrative Hürden im Visumsverfahren abbauen durch digitale Antragstellung und ausreichende Finanzierung.
  5. Das Erfordernis von Sprachkenntnissen vor der Einreise generell abschaffen.


Kein Ankommen in Deutschland ohne die Familie!

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK).1 Die Zusammenführung von vor oder während der Flucht unfreiwillig getrennten Familien ist für eine schnelle und effektive Inklusion von Geflüchteten im Aufnahmestaat erforderlich, denn sie bietet emotionalen, sozialen und wirtschaftlichen Schutz. Doch nicht alle Familien können nach der jetzigen Rechtslage zusammengeführt werden.

Für subsidiär Schutzberechtigte wurde der Familiennachzug 2016 für zwei Jahre komplett ausgesetzt. Seit dem 1. August 2018 ist die Regelung in Kraft, nach der pro Monat maximal 1000 Menschen im Rahmen des Familiennachzugs zu ihrer engsten Familie nach Deutschland kommen dürfen. Einen Anspruch auf Familiennachzug haben subsidiär Schutzberechtigte in Deutschland seither nicht mehr. Das trifft u.a. Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die genauso wie anerkannte Flüchtlinge auf absehbare Zeit nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Hier werden vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt, ohne dass es einen sachlichen Grund gibt.

Alleinreisende schutzberechtigte Minderjährige können nur ihre Eltern, nicht aber ihre Geschwister nachziehen lassen. Dies gilt in den meisten Bundesländern und Landkreisen auch dann, wenn sie gemeinsam mit den nachzugsberechtigen Eltern nach Deutschland ziehen wollen, selbst wenn das Geschwisterkind ein Kleinkind ist. Früher wurde trotz fehlender spezifischer Rechtsgrundlage der Nachzug der Geschwister bundesweit in der Regel ermöglicht. Seit 2016 herrscht hier eine restriktive Verwaltungspraxis. Für die Familien bedeutet dies beim Familiennachzug oft dramatische und langfristige Familientrennungen, die vor allem für die betroffenen Kinder und Jugendlichen eine gravierende psychische Belastung darstellen und ihre Entwicklung beeinträchtigen können. Eltern müssen sich entscheiden, welches ihrer Kinder sie allein lassen, eine unmenschliche Praxis.

Familiennachzugsverfahren über viele Jahre(2) sind derzeit der Regelfall. Diese Dauer erzeugt großes menschliches Leid und ist nicht akzeptabel. Obgleich das deutsche Aufenthaltsrecht international Schutzberechtigten das Recht auf den Nachzug ihrer Familien gewährt und die Familienzusammenführungsrichtlinie (2003/86/EG) diesen Familien in vielerlei Hinsicht einen privilegierten Verfahrensablauf zuerkennt, haben viele Familien in der Praxis nur bedingten Zugang zu diesem Recht. Überlange Wartezeiten auf Termine, Reisebeschränkungen und überlange Bearbeitungszeiten bei den Botschaften verzögern den Familiennachzug für viele Familien außerordentlich und verhindern mitunter die Wiederherstellung der Familieneinheit ganz.

Dabei ist der Familiennachzug eine der wenigen sicheren Zugangswege nach Deutschland. Wird er über Jahre verzögert oder ganz verhindert, sehen sich viele Angehörige, häufig Frauen und Kinder, angesichts prekärer Lebensumstände in Heimat- oder Transitländern gezwungen, auf gefährlichen und irregulären Wegen nach Europa zu kommen.

Im Koalitionsvertrag wird angekündigt, die Familienzusammenführung zu subsidiär Geschützten wie schon 2015 mit der zu nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannten Flüchtlingen gleichzustellen und beim berechtigten Elternnachzug zu unbegleiteten Minderjährigen auch die minderjährigen Geschwister nicht zurückzulassen. Zum Ehepartner oder zur Ehepartnerin nachziehende Personen sollen laut Koalitionsvertrag den erforderlichen Sprachnachweis auch erst nach ihrer Ankunft erbringen können. Ferner hat der EuGH am 1. August 2022 in zwei wichtigen Urteilen zu Deutschland entschieden, dass der Anspruch auf Familiennachzug auch dann fortbesteht, wenn die Kinder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig waren und im Laufe der Verfahren volljährig wurden.

Im Einzelnen:

1. Den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wiederherstellen

Streichung von § 36a AufenthG und vollumfängliche Anpassung der Rechtstellung subsidiär Schutzberechtigter in §§ 29 ff. an die Rechtsstellung der nach der GFK anerkannten Flüchtlinge durch Streichung der Beschränkungen auf die Flüchtlingsanerkennung und Erweiterung auf den subsidiären Schutz.

Das Aufnahmeverfahren nach § 36a AufenthG ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand und komplizierten Abstimmungsverfahren der beteiligten Institutionen verbunden. Zudem wurde das Kontingent seit seiner Einführung nicht einmal ausgeschöpft.(3) Ferner ist die Abwägung, laut Gesetzesbegründung, einen Ausgleich zwischen der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit Deutschlands und den Interessen der Betroffenen an der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zu schaffen, menschenrechtlich nicht zu rechtfertigen. Die in der Debatte eingebrachten viel zu hohen Zahlen der durch Familiennachzug zu erwartenden Ankünfte in Deutschland haben sich als falsch erwiesen.(4) Vielmehr sind Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in einer so ähnlichen Situation, oft auch aus dem gleichen Herkunftsland, dass nur ein gleichberechtigter Anspruch beim Familiennachzug angemessen ist.

2. Den Rechtsanspruch für Geschwister beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verankern

Berücksichtigung des Geschwisternachzugs zu unbegleiteten minderjährigen Schutzberechtigten durch Änderung von § 36 Abs. 1 AufenthG und Folgeanpassung in § 34 AufenthG.

Die Beziehung von Geschwistern untereinander ist im Kontext des Familiennachzugs bisher vom Konzept der Kernfamilie nicht erfasst. Dies steht jedoch den Vorgaben des Grundgesetzes sowie dem Europa- und Völkerrecht entgegen, insbesondere dem Recht auf Familie und zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls(5). Denn Geschwister gehören grund- und menschenrechtlich zur Kernfamilie. Selbst im deutschen Familienrecht werden Geschwister zur Familie im engeren Sinne gezählt und ihre Beziehungen untereinander unter einen besonderen rechtlichen Schutz gestellt, genauso beim Rechtsanspruch auf Familienasyl (vgl. § 26 Abs. 3 AsylG). Für die Einheit der Rechtsordnung empfiehlt es sich somit, auch beim Familiennachzug Geschwister untereinander den grund- und menschenrechtlich verankerten Nachzug zu gewähren. Dazu sollte der Anspruch auf Elternnachzug in § 36 Abs. 1 AufenthG um die Geschwister erweitert werden. Eltern sollten nicht gezwungen werden, zu entscheiden, ob sie ein Kind im Ausland zurücklassen oder auf die Wiedervereinigung mit dem anderen Kind in Deutschland verzichten.


3. Die aktuellen EuGH-Urteile bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit für volljährig werdende und bereits im Verfahren volljährig gewordene Minderjährige umsetzen

Für den Elternnachzug zu Minderjährigen und den Kindernachzug zu Eltern kommt es auf das Alter bei Asylantragstellung an.

Nach den eindeutigen und klaren Aussagen des EuGHs in den Verfahren C-273/20 und C-355/20 ist beim Elternnachzug für Minderjährige auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen. Das Recht auf Familienzusammenführung darf nicht von »zufälligen und nicht vorhersehbaren Umständen abhängig gemacht werden, die voll und ganz im Verantwortungsbereich der zuständigen nationalen Behörden und Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats liegen,“ urteilte der EuGH am 1. August 2022. Zudem stellte er fest, dass im deutschen Aufenthaltsrecht eine Grundlage für den Verbleib der Eltern fehlt, nachdem ihr Kind volljährig geworden ist (Rn. 51). Für den Kindernachzug hat der EuGH am gleichen Tag im Verfahren C-279/20 ebenso entschieden, dass nur das Abstellen auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung für die Feststellung der Minderjährigkeit mit der Grundrechtecharta der EU im Einklang steht (Rn. 52).

Die deutsche Praxis und bisherige Rechtsprechung ist damit europarechtswidrig und muss sofort angepasst werden. Die Entscheidungen des EuGHs waren nach einem ähnlichen Urteil zum Elternnachzug in einem Verfahren aus den Niederlanden aus dem Jahr 2018 auch erwartbar. In den letzten vier Jahren haben einige Familien aufgrund der - wie nun bestätigt - falschen Rechtsauffassung der Bundesregierung erst gar keinen Antrag auf Familiennachzug gestellt oder gegen eine Ablehnung nicht geklagt. Für sie muss nun eine kulante Lösung gefunden werden, etwa indem ein erneuter Antrag ermöglicht wird. Darüber hinaus muss in Umsetzung des Urteils des EuGHs gesetzlich verankert werden, dass die Nachziehenden unabhängig vom Alter der Stammberechtigten einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr haben.

4. Administrative Hürden im Visumsverfahren abbauen durch digitale Antragstellung und ausreichende Finanzierung

Beim Zugang zu deutschen Auslandsvertretungen muss der Rechtsanspruch auf Familieneinheit effektiv gewährleistet werden. Wartezeiten auf einen Termin bei einer deutschen Auslandsvertretung sollten bei maximal 3 Monaten liegen. Die Bearbeitungsdauer darf insgesamt neun Monate nicht überschreiten. Die Dokumentenbeschaffung muss flexibel gestaltet werden, wenn sie ansonsten nicht durchführbar ist. Die Visumsverfahren bei den Auslandsvertretungen müssen digitalisiert werden.


Diese Forderung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund der Vorgaben der EU-Richtlinie zum Recht auf Familienzusammenführung (Art. 5 Abs. 4 2003/86/EG), nach denen die Bearbeitungszeit von Anträgen grundsätzlich nicht länger als neun Monate dauern darf. Der Staat darf sich dieser gesetzlichen Verpflichtungen nicht entziehen, indem die Möglichkeit der Rechtsinhaber:innen, entsprechende Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen, über längere Zeit nicht ermöglicht oder gar ganz vereitelt wird. Alle Maßnahmen zur Verfahrensvereinfachung und Kapazitätserhöhung müssen ergriffen werden, um jahrelange Familientrennungen zu vermeiden. Insbesondere müssen dem Auswärtigen Amt die notwendigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden, um die Visaverfahren zum Familiennachzug zu digitalisieren und angemessen zu beschleunigen. Die angekündigte zehnprozentige Mittelkürzung im Haushalt des Auswärtigen Amtes ist inakzeptabel und muss zurückgenommen werden.

Sollte eine persönliche Vorsprache in einer deutschen Auslandsvertretung nicht oder auf nicht zumutbare Weise möglich sein, sollte auf bestehende Alternativen zurückgegriffen werden:

5. Das Erfordernis von Sprachkenntnissen vor der Einreise generell abschaffen

Streichung des Erfordernisses des Sprachnachweises vor Einreise im § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sowie in § 32 Abs. 2 AufenthG.


Das Erfordernis des Sprachnachweises vor der Einreise führt zu erheblichen Härten für viele Paare und Familien. Gründe für den Nichterwerb der deutschen Sprache gibt es viele, z.B. können Zugänge zu Sprachkursen erheblich eingeschränkt oder geographisch schlecht erreichbar sein. Sprachen erlernen sich am besten dort, wo sie gesprochen werden. Ferner gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung die Streichung des Erfordernisses des Sprachnachweises, denn der Sprachnachweis wird bei Hochqualifizierten und Unionsbürgern und laut dem aktuellen Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht bald auch bei Fachkräften nicht mehr gefordert. Diese Ungleichbehandlung ist bei dem grundrechtlich geschützten Recht auf Familieneinheit nicht nachvollziehbar und sollte noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren korrigiert werden.

Berlin, den 20. September 2022

amnesty international
Ärzte ohne Grenzen
AWO Bundesverband
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Deutscher Anwaltverein AG Migrationsrecht
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Caritasverband
Deutsches Kinderhilfswerk
Deutsches Rotes Kreuz
Diakonie Deutschland
epcat Deutschland
Equal Rights Beyond Borders
Internationaler Bund
Jesuiten Flüchtlingsdienst
Jumen
National Coalition Deutschland
Neue Richtervereinigung
PRO ASYL
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Save the Children
SOS Kinderdorf
terre des hommes
Verband Binationaler Familien und Partnerschaften

 

(1) Zur rechtlichen Definition des Familienbegriffs: https://familie.asyl.net/fileadmin/user_upload/pdf/Wer_gehoert_zur_Familie.pdf
(2) siehe Antwort auf kleine Anfrage der Linken, zuletzt Drucksache 19/30793
(3) epd Juli 2022 https://www.evangelisch.de/inhalte/203977/29-07-2022/kontingent-fuer-familiennachzug-wird-weiter-nicht-ausgeschoepft
(4) IAB, Brücker Oktober 2017 https://www.iab-forum.de/familiennachzug-150-000-bis-180-000-ehepartner-und-kinder-von-gefluechteten-mit-schutzstatus-leben-im-ausland/
(5) Im Grundgesetz schützt Art. 6 das Recht auf Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern. Auch das Völkerrecht schützt das Geschwisterverhältnis und unterstützt einen erweiterten Familienbegriff. Die Kinderrechtskonvention betrachtet die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft und natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder. Auch die Beziehung der Geschwister untereinander wird dabei in besonderem Maße als schutzwürdig betrachtet. Auch die europäische Menschenrechtskonvention schützt in Art. 8 EMRK die Beziehung der Geschwister untereinander. In den Rechtsakten zum gemeinsamen europäischen Asylsystem wird gleichfalls ein erweiterter Familienbegriff bevorzugt. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Dublin-III-VO haben Geschwister von unbegleiteten Minderjährigen beispielsweise ein Recht auf innereuropäische Familienzusammenführung auf derselben Stufe wie die Eltern.

Die Forderungen im PDF

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Migration & Asyl
news-883 Wed, 07 Sep 2022 09:18:17 +0200 Es geht um die Menschenwürde<br />Einmalzahlungen sind nicht ausreichend /publikationen/mitteilungen/mitteilung/es-geht-um-die-menschenwuerde-einmalzahlungen-sind-nicht-ausreichend-883 Stellungnahme des RAV zur sozialen Krise und zum Dritten Entlastungspaket der Bundesregierung. 7.9.22 Es geht um die Menschenwürde
Es gibt ein Existenzminimum; ein Mindestmaß an Einkommen, was jeder und jedem zusteht, um ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dieses zu gewährleisten ist zentraler Leitpunkt des Grundgesetzes, Ausgangspunkt sämtlichen staatlichen Handelns. So das Idealbild. Schon das vom Bundesverfassungsgericht als noch zulässig erachtete Minimum dessen, was einer Person im Monat zustehen muss, ermöglicht in der Praxis nur schwer ein menschenwürdiges Leben. Eine Vielzahl der Einkommen – Hartz IV, Mindestlöhne, Renten, Asylbewerberleistungen, BAföG – werden bei den jetzigen Preissteigerungen und den kommenden Gas-, Energie- und Heizkostenrechnungen das Minimum, das allen zusteht, nicht mehr gewährleisten.

Es geht um die Existenz
Die Lebenshaltungskosten steigen rasant. Kosten für Lebensmittel, Benzin, Fortbewegung und Miete steigen in einem lang nicht gekannten Maße. Die Kosten für Energie und Heizung treiben die Inflation in die Höhe und sind dabei noch nicht mal richtig bei den Verbraucher*innen angekommen. Das wahre Ausmaß der Preissteigerungen wird erst im Herbst und bei den nächsten Betriebskostenabrechnungen erkennbar werden.

Besonders hart treffen die explodierenden Kosten Leute mit geringem Einkommen: Empfänger*innen von Transferleistungen, Rentner*innen und Geringverdienende. Mit den jetzigen Einkommen werden die Preissteigerungen nicht kompensiert werden können. Millionen haben kein Vermögen, keine Rücklagen, die angezapft werden können, um Engpässe zu überbrücken. Für sie geht es um die Existenz.

Es geht um Gerechtigkeit
Das menschenwürdige Existenzminimum ist nicht verhandelbar. Es steht nicht zur Disposition der Regierung. Es stellt eine Grenze dar, die nicht unterschritten werden kann.
Diese Grenze, das Mindeste, was der Staat zu gewährleisten hat, diese Grenze wird gerade massiv unterschritten – für einen immer größeren Teil der Bevölkerung. Sämtliche Maßnahmen, die auf Einmalzahlungen hinauslaufen oder auf die Deckelung bestimmter Kosten, wie bspw. bei Energie und Gas, können nur Teile der Last minimieren und auch nur für einen bestimmten Zeitraum.

»Die jetzige Situation macht grundsätzliche Änderungen nötig. Ein menschenwürdiges Leben setzt ein menschenwürdiges Einkommen voraus. Hierzu bedarf es einer sofortigen und strukturellen Änderung der Einkommenslage großer Teile der Bevölkerung« sagt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV. Einmalzahlungen, wie sie jetzt im Dritten Entlastungspaket der Bundesregierung vorgesehen sind, reichen nicht aus. Es bedarf weiter auch einer gerechten Verteilung der Lasten. Während Teilen der Bevölkerung die Verelendung droht, machen einige Unternehmen Milliardengewinne. Der Übergewinn muss – wie es auch in anderen Ländern passiert – abgeschöpft und zur Finanzierung von Ausgleichmaßnahmen herangezogen werden.

Die Notlage tritt nicht erst ein, wenn die Energierechnungen kommen, die Notlage ist schon jetzt da. Die Inflation macht für viele schon jetzt ein Leben in Würde unmöglich. Anpassender Maßnahmen bedarf es jetzt und nicht erst im Herbst.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert die Umsetzung der folgenden Maßnahmen:

Diese Maßnahmen müssen jetzt erfolgen. Sollte dies zeitnah nicht möglich sein, sind Sofortzahlungen zu leisten, um unverzüglich eine menschenwürdige Existenz für alle zu gewährleisten.

Stellungnahme als PDF

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Pressemitteilung Stellungnahmen Bürger- und Menschenrechte
news-882 Mon, 29 Aug 2022 13:39:33 +0200 Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-ueberarbeitung-des-sanktionenrechts-ersatzfreiheitsstrafe-strafzumessung-auflagen-und-weisungen-sowie-unterbringung-in-einer-entziehungsanstalt-882 RAV-Stellungnahme zum RefE des Bundesministeriums der Justiz, 24.8.22 Stellungnahme des RAV zum RefE des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
vom 13. Juli 2022

Verfasser*innen: Ursula Groos, Rechtsanwältin, Berlin; Alexander K. Esser, Rechtsanwalt, München; Dr. iur. Lukas Theune, Rechtsanwalt, Berlin; Conrad Zimmer, Rechtsanwalt a. D., Berlin; Prof. Dr. iur habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt, Bremen


Vorbemerkung
Das Sanktionenrecht bedarf in der Tat dringend der Überarbeitung, nicht nur, aber auch in den hier zunächst behandelten vier Themenfeldern. Dies umso mehr, als sich die ‚Kriminalpolitik‘ des Bundes in den letzten Jahren allzu sehr der Kriminalisierung und Strafverschärfung sowie der Sicherheitspolitik verschrieben hatte.
In diesem Sinne ist der vorliegende RefE grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Verheißungen aus dem Koalitionsvertrag der „Fortschrittskoalition“ (dort S. 106), das Sanktionensystem „einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen“ zu überarbeiten „mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“, hätten gleichwohl mehr Mut zum Fortschritt erwarten lassen.

I. Ersatzfreiheitsstrafe

Der RefE setzt das o.g. Versprechen aus dem Koalitionsvertrag in Bezug auf das vielfach auch grundsätzlicher Kritik ausgesetzte System der Ersatzfreiheitsstrafen allzu pragmatisch um. Die vorgeschlagene Regelung (zu § 43 StGB; zu anderen Änderungsvorschlägen s.u.) halbiert lediglich die Anzahl der Tage, die zu einer Geldstrafe Verurteilte als Haftstrafe absitzen müssen, die kein Gericht je gegen sie verhängt hat. Das ist allenfalls ein halber Schritt in die richtige Richtung. Von einer gründlicheren Überarbeitung kann indes keine Rede sein, und das ist zu bedauern, denn einer solchen bedürfte es.

Der RAV fordert ganz grundsätzlich, die Ersatzfreiheitsstrafe abzuschaffen. Dazu im Einzelnen:

1.
In Art. 104 Abs. 2 GG heißt es:
„Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden.“

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Ersatzfreiheitsstrafe als mit der Verfassung vereinbar eingestuft (vgl. etwa Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats v. 24.08.2006 - 2 BvR 1552/06), denn „der Richter“ – selbstverständlich auch Richter*innen – würde bereits mit der Festlegung der Tagessätze einer Geldstrafe inzidenter auf eine (Ersatz)Freiheitsstrafe erkennen für den Fall der Nichteinbringlichkeit der Geldstrafe.

Diese Auffassung halten wir für verfehlt. Im Urteilszeitpunkt geht das erkennende Gericht von der Einbringlichkeit der Geldstrafe aus und hält eine Freiheitsstrafe – gerade auch im Lichte des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB – für unangemessen. Es hat überdies keinerlei Kenntnis davon, aus welchen Gründen die Geldstrafe letztlich durch die verurteilte Person ggf. nicht gezahlt werden kann. Insofern ist das System der Ersatzfreiheitsstrafe aus unserer Sicht nicht mit Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG zu vereinbaren. § 43 StGB findet in der Hauptverhandlung auch gar keine Erwähnung, das Gericht ist noch nicht einmal verpflichtet, entsprechend zu belehren (und tut dies in aller Regel auch nicht). Das Gericht verliert mit anderen Worten über die „Zulässigkeit … einer Freiheitsentziehung“ gar kein Wort.

2.
Der RAV teilt im Übrigen die Auffassung, dass jedenfalls eine vorherige mündliche Anhörung vor der Entscheidung, nunmehr eine Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen, durch ein Gericht verfassungsrechtlich geboten wäre (zumal [zu] viele Ersatzfreiheitstrafen auf Strafbefehlen basieren, vgl. Blessing/Daiqui 2022, https://verfassungsblog.de/ohne-anhorung-ins-gefangnis/). Dies wäre etwa durch eine Neuformulierung der §§ 459e und 459f StPO zu erreichen; der RAV schlägt hier vor:

Statt bisher (in § 459e StPO) „(1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt. (2) Die Anordnung setzt voraus …“ nunmehr neu:
(1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Antrag der Vollstreckungsbehörde vollstreckt. (2) Die Anordnung erfolgt durch das Gericht nach mündlicher Anhörung der verurteilten Person und setzt voraus …. Die Anordnung unterbleibt, wenn die Vollstreckung für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre.

§ 459f StPO würde damit entfallen. Damit wäre sichergestellt, dass – in Strafbefehlsverfahren erstmals – ein Gericht prüft, ob tatsächlich unter Schuldgesichtspunkten eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann, denn nichts anderes ist die Ersatz-Freiheitsstrafe de facto.

Das Gericht sollte zudem die Befugnis erhalten, auf der Grundlage neuer Erkenntnisse über die „persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ der verurteilten Person (vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 StGB) die Höhe des jeweiligen Tagessatzes zu reduzieren.

3.
Auf der Grundlage schriftlicher Strafbefehlsverfahren sollte es niemals zur Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe kommen.

Ungeachtet dessen setzt sich der RAV dafür ein, dass in Strafbefehlsverfahren immer eine Pflichtverteidigung bestellt wird. Denn in vielen Fällen handelt es sich bei den Verurteilten um Menschen, die nicht der deutschen Sprache und/oder nicht der Schriftsprache mächtig sind, die keinen Zugang zur Schriftsprache haben, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht verstehen etc. Dem abzuhelfen ist am ehesten möglich über eine parteiische Verteidigung, die sich für die Interessen der Beschuldigten einsetzt, ihnen den Inhalt der Strafbefehle erklärt und gemeinsam mit ihnen bespricht, ob Einspruch eingelegt (und ggf. beschränkt) werden soll.

Eine solche Pflichtverteidigung wäre auf das Vollstreckungsverfahren nach (nicht selten vermeintlicher) Rechtskraft des Strafbefehls zu erstrecken.

4.
Bereits jetzt kann die Ersatzfreiheitstrafe durch Verurteilte abgewendet werden, wenn diese die Tilgung durch die Erbringung von Arbeitsleistungen vollbringen, Art. 293 EGStGB. Dies ist bislang eine Möglichkeit, die nur Verurteilte wahrnehmen können, die in der Lage sind, einen solchen Antrag bei der Staatsanwaltschaft zu stellen und sich dann selbstständig mit einem Träger, der dies anbietet, oder mit der Gerichtshilfe in Verbindung zu setzen. Auch hier sollte die Koalition mit Änderungen ansetzen, die über die geplante Erweiterung der Hinweispflichten (§ 459e Abs. 2 S. 2 neu) hinausgehen. Ein neuer § 459f StPO (nach Streichung des bisherigen, s.o.) könnte etwa lauten:

Die Vollstreckungsbehörde hat der verurteilten Person anzubieten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 des Strafgesetzbuches durch freie Arbeit abzuwenden. Hierfür ist der verurteilten Person in einer ihr verständlichen Sprache ein geeigneter Träger vorzuschlagen, der über die entsprechenden Kapazitäten verfügt. Die Vollstreckungsbehörde kann die nähere Ausführung der Gerichtshilfe an dem Wohnort der verurteilten Person übertragen.

5.
Eine Resozialisierung findet de facto in dem System der Ersatzfreiheitsstrafen nicht statt. Diese werden zudem nicht im offenen, sondern im geschlossenen Vollzug verbüßt. Hierfür gibt es keine Gründe.

Der RAV fordert daher jedenfalls festzulegen, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe im offenen Vollzug verbüßt werden kann. Weder den Verurteilten noch der Gesellschaft noch dem Ziel der Resozialisierung ist geholfen, wenn Verurteilte durch die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe ihre Wohnung, Arbeit und/oder Partnerschaft und Familie verlieren.

Geprüft werden sollte auch die Möglichkeit, eine Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.

6.
Der RAV hätte sich von der Ampelkoalition einen Vorschlag erhofft, der in der Tat den Prinzipien der Resozialisierung und Prävention verpflichtet ist. Hierzu würde es gehören, Beratungen von Beschuldigten zu stärken, etwa bereits existierende oder neu zu schaffende kostenfreie Strafbefehlsberatungen anzubieten (sei es durch die Gerichtshilfe, sei es durch freie Träger). Auf der Grundlage könnte festgeschrieben werden, dass ein Strafbefehl erst zwei Wochen nach der stattgefundenen Beratung rechtskräftig wird. Dazu müsste § 410 Abs. 1 S. 1 StPO wie folgt geändert werden – statt bisher: „Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen,“ neu:

Die angeklagte Person kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eines Gerichts Einspruch einlegen. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn eine Beratung bei einer staatlich anerkannten Strafbefehlsberatungsstelle stattgefunden hat.

So wäre sichergestellt, dass angeklagte Personen den Inhalt des Schriftstückes tatsächlich einmal zur Kenntnis genommen und verstanden haben. Über Details dieses Verfahrens wäre noch zu reden.

7.
Nach den Ankündigungen im Koalitionsvertrag, das Sanktionssystem auch in puncto Ersatzfreiheitsstrafe „mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“ zu überarbeiten, ist die beabsichtigte „Halbierung“ der Ersatzfreiheitsstrafe im Ansatz zwar (auch fiskalisch) begrüßenswert, im Ergebnis aber enttäuschend.

Im Übrigen weisen wir erneut auf die bereits bekannten Reformvorschläge des „Runden Tisches für Ausländische Strafgefangene in Berlin“ hin:
https://www.awoberlin.de/wp-content/uploads/2021/10/Ersatzfreiheitsstrafe-Reformempfehlungen-der-AG-Ersatzfreiheitsstrafe-fuer-die-Koalitionsverhandlungen.pdf
https://ersatzfreiheitsstrafe.de/wp-content/uploads/2019/06/Offener-Brief-zur-Abschaffung-der-ESF_v0619.pdf
 

II. Auflagen und Weisungen

Der im RefE unter A. geschilderten Problem- und Zielbeschreibung – die Anpassung des Sanktionenrechts des StGB an aktuelle Entwicklungen, die Stärkung von Resozialisierung und Prävention sowie die Haftvermeidung oder -verkürzung durch den Ausbau spezialpräventiv wirkender, ambulanter Maßnahmen – wird hier grundsätzlich gefolgt. Der unter B. dargestellte Lösungsansatz einer ausdrücklichen Normierung der Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56c StGB), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a StGB) und des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO), erscheint entsprechend der Erfahrungen und Statistiken notwendig, ist nach der hier vertretenen Auffassung jedoch weder ausreichend noch umfassend genug:

1.
Weisungen sollen die verurteilte Person darin unterstützen, keine Straftaten mehr zu begehen, und zielen darauf ab, deren Lebensführung spezialpräventiv zu beeinflussen. Nicht jede*r Straftäter*in benötigt eine Therapie oder erfüllt die Voraussetzungen, eine solche zu erhalten. Trotzdem kann ein Unterstützungsbedarf bestehen. Dafür kann die Beratung über einen gewissen Zeitraum / für eine gewisse Anzahl von Stunden in einer anerkannten und spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle hilfreich und auch ausreichend sein.
Insofern plädieren wir für eine Erweiterung des
•    § 56c Abs. 2 StGB um eine Nr. 7 wie folgt: „sich in einer anerkannten, spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle beraten zu lassen (Beratungsweisung).“
•    § 59 a Abs. 2 Nr. 6 StGB wie folgt: „oder sich in einer anerkannten, spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle beraten zu lassen, oder“
•    § 153 a Abs. 1 Nr. 6 StPO wie folgt: „oder sich in einer anerkannten, spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle beraten zu lassen“

Der Zugang zu einer psycho-sozialen Beratungsstelle ist deutlich niedrigschwelliger als zu einer psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Behandlung. Dies kann motivierend auf die Straftäter*innen wirken, sich auf die Unterstützung und den Beratungsprozess einzulassen und wird für viele auch ausreichend sein.

Sofern sich im Rahmen eines solchen Beratungskontexts dann doch in Einzelfällen herausstellen sollte, dass weitergehende Unterstützung (z.B. eine Psychotherapie) notwendig ist, gehört es zum Selbstverständnis der Beratungsstellen, das mit den Klient*innen zu erörtern und diese bei entsprechender Motivation weiterzuvermitteln. Ein Vorteil gegenüber einer reinen gerichtlichen Therapieweisung wäre, dass die Klient*innen nicht auf sich gestellt sind, sondern im Beratungssetting bleiben, bis eine Anbindung an eine*n Therapeut*in gelingt. Teilweise können sie sogar auf ein bestehendes Therapeut*innen-Netzwerk rund um die Beratungsstelle zurückgreifen. Dies kann überfordernden und frustrierenden Erfahrungen vorbeugen, die aktuell oft dazu führen, dass Therapien nicht zustandekommen – und z.B. entsprechende Weisungen nicht erfüllt werden.

2.
Der für die Länder günstigen Kostenprognose des Entwurfs können wir nicht folgen.

a) Wenn das Gesetz nicht ins Leere laufen soll, dann braucht es bundesweit deutlich mehr Psychiater*innen und Psycholog*innen, die bereit und in der Lage sind, mit Gewalt- und Sexualstraftäter*innen zu arbeiten, also nicht vorrangig psychische Störungen, sondern kriminogene Faktoren zu behandeln.

An dieser Stelle soll klargestellt werden, dass es hier ein Bewusstsein dafür gibt, dass es weit überwiegend männliche Täter gibt. Allerdings wäre es aus unserer Sicht auch nicht verantwortlich, die relativ wenigen straffälligen Frauen, Trans- und Intermenschen unerwähnt und gänzlich ohne therapeutische oder beraterische Unterstützung zu lassen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei Vorliegen entsprechender Indikationen (für psychische Störungen) die Therapien von den Krankenkassen zu finanzieren sind, braucht es doch Anstrengungen seitens der Länder und Kommunen, geeignete Therapeut*innen, Träger und Vereine zu finden, deren spezielle Angebote und Kapazitäten zu erfassen und diese Daten den Richter*innen zugänglich zu machen.

b) Weisungen laufen ins Leere, wenn Richter*innen diese Daten nicht haben und infolge dessen Maßnahmen benennen, die es gar nicht gibt, die nicht passend sind oder die benannten Träger/Vereine keine Kapazitäten haben.
Seitens der Angewiesenen können Weisungen nicht erfüllt werden, weil es die benannte Maßnahme nicht in zumutbarer Entfernung gibt oder sie überfordert damit sind, diese zu finden und zusätzlich auch noch die notwendigen Anträge zu stellen.

Hier werden Weisungsverstöße provoziert bzw. vorprogrammiert, weil Menschen in der Kommunikation mit Gerichten und Staatsanwaltschaften überfordert sind oder nicht wissen, dass man z.B. die Änderung oder Aufhebung von Weisungen beantragen kann. Im Falle der Unterstellung unter die Bewährungshilfe binden diese Korrespondenzen und Korrekturen (zu) viel der dortigen Arbeitszeit.

Für alle nicht indizierten Therapien (Behandlung kriminogener Faktoren) übernehmen die Krankenkassen die Kosten nicht. Sie wären von den Angewiesenen selbst zu tragen. Das ist ALG II-Empfangenden und Menschen mit geringem Einkommen nicht möglich.

c) Gleiches gilt für die Forensisch-Therapeutischen Ambulanzen (FTA). Hier werden bundesweit Wartelisten geführt, was dafürspricht, dass die Kapazitäten bereits jetzt schon nicht ausreichend sind.

d) Soll eine Anpassung an aktuelle Entwicklungen und z.B. eine Umsetzung der Istanbul-Konvention gelingen, bedarf es entsprechend des Grundsatzes „Täterarbeit ist Opferschutz“ des flächendeckenden Auf- und Ausbaus von anerkannten, spezialisierten Beratungsstellen für Täter*innen insb. von
•    (sexualisierter) Gewalt gegen Kinder, Frauen, LGBTIQ, Männer
•    rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt
•    Stalking
•    Hate-Speech

e) Im Sinne der Prävention anhaltender, weiterer oder erneuter Straffälligkeit und somit auch der Resozialisierung bietet sich der pro-aktive Ansatz an.
In Berlin wird im Rahmen der Umsetzung der Istanbul-Konvention z.B. die Servicestelle Wegweiser (www.wegweiser-bln.de) seitens der Senatsverwaltung für Justiz und Vielfalt finanziert. Die Servicestelle kontaktiert proaktiv Menschen, denen grenzüberschreitendes Verhalten vorgeworfen wird, ermittelt im gemeinsamen Gespräch den Unterstützungsbedarf, berät über mögliche spezialisierte Beratungsangebote und vermittelt an diese weiter.

Teil der Arbeit ist es, das Hilfesystem, alle potentiellen anerkannten Beratungsangebote, deren Spezifika und Kapazitäten zu kennen und zu erfassen. Eine weitere Aufgabe besteht in der Erfassung fehlender Angebote. So gibt es etwa in Berlin außerhalb des Strafvollzugs und der FTA (Zugang setzt bisher vorherige Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug voraus) kein einziges Therapie- oder Beratungsangebot für Menschen, die gegenüber Erwachsenen (zumeist Frauen) sexualisierte Gewalt ausüben.

f) Die Servicestelle (bzw. vergleichbare, bundesweit zu schaffende Stellen) könnte auch weitere, für Weisungen relevante Daten erfassen und diese sowohl Richter*innen als auch Angewiesenen zur Verfügung stellen. Außerdem könnten fehlende Angebote ermittelt, kommuniziert und deren Schaffung initiiert werden.

Im Rahmen von abgestuften Weisungen könnten hier Gespräche geführt werden, um konkrete Beratungs- oder therapeutische Behandlungsbedarfe festzustellen und passende Angebote mit ausreichend Kapazitäten zu ermitteln.

Das klingt zunächst nach mehr Aufwand, könnte aber geeignet sein, vielen Weisungsverstößen, aktuell vorzunehmenden Weisungsänderungen oder -aufhebungen vorzubeugen und der Umsetzung des Gesetzes dienen.

Kosten werden, wie oben dargestellt, entstehen. Inwiefern sie teilweise durch Einsparungen bei den Ersatzfreiheitsstrafen oder durch Haftvermeidungen oder -verkürzungen infolge erfolgreicher Weisungen kompensiert werden können, bleibt abzuwarten. Die Möglichkeit sollte genutzt werden.

IV. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Kabinetts Merkel IV hatte im Oktober 2020 eine gemeinsame Bund-Länder Arbeitsgruppe von Justiz- und Gesundheitsministerkonferenz mit dem Ziel eingerichtet, einen Vorschlag zur Novellierung des Rechts der Unterbringung gemäß § 64 StGB zu erarbeiten. Da die Vorschläge jener AG sehr weitgehend in dem nun vorliegenden RefE aufgegangen sind, beziehen sich die folgenden Punkte darauf:

1.
Die AG hat zunächst festgestellt, dass ein dringender Reformbedarf vor dem Hintergrund steigender Unterbringungszahlen, einer Kapazitätsüberlastung der forensischen Kliniken und einer „geänderten Struktur der untergebrachten Personen“ bestehe. Dass die Unterbringungseinrichtungen in den forensischen Psychiatrien in allen Bundesländern sowohl quantitativ als auch qualitativ an ihren Belastungsgrenzen arbeiten (und nicht selten darüber hinaus), kann nicht bestritten werden: Das geht u.a. auf eine Verdoppelung der Zahl der gegenwärtig untergebrachten Personen seit dem Jahr 2002 zurück und wird von erheblichen Teilen der forensischen Psychiatrie seit Jahren mit einer Vehemenz beklagt, die als Hilferuf an die Politik verstanden werden muss (s. nur: Krankenhaus des Maßregelvollzugs: Therapiezugang reformbedürftig, Maybaum, Ärzteblatt 9/2019, S. 410).

Dieser „Hilferuf“  zeigt sich eindrucksvoll nicht nur an zahlreichen Aufsätzen in Fachzeitschriften und Vorträgen von Seiten der forensische Psychiatrie und Psychologie (s. auch Kollmeyer, Maßregelvollzug am Limit - § 64 StGB – Wann und wie lang?, abrufbar unter https://www.lwl.org/massregelvollzug-download/Abt62/Service/Dokumentationen/OLG-Tagung2013/2013-09-26_Kollmeyer,_Reinhard_OLG-Hamm_Para_64_StGB_Wann_und_wie_lang.pdf, zuletzt abgerufen am 24.08.2022). Darüber hinaus wird die Kapazitätsproblematik in Standardwerken der forensisch-psychiatrischen Fachliteratur auch im Hinblick auf die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen der Unterbringung nach § 64 StGB ausführlich dargestellt (vgl. nur Seifert in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung – Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen, hrsg. von Dreßing & Habermeyer, Kap. 28.1, Einleitung zur Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB, 7. Auflage 2021).

Teilweise scheinen sich diese Ausführungen als Aufforderung an psychiatrische Sachverständige darzustellen, das Bedürfnis nach einer Schonung der Kapazitäten bei der Gutachtenerstattung im Strafprozess zu berücksichtigen. Das Thema wird in letzterem Zusammenhang aus politischen bzw. fiskalischen Erwägungen erkennbar und bewusst an falscher Stelle platziert. Denn Kapazitätserwägungen dürfen bei der gutachterlichen Beurteilung des Vorliegens eines Hanges durch psychiatrische und/oder psychologische Sachverständige selbstverständlich keine Rolle spielen. Individuelle Beschuldigte in dem durch Sachverständige und Gerichte zu beurteilenden Einzelfall sind nicht weniger behandlungsbedürftig, nur, weil die zuständige Maßregelvollzugsanstalt aktuell ausgelastet ist.

Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erst recht für die Entscheidung über die Unterbringungsanordnung durch die Strafgerichte.  Eine Unterbringung ist danach auch dann anzuordnen, wenn es an einer Unterbringungseinrichtung (bzw. an entsprechenden Kapazitäten) im Zuständigkeitsbereich fehlt (BGHSt 28, 327), da es Aufgabe der Vollzugsbehörden der Länder ist, die Kapazitäten im Maßregelvollzug dem Bedarf anzupassen (BGHSt 36, 199).

Als Konsequenz dieser Fehlverortung der Kapazitätsproblematik ist in der Praxis der Strafverteidigung vermehrt zu beklagen, dass Sachverständige persönliche bzw. politische Überzeugungen zur Frage, wie mit der Kapazitätsproblematik umzugehen ist, in ihr Votum zum Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen – mal mehr mal weniger verdeckt – mit einfließen lassen. In kaum einem forensischen Bereich kommt der Auswahl der Person der Sachverständigen eine solch entscheidende Rolle zu, wie bei der Begutachtung zur Frage der Voraussetzungen des § 64 StGB: Wie sehr Einstellungsfragen (etwa wenn sie selbst eine Entziehungsanstalt leiten) bei deren Votum von Bedeutung sind, zeigt sich auch daran, dass bei keiner anderen Sachmaterie die Strafgerichte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch entgegen dem Votum der von Gericht oder Staatsanwaltschaft beauftragten psychiatrischen Sachverständigen anordnen, die doch eigentlich ihrer überlegenen Sachkunde wegen beauftragt wurden.

Wenngleich eine Diskussion über die Frage eines Reformbedarfs der Maßregel nach § 64 StGB legitim ist, ist der vorliegende Reformvorschlag im Lichte der vorskizzierten Reaktionen von Teilen der Psychiatrie zu sehen. Er zielt darauf ab, das Problem auf die denkbar einfachste und billigste Weise zu lösen: Weniger Feststellungen von Behandlungsbedarf = weniger Auslastung! Aus der Lektüre des Berichts der Bund-Länder Arbeitsgruppe ergibt sich, dass das Gremium ohne Zweifel durch diejenigen forensisch Tätigen aus Psychiatrie, Psychologie und Justiz besetzt gewesen sein muss, die eine Lösung der (unbestreitbaren) Kapazitätsproblematik ausschließlich durch Restriktionen an dem Institut der Unterbringung nach § 64 StGB suchen. Dies ist bedauerlich, da die Unterbringung nach § 64 StGB zumindest dem Anspruch nach wie kaum eine andere strafrechtliche Reaktion auf Kriminalität den Prinzipien des sozialen Rechtsstaats (Art. 28 Abs. 1 iVm 20 Abs. 3 GG) verpflichtet ist.

Die erarbeitete Gesetzesreform sieht Restriktionen an jeder dogmatisch denkbaren Stellschraube vor: Verengung des Hangbegriffs, gesteigerte Anforderungen an den symptomatischen Zusammenhang, erhöhte Voraussetzungen an die Feststellung der Erfolgsaussicht; zusätzlich soll unter Anpassung der Dauer des Vorwegvollzugs die Möglichkeit der Begleitstrafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt nach § 67 Abs. 5 S. 1 StGB entfallen. Dazu im Einzelnen:

2. Zum Hangbegriff

Die vorgeschlagene Legaldefinition des Hangbegriffs, vor allem aber der diesen begleitenden Auslegungsvorschlag im Begründungsteil der Arbeitsgruppe, verengt das Leitbild behandlungsbedürftiger Drogensüchtiger auf das Literaturbeispiel der Kinder vom Bahnhof Zoo (Christiane F.: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo; nach Tonbandprotokollen aufgeschrieben von Kai Hermann und Horst Rieck, 1978).

Nach der vorgeschlagenen Legaldefinition soll die Annahme eines Hangs künftig (zumindest) „eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert“ voraussetzen. Ausweislich der Entwurfsbegründung solle durch die Legaldefinition der Hangbegriff – ein eigenständiger unbestimmter Rechtsbegriff – an die medizinischen Begrifflichkeiten schädlicher Gebrauch (ICD-10 F.1) oder Abhängigkeitssyndrom (ICD-10 F.2) angenähert werden. Indes sollen nach der Legaldefinition und ihrer Begründung („schwerwiegende Beeinträchtigung“) nicht einmal mehr alle Fälle des - ohne Zweifel pathologischen - schädlichen Gebrauchs erfasst sein, sondern nur noch derjenige Missbrauch, „der nach ICD-10 als eine schwere Form des schädlichen Gebrauchs einzustufen ist“.

Dadurch würden Täter*innen aus dem Anwendungsbereich des § 64 StGB herausgenommen, bei denen evident ein Behandlungsbedarf besteht. Durch diesen Vorschlag werden jedoch Erkenntnisse aus neueren Studien aus dem Bereich der Suchttherapie verkannt, wonach die bisherige dichotome Differenzierung zwischen Abhängigkeit und Missbrauch im Sinne standardisierter Diagnostik künstlich ist, da es sich bei Missbrauch und Abhängigkeit um ein eindimensionales Kontinuum handeln dürfte (Rumpf & Kiefer, DSM-5: Die Aufhebung der Unterscheidung von Abhängigkeit und Missbrauch und die Öffnung für Verhaltenssüchte, 2011). Die entsprechende Differenzierung wurde vor diesem Hintergrund seit 2013 in der Neufassung des Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) aufgegeben. Nun wird zwar auch derzeit nicht bei jedem schädlichen Gebrauch im Sinne des ICD-10 oder einem jeden einfachen Missbrauch im Sinne des DSM-5 ein Hang angenommen. Es erscheint indes nicht angezeigt, die Unterbringung allein von der Schwere der Substanzgebrauchsstörung abhängig zu machen.

Vielmehr kommt es – mit der ständigen Rechtsprechung des BGH – darauf an, ob eine soziale Gefährdung festzustellen ist. Denn ob eine solche vorliegt, dürfte entscheidend dafür sein, ob der bestehende Substanzmissbrauch – ob er nun medizinisch eine Abhängigkeit oder einen wie auch immer gearteten schädlichen Gebrauch darstellt – die Behandlung im Maßregelvollzug erfordert oder nicht.

Was im Übrigen die Arbeitsgruppe ausweislich der Entwurfsbegründung verkannt hat ist, dass ein Gericht, beraten durch psychiatrische Sachverständige, zu prüfen hat, ob anstelle einer Unterbringung eine ambulante Therapie als Bewährungsweisung und/oder eine Aussetzung der Unterbringung im Maßregelvollzug zur Bewährung in Betracht kommt. Es wird bei weitem nicht in einem jeden Fall, in dem ein Hang im Sinne des § 64 StGB festzustellen ist, auch die Unterbringung angeordnet, sondern auf mildere Mittel wie die vorgenannten ausgewichen. Daneben greift § 35 BtMG je nach lokaler Anwendungspraxis Raum.

3. Zum symptomatischen Zusammenhang
Während nach derzeitiger Rechtslage der symptomatische Zusammenhang bereits dann anzunehmen ist, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass Angeklagte die rechtswidrige Tat begangen haben, so soll § 64 StGB nun dahingehend geändert werden, dass eine Unterbringung nur noch in Betracht kommt, wenn festzustellen ist, dass die Tat überwiegend auf den Hang zurückgeht. Hierdurch soll einem – angeblich festzustellenden – „deutlichen Wandel in der Struktur der Klientel“ begegnet werden.

Dass eine solche Veränderung in der Klientel der Untergebrachten überhaupt stattgefunden hat, wird in dem Bericht allenfalls dahingehend begründet, als auf eine Veränderung der Delikte, die zur Unterbringung geführt haben, sowie darauf verwiesen wird, dass sich der Anteil der voll Schuldfähigen seit 1995 verdreifacht habe. Ansonsten werden zum Beleg dieser These lediglich Erfahrungsberichte angeführt von „dominant auftretenden Patienten, die außerhalb der Klinik einen Rückhalt im kriminellen Milieu hätten“, und die die Unterbringung vorrangig als Mittel zur Milderung ihrer hohen Begleitstrafe ansähen, und „durch deren Anwesenheit“ sich das Behandlungsklima in den Vollzugsanstalten verschlechtere.

Zum „Beleg“ dieser Erkenntnis werden Fachaufsätze aus der Praxis zitiert, die sich seit Jahren mit Vehemenz für Restriktionen bei der Maßregel des § 64 StGB stark machen (Schalast FPPK 2021, 179 und NStZ 2017, 433; Walther JR 2020, 296, 306; Müller FPPK 2019, 262, 299). Besonders im Blick hat die Arbeitsgruppe „Angeklagte, die aufgrund allgemeiner charakterlicher Mängel die verfestigte kriminelle Neigung aufweisen, Lebensbedürfnisse durch Straftaten zu bestreiten, Angeklagte mit dissozialer Charakterstruktur und – selbstverständlich – Großdrogendealer mit entsprechend hoher Begleitstrafe.“

Ungeachtet dessen, dass die Arbeitsgruppe schematisch von der wissenschaftlich nicht belegten These von der Existenz bestimmter Tätergruppen („Klientel“) ausgeht, steht der konkrete Vorschlag im Widerspruch zu den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie zur Frage des symptomatischen Zusammenhangs. Denn insoweit ist anerkannt, dass die Abgrenzung „süchtige Kriminelle vs. kriminelle Süchtige“ Schwierigkeiten birgt, ja mitunter unmöglich ist (Seifert aaO S. 435). Denn, wie gleichermaßen in den Justizvollzugsanstalten, weisen im Maßregelvollzug Untergebrachte vielschichtige biografische Belastungen auf: Fehlende Schul- oder Berufsausbildung, lange Phasen der Arbeitslosigkeit und vor allem ein strafrechtliches Vorleben. Jedenfalls eine – durch die vorgenannten Lebensbedingungen ggf. erworbene – dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung dürfte vor diesem Hintergrund bei dem Gros der Untergebrachten vorliegen. Eine begleitende Persönlichkeitsstörung wird bei jeder vierten nach § 64 StGB untergebrachten Person diagnostiziert (Seifert aaO S. 440).

Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass Sucht zumeist nicht alleinige Ursache der Delinquenz ist, sondern naturgemäß auf ein Bündel von Ursachen zurückgeht. Auch bei sog. „Großdrogendealern“ sprechen keine Erkenntnisse dafür, dass die Sucht grundsätzlich minder ausgeprägt oder weniger behandlungsbedürftig wäre. Sofern diese tatsächlich eine untergeordnete Rolle bei der Tat spielte, wäre die Maßregel im Übrigen bereits nach heutiger Rechtslage nicht anzuordnen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 08.12.2019 – 2 StR 331/19).

4. Zu den Erfolgsaussichten

Ebenso bedarf die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB bereits heute der Feststellung des Bestehens einer „hinreichend konkreten Aussicht“, dass die betroffene Person von ihrer Sucht zu heilen oder für eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren ist.

Auch hier soll nach dem Willen der Arbeitsgruppe eine restriktivere Anordnungspraxis Platz greifen: Künftig soll der Therapieerfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ sein. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der Grundlagen für die Anordnung und Durchführung der Maßregel die tatsächlichen Begebenheiten zu berücksichtigen, namentlich „die Begrenztheit staatlicher Mittel“. Es gebe kein verfassungsrechtliches Gebot, das den Gesetzgeber dazu veranlassen würde, die Maßregel auch in Fällen zweifelhafter Erfolgsaussicht zur Verfügung zu stellen.

Der Vorschlag verkennt, dass nach sämtlicher – selbst maßregelkritischer Literatur – schon die Erfolgsmessung staatlicher Unterbringung erhebliche Schwierigkeiten bereitet, mit der Konsequenz, dass allgemeingültige prognostische Erfolgskriterien erst recht kaum generalisierend zu benennen sind. Im Übrigen verkennt die Begründung des Reformvorschlags insgesamt – nicht nur hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Erfolgsaussicht – dass alle Anordnungsvoraussetzungen nach aktueller Rechtslage letztlich durch das Gericht zu belegen sind; keinesfalls greift der in dubio-Grundsatz (vgl. nur BGH, Beschl. v. 01.06.2021 – 6 StR 113/21).

Auch dieser Umstand birgt im Übrigen bereits jetzt die Gefahr, dass Fehleinweisungen in den Strafvollzug trotz bestehendem Behandlungsbedarf im Sinne der Maßregel erfolgen. Der Reformvorschlag würde falsche Nicht-Anordnungen noch vervielfachen. Es ist im Übrigen widersprüchlich, strengere Anforderungen an die Annahme eines Hanges zu fordern, gleichzeitig aber die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zu erhöhen, denn eine höhergradige Abhängigkeit korrespondiert nicht selten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass die Therapiebemühungen ohne Erfolg bleiben.

6. Zur Begleitstrafenaussetzung und zum Vorwegvollzug

Nachdem die Arbeitsgruppe von einem „Missbrauch der Entziehungsanstalten“ durch Schwerkriminelle – und die Praxis der Strafverteidigung – ausgeht, stellt sich die Abschaffung der erweiterten Möglichkeit der Aussetzung der Begleitstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt als das gravierendste Reformvorhaben dar. So soll nach § 67 Abs. 5 StGB eine Aussetzung der Reststrafe zum Zweidrittelzeitpunkt künftig die Regel sein.

Zwar sieht der Reformvorschlag ergänzend vor, dass unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 StGB unter den dort genannten Voraussetzungen ausnahmsweise auch eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt in Betracht kommt. Diese Angleichung an die allgemeine Regelung des § 57 StGB läuft aber in all jenen Konstellationen ins Leere, in denen vor der Strafe ein Vorwegvollzug erfolgt (was in Anbetracht immer höherer Strafen in BtMG-Verfahren zur Regel geworden ist). Denn der Reformvorschlag sieht weiter vor, dass sich die Dauer bzw. die Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 StGB künftig am Zweidrittel-Zeitpunkt orientieren soll.

Damit wäre die Therapie bei allen Untergebrachten, bei denen zuvor Vorwegvollzug erfolgt ist, in aller Regel frühestens zum 2/3 Zeitpunkt abgeschlossen. Fälle eines außerordentlich zügigen Therapieverlaufs mit der Folge, dass eine Erledigung des Maßregelvollzugs früher erfolgen kann, sind reine Fiktion. Denn in der Begründung des Vorschlags wird freimütig festgestellt, dass selbst nach aktuellem Recht Therapien trotz der Berechnung des Vorwegvollzugs anhand der Möglichkeit der Aussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt überwiegend weit über diesen Zeitraum hinaus andauern. So ergaben Auswertungen für sechs Bundesländer für das Jahr 2020, dass nur 18,4 % der Maßregeln auch nur nahe des Halbstrafenzeitpunkts beendet wurden, 21, 3 % nahe dem Zweidrittelzeitpunkt und 60,3 % gar nach dem Zweidrittelzeitpunkt. Vor diesem Hintergrund ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitsgruppe gleichwohl davon ausgeht, dass das falsche Klientel die Entziehungsanstalten für die Erlangung der Halbstrafenmöglichkeit missbrauchen würde; diese Hypothese geht ausschließlich auf vermeintliches Erfahrungswissen zurück.

Selbst wenn man jedoch dieses einmal unterstellt, ist nicht im Ansatz nachzuvollziehen, weswegen es sich bei Möglichkeit der Erlangung einer Begleitstrafenaussetzung ab dem Halbstrafenzeitpunkt um einen sachwidrigen Anreiz für Angeklagte handeln sollte. Denn soweit die Fachliteratur von dem Bestehen eines solchen – nach vorgenannten Statistiken ohnehin irrig angenommenen – Anreizes ausgeht, so wird dieser von einer beachtlichen Ansicht als für die Therapiemotivation förderlich, teils sogar notwendig beschrieben (BT-Drs. 16/1110 S. 16; LK-Schöch, StGB, 12. Auflage, § 67 Rn. 97; Kett-Straub NStZ 2020, 474, 477).

Der Vorschlag der Arbeitsgruppe ist bereits deswegen systemwidrig, da eine Halbstrafenaussetzung nach § 57 Abs. 2 StGB im Grundsatz für alle Angeklagten in Betracht kommt. Durch den Reformvorschlag würden diejenigen Untergebrachten, die Vorwegvollzug zu vergegenwärtigen haben, gegenüber gewöhnlichen Strafgefangenen rechtlich sogar benachteiligt.

6. Alternativen?

Wessen Geistes Kind die Mitglieder der Arbeitsgruppe bzw. die von dieser angehörten Sachverständigen gewesen sein mögen, zeigt sich eindrucksvoll auf S. 35 des Berichts. Dort heißt es unter der Kapitelüberschrift „Alternativen“ zu dem Reformvorschlag schlicht: „Keine.“ Das ist absurd, denn solche bestehen offensichtlich, wären zumindest zu diskutieren gewesen, wozu es aber offenbar an der nötigen Bereitschaft fehlte.

Zum einen verspricht sich die Arbeitsgruppe bei der Anpassung des Vorwegvollzugs an den Zweidrittelzeitpunkt vor allem Kapazitätserleichterungen dadurch, dass bei positiven Behandlungsverläufen nach kürzerer Therapiedauer Entlassungen erfolgen könnten, da der Halbstrafenzeitpunkt bereits überschritten ist. Diese Erwägung einmal zugrunde gelegt, wäre der Arbeitsgruppe zuzustimmen, dass – bei entsprechendem Therapieerfolg – Entlassungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu begrüßen sind. Dafür käme jedoch ebenso gut eine Reform des Gesetzes dahingehend in Betracht, dass für diese Ausnahmefälle eine Begleitstrafenaussetzung unabhängig von dem Erreichen des Halbstrafenzeitpunkts, also auch vor diesem Zeitpunkt, ermöglicht wird. Denn diese Erwägung ist ohnehin nur für Untergebrachte relevant, die Vorwegvollzug zu vergegenwärtigen haben: Wenn sie im Ausnahmefall wenige Monate vor dem Halbstrafenzeitpunkt entlassen würden, erfolgte dies keineswegs in unerträglicher Weise zu Lasten des staatlichen Strafanspruchs.

Will man mit dem Reformvorschlag davon ausgehen, dass Entziehungsanstalten durch „süchtige Kriminelle“ missbraucht würden, und dies vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, so könnte dem übrigens auch dadurch begegnet werden, dass die Länder in ihrer Strafvollzugs- und -vollstreckungspraxis den Strafgefangenen die Halbstrafenaussetzung unter wortlautensprechender Gesetzesauslegung regelmäßiger zugutekommen lassen.

7. Fazit

Dem Reformvorschlag und seiner Begründung immanent ist der Gedanke der Fehleinweisung Angeklagter in die Entziehungsanstalten – und zwar nicht, weil es sich hierbei um eine belastende Maßnahme handeln könnte, sondern allein wegen der damit verbundenen Kosten für die Justiz- und Gesundheitsressorts.

Was in diesem Zusammenhang jedoch völlig übersehen wurde, ist die Gegenfrage: Wie viele Fehleinweisungen behandlungsbedürftiger Verurteilter in den Strafvollzug, bei denen die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 64 StGB vorgelegen hätten, sind zu besorgen? Und vor allem: Wie viele Fehleinweisungen „krimineller Süchtiger“ wären zu besorgen, wenn der Reformentwurf umgesetzt würde? Der Reformvorschlag übersieht die Realität, nämlich, dass nach wissenschaftlichen Schätzungen jährlich 30.000 bis 40.000 suchtkranke Strafgefangene in deutschen Justizvollzugsanstalten einsitzen, also ohne Anordnung einer Maßregel gem. § 64 StGB (Seifert aaO S. 447). Danach stehen jeder im Maßregelvollzug nach § 64 StGB untergebrachten Person 10 entsprechende Verurteilte im Strafvollzug gegenüber. Dass mindestens ebenso häufig Fehleinweisungen in die andere Richtung erfolgen, und damit sowohl zulasten des Resozialisierungs- als auch des Sicherungsbedürfnisses, ergibt sich zwanglos aus diesen Zahlen.

Der Bund-Länder-AG ist vorzuhalten, vor den eklatanten Versorgungsproblemen der Justizvollzugsanstalten in puncto Drogenberatung und -therapie sowie Betreuung Gefangener mit Suchtproblemen die Augen zu verschließen.

Berlin, den 24.08.2022

Die Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen Strafvollzug
news-881 Mon, 08 Aug 2022 06:25:09 +0200 RAV-Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine neue Verfassung von Chile<br />Declaración sobre la propuesta para una nueva constitución para Chile /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-stellungnahme-zu-dem-vorschlag-fuer-eine-neue-verfassung-von-chile-881 Statement, 8.8.2022 (Versión española abajo)

Der RAV e.V. begrüßt den neuen Entwurf für eine demokratische Verfassung der Republik Chile sehr. Die Verfassung, die endlich die noch aus den Zeiten der Diktatur Pinochets stammende alte ersetzen wird, ist ein leuchtendes Beispiel für einen modernen, inklusiven und demokratischen Rechtsstaat. Die Bundesrepublik Deutschland kann nur mit Neid auf diesen Verfassungsentwurf blicken, der gerade in puncto Grundrechte der Bürger*innen neue Maßstäbe im 21. Jahrhundert setzt. Die Verfassung anerkennt, dass viele Nationen in der Republik Chile beheimatet sind. Sie betont die überragende Wichtigkeit des Schutzes der natürlichen Ressourcen für ein Leben in Würde in der Zukunft. Sie versucht, den Weg der Spaltung, des Auseinanderspielens von Arm und Reich zu überwinden; sie stellt zudem eine Geschlechterparität sicher.

Der Gedanke des buen vivir (dt.: das Gute Leben) ist einer, der noch viele weitere Verfassungen auf der Welt in Zukunft prägen sollte. Als Teil der Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland hoffen wir, dass die chilenische Bevölkerung diese neue Verfassung als Chance begreifen wird. Wir werden den Verfassungsprozess in Chile weiterhin solidarisch und mit Interesse verfolgen und sind gespannt, was von diesem Text für Deutschland gelernt und übernommen werden kann.

Berlin, 3. August 2022

Statement Chile dt (PDF)

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Declaración de la Asociación Republicana de Abogadas y Abogados (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein für Demokratie und Menschenrechte / RAV e.V.) sobre la propuesta para una nueva constitución para Chile.

RAV e.V. recibe con gran satisfacción el borrador de una nueva Constitución democrática para la República de Chile. La Constitución, que finalmente remplazará a la antigua que data de los tiempos de la dictadura de Pinochet, es un ejemplo de Estado de Derecho moderno, inclusivo y democrático. La República Federal de Alemania no puede sino mirar con envidia este proyecto de Constitución, que establece nuevas normas en el siglo XXI, especialmente respecto a los derechos fundamentales de los ciudadanos y las ciudadanas. La Constitución reconoce que en la República de Chile está conformada por muchas naciones. Destaca la importancia primordial de proteger los recursos naturales para una vida digna en el futuro. Busca superar el camino de la división, del enfrentamiento entre ricos y pobres; además garantiza la paridad de género.

El concepto del buen vivir debería dar forma a muchas más constituciones de todo el mundo en el futuro. Como parte de la sociedad civil de la República Federal de Alemania, esperamos que los y las habitantes de Chile vean esta nueva constitución como una oportunidad. Seguiremos con solidaridad e interés el proceso constitucional en Chile y estamos ansiosos por ver qué se puede aprender y adoptar de este texto para Alemania.

Berlin, Alemania, el 3 de agosto de 2022

Declaración Chile sp (PDF)

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news-880 Mon, 01 Aug 2022 09:46:46 +0200 Umfassende Schutzmaßnahmen für LGBTQIA* Geflüchtete – von Tag 1 im Asylverfahren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/umfassende-schutzmassnahmen-fuer-lgbtqia-gefluechtete-von-tag-1-im-asylverfahren-880 Petition, 28.7.22 Der RAV gehört zu den Erstunterzeichner*innen dieser Petition und ruft dazu auf, sie zu verbreiten und ebenfalls zu zeichnen.

https://www.change.org/p/umfassende-schutzma%C3%9Fnahmen-f%C3%BCr-lgbtqia-gefl%C3%BCchtete-von-tag-1-im-asylverfahren?redirect=false

LGBTQIA* Personen flüchten aus unterschiedlichsten Gründen, jedoch sind gesellschaftliche, familiäre und/oder staatliche Gewalt und/oder Verfolgung übliche Merkmale in den Biographien von LGBTQIA* Personen. LGBTQIA* sind hinzu überdurchschnittlich von Mehrfachdiskriminierung und sequentieller Traumatisierung nach der Ankunft in Deutschland betroffen. 

Mit Deiner Unterschrift verstärkst Du den Druck auf den Hamburger Senat und hilfst uns erstmal in Hamburg ein umfassendes Schutzkonzept für queere Geflüchtete durchzusetzen. Danach könnte diese Initiative auch bundesweit und dann auf europäischer Ebene umgesetzt werde.

o   LGBTQIA* Geflüchtete bleiben oft im Asylsystem unerkannt und unsichtbar. Es fehlen oft sichere soziale Räume, welche ein „coming out“ ermöglichen. 

o   LGBTQIA* Geflüchtete spüren ein starkes Gefühl der Einsamkeit und sozialen Isolation, da sie meist unangemessen untergebracht sind. In nichtstädtischen Gebieten fehlt der Zugang zu LGBTQIA* NGOs. 

o   LGBTQIA* Geflüchtete haben oft keinen Zugang zu queerspezifischer rechtlicher und sozialer Unterstützung. 

o   LGBTQIA* Geflüchtete haben aufgrund ihrer Unsichtbarkeit im Asylsystem, sozialer Isolation und Diskriminierung oft keinen sicheren Zugang zu angemessener medizinischer und psychotherapeutischer Behandlung.[1]

Zusätzlich sind LGBTQIA* Asylsuchende inner- und außerhalb der Unterkünfte überdurchschnittlich oft von Gewalt betroffen.[2], [3]

Völkerrechtliche, europarechtliche und nationalrechtliche Regelungen nehmen die Länder explizit in die Pflicht, für LGBTQIA* Geflüchtete den Aufnahmeprozess und die Unterbringung so zu gestalten, dass sie bis zur Anerkennung ihres Status vor struktureller und persönlicher Gewalt geschützt werden und dass sie Zugang zu medizinischer Versorgung (inklusive trans* Gesundheitsversorgung, wie z.B. Hormonersatztherapie) haben und nicht verpflichtet sind, sich gegen ihren Willen vor Menschen zu outen, sondern ihre sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität geheim halten können. 

Hamburg hat durch die Anerkennung von LGBTQIA* Geflüchteten als besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Sinne des Art. 21 Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) schon einen entscheidenden Schritt zur Gewährleistung von Schutz unternommen. So stellt Hamburg sogenannte Schutz-WGs für LGBTQIA* Geflüchtete innerhalb der Folgeunterkünfte zur Verfügung, die von Fördern & Wohnen betrieben werden. Diese Schutz-WGs für LGBTQIA* Geflüchtete sind ein guter Schritt, jedoch befinden sie sich innerhalb der regulären Unterkünfte. 

Dies bedeutet, dass Gewalt- und Diskriminierungsschutz außerhalb der WG-Wände nicht gewährleistet ist. Zudem bestehen in den Unterkünften kaum psychosoziale und keine gesundheitlichen Angebote, die auf LGBTQIA* Personen ausreichend zugeschnitten sind. Außerdem fehlt es an queer-sensibilisiertem Personal und Sicherheitskräften in den Unterkünften. 

In der Erstaufnahme gibt es keine gesonderten Schutzunterbringungen für LGBTQIA* Geflüchtete, so dass erst nach Verlegung in die Folgeunterkunft überhaupt die Möglichkeit dieses relativen Schutzes besteht. Es bedarf aber umfassender Schutzmaßnahmen für geflüchtete LGBTQIA* Personen – von Tag 1 im Asylverfahren.

Wir fordern von dem Hamburger Senat, in Anlehnung an die Modell Region Berlin, eine zentrale Unterkunft in Hamburg, die ausschließlich Plätze für LGBTQIA* Geflüchtete zur Verfügung stellt. Insbesondere muss die Unterkunft über Erstaufnahmeplätze verfügen, um Schutz vom ersten Tag des Asylverfahrens zu gewährleisten.

Wir fordern Zugang zu psychosozialen und gesundheitlichen Angeboten in der Unterkunft, die speziell auf die Bedürfnisse von LGBTQIA* zugeschnitten sind, queeres oder zumindest LGBTQIA*-sensibles Personal in Unterbringungsmanagement, Beratung, Verwaltung und im Sicherheitsdienst.

Sowohl die Spezialambulanz für sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung des Instituts für Sexualforschung, (UKE) als auch Netzwerke von LGBTQIA*-sensiblen Mediziner:innen und Therapeut:innen unterstützen das Projekt

Wir fordern die Erweiterung des Angebots an niedrigschwelligen Beratungsangeboten zum Schutz von LGBTQIA* Personen bereits vor der ersten Äußerung eines Asylbegehrens – das Magnus-Hirschfeld-Centrum e.V. (mhc) und Intervention e.V. mit dem Projekt Refugee Sisters könnten diese Beratung bieten. 

Wir fordern die Verpflichtung der Asylverfahrensberatung des BAMF, geflüchteten Personen, die sich als LGBTQIA* identifizierbar machen, Informationen über die LGBTQIA*-spezifischen Beratungsstellen auszuhändigen – wie es bereits im Sektor Betroffene von Menschenhandel erfolgen soll.

Wir fordern die Möglichkeit des Verbleibs in Hamburg für LGBTQIA* Personen, die einen Asylantrag in Hamburg stellen, um Schutz und Zugang zu medizinischer Versorgung effektiv zu ermöglichen, und um Zwangsoutings zu vermeiden – gem. § 45 Abs. 2 AsylG können die Länder besondere Aufnahmequoten bestimmen und den Königsteiner Schlüssel zur Umverteilung von LGBTQIA* Geflüchteten auszusetzten.


[1] http://www.bristol.ac.uk/media-library/sites/policybristol/PolicyBriefing77-Oct2019-germany-queer-asylum-German-version.pdf
[2] https://www.lsvd.de/de/ct/2164-ausgangsbeschraenkungen-verschaerfen-LGBTQI*-feindliche-gewalt
[3] https://fr-hessen.de/wp-content/uploads/2021/07/2021-Zur-Umsetzung-der-Instanbul-Konvention-in-Bezug-auf-gefluechtete-Frauen-und-Maedchen-in-Deutschland.pdf (fr-hessen.de)

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Migration & Asyl
news-878 Wed, 22 Jun 2022 14:25:22 +0200 Mehr rechtlichen Schutz für die Gorillas-Beschäftigten: RAV und VDJ fordern Anerkennung des europarechtlich gewährleisteten Streikrechts in Deutschland /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mehr-rechtlichen-schutz-fuer-die-gorillas-beschaeftigten-rav-und-vdj-fordern-anerkennung-des-europarechtlich-gewaehrleisteten-streikrechts-in-deutschland-878 Gemeinsame Stellungnahme der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vom 22.07.2022 Mehr rechtlichen Schutz für die Gorillas-Beschäftigten: RAV und VDJ fordern Anerkennung des europarechtlich gewährleisteten Streikrechts in Deutschland

Die Fahrer:innen des Berliner Startups Gorillas hatten seit dem 9. Juni 2021 über Monate mehrmals in Berlin und Leipzig für sichere Beschäftigung, höhere Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen gestreikt, ohne dass eine Gewerkschaft dazu aufgerufen hatte. Daraufhin wurden rund 30 Fahrer:innen entlassen. Nur kurz darauf versuchte die Geschäftsführung auch die Wahl eines Betriebsrats im Wege der einstweiligen Verfügung zu stoppen. Dieses misslang, der Betriebsrat wurde gegen den Widerstand der Unternehmensführung gewählt. Gegen die Kündigungen haben Fahrer:innen Klage beim Arbeitsgericht Berlin erhoben. Die ersten Urteile hierzu liegen vor. Das Arbeitsgericht Berlin kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen, teilweise sieht es die Kündigungen als zulässig an; teilweise bewertet es die Kündigungen als unrechtmäßig.

Die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin wies am 06.04.2022 die Kündigungsschutzklage von drei Fahrer:innen ab, denen aufgrund ihrer Teilnahme an diesem verbandsfreien Streik gekündigt worden war. Das Gericht erachtete zwei der außerordentlichen Kündigungen für wirksam, weil die Teilnahme an einem Streik nur dann rechtmäßig sei, wenn dieser von einer Gewerkschaft getragen werde.[1] Dabei lässt es die europarechtlichen Vorgaben zu Unrecht außer Acht.

In einem weiteren Kündigungsschutzprozess vor der 19. Kammer desselben Gerichts hatte ein Rider dagegen Erfolg.[2] Die 19. Kammer hat der Klage unter anderem mit folgender Begründung stattgegeben:
„Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Streikrecht nicht kodifiziert ist und somit auch die propagierte Notwendigkeit, dass ein Streik gewerkschaftlich organisiert sein muss, keine gesetzliche Grundlage hat. Dementsprechend vertritt die Literatur (…) auch die Auffassung, dass das ganze Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, die Artikel 28 EU-GRC eröffnet, jeder Gewerkschaft, aber auch jeder gemeinsam handelnden Arbeitnehmergruppe zustehe. Artikel 28 EU-GRC schütze daher auch den nicht gewerkschaftlichen „wilden“ Streik. […].

Mithin ist es keineswegs gesichertes Recht, dass ein Aufruf zu einem sogenannten wilden Streik einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt. Die Frage, ob die Teilnahme hieran einen Kündigungsgrund darstellt, stellt sich somit heute grundlegend anders als vor dem Inkrafttreten der Europäischen Grundrechtecharta (…).“

Die 19. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin greift damit im Kern die völker- und europarechtlichen Argumente auf, die kritische Jurist:innen bereits seit Jahrzehnten gegen das durch obergerichtliche Rechtsprechung geprägte restriktive Verständnis des deutschen Streikrechts anführen.

Art. 6 Nr.4 der Europäischen Sozialcharta (ESC)[3] gewährleistet den Arbeitnehmer:innen  das Recht auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts. Eine Beschränkung der Träger:innen des Streikrechts auf tariffähige Gewerkschaften oder eine Beschränkung der Ziele des Streiks auf den Abschluss von Tarifverträgen kennt die ESC hingegen nicht. Die ESC wurde 1965 von der Bundesrepublik ratifiziert. Es handelt sich damit um verbindliches Völkerrecht, welches   nicht nur wie ein einfaches Gesetz zu beachten, sondern maßgeblich auch bei der Auslegung des Grundgesetzes heranzuziehen ist. Der Sachverständigenausschuss des Ministerkomitees des Europarats, der die Einhaltung der Europäischen Sozialcharta in den einzelnen Mitgliedsstaaten überwacht, erklärt seit Jahren, dass in Deutschland das „Verbot aller Streiks, die nicht auf Tarifverträge ausgerichtet sind und nicht von den Gewerkschaften ausgerufen oder übernommen werden“ ein Verstoß gegen die Sozialcharta sei. Das Ministerkomitee selbst sprach deswegen 1998 sogar eine sogenannte „Empfehlung“ aus, die höchste Sanktionsstufe, die ihm zur Verfügung steht.[4] 

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein e.V. und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. fordern die konsequente Anwendung europäischen Rechts und damit die Anerkennung weitergehender Streikmöglichkeiten als sie die deutsche Rechtsprechung bislang erlaubt. Diese Rechtsprechung wurde maßgeblich von Hans Carl Nipperdey geprägt,[5] der  während der Zeit des Faschismus in führender Position an der juristischen Umsetzung der Prinzipien des Nationalsozialismus beteiligt war, u.a. als Autor eines Kommentars zum faschistischen Arbeitsrecht AOG.

Mit den vorliegenden europarechtswidrigen, in der Sache arbeitnehmerfeindlichen Zurückweisungen der Kündigungsschutzklagen verstößt die 20. Kammer gegen die Sozialcharta und eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes und perpetuiert sehr unrühmliche, überkommene und demokratiefeindliche Rechtsstandpunkte. Wir vertreten die Auffassung, dass die Entscheidungen der 20. Kammer keinen Bestand haben dürfen und fordern, die betroffenen Beschäftigten mit allen Rechten weiter zu beschäftigen.

Wegen der herausragenden Bedeutung des Streikrechts für die Sicherung unserer Demokratie sollte endlich eine Diskussion über die Überwindung des restriktiven und rückständigen Verständnisses der Rechtsprechung zum Streikrecht in Gang kommen. Diese Diskussion sollte auf die Implementierung eines „umfassendes Streikrecht“ gerichtet sein, wie schon 2012 der Wiesbadener Appell forderte.[6] Dazu gehört auch das Recht auf den politischen Streik, dessen pauschales Verbot ebenfalls mit der Sozialcharta unvereinbar ist.

Presserückfragen an Rechtsanwalt Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, telefonisch unter 069 71163438 oder per E-Mail an bundessekretaer@vdj.de

[1] Siehe auch die Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin Nr. 05/22 vom 06. 04. 2022: https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1194236.php; der Volltext liegt bislang nicht vor.
[2] Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 07.03.2022, 19 Ca 10127/21, abgerufen am 13.5.2022 unter https://www.arbeitsrecht-berlin.de/urteil-des-arbeitsgerichts-berlin-zum-wilden-streik/
[3] Art. 6 Nr.4 ESC lautet: „Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsstaaten […] das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten […] anzuerkennen …“
[4]"Empfehlung zur Anwendung der Europäischen Sozialcharta durch Deutschland während des Zeitraums v. 1993-1994 (13. Kontrollzyklus Teil IV), beschlossen v. Ministerkomitee am 3.2.98" in: AuR 4/1998, S. 156
[5] Rechtsgutachten vom 2. Januar 1953 von Hans Carl Nipperdey im Auftrag des BDA „Die Ersatzansprüche für Schäden, die durch den von den Gewerkschaften gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz geführten Zeitungsstreik vom 27.-29. Mai 1952 entstanden sind“. 
[6] Wiesbadener Appell: https://politischer-streik.de 

Stellungnahme als PDF

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Pressemitteilung Europa
news-876 Mon, 20 Jun 2022 17:05:00 +0200 International Fair Trial Day und Verleihung des Ebru-Timtik-Awards /publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-876 Palermo, 17./18.6.22

Der RAV ist Teil der internationalen Anwält*innenverbände, die den International Fair Trial Day organisieren. Dieser wurde am 17. und 18.6. in Palermo begangen und konnte auch online verfolgt werden.

Thematisiert wurde in diesem Jahr die Situation unserer Kolleg*innen in Ägypten, die unter zunehmender Verfolgung bis hin zur Inhaftierung ihrer so wichtigen Arbeit nachgehen.

Das am 17.6.22 Joint Statement on the Situation in Egypt, the Focus Country of 2022, das auch vom RAV gezeichnet ist, findet sich hier:
Joint Statement

Der Ebru-Timtik-Award 2022 wurde am 18.6.22 an die inhaftierten ägyptischen Rechtsanwälte und Menschenrechtsverteidiger Mohamed El Baqer und Haitham Mohammadein verliehen. Hier zu den Hintergründen: 2022 Ebru Timtik Award Goes to Two Prominent Egyptian Lawyers and Human Rights Defenders

Für den RAV war unsere Kollegin Ursula Groos in Palermo vor Ort und nahm am Programm teil.

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news-877 Mon, 20 Jun 2022 15:10:13 +0200 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-einfuehrung-eines-chancen-aufenthaltsrechts-877 RAV-Stellungnahme, 20.6.2022 Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) nimmt den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht aus dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat zum Anlass, zu den Vorhaben der Koalition im Migrationsrecht im Allgemeinen und zu einzelnen ausgewählten Punkten des Gesetzesentwurfes im Speziellen wie folgt Stellung zu nehmen:

I. Ausgangslage und grundlegende Reformbedarfe

Derzeit werden etwa 242.000 Menschen in Deutschland als vollziehbar ausreisepflichtig klassifiziert. Dieser Status der Duldung hat rechtlich verschiedene Gründe: Dazu zählen familiäre Verbindungen in Deutschland, festgestellte Abschiebeverbote, Erkrankungen, die Unmöglichkeit einer Abschiebung und faktische Abschiebestopps, oder das Nichtvorliegen von Dokumenten aus dem Herkunftsland.

Gemein ist all den betroffenen Menschen eines: Ihnen wird signalisiert, dass sie nicht Teil dieser Gesellschaft sein sollen; sie können sich keine Perspektive in Deutschland entwickeln, obwohl sie bisweilen bereits über Jahre hier leben; sie sind mit einer besonderen Missgunst und einem massiven Druck seitens der Behörden konfrontiert.

Einzelne Reformversuche in der Vergangenheit in diesem Bereich waren jeweils nur kleine Schritte in die richtige Richtung und konnten nur einem kleinen Teil der Menschen helfen: Etwa durch einzelne Änderungen im Bereich der Erwerbsmigration, durch die Einführung der §§ 25a, 25b AufenthG, dem Institut der Ausbildungsduldung und der Beschäftigungsduldung. Insbesondere Letztere ist aufgrund ihrer hohen Hürden praktisch kaum relevant.

Umfassendere und grundlegende Änderungen – die sowohl menschenrechtlich angezeigt wären und zugleich auch aus einer ökonomischen Logik gefordert werden – scheiterten in der Vergangenheit derweil regelmäßig an der gegenläufigen Rationalität der Exekutive insbesondere in Gestalt des Bundesinnenministeriums, die grundsätzliche und auch dauerhafte Aufrechterhaltung der Ausreisepflicht als Massenphänomen und damit als gewolltes Sanktions- und Ausgrenzungsinstrument, einschließlich des besonders exkludierenden Arbeitsverbots, aufrechtzuerhalten.

Tatsächlich ist es irreführend und empirisch nicht belegbar, die über Jahre andauernde prekäre aufenthaltsrechtliche Situation von hundertausenden Menschen, von der nicht zuletzt viele Kinder betroffen sind, mit der Verhinderung von vermeintlichen pull-Faktoren zu begründen. Ebenso unterkomplex ist es, wenn langjährige Duldungen mit der verweigerten Rücknahme durch die Herkunftsländer zu erklären versucht werden: Dies zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die zahlenmäßig besonders bedeutenden Herkunftsländer Irak und Iran, für die ein faktischer Abschiebestopp gilt; das Gleiche galt für den Umgang mit Menschen aus Afghanistan bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021. Wenn Menschen aus diesen Ländern perspektivisch schon rein praktisch nicht abgeschoben werden, ist es nicht zu rechtfertigen, sie per Duldung als vollziehbar ausreisepflichtig zu klassifizieren und von gesellschaftlicher Teilhabe auszuschließen.

Ein wirklicher Paradigmenwechsel für Menschen in Duldung verlangt demgegenüber insbesondere die folgenden Punkte:

Diese Maßnahmen müssen flankiert werden von proaktiven Maßnahmen des Staates, die gesellschaftliche Teilhabe von allen Menschen durch die Bereitstellung von Integrationskursen und durch umfassende Förderungen von Spracherwerb und beruflicher Aus- und Weiterbildung ermöglichen und unterstützen.

Eine weitere zentrale Baustelle des Migrationsrechts ist schließlich die Regulierung des Familiennachzugs – zur Wahrung des grundgesetzlichen Rechts auf Familie und zur Verwurzelung der Menschen in Deutschland. Das betrifft, neben der notwendigen und im Koalitionsvertrag teilweise anvisierten Reformierung restriktiver Regelungen etwa des Spracherfordernisses, nicht zuletzt die Praxis des Auswärtigen Amtes und der Botschaften: Diese müssen so ausgestattet werden, dass Wartezeiten – die derzeit bis zu zwei Jahren betragen – deutlich verringert werden können. Das Recht auf Familie darf nicht an personellen Engpässen scheitern.

II. Vorhaben der Koalition im Koalitionsvertrag

Das Vorhaben der Koalition im Koalitionsvertrag, die rechtliche Situation von Menschen mit Duldung zu verbessern, ist aus Sicht des RAV überfällig und menschenrechtlich geboten. Es ist dringend erforderlich, dass die Perspektiven und die Rechtssicherheit von Menschen gestärkt werden, die sich in Ausbildung und Arbeit befinden.

Wir begrüßen daher die Vorhaben der Koalition, die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse gem. § 25a und § 25b AufenthG und die Ausbildungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis zu transformieren. Unabdingbar ist die Ankündigung, die sog. „Duldung light“ nach § 60b AufenthG, die als Verschärfung mit dem »“Geordneten-Rückkehr-Gesetz“ eingeführt wurde und aktuell über 20.000 Menschen betrifft, und jegliche Arbeitsverbote aus dem Aufenthaltsgesetz zu streichen – da es sich hierbei um Instrumente handelt, die rechtlich höchst umstritten, von den Behörden sehr unterschiedlich angewandt und in der Konsequenz Menschen gänzlich aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließen und ihnen jegliche Perspektive versperren. Arbeitsverbote darf es im 21. Jahrhundert nicht geben.

Ebenfalls unabdingbar und schnellstmöglich umzusetzen ist die Zusage im Koalitionsvertrag, die Visavergabe zu beschleunigen. Die Bundesregierung ist gehalten, hier zeitnah die Umsetzung voranzutreiben: Insbesondere den Menschen in Afghanistan, die einen Familiennachzug anstreben, sind derart lange Wartezeiten nicht weiter zumutbar.

III. Zum Entwurf eines „Chancen-Aufenthaltsrechts“

Grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist das Vorhaben, langjährige Phasen der Unsicherheit in Form von Kettenduldungen zu beenden. Der Vorschlag, hier ein sogenanntes „Chancen-Aufenthaltsrecht“ zu schaffen, kann die Rechte von vielen Menschen stärken, sich unabhängiger von gesetzlichen und bürokratisch restriktiven Regelungen zu machen, um sich zu bilden und zu arbeiten und sich eine eigenständige Lebensperspektive zu schaffen.

III.1. Das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ nach dem Koalitionsvertrag

Allerdings war schon das im Koalitionsvertrag anvisierte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ in der dort vorgeschlagenen Form zu lückenhaft.

Im Koalitionsvertrag war das besagte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ an drei Voraussetzungen geknüpft (S. 110 des Koalitionsvertrages): Menschen, die erstens „am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben“, zweitens „nicht straffällig geworden sind“ und sich drittens „zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“, sollen „eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG).“

III.1.1. Stichtagsregelung

Es handelt sich wiederum nur um eine Stichtagsregelung, indem es nur diejenigen Menschen adressiert, die sich am 01.01.2022 fünf Jahre lang in Deutschland aufgehalten haben. Es wird hingegen keine dauerhafte rechtliche Lösung für Menschen geschaffen, von der auch die Menschen profitieren werden, dich sich nach diesem Stichtag fünf Jahre in Deutschland aufgehalten haben.

III.1.2. Restriktiver Rahmen in zeitlicher Hinsicht

Das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ eröffnet nominell und rechtlich nur eine Chance: Das Recht soll die Möglichkeit geben, innerhalb eines Jahres die Voraussetzungen eines anderen Bleiberechts – also die Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach anderer Norm – zu erfüllen; dies wird die Adressat*innen massiv unter Druck setzen, zumal nach unseren praktischen Erfahrungen ein Jahr kein langer Zeitraum ist, um sich etwa eine Arbeit zu suchen, die prognostisch dauerhaft den Lebensunterhalt sichert.

III.1.3. Unzureichender persönlicher Anwendungsbereich

Viele Menschen werden dauerhaft in Deutschland geduldet, weil ein anderweitiges Bleiberecht aus anderen rechtlichen Gründen scheitert, sie aber gleichwohl aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen perspektivisch nicht abgeschoben werden können und/oder dürfen: Weil sie krank sind, in Deutschland Familie haben, oder weil eine Abschiebung wegen der Zustände in ihrem Herkunftsland – wie etwa Afghanistan oder Somalia – nicht möglich oder zulässig ist. Diese große Personengruppe wird in dem Vorhaben einer Bleiberechtsreform von Vornherein gänzlich vernachlässigt.

III.2. Der Referentenentwurf zum „Chancen-Aufenthaltsrecht“

Der vorliegend zu diskutierende Referentenentwurf wirft weitere Kritikpunkte auf, indem er die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag unterminiert und durch verschiedentliche Einschränkungen dazu führen wird, dass zahlreiche Menschen nicht vom „Chancen-Aufenthaltsrecht“ profitieren werden:

Folgende Einschränkungen des Entwurfs eines „Chancen-Aufenthaltsrecht sind aus Sicht des RAV besonders problematisch:

III.2.1. Ausschluss wegen des Vorwurfs der Identitätstäuschung

Gem. § 104c Abs. 1 Nr. 3 AufenthG-E sollen Personen ausgeschlossen werden, wenn die Abschiebung „aufgrund eigener falscher Angaben oder aufgrund [einer] Täuschung über [die] Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt“ ist.

Damit wird zum einen das Vorhaben der Koalition aus dem Koalitionsvertrag unterhöhlt, an sich mit der Abschaffung der „Duldung light“ ein System von Geduldeten verschiedener Klassen zu beenden. Zum anderen zeigt die Praxis sowohl im Aufenthaltsrecht als auch im Sozialrecht im Zusammenhang mit § 1a AsylblG, dass der Vorwurf der Verantwortlichkeit für das Abschiebehindernis bereits – insbesondere durch vermeintlich unterlassene Bemühungen, sich Papiere des Herkunftslandes zu beschaffen – durch die Ausländerbehörden ausufernd und grundlos bemüht wird, um Menschen zu entrechten.

III.2.2. Beschränkter Wechsel in eine andere Aufenthaltserlaubnis

Das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ soll nach der einjährigen Probephase nur in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG umgewandelt werden können (§ 104c Abs. 1 S. 2 AufenthG-E).

Entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des Koalitionsvertrages ist damit eine Verlängerung in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG nicht möglich.

Ohnehin bleibt auch systemisch unklar und unbegründet, warum nach der einjährigen Probephase eine Aufenthaltserlaubnis nicht aus anderen Gründen – etwa aus zwischenzeitlich eingetretenen familiären Gründen, durch die Aufnahme eines Studiums oder gem. § 25 Abs. 5 AufenthG – möglich sein sollte. § 104 c Abs. 1 S. AufenthG-E ist damit aus unserer Sicht auf alle Aufenthaltserlaubnisse zu erstrecken.

Jedenfalls muss aus diesem Grund die Vorgabe in § 104c Abs. 1 S. 5 AufenthG-E gestrichen werden, wonach Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG entfalten sollen.

III.2.3. Ausschluss bei Straftaten von Familienangehörigen

Besonders problematisch ist die Vorgabe gem. § 104c Abs. 3 AufenthG-E:

Demnach soll das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ für andere Mitglieder der Kernfamilie ausgeschlossen sein, wenn „der Ausländer oder ein in häuslicher Gemeinschaft lebender Ehegatte, Lebenspartner oder minderjähriges Kind Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 begangen“ hat. Diese Vorschrift ist zunächst insofern redaktionell unklar formuliert, als dass nicht deutlich wird, ob es nur um die akzessorische Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 2 AufenthG (durch die Formulierung „Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift für andere Mitglieder der Kernfamilie“) oder auch um die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG-E geht (indem es auf Straftaten des „Ausländers“ Bezug nimmt, die bereits nach § 104c Abs. 1 S 1. Nr. 2 AufenthG-E zum Ausschluss führen). Jedenfalls aber markiert diese Einschränkung eine als „Sippenhaft“ zu bezeichnende und grundlose Ausweitung der Rechtsfolgen von Straftaten von einem Familienmitglied auf die gesamte Familie.

III.2.4. Maßgebliche Voraufenthaltszeiten

Voraussetzung des „Chancen-Aufenthaltsrechts“ nach § 104c Abs. 1 S. 1 ist der ununterbrochene Aufenthalt kraft Duldung, Aufenthaltsgestattung oder eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Zum einen schließt dies die zahlreichen praktischen Fälle von Personen aus, die zwischenzeitlich und ausweislich einer rechtswidrigen Praxis faktisch, aber ohne eine explizite Bescheinigung geduldet waren oder sind, oder auch – nicht zuletzt wegen praktischer Schwierigkeiten während der Corona-Pandemie - ihre Duldung nicht verlängern konnten. An dieser Stelle bedarf es mindestens einer gesetzgeberischen Klärung, um individuellen Restriktionen durch die Ausländerbehörden vorzubeugen. Zum anderen ist es unverständlich, warum Personen aus der Norm herausfallen sollen, die zwischenzeitlich eine Aufenthaltserlaubnis aus anderen Zwecken – etwa familiären Gründen oder wegen eines Studiums –, mithin ein sicheres Aufenthaltsrecht innehatten.

III.2.5. Kein regelhaftes Absehen von der Passpflicht

Irreführend ist - es stellt wohl eher ein Redaktionsversehen dar -, wenn entsprechend dem Umkehrschluss aus § 104c Abs. 1 S. 1 AufenthG-E von der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 AufenthG nicht im Regelfall abgesehen werden soll. Dies widerspricht systematisch der Vorgabe und auch dem ausdrücklichen Vorhaben im Koalitionsvertrag, dass das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ die Möglichkeit eröffnen soll, sich innerhalb eines Jahres um eine Klärung der Identität zu bemühen.

III.3. Forderungen

Der RAV empfiehlt, den Entwurf des „Chancen-Aufenthaltsrecht“ wie folgt zu ändern bzw. zu ergänzen:

IV. Vorhaben in den Bereichen Teilhabe und Familiennachzug

Im Koalitionsvertrag (S. 111) ist vorgesehen, dass zum Ehepartner oder zur Ehepartnerin nachziehende Personen den erforderlichen Sprachnachweis auch erst nach Ankunft, und damit nach Visavergabe, erbringen können. Dieses Vorhaben ist durch den vorliegenden Entwurf in § 30 AufenthG-E nur eingeschränkt umgesetzt worden: Stattdessen ist vorgesehen, dass von nun an beim Nachzug zu Fachkräften und zu Personen mit besonderen berufspraktischen Kenntnissen in einzelnen Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologie vom Spracherfordernis gem. § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. AufenthG-E abgesehen wird.

Diese nur eingeschränkte Änderung ist nicht nachvollziehbar und verkennt die praktische und akute Problemlage: Insbesondere Menschen, die über einen humanitären Aufenthaltstitel etwa kraft eines Abschiebungsverbotes verfügen, stammen zumeist aus Ländern oder die Familienangehörigen befinden sich in Transitländern, in denen jeweils, verstärkt durch die mangelhaften Lebensbedingungen der Familien und vor allem für Frauen, ein Spracherwerb kaum bis gar nicht möglich ist. Die Klassifizierung zwischen diesen Konstellationen einerseits und den zumeist mit besseren Möglichkeiten ausgestatten Familien von Fachkräften ist weder praktisch noch menschenrechtlich begründbar. 

Wir fordern daher,

Ebenso noch nicht bzw. nur verkürzt umgesetzt sind die Pläne aus dem Koalitionsvertrag, „für alle Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskurse“ anzubieten (S. 111 des Koalitionsvertrages). Stattdessen ist allein nach § 44 AufenthG-E vorgesehen, dass der Stichtag der Einreise „vor dem 01. August 2019“ sowie der Ausschluss von Personen aus sicheren Herkunftsstaaten gestrichen wird. Wir fordern eine schnelle Umsetzung der Maßgabe,

V. Abschließende Bemerkungen

Weder die Vorhaben der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag und noch weniger die vorliegenden Umsetzungsvorschläge werden dem Anspruch gerecht, einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik herbeizuführen. Dieses gilt insbesondere für die Reform der Rechte von Menschen in Duldung. Die vorliegenden Pläne bergen die Gefahr, dass weiterhin Zehntausende bis Hundertausende Menschen in Deutschland leben, die von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind, und denen eine sichere Lebensplanung in Deutschland unmöglich gemacht wird. Ein sichtbarer Bruch mit der Logik von Ausschluss und Repression findet nicht statt. Dieser Zustand ist, insbesondere für die vielen betroffenen Kinder, unhaltbar – und er darf auch weiterhin nicht bleiben.

Unterdessen ist die Koalition gehalten, sich aber jedenfalls an die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zu halten, und die einzelnen progressiven Elemente zugunsten von Menschen in Duldung und mit humanitären Aufenthaltserlaubnissen nicht noch weiter zu unterhöhlen.

Zugleich müssen die Pläne schnell umgesetzt werden: Wir reden hier über die Situation und den Status von Menschen in existenziellen Notlagen. Bis zu einer endgültigen Kodifizierung des „Chancen-Aufenthaltsrechts“ ist es zudem unabdingbar, dass bundesweit Vorgriffsregelungen erlassen werden, um den Status der Adressat*innen der neuen Rechtslage bis dahin zu schützen und ihnen Sicherheit zu geben.

Verfasser*innen: Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert und Rechtsanwältin Berenice Böhlo für den RAV

Berlin, den 20. Juni 2022

RAV-Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen Migration & Asyl
news-874 Mon, 30 May 2022 09:46:30 +0200 RAV-Forderung an die Ampel: »Angekündigter Kurswechsel in der Migrationspolitik muss endlich umgesetzt werden« /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-forderung-an-die-ampel-angekuendigter-kurswechsel-in-der-migrationspolitik-muss-endlich-umgesetzt-werden-874 RAV-Pressemitteilung 2/22 vom 30.5.22 Anfang Juni findet die IMK in Bayern statt. Anlass für die ›Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht Süd‹ des RAV, auf die bayerische und Bundesinnenpolitik hinzuweisen: Der durch die Ampel angekündigte Kurswechsel in der Migrationspolitik muss endlich umgesetzt werden! Bayern muss die hektische Abschiebepolitik beenden!

Anlässlich der Konferenz der Innenminister* und -senator*innen (IMK) ab dem 1. Juni 2022 in Würzburg üben Migrationsrechtsanwältinnen und -anwälte Kritik an der innenpolitischen Führung im asyl- und migrationspolitischen Geschehen im Bund, insbesondere aber in Bayern.

Bundesregierung handelt nicht

Im November 2021 kündigte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag einen Kurswechsel in der Migrationspolitik an. Sie versprach eine Reihe von aufenthaltsrechtlichen Verbesserungen, doch auch nach sechs Monaten sind keine konkreten Gesetzesvorhaben bekannt. Ein gesetzgeberisches Handeln von Seiten des Bundesinnenministeriums ist bislang nicht ersichtlich. Ein Schlag ins Gesicht für eine migrationsfreundliche Politik!

Bayern unterläuft Bundespläne

Insbesondere in Bayern scheinen die angekündigten Änderungen allerdings dazu geführt zu haben, dass die Ausländerbehörden – dem Innenministerium unterstellt – nochmal besonders repressiv und migrationsfeindlich auftreten. Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen erlassen innerministerielle Rundschreiben, die eine Vorwirkung des Koalitionsvertrags annehmen und regeln, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Personen betrieben werden, die wahrscheinlich in den Genuss der neuen Regelungen kommen werden.
Anders in Bayern. Hier ist zu erkennen, dass bayerische Ausländerbehörden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung forcieren. Arbeitsverbote und sog. ›Duldungen light‹ werden ausgeweitet – auch Personen betreffend, die unter die geplanten Regelungen fallen werden. Nicht selten verweigern Behörden, kurz bevor Betroffene die gesetzlich vorausgesetzten Mindestduldungszeiten erreichen, die Erteilung der Duldungsbescheinigungen aufgrund von Lappalien.

Verschärfte Repression in Bayern

Bayerns Ressourcen und Personal, so der Eindruck, werden insbesondere in die Aufenthaltsbeendigung investiert. Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, Niederlassungserlaubnissen oder zur Einbürgerung verlaufen dagegen schleppend. Die Ausländerbehörden sind nicht erreichbar und heillos überlastet; beides nicht erst seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine.
»Der Eindruck entsteht«, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal von der ›AG Migrationsrecht Süd‹ des RAV, »dass das bayerische Innenministerium die Ausländerbehörden anleitet, alle Möglichkeiten der Abschreckung und Repression nochmal ausgiebig auszuschöpfen, bevor sie der Bund beschränkt«. Seine Kollegin, Rechtsanwältin Antonella Giamattei, ergänzt, »statt mit den Betroffenen Perspektiven durch die versprochenen Neuregelungen zu erörtern, werden sie mit Arbeitsverboten und Strafverfahren überzogen. Statt eines Spurwechsels steht für Bayern die Aufenthaltsbeendigung im Fokus«.

Neuregelungen beschleunigen

Daher wären die neuen Regelungen dringend nötig: Beispielsweise wurde ein sog. ›Chancen-Bleiberecht‹ für Geduldete mit einer Stichtagsregelung zum 1. Januar 2022 (sic!) in Aussicht gestellt. Nichts geschah. Ebenso angekündigt: ein erleichterter Zugang zu Bleiberechtsregelungen wegen guter Integration, die Abschaffung von Arbeitsverboten und von sog. ›Duldung light‹. Bisher ohne Umsetzung.
Ziyal betont: »Wir fordern die IMK allgemein, aber insbesondere den bayerischen Innenminister, Herrn Hermann, auf, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen. Erlassen Sie entsprechende Vorgriffsregelungen auf die geplanten Bleiberechtsregelungen«.

Hintergrund
Die ›Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht Süd‹ hat sich Anfang 2022 als Zusammenschluss von Rechtsanwält*innen innerhalb des RAV gegründet. Sie versammelt im Migrationsrecht tätige Rechtsanwält*innen in Süddeutschland. Ziel der AG ist es, über das einzelne Mandat und den fachlichen Austausch hinaus im migrationsrechtlichen Geschehen politisch zu agieren. »Im Bereich des Migrationsrechts sind unsere Mandantinnen und Mandanten besonders schutzbedürftig; der Umgang der bayerischen Behörden mit Asylsuchenden und Migrant*innen ist oft hart und repressiv. Wir sehen es hier als enorm wichtig an, ihre Grundrechte auch durch politische Arbeit zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken«, sagt Rechtsanwältin Antonella Giamattei zur Gründung der AG.

Für Presseanfragen und weitere Informationen kontaktieren Sie gerne:
RA Yunus Ziyal
Tel.:  030.417 235 55
E-Mail: kontakt@rav.de

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-873 Wed, 25 May 2022 13:17:00 +0200 Die Polizei: Helfer, Gegner oder Staatsgewalt? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-polizei-helfer-gegner-oder-staatsgewalt-873 Veranstaltung 14.6.22 | 19 h | Berlin Im März diesen Jahres ist das Buch ›Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation‹ von dem Kollegen Benjamin Derin und Prof. Dr. Tobias Singelnstein erschienen. In dem Buch werden aus informierter Sicht nicht nur die Rolle der Polizei in der Gesellschaft und die dabei auftretenden Probleme behandelt, sondern auch die Frage aufgeworfen, wie eine Polizei in einer demokratischen Gesellschaft aufgestellt sein soll. Vor allem der letzteren Frage nach der Perspektive für die Polizei wollen wir uns auf der Veranstaltung widmen.

Dazu haben wir neben den beiden Autoren Benjamin Derin und Tobias Singelnstein auch Betroffene polizeilicher Arbeit eingeladen, um auch ihre Sicht auf die Polizei und ihre Forderungen an deren Arbeit zu hören.
Auf der Veranstaltung werden wir die Thesen der beiden Autoren u. a. mit

Hannes Poggemann vom Dachverband der Fanhilfen,

Nicole Lindner vom Wohnungslosenparlament,

Wiebke Wildvang von der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen,

Biblap Basu von KOP – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt sowie

Philipp Krüger von amnesty-polizei diskutieren.

Moderation: Lena Kampf von der Süddeutschen Zeitung

Wir freuen uns auf eine gemeinsame Diskussion am

14.6.22 um 19 h im Refugio, Lenaustr. 3-4, Berlin-Neukölln.

Eine Veranstaltung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) in Zusammenarbeit mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Dachverband der Fanhilfen, der Wohnungslosenstiftung und amnesty-polizei.

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Polizei Veranstaltungen
news-872 Fri, 20 May 2022 12:57:36 +0200 Fluchthilfe ist kein Verbrechen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluchthilfe-ist-kein-verbrechen-872 Aufruf zur Teilnahme: Bundesweiter Aktionstag 21.5.22 Am 21.5.2022 beginnen die Vorverhandlungen gegen die 21 Seenotretter*innen von der Iuventa Crew und weiteren Organisationen. Es wird ihnen vorgeworfen, mit Schmugglern zusammengearbeitet zu haben, es drohen lange Haftstrafen. Bei der Vorverhandlung soll entschieden werden, ob die Anklage fallengelassen oder ein möglicherweise jahrelanger Prozess gegen sie eingeleitet wird.
Dies ist Anlass für einen bundesweiten, mit den Angeklagten solidarischen Aktionstag am gleichen Tag.

Auch der RAV ruft auf, sich an diesen Aktionen zu beteiligen, alle Informationen über die Orte/Zeiten etc. finden sich auf der Seite von Seebrücke, hier: https://seebruecke.org/aktionen

Im Rahmen der Berliner Proteste (12 h auf dem Platz der Republik)  wird RA Adrian Furtwängler für den RAV und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger eV. einen Redebeitrag mit Fokus auf die Kriminalisierung der Seenotretter*innen halten.

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Flüchtlinge/Geflüchtete Migration & Asyl
news-864 Tue, 17 May 2022 10:41:46 +0200 Präsentation des Grundrechte-Reports 2022 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/praesentation-des-grundrechte-reports-2022-864 Presseeinladung, 18.5.2022, 10h Die Teilnahme an der Präsentation ist per Livestream, Videokonferenz oder im Maison de France, Kurfürstendamm 211 in 10719 Berlin, möglich. Bei einer physischen Teilnahme im Maison de France sowie per Videokonferenz bitten wir um eine vorherige Anmeldung. Der Link zum Livestream ist am Tag der Präsentation unter www.grundrechte-report.de abrufbar.

Der Grundrechte-Report 2022 steht nach der Vielzahl von Umweltkatastrophen im Jahr 2021 schwerpunktmäßig einerseits im Zeichen des Klimaschutzes und beleuchtet hierbei unter anderem den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz sowie das unzureichende Verbandsklagerecht zum Klima- und Umweltschutz. Andererseits wirft der Bericht ein Schlaglicht auf die Grundrechtsfragen, die durch den chaotischen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan entstanden ist.

Vorgestellt wird der Report in diesem Jahr von Ferda Ataman. Sie ist Journalistin, Autorin und Politologin und arbeitet zu Fragen rund um Migration, Diversität und Rassismus. Sie ist Mitbegründerin und ehrenamtliche Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen, einem Netzwerk von Journalist*innen of Colour, das sich für mehr Vielfalt in Medien und für diskriminierungskritische Berichterstattung im Einwanderungsland einsetzt. Zudem hat sie den Mediendienst Integration aufgebaut und war Referatsleiterin in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Kava Spartak berichtet bei der Pressekonferenz als Vorstand der Initiative YAAR e.V., die sich in der Geflüchtetenhilfe für Menschen aus Afghanistan engagiert. Im Fokus steht dabei einerseits die falsche Lagebewertung der Bundesregierung bezüglich der Stabilität des Landes vor dem Truppenabzug Mitte 2021 und die daran geknüpfte deutsche Abschiebepraxis der letzten Jahre sowie andererseits die Evakuierungen aus Kabul und die schleppende Aufnahme gefährdeter Menschen seit August 2021.

Der Mitherausgeber des Grundrechte-Reports John Philipp Thurn, Richter am Sozialgericht Berlin, wird als Mitglied der Redaktion die Präsentation moderieren.

Seit fünfundzwanzig Jahren erscheint der Grundrechte-Report: Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland. Die 39 Einzelbeiträge im 26. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2021. Der Report analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

Informationen zur Teilnahme und Möglichkeiten für Fragen an das Podium: Bei Interesse an einer Teilnahme an der Videokonferenz oder im Maison de France melden Sie sich bitte bis zum 17. Mai 2022 an unter grr@humanistische-union.de.

Rezensionsexemplare (auch als PDF) zu Pressezwecken können vorab über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an die Geschäftsführerin der HU, Carola Otte, unter 0176 – 9960 9669 oder grr@humanistische-union.de.

Grundrechte-Report – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgegeben von: Benjamin Derin, Andreas Engelmann, Vera Fischer, Rolf Gössner, Wiebke Judith, Hans-Jörg Kreowski, John Philipp Thurn, Rosemarie Will, Michèle Winkler. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M., Mai 2022, ISBN 978-3-596-70805-5, 224 Seiten, 13.00 Euro.

Der Grundrechte-Report 2022 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte

Presseinladung (PDF)

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Grundrechte
news-863 Mon, 16 May 2022 08:14:45 +0200 Arbeitskreises Mietrecht im RAV bei Kongress „European contribution to the right to housing: Standards, Litigation & Advocacy“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/arbeitskreises-mietrecht-im-rav-bei-kongress-european-contribution-to-the-right-to-housing-standards-litigation-advocacy-863 Text des Vortrages in den Sprachen Deutsch, Englisch Französisch sowie Spanisch Der Wohnungs- und Mietmarkt steht nicht nur in Deutschland unter enormen Druck. Europaweit mobilisieren sich deswegen Interessenverbände, Aktivist*innen und Jurist*innen zur Verbesserung der Rechte auf Seiten der Mieter*innen und Wohnenden und auch der Wohnungslosen.

Am 16.05 2022 findet in Brüssel ein Kongress zu dem Recht auf Wohnen, zu der Verfasstheit von Wohnungspolitik und Mieter*innenschutz im europäischen Vergleich und zu der Rolle der Anwält*innenschaft bei der Stärkung und Durchsetzung vom Mieter*innenrechten statt. Ziel ist sowohl europäische Vernetzung als auch der Austausch über  Möglichkeiten der Verhinderung von Wohnungslosigkeit, steigender Mieten und der Eindämmung des Miet- und Immobilienmarktes als Spekulationsobjekt. Im Fokus stehen dabei auch die Frage strategischer Prozessführung.

Veranstaltet wird der Kongress von der Fondation Abbé Pierre and FEANTSA/ Housing Rights Watch. Der AK-Mietrecht wird hier eine Einführung in den derzeitigen Stand des juristischen Mieter*innenschutzes in der BRD, sowie zu politischen Forderungen und Perspektiven zukünftiger Regelungen beitragen.

Das Programm ist unter: http://www.housingrightswatch.org/news/european-contribution-right-housing-standards-litigation-and-advocacy zu finden.

Der Text des Vortrages in den Sprachen Deutsch, Englisch Französisch sowie Spanisch kann hier heruntergeladen werden:
The text of the presentation in German, English, French and Spanish can be downloaded here:
El texto de la conferencia en alemán, inglés, francés y español puede descargarse aquí:
Le texte de la conférence en allemand, anglais, français et espagnol peut être téléchargé ici:

Deutsch
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Franҫais
Español

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Mietrecht
news-859 Tue, 10 May 2022 12:03:58 +0200 Bleiberecht und Aufnahme jetzt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bleiberecht-und-aufnahme-jetzt-859 Aufruf zur Demonstration anlässlich der Innenminister*innenkonferenz (IMK) in Würzburg Der RAV hat den Bündnis-Aufruf zur Demonstration am 2.6.22 in Würzburg gezeichnet, den wir hier veröffentlichen.

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Wir stehen an der Seite aller Menschen, die bedroht sind – egal ob sie aus der Ukraine oder aus anderen Krisenregionen der Welt vor Krieg, Not und Verfolgung fliehen. Wir sagen: Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben. Von den Innenminister*innen, die in Würzburg tagen, fordern wir daher: Vergesst die Menschen aus Afghanistan und anderen Ländern nicht!

Bleiberecht jetzt: Schluss mit dem Angstzustand Duldung!

242.000 geflüchtete Menschen leben in Deutschland mit dem unsicheren Status der Duldung, der Großteil von ihnen schon seit vielen Jahren. Die meisten sind aus dem Irak, Afghanistan, Nigeria, dem Iran oder aus russischen Teilrepubliken wie Tschetschenien geflohen. Ihr Alltag ist geprägt von Perspektivlosigkeit, Angst vor einer Abschiebung und der Einschränkung sozialer Rechte.

Auch zehntausende Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Die Bundesregierung muss geduldeten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen endlich Perspektiven eröffnen! Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Bleiberechtsregelungen müssen großzügig und zeitnah umgesetzt werden. Die „Duldung light“ sowie Ausbildungs- und Arbeitsverbote gehören abgeschafft.

Doch was passiert? Die Landesinnenminister*innen schieben weiterhin ab. Mitten in der Nacht, überfallartig werden ganze Familien aus ihren Betten gerissen – obwohl die Ampel-Koalition vereinbart hat, dass sie bleiben sollen. Auch Kinder und Jugendliche, die schon lange hier leben, müssen in Länder „zurückkehren“, die sie kaum kennen.

Wir fordern von der IMK einen allgemeinen Abschiebungsstopp, damit sichergestellt ist, dass Menschen nicht noch schnell abgeschoben werden, bevor das neue Bleiberecht im Bundestag beschlossen wird.

#DontForgetAfghanistan: Die Menschen in Afghanistan nicht im Stich lassen!

Ein halbes Jahr nach Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sind dort immer mehr Menschen in Lebensgefahr. Die Bundesregierung hat ihr Versprechen gebrochen, die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen. Sogar Menschen, die für deutsche Organisationen oder die Bundeswehr gearbeitet haben und deswegen von den Taliban verfolgt werden, haben oft keine Chance auf Aufnahme in Deutschland.

Jeden Tag werden schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan begangen. Vor allem Aktivist*innen für Frauen- und Menschenrechte, Journalist*innen, aber auch Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten, LGBTIQ und Mitarbeiter*innen der früheren Regierung sowie Menschen, die in der Vergangenheit für westliche Organisationen gearbeitet haben, erfahren Gewalt durch die Taliban. Die Rechte von Frauen und Mädchen werden kontinuierlich eingeschränkt. Immer mehr Mädchen werden zwangsverheiratet, statt Bildung zu erhalten.

Wir fordern eine unverzügliche, schnelle und sichere Aufnahme aus Afghanistan! Das Versagen der deutschen Behörden bei der Evakuierung gefährdeter Personen darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Es müssen sofort Landes- sowie Bundesaufnahmeprogramme geschaffen werden. Besonders gefährdete Personen müssen unabhängig von solchen Programmen Aufnahme finden. Reformiert und beschleunigt werden muss auch das Ortskräfteverfahren und alle gefährdeten Familienmitglieder müssen bei der Aufnahme berücksichtigt werden. Aus Deutschland abgeschobene Afghan*innen gelten als verwestlicht und sind damit durch die Taliban bedroht. Sie müssen zurückkommen dürfen.

Wie im Koalitionsvertrag versprochen muss zudem der Familiennachzug endlich erleichtert werden. Abläufe müssen vereinfacht und beschleunigt werden, damit geflüchtete Afghan*innen in Deutschland ihre Familien in Sicherheit bringen können. Alle Menschen, die bereits aus Afghanistan nach Deutschland fliehen konnten, müssen umgehend einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten.

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Weiterer Protesttermin:
Aktionen im Vorfeld der IMK, Dienstag, 17.05.2022, 17 Uhr, Ort der IMK Vorkonferenz, Berlin

Alle Informationen finden sich auf der Seite von Jugend ohne Grenzen (JoG) http://jogspace.net/

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Migration & Asyl
news-858 Tue, 10 May 2022 11:52:44 +0200 Flucht und Asyl aus feministischer Sicht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht-1-858 Podcast vom 8.3.2022 Die Istanbul-Konvention ist in Deutschland seit über 4 Jahren geltendes Recht. Ein Meilenstein. Jedoch mangelt es an einer wirksamen Umsetzung. So behindern u.a. Genderstereotype immer noch den gleichen Zugang zum Recht und einen effektiven Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt.

Beim Abendforum der Evangelischen Akademie am 8. März 2022 sprach Andrea Kothen von Pro Asyl mit der Rechtsanwältin Barbara Wessel, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV.

Sie erklären, wie die Istanbul-Konvention die Lage von geflüchteten Frauen verbessern könnte und welche Schwierigkeiten sich bei Unterbringung und Gesundheitsversorgung stellen.

Hier der Link zum Podcast: https://www.podcast.de/episode/593167550/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht

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Feminismus Migration & Asyl
news-848 Mon, 02 May 2022 13:12:48 +0200 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (3. PStRÄndG) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-dritten-gesetzes-zur-aenderung-personenstandsrechtlicher-vorschriften-3-pstraendg-848 2.5.2022; RAV-Stellungnahme Dem RAV wurde Gelegenheit eingeräumt, zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (3.  PStRÄndG) beim Bundesministerium des Innern und für Heimat schriftlich eine Stellungnahme einzureichen.

Der Gesetzesentwurf findet sich hier: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/3-PStRaendG.html

Folgende Stellungnahme, verfasst von RA und Notar Dirk Siegfried aus Berlin, ist vom RAV beim BMI eingereicht worden:

  1. § 9 Abs. 1 PStG-E

Es ist bereits unklar, ob diese Regelung nur für die Erklärungen gelten soll, die beim Standesamt beurkundet oder beglaubigt werden, oder auch für die Einreichung von Erklärungen, die bereits bei einer anderen zuständigen Stelle beurkundet oder beglaubigt wurden. (Die Begründung scheint eher für die zweite Auffassung zu sprechen.) Jedenfalls aber ist sie überflüssig: Bei den Beurkundungen und Beglaubigungen, die beim Standesamt selbst erfolgen, ergibt sich die Notwendigkeit der persönlichen Vorsprache aus allgemeinem Beurkundungsrecht. Bei Beurkundungen und Beglaubigungen, die bereits bei einer anderen Stelle erfolgt sind, gibt es keinen rechtfertigenden Grund für die Einführung einer verpflichtenden Vorsprache zur Einreichung dieser Erklärungen. Eine solche Pflicht belastet die Anzeigenden und die Standesämter zusätzlich statt sie – dem Gesetzeszweck entsprechend – zu entlasten. Der auf Seite 70 des Entwurfes geäußerte Generalverdacht gegen Eltern von Kindern „ausländischer Herkunft“ entbehrt jeglicher empirischen Grundlage und ist zurückzuweisen. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die Einführung einer verpflichtenden Vorsprache zur Einreichung bereits beurkundeter oder beglaubigter Erklärungen einer etwaigen Erhöhung der „Zahl missbräuchlicher Erklärungen“ entgegenwirken sollte.

  1. § 10 Abs. 1 PStG-E

Auch die Verschärfung von § 10 Abs. 1 PStG belastet die Anzeigenden und die Standesämter zusätzlich und ist mit dem Gesetzeszweck der Vereinfachung der Verfahren nicht zu vereinbaren. Die Entwurfsbegründung auf Seite 70 unten verkennt, dass die Anzeigenden, soweit das Standesamt die erforderlichen Daten „aus anderen Registern elektronisch abrufen kann“, nach § 10 Abs. 1 und 3 PStG in der aktuellen Fassung von Angaben bzw. Nachwiesen befreit wären. Diese Befreiung nun in das Ermessen des Standesamts zu stellen, belastet die Anzeigenden mit unnötigen Angaben bzw. Nachweisen und die Standesämter mit der Ermessensentscheidung und deren Rechtfertigung.

  1. § 12 Abs. 4 PStG-E

Die Neuregelung soll die Standesämter zur Anhörung und Beratung verpflichten und die Eheschließenden zu einem persönlichen Gespräch. Beides ist überflüssig. Die Standesämter sind ohnehin zur Beratung verpflichtet und kommen dem in aller Regel auch nach. Es gibt keinerlei Grund zur Annahme, dass sie diese Verpflichtung ausgerechnet bei den drei in § 12 Abs. 4 PStG-E genannten Fragen so eklatant vernachlässigt hätten, dass es nötig wäre, sie bei diesen Fragen nochmals ausdrücklich in die Pflicht zu nehmen.

Schlimmer ist, dass die Regelung alle Eheschließenden mit einer Gesprächspflicht belastet, auch diejenigen, die Hinweise zu den genannten Fragen überhaupt nicht benötigen, z.B., weil sie bereits informiert sind. Dies wird von den Eheschließenden nachvollziehbar als bevormundend empfunden werden und das Verhältnis zwischen ihnen und dem Standesamt belasten. Die Vermutung, dass die Beratung hier nur oder jedenfalls auch der Verschleierung einer Ausforschung dient, wird bestätigt durch die Ausführungen auf S. 71 unten der Gesetzesbegründung, wonach „Im Übrigen“ „nur durch eine persönliche Anhörung der Verlobten ein Verdacht über die Absicht der Eingehung einer Scheinehe ausgeräumt oder erhärtet werden“ könne. Wenn und soweit ein verpflichtendes Gespräch zur Überprüfung eines etwaigen Verdachts über die „Absicht zur Eingehung einer Scheinehe“ für erforderlich gehalten werden sollte, müsste dessen Einführung vom Gesetzgeber unter Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere aus Art. 6 GG, begründet werden. Die Einführung einer solchen Verpflichtung unter dem Deckmantel einer fürsorglichen Beratung missachtet die verfassungsrechtlichen Vorgaben, entwertet die bei den Standesämtern tatsächlich stattfindende Beratung und ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig.

  1. § 18 Abs. 1 Satz 3 PStG-E

Auch diese Verschärfung ist überflüssig, belastet die Anzeigenden und die Standesämter und konterkariert den Gesetzeszweck der Vereinfachung der Verfahren. Es ist zudem dem Gesetz nicht zu entnehmen, welche „zusätzlichen Nachweise“ - bezüglich welcher Umstände? -  die Standesbeamt*innen zukünftig verlangen sollen. Dies wäre, wenn erforderlich, im Gesetz zu definieren.

  1. § 50 Abs. 1 PStV-E

Durch diese Neuregelung würde den Personen, die durch das Übereinkommen vom 08. September 1978 ausgegrenzt und diskriminiert werden, auch noch die Möglichkeit genommen, bei Bedarf Auszüge mit formblattkonformen Angaben zu erhalten. Stattdessen sollte die Bundesrepublik alles unternehmen, um die Formblätter der Wirklichkeit anzupassen. Für die Übergangszeit müssen Formblätter zur Verfügung gestellt werden, die die Wirklichkeit korrekt abbilden und im Übrigen den Formblättern des Übereinkommens entsprechen. Wenn dies ohne Erwähnung des Übereinkommens geschieht, ist hiermit eine Verletzung des Übereinkommens nicht verbunden. Ohnehin könnte einem solchen Vorwurf angesichts der offensichtlichen und vom Entwurf ja auch nicht bestrittenen Mängel dieses Übereinkommens gelassen begegnet werden. Zusätzlich sollte den von dem Übereinkommen ausgegrenzten und diskriminierten Personen die Möglichkeit erhalten bleiben, bei Bedarf Auszüge mit formblattkonformen Angaben zu erhalten.

StN als PDF

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news-847 Mon, 02 May 2022 12:49:21 +0200 „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“<br />Die neue Klassenjustiz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/vor-dem-gesetz-sind-nicht-alle-gleich-die-neue-klassenjustiz-847 Lesung und Diskussion mit Ronen Steinke, 18.5.22 um 18:30 h in Hamburg „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
– Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz

Das Versprechen lautet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sie sind nicht gleich. Das Recht hierzulande begünstigt jene, die begütert sind; es benachteiligt die, die nichts haben. Wirtschaftsdelikte in Millionenhöhe werden mit minimalen Strafen belegt oder eingestellt. Prozesse gegen Menschen, die ein Brot stehlen oder wiederholt schwarzfahren, enden hart und immer härter.

Während insbesondere in den 1970er- und 1980er-Jahren dieses Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit der Gleichheit vor dem Gesetz (insbesondere dem Strafgesetz) breit auch in der Rechtswissenschaft diskutiert wurde, verschwindet dieses Thema in Ausbildung und rechtswissenschaftlichem Fachdiskurs heutzutage meist vollständig hinter abstrakten Gesetzen und Rechtsdogmatik. Die soziale Realität mit ihrer insbesondere sozioökonomischen Ungleichheit, in der Gesetze entstehen und angewendet werden, wird ausgeblendet.

Wir wollen mit unserem Gast Ronen Steinke einen Blick auf die Rechtsanwendung in unserer Gesellschaft werfen. Wer sitzt wegen welcher Taten in den Gefängnissen? Welche Rolle spielt eine engagierte Strafverteidigung bei der Verurteilungswahrscheinlichkeit? Kann und sollte dieses Thema auch seinen Weg zurück in die juristische Ausbildung finden? Und vor allem: Was muss sich ändern, um den Gleichheitsanspruch des Grundgesetzes zu erfüllen?

18. Mai 2022 – 18:30 Uhr
Hörsaal der Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Hamburg

Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg

Eine Form der digitalen Übertragung oder Aufzeichnung ist in Arbeit. Über Neuigkeiten werden wir euch rechtzeitig informieren.

Ronen Steinke ist promovierter Jurist, Autor und Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Er recherchiert seit Jahren zu Justizthemen und wurde in der Vergangenheit unter anderem durch seine Biografie über Fritz Bauer bekannt.

Veranstaltung des Fachschaftsrat Rechtswissenschaft in Hamburg in Kooperation mit der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger.

http://www.fsr-rechtswissenschaft.de/2022/04/ronen-steinke/

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Veranstaltungen
news-846 Tue, 12 Apr 2022 09:47:34 +0200 International Fair Trial Day and the Ebru Timtik Award /publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-and-the-ebru-timtik-award-846 Focus Country of 2022: Egypt / Call for Nominations for the Ebru Timtik Award To whom it may concern,

The right to a fair trial has long been recognised by the international community as a fundamental human right. Without a fair trial, every individual risks becoming the victim of a miscarriage of justice, either as an innocent suspect wrongly convicted, or as a victim unable to secure justice for a wrong perpetrated against him or her.

In 2021, an annual International Fair Trial Day was established with a steering group, and the event was supported by more than 100 legal associations. The first conference was held as a virtual event on 14 June 2021 with a focus on fair trial rights in Turkey. It was agreed that in each subsequent year a new focus country where fair trial rights are being challenged would be chosen as the focus country. The Steering Group also decided to establish an Ebru Timtik Award, in recognition of her sacrifice for the right to a fair trial.  This award will be granted every year to an individual and/or an organisation from the focus country chosen for that year for the International Fair Trial Day or to an individual and/or an organisation who has been active in defending and or promoting the right to a fair trial in that specific country. An International Fair Trial Day Alliance was also formed among prominent bar associations and lawyers’ organisations across the world which support the initiative.

After considering several proposals for the focus country of the 2022 International Fair Trial Day, the Steering Group have now decided that the focus country for this year is Egypt.

The decision is based on the following:

1. Judicial independence is severely eroded in Egypt, which means that the right to an independent and impartial tribunal is violated in most, if not all, cases (especially against human rights lawyers, human rights defenders, journalists, and opposition politicians). Reports confirm a wide range of systemic violations of the right to a fair trial in the country, including arbitrary detention, arrests, or prosecutions of opponents or perceived opponents. There also has been a failure to effectively prosecute and punish crimes committed by state-affiliated forces, such as unlawful or arbitrary killings - including extrajudicial killings -, forced disappearances, torture, and cases of cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment. Whilst this amounts to a violation of the rights of the victims of these crime and does not of itself amount to a violation of fair trial rights, it is further evidence that the police and prosecutors are failing in their duty to carry out effective and independent investigations and uphold the rule of law so that an atmosphere of impunity in relation to the acts of state-affiliated forces exists.(1) This dire picture is recognised in a number of reports from prominent human rights organisations. The country is classified as ‘not free’ by Freedom House, underlining - under the rule of law ranking - serious fair trial rights issues.(2) Furthermore, the World Justice Project’s 2021 Rule of Law index ranks Egypt at 136 out of 139 countries.(3)

2. Reports indicate that the executive branch in Egypt exerts influence over the courts, which typically protect the interests of the government, military, and security apparatus and have often disregarded due process and other basic safeguards in cases against the government’s political opponents or where there is perceived dissent. Constitutional amendments made in 2019 further strengthened the Egyptian President’s supervisory powers over the judiciary and undermined its independence. The changes allowed the President to appoint the heads of judicial bodies and authorities, choosing from among several candidates nominated by their governing councils.(4) The President also serves as the veto-wielding head of the Supreme Council for Judicial Bodies and Authorities, which controls appointments and disciplinary matters for the judiciary. The chief justice of the Supreme Constitutional Court(5) is now chosen by the President from among its most senior members. Since the new provision took effect in June 2019, the Egyptian President has already used it twice to appoint new SCC presidents by decree, in July 2019 and now on February 8, 2022.

3. Law no 162 of 1958 (“the Emergency Law”) established the institution of the Emergency State Security Court (ESSC) to adjudicate crimes that violate the terms of a “state of emergency”. In 2017, the Prime Minister transferred “protesting” and “terrorism-related” offences to the jurisdiction of the ESSC, to which was added crimes from first two chapters of the Penal Code, including those relating to ’spreading fake news’ in January 2021.

4. Many detained government critics and opposition figures have been prosecuted by the ESSC since the state of emergency was declared in 2017; the state of emergency has been repeatedly renewed and remained in effect until late 2021. Decisions of the ESSC are not subject to appeal but instead are subject to executive-branch approval, as the President can suspend any of their rulings and order retrials. Although the constitution limited military trials of civilians to crimes directly involving the military, its personnel, or its property, a 2014 presidential decree placed all “public and vital facilities” under military jurisdiction, resulting in the referral of thousands of civilian defendants to military courts. That expansion of jurisdiction was effectively incorporated into the constitution in 2019.(6)

5. Additional, restrictive new emergency measures enacted in 2020 were justified as a response to the COVID-19 pandemic. In May 2020, President Sisi approved and signed into law amendments to Emergency Law no. 162 of 1958 that banned all forms of public gatherings and demonstrations and gave police greater powers to make arrests. It further expanded the jurisdiction of the military judicial system over civilians by giving the President the power to authorize the military to investigate and prosecute crimes that violate the Emergency Law. Authorities also used the COVID-19 pandemic to justify skipping renewal hearings for pretrial detention orders. Although the state of emergency has been lifted since October 2021, there are ongoing trials of dozens of arbitrarily detained human rights defenders, activists, opposition politicians and peaceful protesters by emergency courts where proceedings are inherently unfair. (7)

6. The extension of military jurisdiction in Egypt is in itself is a violation of the right to a fair trial under the African Charter on Human and Peoples’ Rights and the ICCPR, insofar as the necessity of applying such jurisdiction over civilians is almost never justified. This is in addition to other fair trial rights that are routinely violated in Egyptian courts, including military tribunals, such as the right to access counsel and the right to prepare a defence. The hearings at military tribunals are not open to the public.

7. Other abuses of fair trial rights include the use of the Counter-terrorism Law, the Protest Law, the NGO Law, the Media Law, the Cybercrime Law, and the Penal Code to harass, arrest, and prosecute lawyers and human rights defenders, and there are many examples of arrest, detention, death in custody, and enforced disappearance of lawyers and human rights defenders. The mass trials against protesters is another practice raising fair trial rights issues.

8. The lack of a fair trial directly affects lawyers and other human rights defenders at risk, many of whom are convicted and sentenced to long prison sentences and sometimes even the death penalty (which is still being imposed and carried out in Egypt). Reports underline an increased use of the death penalty and executions, many handed down following mass trials fundamentally lacking fair trial guarantees. Accordingly, 80 people were executed in only the first 6 months of 2021, ranking Egypt as the third-worst country in numbers of executions worldwide.(8)

9. The African Commission on Human and Peoples’ Rights has adopted several resolutions about the situation in Egypt underlining, amongst other issues, the systemic violation of fair trial rights in the country. The calls made to the government, cited below, in a February 2015 resolution provide a strong indication of the seriousness of the issues:
“The Commission:

10. In an October 2021 decision, the African Commission on Human and Peoples’ Rights concluded that the Emergency Law of Egypt contravened the African Charter on Human and Peoples’ Rights and requested the government to reform domestic laws to prevent recurring human rights violations. Although the decision concerns arrest and detention of an applicant several years ago, the Commission found that the law which is still in force and used as the pretext to justify ongoing systemic violations was not in line with the African Charter.(10)

11. In July 2021, UN Expert Mary Lawlor pointed out the ongoing violations in Egypt and highlighted a common trend across multiple cases, whereby human rights defenders are often arrested without a warrant and detained incommunicado at an unknown location and subjected to enforced disappearance, before being presented before the Supreme State Security Prosecution. Their pre-trial detention pending investigation is then ordered for alleged acts criminalized under the vague provisions of the Penal Code, Anti-Terror Law and Anti-Cybercrime Law.(11)

12. In January 2022, a statement was issued by 65 human rights organizations, and it was underlined that the fair trial standards are routinely flouted in trials before ESSCs, including the right to adequate defence and rights to a public hearing. Defence lawyers have been prevented from communicating with their clients in private and prevented from photocopying the casefiles, indictments and verdicts.(12)

13. Focusing the next International Fair Trial Day on Egypt will help draw more attention to the systemic fair trial violations in the country. It will provide support to many, including lawyers (at least 35 that we know of), human rights defenders, journalists, political opponents or perceived opponents who are still being arbitrarily detained there, often under unacceptable prison conditions and facing trials severely undermining the fair trial principles.

We are writing at this stage to advise you of this initiative and to invite your organisation to support International Fair Trial Day and attend the conference which will be hosted by Palermo Bar Association and held in Palermo, Italy between 17-18 June 2022. Further details of the programme and of the speakers who will address the conference will follow over the next few months. For now, we would ask you to hold the date.

Call for nominations for the Ebru Timtik Award
We also would like to invite you to nominate one or more individual(s) or an organisation for the Ebru Timtik Award among those who have demonstrated outstanding commitment and sacrifice in upholding fundamental values related to the right to a fair trial in Egypt. The individual(s) or organisation nominated for the award must be or have been active in defending and or promoting the right to a fair trial in Egypt through either his/her/its recent outstanding piece of work in relation to this fundamental right or his/her/its distinguished long-term involvement in fair trial issues. The deadline for nominations is 16 May 2022. To nominate, please send your nominations to nominationsetaward@gmail.com and kindly include: (1) the candidate’s detailed bio, (2) a letter signed by the nominating organisation/group of individuals explaining the reasons why they/it consider(s) that the candidate should be granted the Award, and (3) one recommendation/supporting letter from an unrelated, external organisation, if the application is submitted by a group of individuals.
For the details of the award criteria and process please see the “Selection criteria for the grant of the Ebru Timtik Fair Trial Award”. After the deadline, a jury composed of independent individuals who are experienced with the right to a fair trial, including one or more from the focus country, will determine the nominations and reach a decision.


(1) https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/egypt/ and https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/egypt
(2) https://freedomhouse.org/country/egypt/freedom-world/2021
(3) https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/country/2021/Egypt%2C%20Arab%20Rep./; https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-INDEX-21.pdf
(4) https://freedomhouse.org/country/egypt/freedom-world/2021
(5) https://english.ahram.org.eg/NewsContent/1/64/460767/Egypt/Politics-/Sisi-names-first-Christian-as-president-of-Egypt;s.aspx
(6) https://freedomhouse.org/country/egypt/freedom-world/2021
(7) https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/10/egypt-stop-trials-by-emergency-courts/
(8) https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/egypt
(9) https://www.achpr.org/sessions/resolutions?id=146
(10) https://www.justiceinitiative.org/uploads/5d96ebd8-1a3e-4bca-afb3-8ed4683896ec/african-commission_el-sharkawi-v.-arab-republic-of-egypt_022021.pdf
(11) https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=27314&LangID=E
(12) https://www.civicus.org/index.php/media-resources/news/5570-egypt-quash-verdicts-and-stop-unfair-trials-by-emergency-courts

Statement (PDF)

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Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) Repression gegen Rechtsanwälte
news-845 Wed, 06 Apr 2022 19:54:29 +0200 Kein Abschiebegefängnis in Düsseldorf oder anderswo – Bleiberecht statt Abschiebung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-abschiebegefaengnis-in-duesseldorf-oder-anderswo-bleiberecht-statt-abschiebung-845 PM des Bündnis ‚Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall‘, 4.4.2022 Das Land NRW plant ein weiteres Abschiebegefängnis, zusätzlich zu dem bundesweit größten in Büren mit 175 Haftplätzen. Der geplante Neubau mit 25 Plätzen soll als sogenannter „Ausreisegewahrsam“ (Inhaftierung bis zu 10 Tage) dienen und das Abschiebegefängnis in Büren ergänzen. Ziel der NRW-Landesregierung und der Bundesregierung ist es, mehr und effizienter abzuschieben. Ein Gefängnis in direkter Nähe zum zweitgrößten Abschiebeflughafen Deutschlands in Düsseldorf soll dies erleichtern. Bisher wird kaum öffentlich darüber diskutiert oder gar die Abschiebepolitik infrage gestellt.

Als Bündnis ‚Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall‘ sprechen wir uns entschieden gegen den geplanten Neubau aus. Wir wollen kein weiteres Abschiebegefängnis! Im Gegenteil: Abschiebehaft muss abgeschafft werden! Wir wenden uns gegen die aktuelle autoritäre und repressive Abschiebungspolitik in NRW und bundesweit und fordern eine gänzlich andere Politik gegenüber Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten: Eine Politik des Willkommens und des Bleibens.

Jedes Jahr werden tausende Menschen hier in Deutschland gezwungen, ihren Wohnort zu verlassen – sie werden abgeschoben. Oft ist dies verbunden mit gewaltsamen Festnahmen, nächtlichen Einbrüchen, Abschiebehaft und anderen traumatisierenden Erlebnissen.
Abschiebungen reißen Menschen aus ihrem Umfeld. Die ständige Angst vor Abschiebung führt zu schwerwiegenden, psychischen Erkrankungen. Eine lebenswerte Perspektive wird durch den ständigen Druck den ein Leben ohne sicheren Aufenthalt bedeutet, aktiv verhindert.

Deutschland und das Land NRW schieben mehr und mehr ab und immer häufiger werden Menschen im Vorfeld inhaftiert. Einziger Zweck des Freiheitsentzuges ist die Sicherstellung und Erleichterung der späteren Abschiebung. Bundesweit werden die Haftplätze stetig erhöht. Der im EU-Recht verankerte Grundsatz der Vermeidung von Haft bei Abschiebung wird dabei einfach ignoriert.

Abschiebehaft als Teil der europäischen Asylpolitik ist eine rassistische Praxis. Für die Behörden ist die Inhaftierung „nur“ eine Verwaltungsmaßnahme, auf die die Abschiebung in die Herkunftsländer oder andere EU-Staaten folgt. Für die Betroffenen bedeutet es soziale Isolation, keine Beratung, weitere Gewalterfahrungen und Angst vor der erzwungenen Ausreise in ein Land, in dem das weitere Leben völlig ungewiss ist – und nicht selten lebensgefährlich.

Abschiebehaft ist eine Menschenrechtsverletzung.

Das Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“ lehnt Abschiebungen generell ab. Wir kritisieren die Abschiebepolitik der Bundes- und Landesregierung und fordern ein Bleiberecht für Alle. Deswegen lehnen wir die Planung eines weiteren Abschiebegefängnisses am Düsseldorfer Flughafen kategorisch ab und fordern die Abschaffung der Abschiebehaft.

https://abschiebegefaengnis-verhindern.de/2022/kein-abschiebegefaengnis-in-duesseldorf-oder-anderswo-bleiberecht-statt-abschiebung/

Das Bündnis:

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-844 Sat, 26 Mar 2022 10:53:00 +0100 Armutsbestrafung in Deutschland /publikationen/mitteilungen/mitteilung/armutsbestrafung-844 Hybrid-Veranstaltung, 25.4.2022, 19:30h In dem vor kurzem erschienenen Buch »Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich – Die neue Klassenjustiz« hat der Journalist Dr. Ronen Steinke die deutsche Strafrechtspflege als unsozial kritisiert. Dies ist der Anlass für die Hybrid-Veranstaltung am 25. April 2022, auf der über systematische Ungerechtigkeiten im deutschen Strafsystem diskutiert werden soll. Ein Schwerpunkt der Diskussion wird dabei die (Abschaffung der) Ersatzfreiheitsstrafe sein.

Referentinnen und Referenten:
Begrüßung durch Dr. Vera Hofmann (RAK Berlin)
Dr. Ronen Steinke, Jurist, Autor und Redakteur der Süddeutschen Zeitung
Prof. Dr. Lena Kreck, Justizsenatorin Berlin
Prof. Dr. Christine Graebsch, FH Dortmund mit Schwerpunkt bei strafrechtlichen Sanktionen, Freiheitsentziehung und Migrationsrecht, Kriminologie & Straffälligenhilfe
Moderation: Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin Berlin (RAV)

Im Anschluss der Veranstaltung wird es die Gelegenheit für persönlichen Austausch bei einem Getränk geben.

Montag den 25. April 2022 um 19:30 Uhr
Hotel Dietrich-Bonhoeffer-Haus, Ziegelstr. 30, 10117 Berlin

Für die Teilnahme in Präsenz ist eine Anmeldung bis zum 25.4.22 | 10h unbedingt erforderlich: anmeldung40@rav.de. Die Plätze sind begrenzt.

Wir freuen uns auch um Anmeldung bei einer Teilnahme in der Online-Variante. Bitte geben Sie bei Ihrer Anmeldung unbedingt an, in welcher Form Sie teilnehmen möchten.

Für alle, die sich nicht rechtzeitig für die online-Variante anmelden konnten, hier der Zugangslink (YouTube) https://www.youtube.com/watch?v=AA__Ruzt51E

Teilnahme bitte geimpft oder genesen oder unter Vorlage eines aktuellen negativen Tests.

Eine Veranstaltung des RAV, der RAK-Berlin, der AG Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und der Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger Baden-Württemberg e.V.

Die Teilnahme ist kostenfrei

Veranstaltungsflyer (PDF)

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Vorschläge für bundespolitische Reformen für eine gerechtere Sanktionspraxis im Bereiche Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe (PDF).

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Veranstaltungen
news-842 Mon, 14 Mar 2022 12:28:21 +0100 Ein Rechtsextremist als Richter in Sachsen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ein-rechtsextremist-als-richter-in-sachsen-842 Pressemitteilung Nr. 1/22 vom 14. März 2022 RAV verurteilt die Untätigkeit der sächsischen Justiz

Dass Jens Maier ab heute, 14. März 2022 wieder als Richter im Freistaat Sachsen tätig sein wird, offenbart erneut die eklatanten Fehler, die seitens des Ministeriums, der Justiz und der im Sächsischen Landtag vertretenen demokratischen Parteien gemacht wurden.

Nicht nachvollziehbar ist, weshalb das Richterdienstgericht nicht innerhalb eines Monats über den Eilantrag des Justizministeriums über das vorläufige Untersagen der Führung der Dienstgeschäfte entscheiden konnte oder wollte. Von offizieller Seite heißt es zur Begründung dazu, dass sich das Richterdienstgericht an einer Entscheidung gehindert gesehen habe und nicht absehbar wäre, wann überhaupt eine Entscheidung getroffen würde. Jens Maier ließe sich durch einen Rechtsanwalt aus Köln vertreten, dem zunächst Akteneinsicht über das Amtsgericht Köln gewährt würde und der sich dann zu dem Antrag äußern wolle.

Diese Begründung überzeugt nicht:
Sämtliche Anwälte und Anwältinnen sind verpflichtet, Zustellungen digital über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entgegenzunehmen. Die Kommunikation an das Gericht hat ausschließlich über das beA zu erfolgen. Weshalb die Akteneinsicht nicht kurzfristig über das beA erfolgen konnte, erschließt sich nicht.

Dazu Rechtsanwältin Kati Lang, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV aus Dresden: ›Aus anwaltlicher Erfahrung erscheint es höchst verwunderlich, weshalb über ein Eilverfahren nicht innerhalb eines Monats ab Antragseingang unter Wahrung des rechtlichen Gehörs entschieden werden kann. Vielmehr erscheint das Vorgehen des Richterdienstgerichts verzögernd und nicht dem Beschleunigungsgedanken eines Eilverfahrens - gerade in Anbetracht des im Raum stehenden Schadens für die Rechtspflege - entsprechend.

Am heutigen Tag des Dienstantritts von Jens Maier hat die Vizepräsidentin des Landgerichts Dresden als nunmehrige Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren gegen Jens Maier eingeleitet. Da davon auszugehen ist, dass die Schwelle zum Verweis und somit die Entscheidungskompetenz des Landgerichts überschritten ist, wäre das Disziplinarverfahren - nach Anhörung - dem Sächsischen Justizministerium vorzulegen (§ 31 Sächsisches Disziplinargesetz), womit der Ball wieder bei der grünen Justizministerin Katja Meier liegen dürfte. Ob das Landgericht Dresden allerdings dieses Mal entschlossener reagiert als im Jahr 2017, in welchem ein Disziplinarverfahren gegen Jens Maier mit einem bloßen Verweis endete, bleibt abzuwarten.

Rechtsanwältin Kati Lang weiter: ›Völlig unverständlich ist das Wegducken der demokratischen Parteien im Sächsischen Landtag, die gemeinsam über die notwendige 2/3-Mehrheit für eine Richteranklage verfügen. Damit beweist die in Sachsen regierende Koalition aus CDU, SPD und Grünen eine demokratische Verantwortungslosigkeit sondergleichen.

Für den Antrag auf Erhebung der Richteranklage reicht 1/3 des Landtags (Art. 80 Sächsische Verfassung). Während die grüne Fraktion - als ob keine Dringlichkeit vorgelegen hätte - erst im Februar 2022 ein wissenschaftliches Gutachten zur Richteranklage in Auftrag gegeben hat, obwohl die Möglichkeit der Rückkehr mit Ausscheiden von Jens Maier aus dem Bundestag seit Oktober 2021 auf dem Tisch lag, bleibt rätselhaft. Auch die SPD versteht sich nicht als treibende Kraft und schweigt sich aus, während die CDU einer Richteranklage - wohl in Angst um Abweichler*innen in den eigenen Reihen - das Instrument der Richteranklage eher nicht anwenden will. Einzig die in der Opposition sitzende Linkspartei hat bekundet, die übrigen Parteien zum Erreichen der notwendigen 2/3-Mehrheit zu unterstützen.

Auch das sächsische Justizministerium, das nur unter öffentlichen Druck überhaupt versuchte die Rückkehr von Jens Maier zu verhindern, trägt eine Mitschuld an der derzeitigen Situation. Trotz der juristischen Debatte, die nach Bekanntwerden des Rückkehrgesuchs von Jens Maier im Dezember 2021 aufgekommen war, reagierte das Ministerium, was mit dieser Option seit Herbst 2021 rechnen musste, nur äußerst zurückhaltend und wies zunächst jede Zuständigkeit von sich. Als die Ministerin Katja Meier schließlich unter massiven öffentlichen Druck geriet, entschied sie sich für die vermeintlich juristisch sicherste Lösung. Lösungsoptionen, wie Jens Maier den Rückkehranspruch prinzipiell zu verweigern oder zumindest selbst unverzüglich ein Disziplinarverfahren zu eröffnen, verschloss sie sich.
Weshalb die Justizministerin Jens Maier keine Aufgabe im Justizministerium zuwies, sondern ihn an das Amtsgericht Dippoldiswalde schickte, erklärte sie ebenfalls nicht. Prinzipiell wäre die Zuweisung ins Ministerium möglich gewesen und hätte zur Folge gehabt, dass die Ministerin selbst als direkte Dienstvorgesetzte für ein Disziplinarverfahren unmittelbar zuständig gewesen wäre.

Aus der sächsischen Justiz war lange nichts zu hören. Keine öffentliche Abgrenzung, keine Positionierung - die Richter und Richterinnen, die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bleiben zum Großteil still.

Rechtsanwältin Kati Lang: ›Ein Einsetzen für Demokratie und Rechtsstaat hätte anders aussehen können. Selbstreinigungskräfte scheint die sächsische Justiz kaum aufzuweisen, anders lässt sich auch das zögerliche Vorgehen des Richterdienstgerichts nicht erklären. Das ist wohl der größte Fehler, dass die Justiz selbst rechte, rassistische und antisemitische Funktionsträger duldet, keine Haltung zeigt und die Eskalation damit mit verschuldet.

Dabei gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten der Justiz, wie im Rahmen der internen Kammerverteilung (Verhinderung von Einzelrichterentscheidungen), durch Geschäftsverteilungspläne, oder auch seitens der Staatsanwaltschaften durch Befangenheitsanträge prozessual legitimiert rechte Amtsträger*innen ausbremsen könnte. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass in der konkreten Debatte um Jens Maier sowohl die Neue Richtervereinigung, die sich mit konstruktiven Vorschlägen einbrachte als auch der Deutsche Richterbund forderten, dass eine Rückkehr des rechtsextremen AfD‘lers ins Richteramt verhindert werden müsste.

Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle:
kontakt@rav.de; Tel.: 030-417 235 55

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Pressemitteilung Rechtsextremismus
news-840 Mon, 07 Mar 2022 12:20:24 +0100 Gegen die Ausweitung der Abschiebehaftkapazitäten in Bayern - Abschiebehaft abschaffen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-die-ausweitung-der-abschiebehaftkapazitaeten-in-bayern-abschiebehaft-abschaffen-840 Bayernweites antirassistisches Bündnis ruft zu Demonstration in München auf - 2. April 2022 02.04.2022 | 12 Uhr | Start Justizministerium Bayern, Prielmayerstr. 7, München

Bayern baut weiter Knäste – und zwar fleißig. Durch die geplante Vervierfachung der Abschiebehaftplätze von 2021 bis 2025 profiliert sich Bayern einmal mehr als asylpolitischer Hardliner, der selbst den zarten Trend zum migrationspolitischen Umdenken auf Bundesebene unterläuft und seine ganz eigene Vorstellung von “Humanität und Ordnung” umsetzt: durch die Inhaftierung von Menschen, die keine Aufenthaltstitel in Deutschland haben. Abschiebehaft ist eine vorbeugende Zwangsmaßnahme, um die Durchführung einer gewaltsamen Abschiebung sicherzustellen. Einziger Grund für die Inhaftierung ist der fehlende Aufenthaltsstatus, die Haft dauert oft mehrere Wochen bis Monate.

Beispiellose Ausweitung der Haftkapazitäten in Bayern

Aktuell wird die Kapazität der Abschiebehaftplätze in Bayern drastisch erhöht: Mit dem Neubau der Abschiebehaft-Anstalt in Hof entstanden dort im Oktober letzten Jahres 150 neue Abschiebehaftplätze. Am Münchner Flughafen wurde vor einigen Wochen eine kombinierte Abschiebehaft- und Transithaftanstalt in Betrieb genommen, deren Eröffnung vom bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen als “Meilenstein” gefeiert wurde.

Gleichzeitig wird in Passau bereits der nächste Abschiebeknast geplant. Bis 2025 sollen dort 200 neue Haftplätze entstehen. Das bedeutet, dass sich die Haftplätze im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt haben, 2025 werden es vier Mal so viele sein.

Es ist davon auszugehen, dass die Ausländerbehörden von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch machen und, auch auf Druck der Landesregierung, häufiger Abschiebehaft beantragen werden. Immer mehr Geflüchtete werden in Haft kommen.

Justiz und Gesetzgeber legitimieren Freiheitsentziehung

Die zuständigen Gerichte haben sich bisher meist als Erfüllungsgehilfen dieser Politik gegeben, anstatt kritisch die Voraussetzungen für eine Inhaftierung zu prüfen. Diese wurden ohnehin durch die von Horst Seehofer forcierten Gesetze zur “besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht” und das “Geordnete Rückkehr-Gesetz” enorm ausgeweitet. Bei den Betroffenen werden nach absurd weit gefassten Maßstäben Haftgründe angenommen, zum Beispiel Fluchtgefahr. Für einen Gewahrsam reicht es etwa schon aus, wenn eine Person seit mehr als 30 Tagen ausreisepflichtig ist.

Trotz dieser repressiven Gesetzeslage ordnen viele Gerichte noch rechtswidrige Haft an, wie die Erfahrungen von Rechtsanwält*innen in diesem Bereich zeigen.

Abschiebehaft als Form der grundrechtswidrigen Migrationskontrolle

Freiheitsgrundrechte werden hier komplett migrationspolitischen Erwägungen untergeordnet.

So soll die Durchführung von Abschiebungen teilweise langjährig hier lebender Personen sichergestellt und deren Untertauchen verhindert werden. Abschiebehaft dient aber auch dazu, Menschen bereits bei der Einreise nach Deutschland in Haft zu nehmen und wieder abzuschieben zu können. Abschiebehaft ist somit sowohl Teil eines brutalen Regimes der Ausweisung abgelehnter Asylsuchender in Ihre Herkunftsländer, als auch integraler Bestandteil der deutschen Abschottungspolitik innerhalb Europas durch das sogenannte Dublin-System – auf Kosten der Schutzsuchenden, die in vielen anderen europäischen Staaten weder ein menschenwürdiges Dasein, noch Zugang zu fundamentalen Rechten bekommen.

Für ein Ende der Abschiebehaft

Daher wollen wir als bayernweites Bündnis unseren Protest auf die Straße und zu den politisch Verantwortlichen tragen. Wir starten mit einer Kundgebung vor dem Bayerischen Justizministerium unter dessen Aufsicht die Abschiebehaft steht. Danach wird die Demonstration zum Innenministerium am Odeonsplatz ziehen. Innenminister Herrmann, zu dessen Haus das Landesamt für Rückführungen und Asyl gehört, steht bereits seit vielen Jahren für ein brutale Abschiebepolitik und forciert maßgeblich die Ausweitung der Abschiebehaft.

Kommt mit uns zur Demonstration am Samstag, den 02.04.2022 um 12 Uhr, Start am Justizministerium Bayern (Prielmayerstr. 7 München)!

Abschiebehaft abschaffen! 

Unterzeichner*innen
Karawane München
Beratungsgruppe in Abschiebehaft am Münchner Flughafen
Bayerischer Flüchtlingsrat
Hilfe für Menschen in Abschiebehaft  Hof 
Antifa nt
Seebrücke München
Rechtshilfe München
AG Migrationsrecht Süd des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV)
Münchner Flüchtlingsrat

Aufruf

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-839 Fri, 25 Feb 2022 15:35:02 +0100 Solidarität mit der Menschenrechtsorganisation ›Memorial‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaet-mit-der-menschenrechtsorganisation-memorial-839 Aufruf zur Proteskundgebung, 25.2.22 um 18:30 h Wir rufen auf zur Teilnahme an einer Protestkundgebung vor der Russischen Botschaft.

25.02.2022 um 18:30 Uhr

am Grünstreifen vor der Russischen Botschaft in Berlin (Unter den Linden / Schadowstraße)

Veranstalter*innen:  RAV e.V., Xenion e.V., Borderline Europe e.V.

Gegenwärtig ist in der Russischen Föderation ein Gerichtsverfahren gegen die bekannteste Menschenrechtsorganisation "Memorial" anhängig. Der Staatsanwalt hat ihre Auflösung beantragt. Am 28. Februar 2022 wird vor der Berufungskammer des Obersten Gerichtshofs über die Auflösung von „Memorial International“ verhandelt.

Der Dachorganisation "Memorial International" wird vorgeworfen, gegen die Auflagen des Gesetzes "Ausländische Agenten" verstoßen zu haben. Memorial International, das Memorial-Menschenrechtszentrum und andere russische Nichtregierungsorganisationen haben 2013 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Beschwerde gegen dieses Gesetz eingereicht. Die Anwält*innen von Memorial haben beantragt, das anhängige Berufungsverfahren bis zu einer Entscheidung des EGMR auszusetzen. Stattdessen droht nun in diesem Verfahren, dass die Auflösung bestätigt und so Fakten geschaffen werden.

Rechtsanwältin Inga Schulz erklärt im Namen des Republikanischen Anwält*innenvereins (RAV): „Das Verfahren gegen Memorial ist ein weiterer Tiefpunkt in Bezug auf Meinungsfreiheit und Menschenrechte in der Russischen Föderation und besorgt uns zutiefst. Es stellt einen traurigen Höhepunkt jahrelanger Angriffe, Diffamierungen und Verfolgung von Menschenrechtsaktivist*innen in der Russischen Föderation dar.

Gemeinsam wollen wir ein Zeichen der Solidarität setzen und rufen auf, sich an der Protestkundgebung zu beteiligen.

Wir fordern den EGMR auf, über die Beschwerde der russischen Nichtregierungsorganisationen zu dem fragwürdigen Gesetz endlich zu entscheiden.

Wir fordern die russische Regierung auf, Entscheidungen des EGMR umzusetzen und das Gesetz „Ausländische Agenten“ abzuschaffen, damit Menschenrechtsarbeit in der Russischen Föderation möglich bleibt. Wir fordern, dass die Listung Memorials aufgehoben und den Anträgen von „Memorial International“ stattgegeben wird.

Gleichzeitig fordern wir die deutsche Regierung auf, kompromisslos auf der Einhaltung der Menschenrechte und Meinungsfreiheit gegenüber den russischen Behörden zu bestehen, sich für den Schutz und Erhalt von Memorial einzusetzen und das gerichtliche Verfahren mit Vertreter*innen der deutschen Botschaft zu beobachten.

In deutschen Asylverfahren besteht nach wie vor ein massives Aufklärungsdefizit in Bezug auf die Verfolgungssituation. Rechtsanwältin Johanna Künne (RAV) erklärt: „Memorial hat sich in Russland unermüdlich für russische und tschetschenische Regimegegner*innen eingesetzt. Mitarbeiter*innen von Memorial haben uns Anwält*innen oft unterstützt, indem sie die Hintergründe von politisch Verfolgten recherchiert haben, obwohl sie sich damit selbst in Gefahr gebracht haben. Mit dem Verfahren gegen Memorial soll eine der letzten kritischen Stimmen in der Russischen Föderation endgültig zum Schweigen gebracht werden.

Wir fordern, asylrechtlich relevante Sachverhalte umfassend aufzuklären und bis dahin Abschiebungen in der gegenwärtigen Situation auszusetzen. Die drohenden Menschenrechtsverletzungen für alle, die sich in der Russischen Föderation kritisch zur gegenwärtigen Politik und Regierung positionieren, sind anzuerkennen und müssen in den Verfahren hier zu einem Schutzstatus führen.

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Bürger- und Menschenrechte Migration & Asyl
news-838 Fri, 18 Feb 2022 14:23:20 +0100 Flucht und Asyl aus feministischer Sicht<br />Geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in Asylverfahren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht-838 Online-Veranstaltung, 8. März 2022 Anlässlich der europaweiten Petition www.feministasylum.org möchten wir die aktuelle Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen und LGBTQIA+-Personen in Deutschland genauer betrachten. Daher veranstalten wir als RAV in Kooperation mit Pro Asyl und der Evangelischen Akademie Berlin eine online-Diskussionsrunde zu diesem Thema am

8. März 2022 um 18 Uhr,

zu der wir Sie und euch herzlich einladen.

Beteiligt sind Andrea Kothen, Referentin von Pro Asyl, die Rechtsanwältin Barbara Wessel, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, sowie Victoria Lies, die den Podcast „Asyl im Dialog“ der Refugee Law Clinics Deutschland moderiert.

Die völkerrechtlich verbindliche Istanbul-Konvention verlangt, Frauen und Mädchen umfassend vor Gewalt zu schützen. In mehreren EU-Richtlinien wird geschlechtsspezifische Gewalt als eine Form der Verfolgung, die zu internationalem Schutz berechtigt, anerkannt.

In dem Abendforum diskutieren die Expertinnen darüber, inwiefern diese völkerrechtlichen Vorgaben in Deutschland umgesetzt werden und welche Hürden sich für die Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe und die adäquate Unterbringung und Versorgung vulnerabler Gruppen in der Praxis stellen. Welche Lösungsansätze gibt es? Welche Forderungen sind an Politik und Gesellschaft zu stellen?
 
Die Veranstaltung am Internationalen Frauentag ist der Start einer Veranstaltungsreihe der Evangelischen Akademie mit wechselnden Kooperationspartnern, die sich mit der Situation von geflüchteten Frauen und LGBTQIA+-Personen in Deutschland und Europa auseinandersetzt.

Anmeldung und nähere Infos unter https://www.eaberlin.de/seminars/data/2022/pol/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht/

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Feminismus Migration & Asyl Veranstaltungen
news-837 Wed, 16 Feb 2022 11:39:10 +0100 Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufhebung-des-verbots-der-werbung-fuer-den-schwangerschaftsabbruch-219a-stgb-837 RAV-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, 16.2.22 Beim BMJ eingereichte Stellungnahme des RAV zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB)“

Verfasser: Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt
- für den gesamten Vorstand des RAV -


1. Die Regierungsfraktionen planen, § 219a StGB, der die sogenannte „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, ersatzlos zu streichen. Der RAV begrüßt diesen Schritt ausdrücklich und vorbehaltlos.

Wir haben bereits am 30.11.2017 aus Anlass der erstinstanzlichen Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel in einem gemeinsamen Appell mit der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und der Internationalen Liga für Menschenrechte darauf hingewiesen, dass § 219a StGB von Abtreibungsgegner*innen, die sich selbst gern als „Lebensschützer“ bezeichnen, missbraucht wird, um Ärzt*innen durch Anzeigenerstattung einzuschüchtern und zu kriminalisieren und um auf diesem Weg legale Abtreibungen zu be- oder verhindern:
Mit diesen Strafverfahren wird vollkommen ignoriert, dass Patient*innen einen Anspruch darauf haben, über das Leistungsspektrum von Ärzt*innen informiert zu werden, damit sie darauf gegründet von ihrem Recht auf freie Wahl der Ärztin/des Arztes nach § 76 SGB V überhaupt sinnvoll Gebrauch machen können. Die immer weiter fortschreitende Spezialisierung der Ärzt*innen und die Entwicklung der Medizin können Patient*innen nur überschauen, wenn die Ärzt*innen ihnen die erforderlichen Informationen selbst zugänglich machen. Schon 2002 hat das Bundesverfassungsgericht deshalb festgestellt: „Durch wahrheitsgemäße Angaben werden die Patient*innen bei der Suche nach fachlich kompetenten und für sie besonders geeigneten Ärzt*innen unterstützt.“ Die Unterzeichner*innen dieses Aufrufs fordern daher, § 219a StGB komplett zu streichen und die Strafverfahren gegen die betroffenen Ärzt*innen durch die Staatsanwaltschaft einzustellen.“(1)

Dass das Gesetz vom 22.03.2019, mit dem § 219 Abs. 4 StGB eingeführt wurde, an dem grundlegenden Problem nichts änderte, zeigte sich etwa in der strafrechtlichen Verurteilung von zwei Ärztinnen, die es „gewagt“ hatten mitzuteilen, dass Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis mittels der medikamentösen Methode und „in geschützter Atmosphäre“ durchgeführt werden (KG Berlin, NStZ 2020, 550).
Das Vorhaben der Koalitionsfraktionen, § 219a StGB nunmehr endlich ersatzlos zu streichen, kann daher nur die ausdrückliche Zustimmung des RAV erhalten.

2. Die Aufhebung dieses massiven Eingriffs in die Berufsfreiheit von Ärzt*innen, aber vor allem in die Freiheit von Schwangeren, sachliche Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch zu erhalten, kann aber nur den ersten Schritt bedeuten, wenn es den Koalitionsfraktionen mit ihrem Versprechen, die reproduktive Selbstbestimmung zu stärken, ernst ist. SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP selbst haben im Koalitionsvertrag unter der Überschrift „reproduktive Selbstbestimmung“ versprochen:
Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein“(2)

Realität ist, dass Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, weiterhin in erheblichem Umfang Diffamierungen und Anfeindungen durch Abtreibungsgegner*innen ausgesetzt sind, wie ja im Übrigen auch in der Begründung des Gesetzesentwurfes festgestellt wird.

Realität ist, dass Schwangere, die medizinische Beratung und Behandlung in Anspruch nehmen wollen, durch Gehsteigbelästigungen und „Mahnwachen“ vor Arztpraxen massiv eingeschüchtert und in ihrer Würde angegriffen werden.

Realität ist, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch nach der sog. Beratungsindikation grundsätzlich nicht von den Krankenkassen übernommen werden, was für Schwangere eine ganz erhebliche Belastung darstellt.

Realität ist auch, dass die Versorgungslage in großen Teilen des Landes prekär ist – weil Ärzt*innen u.a. aus Angst vor Anfeindungen keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Weil andere ihren Patient*innen die Durchführung von Abbrüchen – mit anderen Worten: eine bestimmte ärztliche Behandlung – unter Berufung aus Gewissensgründen verweigern. Weil die Durchführung von Abbrüchen weder in der medizinischen Ausbildung noch in der Fortbildung für Gynäkolog*innen Teil des Pflichtstoffs ist. Realität ist daher, dass Schwangere in manchen Regionen Tagesreisen unternehmen müssen, um eine Praxis zu finden, die Abbrüche durchführt.

Nicht all diese Punkte sind allein durch Bundesgesetzgebung zu lösen. Aber die Regierungsfraktionen werden sich an ihrem Versprechen einer Stärkung der reproduktiven Selbstbestimmung messen lassen müssen und werden daher auch zu all diesen Themen entsprechende Gesetzesentwürfe vorlegen müssen.

3. Realität ist auch, dass Schwangerschaftsabbrüche weiterhin massiv stigmatisiert und tabuisiert sind, dass sowohl Schwangere, die diese ärztliche Leistung in Anspruch nehmen, als auch Ärzt*innen, die sie anbieten, massiven moralisierenden Vorbehalten und Vorhaltungen ausgesetzt sind.

Es liegt auf der Hand, dass ein wesentlicher Grund hierfür die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch selbst ist. Nicht nur, dass Deutschland inhaltlich eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas hat: Wenn das Strafgesetzbuch Schwangerschaftsabbrüche im selben Abschnitt wie Mord und Totschlag regelt, wenn es in einer auch für Jurist*innen kaum verständlichen Regelungstechnik Abbrüche unter bestimmten Voraussetzungen als rechtswidrig, aber nicht tatbestandsmäßig, als rechtswidrig, aber nicht strafbar einstuft, dann führt dies zu einer massiven Abschreckung von Ärzt*innen davor, Abbrüche durchzuführen, zu einer Stigmatisierung von ungewollt Schwangeren und in vielen Fällen zu massiven psychischen Belastungen für diese. Was mit einer grundgesetzlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben begründet wird, bedeutet in der Praxis vor allem einen massiven Eingriff in die Selbstbestimmung und in die psychische und physische Gesundheit von ungewollt Schwangeren.

Den Geist dieser Regelungen atmet auch der vorliegende Entwurf, wenn sich dieser gegen gedachte Vorwürfe, damit etwa die „demonstrative Auszeichnung“ der Durchführung von Abbrüchen zu ermöglicht, verteidigt und ausführt, diese seien doch weiterhin strafbar (S. 7 des Entwurfes). Gerade die Rhetorik, mit der der Entwurf sich gegen Vorwürfe verteidigt, den Schutz des ungeborenen Lebens zu vernachlässigen, zeigt, dass der Kern des Problems in der Norm des § 218 StGB liegt.

Wir schließen uns daher ausdrücklich der Forderung an, die etwa von den Doctors for Choice in ihrer Stellungnahme vom 18.01.20223 zum vorliegenden Gesetzesentwurf erhoben wurde: Der Schwangerschaftsabbruch ist kein Thema für das Strafgesetzbuch, sondern für das ärztliche Berufsrecht und die Regeln der ärztlichen Kunst. Das Versprechen der Stärkung reproduktiver Selbstbestimmung kann nur wirklich umgesetzt werden, wenn der Schwangerschaftsabbruch gesetzlich nicht als Straftat, sondern als Gesundheitsleistung angesehen und geregelt wird. Hier anzusetzen und den § 218 StGB abzuschaffen, ist die Forderung an die Regierungsfraktionen, wenn es ihnen mit ihrem Versprechen der Förderung reproduktiver Selbstbestimmung ernst ist.


(1)  Appell von Juristinnen und Juristen - Für die Streichung des § 219a StGB – Für das Recht von Frauen, über legale Abtreibungsangebote von Ärzt*innen informiert zu werden, 30.11.2017, https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-die-streichung-des-219a-stgb-fuer-das-recht-von-frauen-ueber-legale-abtreibungsangebote-von-aerzt-innen-informiert-zu-werden-525
(2) Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, S. 116, https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
(3) Endlich soll §219a StGB gestrichen werden! – Stellungnahme zum Gesetzesentwurfs des Bundesjustizministeriums zur Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§219a StGB), 18.01.2022, https://doctorsforchoice.de/2022/01/stellungnahme-gesetzentwurf-219a/

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Stellungnahmen
news-836 Tue, 15 Feb 2022 09:23:12 +0100 Prozessauftakt im Ermittlungskomplex »NSU 2.0« /publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozessauftakt-im-ermittlungskomplex-nsu-20-836 Gemeinsame Pressemitteilung von RAV, VDJ und Strafverteidigerorganisationen, 15.2.2022 RAV, VDJ und Strafverteidigervereinigungen kritisieren hessische Ermittlungsbehörden:
Die Verstrickung der hessischen Polizei in die Drohserie wird nicht aufgeklärt.

Am 16. Februar 2022 beginnt vor dem Landgericht Frankfurt/M. der Prozess gegen den 54-jährigen Alexander M., der von 2018 bis 2021 eine Vielzahl von Drohschreiben u.a. mit volksverhetzendem Inhalt unter dem Kürzel »NSU 2.0« an Menschen versandt haben soll, die sich als Politiker*innen, Anwält*innen und Künstler*innen klar gegen Rassismus und Antisemitismus positioniert haben.

Erste Adressatin dieser Schreiben war unsere Kollegin, die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die im Verfahren gegen die rechtsextreme Terrorzelle NSU Angehörige der Mordopfer in der Nebenklage vertreten hatte. Zu ihren Mandant*innen gehörten darüber hinaus mutmaßliche Islamisten, die sie in Straf-, Ausweisungs- und Abschiebeverfahren anwaltlich vertrat.

Unsere Kollegin und ihre Familie wurden in rund 20 Schreiben über Monate hinweg aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit mit dem Tod bedroht, und zwar unter Nennung persönlicher Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind. Sie musste daher umfangreiche Sicherungsmaßnahmen an ihrem Haus vornehmen und war gezwungen, zeitweise Polizeischutz in Anspruch zu nehmen.

Polizei in Frankfurt/Main und »NSU 2.0«

Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass ca. eine Stunde vor dem Versenden des ersten Drohfaxes am 2. August 2018 die persönlichen Daten und die Privatadresse von Frau Başay-Yıldız und ihrer gesamten Familie in mehreren polizeilichen Datenbanken auf dem 1. Polizeirevier Frankfurt/M abgefragt worden waren. Ihre abgerufene Meldeadresse wurde zudem am Abend desselben Tages im Internet veröffentlicht. Der Weg der Drohschreiben führt damit ganz offensichtlich auch über das 1. Polizeirevier in Frankfurt. Auch in zwei weiteren Fällen waren persönliche Daten von Empfänger*innen der Drohschreiben von hessischen Polizeicomputern aus abgefragt worden.

Die Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamt*innen laufen bis heute, allerdings sehr schleppend.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungslücken

Mit der Anklage gegen Alexander M. hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main die Frage, wie Alexander M. an die persönlichen Daten unserer Kollegin gekommen ist, nicht beantwortet. »Die Verbindung zwischen der Abfrage der persönlichen Daten unserer Kollegin über einen Polizeicomputer und dem Verschicken von Drohschreiben stellt eine ernsthafte Gefährdung für unsere Kollegin und ihre Familie dar«, erklärt die stellvertretende Vorsitzende des RAV, Rechtsanwältin Nedelmann. »Wenn der Staat hier nicht aufklärt, sondern sich weiterhin weigert, konsequent auch gegen Beschuldigte aus polizeilichen Kreisen zu ermitteln, dann haben wir ein verfassungsrechtliches Problem.«

Mit besonderer Sorge beobachten die Anwaltsvereinigungen, dass der hessische Innenminister Beuth die Anklage als Anlass genommen hat, die Polizei als entlastet zu sehen. So teilte das hessische Innenministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage im Oktober 2021 mit: »Hessische Polizistinnen und Polizisten waren zu keinem Zeitpunkt Absender oder Tatbeteiligte der NSU-2.0-Drohmails-Serie«.(1)

»Nur wenn auch die Frage einer möglichen Verstrickung hessischer Polizeibehörden aufgeklärt ist, kann der Ermittlungskomplex NSU 2.0 abgeschlossen werden«, erklärt Rechtsanwältin Gilsbach aus dem Vorstand des RAV. Die VDJ, die Strafverteidigervereinigungen und der RAV werden daher das Verfahren mit großer Aufmerksamkeit beobachten.
 


(1) Vgl. Die Welt v. 28.10.2021, »Beuth: Polizisten bei ›NSU 2.0‹ zu keinem Zeitpunkt Mittäter«, https://www.welt.de/regionales/hessen/article234701792/Beuth-Polizisten-bei-NSU-2-0-zu-keinem-Zeitpunkt-Mittaeter.html

Pressekontakt:
Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Tel.: 030.41 72 35 55

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Polizei Pressemitteilung Rechtsextremismus
news-835 Fri, 21 Jan 2022 14:34:35 +0100 Imminent risk to health and life of ill prisoner Aysel Tuğluk held in Kocaeli F-Type Prison, Turkey. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/imminent-risk-to-health-and-life-of-ill-prisoner-aysel-tugluk-held-in-kocaeli-f-type-prison-turkey-835 URGENT ACTION; Open Letter Quick Response Desk
Office of the High Commissioner for Human Rights
United Nations Office at Geneva
8-14 Avenue de la Paix
CH-1211 Geneva 10
Switzerland
E-mail: urgent-action@ohchr.org
Fax: 0041 22 917 9006

Date:  20 January 2021

FOR THE ATTENTION OF:

Dear Sir/Madam,

URGENT ACTION: Imminent risk to health and life of ill prisoner Aysel Tuğluk held in Kocaeli F-Type Prison, Turkey.

1. We are writing to express our grave concern over the treatment of the seriously ill prisoner Aysel Tuğluk (56) held in the Kocaeli Kandıra F-Type prison in Turkey.

2. Ms. Tuğluk was arrested in 2016 while she was the vice co-chair of the left wing and pro-Kurdish Peoples’ Democratic Party (HDP) along with several other Kurdish opposition politicians. She was given a ten-year prison sentence on terrorism charges and has been held in prison since December 2016. Her political activities, speeches she delivered while she was a member of parliament (MP) and her attendance at funerals of Kurdistan Workers’ Party (PKK) members were used as evidence against her in court.(1)

3. Ms. Tuğluk was diagnosed with dementia while in prison, and as her condition deteriorated, Kocaeli University Hospital department of Forensic Medicine issued a report in July 2021, declaring that she was not fit to stay in prison due to her illness. However, despite this report and the calls from other medical experts asking for her immediate release, the Istanbul Forensic Medicine Institute determined in a later report that Ms. Tuğluk may stay in prison, as her routine visits to clinics were allowed.(2)

4. Her lawyer states that Ms. Tuğluk is experiencing severe memory loss and cannot handle her daily needs on her own. She has been forgetting to conduct her vital needs such as eating and drinking water, as well as forgetting how to read, write and speak to people.(3)  Ms. Tuğluk is at risk of death, if she remains in prison.

I. Background

5. The condition of detention in Turkish prisons remains to be a cause of concern with regard to human rights abuses. The issue of overcrowding became the source of many human rights abuses as the prison population grew rapidly from 55,000 in 2001 to 297,019 in 2020.(4) Over the last years, the number of those incarcerated and on pre-trial detention has risen dramatically following the coup attempt in July 2016. Tens of thousands of people are currently in prison, many of whom face charges under the controversial terrorism legislation. Among them are many opposition politicians, journalists, lawyers and human rights defenders. The Special Rapporteur on Torture noted the above facts  while noting that the anti-terror legislation and its definition of “terrorism” in Turkey are rather broad and vague and that the law could easily be abused for politically motivated prosecutions.(5) Following the Covid-19 outbreak in 2020, Turkey adopted legislation resulting in the release of 90,000 prisoners, including those convicted of crimes such as murder, in order to alleviate the overcrowding in prison. However, the legislation specifically excluded prisoners convicted under anti-terror legislation. As a result, many who are believed to be political prisoners targeted due to their political beliefs remain in captivity. Among them are many opposition politicians from HDP including its elected deputies and mayors.(6)

6. There are a significant number of gravely sick prisoners in Turkey. According to the report published by the Human Rights Association of Turkey (IHD) in March 2020, there are currently more than 1,605 sick prisoners, including 604 in critical condition, in Turkish prisons.(7) The IHD believes that the real number of sick inmates in Turkish prisons is much higher. Their report also suggests that in the year 2020, at least 18 sick prisoners died of suicide. The increase in the number of suicide cases in Turkish prisons in recent years is closely related to the increase in other violations of prisoners’ human rights. As for senior prisoners, between April and November 2020 four prisoners over the age of 70 died from serious health complications.(8)

7. The lack of access to timely and adequate medical treatment is another serious issue in Turkish prisons. The European Court of Human Rights (ECtHR) has in the past ruled that Turkey has failed to offer adequate medical care to sick prisoners and that the conditions for them have been inadequate.(9) Turkey has also refused to release terminally ill inmates and continues to imprison certain detainees who have been declared unfit to be in prison on medical grounds. Most recently, the case of Mehmet Emin Özkan, an 83-year-old prisoner whose conviction was based on two witness statements that were later withdrawn, has drawn significant attention to the treatment of seriously ill prisoners in Turkey. As explained in our joint letter to Special Procedures on 14 July 2021, Mr. Özkan suffers from several health issues including high blood pressure, toxic goiter, kidney disease and memory loss and he has also suffered five heart attacks over the past 26 years in prison.(10) Despite his ailing health, he remains in prison and was recently hospitalized after testing positive for Covid-19.(11)

8. Civil society organizations in Turkey have been raising their concern over the systematic torture applied to severely ill prisoners in Turkish prisons by keeping them in solitary confinement and preventing them from receiving medical care.(12) It is reported that since 2020, 104 inmates died in prisons and many of them were suffering from illnesses. In the month of December 2021 alone, at least 7 inmates died while behind bars.(13) Some of these deaths were under suspicious conditions and were ruled as a suicide by the authorities. Most recently, prisoner Garibe Gezer, who had reported that she was tortured and sexually abused in the prison was found dead by alleged suicide in her cell.(14) After trying to report her abuse in prison, she was punished by being placed in a padded cell on her own with no access to the outside world.(15) She died at the age of 28 in the cell in which she was being held in solitary confinement. Another recent case of suspicious death by alleged suicide was of prisoner Vedat Cem Erkmen, whose autopsy was completed without the presence of lawyers and family members.(16)

II. The case of Aysel Tuğluk

9. Aysel Tuğluk is a Kurdish politician and a human rights lawyer. She is a member of the Istanbul Bar Association, IHD and served as executive board member of the Society and Legal Research Foundation (TOHAV). She was also a founding member of the now banned pro-Kurdish Democratic Society Party (DTP). She was the first woman co-chair of a political party in Turkey after the DTP had introduced the system of co-chair to ensure representation of women in politics. She undertook a pioneering role in this progressive action which led the 2014 legislative change in the Law on Political Parties allowing the political parties to adopt the co-chair system.

10. Aysel Tuğluk is currently imprisoned at the Kocaeli F-Type Prison in Turkey. She was arrested on 29 December 2016 while she was co-chair of the HDP, along with seven other Kurdish opposition politicians. She was sentenced to 10 years in prison on terrorism charges related to the PKK. Her activities as a politician, public speeches she delivered during her mandate as deputy and her attendance at funerals of PKK members were used as evidence against her in Court.(17)

11. Ms. Tuğluk has worked in several NGOs as a human rights lawyer before being elected to parliament in 2007 from the Kurdish-majority Diyarbakır province as an independent deputy. Due to her legal immunity as an elected deputy, she avoided going to prison after being sentenced to 18 months in prison in 2007, over the distribution of party leaflets in Kurdish.(18) She was sentenced again to 28 months imprisonment in 2009, this time on charges of spreading “terrorist propaganda”, a charge she then interpreted as a form of political pressure on her former party, DTP.(19) In 2009, the Constitutional Court of Turkey decided unanimously that the DTP should be closed down.(20) The Court also stripped Aysel Tuğluk , along with fellow lawmaker Ahmet Türk, of parliamentary immunity.(21) On 12 January 2016, the ECtHR decided that the dissolution of the DTP was not in line with the standards of the European Convention on Human Rights (ECHR).(22)

12. In 2011, she was re-elected as an MP. The following year, a court sentenced her to 14 years and 7 months in prison for ten separate speeches she delivered as a deputy, on the charges of “committing a crime on behalf of the armed terrorist organization PKK without being a member” and “making terrorist propaganda”.(23) Her lawyers argued that Ms. Tuğluk had delivered her speeches under her identity as a politician and that her freedom of speech has been violated by the courts. She did not have to serve jail time for this conviction as a result of the legislative changes made in the course of the proceedings. In 2018, Suruç Criminal Court of First Instance sentenced her to 1 year and 6 months in prison for “opposing to law on rallies and demonstrations”, while she was already behind bars after her arrest in 2016.(24) Although the judgment of the lower court was later quashed on appeal, her retrial is still ongoing. In a further proceeding, Van 4th Assize Court sentenced her to 1 year and 8 months prison on 14 October 2021 for two speeches she gave while she was an MP. Her appeal has been pending as of the date of this letter.

13. In 2017, Ms. Tuğluk lost her mother, Hatun Tuğluk , whose funeral ceremony in Ankara was attacked by a fascist mob. She was allowed to participate in the funeral from prison, and she witnessed the attack. While her mother Hatun Tuğluk ’s body was initially buried in Ankara, due to the threats to the integrity of her grave, it was transferred to Dersim to be re-buried. According to Ms. Tuğluk ’s lawyers, her memory loss was triggered by these events, including treatment she and her family faced in the process of her mother’s death and funeral. Her loss of memory began following the serious trauma she experienced upon witnessing the attack on her mother’s funeral and the unearthing of the body.(25)

14. Her lawyers observed over time that her health started rapidly deteriorating, and she was later diagnosed with dementia.(26) On 12 July 2021, a chamber of medical experts from Kocaeli University who examined Ms. Tuğluk ’s health for four months have concluded that:
“Dementia disease has a chronic course and will show a progressive character, the person [Ms. Tuğluk ] should be followed up in tertiary health institutions; there may be problems in the adequacy of the medical support and care that can be provided to the person in prison conditions; it is not possible [for her] to continue her life without the help of someone else; it is not possible [for her] to care for her basic needs in prison conditions without the help of someone else; therefore the execution of her sentence should be postponed; she cannot lead her life alone under the prison conditions.” (see Annex I)
However, this detailed analysis by nine experts was disregarded by the Istanbul Forensic Medicine Institute. The Institute, reportedly after just a two-hour examination of Ms. Tuğluk ’s state, summarily concluded in a 3 September 2021 report that her health condition does not justify an exemption from execution of her sentence in prison.(27)

15. Ms. Tuğluk ’s lawyers requested an independent report from the Turkey Human Rights Foundation (TIHV). A group of prominent medical experts analysed all previous reports on Ms. Tuğluk ’s health state and medical documents to which they had access (18 sets of medical files and previous reports were examined by the experts). In their report dated 30 September 2021, they criticized the analysis of the Istanbul Forensic Medicine Institute on several aspects. They indicated that:
“Although dementia was diagnosed in the examinations made by different health institutions, it was stated in the report of the Forensic Medicine Institute [ATK] that "the results of the [previous] tests and examinations [by other medical institutions] were not reliable". This decision was given by referring to articles of the relevant law without explaining clearly why the previous diagnoses were found to be wrong and which objective diagnostic criteria were used to disregard them. To eliminate the difference between the diagnoses, the ATK had to carry out and expand the necessary examinations. In order to reach reliable scientific conclusions, it must use and repeat the examinations and analysis of the health institutions that have clinical facilities and experience on the matter. It must obtain the medical records of the person in prison, the results of her psychosocial assessment, and the observations of the prison officers and people with whom the person lives [in prison].” (see Annex II).

16. After visiting Ms. Tuğluk in prison on 24 December 2021, the HDP co-chair Pervin Buldan stressed that Ms. Tuğluk was in a situation where she could not meet her own needs and that even the prison administration had observed a rapid deterioration in her condition.(28) Her lawyer, Reyhan Yalçındağ, recently stated that there has been a significant deterioration in Ms. Tuğluk’s memory loss at an observable level over the last weeks and that she was not able to care for herself under prison conditions.(29) In December 2021, some 68 civil society organizations jointly called for the release of Ms. Tuğluk and the IHD stated that it may already be too late to save her from an early death.(30) In the joint statement, the 68 civil society organizations directly blamed the Ministry of Justice for Ms. Tuğluk’s continued imprisonment and stated that it is the responsibility of the state to release her in compliance with the medical report stating that she cannot remain in prison. The organizations also state that the report by the Istanbul Forensic Medicine Institute “cannot be trusted due to the troubled and partisan history of the institution”.(31) Ömer Faruk Gergerlioğlu, who is a deputy from the HDP and a medical doctor, stated that the report delivered by the Istanbul Forensic Medicine Institute did not contain medical facts and observations but rather incorrectly accused Ms. Tuğluk of ‘faking’ her condition.(32) He adds that according to recent visitors, it takes a long time for Ms. Tuğluk to perform basic movements such as sitting down on a chair or picking up the phone and that these are common symptoms of dementia.(33)

17. As her health condition worsens, Ms. Tuğluk was, on 21 December 2021, once again transferred to a hospital for the preparation of a new report regarding her current condition.(34)  The Istanbul Forensic Medicine Institute will be evaluating her condition once more in order to decide if Ms. Tuğluk must be released from prison as a result of her rapidly deteriorating health. The undersigned organizations believe that the intervention of Special Procedures in this matter, at this stage, would contribute to a more objective and medically accurate evaluation of Ms. Tuğluk’s health state by the Istanbul Forensic Medicine Institute, which could eventually lead to her access to the urgent medical care she needs outside of prison without further delay.


III. Turkey’s Obligations under Domestic and International Law
Domestic law relating to the treatment of prisoners

18. Under Article 17(1) of the Turkish Constitution, everyone has the right to life.(35) Article 17(3) states that no one shall be subject to torture or ill-treatment. It also provides that no one shall be subjected to penalties or treatment incompatible with human dignity.(36)

19. Article 104 of the Constitution gives the President of the Turkish Republic the authority to grant a pardon to certain prisoners, on grounds of chronic illness, disability or old age if a series of conditions are met.

20. Article 71 on the Law on the Execution of Penalties and Security Measures guarantees the right to treatment and medical care necessary for a prisoner’s health condition. It also states that a prisoner shall be treated primarily in the institution infirmary or, where this is not possible, in university hospitals.(37)

21. According to Article 16(2) of the Law on the Execution of Penalties and Security Measures, in case of illness, the execution of the prison sentence may be suspended provided that there is an absolute danger for the life of the convict.(38) The sentence may be suspended until the convict is healthy.(39) The Law on the Amendment of Law on the Execution of Penalties and Security Measures and Certain Laws (No. 6411) adopted in January 2013, however, provides that such suspension of a sentence can be restricted on the grounds that a convict may pose danger to the security of the society.(40) The decision on a suspension is made by the Office of Chief Public Prosecutor at the convict’s prison, upon a request issued by the Forensic Medicine Institution or the health committee of a fully equipped hospital designated by the Ministry of Justice.(41)

22. Article 90 of the Constitution provides for the supremacy of international human rights law standards above domestic law in case of contradiction on the subject of rights and freedoms.(42) Turkey is bound to abide by international legal norms relevant to this case, including the right to life and the prohibition of torture or cruel, inhuman or degrading treatment or punishment.

International law related to the treatment of prisoners

23. Under Article 3 of the ECHR, Article 7 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), and Article 1 of United Nations Convention against Torture and Other Forms of Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (UNCAT), Turkey has a duty to refrain from committing any act of torture or cruel, inhuman or degrading treatment. This includes protection of prisoners under its jurisdiction from being subject to these acts by state actors.(43) The prohibition of torture and cruel, inhuman or degrading treatment is an absolute and non-derogable right.

24. Under Article 2 of the ECHR and Article 6 of the ICCPR, every person has an inherent right to life. That right is to be protected by law, and no one should be arbitrarily deprived of his or her life. The United Nations Human Rights Committee on numerous occasions reiterated that adequate or appropriate and timely medical care must be provided to all detainees as part of a state’s duty to ensure the enjoyment by all persons of the right to life.(44) In Salakhov and Islyamova v. Ukraine, the ECtHR held there was a violation to the right of life in a case where a prisoner was refused medical treatment, which led to his death.(45)

25. Under Article 3 of the ECHR, Article 7 ICCPR and Article 1 of UNCAT, the states must ensure that a person is detained in conditions which are compatible with respect for their human dignity, that the manner and method of the execution of the measure do not subject them to distress or hardship of an intensity exceeding the unavoidable level of suffering inherent in detention and that, given the practical demands of imprisonment, their health and well-being are adequately secured by, among other things, providing them with the requisite medical assistance.(46)

26. With respect to the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (the Nelson Mandela Rules) and Article 10 of the ICCPR, detainees shall be treated with humanity and dignity.(47) The Nelson Mandela Rules state that each prisoner must be provided with appropriate care, prompt medical attention in urgent cases, timely check-ups, and must be transferred to specialized institutions or civil hospitals when specialized treatment is needed.(48) Thus, the imposition of solitary confinement should be prohibited in the case of prisoners with mental or physical disabilities when their conditions would be exacerbated by such measures.(49)

27. A further UN document provides that there should be at least one qualified medical officer who should have knowledge of psychiatry; any prisoners who require specialist treatment should be transferred to specialist institutions or to a civil hospital; a qualified dental officer should be available to every prisoner; and authorities must transfer prisoners who need specialist treatment to specialized institutions, including civilian hospitals, without unnecessary delay. (50)

Application of the law to the situation of Aysel Tuğluk

28. As many case studies illustrate, the treatment of gravely ill prisoners in Turkish prisons, such as Aysel Tuğluk , does not satisfy Turkey’s international obligations. With respect to the UN’s Mandela Rules, each inmate must be provided appropriate medical care and prisoners who need specialist treatment should be moved to specialized institutions, including civilian hospitals, without unnecessary delay. Ms. Tuğluk’s continued imprisonment despite her serious health issues and her vulnerabilities to both conditions in the prison and the ongoing Covid-19 pandemic, show a failure of Turkish authorities to adhere to both their own domestic laws and international standards with regard to treatment of prisoners.

29. Under international law, inflicting suffering in the course of state-imposed punishment with the acquiescence of state officials is defined as torture. The current treatment of severely ill prisoners in Turkish prisons clearly amount to inhuman or degrading treatment. In Ms. Tuğluk’s case, she is no longer able to satisfy her own vital needs such as eating and drinking, and her memory loss illness is worsened each day by the conditions of prison. Her continued imprisonment, while being in her current state where she cannot meet her own needs and can barely communicate with others, not only amounts to torture and degrades her quality of life but puts her life at risk. The dismissal of medical reports finding that Ms. Tuğluk is not fit to stay in prison by the Turkish authorities - including the Istanbul Forensic Medicine Institute and the public prosecutor determining the continuance of her imprisonment - highlights a culture of complacency and abuse within the Turkish prison system that fails under international standards and obligations set out in the Turkish Constitution.

30. In sum, it is clear from an examination of the medical reports, publicly accessible information on the case, and statements from Ms. Tuğluk’s visitors and lawyers that Ms. Tuğluk is not healthy enough to survive much longer in the conditions to which she is subject in Kocaeli Kandıra F-Type Prison and that her immediate release is necessary. Should she fail to be released soon, Ms. Tuğluk’s life will remain at serious risk as her health keeps deteriorating at a rapid rate.

IV. Actions Requested
i. We request the Special Procedures to urge the Turkish Government to immediately release Aysel Tuğluk and other severely ill prisoners who are not fit to remain in prison in compliance with Turkey’s domestic and international law obligations.

ii. We request Special Procedures to intervene in this grave matter and to raise all of these issues with the Turkish Government. Special Procedures are particularly requested to communicate the concerns in relation to violation of prisoners’ rights to medical services and to investigate the circumstances behind the refusal to release severely ill prisoners.

iii. We further request the Special Rapporteurs to invite the Turkish Government to ensure that all prisons in Turkey have an adequate number of medical staff, including doctors and that they work freely without any undue interference with their work.

iv. We ask the Special Procedures to urge the Turkish Authorities to introduce and enforce legal provisions for the release of seriously ill prisoners on compassionate grounds. Those legal provisions should create impartial and fair procedures for the medical evaluation of all ill prisoners and the grounds for their release.

v. We request the Special Procedures to ensure the Turkish Government allow greater accountability and transparency of prison living conditions by enabling visits and inspections from human rights groups and nongovernmental entities.

vi. We would be grateful if you would notify us of what action you decide to take on this matter and to inform us, in due course, of any response received from the Turkish Government. We would also be grateful if you are able to acknowledge receipt of this letter. Should you require any additional information, please contact us, and we will provide any support that we can.

Yours faithfully,

Sanya Karakaş, Turkey Human Rights Litigation Support Project (TLSP), the United Kingdom
(and on behalf of)
AĞ-DA Toplumsal Cinsiyet Eşitliği Dayanışma Ağı (Gender Equality Solidarity Network), Turkey
Asociación Libre de Abogadas y Abogados, (Free Association of Lawyers, ALA), Madrid, Spain
Batman Barosu (Batman Bar Association), Turkey
Bingöl Barosu (Bingöl Bar Association), Turkey
Conseil national des barreaux (CNB), France
Çağdaş Hukukçular Derneği (Progressive Lawyers' Association, ÇHD), Turkey
Dersim -Tunceli- Barosu (Dersim -Tunceli- Bar Association), Turkey
Diyarbakır Barosu (Diyarbakır Bar Association), Turkey
Düşünce Suçu(!?)na Karşı Girişim (Initiative for Freedom of Expression), Turkey
Eşit Haklar İçin İzleme Derneği (Association for Monitoring Equal Rights), Turkey
European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH)
European Democratic Lawyers (AED)
Hak İnisiyatifi Derneği (the Rights Initiative), Turkey
Hakkari Barosu (Hakkari Bar Association), Turkey
Human Rights Committee of the German Bar Association (Deutscher Anwaltverein, DAV), Germany
Indian Association of Lawyers, India
İnsan Hakları Gündemi Derneği (Human Rights Agenda Association), Turkey
International Association of Democratic Lawyers (IADL)
International Bar Association's Human Rights Institute (IBAHRI)
International Commission of Jurists (ICJ)
International Federation for Human Rights (FIDH)
International Observatory for Lawyers at Risk (OIAD)
Lawyers’ Rights Watch Canada (LRWC), Canada
London Legal Group, the United Kingdom
Mardin Barosu (Mardin Bar Association), Turkey
Medya ve Hukuk Araştırmaları Derneği (Media and Law Studies Association, MLSA), Turkey
Muş Barosu (Muş Bar Association), Turkey
National Union of Peoples' Lawyers (NUPL), Philippines
Özgürlük için Hukukçular Derneği (Association of Lawyers for Freedom, ÖHD), Turkey
P24 (Platform for Independent Journalism), Turkey
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (Republican Lawyers Association, RAV), Germany
Rosa Kadın Derneği (Rosa Women's Association), Turkey
Siirt Barosu (Siirt Bar Association), Turkey
Syndicat des Avocats pour la Démocratie: le SAD, Belgium
Şanlıurfa Barosu (Şanlıurfa Bar Association), Turkey
Şırnak Barosu (Şırnak Bar Association), Turkey
The Center for Research and Elaboration on Democracy/ Group of International Legal Intervention (CRED/GIGI)
The Italian Association of Democratic Lawyers (Giuristi Democratici), Italy
The National Association of Democratic Lawyers, (NADEL), South Africa
Toplum ve Hukuk Araştırmaları Vakfı (Foundation for Society and Legal Studies), Turkey
Turkish-German Forum of Culture, Germany
Van Barosu (Van Bar Association), Turkey


(1) Stockholm Center for Freedom, September 6 2021, Former HDP deputy Aysel Tugluk unable to access proper healthcare in prison, her lawyers say (accessed 5 January 2022) https://stockholmcf.org/former-hdp-deputy-aysel-tugluk-unable-to-access-proper-healthcare-in-prison-her-lawyers-say/
(2) Ahval News, December 5 2021, Kurdish politician Aysel Tugluk experiencing memory loss behind bars – lawyer (accessed 5 January 2022) https://ahvalnews.com/turkey-prisons/kurdish-politician-aysel-tugluk-experiencing-memory-loss-behind-bars-lawyer
(3) Ibid.
(4) Bianet, 29 December 2021, Tıka basa cezaevleri başlı başına sağlık sorunu (accessed 5 January 2022)  https://m.bianet.org/bianet/saglik/255453-tika-basa-dolu-cezaevleri-basli-basina-saglik-sorunu
(5) Human Rights Council, “Compilation on Turkey - Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights,” 12 November 2019, UN Doc A/HRC/WG.6/35/TUR/2, para 13.
(6) BBC News, 25 October 2021, Adalet nöbetindeki hasta tutuklu ve mahpus yakınları Cezaevlerinden cenazeler çıkmasın (accessed 5 January 2022)  https://www.bbc.com/turkce/haberler-turkiye-59415860
(7) Human Rights Association, 1 April 2021, IHD 2020 Yılı Türkiye hapishanelerinde hak izleme raporu (accessed 5 January 2022) < https://www.ihd.org.tr/ihd-2020-yili-turkiye-hapishanelerinde-hak-izleme-raporu/>
(8) Bianet, 19 November 2020, ’49 prisoners lost their lives this year’ (accessed 11 January 2022) <https://m.bianet.org/english/print/234697-49-prisoners-lost-their-lives-this-year>  
(9) ECtHR, Tekin Yildiz v. Turkey (no. 22913/04), Gulay Cetin v. Turkey (no 44084/10), Ebedin Abi v. Turkey (no. 10839/09)
(10) Urgent action letter by the Turkey Human Rights Litigation Support Project and 20 other sivil society organisations concerning Mehmet Emin Özkan, 14 July 2021;  Gazete Duvar, 21 December 2021, 83 yaşındaki hasta tutuklu Mehmet Emin Özkan yine tahliye edilmedi (accessed 6 January 2022)  https://www.gazeteduvar.com.tr/83-yasindaki-hasta-tutuklu-mehmet-emin-ozkan-yine-tahliye-edilmedi-haber-1546377
(11) Ahval, 21 December 2021, Ağır hasta tutuklu Özkan’ın korona testi ikinci kez pozitif çıktı (accessed 6 January 2022)  https://ahvalnews.com/tr/hasta-mahkumlar/agir-hasta-tutuklu-ozkanin-korona-testi-ikinci-kez-pozitif-cikti
(12) Bianet, 17 December 2022, “Ağır hasta mahpuslar tek kişilik hücreye atılıyor” (accessed 7 January 2022)  https://m.bianet.org/bianet/insan-haklari/254990-agir-hasta-mahpuslar-tek-kisilik-hucreye-atiliyor
(13) Duvar English, 22 December 2021, As human rights abuses increase, more and more inmates die in Turkish prisons (accessed 5 January 2022)  https://www.duvarenglish.com/as-human-rights-abuses-increase-more-and-more-inmates-die-in-turkish-prisons-news-59933
(14) Duvar English, 10 December 2021, Following torture and sexual abuse, female prisoner dies by alleged suicide in prison (accessed 5 January 2022)  https://www.duvarenglish.com/following-torture-and-sexual-abuse-female-prisoner-garibe-gezer-dies-by-alleged-suicide-in-prison-news-59818
(15) Ibid.
(16) Evrensel, 20 December 2021, Tekirdağ Cezaevi’nde bir tutuklu daha yaşamını yitirdi (accessed 5 January 2022)  https://www.evrensel.net/haber/450727/tekirdag-cezaevinde-bir-tutuklu-daha-yasamini-yitirdi
(17) See, supra note 1.
(18) Reuters, 5 February 2009, Turkish Court sentences Kurdish lawmaker to jail (accessed 6 January 2022)  https://www.reuters.com/article/idUSL5778001
(19) Ibid.
(20) France 24, 11 December 2009, Top court bans main Kurdish political party (accessed on 6 January 2022)  https://www.france24.com/en/20091211-top-court-bans-main-kurdish-political-party
(21) Ibid.
(22) ECtHR, Party for a Democratic Society (DTP) and others v. Turkey, judgement of 12 January 2016 (applications nos. 3870/10, 3870/10, 3878/10, 15616/10, 21919/10, 39118/10 and 37272/10)
(23) Bianet, 12 June 2012, Independent deputy Aysel Tuğluk sentenced to 14.5 years behind bars (accessed 6 January 2022)  https://bianet.org/english/human-rights/139020-independent-deputy-aysel-tugluk-sentenced-to-14-5-years-behind-bars
24 Bianet, 2 January 2018, HDP Deputy Co-chair Tugluk sentenced to 1.5 years in prison (accessed 6 January 2022)  https://bianet.org/english/politics/192938-hdp-deputy-co-chair-tugluk-sentenced-to-1-5-years-in-prison
(25) See, supra note 2.
(26) Ibid.
(27) Duvar English, 21 December 2022, 68 Civil society organizations call for release of Kurdish politican suffering from illness (accessed 6 January 2022)  https://www.duvarenglish.com/68-civil-society-organizations-call-for-release-of-kurdish-politician-aysel-tugluk-suffering-from-illness-news-59919
(28) Bianet, 27 December 2022, ‘Even the prison administration says Aysel Tugluk is not in good health’ (accessed 6 January 2022)  https://m.bianet.org/english/human-rights/255397-even-the-prison-administration-says-aysel-tugluk-is-not-in-good-health
(29) Medyanews, 18 December 2021, Each passing hour is going against Aysel Tugluk’s health (accessed on 6 January 2022)  https://medyanews.net/each-passing-hour-is-going-against-aysel-tugluks-health/
(30) See, supra note 24.
(31) Ibid.
(32) Bianet, 6 January 2022, Gergerlioğlu : ATK’nın raporu tıbbi beyanlar içermiyor (accessed 7 January 2022)  https://bianet.org/bianet/insan-haklari/255844-gergerlioglu-atk-nin-raporu-tibbi-beyanlar-icermiyor
(33) Ibid.
(34) Medyascope, 21 December 2021, Aysel Tuğluk sağlık raporu için yeniden hastaneye kaldırıldı (accessed 7 January 2022) https://medyascope.tv/2021/12/21/aysel-tugluk-saglik-raporu-icin-yeniden-hastaneye-kaldirildi/
(35) Article 17(1), the Constitution of the Republic of Turkey.  
(36) Article 17(3), the Constitution of the Republic of Turkey.  
(37) Article 71, the Law on the Execution of Penalties and Security Measures, 13 December 2004.
(38) Article 16(2), the Law on the Execution of Penalties and Security Measures.  
(39) Ibid.
(40) Stockholm Center for Freedom, HDP demands parliamentary debate on situation of sick prisoners, 17 June 2021 (accessed 6 January 2022)  https://stockholmcf.org/hdp-demands-parliamentary-debate-on-situation-of-sick-prisoners/ 
(41) Daily Sabah, Mahmut Övür, 9 February 2015, The question of ill inmates (accessed 6 January 2022) https://www.dailysabah.com/columns/mahmut_ovur/2015/02/09/the-question-of-ill-inmates
(42) Article 90, the Constitution of the Republic of Turkey as amended on 23 July 1995.
(43) Council of Europe, European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, as amended by Protocols Nos. 11 and 14, 4 November 1950, ETS 5; UN General Assembly (UNGA).  
(44)  Lawyers’ Rights Watch Canada, 8 October 2014, Prisoners: The Right to Medical Treatment-Summary of Preliminary Research/Report  (accessed 6 January 2022)  https://www.lrwc.org/prisoners-the-right-to-medical-treatment-summary-of-preliminary-research-report/
(45) ECtHR, Salakhov and Islyamova v. Ukraine, judgement of 14 March 2013, application No. 28005/08.
(46) ECtHR, Kudla v. Poland, judgement of 26 October 2000, application No. 30210/96, para. 94; ECtHR, Gelfmann v. France, judgement of 14 December 2004, application No. 25875/03, para. 50; ECtHR, Serifis v. Greece, judgment of 2 November 2006, application No. 27695/03; ECtHR, Mouysel v. France, judgment of 14 November 2002, application No. 67263/01; ECtHR Tekin Yildiz v. Turkey, judgment of 10 November 2005, application No. 22913/04.  
(47) Ibid.
(48) UNODC, 2015, the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (the Nelson Mandela Rules) (accessed 19 January 2022) https://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/Nelson_Mandela_Rules-E-ebook.pdf
(49) Ibid, Rule 45.
(50) United Nations Office on Drugs and Crime, 2009, Prisoners with Special needs (accessed 6 January 2022) https://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/Prisoners-with-special-needs.pdf

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Menschenrechte/Türkei
news-834 Wed, 12 Jan 2022 13:23:17 +0100 Tag des verfolgten Anwalts 2022 || Kolumbien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-2022-kolumbien-834 24.1.2022 - Aufruf zur Teilnahme an Protesten vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin Dieses Jahr ist der »Tag des bedrohten Anwalts« erneut – wie bereits im Jahr 2014 – den Kolleginnen und Kollegen in Kolumbien gewidmet, die Morddrohungen erhalten, weil sie die Rechte der Ärmsten verteidigen und die Opfer von Menschenrechtsverletzungen insbesondere in ländlichen Gebieten vertreten.

Der RAV, die VDJ, die RAK-Berlin und andere rufen dazu auf, sich an der Berliner Protestaktion zu beteiligen, die zeitgleich in zahlreichen anderen Ländern vor den jew. Botschaften oder Konsulaten durchgeführt wird:

13.00 h vor der Kolumbianischen Botschaft, Taubenstr. 23, 10117 Berlin.

Gern in Robe.

Die Botschaft ist über die Aktion informiert und wird die Petition entgegennehmen. (Petition (dt) ; Peticion (es)).

Von den über 200.000 Anwält*innen in Kolumbien widmen sich nur wenige der Vertretung der Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von Übergriffen wie außergerichtlichen Tötungen, dem gewaltsamen Verschwinden-Lassen und Angriffen bei bewaffneten Konflikten betroffen sind. Dieser marginalisierte Teil der Bevölkerung umfasst Kleinbäuerinnen und -bauern, städtische Armutsbevölkerung, Binnenflüchtlinge sowie indigene und afro-kolumbianische Gruppen.

In den letzten zehn Jahren wurden dort mehr als 700 Anwält*innen ermordet.

Hintergrundinformationen zu der Situation der Kolleg*innen in Kolumbien finden sich hier im Final Report (engl.).

*************************

Bitte auch zu beachten: Online-Veranstaltung am 20.1.22 um 19 h

Zur Situation von Anwältinnen und Anwälten in Kolumbien

Alle Informationen hier:
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-situation-von-anwaeltinnen-und-anwaelten-in-kolumbien-833

Eine Kooperationsveranstaltung mit dem DAV, der RAK Berlin, der VDJ, der EJDM, der AED-EDA sowie mit den beiden Menschenrechtsanwält*innen Zoraida Pedraza und German Romero.

Die Kolleg*innen werden ausführlich über die Situation in Kolumbien berichten. Beide mussten Kolumbien verlassen, da sie dort aufgrund ihrer Arbeit bedroht und verfolgt wurden. Sie leben momentan sowohl in Belgien als auch in Spanien.

Die Veranstaltung findet online per Zoom statt: (neuer Link 20.1.2022)
https://us06web.zoom.us/j/81930013070?pwd=YVR3U3BnTEl4RmhRQUtySHdKUTRrZz09
Meeting-ID: 819 3001 3070
Kenncode: 433025

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Tag des bedrohten Anwalts Bürger- und Menschenrechte Kolumbien
news-833 Fri, 07 Jan 2022 09:44:15 +0100 Zur Situation von Anwältinnen und Anwälten in Kolumbien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-situation-von-anwaeltinnen-und-anwaelten-in-kolumbien-833 Online-Diskussionsveranstaltung, 20.1.2022 um 19h Jedes Jahr am 24. Januar findet der »Tag des bedrohten Anwalts« statt, an dem Anwält*innen weltweit gegen die Einschüchterung, Bedrohung, Inhaftierung und Ermordung ihrer Kolleg*innen demonstrieren. Dieses Jahr ist der Tag erneut – wie bereits 2014 – den Anwält*innen in Kolumbien gewidmet, die Morddrohungen erhalten, weil sie die Rechte der Ärmsten verteidigen und die Opfer von Menschenrechtsverletzungen insbesondere in ländlichen Gebieten vertreten.

Von den über 200.000 Anwält*innen in Kolumbien widmen sich nur wenige der Vertretung der Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von Übergriffen wie außergerichtlichen Tötungen, dem gewaltsamen Verschwinden-Lassen und Angriffen bei bewaffneten Konflikten betroffen sind. Dieser marginalisierte Teil der Bevölkerung umfasst Kleinbäuerinnen und -bauern, städtische Armutsbevölkerung, Binnenflüchtlinge sowie indigene und afro-kolumbianische Gruppen.

In den letzten zehn Jahren wurden dort mehr als 700 Anwält*innen ermordet. Daneben kam es zu mehr als 4.400 Übergriffen auf Anwält*innen in Kolumbien. Zwischen 2019 und 2020 wurden verschiedene Menschenrechtsanwält*innen durch staatliche Sicherheitskräfte überwacht, weil sie oppositionelle Gruppen vertreten haben. Die meisten Menschenrechtsverteidiger*innen müssen darüber hinaus damit rechnen, selbst mit Klagen und Ermittlungsverfahren überzogen zu werden, wenn sie versuchen, Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien aufzudecken.

Der kolumbianische Staat hat die Vielzahl an Übergriffen und Attacken weder versucht zu verhindern, noch gibt es ein Interesse an deren Aufklärung. In Kolumbien gibt es weder eine lokale noch eine nationale in Selbstverwaltung handelnde und staatlich anerkannte Anwaltskammer und nur wenige Anwält*innenvereinigungen, die die Unabhängigkeit der Anwält*innen fördern oder den Berufsstand im Allgemeinen schützen. Der Consejo Superior de la Judicatura (Oberster Justizrat) registriert und speichert Informationen über kolumbianische Anwält*innen und sanktioniert Fehlverhalten im Rahmen der Beschäftigung. Eine Interessenvertretung fehlt komplett.

Vor diesem Hintergrund findet am 20. Januar 2022 um 19 Uhr eine Diskussionsveranstaltung des RAV statt.
Es ist eine Kooperationsveranstaltung mit dem DAV, der RAK Berlin, der VDJ, der EJDM, der AED-EDA sowie mit den beiden Menschenrechtsanwält*innen Zoraida Pedraza und German Romero.

Die Kolleg*innen werden ausführlich über die Situation in Kolumbien berichten. Beide mussten Kolumbien verlassen, da sie dort aufgrund ihrer Arbeit bedroht und verfolgt wurden. Sie leben momentan sowohl in Belgien als auch in Spanien.

Die Veranstaltung findet online per Zoom statt: (neuer Link 20.1.2022)
https://us06web.zoom.us/j/81930013070?pwd=YVR3U3BnTEl4RmhRQUtySHdKUTRrZz09
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Tag des bedrohten Anwalts Veranstaltungen Kolumbien
news-832 Tue, 07 Dec 2021 16:04:37 +0100 Auch der modifizierte Entwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen wird als undemokratisch abgelehnt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/auch-der-modifizierte-entwurf-fuer-ein-versammlungsgesetz-fuer-nordrhein-westfalen-wird-als-undemokratisch-abgelehnt-832 Gemeinsame PM von RAV, VDJ und Komitee für Grundrechte und Demokratie, 7.12.21 Der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie lehnen auch den jüngst von CDU und FDP eingereichten, modifizierten Entwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen als undemokratisch ab.

Die vorgelegte veränderte Gesetzesvorlage ändert am Kern der Kritik nichts: Der Entwurf bleibt ein Versammlungsverhinderungsgesetz, ein Entwurf, der die Versammlungsfreiheit als potentielle Gefahr begreift, ein Entwurf, der Versammlungen polizeilich einschnürt.

Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung, Gefährderansprachen - sind auch weiterhin sämtlich im Entwurf enthalten. Nunmehr wird sogar explizit ermöglicht, Versammlungen mit Drohnen zu filmen.

Das sogenannte „Störungsverbot“ wurde im Kern ebensowenig aufgehoben, wie das „Militanzverbot“: Nach wie vor werden antifaschistische Gegenproteste erschwert bzw. Blockadetrainings verboten, die Bußgeldbewährung nicht aufgehoben. Dass „nicht auf Behinderung zielende kommunikative Gegenproteste“ vom Störungsverbot ausgenommen wurden, ändert hieran nichts, sondern gibt lediglich den verfassungsrechtlichen Grundgedanken wieder, dass auch die abweichende Meinung kollektiv und öffentlich geäußert werden darf.  Dass beim „Militanzverbot“, das jetzt „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“ heißt, der äußerst unbestimmte Passus „in vergleichbarer Weise“ gestrichen wurde, ist ebenso blanke Kosmetik. Die grundlegende Freiheit der Versammlung, darüber zu entscheiden, wie eine solche auch optisch, von ihrem Auftreten gestaltet werden soll, ob etwa farblich ein einheitliches Auftreten erfolgt, um einen gemeinsamen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, um Geschlossenheit und Entschlossenheit zu vermitteln, wird weiterhin der staatlichen Direktive unterstellt.

Wenn die FDP von einem „rechtsstaatlichen Update“ spricht, kann hierauf Rechtsanwältin Ursula Mende von der VDJ nur entgegnen: „Dass die wörtliche Einfügung einer Selbstverständlichkeit des Rechtsstaats, nämlich, dass für polizeiliche Eingriffe „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen müssen, ein Update in Sachen Rechtsstaat darstellen soll, offenbart die auch weiterhin bestehende Grundausrichtung des neuen Gesetzes als versammlungsfeindlich. Wenn die FDP wirklich Freiheitsrechte schützen will, dann gibt es nur einen Weg: sie müssen den Gesetzesentwurf zurückziehen und nochmal komplett von vorn anfangen."

Und Rechtsanwältin Anna Busl ergänzt: „Dass nunmehr der als Ausdruck eines paternalistischen Staatsverständnisses und aufgrund seiner Unbestimmtheit verfassungsrechtlich breit kritisierte Begriff der „öffentlichen Ordnung“ aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde, ist zwar eine längst überfällige Korrektur. Mit einer tatsächlichen Veränderung des Gesetzentwurfs hat auch dies nichts zu tun.

Dass es sich um ein Gesetz handelt, das insbesondere auch gegen die Klimabewegung gerichtet ist, zeigt der neue Entwurf einmal mehr: Neu eingefügt wurde explizit das Verbot, Versammlungen auf Bundesautobahnen durchzuführen (§ 13 Abs. 1 S. 3): Autobahnen und fließendem Verkehr wurde damit a priori und unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall der Vorrang eingeräumt.

VDJ, RAV und das Komitee für Grundrechte und Demokratie rufen daher erneut dazu auf, sich an den Protesten am 08.12.2021, 10:00 Uhr, vor dem Landtag Düsseldorf zu beteiligen.

Die VDJ, der RAV und das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatten im Mai 2021 eine ausführliche Stellungnahme zum schwarz-gelben Gesetzesvorhaben veröffentlicht. Die aufgebrachten Kritikpunkte und die Vorschläge für ein freiheitliches Versammlungsgesetz sind auch heute noch aktuell:
https://www.grundrechtekomitee.de/fileadmin/user_upload/Erklaerung_RAV_VDJ_u._Grundrechtekomitee_zum_Gesetzentwurf_fuer_ein_NRW_Versammlungsgesetz.pdf

Pressekontakte:
Rechtsanwältin Anna Busl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Tel.: 030 44 67 92 16, busl@anwaltsbuero-bonn.de

Rechtsanwältin Ursula Mende, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen
Tel.: 02151 152616, mail@vdj.de

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Versammlungsfreiheit Pressemitteilung Versammlungsrecht Bürger- und Menschenrechte
news-816 Fri, 26 Nov 2021 10:06:08 +0100 Bereich ›Migration und Asyl‹<br />Koalitionsvertrag stellt nicht im Ansatz den notwendigen Systemwechsel dar /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bereich-migration-und-asylkoalitionsvertrag-stellt-nicht-im-ansatz-den-notwendigen-systemwechsel-dar-816 RAV-Pressemitteilung 9/21, 26.11.2021 Aus Sicht des RAV ist festzustellen: Der Koalitionsvertrag enthält im Bereich ›Migration und Asyl‹ einige Aussagen, die eine überfällige Abkehr von einer rückwärts ausgerichteten Politik darstellen. Sie stellen aber nicht ansatzweise den dringend notwendigen Systemwechsel dar.

Im 21. Jahrhundert beispielsweise Menschen nach geltendem Recht das Recht auf Arbeit gesetzlich zu verweigern, ist ein Anachronismus und fundamentaler Angriff auf die Gleichheit und Würde jedes Einzelnen. Es ist also zu begrüßen, dass durch die Ampel-Koalition Arbeitsverbote gestrichen werden sollen. Gleichwohl wird erst die Praxis zeigen, wie ernst die Streichung des Arbeitsverbots gemeint ist und ob alle Gruppen wie etwa Asylsuchende hiervon umfasst sein sollen.

Im Einzelnen

Ebenso ist positiv, dass die neue Koalition das Rechtsinstitut der ›Duldung light‹ abschaffen wird. Diese ›Duldung light‹ hat in keinem Fall zum deklarierten Ziel der Ausreise oder Abschiebung geführt. Zugleich hat sie aber massiv in menschenrechtlich geschützte Rechtgüter, wie das Recht auf Arbeit, eingegriffen.
Der RAV kritisiert aber auf das Schärfste, dass es auch unter der Ampel-Koalition weiter Duldungszeiten geben wird, die bei der Berechnung der Dauer der Aufenthaltszeit eines Menschen nicht berücksichtigt werden sollen. Dies führt dazu, dass eine Person zwar faktisch in Deutschland ist, rechtlich sich aber in einer Art Niemandsland befindet.
Die ›Duldung light‹ ist nicht nur unsinnig, sondern zog – genau wie die neu eingeführte verpflichtenden Prüfung des Widerrufs eines Schutzstatus – einen Rattenschwanz an bürokratischen Verfahren und Rechtsstreitigkeiten nach sich. In ca. 97 Prozent der sinnlos eingeleiteten Widerrufsprüfungen kommt es nicht zum Widerspruch. Es ist also zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag eine Abschaffung der verpflichtenden Einleitung des Widerrufsverfahrens vorsieht.

Lager und Abschiebehaft

Die Aussage des Koalitionsvertrags im Bereich Asyl zur Abkehr von den Ankerzentren ist nicht weitgehend genug. Das gesamte Konzept dieser Zentren ist radikal gescheitert. Absonderungen von Menschen über Wohnverpflichtungen in Lagern, die ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit nicht entsprechen, sind abzuschaffen.
Kinder nicht in Abschiebehaft zu nehmen, wie es im Koalitionsvertrag heißt, stellt eine Selbstverständlichkeit dar. Die überfällige, dringend notwendige grundsätzliche Reform des gesamten rechtswidrigen Systems Abschiebung bleibt aus.

Der RAV kritisiert u.a. auf das schärfste, dass in Abschiebehaftverfahren weiter keine zwingende anwaltliche Beiordnung vorgesehen ist, obwohl sich die überwiegende Mehrheit der haftrechtlichen Beschlüsse als rechtswidrig erweisen.

Im Bereich Familiennachzug enthält der Koalitionsvertrag Ansätze, die positiv zu bewerten sind. Erleichterungen in den Rechtsgrundlagen und die Abkehr von der Idee, erst im Ausland die Sprache erlernen zu müssen, statt eine schnelle Einreise und Teilnahme an Sprachkursen hier zu ermöglichen, ist zu begrüßen, wenn auch nicht weitgehend genug. Insbesondere die unerträglichen jahrelangen Wartezeiten in den Visaverfahren sind sofort zu ändern.
Erleichterungen im Bereich der Verfestigung des Aufenthalts sowie die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit stellen eine überfällige Reform dar. Die Regelungen sind aber nicht ausreichend, zu kritisieren ist, dass die Bleiberechtsregelung weiter an einen Stichtag anknüpft.
Der Koalitionsvertrag spricht von einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung im Bereich Asyl. Unklar ist, was hier gemeint wird. Es darf jedenfalls auf keinen Fall darauf hinauslaufen, dass eine Tatsacheninstanz im Rechtszug entfällt.
Es liest sich zwar positiv, dass legale Einreisemöglichkeiten ausgeweitet werden sollen. Aber auch hier ist abzuwarten, ob es sich um symbolische Maßnahmen handelt oder denen, die zum Zweck der Bildung oder Erwerbstätigkeit zuwandern wollen ohne hochqualifiziert zu sein, ein faires Verfahren eröffnet wird.

Krise des europäischen Asylrechts

Die Aussagen zur europäischen Migrations- und Asylpolitik sind aus Sicht des RAV vollkommen unzureichend. Der Auslagerung des Asylrechts in Drittstaaten wird keine unmissverständliche Absage erteilt. Effektiven Rechtsschutz an den europäischen Außengrenzen gibt es nicht. Konzepten eines ›Rechtsschutz light‹ ist eine klare Absage zu erteilen. Relocation-Programme und Ressettlements sind zwar zu begrüßen. Allerdings sind diese als Antwort auf die Krise des europäischen Asylrechts unzureichend, denn sie formulieren keine transparenten und rationalen Verfahren für die Betroffenen. Nur eine ›Koalition der Willigen‹ in Europa kann und muss sich über eine Aufnahme von Schutzsuchenden in fairen Verfahren verständigen. Es gibt nur eine Antwort auf die aktuelle Krise: Aufnahme und das strikte Eintreten gegen rechtswidrige Push Backs, keine direkte und indirekte Kooperation mit Drittstaaten wie Libyen oder der Türkei.
Weiter gilt ein in Teilen verfassungswidriges Sozialrecht für Flüchtlinge. Es wird weiter Abschiebungen in Krisenländer und ausweglose Situationen geben.
Dieser Koalition ist ins Stammbuch zu schreiben: Grundrechte und Menschenrechte gelten, wenn sie für jede einzelne und jeden einzelnen gelten. Statt sie zur Disposition zu stellen, sind sie gerade in Krisenzeiten zu verteidigen.

Zusammenfassend ist festzustellen: Der Koalitionsvertrag enthält zwar positive Ansätze, verfehlt aber die grundlegend notwendige Modernisierung und den Systemwechsel im Bereich ›Migration und Asyl‹.
Entscheidend ist, ob die neue Regierung auf diese Anforderungen und auf das Sterben an den Außengrenzen und auf den Fluchtrouten nur mit Sonntagsreden oder mit menschenrechtsbasierter Politik reagieren wird.

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Migration & Asyl
news-815 Fri, 19 Nov 2021 11:16:00 +0100 Stoppt Kinderrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stoppt-kinderrechtsverletzungen-an-den-eu-aussengrenzen-815 Appell, 19.11.2021 In den Wäldern an der polnisch-belarussischen Grenze harren gegenwärtig geflüchtete Menschen, unter ihnen Kinder und Familien, unter unmenschlichen humanitären Bedingungen aus. Ihre Kinder- und Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Sie leiden unter Unterkühlung, Hunger und Erschöpfung. Sie fliehen vor Verfolgung in der Heimat, Gewalt und Perspektivlosigkeit und suchen Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren. An der polnisch-belarussischen Grenze, aber auch an der bosnisch-kroatischen Grenze, reagieren die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit Abweisung, illegalen Pushbacks und dem Bau neuer Zäune.

Kinder und Familien dürfen nicht zum Opfer regionaler Macht- und europäischer Abschottungspolitik werden. Die unterzeichnenden Organisationen fordern die bestehende und künftige Bundesregierung auf, sofort tätig zu werden, um das Leid der Kinder und Familien an den europäischen Land-Außengrenzen zu lindern. Die Spirale der Gewalt sowie die lebensgefährliche Kälte und Unterversorgung, denen die Kinder insbesondere in Belarus ausgesetzt sind, dürfen nicht ignoriert, ihre Rechte nicht für Machtpolitik kompromittiert werden.

Menschenunwürdige und kindeswohlgefährdende Unterbringungs- und Versorgungssituation

An der Außengrenze der EU in Belarus findet vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit eine humanitäre Krise statt, die sich angesichts des beginnenden Winters noch drastisch zuspitzen wird. An der Grenze zu Polen campieren Tausende Menschen obdachlos in einem Waldgebiet trotz der stetig fallenden Temperaturen.(1) Der Zugang zu sanitären Anlagen, Lebensmitteln oder medizinischer Versorgung ist faktisch nicht vorhanden und wird nur durch das Engagement der Zivilgesellschaft und engagierter Bürger:innen ermöglicht.(2) Die betroffenen Geflüchteten, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche, befinden sich in einer ausweglosen Situation: Sie können nicht in die EU einreisen und gleichzeitig ist ihnen der Weg durch Belarus versperrt. Auch in Bosnien und Herzegowina kommt es immer wieder dazu, dass Menschen, unter ihnen auch Kinder, bei Minusgraden in selbstgebauten Camps vor der Grenze ausharren in der Hoffnung, endlich in die EU zu gelangen.(3)

Gewalt und illegale Rückschiebungen von Kindern an den Außengrenzen

Die unterzeichnenden Organisationen sind extrem besorgt hinsichtlich des europa- und völkerrechtswidrigen Vorgehens der EU-Mitgliedstaaten Kroatien und Polen bei Grenzübertritten. Gewaltsame Pushbacks, wie sie von Kroatien seit Jahren straflos praktiziert werden, sind auch in Polen zur gut dokumentierten Praxis des Grenzschutzes geworden. Menschen werden im Grenzgebiet aufgespürt und ohne individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs oder ihrer Einreisegründe unter Zwang vor die europäischen Außengrenzen zurückgebracht. Einmal mehr zeigt sich: Werden Gewalt und europa- und völkerrechtswidrige Rückschiebungen nicht geahndet und sanktioniert, avancieren sie durch stillschweigende Zustimmung zu regulären Mitteln des Grenzmanagements an den europäischen Außengrenzen.
Verschiedene Berichte belegen Gewaltanwendung und illegale Rückschiebungen durch sowohl polnische als auch kroatische Grenzbeamte. So haben Menschenrechtsorganisationen bereits im August 2021 illegale Kollektivausweisungen an der polnischen
Grenze öffentlich dokumentiert.4 Auch an der bosnisch-kroatischen Grenze finden schon seit langem nachweislich rechtswidrige Rückschiebungen durch kroatische Sicherheitsbehörden statt, welche von Gewalt, Erniedrigung und Entwendung von Eigentum begleitet werden.(5) Auch Kinder sind von Pushbacks betroffen.(6) Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht dabei tatenlos zu und schreitet bei Menschenrechtsverletzungen nicht ein.(7)
Der Winter hat in den Grenzregionen Polens und Kroatiens bereits begonnen. Sinkende Temperaturen, teils unter null Grad, verschlechtern die lebensgefährliche Situation für Kinder und Familien noch weiter dramatisch. Ihnen muss unverzüglich geholfen, ihre Rechte umgehend respektiert werden.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung auf:
1. Sofortige Evakuierung - legale Zugangswege schaffen

Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen die betroffenen Menschen, allen voran Kinder und Familien, aus den entsprechenden Regionen evakuieren und auf die EU-Staaten umverteilen. Dies bedarf eines Ad-hoc-Evakuierungsmechanismus, wie er im Ansatz bei der Aufnahme von den griechischen Inseln angewendet wurde. Um mittelfristig die Situation an den EU-Außengrenzen zu verbessern, müssen in Ergänzung zum individuellen Asylverfahren Resettlement- und humanitäre Aufnahmeprogramme sowie andere legale Zugangswege ausgebaut und die Hürden für Familienzusammenführungen gesenkt werden.

2. Stopp der Push-Backs - Zugang zum Asylverfahren

Die Praxis der Push-Backs muss sofort unterbunden und der Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren sichergestellt werden. Mitgliedstaaten, die sich dem verweigern, müssen sanktioniert werden. Um Menschenrechtsverletzungen aufzudecken,
muss das Grenzmanagement der EU-Mitgliedstaaten von einem transparenten, unabhängigen und effektiven Monitoringmechanismus begleitet werden. Konsequente Schulungen zu Kinder- und Menschenrechten können zudem rechtswidriges Vorgehen
einzelner Grenzbeamt:innen verhindern.

3. Unterstützung der Menschen vor Ort - Zugang von Hilfsorganisationen

Den betroffenen Menschen, insbesondere Kindern und Familien, in den Grenzregionen müssen umgehend ein festes Dach über dem Kopf, eine regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung sowie Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährt werden. Humanitäre Organisationen sowie Menschen- und Kinderrechtsorganisationen müssen zudem umgehend umfassenden Zugang zu den betroffenen Menschen in den Grenzregionen erhalten. In diesem Sinne fordern wir die Bundesregierung auf, sofort aktiv zu werden und Unterstützung zu leisten, und zwar sowohl in Form von direkter humanitärer Hilfe für die Betroffenen vor Ort als auch durch ihren Einsatz für eine nachhaltige Lösung auf EU-Ebene.

Liste der unterzeichnenden Organisationen:
Amadeu Antonio Stiftung, Amnesty International Deutschland e.V., Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), Ärzte ohne Grenzen e.V., AWO Bundesverband, Brot für die Welt (e.V.), Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Der Paritätische Gesamtverband, Deutsche Jugend in Europa Bundesverband e.V., Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Diakonie Deutschland, ECPAT Deutschland e.V., Equal Rights Beyond Borders, International Rescue Committee, Jesuitenflüchtlingsdienst, Jugendliche ohne Grenzen, JUMEN - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland e.V., National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN – Kinderrechtskonvention, OUTLAW.die Stiftung, Plan International, PRO ASYL, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Save the Children Deutschland e.V., Seebrücke - Schafft Sichere Häfen!, SOLWODI Deutschland e.V., SOS-Kinderdorf e.V., terre des hommes Deutschland e.V., World Vision Deutschland e.V.


(1) Save the Children calls for immediate support to children and families stranded at the EU border with Belarus, Save the Children International, 09.11.21, https://www.savethechildren.net/news/savechildren-calls-immediate-support-children-and-families-stranded-eu-border-belarus; vgl. Flüchtlinge an der polnischen Grenze, Morgenmagazin ARD, 11.11.21, https://www.daserste.de/information/politikweltgeschehen/morgenmagazin/politik/Fluechtlinge-polnische-Grenze-102.html.
(2) Vgl. Cedric Rehmann, Flüchtlinge an der Grenze zwischen Polen und Belarus sitzen in der Falle, Badische Zeitung, 11.11.21, https://www.badische-zeitung.de/fluechtlinge-an-der-grenze-zwischenpolen-und-belarus-sitzen-in-der-falle--206351754.html?mode=in.
(3) Vgl. Daria Sito-Sucic, Afghan migrants in Bosnia still hope to reach EU despite violent pushbacks, Reuters, 14.10.21, https://www.reuters.com/world/europe/afghan-migrants-bosnia-still-hope-reach-eudespite-violent-pushbacks-2021-10-14/; AP PHOTOS: Children brave the cold in makeshift Bosnian camp, ABC News, 16.10.21, https://abcnews.go.com/International/wireStory/ap-photos-childrenbrave-cold-makeshift-bosnian-camp-80617054; siehe auch UNICEF Bosnia and Herzegovina,
Humanitarian Situation Report (Migration), 21.05.21, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNICEF%20Bosnia%20and%20Herzegovina%20Humanitarian%20Situation%20Report%20%28Migration%29%20-%2021%20May%202021.pdf.
(4) Poland/Belarus: Amnesty International reconstructs suspected illegal pushback of a group of 32 Afghans in August, Amnesty International, 30.09.21, https://www.amnesty.org/en/latest/research/2021/09/poland-belarus-border-crisis/.
(5) Vgl. Bosnisch-kroatische Grenze: Maskierte prügeln Migranten aus der EU, Tagesschau.de, 06.10.21, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/pushbacks-gewalt-bosnien-kroatien-101.html; Reports about push backs and violence against children at the Western Balkans borders: July - September 2019, Save the Children,11.12.19, https://nwb.savethechildren.net/news/reports-aboutpush-backs-and-violence-against-children-western-balkans-borders-july-september; Danish Refugee Council, Border Monitoring Factsheet, Sept. 2021, https://prod.drc.ngo/media/goyfsmfv/2021_09_drcbih_border-monitoring-factsheet.pdf
(6) Danish Refugee Council, Border Monitoring Factsheet, Sept. 2021, https://prod.drc.ngo/media/goyfsmfv/2021_09_drc-bih_border-monitoring-factsheet.pdf; Reports about push backs and violence against children at the Western Balkans borders: July - September 2019, Save the Children,11.12.2019, https://nwb.savethechildren.net/news/reports-about-push-backs-andviolence-against-children-western-balkans-borders-july-september.
(7) Vgl. Frontex Scrutiny Working Group (Rapporteur: Tineke Strik), LIBE Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs, Report on the fact-finding investigation on Frontex concerning alleged fundamental rights violations, 14.07.2021, verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/cmsdata/238156/14072021%20Final%20Report%20FSWG_en.pdf

Appell als PDF

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Bürger- und Menschenrechte Migration & Asyl
news-813 Fri, 12 Nov 2021 12:28:03 +0100 Für eine konsequente Anerkennung der besonderen Asylgründe für Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-eine-konsequente-anerkennung-der-besonderen-asylgruende-fuer-frauen-maedchen-und-lgbtiqa-personen-813 Kampagnenstart 11.11.2021, Petition

"Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt (einschließlich häuslicher Gewalt, sexueller Ausbeutung, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, Menschenhandel, diskriminierender Gesetze, Abweisung, Entzug der Kinder) treibt viele Frauen, Mädchen und LGBTIQA+-Personen dazu, aus ihren Ländern zu fliehen und in der Europäischen Union Asyl zu suchen.

Diese Menschen sind während der gesamten Migrationsroute fast systematisch Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt: Sexuelle Gewalt durch Schleuser oder in Flüchtlingslagern, sexuelle Ausbeutung oder Zwangsarbeit und Gefangenschaft in Schlepperbanden in Transitländern, auch in europäischen Ländern, Bedrohung, Trauma und Gefahr für ihre Kinder.

Wenn sie in der Europäischen Union ankommen, werden sie mit unangemessenen Asylverfahren und einer unwürdigen Aufnahme konfrontiert. Die Asylverfahren ermöglichen keine Identifizierung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt oder Opfern des Menschenhandels, die Unterbringungsstrukturen sind unzureichend und es fehlt an Unterstützungsmaßnahmen. Ihre spezifischen Asylgründe werden oft nicht anerkannt, trotz der in mehreren EU-Richtlinien formulierten Grundsätze und der Festlegungen der Istanbul-Konvention, die geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen als eine Form der Verfolgung anerkennen, die sie zu internationalem Schutz berechtigen."

Der RAV unterstützt diese Kampagne.

Alle weiteren Informationen finden sich auf der Webseite von https://feministasylum.org/?lang=de

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Feminismus Migration & Asyl
news-812 Fri, 05 Nov 2021 11:13:40 +0100 Demonstration vor der Botschaft der Türkischen Republik am 16.11.2021 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/demonstration-vor-der-botschaft-der-tuerkischen-republik-am-16112021-812 Aufruf zur Teilnahme. Solidarität und Unterstützung mit den inhaftierten Kolleginnen und Kollegen in der Türkei Die freie und unabhängige Vertretung der rechtlichen Interessen der Mandantinnen und Mandanten ist ein Grundpfeiler anwaltlicher und rechtsstaatlicher Prinzipien. Der Staat hat hierbei sicherzustellen, dass Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikane oder unstatthafte Beeinflussung wahrnehmen und ihre Mandantinnen und Mandanten frei beraten können und keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen zu erleiden haben oder damit bedroht werden.
 
Seit fünf Jahren befinden sich in der Türkei Selçuk Kozağaçlı, Träger des Hans-Litten-Preises, Barkın Timtik, Trägerin des Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreises 2020, sowie weitere Kolleginnen und Kollegen im sog. CHD-Verfahren in Haft, weil sie als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihre Aufgaben wahrnehmen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben.
 
Gemeinsam mit der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. folgt die Rechtsanwaltskammer Berlin dem Aufruf der Fédération des Barreaux d`Europe (FBE) und ruft Sie dazu auf, Ihre Solidarität und Unterstützung mit den inhaftierten türkischen Kolleginnen und Kollegen zu zeigen und
 
am 16.11.2021 um 11.00 Uhr vor der Botschaft der Türkischen Republik, Tiergartenstraße 19-21 in 10785 Berlin,
 
in Ihren Roben für eine sofortige Freilassung der Kolleginnen und Kollegen zu demonstrieren.

(Aufruf der RAK-Berlin)

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RESOLUTION

zur sofortigen Freilassung der inhaftierten türkischen Anwälte.

Aufruf an die Anwälte Europas, am 16. November 2021 um 11 Uhr in ihren Roben zu demonstrieren.

Die Generalversammlung der FBE (Fédération des Barreaux d'Europe), die am 28. September 2021 in Paris tagte, drückt ihre volle Unterstützung für die Anwält*innen in der Türkei aus, die inhaftiert sind, vor Gericht stehen oder zu Haftstrafen verurteilt wurden. Nach dem fünftägigen Informationsbesuch von rund 30 Anwält*innen aus acht europäischen Ländern vom 15. bis 20. September 2021 ist die Generalversammlung der Ansicht, dass die Anwaltschaft selbst vor Gericht steht.

Am 15. September im Prozess gegen die Anwaltsorganisation Çağdaş Hukukçular Derneği (ÇHD), befanden sich unter den 148 Anwält*innen der Verteidigung zehn Präsidenten regionaler Anwaltskammern. Nach Ansicht der Vorsitzenden der Anwaltskammern wird durch die Aufrechterhaltung der Anschuldigungen gegen die Angeklagten der Anwaltsberuf selbst vor Gericht gestellt. Die zehn Anwaltspräsidenten forderten das Gericht auf, ein faires Verfahren zu gewährleisten und die Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Wir fordern die sofortige Freilassung aller Anwält*inne, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie ihre Pflichten und Aufgaben als Anwält*innen wahrnehmen und/oder ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben. Wir werden weiterhin auf die Einhaltung der grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit bestehen, einschließlich des Rechts auf ein faires Verfahren.

Wir schließen uns dem von der Conférence des Bâtonniers de France et d'Outre-Mer am 24. September 2021 angenommenen Antrag an und rufen die Anwält*innen Europas auf, am 16. November 2021 um 11 Uhr, dem Tag vor dem Prozess, in ihren Roben vor den türkischen Botschaften und Konsulaten zu demonstrieren, um ihre Solidarität und ihre uneingeschränkte Unterstützung für ihre türkischen Kolleg*innen zu zeigen.

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RESOLUTION

on the immediate release of turkish lawyers incarcerated – call on the lawyers of Europe to demonstrate in their robes on 16 November 2021 at 11 a.m.

The General Assembly of the FBE, meeting in Paris on 28th September 2021 expresses its full support for lawyers in Turkey who are detained, on trial or sentenced to prison. Following the 5 day fact finding visit of around 30 lawyers from 8 European countries from 15 to 20 September 2021, the General Assembly believes that the legal profession itself is on trial.

On 15 September in the trial of the lawyers’ organisation: Çağdaş Hukukçular Derneği (ÇHD), there were 10 presidents of regional bar associations among the defence team of 148 lawyers . According to the bar presidents, by maintaining the allegations against the defendants, the legal profession itself is put on trial. The 10 bar presidents called upon the court to ensure a fair trial and to release the defendants from pretrial detention.

We demand the immediate release of all lawyers incarcerated merely because they are performing their duties and functions as lawyers and/or exercising their rights to freedom of expression. We will continue to insist on upholding the fundamental principles of the rule of law, including the right to a fair trial.

Joining the motion adopted by the Conférence des Bâtonniers de France et d’Outre-Mer the 24th September 2021, we call on the lawyers of Europe to demonstrate in their robes on 16 November 2021 at 11 a.m., the day before the trial, in front of Turkish embassies and consulates to show their solidarity and their total support for their Turkish colleagues.

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Menschenrechte/Türkei
news-811 Fri, 22 Oct 2021 13:18:28 +0200 50 Jahre später – Droht eine Rückkehr der ›Berufsverbote‹? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/40-jahre-spaeter-droht-eine-rueckkehr-der-berufsverbote-811 Online-Veranstaltung des RAV am 11. November 2021 um 17.00 Uhr Knapp 50 Jahre sind vergangen, seit ›Berufsverbote‹ gegen Mitglieder linker Gruppen und Parteien verhängt wurden. Bundeskanzler Willy Brandt und die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich 1972 auf den sogenannten Radikalenbeschluss. Durch diesen sollten politische ›Extremisten‹ aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden. Die Erkenntnisse wurden durch Regelanfragen beim Verfassungsschutz gewonnen. Zwar richtete der Beschluss sich gegen ›Extremisten‹ von links und rechts gleichermaßen, tatsächlich waren jedoch weit überwiegend angehende Lehrer*innen betroffen, die der DKP und den ›K-Gruppen‹ angehörten. Nach breiten politischen Debatten, in denen Kritiker*innen vor Gesinnungsschnüffelei und Überwachungsstaat warnten, wurde die Praxis von Regelanfragen und Ausschluss von Bewerber*innen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu nicht verbotenen Parteien und Organisation in den 1980er Jahren wieder beendet. 1991 schaffte Bayern als letztes Land die Regelanfragen wieder ab.

Seit dem Bekanntwerden rechter Strukturen im öffentlichen Dienst, rassistischen Chatgruppen und NSU 2.0 wird die Wiedereinführung der Regelanfrage beim Verfassungsschutz zur Überprüfung der Verfassungstreue der Bewerber*innen nun wieder diskutiert. Bayern hat schon 2016 die Regelanfrage für den Justizdienst wieder eingeführt, in Hamburg ist die Regelanfrage für den Polizeidienst seit 2020 möglich, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben Expertisen zur Zulässigkeit der Wiedereinführung erstellen lassen.

Wir möchten in einer Veranstaltung die Wiedereinführung der Regelanfragen beim Verfassungsschutz politisch und rechtlich diskutieren. Dazu wird Alexandra Jaeger eine politisch-historische Einordnung der Regelanfragen vornehmen. Sebastian Baunack wird die rechtliche Zulässigkeit der Wiedereinführung der Regelanfrage darstellen und Grenzen aufzeigen. Gabriele Heinecke wird die Diskussion leiten und über ihre Erfahrungen mit Hamburger ›Berufsverbotsverfahren‹ der 1970er Jahre berichten.

Wir freuen uns über eine rege Teilnahme an der Online-Veranstaltung am
11. November 2021 von 17.00 bis 18.30 Uhr
und bitten um
Anmeldung bis zum 4. November 2021 an kontakt@rav.de.   
Die angemeldeten Teilnehmer*innen erhalten den Zugangslink sodann zugesandt.

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Dr. Alexandra Jaeger ist Historikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Sie hat ihre Dissertation über die Umsetzung des Radikalenbeschlusses in Hamburg verfasst und bearbeitet ein Projekt zur historischen Aufarbeitung des Radikalenbeschlusses in Hamburg auf Grundlage eines Beschlusses der Hamburgischen Bürgerschaft.

Gabriele Heinecke ist Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg und Mitglied im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e.V. (RAV).

Sebastian Baunack ist Fachanwalt für Verwaltungs- und Arbeitsrecht in Berlin. Er ist auf das öffentliche Dienstrecht und das Beamtendisziplinarrecht spezialisiert.

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Veranstaltungen
news-810 Wed, 22 Sep 2021 10:56:38 +0200 Lawyers for Future (L4F) am 24.9.21: Climate Justice Now! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mit-lawyers-for-future-l4f-am-24921-zum-bundesweiten-protesten-810 Aufruf zur Teilnahme an bundesweiten Protestaktionen Zum globalen Klimastreik am 24.9.2021 rufen neben dem breiten zivilgesellschaftlichen Bündis um Fridays For Future auch die Lawyers for Future (L4F) dazu auf, sich an den bundesweiten Protestaktionen zu beteiligen. L4F stehen hinter den Forderungen von Fridays for Future.

Treffpunkte der Juristinnen und Juristen:

Der RAV wird sicherlich erkennbar in Berlin dabei sein und ruft die Mitglieder dazu auf, sich auch an anderen Orten zu beteiligen. Es sind mittlerweile ca. 445 Demonstrationen in Deutschland angemeldet - alle Infos dazu finden sich auf der Seite des Globalen Klimastreiks.

#AlleFürsKlima, mit Abstand und Maske!

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news-809 Wed, 15 Sep 2021 11:40:00 +0200 Keine Ausweitung der Befugnisse für das kommerzielle Sicherheitsgewerbe! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ausweitung-der-befugnisse-fuer-das-kommerzielle-sicherheitsgewerbe-809 Pressemitteilung 8/21 vom 15.9.2021. Forderung von Flüchtlingsgruppen, Streetwork-, Bürgerrechts- und Anwält*innenorganisationen Der Koalitionsvertrag der jetzigen Großen Koalition sah eine »Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe in einem eigenständigen Gesetz« vor. Im Juli 2020 wechselte dafür die Zuständigkeit vom Bundeswirtschafts- in das Bundesinnenministerium. Laut Bundesregierung stoppte die SARS-CoV-2-Pandemie die Planungen.

Wir befürchten eine Neuauflage dieses Vorhabens, zumal ein Papier des Bundesverbands der Deutschen Sicherheitswirtschaft vom Frühjahr 2021 auch von einer neuen Regierung hoheitliche Rechte für sich und Beschränkungen des Streikrechts fordert.(1)

Bündnis verschickt ›Wahlprüfsteine‹ an Bundestagsmitglieder und -kandidat*innen

Das Bündnis aus rund 30 bundes- und landesweit sowie international tätigen Organisationen möchte in vier Fragekomplexen Antworten von den Abgeordneten und Kandidat*innen zu den Forderungen des profitorientierten Sicherheitsgewerbes.

»Für den Bereich der Geflüchteten-Unterbringung befürchten wir eine weitere Verschärfung der Situation«, so Walter Schlecht von ›Aktion Bleiberecht‹, Freiburg/Brsg. »Dort setzten Sicherheitsdienste grundrechtsverletzende ›Hausordnungen‹ mit fraglichen Befugnissen durch. Asylsuchende sind in diesen rechtsfreien Räumen dem Handeln der Wachdienste weitestgehend ausgeliefert«. Katharina Grote vom ›Bayrischen Flüchtlingsrat‹ ergänzt: »Der massive Einsatz von Sicherheitsdienstleistern ist allein der Unterbringungsform geschuldet. Würden geflüchtete Menschen in Wohnungen untergebracht, wäre der Einsatz von Securities hinfällig. Die politische Entscheidung, Menschen in Massenlagern zu kasernieren, ist gleichzeitig ohne den Einsatz von Sicherheitsdiensten nicht umsetzbar und führt zu den gegenwärtigen unhaltbaren Zuständen mit täglichen Grundrechtsverletzungen«.

Doch nicht nur in Lagern sind die rund 260.000 Wach- und Sicherheitsbeschäftigten tätig. »Besonders bedenklich ist, dass das kommerzielle Sicherheitsgewerbe hoheitliche Rechte fordert, also Rechte, die nach dem Grundgesetz regelhaft nur Staatsbediensteten zustehen«, so Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV. »Öffentliche Sicherheit ist eine öffentliche Aufgabe und kein Selbstbedienungsladen für profitorientierte Unternehmen. Dann auch noch das Streikrecht einschränken zu wollen, das ist schon ein einmaliger Vorgang«.

Auffällig ist, dass insbesondere vulnerable Gruppen wie Jugendliche, Wohnungslose, Bettelnde – und immer wieder Migrant*innen – Opfer dieser Dienste werden. »Das gilt in den Lagern und auf der Straße«, so Andreas Abel von der Straßensozialarbeit-Organisation ›Gangway‹. »Wir sehen und hören leider immer wieder von Übergriffen kommerzieller Sicherheitsdienste gegen die von uns betreuten Menschen. Wenn ausgerechnet die nun auch noch das Recht zur Personalien-Kontrolle und zur Erteilung von Platzverweisen bekommen sollen – und das bei deren niedrigen Qualifikationsniveaus –, dann vernachlässigt der Staat seine Fürsorgepflicht endgültig«.

Rechtsanwältin Angela Furmaniak, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV und aktiv im bundesweiten Anwält*innen-Netzwerk ›AG Fananwälte‹, weist zudem darauf hin, dass »an jedem Wochenende für rund eine Million Fußballfans Bürger- und Menschenrechte buchstäblich auf dem Spiel stehen. Dass die Kontrollaufgaben in Stadien zum Teil Neonazis und ungeschultem Personal, die zudem die Großen der Sicherheitsbranche an Subunternehmen weiterreichen, übertragen werden, kann – vorsichtig formuliert – nur sehr besorgt machen. Hier nehmen weder Stadionbetreiber, noch Vereine, noch das Sicherheitsgewerbe selbst und auch nicht der Staat ihre Verantwortlichkeiten hinreichend wahr«.

Die Fragen im Wortlaut, das Hintergrundpapier und bereits hier unten alle zeichnenden Organisationen finden sich  hier.

Kontakt: wahlpruefsteine_2021@rav.de
Tel.: 030.41 72 35 55
Hashtag: #noSDLG_E

AG Fan-Anwälte | Aktion Bleiberecht Freiburg/Brsg. | Berliner Obdachlosenhilfe e.V. | Bündnis für Straßenkinder in Deutschland e.V. | Bürgerrechte & Polizei/CILIP | Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte | Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit | Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen NRW | DFG-VK Essen | Die Landesflüchtlingsräte (aus allen Bundesländern) | Gangway – Straßensozialarbeit in Berlin e.V. | Handicap International e.V. | Hannover Solidarisch | Humanistische Union e.V. | Komitee für Grundrechte und Demokratie | Lager-Watch Netzwerk | Lager-Watch Thüringen | No Lager Osnabrück | Pro Asyl e.V. | Solinet Hannover | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | Wohnungslosen-Stiftung
[Stand: 14.09.2021]

(1)Vgl. https://www.bdsw.de/images/broschueren/Deutschland_sicherer_machen_-_Eckpunktepapier_BDSW_-_2021.pdf

Die Pressemitteilung als PDF

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Pressemitteilung Sicherheitsgewerbe
news-808 Tue, 14 Sep 2021 12:50:55 +0200 Proteste gegen die IAA. Anwaltlicher Notdienst kritisiert repressives Vorgehen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/proteste-gegen-die-iaa-anwaltlicher-notdienst-kritisiert-repressives-vorgehen-808 Pressemitteilungen des AND in München vom 10. und 12.9.2021 Hier dokumentieren wir zwei Pressemitteilungen des Anwaltlichen Notdienstes (AND), der während der IAA vom 7. bis 12.9.2021 in München im Einsatz war und zu deren Gruppe viele Mitglieder vom RAV kamen. Allen sei gedankt!

PM vom 10.9.21 als PDF

Pressemitteilung des Anwaltlichen Notdienstes zur IAA vom 10.09.2021

Auftakt der Proteste gegen die IAA unter Polizeischikanen - anwaltlicher Notdienst kritisiert repressives Vorgehen

Anlässlich der Protestaktionen der Klimabewegung gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA) in München organisieren Rechtsanwält*innen, unterstützt vom Republikanischen Anwaltsverein RAV e.V., einen anwaltlichen Notdienst (AND).

Die Kolleg*innen vom AND sind bei Demonstrationen oder anderen Protestaktionen unmittelbar vor Ort, um Versammlungsteilnehmer*innen bei der Verwirklichung und Durchsetzung ihrer Grundrechte zu unterstützen und notwendigenfalls bei freiheitsentziehenden Maßnahmen zu vertreten.

Nach dem Auftakt der Proteste ziehen die Jurist*innen eine Zwischenbilanz und attestieren der Polizei Versammlungsfeindlichkeit und ein repressives Vorgehen:
Dazu zählen bspw. Personenkontrollen, Durchsuchungen und massenhafte Gewahrsamnahmen wegen Kleinigkeiten. Eine satirische Stadtführung etwa zu den Messeständen in der Innenstadt endete am Mittwochabend direkt in einem Polizeikessel. Sämtliche Personen wurden einer Personalienfeststellung unterzogen.
Der Notdienst beobachtet insbesondere, dass die Polizei versucht, bereits bei geringsten Anlässen Aktivistinnen und Aktivisten während des weiteren Verlaufs der Messe mittels des sog. Unterbindungsgewahrsams nach dem Polizeiaufgabengesetz (PAG) wegzusperren. Z.B. wurden seitens der Polizei Anträge auf Ingewahrsamnahme wegen mitgeführter Sprühkreide oder Klettergurten gestellt.

Nach den Autobahnblockaden am Dienstag wurden neun Personen für fünf Tage bis zum Ende der Messe in sog. Unterbindungsgewahrsam genommen. Dieser Gewahrsam wird in den regulären Justizvollzugsanstalten vollzogen. Unter den Corona-Schutzbestimmungen bedeutet dies Quarantäne für die Betroffenen - und somit faktisch Isolationshaft bis Sonntag.
Das Amtsgericht München wies hingegen in neun weiteren Fällen die polizeilichen Gewahrsamsanträge ab - teils weil die Polizei das Versammlungsrecht missachtete, teils weil schlicht keine ausreichende Gefahrenprognose vorlag.
"So wird mit dem Unterbindungsgewahrsam versucht, unliebsamen Protest und Gegenmeinung unmöglich zu machen", so RAin Antonella Giamattei. "Die Befürchtungen aus den großen Protesten gegen das PAG scheinen sich als wahr zu erweisen."

Das Mobilitätswendecamp, das die Aktivist*innen auf der Theresienwiese nach wochenlangen Verhandlungen mit der Stadt durchsetzen konnten, wird seit seinem Aufbau von der Polizei in einen regelrechten Belangerungszustand versetzt. Rund um das Zeltlager patrouillieren Polizeibusse, immer wieder kommt es in unmittelbarer Nähe des Camps zu
Personenkontrollen und Durchsuchungen.

Wenn die für den Polizeieinsatz politisch Verantwortlichen weiterhin auf Einschüchterung und Kriminalisierung der Proteste setzen, werden sie ihrem grundgesetzlichen Auftrag, versammlungsfreundlich zu agieren, nicht gerecht und werden ein Bild von München zeichnen, das die Klimaproteste zu Gunsten einer Automesse repressiv beschränkt.

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PM des AND vom 12.9.21 als PDF

Pressemitteilung des Anwaltlichen Notdienstes zur IAA vom 12.09.2021

Bilanz des Anwaltlichen Notdienstes zur IAA
„Systematische Missachtung des Freiheitsgrundrechts durch die Polizei“


Unsere Bilanz: Geringste Vorkommnisse wurden von der Polizei vorgeschoben, um stundenlange Freiheitsentziehungen durchzuführen. So wurden drei Personen - ohne richterliche Entscheidung - von Donnerstag morgens bis abends in Polizeigewahrsam festgehalten und widerrechtlich ihrer Freiheit entzogen. Ihnen wurde lediglich vorgeworfen, mit Sprühkreide eine Glasscheibe besprüht zu haben. Missliebige Meinungskundgabe auf einem kritischen Transparent wurde am Freitag mit der Beschlagnahme des Transparents und stundenlanger Festnahme von 2 Personen beantwortet.

Bis Freitag Abend hatte die Polizei insgesamt 20 Anträge auf richterliche Anordnung des Gewahrsams nach PAG bis Messeende (Sonntag 18 Uhr) gestellt, davon zehn beim Amtsgericht Erding und zehn beim Amtsgericht München. Das Amtsgericht München lehnte sämtliche dieser Anträge auf Gewahrsamnahme ab. Lediglich bei einer weiteren Person wurde am Freitag Abend Gewahrsam bis Sonntag Abend angeordnet. Die anfänglichen zehn Anordnungen der Gewahrsamnahme des Amtsgerichts Erding wurden in der Beschwerdeinstanz vom Landgericht Landshut allesamt für rechtswidrig erklärt. Außerdem wurden vier Anträge auf Untersuchungshaft vom Amtsgericht München abgelehnt.

Des Weiteren: Die Polizei missachtete das Versammlungsgrundrecht. Dies begann mit der unzulässigen Kontrolle der Personalien von VersammlungsteilnehmerInnen auf dem Weg zum Camp, setzte sich fort mit Gewaltanwendung gegen eine zwar nicht angemeldete, aber dennoch versammlungsrechtlich geschützte Versammlung am Freitag vormittag. Eine angemeldete Versammlung wurde durch Einsatzkräfte durchgehend einschließend begleitet, so dass die Aussagen der Versammlung nach außen nicht mehr sichtbar waren. Zudem wurde die Versammlung permanent rechtswidrig gefilmt. Polizeibeamte haben sich undercover in die Demonstration eingeschlichen und dafür sogar Overalls der Protestbewegung an sich gebracht.

Aus nichtigen Anlässen kam es bei den angemeldeten Versammlungen am Freitag und Samstag zu Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätze ohne Rechtsgrundlage. Eine Versammlungsteilnehmerin, die versuchte, auf einen Baum zu klettern, wurde sogar aus 2 m Höhe zum Absturz gebracht. Die Polizeikräfte nahmen dabei schwerste Verletzungen in Kauf. Die vor Schmerzen schreiende Frau wurde verletzt weggeschleppt, obwohl sie ersichtlich behandlungsbedürftig war.
Unser Fazit:
Die Polizei versuchte, Protest zu verhindern und zu unterbinden und die Protestierenden einzuschüchtern. Während die Gerichte die meisten Freiheitsentziehungen für rechtswidrig erklärten, wurden diese von der CSU bejubelt. Deren Generalsekretär Blume feierte kraftmeierisch die Gewahrsamnahmen im Internet mit den Worten: „Brückenkletterer bleiben bis Messeende eingesperrt! So läuft´s in Bayern!<dazu angespannter Bizepsemoji>“.

Wir sagen dazu: Die CSU hat offenbar nichts dazugelernt. Während anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels 1992 noch der damalige Ministerpräsident Streibl die Prügelorgie der Polizei als „Hinlangen nach bayerischer Art“ feierte, wird nun das rechtswidrige Wegsperren von Protestierenden als bayerische Stärke gefeiert.

Das Recht auf Freiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte. Dies macht deutlich, wie wichtig es ist, der systematischen Missachtung der Freiheitsrechte durch die Polizei in Bayern etwas entgegen zu setzen und die Freiheitsrechte zu verteidigen. Hierzu haben wir einen Beitrag geleistet.

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Polizeigewalt Pressemitteilung Polizeigesetz
news-807 Fri, 10 Sep 2021 15:22:01 +0200 Gefährdete Afghaninnen und Afghanen weiter aufnehmen – Bundes- und Landesaufnahmeprogramme sind nötig! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gefaehrdete-afghaninnen-und-afghanen-weiter-aufnehmen-bundes-und-landesaufnahmeprogramme-sind-noetig-807 Gemeinsame Forderungen, 9.9.2021 Vor zwei Wochen, am 26. August 2021, ist die deutsche Evakuierungsaktion aus Afghanistan nach der Machtergreifung der Taliban eingestellt worden. Viele gefährdete Menschen sitzen aber mit ihren Familien immer noch in Afghanistan fest: Mitarbeitende lokaler Partnerorganisationen und deutscher Organisationen, Frauenrechtsverteidiger*innen und Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen, bei Subunternehmen beschäftigte Ortskräfte und Regierungsangestellte, die für einen demokratischen Staat und eine unabhängige Justiz eingetreten sind. Zudem sind Angehörige von in Deutschland lebenden Afghan*innen und Deutschen in Gefahr, sie werden zum Teil bereits von den Taliban gesucht. Für sie sieht die Bundesregierung aktuell keine Aufnahme vor. In den vergangenen Wochen erreichten Tausende verzweifelte Hilferufe die unterzeichnenden Organisationen. Diesen Menschen muss schnellstmöglich eine Aufnahme ermöglicht werden!

Das Ausfliegen gefährdeter Afghan*innen startete zu spät, um alle Gefährdeten zu retten. Darüber hinaus hat die Bundesregierung den Kreis für die Aufnahme in Frage kommender Menschen zu eng gefasst. Die Europäische Union, die Türkei und die Nachbarstaaten Afghanistans schließen ihre Grenzen.

Angesichts des jahrelangen NATO-Einsatzes und des politischen sowie bürokratischen Versagens in den vergangenen Monaten steht Deutschland, wie andere Länder auch, in der Verantwortung, Bedrohte aufzunehmen. Hinzu kommt, dass Tausende Gefährdete Angehörige haben, die bereits in Deutschland leben. Es gibt eine starke afghanische Gemeinschaft und eine aktive Zivilgesellschaft in Deutschland, die den neu Ankommenden bei Ankunft und gesellschaftlicher Teilhabe unterstützend zur Seite stehen werden. Es gilt jetzt, Menschenleben zu retten!

Wir fordern:

1. Ad hoc-Maßnahmen: Sichere Ausreise und weitere Aufnahmezusagen für besonders
gefährdete Afghan*innen


Sichere Ausreise: Außenminister Heiko Maas hat die Aufnahme von rund 40.000 Ortskräften sowie von bis zu 10.000 besonders schutzbedürftigen Menschen zugesagt. Nun muss die Bundesregierung bei Verhandlungen und in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft alles dafür tun, damit gefährdete Menschen auch nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan in Sicherheit gelangen können, zum Beispiel durch zivile Flüge aus Afghanistan oder einem Nachbarstaat.

Es müssen Vereinbarungen mit den Nachbarländern Afghanistans getroffen werden, die gefährdeten Personen eine Einreise in diese Länder und die Weiterreise nach Deutschland ermöglichen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die gefährdeten Menschen die Nachbarstaaten sicher erreichen können. Dazu gehört auch eine digitale Bestätigung der Bundesregierung über die Aufnahmezusage, die die Betroffenen bei Bedarf vorzeigen können.

Um die Aufnahme nach Deutschland schnell zu ermöglichen, sollten Charterflüge organisiert sowie Visa-on-Arrival erteilt werden. Mit Blick auf das schlechte Krisenmanagement der vergangenen Wochen müssen feste Ansprechpartner*innen in den Behörden eingerichtet werden, die Informationen zu Aufnahmezusagen und Ausreisen gegenüber betroffenen Einzelpersonen und
Organisationen transparent machen und für zivilgesellschaftliche Akteur*innen ansprechbar sind.

Aufnahmezusagen für besonders gefährdete Personen: Die Listen des Auswärtigen Amtes mit besonders gefährdeten Personen müssen weitergeführt werden. Eine Aufnahme nach § 22 Satz 2 AufenthG muss auch Menschen offen stehen, die es bisher nicht geschafft haben, sich beim Auswärtigen Amt registrieren zu lassen. Es ist inakzeptabel, dass mit dem 26. August eine willkürliche Frist gesetzt wurde – ihre Gefährdung muss zählen, ein Ausschlussdatum verhindert dies. Im Weiteren muss es Aufnahmezusagen als Ortskräfte auch für gefährdete Personen geben, die über Subunternehmer für deutsche Einrichtungen und Organisationen tätig waren, und alle gefährdeten Familienmitglieder – nicht nur Ehepartner*innen und minderjährige Kinder – müssen umfasst sein.


2. Weitere Aufnahme über ein Bundesaufnahmeprogramm

Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen: Für gefährdete Personen, die nicht die aktuellen engen Kriterien der Bundesregierung erfüllen, aber z.B. aufgrund ihrer Tätigkeiten nicht mehr sicher in Afghanistan leben können, braucht es ein Bundesaufnahmeprogramm nach § 23 Abs. 2 AufenthG. Damit darf nicht bis nach der Bundestagswahl gewartet werden. Die Bundesländer sollten diesen Prozess unterstützen.

Berücksichtigung beim Resettlement: Bislang werden afghanische Flüchtlinge, die zum Teil seit vielen Jahren unter prekären Bedingungen in den Nachbarländern Afghanistans leben, von Deutschland nicht für das UN-Resettlement-Programm berücksichtigt. In Anbetracht der Not in der Region müssen afghanische Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms von allen Aufnahmeländern berücksichtigt und die Aufnahmequoten stark erhöht werden.


3. Angehörige von in Deutschland lebenden Menschen schützen

Die Machtübernahme der Taliban gefährdet alle Menschen mit Verwandten, die im Westen leben.
Laut Berichten von Menschen vor Ort wird zum Teil schon gezielt nach entsprechenden Familienmitgliedern gesucht. Entsprechend sind viele Menschen in Deutschland in großer Angst um ihre Angehörigen.

Einen schnellen Familiennachzug: Alle deutschen Auslandsvertretungen müssen Visa für afghanische Staatsangehörige ausstellen (sogenannte Globalzuständigkeit). Visaverfahren zur Familienzusammenführung müssen nun priorisiert, zügig in Deutschland bearbeitet und unter
Ausschöpfung aller Ermessenspielräume umgehend entschieden werden. Zusätzlich müssen die Kapazitäten der Auslandsvertretungen in der Region massiv ausgebaut werden. Bürokratie muss abgebaut und die Anforderungen an Dokumente müssen heruntergefahren werden. Von Erteilungsvoraussetzungen wie Sprachnachweisen ist angesichts der aktuellen Situation abzusehen. Angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan muss der Begriff der außergewöhnlichen Härtegroßzügig ausgelegt werden, um den Familiennachzug anderer Angehöriger, wie etwa erwachsener lediger Kinder, zu ermöglichen.

Landesaufnahmeprogramme für Angehörige: Da viele Afghanin*innen trotz Angehöriger in Deutschland vom Familiennachzug ausgeschlossen sind, bedarf es – wie schon für Angehörige von syrischen Flüchtlingen – Landesaufnahmeprogramme nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Diese müssen auch den Nachzug von Angehörigen außerhalb der Kernfamilie ermöglichen. Fehler aus den bisherigen Programmen bezüglich unerfüllbarer Verpflichtungserklärungen dürfen sich nicht wiederholen.


4. Schutz und Perspektive für Afghan*innen in Deutschland

Zugleich ist es auch dringend notwendig, in Deutschland lebenden Afghan*innen eine sichere Perspektive zu bieten. Für viele bedeutet die Machtübernahme der Taliban, dass für sie eine Rückkehr nach Afghanistan auf absehbare Zeit ausgeschlossen ist. Dies muss sich auch in einer geänderten Anerkennungspraxis des BAMF niederschlagen. Zudem braucht es einen generellen Abschiebungsstopp und eine Bleiberechtsregelung.
 

Unterzeichnende Organisationen (8. September 2021)

Bundesebene
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
Amnesty International
AWO Bundesverband
Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V.
borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V.
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Caritasverband
Diakonie Deutschland
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
Jugendliche ohne Grenzen
JUMEN - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland e.V.
KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland LSVD
medica mondiale
medico international e.V.Neue Richtervereinigung (NRV)
Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte
PRO ASYL e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Seebrücke
SOLWODI Deutschland e.V.
terre des hommes Deutschland e.V.
YAAR e.V.

Landesebene
Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW
AWO Landesverband Thüringen e.V.
bee4change e.V. Hamburg
Caritasverband für das Erzbistum Hamburg e.V.
Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e. V.
Der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.
Diakonie Mitteldeutschland
Diakonisches Werk Schleswig-Holstein
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
fluchtpunkt Hamburg
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
Flüchtlingsrat Bayern
Flüchtlingsrat Berlin
Flüchtlingsrat Brandenburg
Flüchtlingsrat Bremen
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.Flüchtlingsrat NRW
Flüchtlingsrat RLP e.V.
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V.
Hessischer Flüchtlingsrat
Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz
Landesintegrationsrat NRW
mAqom - Kirche und Zuflucht e. V.
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.

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Migration & Asyl
news-806 Wed, 08 Sep 2021 10:04:50 +0200 Zur Abschiebung des afghanischen Geflüchteten Jamil Ahmadi* /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-abschiebung-des-afghanischen-gefluechteten-jamil-ahmadi-806 Offener Brief, 08.09.2021 Der afghanische Staatsbürger und Geflüchtete Jamil Ahmadi (*Pseudonym, realer Name ist der Innenverwaltung bekannt) kam im Jahr 2015 nach Deutschland. Im April 2017 wurde Herr Ahmadi am S-Bahnhof Karlshorst in Berlin Opfer einer mutmaßlich rassistisch motivierten Gewalttat. Dies hatte erhebliche Folgen für sein Leben. Der Übergriff warf Herrn Ahmadi, der zu der Zeit einen Freiwilligendienst in einem Kreuzberger Kinderladen absolvierte, völlig aus der Bahn – ihm nahe stehende Personen berichten, dass er seitdem sowohl psychisch als auch physisch gesundheitlich stark beeinträchtigt sei (https://www.tagesspiegel.de/berlin/verpruegelt-und-abgeschobender-berliner-polizist-der-asylbewerber-und-eine-verhaengnisvollebegegnung/26824172.html).

An dem Prozess gegen die drei Hauptverdächtigen, darunter ein Berliner Polizeibeamter, war Herr Ahmadi als Zeuge und Nebenkläger zunächst beteiligt. Der angeklagte Polizist, Stefan K., war bis 2016 Kontaktbeamter der sogenannten „Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus“, die die rechtsextremistische Anschlagsserie im Berliner Bezirk Neukölln aufklären sollte. Doch nach zwei Prozesstagen wurde Herr Ahmadi am 11. März 2020, mitten im laufenden Verfahren und mit Zustimmung des Berliner Innensenators Andreas Geisel, nach Afghanistan abgeschoben. Die Fortführung des pandemiebedingt unterbrochenen Prozesses steht noch aus.

Wir halten die Abschiebung eines Opfers von Hasskriminalität prinzipiell für schändlich, erst recht, wenn der mutmaßliche Täter ein Polizist ist und das Verfahren noch läuft. Der Schutz des Opfers und die Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts in Deutschland sollten absolut im Vordergrund stehen. Für viele Betroffene ist die Aufarbeitung des ihnen zugefügten Schadens im Rahmen eines Strafverfahrens Teil der Bewältigung des erlittenen Unrechts. Appelle an Herrn Geisel, Herr Ahmadi zurückzuholen, blieben leider bisher ohne Erfolg. Dabei hat der rot-rot-grüne Senat 2017 eine Bleiberechtsregelung geschaffen, wonach Opfer mutmaßlich rechtsextremer Gewaltstraftaten nicht abgeschoben werden sollen.

Herr Ahmadi klagt noch heute über Kopfschmerzen und andere körperliche Beschwerden infolge der Gewaltattacke, dazu kommen schwerwiegende psychische Folgen. Nach dem Übergriff hat er sich permanent verfolgt und bedroht und in der ihm zugewiesenen Unterkunft für wohnungslose Menschen nicht mehr sicher gefühlt. Er hatte massive Angst, von Polizisten getötet zu werden, weil er gegen den an der Tat beteiligten Polizeibeamten ausgesagt hat. Herr Ahmadi wurde obdachlos und fiel durch aggressives Verhalten auf. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingestellt, weil er laut psychologischen Sachverständigen nicht schuldfähig ist. Anstatt einer Abschiebung hätte er dringend eine psychotherapeutische Behandlung gebraucht.

Jamil Ahmadi geht es in Afghanistan aktuell sehr schlecht. Nach Angaben von Personen, die mit ihm in Kontakt stehen, leidet er unter den schweren psychischen und körperlichen Folgen des Angriffs, die nie behandelt wurden, hat chronische Schmerzen und ist dabei zu erblinden. Das Blossom Health Care Center in Afghanistan hat ihm im Januar 2021 eine schwere depressive Erkrankung bescheinigt, die dringend einer medizinischen Behandlung bedürfe, die in Afghanistan jedoch nicht möglich sei. Aufgrund seiner Erkrankung ist er ohne Aussicht auf eine Beschäftigung, die ihm ein menschenwürdiges Existenzminimum ermöglichen würde. Herr Ahmadi wünscht sich eine gesundheitliche Versorgung und psychotherapeutische Behandlung in Deutschland.

Seit der Machtübernahme der Taliban ist das Leben von Herrn Ahmadi in Afghanistan in großer Gefahr. Enge Familienangehörige von ihm, mit denen er zusammenlebt, haben für die afghanische Regierung bzw. für die britische Botschaft gearbeitet. Herr Ahmadi hatte selbst Kontakt zu internationalen Organisationen wie „Afghanistan Migrants Advice and Support Organization“ (AMASO), die mit der deutschen Organisation medico international zusammenarbeiten. Zudem ist Herr Ahmadi vor Ort als Rückkehrer bekannt, da über seinen Fall auch in Afghanistan berichtet wurde. Rückkehrern wird aber von ihren Landsleuten häufig „Verrat“, „Verwestlichung“, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen. Dadurch drohe ihnen weitere Gefahren für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung.

Herr Ahmadi war vor der Gewalttat ein geschätzter Kollege in einem Kinderladen in Berlin-Kreuzberg, in dem er im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes arbeitete und wo er einen großen Freundes- und Bekanntenkreis gewann. Bei einer entsprechenden Behandlung und mit einem sicheren Aufenthaltsstatus bestünden für Herrn Ahmadi gute Chancen, sich zu integrieren.
Wir fordern den Berliner Innensenator Andreas Geisel deshalb auf,

• die Rückholung von Herrn Ahmadi zu veranlassen,
• ihm einen sicheren Aufenthaltsstatus zu erteilen
• und die persönliche Anwesenheit des Betroffenen an dem Prozess gegen die Hauptverdächtigen des rassistischen Angriffs zu ermöglichen.
 

Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE
Benedikt Lux, MdA Bündnis 90/Die Grünen
Niklas Schrader, MdA DIE LINKE
Timo Schramm, Kandidat für das Abgeordnetenhaus, SPD
Katina Schubert, MdA DIE LINKE
Hakan Taş, MdA DIE LINKE
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Offener Brief als PDF

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-804 Tue, 07 Sep 2021 13:06:01 +0200 AnkER-Zentren: Kein Ort für Kinder – kein Ort für Niemanden! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anker-zentren-kein-ort-fuer-kinder-kein-ort-fuer-niemanden-804 Aufruf von terre des hommes, Pro Asyl, Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen Aufnahmeeinrichtungen und AnkER-Zentren sind kein Ort für Kinder und kein Ort für Erwachsene. Die neue Bundesregierung muss den Aufenthalt für geflüchtete Kinder, Familien und Erwachsene auf maximal vier Wochen begrenzen. AnkER- und funktionsgleiche Einrichtungen sind Orte der Perspektivlosigkeit und der Angst – sie gehören abgeschafft. Statt Isolation und Entrechtung brauchen wir faire Asylverfahren und gleiche Rechte für alle Kinder, die in Deutschland leben.

Rechte von Kindern werden verletzt

Während ihres Asylverfahrens müssen Asylsuchende mittlerweile regelmäßig bis zu 18 Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen, wie AnkER-Zentren und ähnlichen Einrichtungen, bleiben. Familien müssen bis zu sechs Monate dort leben. In diesen großen und oft abgelegenen Einrichtungen sind sie vom Rest der Gesellschaft isoliert und unterliegen Restriktionen wie Arbeitsverboten und Residenzpflicht. Kinder können meist weder die Regelschule noch reguläre Kitas besuchen und haben innerhalb der Einrichtungen kaum Platz zum Spielen und Lernen. Gleichzeitig erleben sie strukturelle Gewalt in ihrem direkten Wohnumfeld und müssen Abschiebungen und Polizeieinsätze miterleben. Was gegessen wird, bestimmt der Speiseplan in der Kantine. Selbstbestimmung? Fehlanzeige.

Unterstützung von außen wird verhindert

Weil die Einrichtungen oft abgelegen sind und der Zugang restriktiv gehandhabt wird, ist es für unabhängige Organisationen nahezu unmöglich, die Asylsuchenden zu unterstützen. Damit wird die Art der Unterbringung auch entscheidend für die Fairness des Asylverfahrens insgesamt. Teil des AnkER-Konzeptes ist eine verkürzte Zeit zwischen Ankunft und der Anhörung im Asylverfahren. Damit Menschen über erlittene Verfolgung, Gewalt und Demütigungen sprechen können, braucht es jedoch Zeit, Vertrauensaufbau und unabhängige Beratung vor der Anhörung. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, werden entscheidende Erlebnisse, z.B. sexualisierte Gewalt oder spezielle Fluchtgründe von Kindern, aus Scham oder Unkenntnis verschwiegen und Asylanträge werden trotz Gefahren im Herkunftsland abgelehnt.

Der Versuch der Bundesregierung, Ankunft und schnelle Abschiebungen räumlich in den AnkER-Zentren miteinander zu verbinden, steht in Widerspruch zu den tatsächlichen Schutzansprüchen der Asylsuchenden. Über der Hälfte der Antragsteller*innen wurde im Asylverfahren ein Schutzstatus zugesprochen. Auch viele zunächst abgelehnte Schutzsuchende bleiben langfristig in Deutschland, da Gerichte falsche Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge korrigieren oder humanitäre und familiäre Gründe gegen eine Abschiebung vorliegen.

Wir fordern:

Die Kampagne kann unterstützt werden. Alle Informationen finden sich unter https://keinortfuerkinder.de/

Unterstützende Organisationen

Bundesweite Organisationen und Initiativen: AG Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein | borderline-europe Menschenrechte ohne Grenzen e.V. | Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge | Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer | Deutsches Kinderhilfswerk | Grips-Theater | Jugendliche ohne Grenzen | Jumen | KICKFAIR e.V. | KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. | Lesben- und Schwulenverband LSVD | Neue Richtervereinigung (NRV) | Pro Asyl | Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein | Seebrücke – Schafft Sichere Häfen | SOLWODI Deutschland e.V. | terre des hommes | Women in Exil

Lokale und landesweite Organisationen und Initiativen: AK Asyl Friedrichsdorf e.V. | AK ASYL TRIBSEES | AG Migration und Vielfalt der SPD Brandenburg | Aktiv für Flüchtlinge RLP | Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW | Arbeitskreis Asyl Mettingen | Asylbegleitung-Mittelhessen e.V. | Bayrischer Flüchtlingsrat | Bürgerbündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ | Caritas Nürnberger Land | Christlicher Verein Zur Förderung Sozialer Initiativen In Kiel | Cölber Arbeitskreis Flüchtlinge | Der Paritätische Hessen | Der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein | Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf | Diakonisches Werk Trier und Simmern-Trarbach | djo-Deutsche Jugend in Europa LV NRW e.V. | Ev. Schüler*- und Schülerinnen*arbeit im Rheinland e.V. (ESR) | Ev.-luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg | exchange Salzwedel | Flüchtlingsbeauftragte des Ev.Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg | Flüchtlingshilfe Lippe e.V.| Flüchtlingshilfe Mittelhessen e.V. | Flüchtlingshilfs-Vereins EFIE e.V. Erlangen | Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Flüchtlingsrat Brandenburg | Flüchtlingsrat Bremen | Flüchtlingsrat Düsseldorf e.V. | Flüchtlingsrat Hamburg | Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. | Flüchtlingsrat NRW e.V. | Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz e.V. | Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. | Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. | Flüchtlingsrat Thüringen e.V. | Forum Asyl mit St. Christophorus | FreiZeit für junge Geflüchtete | Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. | Gesellschaftspolitische Projekte e.V. | Hessischer Flüchtlingsrat | Humanistische Union – Beratung für Frauen, Familien u. Jugendliche e.V. | IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle e.V.  | Initiative „200 nach Marburg“ | Interkulturelles Begegnungszentrum Kerner, Marburg | Janusz Korczak Humanitäre Flüchtlingshilfe e.V. | kinder- und kulturkreis oberhausen e.v. | Kindercafé Kiel e.V. | KommMit e.V/BBZ- Beratung und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant*innen | Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB) | KooperationsAnstiftung e. V. | Landesjugendring NRW | lifeline Vormundschaftsverein im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. | Lübecker Flüchtlingsforum e.V. | Medibüro Kiel | MediNetz Bielefeld | Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V.  | Münchner Flüchtlingsrat | NesTTrier | Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V. | NRD Orbishöhe GmbH | pax christi Rhein-Main/Regionalverband Limburg-Mainz | Potsdam-Konvoi | ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e.V. | Refugee Law Clinic Cologne | Saarländischer Flüchtlingsrat e.V. | Sächsische Flüchtlingsrat e.V.  | Schutzhütte / Tafel Schwedt | Seebrücke Mainz | Seebrücke Marburg | Seebrücke Potsdam | Solidarity without Borders Oldenburg | SOS Rassismus Barnim | Sprungbrett Zulunft Berlin e.V. | UMFdenken – jetzt | we integrate e.V. | WillkommensKulturHaus der Gemeinde Ottensen | Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen (ZBBS) e.V.

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Flüchtlingsheim Migration & Asyl
news-805 Sun, 05 Sep 2021 15:52:00 +0200 Isolation beenden – das Ankommen fördern – faire Asylverfahren sicherstellen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/isolation-beenden-das-ankommen-foerdern-faire-asylverfahren-sicherstellen-805 Kungebung: 5.9.21 vor dem Ankunftszentrum Hamburg-Rahlstedt und jeden weiteren 1. Sonntag im Monat 65 Verbände und Organisationen, u.a. der Flüchtlingsrat Hamburg, Diakonie Deutschland, Deutscher Caritasverband, Paritätischer Gesamtverband, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern gemeinsam die Schließung von AnkER-Zentren und Einrichtungen mit ähnlicher Konzeption für die Aufnahme von in Deutschland ankommenden Geflüchteten. Deren Schließung ist sofort geboten, weil der Aufenthalt dort die Menschen zermürbt und entrechtet werden. Das erklärte Ziel, die Aylverfahren zu verkürzen, wird nicht erreicht. Asylverfahren in diesen Einrichtungen dauern genau so lange wie in allen anderen Erstaufnahmeeinrichtungen, denn große Lager beschleunigen keine Asylverfahren. Das können nur hinreichend viele und gut qualifizierte Mitarbeiter*innen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Im Ankunftszentrum Rahlstedt werden Familien mit Kindern und Alleinstehende z.Zt. bis zu sechs Monate festgesetzt, Alleinstehende in Einrichtungen einiger anderer Bundesländer sogar bis zu zwei Jahre. Dort müssen sich, wie auch in einigen anderen Bundesländern, bis zu über 1000 Geflüchtete auf engstem Raum Mehrbettzimmer, sanitäre Anlagen und Gemeinschaftsräume teilen. Das Hamburger Ankunftszentrum ZEA 2 im Bargkoppelstieg kann mit bis zu 1140 Personen belegt werden! Die Menschen dort haben keine Privatsphäre und sind einer ständigen Kontrolle und Überwachung durch Sicherheitsdienste und Polizei ausgesetzt. Kinder werden meist nur rudimentär direkt in den Lagern beschult, statt die umliegenden Regelschulen zu besuchen. Eine adäquate Kinderbetreuung für die jüngeren Kinder gibt es nicht. Kantinenessen, striktes Sachleistungsprinzip und Residenzpflicht schränken die Selbstbestimmung und die Bewegungsfreiheit der Menschen massiv ein.
Zudem finden regelmäßig nächtliche Abschiebungen mit einem Großaufgebot der Polizei statt. Geflüchtete, die zum größten Teil eine lange und schwere Flucht hinter sich haben, leben in ständiger Angst und werden der Gefahr einer Retraumatisierung ausgesetzt. Das betrifft in besonderem Maße vulnerable Geflüchtete, die trotz der in der EU-Aufnahmerichtlinie vorgeschriebenen Verpflichtung gar nicht erst identifiziert werden, geschweige denn eine adäquate Versorgung erhalten. Ehrenamtliche Unterstützer- und Berater*innen, Freund*innen und Angehörige haben nur sehr erschwert oder gar keinen Zugang. Geflüchtete werden, wie im Ankunftszentrum Rahlstedt, oftmals ohne hinreichende unabhängige Rechtsberatung innerhalb kurzer Zeit durch die ersten Schritte des Asylverfahrens bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag gepeitscht. Faire Asylverfahren sind unter solchen Umständen nicht möglich! Alle Probleme, die große Lager wie die AnkER-Zentren und Einrichtungen mit ähnlicher Konzeption mit sich bringen, werden zudem durch die Corona-Pandemie wie unter einem Brennglas noch weiter verschärft.

Wir akzeptieren keine Politik, die Geflüchteten weniger Rechte zugesteht!
Wir gehen nach Rahlstedt, um ihnen unsere Solidarität zu zeigen und die Isolation zu durchbrechen.

Kommt alle und bitte tragt bei der Kundgebung Masken und beachtet die geltenden Abstandsregeln
Flüchtlingsrat Hamburg e.V. , Nernstweg 32-34 22765 Hamburg, 3. Stock, Tel: 040 – 431 587
Homepage: www.fluechtlingsrat-hamburg.de, E-Mail: info@fluechtlingsrat-hamburg.de

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news-803 Fri, 27 Aug 2021 11:31:32 +0200 Sofortige Visaverfahren afghanischer Staatsangehöriger in dt. Auslandsvertretungen<br />Visa umgehend erteilen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sofortige-visaverfahren-afghanischer-staatsangehoeriger-in-dt-auslandsvertretungenvisa-umgehend-erteilen-803 Gemeinsame Pressemitteilung von DAV, RAV und VDJ, 27.8.2021 Angesichts der Beendigung der Evakuierung fordern Anwält*innen und Jurist*innenvereinigungen:

Alle deutschen Auslandsvertretungen müssen ab sofort für Visaverfahren afghanischer Staatsangehöriger zuständig sein und Visa umgehend erteilen. Die Kapazitäten in den Auslandsvertretungen sind sofort ausreichend aufzustocken.

Über 3.000 afghanische Staatsangehörige warteten im Mai 2021 auf einen Termin zur Vorsprache in den deutschen Visastellen in Neu-Delhi und Islamabad. Wie viele Angehörige sich über diese hinaus im überaus langwierigen Verfahren auf Erteilung eines Visums befanden, wird nicht erfasst (die Zahlen ergeben sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion). https://dserver.bundestag.de/btd/19/307/1930793.pdf).

DAV, RAV und VDJ fordern, dass diese, für Friedenszeiten vorgesehene und mit langen Wartezeiten verbundene Praxis sofort geändert wird, und nehmen hierzu Bezug auf den Forderungskatalog hinsichtlich der Situation in Afghanistan von DAV, RAV, Pro Asyl und anderen:
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsbruch-beenden-erfuellung-der-menschenrechtlichen-verpflichtung-gegenueber-lokal-beschaeftigten-familienangehoerigen-und-schutzsuchenden-aus-afghanistan-aufnahme-jetzt-799

Ergänzend verweisen wir auf die Forderung von Amnesty International, die Visapflicht für Afghan*innen auszusetzen:
https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/afghanistan-gefaehrdete-schutzsuchende-sofort-evakuieren

Das Ende der Evakuierungen darf nicht das Ende aller Hoffnungen für Schutzsuchende und ihre Familien sein, in naher Zukunft in Sicherheit und wieder zusammenleben zu können!

PM als PDF

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-802 Fri, 27 Aug 2021 08:31:00 +0200 Dialoge säen - Erinnerung aufkeimen lassen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kolumbien-802 Vortrag und Gesprächsrunde über die aktuelle Menschenrechtslage in Kolumbien | 27.8.21 | 17:30h | Berlin Die Kolumbienkampagne Berlin, das Kollektiv Desbordando, der FDCL, El Bloque Latinoamericano, Kolko und der RAV laden zu einem Gespräch mit Luz Marina Hache Contreras ein. Luz Marina Hache ist eine der Gründerinnen der "Movimiento de Victimas de Crímenes de Estado/ der Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen" (MOVICE) in Kolumbien. Sie ist Sprecherin von MOVICE für Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen.

Luz Marina wird in der Veranstaltung über die Erinnerungsarbeit von MOVICE sowie über die aktuelle Menschenrechtssituation in Kolumbien sprechen. Zusätzlich werden wir einige kurze Videos aus/zu Kolumbien zeigen und es wird ein kleines Kulturprogramm sowie solidarische Arepas (Maisfladen) geben.

Veranstaltung und Diskussion auf Spanisch mit Übersetzung ins Deutsche.  

Freitag 27.8.2021 | 17:30 – 21:00
Ort: Prinzessinnen-Garten am Moritzplatz

Prinzenstraße 35 – 38 / Prinzessinnenstr. 15
10969 Berlin
U8 Moritzplatz (leider nicht barrierefrei)

***

Sembrando diálogos, germinando memoria. Conversatorio con Luz Marina Hache, Vocera del MOVICE

La Kolumbienkampagne Berlin, el colectivo Desbordando, el FDCL, el Bloque Latinoamericano Berlin, Kolko y la RAV invitan a un conversatorio con Luz Marina Hache Contreras, una de las fundadoras de la „Organización víctimas de crímenes de Estado“ (MOVICE) en Colombia y vocera del MOVICE para casos de desaparición forzada. Estaremos conversando sobre el trabajo de memoria del MOVICE y la actual situación de los derechos humanos en Colombia.
Habrá videos, arepas solidarias y música del grupo Wayra Puka Berlin!!!

Hay traducción simultánea al Alemán

Para mayor información pueden escribir un mensaje a nuestro Facebook o al siguiente correo: kolumbienkampagne@emdash.org

Prinzessinnen-Garten am Moritzplatz
Prinzenstraße 35 – 38 / Prinzessinnenstr. 15
10969 Berlin
U8 Moritzplatz

27.08.2021, Hora:17:30 – 21:00

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news-801 Thu, 26 Aug 2021 13:12:02 +0200 #unteilbar - Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft /publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbar-fuer-eine-solidarische-und-gerechte-gesellschaft-801 Aufruf zur Teilnahme bei Großdemonstration von #unteilbar | Berlin 4.9. | RAV-Abschnitt Am 04.09.2021 ist es wieder so weit: Wir zeigen gemeinsam mit 328 anderen Organisationen, Gewerkschaften, Initiativen, Bündnissen und so weiter, dass wir eine andere, eine solidarische und gerechte Gesellschaft wollen: www.unteilbar.org

Wir treten ein dafür, dass Menschenrechte und Demokratie #unteilbar sind, und haben deshalb beschlossen, einen Block/Abschnitt zu eben diesem, ureigenen Thema des RAV zu organisieren, der auf der Demo mit diversen Redebeiträgen präsent sein wird.

Wir würden uns sehr freuen, möglichst viele von Euch dort zu sehen. Unser Block trifft sich um 13:00 Uhr in Berlin-Mitte, Ebertstr. / Behrenstr. (s. Graphik) – Ihr erkennt uns an einem blau-gelben Lautsprecherwagen und an den großen RAV-Transparenten.
Die Berliner*innen sind gebeten, auf ÖPNV-Anreise zu verzichten und besser zB per Fahrrad anzureisen. Wir möchten Menschenansammlungen in U- und S-Bahnen möglichst vermeiden.

Wir sind auch noch auf der Suche nach Ordner*innen, die uns helfen können, dass die Demo auch unter Pandemiebedingungen gut und sicher für alle wird. Falls Ihr Zeit und Lust habt, meldet Euch bitte bei uns!
Auch das Gesamtbündnis sucht dringend noch Helfer*innen - dafür gibt ein gutes Formular, in das sich eingetragen werden kann - hier. Am Montag und Freitag gibt es von #unteilbar digitale kurze Einführungsveranstaltungen dazu.

Zuletzt: die Demo zu organisieren kostet auch viel Geld, daher sind auch kleine Spenden gerne gesehen!

Wir freuen uns, Euch alle bei 21 Grad und Sonne mal wieder auf der Straße zu sehen!

Aufruf als PDF

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Empfehlung (Mitteilung) #unteilbar
news-800 Mon, 23 Aug 2021 16:47:21 +0200 Versammlungsgesetz NRW stoppen. Grundrechte erhalten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/versammlungsgesetz-nrw-stoppen-grundrechte-erhalten-800 Großdemonstration in Düsseldorf, 28.8.21 um 13h Insbesondere nach den Ereignissen auf der Demonstration am 26.06.21 ist der Protest gegen den Entwurf der Landesregierung für ein VersammlungsG in NRW noch einmal lautstark und deutlich auf die Straßen Düsseldorfs zu tragen.
Alle Informationen zu der Demo (Aufruf, Anreise, Hygienekonzept...) finden sich hier.

Hier noch ein Link zu einer zusammenfassenden Filmdokumentation des Landesbündnisses zu den Vorgängen am 26.6.21 in Dortmund : https://www.youtube.com/watch?v=f5NdpfI8s74
Warnung: es sind viele Bilder mit übler Gewaltanwendung zu sehen.

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Versammlungsrecht
news-799 Wed, 18 Aug 2021 09:24:42 +0200 Rechtsbruch beenden!<br />Erfüllung der menschenrechtlichen Verpflichtung gegenüber lokal Beschäftigten, Familienangehörigen und Schutzsuchenden aus Afghanistan.<br />Aufnahme jetzt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsbruch-beenden-erfuellung-der-menschenrechtlichen-verpflichtung-gegenueber-lokal-beschaeftigten-familienangehoerigen-und-schutzsuchenden-aus-afghanistan-aufnahme-jetzt-799 Gemeinsame Pressemitteilung von RAV, DAV, EDA, Pro Asyl, VDJ, Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände | 18.8.2021 Pro Asyl, Rechtsanwält*innen, Jurist*innenorganisation und nationale sowie europäische Anwält*innenorganisationen erklären und fordern:

Die zugespitzte Lage in Afghanistan wurde für den Fall des Abzugs der westlichen Streitkräfte von Expert*innen einhellig vorhergesehen.

Davon unbeeindruckt führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) in einer Stellungnahme in einem gerichtlichen Verfahren noch am 10.08.2021 aus: »Die Bedingungen, auf die Rückkehrer nach Kabul treffen, sind nicht derartig schlecht, dass sie in schrecklichen humanitären Zuständen existieren müssten.« In einem weiteren Schriftsatz vom 11.08. stellt das BAMF fest: »In Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist einerseits auszuführen, dass die meisten Städte und Provinzen derzeitig kampflos übergeben werden. Demnach ist doch sehr fraglich, ob die Intensität der Kampfhandlungen und damit die Gefahrendichte tatsächlich zugenommen hat.«

Das BAMF, welches unter Fachaufsicht des Bundesinnenministeriums steht, reagiert auf die Entwicklung der letzten Wochen - wenn überhaupt - mit dem bekannten Muster: Entscheidungsstopp. Das ist nicht nur zynisch, sondern rechtswidrig.

Für die Europäisch Demokratischen Anwält*innen (EDA) erklärt Rechtsanwältin Berenice Böhlo: »Diese Realitätsverleugnung knüpft an die hartnäckige Weigerung an, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Ebenso unverantwortlich sind die seit Jahren festzustellenden, für Betroffene unerträglichen Verzögerungen beim Familiennachzug durch das Auswärtige Amt.«

Wir wenden uns gegen Lageberichte und eine Behördenpraxis, die das Ausmaß des brutalen Bürgerkriegs und die daraus folgende humanitäre Katastrophe auch jetzt noch systematisch leugnet und die rechtlichen Verpflichtungen missachtet.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert vom RAV äußert sich hierzu wie folgt: »Diese strukturelle Missachtung zeigt sich auch darin, dass noch von Januar bis Mai 2021 76% der negativen Asylbescheide zu Afghanistan von den Verwaltungsgerichten aufgehoben wurden und diese Entscheidungen im weit überwiegenden Maße Bestand haben. BMI und BAMF müssen endlich in Einklang mit europäischem Recht anerkennen: Afghanistan ist für niemanden sicher.«

Konkret fordern wir:

PM als PDF

Für Pressegespräche sind erreichbar:
Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Tel. 030-24 72 40 90, boehlo@aufenthaltundsoziales.de
Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert,  lehnert@aufenthaltsrecht.net

Dieser Aufruf wurde gezeichnet von:

Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV-Vorstand
Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin, RAV, Stellvertr. Vorstandsvorsitzende
Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin
Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt
Günter Burkhardt, Geschäftsführer PRO ASYL
Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt, RAV, Vorstandsvorsitzender
Manfred Weidmann, Rechtsanwalt
Claudia Vogel, Rechtsanwältin
Henning J. Bahr, LL.M., Rechtsanwalt
Rasmus Kahlen, Rechtsanwalt
Wiebke Judith, Rechtpolitische Referentin, PRO ASYL
ARGE Verwaltungsrecht Regionalgruppe Niedersachsen/Bremen
Nils Spörkel, Rechtsanwalt
Susanne Schröder, Rechtsanwältin
Anna Magdalena Busl, Rechtsanwältin
Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt, RAV-Vorstand
Ronska Grimm, Rechtsanwält*in
Thorsten Höft, Rechtsanwalt
Svenja Robbert, Rechtsanwältin
Prof. Dr. jur. Christine Graebsch, Hochschullehrerin, Fachhochschule Dortmund
Prof. Dr. Jörg Arnold, Rechtsanwalt
Sirkka Schrader, Rechtsanwältin
Jürgen Westerath, Rechtsanwalt
Iñigo Schmitt-Reinholtz, Rechtsanwalt
Lea Voigt, Rechtsanwältin
Judith Hackmack, Rechtsanwältin
Joachim Schaller, Rechtsanwalt
Marinus J. Stehmeier, Rechtsanwalt und Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte
Britta Eder, Rechtsanwältin
Steffen Ahrens, Rechtsanwalt
Rita Belter, Rechtsanwältin
Stephanie Otrakci, Rechtsanwältin
Anke Thiesing-Rieck, Rechtsanwältin
Anette Schmidt, Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Roth & Roth, Nürnberg
Julius Egel, Rechtsanwalt
Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt
Nakibe Ademi, Rechtsanwältin
Gisela Seidler, Rechtsanwältin
Sarah Kreibich, Rechtsanwältin
Lena Koch, Rechtsanwältin
Petra Ladenburger, Rechtsanwältin
Paulo Dias, Rechtsanwalt
Magdalena Gajczyk, Rechtsanwältin
Christian Reischl, Rechtsanwalt
Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt
Karolin Klempin, Rechtsanwältin
Dagmar Schnürer, Rechtsanwältin
Barbara Wessel, Rechtsanwältin
Wiebke Wildvang, Rechtsanwältin
Sebastian Nickel, Rechtsanwalt
Dr. Johannes Groß, Rechtsanwalt
Ottomar August Wilhelm, Rechtsanwalt
Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwältin
René Bahns, Rechtsanwalt
Isabel Antz, Rechtsanwältin
Bahman Wahab, Rechtsanwalt
Iris Ludwig, Rechtsanwältin
Juliane Scheer, Rechtsanwältin
Dr. Albrecht Göring, Rechtsanwalt
Alexandra Braun, Rechtsanwältin
Viktor Riad, Rechtsanwalt
Robin Michalke, Rechtsanwalt
Carolin Helmecke, Rechtsanwältin
Birgit Landgraf, Rechtsanwältin
Roland Dietrich, Rechtsanwalt
Lilith Reuffurth, Rechtsanwältin
Sabine Schölermann, Rechtsanwältin
Dr. Jahn-Rüdiger Albert, Rechtsanwalt
Benjamin Hersch, Rechtsanwalt, RAV-Vorstand
Barbara Dubick, Rechtsanwältin
Maria-Theresia Huber-Arpé, Rechtsanwältin
Helmut W. Maciej, Rechtsanwalt/Vereidigter Buchprüfer/Dipl.soz.
Ulrich Lerche, Rechtsanwalt
Heike Gall-Alberth, Rechtsanwältin
Philipp Schönberger, Referendar am Kammergericht
Ursula Groos, Rechtsanwältin
Björn Cziersky-Reis, Rechtsanwalt
Junis Mustafa LL.M., Rechtsanwalt
Christian Möhlenbeck, Rechtsanwalt, Mediator
Robert Koop & Kollegen, Rechtsanwälte und Notare, Lingen(Ems)
Kanzlei 49, Hamburg
David Werdermann, Rechtsanwalt
Dr. Katharina Wandscher, Rechtsanwältin
Lea Beckmann, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte
Jenny Fleischer, Rechtsanwältin
Petra Isabel Schlagenhauf, Rechtsanwältin
Stephan Urbach, Rechtsanwalt
Reinhard Daum, Rechtsanwalt
Jörn Freudenberg, Rechtsanwalt
Dr. Mark Swatek, Rechtsanwalt
Christian Pensl, Rechtsreferendar
Adolf Sander, Rechtsanwalt und Notar a. D.
Armin Grimm, Rechtsanwalt
Johannes Honecker, Rechtsanwalt
Julian Stöckl, Rechtsanwalt, München
Friedrich Schikora, Rechtsanwalt
Thomas Oberhäuser, Rechtsanwalt
Franziska Andrae, Rechtsanwältin und Mediatorin
Konstantin Stern, Rechtsanwalt
Markus Prottung, Rechtsanwalt
Christina Clemm, Rechtsanwältin
Dr. Philipp Gehrmann, Rechtsanwalt
Barbara Petersen, Rechtsanwältin
Christian Mertens, Rechtsanwalt
Sahar Azizi, Rechtsanwältin
Luisa Hahm, Rechtsanwältin
Dr. Matondo Cobe, Rechtsanwalt
Tilman Kohls, Rechtsanwalt
Claudia Lind, Rechtsanwältin
Diana Blum, Rechtsanwältin
Felix Isensee, Rechtsanwalt
Ünal Zeran, Rechtsanwalt
Lena Pfeiffer, Volljuristin und Amtsvormündin
Sebastian Baunack, Rechtsanwalt
Rainer Willhoeft, Rechtsanwalt
Rechtsanwaltskanzlei BINDNER-REICHEL, Nürnberg
Ralf-Carsten Bonkowski, Rechtsanwalt
Gloria Holborn, Rechtsanwältin
Eberhard Kunz, Rechtsanwalt
Stephan Martin, Rechtsanwalt
Patrick Kirner, Rechtsanwalt
Dr. Sven-U. Burkhardt, Rechtsanwalt
Hannah Fleck, Rechtsanwältin
Peter Brasche, Rechtsanwalt
Claudia Burgsmüller, Rechtsanwältin
Nadine Arndt, Rechtsanwältin
Berndt Hintzelmann, Rechtsanwalt
Peter Paul Tode, Rechtsanwalt
Bettina Feix, Rechtsanwältin
Valeska Knarr, Rechtsanwältin
Inken Stern, Rechtsanwältin
Mirco Beth, Rechtsanwalt
Lara M. Gaber, Rechtsanwältin
Anne Kling, Juristin
Anwaltskanzlei Sven Adam, Göttingen
Julian Trüstedt, Rechtsanwalt
Friedrich Schikora, Rechtsanwalt
Anwält*innenbüro Lichtenberg (Marie Melior, Dagmar Schnürer, Michael Plöse)
Sahar Azizi, Rechtsanwältin
Dr. Regine Nowack, Rechtsanwältin
Federico Traine, Rechtsanwalt
Nora Ebeling, Rechtsanwältin
Dr. Franz Bethäuser, Rechtsanwalt
Anne Nitschke, Rechtsanwältin
Felicitas Kohler, Rechtsanwältin
Annette Fölster, Rechtsanwältin
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Katja Friedrich, Rechtsanwältin
Tim Burkert, Rechtsanwalt
Christine Siegrot, Rechtsanwältin
Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt
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Ulrich Kraft, Rechtsanwalt
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Gerhard Strauch, Rechtsanwalt
Karen Pollok LL.M., Rechtsanwältin
Markus Kehrbaum, MLE, Rechtsanwalt
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Dr. Udo Kauß, Rechtsanwalt
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Stephanie Jörs, Rechtsanwältin
Sebastian Sevenich, Rechtsanwalt
Otto Jäckel, Rechtsanwalt
Dr. Wieland Lehnert, Rechtsanwalt
Heiko Habbe, Rechtsanwalt/Rechtsberater
Maxi Schele, Rechtsanwältin
Anne Harms, Dipl.-Sozialpädagogin
Ilka Quirling, Rechtsanwältin
Dr. Jan Benjamin Daniels, Rechtsanwalt
Carsten Ilius, Rechtsanwalt
Sebastian Röder, LL.M., Rechtsanwalt
Katharina Söker, Rechtsreferendarin
Jens Hänsch, Rechtsanwalt
Hans Imhof, Rechtsanwalt
Kareba Hagemann, Rechtsanwältin
Simon Hagemann, Rechtsanwalt
Nadine Rappanier, Rechtsanwältin
Alexandra Roemer, Rechtsanwältin
Dinah Bauer, Rechtsanwältin
Marc Meyer, Rechtsanwalt
Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt
Hanna Uebach, Rechtsanwältin
Einar Aufurth, Rechtsanwalt
Carolin Kaufmann, Rechtsanwältin
Miriam Frieding, Rechtsanwältin
Thomas Jennissen, Rechtsanwalt
Christine Lüth, Rechtsanwältin
Anya Lean, Rechtsanwältin
Philip Rusche, Rechtsanwalt
Josephine Koberling, Rechtsanwältin
Julius Becker, Rechtsanwalt
Michaela Staufer, Rechtsanwältin
Lena Ronte, Rechtsanwältin
Dr. Andrea Struwe, Rechtsanwältin
Gerhard Rahn, Rechtsanwalt
Karen Chautard, Rechtsanwältin
Marcel Keienborg, Rechtsanwalt
Dr. Boris Wolkowski, Rechtsanwalt
Peter Knitsch, Staatssekretär a.D., Rechtsanwalt
Gunter Christ, Rechtsanwalt
Gwendolin Buddeberg, Rechtsanwältin
Tobias P. Lutze, Rechtsanwalt
Claire Deery, Rechtsanwältin, Vorsitzende Flüchtlingsrat Niedersachsen
Michal Armbruster, Rechtsanwältin
Dr. Philipp Schulte, Rechtsanwalt
Bettina Ocker, Rechtsanwältin
Jan Sürig, Rechtsanwalt
Astrid Boxberg, Rechtsanwältin
Madlen Stephan-Malak, Rechtsanwältin
Sabine Ziesemer, Rechtsanwältin
Catrin Hirte-Piel, Rechtsanwältin
Gunther Specht, Rechtsanwalt
Silke Born-Gotta, Rechtsanwältin
Joachim Genge, Rechtsanwalt
Sabine Steigerwald-Weber, Rechtsanwältin
Inigo Valdenebro, Abogado
Fahim Qayumi, Rechtsanwalt
Valdés Reyes, Rechtsanwalt
Marten Kaspar, Rechtsanwalt
Lucy Chebout, Rechtsanwältin
Stefanie Kirschner, Rechtsanwältin
Bernhild Schömel, Rechtsanwältin
Linh Steffen, Rechtsanwältin
Swantje Meyer-Mews, Rechtsanwältin
Ahmed Abed, Rechtsanwalt
Claudia Reichel, Rechtsanwältin
Stephanie Dufner, E.MA, Rechtsanwältin
Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin
Wolfram Treiber, Rechtsanwalt
Antje Becker, Rechtsanwältin
Arnike Duensing, Rechtsanwältin und Notarin
Myrsini Laaser, Rechtsanwältin
Mechthild Garweg, Rechtsanwältin
David Hölscher, Rechtsanwalt
Anna Frölich, Rechtsanwältin
Mathes Breuer, Rechtsanwalt
Katharina Camerer, Rechtsanwältin
Christian Zimmer, Rechtsanwalt
Oliver Rahnama, Rechtsanwalt
Ralf Fischer, Rechtsanwalt
Raik Höfler, Rechtsanwalt
Johanna Eyser, Rechtsanwältin
Adrian Furtwängler, Rechtsanwalt
Dr. Maren Burkhardt, Rechtsanwältin
Klaus Meyer, Rechtsanwalt
Marina Link, Rechtsanwältin
Fiona Macdonald, Rechtsanwältin
Antonia Gräfin von Plettenberg-Lenhausen, Rechtsanwältin (Syndicusrechtsanwältin)
Thomas Ludewig, Rechtsanwalt
Dieter Kierzynowski, Rechtsanwalt
Dr. Ulrich Wehner, Rechtsanwalt
Inga Schulz, Rechtsanwältin
Franz Fertmann, Rechtsanwalt
Oriane Lafargue, LL.M., Rechtsanwältin
Stephen E. Marquardt, Rechtsanwalt
Dr. Anne-Katrin Wolf, Rechtsanwältin
Daniel Marquard, Rechtsanwalt
Felix Briesenick, Rechtsanwalt
Dr. Vera Hofmann, Rechtsanwältin
Katharina Fröbel, Rechtsanwältin
Christine Engels, Rechtsanwältin
Dr. Eckart Wähner, Rechtsanwalt
MBA116, Rechtsanwält*innen in Bürogemeinschaft, Hamburg
Stefanie Meyer, Rechtsanwältin
Manfred Weidmann, Rechtsanwalt
Thomas Korn, Rechtsanwalt
Christoph Tometten, LL.M., Rechtsanwalt
Cana Mungan, Rechtsanwältin
Julia Schulze Buxloh, Rechtsanwältin
Kai Michael Dietrich, Rechtsanwalt
Rainer Kattau, Rechtsanwalt
Elisa Urbanczyk, Rechtsanwältin
Lukas Bastisch, Rechtsanwalt
Frauke Steuber
Lino Peters, Rechtsanwalt
Jens Waßmann, Rechtsanwalt
Sarah Scheller, Rechtsanwältin
Oda Jentsch, Rechtsanwältin
Insa Graefe, Rechtsanwältin
Irene Kohlmann, Rechtsanwältin
Birgit Scheibe, Rechtsanwältin
Caroline von Wedel-Parlow, Rechtsanwältin
Julius Engel, Rechtsanwalt
Elena Peony, MLE, Rechtsanwältin
Anwaltsbüro Schulterblatt 36, Hamburg
Dr. Marcus Mollnau, Rechtsanwalt und Notar
Julia Bailey, Rechtsanwältin
Sascha Petzold, Rechtsanwalt
Ozan Atas, Rechtsanwalt
Kristin Pietrzyk, Rechtsanwältin
Jonas Runge, Rechtsanwalt
Maik Elster, Rechtsanwalt
Christoph Köhler, Rechtsanwalt
Tanja Bohlender, Rechtsanwältin
Victoria Lübeke, Rechtsanwältin
Hagen Richter, Rechtsanwalt
Axel Selbert, Rechtsanwalt
Thorsten Deppner, Rechtsanwalt
Michael Koch, Rechtsanwalt
Ole-Jendrik Weber, Assessor
KTV-Anwälte, Rostock (Rechtsanwalt Thomas Wanie
Rechtsanwältin Katrin Hildebrandt)
Teresa Maria Amigo, Rechtsanwältin
Ingvild Geyer-Stadie, Rechtsanwältin
Sandra Ae-Sim Schleicher, Rechtsanwältin u Mediatorin

Weitere Zeichnungen nach Veröffentlichung:
Martina Lörsch, Rechtsanwältin
Florian van Bracht, Rechtsanwalt
Franz Spindler, Rechtsanwalt
Axel Oswald, Rechtsanwalt
Dirk Stammler, Rechtsanwalt
Petra Haubner, Rechtsanwältin
Christine Hunger, Rechtsanwältin
Walter Lübking, Rechtsanwalt, Dipl. Ing.
Nicolai Zipfel, Rechtsanwalt
Joachim Musch, Rechtsanwalt und Notar
Christof Momberger, Rechtsanwalt
Sven Feuerhahn, Rechtsanwalt
Dr. Esther Weizsäcker, Rechtsanwältin
Fritz Maier, Rechtsanwalt
Negin Sandjer, Rechtsanwältin
Raphael D. E. Stanke, Rechtsanwalt
Manuela Schiebel-Vogt, Rechtsanwältin
Gönül Kurt, Rechtsanwältin
Maria Kalin, Rechtsanwältin
Silke Jaspert, Rechtsanwältin
Kathrin Kuhn, Rechtsanwältin
Harald Klinke, Rechtsanwalt
Rehane Jawaheri-Amin, Rechtsanwältin
Sigrun Krause, Rechtsanwältin
Andelka Husnjak, Rechtsanwältin
Borgman, Rechtsanwalt
Martina Synnott, Rechtsanwältin
Franziska Flint, Rechtsanwältin
Dr. Annabelle Voßberg, Rechtsanwältin
Regine Schönleber, Rechtsanwältin
Bilal Alkatout, Rechtsanwalt
Brigitte Faßbender, Rechtsanwältin
Heinz-Dieter Schütze, Rechtsanwalt
Martina Arndt, Rechtsanwältin
Angela Furmaniak, Rechtsanwältin
Stephen Rehmke, Rechtsanwalt
Lale Emiroglu, Rechtsanwältin
Susanne Stuhlmacher, Rechtsanwältin
Bernhard Baumann-Czichon, Rechtsanwalt
Clara Bünger, Juristin
Jeanette Höpping, Rechtsanwältin und Mitarbeiterin bei YAAR e.V.
Christoph Unrath, Rechtsanwalt
Elisabeth Faltinat, Rechtsanwältin
Melina Garcin, Mitglied der Härtefallkommission Berlin, Härtefallberatung des Flüchtlingsrats Berlin (e.V.) und RAin
Margarete Fabricius-Brand, Rechtsanwältin und Dipl.-Psych.
Julia Röhrbein, Rechtsanwältin
Sonja Benning, Rechtsanwältin
Marcel Kasprzyk, Rechtsanwalt
Nina Markovic, Rechtsanwältin
Martin von Borstel, Rechtsanwalt
Sabah-Turkmany, Rechtsanwältin
Anna Liora Boyn, Rechtsanwältin
Peter Fahlbusch, Rechtsanwalt
Prof. Dr. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt
Susanne Müller, Rechtsanwältin
Prof. Dr. Holger Hoffmann, Bremen
Stephan Schumann, Rechtsanwalt, Stellvertretender Bundesvorsitzender Jusos
Dr. Miriam Vollmer, Rechtsanwältin
Dr. Jonas Hennig, Rechtsanwalt
Christian Albrecht, Rechtsanwalt
Oliver Moro, Rechtsanwalt
Miriam Paschke, Rechtsanwältin
Franziska Mayer, Rechtsanwältin
Jonathan Leuschner, Rechtsanwalt
Cornelia Ganten-Lange, Rechtsanwältin
Erna Hepp, Rechtsanwältin
Bettina Hartnacke, Rechtsanwältin
Michael Stübing, Rechtsanwalt
Hannah Rainer, Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag
Udo Grönheit, Rechtsanwalt
Tobias Fischer, Rechtsanwalt
Constanze Muck, Rechtsanwältin
Oliver Klostermann, Rechtsanwalt und Notar
Conrad Zimmer, Rechtsanwalt a.D.
Mark Kozicki, Rechtsanwalt
Volker Gerloff, Rechtsanwalt
Thomas Seggewiß, Rechtsanwalt
Dr. Maximilian Pichl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
uli v.sanden, Dipl.Sozialpädagogin, Menschenrechtlerin
Véronique Bry, Dozentin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Friedrich Straetmanns, MdB - Die Linke
Hartmut Liebs, wissenschaftlicher Mitarbeiter - Die Linke
Karen Schubert, Referentin im Justiziariat - Die Linke
Knut Rauchfuss, Arzt und Vorstand der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum
Willi Bischof, Publizist - edition assemblage
Behnaz H. Ronasi, Rechtsanwältin
Laura Redmer, Rechtsanwältin
Bürogemeinschaft bg124, Hamburg
Michelle Bohley, Wiss. MA, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für ÖffR
Dr. Jannik Rienhoff, Rechtsanwalt
Nicole Jack, Wiss. MA, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Michael Werner, Rechtsanwalt
fluchtpunkt, Kirchliche Hilfsstelle für Geflüchtete, Hamburg
Stephanie Hujo, Rechtsanwältin
Ulrich Lübbing, Rechtsanwalt

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Pressemitteilung Migration & Asyl
news-798 Tue, 17 Aug 2021 07:34:21 +0200 Abschiebungen nach Afghanistan stoppen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/abschiebungen-nach-afghanistan-stoppen-798 Aufruf von 26 Organisationen vom 10.8.21 Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen aus dem Bereich der Menschenrechte, der Entwicklungspolitik, der Wohlfahrt, Asyl und Flucht sowie Richter- und Anwaltsvereinigungen fordert der Flüchtlingsrat Brandenburg die Bundesregierung auf, geltendes Recht zu achten und Abschiebungen mit dem Ziel Kabul auszusetzen.

Täglich erobern die radikal-islamistischen Taliban weitere Gebiete in Afghanistan. Erst am Wochenende haben sie praktisch im Durchmarsch auch den ehemaligen Bundeswehrstandort Kundus eingenommen. Die Islamisten haben somit bereits die sechste Provinzhauptstadt sowie weit über die Hälfte aller Distrikte unter ihre Kontrolle gebracht. Das Land versinkt zusehends im Chaos, die Kämpfe dauern unvermindert an. Trotz dieser verheerenden Entwicklung und trotz bundesweiter Kritik hält die deutsche Regierung an Abschiebungen nach Afghanistan fest.

Bereits vergangene Woche hat der Flüchtlingsrat Brandenburg mit einem Brief an den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke, Innenminister Michael Stübgen, sowie an die Landesfraktionen von DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SPD appelliert, mit gutem Beispiel voran zu gehen und einen sofortigen Abschiebestopp auf Landesebene zu erlassen.

Heute nun hat ein Zusammenschluss von 26 Organisationen – darunter auch der Flüchtlingsrat Brandenburg – einen Aufruf an die Bundesregierung veröffentlicht, in dem der Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan gefordert wird. „Es ist schockierend und beschämend, das weder Bund noch Länder tun, was angesichts der aktuellen Lage eigentlich selbstredend humanitäre Pflicht sein sollte: Abschiebungen in ein Kriegsgebiet unverzüglich zu stoppen und damit keine weiteren Menschenleben mehr leichtfertig aufs Spiel zu setzen“, kommentiert Vincent da Silva vom Flüchtlingsrat Brandenburg die Situation.
 

Der Aufruf:

Keine Abschiebungen nach Afghanistan!

In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne Anschlag. Seit dem Abzug der NATO-Truppen sind die Taliban auf dem Vormarsch: über die Hälfte der Bezirke in Afghanistan steht schon unter Kontrolle der Taliban. Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie verschärft die humanitäre Situation im Land zusätzlich. Die Lage am Hindukusch ist dramatisch und wird sich aller Voraussicht nach weiter verschlechtern.

Ein Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan ist vor diesem Hintergrund dringend geboten.

Die afghanische Regierung hat bereits im Juli die europäischen Staaten aufgefordert, vorläufig keine Abschiebungen mehr durchzuführen. Norwegen, Finnland und Schweden sind dieser Aufforderung nachgekommen. Auch die Grenzschutzagentur Frontex hat Anfang August bekanntgegeben, keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr unterstützen zu wollen. Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Eilentscheidung am 2. August eine Abschiebung aus Österreich nach Kabul, die ursprünglich gemeinsam mit Deutschland stattfinden sollte, mit Verweis auf die dortige Sicherheitslage gestoppt.

Auch Deutschland darf die Augen vor der sich immer weiter verschlechternden Lage in Afghanistan nicht verschließen und muss alle Abschiebungen einstellen.

Rechtsstaat heißt, dass menschenrechtliche Prinzipien eingehalten werden. Sie dürfen auch nicht in einem Wahlkampf zur Verhandlung gestellt werden. Das völkerrechtliche Nicht-Zurückweisungsgebot, das aus dem absoluten Folterverbot abgeleitet wird und das Abschiebungen bei zu erwartenden schwersten Menschenrechtsverletzungen verbietet, gehört hierzu. Dieses Abschiebungsverbot gilt unabhängig von individuellem Verhalten.

Der Aufruf wurde unterzeichnet von:
AG Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter (ACAT-Deutschland)
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
Amnesty International
AWO Bundesverband
Brot für die Welt
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer – BAfF e.V.
Bundesweites Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan
Deutscher Caritasverband
Diakonie Deutschland
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Landesflüchtlingsräte
medica mondiale e.V.
medico international
MISEREOR
Neue Richtervereinigung e.V.
Nürnberger Menschenrechtszentrum e.V.
Oxfam Deutschland
PRO ASYL
Republikanischer Anwältinnen – und Anwälteverein e.V. (RAV)
Seebrücke
terre des hommes Deutschland e.V.
Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF)
YAAR e.V.

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Abschiebungen Migration & Asyl
news-797 Fri, 16 Jul 2021 06:58:00 +0200 Zugang zu Großveranstaltungen, Jobs bei Behörden, Akteneinsicht für Anwält*innen…<br />Nur nach Prüfung durch Polizei und Verfassungsschutz? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zugang-zu-grossveranstaltungen-jobs-bei-behoerden-akteneinsicht-fuer-anwaeltinnen-nur-nach-pruefung-durch-polizei-und-verfassungsschutz-797 Pressemitteilung 7/21 vom 16.7.2021 Bereits die Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) 2018 brachte eine erhebliche Ausweitung polizeilicher Befugnisse und ihre Vorverlagerung auf den reinen Verdachtsbereich. Sie wurde von der CSU Dank ihrer stabilen Mehrheit entgegen massiver Proteste breiter Teile der Gesellschaft durch den Landtag gebracht.

Eine jetzt drohende Verschärfung (in § 60a PAG) soll der Polizei nunmehr eine sog. Zuverlässigkeitskontrolle sowohl für eine »besondere Zugangsberechtigung zu Veranstaltungen und Veranstaltungsreihen« (Abs. 1 Nr. 1) ermöglichen, als auch für den »privilegierten Zutritt zu einem Amtsgebäude oder einem anderen gefährdeten Objekt« (Abs. 1 Nr. 2) und »bei Personen, die Zugang zu Unterlagen oder ähnlichen Inhalten haben sollen, aus denen sich sicherheitsrelevante Erkenntnisse für die Tätigkeit von Polizei und Sicherheitsbehörden ergeben« (Abs. 1 Nr. 4).
Das Gesetz dient über einen Umweg auch als Türöffner zur Ausforschung und Einmischung nicht nur durch die Polizei, sondern z.B. auch durch den sog. Verfassungsschutz: »Die Polizei ist befugt, das Ergebnis ihrer Zuverlässigkeitsüberprüfung an eine andere Stelle zu übermitteln, wenn die Beurteilung der Zuverlässigkeit der anderen Stelle obliegt« (Abs. 2 Satz 1).
Die Änderungen im Polizeigesetz ermöglichen weitreichende Eingriffsbefugnisse, sowohl in die Handlungsfreiheit von Bürger*innen, als auch in die Souveränität von Behörden. Gleichzeitig – wie auch schon bei der PAG-Novelle 2018 – sind die rechtlichen Voraussetzungen für das polizeiliche Treiben vage und unbestimmt. Sie öffnen damit Tür und Tor für missbräuchliches Polizeihandeln.
Yunus Ziyal, Nürnberger Rechtsanwalt und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, erklärt dazu: »Der Gesetzesentwurf definiert weder, was ›erhebliche Sicherheitsrisiken‹ sind und für wen diese bestehen müssen, noch was ›Veranstaltungen, die besonders gefährdet sind‹, darstellen sollen«. RAV-Mitglied und Münchner Rechtsanwalt Mathes Breuer ergänzt, »Es bleibt auch völlig nebulös, wer bspw. (nicht) zum Personenkreis zählt, deren Zugang zu bestimmten sicherheitsrelevanten Unterlagen kontrolliert werden soll. Zählen unbequeme Rechtsanwält*innen, die regelmäßig in Konflikt mit Sicherheitsbehörden und teilweise selbst im Visier des Verfassungsschutzes stehen, sobald sie Akteneinsicht nehmen, auch dazu? Der RAV lehnt eine solche Novelle entschieden ab«.
Der Überprüfung der ›Zuverlässigkeit‹ – ein weiterer schwammiger Begriff – muss zwar von den Betroffenen zugestimmt werden. Hierzu formuliert das Bündnis #NoPAG treffend: »In der Praxis würde dies sozialer Erpressung gleichkommen: Wer künftig an Großveranstaltungen teilnehmen möchte, muss sich dafür zum Gläsernen Menschen machen«.

Die geplante Verschärfung des PAG ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in die polizeiliche Kontroll- und Überwachungsgesellschaft. Bayern stellt sich hier wieder als Vorreiter für eine bundesweite und demokratiefeindliche Entwicklung auf, die zu verhindern ist.

Der RAV ruft daher zur Teilnahme am breiten Protest des #NoPAG-Bündnisses in München auf:

Am Sonntag, den 18.7.2021, um 14 Uhr auf der Theresienwiese in München

Kontakt: RA Mathes Breuer, breuer@waechtler-kollegen.de sowie +49 175 5246963

PM als PDF

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Pressemitteilung Polizeigesetz Polizeikontrolle Polizeirecht
news-796 Fri, 02 Jul 2021 12:04:38 +0200 Mehr Befugnisse für private Sicherheitsdienste?<br />Ein weiterer Angriff auf die Grundrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mehr-befugnisse-fuer-private-sicherheitsdiensteein-weiterer-angriff-auf-die-grundrechte-796 Informations- und Diskussionsveranstaltung, 5.7.2021, 19:00 Uhr Zum 5.7.21 um 19 h wird hier zu einer Veranstaltung eingeladen, die sich mit dem kommerziellen Sicherheitsgewerbe und dessen Rolle in Unterkünften für Geflüchtete und im öffentlichen Raum gegen Wohnungslose und Jugendliche auseinandersetzt.
Außerdem geht es uns um ein zunächst geplantes, für diese Legislaturperiode aber abgesagtes Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG_E), für das das Gewerbe hoheitliche Rechte fordert.

Zur Teilnahme ist eine Anmeldung notwendig (s.u.).
***
Immer wieder ist die Rolle von kommerziellen Sicherheitsdiensten (Security) in der gesellschaftspolitischen Diskussion ein umstrittenes Thema. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals sind intransparent und Übergriffe nicht selten.

Seit Jahren fordern die Verbände der Sicherheitsunternehmen mehr Befugnisse für ihre Arbeit. Dies hätte mit einem ersten Gesetz für das Sicherheitsgewerbe, wie es im Koalitionsvertrag der GroKo vorgesehen war, Realität werden können. Durch die Corona-Pandemie verzögert sich dieses Vorhaben, und einen Gesetzesentwurf wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben. Doch das ist noch lange kein Grund aufzuatmen. Denn klar ist, sie werden weiter lobbyieren, und eindeutige Schritte in Richtung Befugnis-Erweiterung wurden bereits unternommen.

Ein solches Gesetz könnte empfindlich in unsere Grundrechte eingreifen. Dies würde nicht nur Asylsuchende in Sammellagern treffen. Die Lobby für eine neu aufgestellte ›Hilfspolizei‹ sieht sich auch auf Großveranstaltungen (Fußballspiele, Festivals usw.) und im öffentlichen Raum (betroffen potentiell: Obdachlose, Jugendliche, Betroffene von Rassismus insgesamt) für ›Sicherheit‹ und ›Ordnung‹ zuständig.

Wir wollen dazu gemeinsam mit Euch über rechts- und gesellschaftspolitische Fragen diskutieren und haben dazu Referierende eingeladen, die über den aktuellen Stand berichten werden. Im Einzelnen wollen wir berichten und diskutieren über:

  

Diese und andere Fragen diskutieren wir mit

Walter Schlecht (Aktion Bleiberecht, Freiburg/Brsg.)
Anne-Marlene Engler (Humboldt Universität zu Berlin)
Hartmut Aden (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin), tbc
Andreas Abel (Gangway e.V., Berlin)
Moderation Katharina Grote (Bayerischer Flüchtlingsrat e.V., München)

Eine Veranstaltung von Lager-Watch (Aktion Bleiberecht, Freiburg/Brsg.; Pro Bleiberecht, Mecklenburg-Vorpommern; Bayerischer Flüchtlingsrat; Flüchtlingsrat Hamburg) und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.).

Zugang
Die Veranstaltung findet via ZOOM statt. Bei Interesse meldet Euch bitte über kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de an. Wir senden die Zugangsdaten dann per E-Mail zu. Die Teilnahme ist kostenlos.

Diskutiert und mobilisiert wird alsbald auch unter #noSDLG_E

 

Hintergrund der Veranstaltung
In einem bundesweiten Zusammenschluss aus Initiativen und Organisationen der Geflüchteten-Solidarität haben wir uns in den letzten Monaten mit dem Problem rechtswidriger Hausordnungen und daraus resultierender Grundrechtsverletzungen durch kommerzielles Sicherheitspersonal beschäftigt. Dabei stießen wir auf das Vorhaben der Bundesregierung, erstmals ein sog. Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG-E) für kommerzielle Sicherheitsdienste zu erlassen. Dem in Rede stehenden Referent*innenentwurf ging eine »Workshop-Reihe« voraus. Durchgeführt wurde diese durch das BMI unter Teilnahme der großen Sicherheitsunternehmen und deren Lobbyverbänden. Kritische Stimmen und Positionen potentiell Betroffener wurden dabei nicht einbezogen. Das wollen wir ändern und laden Euch ein, uns gemeinsam breit mit dem Thema zu befassen und hier mehr Transparenz einzufordern. Denn das Gesetz ist ein Angriff auf unser aller Freiheit.

Eine Zusammenfassung zum bisherigen Recherchestand findet sich hier:
https://www.aktionbleiberecht.de/?p=18900

Ihr könnt leider nicht teilnehmen, wollt aber zu dem Thema aktiv werden? Dann schreibt gerne an kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de. Wir informieren Euch darüber, wie es weitergeht.

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Lager Sicherheitsgewerbe Veranstaltungen
news-795 Tue, 29 Jun 2021 08:20:48 +0200 Verhindern wir das undemokratische Versammlungsgesetz in NRW /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verhindern-wir-das-undemokratische-versammlungsgesetz-in-nrw-795 Aufruf zur Teilnahme, Demonstration in Düsseldorf, 26.6.2021 Achtung! Neuer Startpunkt!  

Da die Demo größer wird, als ursprünglich erwartet, mussten wir den Startpunkt auf die Rheinwiesen verlegen. Die Sammlungsphase beginnt um 12:00 Uhr und die Auftaktkundgebung um 13:30 Uhr. Wir versuchen, für die Sammlungsphase Live-Musik zu organisieren, können dies aber leider nicht versprechen.

 

Ihr gelangt zu den Rheinwiesen vom Hauptbahnhof mit der Bahn bis zur Haltestelle Luegplatz (Linien U74, U75, U76, U77). Die Bahnen werden im 3-Minuten-Takt fahren oder die Linien 708, 709 bis zum Landtag und über die Rhein-Kniebrücke zu den Rheinwiesen gehen. Wer linksrheinisch wohnt (z. B. Neuss, Krefeld oder Mönchengladbach) kann direkt zu den Rheinwiesen kommen und braucht nicht bis zum Düsseldorfer Hauptbahnhof zu fahren. Trotzdem ist damit zu rechnen, dass es gegen 13 Uhr am Düsseldorfer Hauptbahnhof sehr voll sein wird und alle in die Bahn wollen. Reist deshalb bitte deutlich früher als geplant an!

 

Der RAV ruft alle Mitglieder – nicht nur aus NRW – auf zur Teilnahme an der zentralen Demonstration gegen den Gesetzesentwurf der nordrhein-westfälischen CDU/FDP-Regierung zum Versammlungsgesetz!

26. Juni 2021 – 13:00 Uhr
Startpunkt auf den Rheinwiesen. Die Sammlungsphase beginnt um 12:00 Uhr

 

Dieses Gesetz muss abgewehrt werden.
Der Entwurf verfehlt den zentralen Kern eines Versammlungsgesetzes: den Schutz der Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Der Entwurf ist vordemokratisch und atmet den Geist eines autoritären Staats (vgl. auch die ausführliche Stellungnahme des RAV, die gemeinsam mit der VDJ und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie verfasst wurde.
Der Entwurf der Landesregierung ist durch ein tiefes Misstrauen gegen Bürger*innen geprägt, die vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Versammlungen werden alleinig als polizeilich zu behandelndes Problem – als Gefahr, der man begegnen muss – verstanden. Entsprechend sieht der Entwurf weitreichende Regulierungs-und Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei vor: Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung, Gefährderansprachen und weitere Maßnahmen. Zusätzlich werden Möglichkeiten der Kriminalisierung von Teilnehmenden und Veranstalter*innen stark ausgeweitet. Es werden neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten geschaffen, sowie Strafmaße erhöht. Der Versammlungsleitung werden umfangreiche Pflichten auferlegt, die Anmeldung von Versammlungen wird erschwert. Dass es der Landesregierung im Braunkohleland NRW insbesondere darum geht, konzernkritische Klimaproteste gegen RWE abzuschwächen, belegt die Gesetzesbegründung. Auch antifaschistische Proteste werden massiv erschwert, das Recht auf Gegendemonstrationen beschnitten.

 

Rechtsanwältin Anna Busl, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, erklärt hierzu: »Die Ausübung der Versammlungsfreiheit, vom Bundesverfassungsgericht bezeichnet als ›ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren‹, wird durch diesen Gesetzentwurf zur ›Gefahr‹ erklärt, der polizeilich Einhalt geboten werden muss. Durch die Aufhebung der sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen kann gegen jeden Teilnehmer als ›Störer‹ polizeilich vorgegangen werden«.

 

Alle aktuellen Informationen rund um den Bündnis-Aufruf und der Demonstration (Hygienekonzept, Demoroute, Redner*innenliste (für den RAV wird RAin Anna Busl sprechen), Aufstellung etc.) finden sich hier:
https://www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de/

 

RAV-Aufruf als PDF

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Versammlungsfreiheit Versammlungsrecht
news-794 Tue, 29 Jun 2021 08:01:00 +0200 #unteilbar – Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbar-fuer-eine-gerechte-und-solidarische-gesellschaft-794 Aufruf zur #unteilbar-Demonstration am 4. September 2021 in Berlin Der RAV gehört zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs von #unteilbar und ist aktiv im Bündnis tätig. Wir freuen uns auf die Großdemonstration am 4. September, veröffentlichen hier den Aufruf und bitten die Mitgliedschaft und alle Freundinnen und Freunde, den Aufruf ebenfalls zu zeichnen. Alle Informationen finden sich unter www.unteilbar.org

   

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#unteilbar – Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft!

Aufruf zur #unteilbar-Demonstration am 4. September 2021 in Berlin

Die politischen und gesellschaftlichen Missstände haben sich im vergangenen Jahr dramatisch zugespitzt. Weltweit wurde mit der Pandemie offensichtlich, was gesellschaftlich falsch läuft. Auch in Deutschland sind immer mehr Menschen von Armut betroffen oder haben Existenzängste. Gleichzeitig werden die Auswirkungen des Klimawandels immer bedrohlicher. Während Menschenfeindlichkeit und Rassismus vermehrt Zustimmung finden, sterben täglich Menschen an den EU-Außengrenzen.

 

Gerade jetzt ist der Moment, um #unteilbar auf die Straße zu gehen: Stoppen wir die soziale Spaltung der Gesellschaft und die Verschärfung der Klimakrise! Streiten wir für eine Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst selbstbestimmt leben können und in der das Wohl aller im Mittelpunkt steht! Im Vorfeld der Wahlen machen wir unmissverständlich klar: Wir lassen nicht zu, dass soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt werden.

 

So kann es nicht weitergehen.

 

In der Coronakrise wird der Abstand zwischen Wohlstand und Armut noch größer. Menschen im Niedriglohnsektor, in prekärer Beschäftigung und ohne Einkommen werden nicht nur sozial und wirtschaftlich härter von der Krise getroffen. Sie haben auch ein deutlich erhöhtes Risiko, schwer an Covid 19 zu erkranken. Derweil steigen Mieten ungebremst. Viele Menschen müssen in zu kleinen Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Geflüchtete müssen in Lagern leben. Arbeitsmigrant*innen, etwa in der Fleischindustrie oder in der häuslichen Pflege, arbeiten oft jenseits aller sozialen Standards. Der große Personalmangel im Gesundheits- und Pflegebereich und, damit verbunden, die nicht hinnehmbaren Arbeitsbedingungen sind Folgen jahrzehntelanger Kommerzialisierung. Und es sind vor allem Frauen, die die Krise mit bezahlter und unbezahlter Sorge-Arbeit abfedern. Die Auswirkungen dieser Politik sind für uns alle spürbar: Sie verstärkt Ungleichheit und spaltet unsere Gesellschaft. Rassistische, antifeministische und antisemitische Gewalt nehmen zu.

 

Die wachsende Ungleichheit zeigt sich auch auf internationaler Ebene: Statt Impfstoffe zu globalen öffentlichen Gütern zu machen – wie im letzten Jahr versprochen –, haben sich die reichsten Länder den Löwenanteil gesichert und die Patente bleiben in den Händen weniger Großunternehmen. Obwohl der Klimawandel ungebrochen voranschreitet, wird der dringend notwendige sozial-ökologische Umbau nationalen Egoismen und kurzfristigen Profitinteressen geopfert.

 

Wir fordern andere politische Prioritäten:

    

Für einen demokratischen Aufbruch der Vielen!

 

Wir kommen aus antirassistischen Gruppen, der Krankenhaus- und Care-Bewegung, Mieter*innen-Initiativen, Menschenrechtsorganisationen, aus antifaschistischen Gruppen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, feministischen und queeren Gruppen, netzpolitischen Organisationen, der Anti-Kriegs-Bewegung und der Klimabewegung. Wir sind religiös oder nicht, BIPoC und Weiße, mit und ohne Migrationsgeschichte, jung und alt, mit oder ohne Behinderung, haben unterschiedliche Geschlechter und sexuelle Orientierungen. Gemeinsam gehen wir am 4. September 2021 in Berlin auf die Straße: #unteilbar für eine gerechte und solidarische Gesellschaft – gerade jetzt!

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#unteilbar
news-793 Wed, 09 Jun 2021 13:18:54 +0200 Internationaler "Fair Trial Day" und Verleihung des Ebru Timtik-Preises /publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationaler-fair-trial-day-und-verleihung-des-ebru-timtik-preises-793 Online-Veranstaltung am 14.6.2021 von 15.00 – 17.15 h  

Ausgehend von einem internationalen Zusammenschluss von Rechtsanwält*innen und ihren Organisationen machen wir hiermit auf eine Initiative aufmerksam, die ab diesem Jahr einen jährlichen »International Fair Trial Day« (IFTD), also einen »Tag für das faire Verfahren« begehen möchte. Unter anderem ist die EDA, in der der RAV Mitglied ist, hieran maßgeblich beteiligt.

 

Namensgeberin des jährlich zu verleihenden Preises ist die Kollegin Ebru Timtik, die im letzten Jahr im Hungerstreik gegen ihre unrechtmäßige Verurteilung in der Türkei in der Haft verstarb.
Das wohlklingende »Faire Verfahren« droht in immer mehr Ländern, auch solchen, die sich selber als Demokratien bezeichnen, zur Worthülse zu verkommen, was erhebliche Menschenrechtsverletzungen für die Betroffenen bedeutet.

 

Zugleich bedeutet dies jedoch auf vielen Seiten der Zivilgesellschaft einen andauernden Kampf für Gerechtigkeit. Daran soll dieser Tag und der zu verleihende Preis mahnen und erinnern.

 

Der Aufruf der Initiator*innen und der Organisationen und Einzelpersonen, die sich inzwischen angeschlossen haben, findet sich hier auf Deutsch und auf Englisch.

 

Am 14.6.2021 wird hierzu von 15- 17.45 Uhr eine Online-Konferenz stattfinden, an der alle zur Teilnahme eingeladen sind.

Hier das Programm:

 

*****

 

Agenda of the 1st International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award 14 June 2021 15.00 – 17.15 CEST

 

N.B. – This event will be accessible both for participants and viewers:

 

Participants

  

Viewers

  

First session: IFTD Online Conference 15.00 -16.30 CEST

 

1. Introduction on behalf of the Steering Group of the International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award (5 min – 10 min)

 

Irma van den Berg, President of Lawyers for Lawyers

 

2. Keynote speech (15 min)

 

Diego Garcia-Sayan, UN Special Rapporteur on the Independence of Judges and Lawyers

 

3. Panel Discussion (interview) (1h)

 

Moderator: Banu Güven, Turkish journalist

  

4. Questions and Answers (10 min)

 

Break (10 min)

 

Second session: Ebru Timtik Award Ceremony
16.40 – 17.15 CEST

 
  1. Introduction on behalf of the Steering Group of the International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award (10 min) by Dominique Attias, President of the Fédération des Barreaux européens (FBE)

  2. Presentation by the Award’s designers (10 min) by Kay Parker, Judd Moses Druce, and Caroline Wright

  3. Presentation of the Award to the Award Recipient’s Representative (15 min) by Attorney Seda Şaraldı, People's Law Office

 

This event is organised by the Steering Group of the International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award consisting of the Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE), European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH), European Bars Federation (FBE), European Democratic Lawyers (EDL-AED), French National Bar Council (CNB), International Association of Democratic Lawyers (IADL), International Association of Lawyers (UIA), International Bar Association’s Human Rights Institute (IBAHRI), Italian National Bar Council (CNF), Law Society of England and Wales, Lawyers for Lawyers (L4L), Ayşe Bingöl Demir and Serife Ceren Uysal

 

Programm als PDF

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Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) Repression gegen Rechtsanwälte Veranstaltungen
news-779 Thu, 27 May 2021 08:47:48 +0200 Grundrechte-Report 2021: Ungleiche Freiheiten und Recht in der Krise /publikationen/mitteilungen/mitteilung/grundrechte-report-2021-ungleiche-freiheiten-und-recht-in-der-krise-779 Pressemitteilung anlässlich der Präsentation des neuen GRR am 26.5.2021 Der diesjährige Grundrechte-Report beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Grundrechtseingriffen während der Covid-19 Pandemie. Wie der Bericht zeigt, treffen solche Einschränkungen besonders die schwächsten und vulnerabelsten Gruppen in der Gesellschaft.

Heute erscheint der neue Grundrechte-Report unter dem Titel „Ungleiche Freiheiten und Rechte in der Krise“. Mitherausgeberin Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, kommentiert für die Redaktion: „Der diesjährige Grundrechte-Report zeigt, wie zahlreich die Grundrechtsverletzungen und -einschränkungen im letzten Jahr waren. Mit unserem ‚Alternativen Verfassungsschutzbericht‘ legen wir als Grund- und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland den Finger in die Wunde. Die Bundesregierung muss sich einigen Aufgaben stellen: Von grundrechtskonformer Pandemiebekämpfung über Respekt vor digitaler Privatsphäre zu zukunftstauglichem Klimaschutz und rassismusfreiem staatlichen Handeln.“

Prof. Dr. Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin, stellt den Grundrechte-Report bei der Pressekonferenz vor und resümiert mit Blick auf die Erfahrungen im letzten Jahr: „Einschränkungen von Grundrechten treffen meist die schwächsten und vulnerabelsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Sie können sich am wenigsten dagegen wehren. Ungleiche Rechte spiegeln daher auch den strukturellen Rassismus in diesem Land.“

Dies zeigt sich unter anderem an den haftähnlichen Kollektivquarantänen, die in Sammelunterkünften für Geflüchtete verhängt wurden. Hiervon berichtet Kawe Fatehi, der 2019 als kurdischer Aktivist vor politischer Verfolgung aus dem Iran nach Deutschland flüchtete: „Als ich am Morgen des 27. März 2020 aufwachte, war die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Halberstadt von Polizisten umstellt. Fünf Wochen standen wir unter kollektiver Quarantäne, hunderte Menschen auf engem Raum und ohne jeglichen Schutz vor Ketteninfektionen. Alle hatten Angst – zu Recht, denn auch ich wurde nach zweieinhalb Wochen Quarantäne positiv getestet.“

Das Konzept der „Clankriminalität“ wird im diesjährigen Report in einem ausführlichen Beitrag kritisch beleuchtet. Wie Mohammed Chahrour von der Initiative „Kein Generalverdacht“ feststellt: „Sippenhaft und Kollektivschuld bleiben 2021 Bestandteil der gesellschaftlichen Realität für viele Menschen. Das Versprechen des Rechtsstaats wird bei ethnischen Minderheiten und sozial benachteiligten Gruppen nicht eingelöst: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich.“

Neben diesen Themen beleuchtet der diesjährige Grundrechte-Report die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit während der Pandemie, die Zumutungen der Coronakrise für Beschäftigte im Gesundheitssektor, die prekären Bedingungen in Schlachtbetrieben und die ungleichen Auswirkungen der Pandemie im Bildungsbereich. Daneben wirft der Report Schlaglichter auf Themen wie digitale Rechte und Vorratsdatenspeicherung, die Verfassungsbeschwerden zum Klimaschutz und den „Cum-Ex“-Steuerskandal.

Seit mehr als zwanzig Jahren erscheint der „Grundrechte-Report: Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland“. Die 43 Einzelbeiträge im 25. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2020. Der alternative Verfassungsschutzbericht analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

Grundrechte-Report 2021 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgegeben von: Benjamin Derin, Jochen Goerdeler, Rolf Gössner, Wiebke Judith, Hans-Jörg Kreowski, Sarah Lincoln, Paul Nachtwey, Britta Rabe, Lea Welsch, Rosemarie Will. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M., Mai 2021, ISBN 978-3-596-70622-8, 267 Seiten, 12.00 Euro.
Inhaltsverzeichnis: http://www.grundrechte-report.de/2021/inhalt/
Rezensionsexemplare (auch als pdf) zu Pressezwecken können über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Carola Otte unter 030 - 2045 0256 oder info@humanistische-union.de.
Bezugsmöglichkeiten: Das Buch ist ab sofort über den Buchhandel oder die Webseite der Herausgeber zu beziehen (http://www.grundrechte-report.de/quermenue/bestellen/).

Der Grundrechte-Report 2021 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte

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Corona Grundrechte
news-778 Tue, 18 May 2021 10:49:01 +0200 Videoconference within the Asylum Procedure /publikationen/mitteilungen/mitteilung/videoconference-within-the-asylum-procedure-778 Auftakt einer Webinar-Serie, 27.5.21 um 20 h This webinar-series critically highlights interesting case law, legal developments in Europe in Asylum and Migration Law.

We are happy to start with:

Videoconference within the Asylum Procedure

27.5.2021 | 20 h

The webinar will discuss a successful ruling of the Belgian Council of State against the use of videoconferences in asylum procedures.

This webinar-series critically highlights interesting case law, legal developments in Europe in Asylum and Migration Law. We invite Lawyers to present interesting cases in order to share experiences and connect. We want to discuss the legal arguments but also the political context.

The aim of these webinars is to share practical experiences and to start a European, and global, communication amongst Lawyers concernig Migration and Asylum.

We are convinced we should organise strong positions amongst Lawyers to resist Fortress Europe and for the right of the freedom of movement.

Zoom link:
https://zoom.us/j/94967511847?pwd=OTQ3aW9LUjErTC9iWGRFQUg0LzlOdz09
Meeting ID: 949 6751 1847
Access code: 535239

Wir bitten um Anmeldung unter folgender Adresse: minaz@bruttocarattere.org

Die Anmeldung kann auf deutsch erfolgen, das Seminar wird in englischer Sprache stattfinden.

Ein Kollege aus Belgien wird über sein erfolgreiches Verfahren gegen den Einsatz von Anhörungen per Videokonferenz in seinem Verfahren berichten. Die ungewöhnliche Uhrzeit erklärt sich mit den Gepflogenheiten der eurpäischen Kolleg:innen. Das Ganze ist ein Testlauf und wird organisiert von der EDA. Weitere Veranstaltungen, dann mit mehr zeitlichem Vorlauf, sind geplant.

Die EDA ist ein europäischer Dachverband anwaltlicher Organisationen, in dem der RAV Mitglied ist.

http://www.aeud.org/2021/05/webinar-videoconference-within-the-asylum-procedure/

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Migration & Asyl (doublet) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) Migration & Asyl Veranstaltungen
news-777 Mon, 10 May 2021 08:41:54 +0200 Polizeigewalt und Ausnahmezustand in Kolumbien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeigewalt-und-ausnahmezustand-in-kolumbien-777 Online-Veranstaltung, 11.5.2021 um 18 h Mindestens 37 Tote. Große Demonstrationen, aber auch brutale Angriffe in Medellín, Cali, Bogotá und anderen Städten. Das Internet fällt immer wieder "überraschend" aus. Die Sondereinheit ESMAD veranstaltet Menschenjagden. Der Einsatz von Feuerwaffen gegen Protestierende wird Alltag. Mindestens 87 Personen sind verschwunden. Mindestens 1.700 Opfer von Polizeigewalt.
Und nun der Ausnahmezustand?

Was ist los in Kolumbien? Nach einem landesweiten Generalstreik wurde die Steuerreform zunächst zurückgenommen, der Finanzminister trat zurück. Die Proteste gehen aber weiter. Die neoliberale Regierung von Iván Duque wird von vielen Kolumbianer:innen nicht mehr als legitim angesehen. Wird der Ausnahmezustand verhängt? Was passiert dann? Lassen sich die Proteste noch stoppen? Und ist Polizeigewalt straflos?

Mit Magaly Pino, Sprecherin für Menschenrechte der Bäuer:innenbewegung CNA aus Cali.

Eine Veranstaltung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV).

Dienstag, 11.5.2021 um 18:00 h.

Link zur Teilnahme:
https://zoom.us/j/99151206934?pwd=VlRpU2NNKy9oUDcvSDJycjA2dHdMdz09
Meeting-ID: 991 5120 6934
Kenncode: 780993

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Polizeigewalt Veranstaltungen Kolumbien
news-776 Thu, 06 May 2021 10:17:40 +0200 Am 1. Mai hat die Frankfurter Polizei nicht »ihren Kompass verloren«<br />Sie ist wie üblich nach ihrem ureigenen Kompass gesegelt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/am-1-mai-hat-die-frankfurter-polizei-nicht-ihren-kompass-verloren-sie-ist-wie-ueblich-nach-ihrem-ureigenen-kompass-gesegelt-776 Pressemitteilung Nr. 6/21 vom 6. Mai 2021 In der Bewertung der Ereignisse vom 1. Mai in Frankfurt/M. beschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 3. Mai den Einsatz mit dem Satz, »Die Polizei hat den Kompass verloren«.(1) Diese Einschätzung greift bei weitem zu kurz und segelt weit am Ziel vorbei.

Der Polizeieinsatz am 1. Mai in Frankfurt/M. stellt keine einmalige Entgleisung von ›BFE-Einheiten‹ (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) dar. Denn erst unlängst (am 23.04.2021) hatte das Amtsgericht Frankfurt über den Einsatz von Beamten der BFE ›68‹ zu entscheiden, eine dieser ›BFE‹ vom 1. Mai in Frankfurt. Eine der ›BFE‹, die sich zugleich rühmen, auch im Dannenröder Wald im Einsatz gewesen zu sein. Einsätze, die gleichfalls schwerverletzte Demonstrant:innen zur Folge hatten.

Dass das Amtsgericht Frankfurt erst am 23.04.2021 die gewaltsamen Einsatzpraktiken von BFE-Beamt:innen unmissverständlich als das bezeichnet, was diese sind – eine »vorsätzliche rechtswidrige Straftat« im Amt (916 Ds 6153 Js 224821/19, HVT 23.04.2021) –, hat ganz offensichtlich keinerlei Resonanz gefunden.

Gewalttätige Polizeiübergriffe wie am 1. Mai in Frankfurt/M. sind schon lange keine Ausnahme mehr, sondern stellen eine in Jahren entstandene polizeiliche Alltagspraxis dar, die u.a. entstehen konnte, weil es weder ein disziplinarisches noch ein strafrechtliches Einwirken gab. Urteile gegen Polizist:innen stellen eine absolute Ausnahme dar – was den Handelnden auch bekannt ist.

Nicht selten übrigens ›exekutieren‹ ›BFE‹ (auch die des PP Frankfurt) auch dann noch vor Ort die Strafe (durch Schläge, oder – wie im Fall, der beim Amtsgericht Frankfurt/M. verhandelt wurde – durch eine Reihe von Schlägen), wenn die eigentliche polizeiliche Maßnahme bereits abgeschlossen ist.

Und nicht nur das. Es werden extra-legal handelnde Polizeibeamt:innen nicht nur nicht bestraft, sondern mehr und mehr Strafgesetze geschaffen, die geeignet sind, anlasslose Gewalt im Nachhinein zu legitimieren, indem man betroffene Opfer strafrechtlich und zivilrechtlich verfolgt. So wurden auch von den Polizeibeamt:innen den 1. Mai betreffend namhaft gemachte Schwerverletzte kurzerhand zu »Beschuldigten« erklärt.

»Mehr denn je zeigt sich, dass unabhängige Beschwerdestellen notwendig sind, um einer völligen Verrohung der Polizei wenigstens im Ansatz zu begegnen«, so Rechtsanwältin Verleih, Vorstandsmitglied im RAV. »Demonstrationen, die wie am 1. Mai in Frankfurt mit knöchernen Kopfverletzungen, gebrochenen Händen und Armen aufgelöst werden, sind nicht länger hinzunehmen«.

Kontakt:
Rechtsanwältin Waltraut Verleih, Souchaystraße 3, 60594 Frankfurt/M.
Tel.: 069. 61093674. E-Mail: waltraut.verleih@advocat-frankfurt.de


(1) Vgl. https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/polizei-ohne-kompass-kommentar-zu-vorfaellen-am-1-mai-in-frankfurt-17323448.html.

PM als PDF

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Polizeigewalt Pressemitteilung
news-775 Wed, 05 May 2021 09:51:10 +0200 Aushöhlung des Versammlungsrechts stoppen – Versammlungsfreiheit stärken, nicht beschränken! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aushoehlung-des-versammlungsrechts-stoppen-versammlungsfreiheit-staerken-nicht-beschraenken-775 Erklärung des RAV, der VDJ und des Grundrechtekomitees zum Gesetzentwurf für ein Versammlungsgesetz für NRW, 5.5.21 Der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie lehnen den von CDU und FDP vorgelegten Entwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen als undemokratisch ab. Der Entwurf verfehlt den zentralen Kern eines Versammlungsgesetzes: den Schutz der Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Der Entwurf ist vordemokratisch und atmet den Geist eines autoritären Staats.

Die Versammlungsfreiheit ist – als kollektive Meinungsfreiheit – eines der wichtigsten politischen Grundrechte, das für den politischen Meinungskampf, die gesellschaftliche Teilhabe und die Sicherstellung von demokratischen Grundsätzen von zentraler Bedeutung ist. Tritt das Versammlungsgesetz für NRW wie vorgeschlagen in Kraft, würden die zentralen verfassungsrechtlichen  Grundsätze der Versammlungsfreiheit, wie sie seit dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1985 bestehen, unterlaufen. Dazu gehören die Autonomie in der Ausgestaltung der Versammlung, die Staatsfreiheit, der freie Zugang zur Versammlung und die Abwesenheit von Observation und Registrierung.

Der Entwurf der Landesregierung ist durch ein tiefes Misstrauen gegen Bürger:innen geprägt, die vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Versammlungen werden alleinig als polizeilich zu behandelndes Problem – als Gefahr, der man begegnen muss – verstanden. Entsprechend sieht der Entwurf weitreichende Regulierungs- und Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei vor: Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung, Gefährderansprachen und weitere Maßnahmen.

Zusätzlich werden Möglichkeiten der Kriminalisierung von Teilnehmenden und Veranstalter:innen stark ausgeweitet. Es werden neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten geschaffen, sowie Strafmaße erhöht. Der Versammlungsleitung werden umfangreiche Pflichten auferlegt, die Anmeldung von Versammlungen wird erschwert. Dass es der Landesregierung im Braunkohleland NRW insbesondere darum geht, konzernkritische Klimaproteste gegen RWE abzuschwächen, belegt die Gesetzesbegründung. Auch antifaschistische Proteste werden massiv erschwert, das Recht auf Gegendemonstrationen beschnitten.

Rechtsanwältin Anna Busl, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, erklärt hierzu: „Die Ausübung der Versammlungsfreiheit, vom Bundesverfassungsgericht bezeichnet als ‚ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren‘, wird durch diesen Gesetzentwurf zur ‚Gefahr‘ erklärt, der polizeilich Einhalt geboten werden muss. Durch die Aufhebung der sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen kann gegen jeden Teilnehmer als ‚Störer‘ polizeilich vorgegangen werden.“

Michèle Winkler, Referentin des Komitees für Grundrechte und Demokratie ergänzt: „Dieses obrigkeitsstaatliche Verständnis der Versammlungsfreiheit ist einer Demokratie unwürdig. Die Landesregierung führt einen gezielten Bruch mit dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts herbei. Der Versammlungsfreiheit wird ihr demokratischer Kern entzogen: Wenn Demonstrationen komplett polizeilich eingehegt und überwacht sind, werden sie jeglicher Wirkung beraubt.

Rechtsanwältin Ursula Mende, Bundesvorstandsmitglied der VDJ unterstreicht: „Es ist offensichtlich, dass die Landesregierung die Kritik an ihrer desaströsen Klima- und Energiepolitik mithilfe des Versammlungsgesetzes zum Verstummen bringen will. Geradezu obsessiv wird auf die Klimabewegung verwiesen, um Verschärfungen zu begründen. Dies steht in starkem Kontrast zum Bundesverfassungsgericht, das gerade erst in einer historischen Entscheidung ein Klimaschutzgebot postuliert hat. Die Landesregierung täte gut daran, ihre politische Verantwortung wahrzunehmen, statt Protest gegen ihre desaströse Klimapolitik zu erschweren.

Pressekontakte:
Rechtsanwältin Anna Busl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Tel.: 030 44 67 92 16, busl@anwaltsbuero-bonn.de

Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie
Tel.: 0177 272 19 84, michelewinkler@grundrechtekomitee.de

Rechtsanwältin Ursula Mende, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen
Tel.: 02151 152616, mail@vdj.de

***

Nachfolgend die Argumentation im Einzelnen:

Teil 1: Hintergrund und allgemeine Anmerkungen
Teil 2: Kritik an spezifischen Regelungen im Gesetzentwurf (GE)
Teil 3: Anforderungen an ein modernes, freiheitliches, grundrechtszentriertes Versammlungsfreiheitsgesetz

Teil 1: Hintergrund und allgemeine Anmerkungen

Bisher gilt für NRW kein eigenes Versammlungsgesetz, das Bundesgesetz findet Anwendung. Im Abstand von wenigen Monaten haben die Fraktionen der SPD sowie die Landesregierung aus CDU und FDP je einen Gesetzentwurf für ein Versammlungsgesetz für NRW vorgelegt. Am 6. Mai 2021 findet die Öffentliche Anhörung im Innenausschuss des Landes zu beiden Entwürfen statt. Aufgrund der Regierungsmehrheit von CDU und FDP und des demokratiegefährdenden obrigkeitsstaatlichen Gestus, der den Entwurf der Landesregierung kennzeichnet, konzentrieren wir die Kritik auf den Entwurf von CDU und FDP. Wir sehen uns zu folgenden Anmerkungen am vorgelegten Gesetzentwurf veranlasst:

 Zeitpunkt der Einbringung

Der Zeitpunkt für das Einbringen der Gesetzesentwürfe spricht für sich. Seit über einem Jahr ist das gesellschaftliche Leben stark durch Infektionsschutzmaßnahmen eingeschränkt. Auch Versammlungen finden in deutlich geringerer Zahl und großenteils nur mit starken Einschränkungen statt. Ein verantwortlicher und rücksichtsvoller Umgang mit dem Pandemiegeschehen legt es Veranstalter:innen nahe, Versammlungen nur mit wenigen Teilnehmer:innen und kurzen Anfahrtswegen zu planen. Zahlenmäßig große Proteste sind nahezu unmöglich, zumindest aber verantwortungsvoll schwer umsetzbar. Unabhängig davon wurden in den vergangenen Monaten viele Versammlungen – auch mit ausgefeilten Hygienekonzepten – verboten oder durch Auflagen massiv beschränkt. In dieser Gemengelage ein Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen, das so massiv in ein demokratisches Freiheitsrecht eingreift, erweckt den Eindruck, dass die Landesregierung von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet den Moment nutzen will, um das Vorhaben ohne großen öffentlichen Dissens über die Bühne zu bringen.

 Missachtung demokratischer Teilhabe

Der Beschluss zu Versammlungen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf vom 14. Mai 1985 („Brokdorf-Beschluss“) gilt als erstmalige ausführliche verfassungsrechtliche Einordnung der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG. Das Bundesverfassungsgericht stellte u.a. fest: „Versammlungen [sind] wesentliches Element demokratischer Offenheit [...] sie bieten die Möglichkeit zur öffentlichen Einflußnahme auf den politischen Prozeß, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und Protest.“ Versammlungen seien „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“. Viele der heute geltenden Leitsätze zur Versammlungsfreiheit rekurrieren immer noch auf diesen Beschluss und auf darauf aufbauende Verfassungsrechtsprechung. Dazu gehören insbesondere die Autonomie in der Ausgestaltung einer Versammlung, die Staatsfreiheit, der freie Zugang zu Versammlungen und die Abwesenheit von Observation und Registrierung.

Mit dieser freiheitlichen Tradition scheint der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul brechen zu wollen. Schon am 23. April 2020 äußerte er in einer Innenausschusssitzung zum Thema „Versammlungen in NRW während der CoViD-19-Pandemie“: „Es gibt auch keinen Grund zu einer entsprechenden verfassungsrechtlichen oder rechtspolitischen Privilegierung der Grundrechtsausübung nach Artikel 8 des Grundgesetzes, zumal ich mich mit vielen anderen in der Meinung einig weiß, dass deren teils doch recht einseitig anmutende staatspraktische Bevorzugung in der Folge des sog. Brokdorf-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vielleicht auch in anderen Zusammenhängen einmal auf den Prüfstand gestellt werden sollte.“ Nach massiver Kritik an diesen Aussagen nahm Herbert Reul seine Aussage zurück und meinte, er sei missverstanden worden.

Allerdings spiegelt sich genau diese Argumentationslinie nun erneut im Gesetzesentwurf wider. Um nicht als Regierungskoalition selbst in die Verlegenheit zu geraten, die Verfassungsrechtsprechung offen in Zweifel zu ziehen, wurde die Kritik anhand eines Zitats aus der Rechtswissenschaft formuliert: „Auch das Bundesverfassungsgericht darf, so wird aus der Staatsrechtslehre angemahnt, ‚nicht nach Gusto Grundrechtsfavoriten küren.‘“ und weiter: „[…] das Grundgesetz habe plebiszitäre Formen unmittelbarer Demokratie ganz bewusst nur für wenige, eng begrenzte Ausnahmefälle zugelassen. Der Beschluss lasse eine Unterscheidung zwischen Staatswillensbildung und Volkswillensbildung vermissen, dem abgestuften System der Vorformung des politischen Willens im Grundgesetz werde eine nivellierende Gleichgewichtung aller Faktoren der öffentlichen Meinung nicht gerecht. Das Gericht habe ferner ausgeblendet, dass die Ausnutzung des Sensationsbedürfnisses der Medien durch geschickte Versammlungs- und Demonstrationsveranstalter teilweise gerade zur Überrepräsentation von Versammlungsereignissen in der Berichterstattung führen könne, die nicht durch die politische Bedeutung der jeweiligen Versammlung, sondern durch die medienwirksame Aktion bis hin zu gezielten (und gefilmten) Rechtsverletzungen geprägt seien. [...]“ Dies zeigt nicht nur, dass hier tatsächlich der Bruch mit den Leitsätzen des Brokdorf-Beschlusses gesucht wird, sondern enthüllt auch eine Missachtung demokratischer Teilhabe. Überhaupt die „politische Bedeutung der jeweiligen Versammlung“ bewerten zu wollen, ist anmaßend.
Wenn man dazu bedenkt, dass die Landesregierung in NRW massive klimapolitische Verwerfungen zu verantworten hat, bekommt dies einen weiteren Beigeschmack. Mit sich zuspitzender Klimakrise werden die Protestformen gegen die Braunkohleverstromung im Braunkohleland NRW immer diverser, die Proteste zahlreicher. Trotz umfangreicher Polizeieinsätze und massiver Desinformationspolitik haben die Proteste, insbesondere des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“, immer wieder tausende von Menschen angezogen. Im Brokdorf-Beschluss heißt es: „Demonstrativer Protest kann insbesondere notwendig werden, wenn die Repräsentativorgane mögliche Mißstände und Fehlentwicklungen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder aus Rücksichtnahme auf andere Interessen hinnehmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erst in einer historischen Entscheidung ein Klimaschutzgebot nach Artikel 20a GG im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen anerkannt. Es hat damit auch all jenen Recht gegeben, die seit Jahren mit – teils spektakulären Protestformen – eine drastisch unzureichende Klimapolitik anklagen. Die Landesregierung täte gut daran, die zugrundeliegende Problematik inhaltlich anzugehen. Stattdessen will sie nun aber die Einführung eines Versammlungsgesetzes nutzen, um Proteste weitgehend unterbinden zu können. Die Gesetzesbegründung geht an einigen Stellen geradezu obsessiv auf Demonstrationen in Garzweiler ein, um bestimmte Regelungen zu rechtfertigen. Prof. Dr. Clemens Arzt von der HWR Berlin spricht dahingehend in seiner Stellungnahme(1) zutreffender Weise vom „Trauma Garzweiler“, das zu einem „durch gefahrenabwehrzentrierte Denksätze aufgeladenen Staatsverständnis“ führe, welches den Gesetzesentwurf durchziehe.

 Fehlende grundrechtsschützende Ausrichtung

Die Neue Richtervereinigung bringt das sichtbarste Manko des Versammlungsgesetzentwurfs direkt zu Beginn ihrer Stellungnahme(2) auf den Punkt: „Entgegen dem selbst gesetzten Anspruch, eine umfassende Regelung zu schaffen, fehlt dem Gesetzentwurf nämlich sein Kern: das Versammlungsrecht. Die Reichweite und den Inhalt des Versammlungsrechts für den Rechtsanwender zu beschreiben, [...] müsste eine zentrale Aufgabe eines modernen Versammlungsgesetzes sein. Der Gesetzentwurf hingegen beschränkt sich auf die Aufarbeitung und „Weiterentwicklung“ der Regelungen zur Beschränkung und Beschneidung des nebulös bleibenden Grundrechts.“ Die Neue Richtervereinigung spricht dahingehend von einem „Versammlungsgesetz ohne Versammlungsrecht“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf. An keiner Stelle werden Pflichten der staatlichen Behörden zum Schutz der Versammlungsfreiheit ausformuliert.

Im kürzlich in Kraft getretenen Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz werden „Schutz- und Gewährleistungsaufgaben“ definiert. § 3 VersFG BE verpflichtet u.a. dazu, friedliche Versammlungen zu schützen, die Ausübung der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, den ungehinderten Zugang zu Versammlungen zu ermöglichen, die freie Berichterstattung der Medien bei Versammlungen zu gewährleisten, einen schonenden Ausgleich zwischen der Versammlungsfreiheit und den Grundrechten Dritter herzustellen, sowie die Durchführung von Gegenversammlungen in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen. Nichts davon findet sich im Entwurf der Landesregierung von NRW.

Diese verzichtet auch auf ein Deeskalationsgebot für die Polizei. Auch wenn die entsprechende Regelung in Berlin deutlich zu kurz greift und kein wirksames Deeskalationsgebot darstellt, scheint die Landesregierung in NRW gerade auch in Abgrenzung zu Berlin gänzlich auf ein Deeskalationsgebot zu verzichten (siehe Gesetzesbegründung S. 48), damit dieses nicht „als eine Art gesetzgeberischer Garantenpflicht und Erfolgshaftung missverstanden werden“ könne.


Teil 2: Kritik an spezifischen Regelungen im Gesetzentwurf (GE)

Keine Anwendung von Polizeirecht bei Versammlungen
Der in § 9 GE geregelte generelle Verweis auf Eingriffsbefugnisse aus dem Polizeigesetz des Landes NRW ist ersatzlos zu streichen. Versammlungsbezogene Eingriffe sind im Versammlungsgesetz zu regeln. Das gebietet die Polizeifestigkeit von Versammlungen. Der Verweis eröffnet der Polizei den Zugriff auf sämtliche Eingriffsmaßnahmen des Polizeirechts. Dies ist abzulehnen. Insbesondere § 9 (4), nach dem die Abreise von einer Versammlung angeblich nicht mehr von der Versammlungsfreiheit gedeckt sei, steht in eklatantem Widerspruch zum Grundrechtsschutz nach Artikel 8 GG.

Keine Kontrollstellen auf dem Weg zu Versammlungen
Der GE sieht in § 15 die unbeschränkte Möglichkeit der Errichtung von Kontrollstellen vor. Die Polizei soll an diesen Kontrollstellen die Möglichkeit haben, Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen durchzuführen. Die Regelung, die keinerlei Gefahrenprognose voraussetzt, eröffnet die Möglichkeit, systematisch und routinemäßig den Zugang zu Versammlungen zu kontrollieren. Dies hätte einen immens einschüchternden Charakter. Insbesondere die Identitätsfeststellung auf dem Weg zu einer Versammlung kann eine erhebliche abschreckende Wirkung haben, weil das Recht auf Anonymität damit wegfällt. Die Regelung steht zudem der Verfassungsrechtsprechung entgegen, die es verbietet, den Zugang zu einer Demonstration durch die Behinderung von Anfahrten und schleppende vorbeugende Kontrollen unzumutbar zu erschweren oder ihren staatsfreien unreglementierten Charakter durch exzessive Observationen und Registrierungen zu verändern (siehe Brokdorf-Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81).

Keine Einschüchterung durch sog. Gefährderansprachen
Nach § 14 (1) GE soll die Polizei Personen auf dem Weg zu Versammlungen anhalten dürfen, um sie per sogenannter Gefährderansprache von möglichen verbotenen Handlungen abzuhalten. Auch das muss als Befugnis zur Einschüchterung verstanden werden und ist mit Blick auf Artikel 8 GG abzulehnen.

Kein Ausschluss im Vorfeld von Versammlungen
Nach § 14 (2) GE darf Personen im Voraus einer Versammlung die Teilnahme verboten werden. Zur Sicherstellung des Verbots soll eine Meldeauflage verhängt werden, d.h. die betroffene Person muss bei einer Polizeidienststelle vorstellig werden. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Personen grundsätzlich die Teilnahme an Versammlungen zu versagen und damit deren Grundrechtsausübung vollständig einzuschränken. Um entsprechende Erlasse im Vorfeld zu versenden, muss die Polizei auf personenbezogene Daten zugreifen können. Denkbar ist, dass die Polizei künftig Datenbanken mit unliebsamen Demonstrationsteilnehmer:innen anlegt, ähnlich derer, die es für Fußballfans bereits gibt. Auf Basis dieser Datenbanken würden dann Einzelpersonen von geplanten Versammlungen ausgeschlossen. Ermächtigungen für Versammlungsausschlüsse im Vorfeld haben in einem Versammlungsgesetz nichts zu suchen.

Für beide zuvor genannten Punkte gilt: Sie laufen diametral dem verfassungsrechtlichen Grundsatz entgegen, dass nur im Falle einer konkreten Gefahr die Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden darf. Personen werden hierdurch künftig unter Generalverdacht gestellt und – wie in der Vergangenheit beobachtbar – aufgrund der ihren (zugeschriebenen) Gesinnung als „Gefährder“ eingestuft.  

Begrenzung von Video- und Tonaufnahmen und deren Aufzeichnung – keine Aufnahmen im Geheimen
Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungen stellen einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Problematisch ist auch hier die einschüchternde und abschreckende Wirkung von Videokameras. Jüngere Entscheidungen fordern daher sogar, dass Videobeobachtungsanlagen im Öffentlichen Raum während Versammlungen für die Teilnehmenden sichtbar abgedeckt werden. Begründet ist das damit, dass die verfassungsrechtlich unerwünschte Einschüchterungswirkung schon durch die bloße Präsenz entsprechender Überwachungsvorkehrungen entsteht. Die Rechtsprechung erkennt zudem an, dass schon sogenannte Übersichtsaufnahmen, wie sie in § 16 (2) GE vorgesehen sind, einen Eingriff in Artikel 8 GG darstellen. Deshalb sind diese nach dem Bundesverfassungsgericht nicht stets zulässig, sondern bedürfen einer Gefahrenprognose. Eine solche ist im Entwurf nicht vorgesehen. Erst recht dürfen diese Übersichtsaufnahmen, die vorgeblich zur „Lenkung des Polizeieinsatzes“ gestattet werden sollen, nicht aufgezeichnet werden – denn sonst könnten letztlich komplette Demonstrationen aufgezeichnet werden. Da unter § 16 (3) GE zusätzlich gestattet wird, die Aufnahmen unter bestimmten Voraussetzungen im Geheimen anzufertigen, verstärkt sich die Abschreckungswirkung nochmals.

Keine neuen Pflichten & Strafen für Versammlungsleitung
Für Veranstalter:innen und Anmelder:innen werden neue bürokratische Hürden errichtet. Nicht nur müssen deutlich mehr Angaben zu Person und Adresse gemacht werden, eine telefonische oder mündliche Anmeldemöglichkeit entfällt. Außerdem kann die Ausnahme von Samstagen, Sonn- und Feiertagen die Anmeldefrist auf bis zu vier Tage verlängern.
Gemäß § 12 (2) GE kann die Behörde in bestimmten Fällen Namen und Adressen von Ordner:innen von der Veranstalter:in verlangen. Diese können einer „Geeignetheitsprüfung“ unterzogen werden. Zuwiderhandlungen gegen diese stattlichen Vorgaben können mit Bußgeld belegt werden. Das kann es Veranstalter:innen massiv erschweren, Ordner:innen für die Versammlung zu finden und erhöht den Aufwand im Vorfeld erheblich.

Kein verdeckter Zwang zur Kooperation
Durch § 3 GE wird ein verdeckter Zwang zur Kooperation eingeführt, insbesondere durch die Möglichkeit, den „Kooperationswillen“ des Veranstalters bei Maßnahmen nach § 13 GE (Beschränkungen, Auflösung, Verbot) zu berücksichtigen. Ein solcher Zwang ist rechtsstaatlich höchst bedenklich. Nicht die oder der Veranstalter:in ist in einer Begründungs- oder Rechtfertigungspflicht gegenüber den staatlichen Behörden, sondern im Gegenteil: Die staatlichen Behörden haben jegliche Beschränkung oder Auflage zu begründen und können diese nur rechtfertigen mit einer konkreten Gefahr für ein ebenso hohes Rechtsgut wie es die Versammlungsfreiheit darstellt. Indem ein Gebot zur Kooperation zu einer „Kooperationspflicht“ wird, wie es die Gesetzesbegründung (versehentlich?) selbst schreibt, kann das einer Behörde gegenüber nicht gefällige Verhalten zu einer Beschränkung von Artikel 8 Abs. 1 GG führen.

Keine Ausweitung des Störungsverbots
Das bisherige Störungsverbot nicht-verbotener Versammlungen wird mit § 7 GE erheblich ausgeweitet. War es nach dem bisher anzuwendenden Versammlungsgesetz des Bundes nur dann strafbar, wenn Gewalttätigkeiten vorgenommen oder angedroht oder grobe Störungen verursacht wurden, so soll es nach § 7 (2) Nr. 2 GE bereits verboten sein, Handlungen vorzunehmen, die auf die Förderung von Störungen gegen bevorstehende Versammlungen gerichtet sind. Zukünftig soll – strafbewehrt – bereits Folgendes unterbunden werden, wie es aus der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgeht: „Die Vorbereitung oder Einübung von Störungshandlungen ist auch dann verboten, wenn ein konkretes Versammlungsgeschehen nicht absehbar ist. Zusammenkommen müssen vielmehr lediglich eine subjektive Verhinderungsabsicht und objektiv Handlungen, die die Durchführung der Versammlung behindern können. Das ist bei einem „Blockadetraining“ der Fall, da es die Blockadefähigkeiten potenzieller Blockierer erhöhen und letztere zudem in ihrer Blockadeabsicht bestärken kann, was sich wiederum potenziell nachteilig für die blockierte Versammlung auszuwirken vermag.

Eine solche Regelung ist evident verfassungswidrig: „Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt auch nicht nur solche Teilnehmer vor staatlichen Eingriffen, die die Ziele der Versammlung oder die dort vertretenen Meinungen billigen, sondern kommt ebenso denjenigen zugute, die ihnen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung zum Ausdruck bringen wollen. Der Schutz des Art. 8 GG endet jedoch dort, wo es nicht um die – wenn auch kritische – Teilnahme an der Versammlung, sondern um deren Verhinderung geht.“ (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1991 – 1 BvR 772/90 –, Rn. 16 - 17, juris)

Und das OVG NRW stellte fest: „Soweit Beeinträchtigungen von einer Gegendemonstration ausgehen, stehen einander gleichgewichtige Grundrechtspositionen gegenüber, zwischen denen ein Ausgleich im Rahmen praktischer Konkordanz anzustreben ist." (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. September 2012 – 5 A 1701/11 –, Rn. 75, juris). Nicht nur der Aufruf zu gewaltfreien Blockaden von Aufmärschen faschistischer Parteien und Gruppierungen wird durch das geplante Versammlungsgesetz unter Strafandrohung von bis zu zwei Jahren gestellt. Selbst der Aufruf zu symbolischen Blockaden, also die öffentliche Auseinandersetzung zur Verhinderung faschistischer Aufmärsche würde hierdurch kriminalisiert. Demokrat:innen soll es in NRW zukünftig nicht mehr erlaubt sein, sich einem Neonaziaufmarsch entgegenzustellen.

Die Behauptung, der Gesetzentwurf wolle insbesondere gegen Rechtsextreme vorgehen(3), entpuppt sich tatsächlich als ihr Gegenteil: Antifaschistischer Protest soll mittels des schärfsten Schwerts des Rechtsstaats – dem Strafrecht – sanktioniert und unterbunden werden.

Keine Ausweitung von Vermummungs-/ Uniformierungs- / und keine Schaffung eines Militanzverbots
Durch die im Entwurf unter den §§ 17 und 18 erfolgenden „Vermummungs-, Schutzausrüstungs- und Militanzverbote“ erfolgen weitreichende Ermächtigungen des Staates darüber zu entscheiden, wie eine Versammlung zu gestalten ist. „Indem der Demonstrant seine Meinung in physischer Präsenz, in voller Öffentlichkeit und ohne Zwischenschaltung von Medien kundgibt, entfaltet auch er seine Persönlichkeit in unmittelbarer Weise. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, wobei die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umganges miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.“ (BVerfGE 69, 315/345 – Brokdorf)
Es ist daher zunächst und ausschließlich Sache der Veranstalter:innen und Teilnehmer:innen, ihre Versammlung zu gestalten. Dabei kann insbesondere der optischen Gestaltung eine herausragende Rolle zukommen, indem etwa farblich ein einheitliches Auftreten erfolgt, um einen gemeinsamen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, um Geschlossenheit und Entschlossenheit zu vermitteln.
Durch den Gesetzentwurf wird diese Freiheit der staatlichen Direktive unterstellt. Sofern ein Verhalten durch die staatliche Behörde als „zur Identitätsverschleierung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet“ oder „als Schutzausrüstung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet“ (§ 17 GE) angesehen wird, ermöglicht dies ein staatliches Eingreifen und knüpft hieran sogar Strafbarkeit an. Unverdächtige Gegenstände wie Fahnenstangen, Schals und Sonnenbrillen werden dadurch zu möglichen Tatmitteln erklärt, durch die subjektiven Begriffe „geeignet für“, „gerichtet auf“ der staatlichen Einschätzung unterworfen und das Verhalten bereits mit einem Verbot belegt, ohne dass eine tatsächlich strafbare Handlung erfolgt.

Auch das sogenannte Militanzverbot in § 18 GE ist von subjektiven Wertungen, mithin von Rechtsunsicherheit, geprägt und geeignet, Versammlungen in ihrer Wirkung einzuschränken. Verboten soll nach § 18 Abs. 1 VersG-E künftig sein, an einer Versammlung auch nur teilzunehmen, wenn diese „infolge des äußeren Erscheinungsbildes
1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken,
2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder
3. in vergleichbarer Weise

Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt.“ Hier ist ein Strafmaß von bis zu zwei Jahren Haft vorgesehen, auch wenn lediglich dazu beigetragen wird, dass eine Versammlung diesem Verbot zuwider läuft. Durch das „Militanzverbot” bekommt die Polizei ein Instrument in die Hand, nahezu jeden missliebigen, kämpferischen Demonstrationsblock mit Maßnahmen bis hin zu Auflösung und Festnahmen zu konfrontieren. Schon die Begriffe „in vergleichbarer Weise“, „vermitteln“ und „einschüchternd wirken“ sind nur schwer auszulegen und erfüllen das Bestimmtheitsgebot nicht. Ein Auftreten mag zudem für eine staatliche Behörde „einschüchternd wirken“, dies kann sogar das Anliegen einer Versammlung sein. Dass die Gesetzesbegründung auf die Garzweiler-Demonstrationen Bezug nimmt, zeigt gerade, dass öffentlichkeitswirksame Proteste in ihrer Wirkung verkleinert werden sollen.

Dass diese Gesetzesbegründung auf die Begründungen zum Versammlungsgesetz von 1953 Bezug nimmt, zeigt, welche Wertigkeit der Versammlungsfreiheit zugesprochen wird: Die 1950er Jahre in der Bundesrepublik waren gerade von unter heutigen verfassungsrechtlichen Maßstäben unhaltbaren Versammlungsverboten geprägt (z.B. gegen die Remilitarisierung). Zudem muss auf die absurde Aneinanderreihung der nationalsozialistischen SA und SS mit dem heutigen „Schwarzen Block“ oder mit in gleichfarbige Overalls gekleidete Klimaaktivist:innen in der Begründung für das „Militanzverbot“ hingewiesen werden.

Ein weiterer zu kritisierender Punkt in den geplanten §§ 17 und 18 GE sind die enthaltenen Anordnungsermächtigungen: Bezüglich Vermummung und Schutzausrüstung darf die Polizei künftig festlegen, welche Gegenstände vom Verbot betroffen sein können. Im Falle des Uniformierungsverbots darf sie zusätzlich zu Gegenständen sogar verordnen, welche „Verhaltensweisen“ verboten sein sollen. Diese Anordnungsermächtigungen nehmen den Versammlungsteilnehmer:innen jegliche Planungssicherheit und Autonomie in der Gestaltung ihrer Versammlung. Dagegen legen sie zu viel Gestaltungsspielraum in die Hände der Polizei. Es ist nicht sichergestellt, dass nicht künftig bei jeder Versammlung schon im Vorfeld pauschal stark einschränkende Anordnungen getroffen werden. Das ist insbesondere problematisch, weil nach § 28 GE die Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit Bußgeldern belegt wird. Dies schafft Unsicherheit und kann Abschreckungswirkung entfalten.

Keine Datenerhebung von Ordner:innen
Aus nahezu jedem Grund, den die Polizei als eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ annimmt, müssen Veranstalter*innen eine Liste mit Namen und Adressen der Ordner*innen herausgeben. Diese Datenerhebung findet zur Überprüfung der Personen statt, die damit staatlich erfasst und eventuell auch gespeichert bleiben. Allein die Nichtbefolgung der Anweisung, Namen und Adressen von Ordner*innen zu nennen, kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 1.500 Euro geahndet werden. Zudem hat die Polizei ein Ablehnungsrecht der vorgesehenen Ordner:innen und somit eine Möglichkeit, die Organisation einer Versammlung stark zu behindern.

Kein Ausbau des Katalogs an Ordnungswidrigkeiten und keine Erhöhung von Strafmaßen
Der Gesetzentwurf würde sechs zusätzliche Ordnungswidrigkeitentatbestände schaffen, die es bisher nicht gibt. So sollen z.B. vorgeblich störende Handlungen, die nicht strafrechtlich verfolgt werden können, künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Wer einen Schal und eine Sonnenbrille auf dem Weg zu einer Demonstration in der Tasche hat, kann dem Wortlaut nach zukünftig ein Bußgeld erhalten. Wer mit einem Gegenstand zur Versammlung geht, der durch eine Anordnung der Polizei als verboten gilt, handelt künftig ordnungswidrig. Somit bekommt die Polizei weitreichende Möglichkeiten, gegen Proteste vorzugehen. Die Bußgeldandrohungen verdreifachen bzw. versechsfachen sich auf bis zu 3.000 Euro.
Strafandrohungen, die bisher bei maximal einem Jahr Gefängnis lagen, werden teilweise nun auf bis zu zwei Jahre Gefängnis verdoppelt. Dazu gehört das Strafmaß zum Vermummungsverbot, zum Waffen- und Schutzausrüstungsverbot und die Gewaltdrohung gegen Versammlungsleitung oder Ordner:innen.


Teil 3: Anforderungen an ein modernes, freiheitliches, grundrechtszentriertes Versammlungsfreiheitsgesetz

Neben der detaillierten Kritik der schwerwiegendsten Unzulänglichkeiten des Gesetzesentwurfs von CDU und FDP ist es uns ein Anliegen, konkrete Vorschläge für ein modernes, freiheitliches und grundrechtszentriertes Versammlungsfreiheitsgesetz zu machen, das den Namen verdient. Wir wollen an einigen Punkten verdeutlichen, wie in einem Versammlungsgesetz die Versammlungsfreiheit zum Ausdruck kommen könnte; wohlwissend, dass der beste Schutz des Grundrechts der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit nur dessen aktive und mutige Wahrnehmung ist."

Die Versammlungsbehörde sollte nicht Teil der Polizei sein
Die Aufgaben der Polizei sind die Verfolgung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren. Die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit passt nicht zu diesem Aufgabenbereich, es ergeben sich dauerhaft Zielkonflikte, die regelmäßig zugunsten der polizeilichen Perspektive aufgelöst werden. Die Polizei ordnet Versammlungen als Gefahr ein, Teilnehmer sind potentielle Störer:innen. Versammlungsbehörde und Polizei sind daher zu trennen. In NRW wird nunmehr stattdessen nach § 32 GE die Kreispolizeibehörde als zuständige Versammlungsbehörde festgeschrieben.

Die Anzeigepflicht ist zu begrenzen
Die Anzeigepflicht für Versammlungen ist zu begrenzen auf solche, die aufgrund ihrer zu erwartenden Größe eine vorherige behördliche Befassung erforderlich machen. Es ist unverhältnismäßig, wenn sich bspw. drei Personen mit einem Transparent auf einen Fußweg stellen wollen und dies unter Bußgeldandrohung vorher anmelden müssen.

Verpflichtende behördliche Reaktionszeiten
Der Gesetzentwurf sieht nicht vor, dass die Behörde innerhalb einer bestimmten Zeit, etwa ebenso innerhalb von 48 Stunden, verpflichtet ist, etwaige Beschränkungen oder Auflagen zu verfügen. Dies aber wäre, gerade vor dem Hintergrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes, begrüßenswert. In der Vergangenheit – und in besonders verschärfter Weise vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den zusätzlichen Eingriffsermächtigungen durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) – waren Veranstalter:innen damit konfrontiert, erst wenige Stunden vor einer geplanten Versammlung einen Auflagenbescheid bis hin zur Verbotsverfügung zu erhalten. Das hatte mitunter zur Folge, dass effektiver Rechtsschutz, ggf. bis zum BVerfG, zeitlich nicht mehr möglich war, Rechte damit unwiederbringlich verloren waren.

Vermummungs-, Schutzwaffen- und Militanzverbot generell abschaffen
Die Vermummungs-, Schutzwaffen- und Militanzverbote sind generell abzuschaffen. Sie kranken daran, dass nicht-strafbares Verhalten, wie das Tragen einer Fahnenstange oder das Tragen gleichartiger Kleidungsstücke, durch eine staatliche, notwendig subjektive Einschätzung kriminalisiert wird. Eine rechtssichere Unterscheidung zwischen legalem und illegalem Verhalten ist dem Einzelnen damit unmöglich. Das bereits bei seiner Einführung 1985 bzw. 1989 als autoritär kritisierte Vermummungsverbot ist abzuschaffen. Gerade die Erfahrungen der letzten Monate mit Mund-Nasenschutz bei Versammlungen haben gezeigt, dass sich die Vorannahme nicht bestätigt, anonym teilnehmende seine per sé gefährlich. Für eine Demokratie ist die anonyme Meinungsäußerung ein elementarer Bestandteil. Für Antifaschist:innen kann es überlebenswichtig sein, nicht identifizierbar zu sein.

Begrenzung des Anwesenheitsrechts der Polizei
Die Landesregierung hat das im bisherigen Bundesgesetz und auch in anderen Ländergesetzen vorgesehene Gebot, dass sich die Polizei sowohl bei Veranstaltungen unter freiem Himmel als auch in geschlossenen Räumen zu erkennen zu geben hat, weggelassen. Es sollte keine pauschale Befugnis zur Anwesenheit für die Polizei geben. Immer häufiger führt deren Anwesenheit dazu, dass die Präsenz der Polizei das Bild der Demonstration prägt und damit für Teilnehmer:innen wie Dritte einschüchternd wirken kann. Erst recht muss es eine Vorschrift geben, die die Polizei verpflichtet, sich zu erkennen zu geben. Dies sollte auch nicht auf die Veranstaltungsleitung begrenzt sein und ein Verbot umfassen, Polizeikräfte in Zivil ohne Kennzeichnung in Versammlungen einzusetzen.

Die öffentliche Ordnung ist als Eingriffsrechtfertigung zu streichen
Statt den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ zu streichen, wird dieser als Teil der Ermächtigungsgrundlage in § 13 GE erneut genannt. Der Begriff der öffentlichen Ordnung umfasst „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung des geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird“ (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315 (352)). Schon daraus wird ersichtlich: Aus rechtsstaatlichen Gründen ist eine solche Ermächtigungsgrundlage nicht haltbar. Sie öffnet willkürlichem Handeln des Staates Tür und Tor, da die „öffentliche Ordnung“ inhärent unbestimmt ist. Dass diese Willkür bereits durch den Gesetzentwurf angelegt ist, dass nicht die Beschränkung, sondern die Ausweitung der Anwendung der „öffentlichen Ordnung“ impliziert wird, wird erneut in der Begründung deutlich: „Angesichts zunehmender Verrohungs- und Verhetzungstendenzen auch im Zusammenhang mit Versammlungen sollte es dabei bleiben, dass die öffentliche Ordnung als versammlungsrechtliches Schutzgut erhalten bleibt. Sollten die entsprechenden Tendenzen anhalten, wäre zu hoffen, dass die Bedeutung der öffentlichen Ordnung in der Versammlungspraxis eher zu- als abnehmen sollte.
Auch verfassungsrechtlich ist diese Ermächtigungsgrundlage mit Artikel 8 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Denn danach darf eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen. „Ungeschriebene Regeln“ sind gerade kein Gesetz.


(1) https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-3834.pdf
(2) https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-3823.pdf
(3) Vgl. Christos Katzidis, CDU Landtagsabgeordneter, Generalanzeiger, 07.02.2021

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Versammlungsfreiheit Pressemitteilung Versammlungsrecht Versammlungsrecht
news-774 Tue, 04 May 2021 10:57:32 +0200 Und immer noch: Afghanistan ist nicht sicher!<br />Stoppt alle Abschiebungen nach Afghanistan! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/und-immer-noch-afghanistan-ist-nicht-sicher-stoppt-alle-abschiebungen-nach-afghanistan-774 Pressemitteilung vom 4.5.21 des bundesweiten Netzwerks gegen Abschiebungen nach Afghanistan Ungeachtet der verheerenden Sicherheitslage und der massiven Ausbreitung des Covid19 Virus schiebt Deutschland weiter monatlich nach Afghanistan ab. In das unsicherste Land der Welt(1). Immer und immer wieder.
Der letzte Abschiebeflug aus Berlin ist noch nicht einmal einen Monat her (7. April 2021), da war schon der nächste Abschiebeflug für heute, den 4.5. anberaumt. Der Flug wurde nun aus Sicherheitsgründen abgesagt, um die mitfliegenden Beamt*innen der Bundespolizei zu schützen. Wir fordern sofortige politische Konsequenzen in Form eines bundesweiten generellen Abschiebestopps für Afghanistan.

Es fehlen mittlerweile die Worte für das menschenfeindliche Handeln des Bundesinnenministers Horst Seehofer und das vieler Innenminister der Bundesländer. Alles ist gesagt - es gibt sowohl Gerichtsurteile(2) wie auch Beschlüsse der Regierungsparteien einzelner Bundesländer(3), um die Abschiebungen auszusetzen. Und dennoch müssen wir jeden Monat aufs Neue öffentlich machen, was Abschiebungen nach Afghanistan bedeuten. Menschen werden fremdbestimmt außer Landes geschafft, in ein Land, das viele nur aus ihrer Kindheit kennen oder noch nie gesehen haben. Ein Land, in dem viele der Abgeschobenen keine Netzwerke oder Strukturen haben, die sie vor Obdach- und kompletter Mittellosigkeit bewahren. Die Situation in Afghanistan ist durch die Pandemie, wie auch den Krieg für jeden Menschen akut lebensbedrohlich!

Horst Seehofer und die sich an den Abschiebungen beteiligenden Bundesländer ignorieren nach wie bevor BEWUSST die gerichtlichen Entscheidungen, die bestätigen, dass derzeit sogar junge gesunde Männer nicht nach Afghanistan abgeschoben werden dürfen.
Auf dem Rücken von afghanischen Menschen wird im Vorwahlkampf Hardliner-Politik gemacht und immer wieder das Narrativ des Gefährders und Straftäters bedient, der nach Afghanistan abgeschoben wird. Abgesehen von der Tatsache, dass auch Menschen ohne Vorstrafen abgeschoben werden, verbietet sich die Abschiebung nach Afghanistan für alle Menschen. Deutschland hat nicht erst durch die seit 2001 stattfindende militärische Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan eine besondere Verantwortung den vor diesem Krieg geflohenen Menschen gegenüber.
Ebenso hat sich Deutschland durch das Unterzeichnen der Genfer Konventionen(4) und der New Yorker Erklärung(5) dazu verpflichtet, Schutz suchenden Menschen diesen Schutz zu gewährleisten. Deutschland kommt seiner Verantwortung somit in doppelter Weise nicht nach!

Nicht nur werden schutzsuchende Menschen während einer globalen Pandemie abgeschoben, sondern auch in ein Land, in welchem die deutsche Bundeswehr und weitere NATO-Truppen zunächst als aktive Kriegsparteien das Leben dieser Menschen (mit)gefährdet haben und zudem die zukünftige Sicherheitslage nach dem Abzug der Truppen völlig unvorhersehbar ist.

Der Schutz von Menschenleben während einer globalen Pandemie einzigartigen Ausmaßes kann nicht an nationalen Grenzen halt machen und vom Aufenthaltsstatus oder der Nationalität abhängen.

Wir lassen nicht zu, dass sich die Öffentlichkeit an Abschiebungen nach Afghanistan gewöhnt. Unsere Forderung bleibt bestehen:
Keine Abschiebungen nach Afghanistan! Afghanistan ist nicht sicher! #AfghanistanNotSafe


Unterzeichner:innen:

1. Jugendliche ohne Grenzen
2. Yaar e.V.
3. Women in Exile and Friends
4. AfghanistanNotSafe KölnBonn
5. Migrantifa Berlin
6. We’ll Come United Berlin Brandenburg
7. Afghanisches Kommunikations- und Kulturzentrum e.V.
8. Zaki – Bildung und Kultur e.V.
9. Afghanisch-Deutscher Kulturverein Flensburg
10. Verein für Iranische Flüchtlinge e.V.
11. #SyriaNotSafe
12. Sea-Watch e.V.
13. LAMA der GEW Berlin
14. IPPNW AK Flucht & Asyl
15. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
16. Bayerischer Flüchtlingsrat
17. Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
18. Flüchtlingsrat Berlin e.V.
19. Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
20. Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
21. Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
22. Flüchtlingsrat Bremen e.V.
23. AK Asyl - Flüchtlingsrat RLP e.V.
24. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.
25. Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
26. Seebrücke Berlin
27. Seebrücke Lübeck
28. Seebrücke Fürth
29. Seebrücke Bochum
30. Seebrücke Potsdam
31. Seebrücke Münster
32. Seebrücke Köln
33. BBZ- Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
34. Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB)
35. AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
36. Xenion e.V.
37. Moabit hilft e.V
38. CHoG- CHAMPIONS ohne GRENZEN e.V.
39. Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf
40. BZSL e.V.
41. MeG betreutes Wohnen gGmbH
42. Härtefallberatung-Flüchtlingsrat Berlin e.V.
43. KommMit e. V.
44. Flüchtlingsbeauftragter im Ev.-Luth. Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde
45. Fremde brauchen Freunde e.V., Nordfriesland
46. Sprungbrett Zukunft Berlin e.V.
47. Bleibe.e.V.
48. InterAktiv e.V.
49. Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen (ZBBS) e.V.
50. Leiterin der Beratungsstelle von Yekmal e. V.
51. Flüchtlingsrat Oberhausen e.V.
52. Bon Courage e.V.
53. AK Asyl Göttingen
54. weltweit - die Freiwilligengruppe von Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
55. Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf
56. AG Bleiben Köln
57. Mosaik Köln Mülheim e.V.
58. AK Antira Magdeburg
59. Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt
60. Café Internationale(Merseburg)
61. MediNetz Bielefeld
62. move on - menschen.rechte tübingen e.V.
63. Bündnis Bleiberecht Tübingen
64. Kommission für Bürgerarbeit Pankow
65. Place4Refugees e.V.

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(1) https://www.visionofhumanity.org/wp-content/uploads/2020/10/GPI_2020_web.pdf
(2) https://www.asyl.net/view/detail/News/rechtsprechungsuebersicht-pandemiebedingte-gefahrenlage-bei-rueckkehr-nach-afghanistan/
(3) Z.B. Berlin: https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/keine-abschiebungen-nach-afghanistan-und-syrien/
(4) https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/03/Genfer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf
(5) https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/05/New-Yorker-Erklärung-Kurzinformation.pdf

 

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Abschiebungen Migration & Asyl (doublet) Pressemitteilung Migration & Asyl
news-773 Tue, 27 Apr 2021 12:13:14 +0200 Landfriedensbruch oder Demokratiebruch?<br />Zur Geschichte und Gegenwart eines Paragraphen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/landfriedensbruch-oder-demokratiebruch-br-773 Online-Veranstaltung | 28.5.21 | Podiumsdiskussion | 19:30 - 21:00h Demonstrationen waren und sind Kampfmittel gegen Obrigkeitsstaat und Diktatur. Für eine Demokratie ist die freie Versammlung wichtig wie die Luft zum Atmen. Doch sieht sich die Versammlungsfreiheit vielfältigen Angriffen ausgesetzt. So finden zunehmend vor allem links gerichtete Versammlungen nur noch unter enger polizeilicher Kontrolle statt. Auseinandersetzungen, Festnahmen und strafrechtliche Verfolgung mit den Vorwürfen des „tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte“ (§ 114 StGB) oder des „Landfriedensbruchs“ (§ 125, 125a StGB) sind auch gegen Teilnehmer:innen alltäglich geworden, die sich an etwaigen Angriffen oder Gewalttätigkeiten gar nicht beteiligt haben.

Dabei ist schon seit einer Gesetzesreform im Jahr 1970 die bloße Anwesenheit in einer unfriedlichen Versammlung nicht mehr strafbar. Nur wer als „Täter“ oder „Teilnehmer“ an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen“ beteiligt ist, die aus einer Menschenmenge heraus begangen werden, kann sich des Landfriedensbruchs strafbar machen.

In der justiziellen Aufarbeitung von G20 wird gerade versucht, wieder das einfache „Mitmarschieren“ als Teilnahmehandlung unter Strafe zu stellen. Auch in der Politik gibt es immer neue Initiativen, um den Zustand vor 1970 wieder herzustellen. Zuletzt war es Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul, der im Dezember 2020 unter Hinweis auf die Auseinandersetzungen im Hambacher Forst eine Rechtslage forderte, die ein Vorgehen auch gegen Demonstrierende erlaube, „die Gewalttäter allein durch ihre physische Präsenz schützen“.

Dabei hatte im Jahr 1985 das Bundesverfassungsgericht in dem schon legendären „Brokdorf-Beschluss“ festgeschrieben, dass Versammlungen ein verfassungsrechtlich schützenswertes „Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie enthielten, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren.“ Mit dieser Veranstaltung wollen wir der Frage nachgehen, wie viel von diesem Versprechen noch übrig geblieben ist und was wir tun müssen, um die Versammlungsfreiheit wieder stark zu machen.

 

Gabriele Heinecke ist seit vielen Jahren Rechtsanwältin in Hamburg und hat in zahlreichen Demonstrationsstrafverfahren verteidigt, in jüngerer Zeit in den Fällen des anlässlich G20 am „Rondenbarg“ anwesenden Italieners „Fabio“ und in dem „Elbchaussee-Verfahren“.

Dr. Dr. Peter Ullrich ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Protest- und Bewegungsforschung, hat das Projekt „Mapping #NoG20“ geleitet und ist Co-Bereichsleiter „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ am Zentrum Technik und Gesellschaft, TU Berlin.

Dr. Oliver Harry Gerson ist Jurist und wissenschaftlicher Assistent/ Habilitand am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht von Prof. Dr. Robert Esser (Universität Passau). Er hat in dem „Elbchausseeverfahren“ für die Verteidigung ein umfangreiches Gutachten zu den Beteiligungsformen des §§ 125, 125a StGB erstellt.

 

Termin:
28.5.21 | 19:30 - 21:00 h

Veranstaltung:
https://zoom.us/j/99264445043?pwd=d2NPN1JWcDFsdHBDLy9nVUhEVDZXdz09
Kenncode: 798520

 

Online-Flyer (PDF)

 

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Der RAV bietet zusätzlich zu diesem Thema auch eine (kostenpflichtige) Fortbildung gem. FAO am 28.05.2021 von 16 - 19 Uhr an.
Mehr Informationen und Anmeldeoptionen unter: https://www.rav.de/fortbildung/seminare/seminar/verteidigung-gegen-den-vorwurf-des-landfriedensbruches/3f059cd63c5ad9d0ca3d49bcdefeb1a2/

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Versammlungsrecht Versammlungsrecht Veranstaltungen
news-771 Thu, 15 Apr 2021 11:30:54 +0200 Bundesverfassungsgericht kippt den ›Berliner Mietendeckel‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietendeckel-771 Pressemitteilung 5/21 vom 15.4.2021 Mit Befremden hat der RAV die überraschende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom heutigen Tage zum MietenWoG Berlin (›Berliner Mietendeckel‹) zur Kenntnis genommen. Aus Sicht des RAV ist die Entscheidung sowohl in rechtlicher Hinsicht, als auch wegen ihrer sozial- und wohnungspolitischen Folgen falsch.

Mit blindem Formalismus verneint das BVerfG die Gesetzgebungskompetenz des Landes. »Es lässt damit die Lebensrealität vieler Mieterinnen und Mieter vor allem in den Ballungsgebieten außer Acht, die mit der erdrückenden Last immer weiter steigender Mieten konfrontiert sind«, so Rechtsanwalt und RAV-Mitglied, Henrik Solf. Mit den in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft geäußerten rechtlichen Argumenten für eine Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Wohnungswesens setzt sich das Gericht in der durch zahlreiche Veröffentlichungen gebotenen Aufmerksamkeit nicht auseinander.

Vielmehr bedient es im Wesentlichen das von den Interessenverbänden der Vermieter:innenseite lancierte Dogma, Regelungen zu Miethöhen seien lediglich im »bürgerlichen Recht« zu regeln und stünden unter dem unbedingten Primat der Privatautonomie. Dass der Bund offensichtlich nicht abschließend und wirksam auf die Anforderungen an ein soziales Mietrecht reagiert hat, zeigt die Entwicklung insbesondere auf den Mietmärkten, die von Verdrängung und enormem Preisdruck auf die Mieter:innen geprägt sind.

Dennoch sind die Anstrengungen des Landes Berlin nicht umsonst gewesen. In den letzten beiden Jahren hat sich eine breite gesellschaftliche Diskussion über gerechte Mieten entwickelt. Gleichzeitig hatte der ›Berliner Deckel‹ der bundesweit geltenden Mietpreisbremse, die aufgrund ihrer vielen Ausnahmebestimmungen nur mäßig wirkt, erstmals Zähne verliehen.

»Wenn nun das MietenWoG nach Ansicht des BVerfG an der fehlenden Landeskompetenz scheitert«, so Rechtsanwalt Benjamin Hersch und RAV-Vorstandsmitglied, »muss jetzt dringend auf den Bund geschaut werden – ganz besonders in Hinblick auf die anstehenden Wahlen«. Zudem gilt es nach Auffassung des RAV nun umso mehr, die Initiative ›DW & Co. Enteignen‹ zu unterstützen und voranzubringen. Ein breit aufgestellter kommunaler Wohnungssektor hat die Chance, mietpreisdämpfende Wirkung zu entfalten.

PM als PDF

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Mietendeckel Pressemitteilung
news-770 Wed, 14 Apr 2021 16:53:53 +0200 StN zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zur-gebotenen-gesetzlichen-kodifizierung-des-einsatzes-von-v-personen-770 Anlässlich der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Stellungnahme zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen für den Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltverein e.V. sowie für die Strafverteidigervereinigungen gelegentlich der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages

Verfasser: Rechtsanwalt Stefan Conen, Berlin

Hierbei ist noch anzumerken, dass es im Gange der hier beschriebenen Polizei keine Spitzel, keine heimlichen Aufklärer bedarf. Verheimlichung ist alle Male klein, niedrig und unmoralisch (...) Wem soll denn der Staat diesen entehrenden Auftrag geben? Soll er selbst zur Ehrlosigkeit und Unmoralität aufmuntern, und sie zur Pflicht machen? Dann, wenn der Staat einmal bei einigen Menschen Heimlichkeit autorisiert, wer ist ihm denn Bürge, dass nicht diese selber ihre Verborgenheit zum Vergehen nutzen?

Johann Gottlieb Fichte(1)

1.
Schon seit längerem wird eine gesetzliche Grundlage für das Tätigwerden von sog. V-Personen gefordert. Die in der Rechtsprechung und Praxis bislang herangezogenen allgemeinen Kompetenzbeschreibungen der §§ 161, 163 StPO erweisen sich bei näherer Betrachtung als untaugliche Krücken und genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nach welchen staatlich veranlasstes Handeln, das mit Grundrechtseingriffen verbunden ist, zu normieren ist. Zutreffend kommt auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seinem Gutachten aus dem Jahr 2019 zu diesem Ergebnis.(2) Dies ist auch nur konsequent, wenn man sich vor Augen führt, dass jeder gezielte V-Person-Einsatz, der sich gegen einen Bürger richtet, mindestens in dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift.(3) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem sog. „Volkszählungsurteil“ ausgeführt, dass der Bürger, um die Chance der Persönlichkeitsentfaltung zu haben, wissen muss, wer wann was über ihn wisse. Dieses Wissen ist gerade – und ganz besonders dann – gefährdet, wenn der Bürger gar nicht bemerkt, dass überhaupt personenbezogene Daten im staatlichen Auftrag über ihn erhoben werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass verdeckte Ermittlungsmethoden per se unzulässig und untunlich wären. Es bedeutet lediglich, dass sie stets einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mitbringen, welcher nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage zulässig sein kann. In seinem Urteil zum BKAG hat das Bundesverfassungsgericht judiziert, dass „das Ausnutzen von Vertrauen durch Verdeckte Ermittler oder Vertrauenspersonen“ als „sehr schwerwiegender Grundrechtseingriff“ zu bezeichnen ist.(4) An einer gesetzlichen Grundlage, obschon verfassungsrechtlich notwendig, fehlt es dem strafprozessualen V-Personenwesen jedoch nach wie vor in Gänze.(5)

Damit ist indes nur das normative Elend beschrieben, nicht aber seine Lösung. Für eine solche bräuchte es eine ehrliche und gründliche Bestandsaufnahme des V-Personenwesens in der Bundesrepublik, das strafprozessual nicht nur aufgrund einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage rechtsstaatswidrig ist. Die gegenwärtige Praxis ist in ihrer Ausprägung in der Rechtswirklichkeit oder besser gesagt  in ihrer rechtstatsächlichen Entgrenzung, begünstigt durch normative Verantwortungslosigkeit für staatliches Handeln, in einer rechtsstaatlich mehr als dunkelgrauen Zone.  Der status quo ließe sich unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze gar nicht zulässig kodifizieren. Um so dringlicher ist die Legislative zur rechtskonformen Einhegung der vorhandenen nachfolgend zu beschreibenden Auswüchse gefragt:

2.
Bereits die Zusage einer Vertraulichkeit gegenüber Personen, die strafprozessual normativ Zeugen sind, bedarf einer sorgfältig ausgestalteten gesetzlichen Grundlage. Denn bei dem bislang informellen und unregulierten staatlichen Akt einer Vertraulichkeitszusage handelt es sich sozusagen um einen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich zu Lasten der beschuldigten Zielperson. Bei dieser wird nicht nur in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, sondern auch aufgrund der versicherten Vertraulichkeit antizipiert, dass sie im Falle eines späteren Prozesses keine Gelegenheit haben wird, die V-Person unmittelbar zu befragen. Mithin wird mit der staatlichen Zusage einer Vertraulichkeit dem Angeklagten sein Recht aus Art. 6 Abs. 3d EMRK genommen, mit welchem die Europäische Menschenrechtskonvention ihm eigentlich garantiert, ihn belastende Zeugen entweder direkt oder über seinen Verteidiger zu befragen, ja konfrontieren zu können. Daneben greift die Vertraulichkeitszusage auch in die Verpflichtung des Gerichts ein, sich des sachnächsten Beweismittels im Sinne des auch verfassungsrechtlich hochgehaltenen Gebots der „bestmöglichen Sachaufklärung“(6) zu versichern.

All dies wird gegenwärtig insuffizient durch die Vernehmung der sog. VP-FührerInnen, also derjenigen BeamtInnen, welche die V-Person führen substituiert. Es bleibt für alle Verfahrensbeteiligten vollkommen unklar, ob die V-Person massiv vorbestraft ist, ob sie etwa wegen Täuschungsdelikten wie Betrug, falscher Verdächtigung oder gar Falschaussage vor Gericht verurteilt oder auch nur polizeilich in Erscheinung getreten ist. Bewusst falsche Verdächtigungen einer V-Person lassen sich justiziell kaum verfolgen, weil die Hürde einer bewusst wahrheitswidrigen Denunziation der Subsumtion der VP-FührerIn überlassen bleibt, die allein Kontakt zur VP hat und deren subjektiven Tatbestand einschätzen kann. Der Staatsanwaltschaft selbst fehlt es aufgrund der Anonymisierung der VP regelmäßig an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine eigene Beurteilung und damit für ein ggfls. gebotenes Einschreiten.

Die Wiedergabe der von der VP mitgeteilten Informationen vor Gericht erfolgt fast immer nur gefiltert durch den oder die VP-FührerIn. Diese bekunden zur Verlässlichkeit der V-Person stets, dass sich diese auch in der Vergangenheit als „zuverlässig“ erwiesen habe. Diese Aussage ist indes ein Muster ohne Wert. Zum einen ist sie für niemanden überprüfbar.  Zum anderen müssen VP-FührerInnen in foro regelmäßig zugeben, dass sie zumeist den Ausgang von Prozessen, welche ihre Vertrauenspersonen ggf. angestoßen haben, gar nicht rückgekoppelt bekommen. Eine Qualitätskontrolle jenseits des Bauchgefühls der VP-FührerIn ist in keiner Weise, obschon rechtsstaatlich angezeigt, institutionalisiert.

Der Unterzeichner hat im Übrigen selbst erlebt, dass eine Vertrauensperson, die vom Gericht in ihrem Agieren als unzuverlässig gebrandmarkt wurde und von welcher der Bundesgerichtshof später erwartete, dass geprüft würde, sie strafrechtlich zu verfolgen, in der internen Bewertung der VP-Abteilung dessen unbeschadet weiterhin als zuverlässig galt. Der gerichtlichen Bewertung des gesamten Einsatzes sowie des VP-Agierens wurde polizeilich die Gefolgschaft ebenso verweigert (Fall Akbay, BGH NStZ 2014, 277 ff., Rn. 48) wie einem anderen Auftrag dieses Judikats (Kenntlichmachung der Entlohnung von V-Leuten und deren Höhe in den Akten, dazu sogleich unter 3.).

Konsequenz aus diesem Umstand kann nur sein, dass gesetzlich das verankert wird, was ohnehin Leitbild der StPO ist: Dass nämlich die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Verfahrens“ auch dort in die Verantwortung genommen wird, wo rechtsstaatliche und Transparenzdefizite bereits vorhanden und weiterhin absehbar sind. Eine gesetzliche Kodifizierung muss daher i.S.d. § 160 StPO, welcher der Staatsanwaltschaft die beherrschende und verantwortliche Rolle für das Ermittlungsverfahren zuschreibt, diese gerade auch im Bereich des V-Personenwesens in die personale Verantwortung nehmen.

3.
In dem Verfahren Akbay ist die Bundesrepublik gerade jüngst wieder wegen Verletzung des fairen Verfahrens durch eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation verurteilt worden (vgl. EGMR 40495/15).(7) Die rechtsstaatswidrige Tatprovokation ist in der gegenwärtigen faktischen Ausgestaltung von VP-Einsätzen potentiell weiterhin angelegt. Dies hängt (auch) unmittelbar mit der Entlohnung von Vertrauenspersonen zusammen, welche zum einen geheim gehalten wird und zum anderen – insoweit bestätigt durch zahlreiche VP-FührerInnenvernehmungen in foro – an Art und Umfang der durch die VP dem Beschuldigten zugeschriebenen Betäubungsmittel ausgerichtet ist. Es liegt mithin im finanziellen Interesse einer Vertrauensperson einem als Zielperson ausgemachten (oder staatlich zugewiesenen) Bürger erfolgreich eines möglichst umfänglichen BtM-Handels zu bezichtigen, zu überführen und ggfls. zu verleiten. Auch wenn dies nicht die Intention der VP-Entlohnung darstellt, ist es doch eine nicht selten zu beobachtende Begleiterscheinung der jeweiligen Einsätze und keineswegs nur eine allenfalls denktheoretisch mögliche, vollkommen abstrakte Gefahr. Gerade hier zeigt sich in der gesetzlich ungeregelten Praxis zudem die fehlende Bereitschaft der Behörden, selbst höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten. So hat etwa in dem vorzitierten Urteil des Bundesgerichtshofs(8) dieser ausgeführt:

Zudem muss in einem Rechtsstaat schon der bloße Anschein, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen, vermieden werden. Deshalb sollte in den Akten ebenfalls vermerkt sein, ob eine Vertrauensperson für ihre Tätigkeit eine Entlohnung zugesagt bekommen oder gar erhalten hat. Der Senat weist darauf hin, dass Höhe und Erfolgsbezogenheit des jeweiligen Honorars im Rahmen der gebotenen umfassenden Beweiswürdigung für die Bewertung des Motivs der Vertrauensperson, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, relevant sein und entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen kann.

Dieses BGH-Urteil stammt aus dem Jahre 2013 und betraf einen Berliner VP-Einsatz, für den der EGMR später die Bundesrepublik wegen unzureichender Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation verurteilte.(9) Der Unterzeichner ist in diversen Berliner Verfahren, bei denen auch V-Leute eine Rolle spielten, im Anschluss an dieses Urteil tätig gewesen. Seine regelmäßig gestellte Frage an die VP-Führung, ob und ggf. wie hoch die Entlohnung sei, welche die V-Person bekommen habe, wurde und wird ebenso regelmäßig abschlägig mit Verweis auf eine fehlende Aussagegenehmigung nicht beantwortet. Die vom Bundesgerichtshof geforderte Aktenkundigkeit derartiger Entlohnungen findet nicht statt. Dieser Fall, der wie gesagt ein Berliner Fall war und der die Berliner VP-Führung betraf, wird in Hauptverhandlungen von der betroffenen Behörde trotz des eindeutigen zitierten Wortlautes der Entscheidung des Bundesgerichtshofs stets dahingehend interpretiert, dass es sich insoweit um eine „Einzelfallentscheidung“ gehandelt habe, der keine generelle Bedeutung beikäme, man mithin als VP-Führung weiterhin jegliche Angabe zur Entlohnung von VPs verweigern dürfe.(10)

Diese bemerkenswerte Interpretation des vorzitierten Wortlautes der zitierten Entscheidung ist so eigenwillig wie offenkundig unzutreffend. Sie illuminiert jedoch die Verweigerung jedweder – selbst  höchstrichterlich angeordneter – Transparenz und mag als Beispiel dafür dienen, weshalb es umso dringlicher gesetzlicher Regelungen in diesem Bereich bedarf.

Entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher auch gesetzlich festzuschreiben, dass die Höhe und Ausmaß der Entlohnung von Vertrauenspersonen transparent aktenkundig gemacht werden.

4.
Die fehlende Transparenz des V-Personenwesens zeigt sich auch noch in einer anderen Konstellation regelmäßig im Gerichtssaal. Tatsächlich sind die polizeilichen Abteilungen, welche die V-Personen führen, regelmäßig von den ermittelnden Dezernaten personell (und meist auch räumlich) getrennt. In der Theorie soll die VP-Führung eigentlich nicht den Ermittlungsstand der ermittelnden Behörde kennen. VP-Führer berichten im Gerichtssaal denn auch regelmäßig, dass sie über Art, Ausmaß und Umfang der Ermittlungen, zu denen ihre V-Person beiträgt, nicht informiert sind, insbesondere auch keine diesbezügliche Aktenkenntnis haben. Sie können daher regelmäßig auch nicht ausschließen, dass die V-Person, welche ihnen anonymisiert Informationen übermittelt, nicht auch von der die Ermittlung führenden Dienststelle als Zeuge unter Klarnamen vernommen wird. Dies ist deswegen intrikat, weil später die Verfahrensbeteiligten den Eindruck vermittelt bekommen können, dass sie mit zwei personalen Beweismitteln konfrontiert sind, nämlich zum einen einer anonymen V-Person, aber dann auch mit einem namentlich bekannten Zeugen, der die VP ggfls. in Teilen bestätigt. In Wahrheit handelt es sich tatsächlich jedoch nur um ein personales Beweismittel, nämlich eine Person, die einmal indirekt durch die VP-Führung in die Hauptverhandlung unerkannt Informationen einführt und zum anderen dies „normal“ als namentlich bekannter Zeuge tut. Dem Gericht bleibt die Personalunion der vermeintlich zwei Beweismittel in diesen Konstellationen verborgen. Dies ist vor allem deshalb von Belang, weil nach der Rechtsprechung auf die Aussage einer V-Person allein eine Verurteilung nicht gestützt werden kann, es sei denn, es gebe außerhalb ihrer Aussage bestehende Indizien von Gewicht, welche die V-Personenerklärung bestätigen würden. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass diese Anforderung der Rechtsprechung leerläuft, wenn die gleiche Person sich quasi selbst bestätigt und sei es nur in Teilen, weil sie vermeintlich „heikle“ Inhalte nur anonymisiert preisgab, ihre eigene verdeckte Aussage indes als Zeuge namentlich in anderen, vermeintlich weniger heiklen Teilen bestätigt.

5.
Bei einer legislativen Kodifizierung des V-Personenwesens ist insbesondere Bedacht auf die Rechtsprechung des EGMR zu nehmen. Dieser fordert, gerade weil der Einsatz von Vertrauenspersonen wie vorstehend beschrieben das naheliegende Risiko einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation birgt, staatlicherseits Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zu einer solchen kommt. Dies wäre auch als Auftrag an den Gesetzgeber bei einer Normierung von VP-Einsätzen de lege ferenda zu verstehen. Der EGMR judiziert regelmäßig, dass, weil der Einsatz von Vertrauenspersonen (die zumeist nach Erfolg bezahlt werden) das Risiko von rechtsstaatswidrigen Tatprovokationen inhärent und staatlich veranlasst ist, dass

soweit die vom Angeklagten vorgebrachten Behauptungen nicht völlig unplausibel sind [dass eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation stattgefunden haben kann, Anmerkung des Unterzeichners], hat die Staatsanwaltschaft zu beweisen, dass keine Tatprovokation stattgefunden hat. In der Praxis könne es so sein, dass die Behörden diese Beweispflicht nicht erfüllen können, wenn die verdeckte Maßnahme nicht förmlich genehmigt und überwacht wurde (s. Bannikova, Rn. 48). Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines eindeutigen und vorhersehbaren Verfahrens für die Genehmigung von Ermittlungsmaßnahmen sowie deren ordnungsgemäße Überwachung unterstrichen. Bei verdeckten Maßnahmen hielt er die gerichtliche Überwachung für das am besten geeignete Mittel (s. Bannikova, Rn. 49, 50; und Matanovic, Rn. 124; vgl. auch Edwards und Lewis, Rn. 46 u. 48)“.

Soweit der EGMR hier eine enge richterliche Überwachung für das am besten geeignete Mittel hält diese Risiken zu minimieren, widerstreitet dies den Prinzipien des deutschen Strafverfahrensrechts, in welchem gem. § 160 StPO die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens ist. Da es ihr nach dem EGMR obliegt, im Falle einer im Raum stehenden Tatprovokation zu beweisen, dass eine solche gerade nicht stattgefunden hat, wäre es nur – wie bereits oben unter 2. dargetan – konsequent, sie auch de lege ferenda mit der unmittelbaren Überwachung der V-Personen zu befassen und in die Verantwortung zu nehmen.

6.
Des Weiteren ist in einer künftigen gesetzlichen Regelung die Aktenführung hinsichtlich der V-Person zu determinieren und zu kodifizieren. Gegenwärtig ist es so, dass es zumeist keine „ordentlichen“ Vernehmungsprotokolle der V-Personen gibt. Stattdessen sind in den Akten entweder die Äußerungen der VP zusammenfassende Vermerke ihrer VP-FührerIn enthalten, welche diese der V-Person regelmäßig auch nicht mehr etwa zum Gegenlesen oder zur Genehmigung vorlegt. Gleiches gilt für sog. „Quellenvernehmungen“, welche der Aufmachung nach zwar Vernehmungsprotokolle sind, die von der V-Person aber ebenfalls nicht gegengezeichnet werden.

Daneben existieren indes regelmäßig dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten inklusive der Staatsanwaltschaft vorenthaltene sog. „Treffberichte“,(11) welche zwar ebenfalls die Informationsabschöpfung der V-Person betreffen, jedoch nicht zu den Verfahrensakten gelangen, sondern in der Dienststelle der VP-Führung als Verschlusssache – „Nur für den Dienstgebrauch“ – abgeheftet werden. Diese Verfahrensweise widerstreitet dem Prinzip der Aktenvollständigkeit. Erneut sei der Bundesgerichtshof NStZ 2014, 277, dort Rn. 46, zitiert, wenn er ausführt:

Es steht nicht im Belieben der Ermittlungsbehörden, ob sie strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in den Akten vermerken und zu welchem Zeitpunkt sie dies tun. Das Tatgericht muss den Gang des Verfahrens ohne Abstriche nachvollziehen können. Dies ist kein Selbstzweck, sondern soll die ordnungsgemäße Vorbereitung durch das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten gewährleisten (...). Zudem muss in einem Rechtsstaat der bloße Anschein, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen, vermieden.

Auch wenn dieses Zitat sich nicht auf die sog. Treffberichte bezieht, sondern Leitlinien eines rechtsstaatlichen Verfahrens verdeutlicht, sollte es um so mehr Richtschnur bei der überfälligen legislativen Inangriffnahme der Regelung des VP-Wesens sein.

7.
Es ist mehr als überfällig, dass der Gesetzgeber sich der Thematik einer gesetzlichen Regelung des strafprozessualen Einsatzes von V-Leuten gründlich annimmt und diese unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kodifiziert. Die hier gemachten Ausführungen verstehen sich dabei als essentialia negotii gerade auch aus Sicht eines Praktikers. Die Frage, ob es eines rechtsstaatlichen Verfahrens würdig ist, private Spitzel auf Bürger anzusetzen, hat der Gesetzgeber und nur er zu entscheiden und nicht wie bislang eine sich selbst überlassene Praxis quasi nach Belieben auszugestalten.

Hierbei  geht es auch keinesfalls um deklaratorische Regulierungen eines lässlichen Bagatellthemas, sondern um reale Gefahren für die Wahrheitsfindung und hiermit verbunden die reale Gefahr von Fehlurteilen zu Lasten Unschuldiger. Dieses Risiko verdeutlicht der Blick auf amerikanische Untersuchungen, nach denen 15% nachgewiesener Fehlurteile auf der Wirkung staatlich verpflichteter Spitzel beruhen.(12) Die Definition eines amerikanischen Spitzels (snitch) entspricht nicht derjenigen eines V-Manns. Gemein ist beiden indes, dass sie gegen oder in der Hoffnung auf Vorteile dem Staat inkriminierende Informationen gegen Dritte andienen.

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(1) Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, angewandtes Naturrecht, Bd. II, S. 155f.
(2) Gutachten WD3-3000-252/19 zu dem Ergebnis, dass die verfassungsrechtliche Legitimation von VP-Einsätzen, bei denen die VP die Zielperson durch Täuschung ausforscht, einer gesetzlichen Grundlage bedarf.
(3) Zu unterscheiden sind bei Informationsgewinnungen durch V-Personen solche, die „lediglich“ bereits bei ihr vorhandene Informationen aus dem Umfeld der Zielperson anonymisiert liefern (in der Praxis sog. „Warm-VPs“) und solche, die staatlich zur Informationsgewinnung an die Zielperson herangespielt werden (sog. „Kaltstart-VPs“) bzw. Umfeld-VPs, die zur weiteren Erforschung der Zielperson staatlich animiert werden. Grundrechtsrelevant sind insbesondere die letzteren Konstellationen.
(4) BVerfG, Urt. v. 20.04.2016 – 1 BvR 966/09.
(5) s. hierzu kritisch bereits Eschelbach in StV 2000, 390ff.
(6) BVerfGE 133, 168
(7) EGMR v. 15.10.2020 Akbay vs. Germany
(8) BGH NStZ 2014, 277
(9) EGMR v. 15.10.2020 Akbay vs. Germany
(10) Verantwortlich für diese Einschätzung, so regelmäßig die VP-FührerInnen vor Gericht, zeichne das Justitiariat der Berliner Polizei, dem diese Frage zur Beurteilung vorgelegen habe.
(11) Als Treffberichte bezeichnete übrigens gleichlautend die Stasi ihre Vermerke über Zusammenkünfte mit ihren sogenannten Informellen Mitarbeitern.
(12) s. Nachweise bei www.innocenceproject.org sowie auch die Studie des Center on wrongful conviction: „The snitch system: How incentivized Witness put 38 innocent Americans in death row.”

Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen Verfassungsschutz
news-769 Sat, 03 Apr 2021 17:55:48 +0200 Freiheit geht nur solidarisch.<br />#unteilbar statt vereinzelt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-geht-nur-solidarisch-unteilbar-statt-vereinzelt-769 Statement der solidarischen Gesellschaft - Hier unterzeichnen! Statement der solidarischen Gesellschaft anlässlich erneuter Mobilisierungen von „Querdenken“ und anderen Pandemieleugner*innen im Frühling 2021

[Zum Unterzeichnen s. Link ganz unten]

Egoismus und Rücksichtslosigkeit zerstören den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer sich „Querdenken“ anschließt, fordert eine Gesellschaft, in der die gesundheitlichen Gefahren für Millionen Menschen geleugnet werden und in der antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen an die Stelle von überprüfbaren Fakten treten; in der die demokratische Debatte durch das Recht der Stärkeren ersetzt und die Zusammenarbeit mit Faschist*innen zur Normalität wird. In einer solchen Gesellschaft wollen wir nicht leben. Viele von uns würden sie nicht überleben.

Das Hinterfragen staatlicher Politik, auch der Corona-Maßnahmen, ist wichtig. Wo es notwendig ist, üben wir Kritik. Dabei sind wir uns einig: Verschwörungserzählungen, Rassismus und faschistische Ideologien sind niemals legitim. Als solidarische Gesellschaft setzen wir uns für das Wohl aller Menschen ein. Wir wollen eine Politik, die niemanden zurücklässt und die verhindert, dass in der Krise einige immer reicher und viele immer ärmer werden. Wir erwarten die ausnahmslose Einhaltung der Menschenrechte, vorausschauendes Handeln und Raum für demokratische Kontrolle, der einer offenen Gesellschaft entspricht. Wir wollen eine lebenswerte Zukunft für alle – in der Krise und danach!
Wir verzichten momentan weitgehend auf den massenhaften Ausdruck unserer Forderungen auf der Straße, weil Kontaktbeschränkungen und Abstand wichtige Mittel des Infektionsschutzes sind. Wenn wir auch in Pandemiezeiten demonstrieren, halten wir uns an die Hygieneregeln.
Wir planen gemeinsam die nächsten Proteste für einen klimagerechten, sozialen, antirassistischen und geschlechtergerechten Weg aus der Krise und unterstützen uns dabei gegenseitig. Zusammen streiten wir für eine Zukunft, die von allen mitgestaltet werden kann.


Der RAV ruft dazu auf, das Statement zu zeichnen, hier

Statement als PDF

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#unteilbar
news-768 Tue, 23 Mar 2021 10:01:06 +0100 Gerechtigkeit für die ›EL HIBLU 3‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gerechtigkeit-fuer-die-el-hiblu-3-768 Pressemitteilung Nr. 4/21 vom 23. März 2021 und Aufruf zur Beteiligung an Kundgebung RAV fordert zum zweiten Jahrestag ihrer Seenot-Rettung die Einhaltung internationalen Rechts

In Malta droht drei jungen Migranten aus afrikanischen Ländern eine lebenslange Haftstrafe, weil sie sich dafür einsetzten, nach der Rettung aus akuter Seenot im Mittelmeer nicht mit weiteren Geflüchteten zurück in die Lager Libyens verbracht zu werden. Aus Bedrohten werden Täter und aus Deeskalation wird ›Terrorismus‹.

Was war geschehen? Am 28. März 2019 rettete das Frachtschiff El Hiblu 1 über 100 Menschen – darunter 20 Frauen und mindestens 15 Kinder – aus akuter Seenot. Als die Menschen bemerkten, dass das rettende Schiff Kurs auf Libyen nahm, brach an Bord Verzweiflung und Panik aus. Amnesty International bestätigte seinerzeit, dass die Geretteten zu keinem Zeitpunkt gewalttätig gegen die Besatzung vorgingen. Drei der Geretteten – zwei Minderjährige sowie ein 19-Jähriger – hätten vielmehr für die Schiffsführer gedolmetscht, um die in Panik geratenen Flüchtlinge zu beruhigen. Die Besatzung der El Hiblu 1 beschloss daraufhin, das Schiff in Richtung Malta zu steuern.

Was sind die Folgen? Die drei Teenager wurden von den maltesischen Behörden festgenommen und bis November 2019 in Untersuchungshaft interniert, kamen dann auf Kaution frei. Sie sind seitdem als die ›El Hiblu 3‹ bekannt. Unter Meldeauflagen und strenger Ausgangssperre nehmen sie monatlich an einer Gerichtsverhandlung teil, die Teil des Ermittlungsverfahrens ist. Malta ermittelt gegen sie u.a. wegen ›Terrorismus‹. »Damit werden die Ereignisse vom März 2019 auf den Kopf gestellt und international anerkannte Rechtsstaatsprinzipien in Frage gestellt«, so RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo. »Wir beobachten in großer Sorge die Erosion des Rechtsstaats und eine neue Eskalation bei der Kriminalisierung von Geflüchteten«, so Böhlo.

Erst am 4. März 2021 konnte eine der Geflüchteten als Augenzeugin über die Ereignisse vom März 2019 berichten. Die nächste Anhörung ist für den 15. April 2021 angesetzt, und der RAV sowie ihre europäische Partnerorganisation, die Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA-AED), beobachten den Prozess weiter.

Was sind die Forderungen? Der RAV fordert die Einstellung des Verfahrens. Er verweist in einem Statement (dazu unten) auf die Notwendigkeit, internationale Normen und Vereinbarungen zu respektieren und deren Durchsetzung zu befördern. Das Hantieren mit dem Begriff ›Terrorismus‹ ist dazu kein Beitrag, sondern ein Angriff auf den Rechtsstaat und die Menschenwürde. Die Diffamierung von Menschen, die um ihr Leben und ihre Rechte kämpfen, muss endlich ein Ende haben.


GERECHTIGKEIT FÜR DIE ›EL HIBLU 3‹!
KUNDGEBUNG
26. März 2021, 11:00 Uhr
Maltesische Botschaft
Klingelhöferstraße 7 | 10785 Berlin

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Zum juristischen Hintergrund

Libyen ist unbestritten kein ›sicherer‹ Ort, auch nicht für die Einschiffung von Geflüchteten und Migrant*innen, die auf See gerettet werden. Der RAV erinnert daran: Die Menschenrechtsberichte der UNO und der Europäischen Union dokumentieren systematische Menschenrechtsverletzungen gegen Migrant*innen in Libyen, darunter unrechtmäßige Tötungen, willkürliche Inhaftierungen, Folter und unmenschliche Behandlung, alarmierende Raten von Unterernährung, von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Gruppenvergewaltigung, Sklaverei, Zwangsarbeit und Erpressung.

Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention – insbesondere das Prinzip des non-refoulement – und die Verpflichtungen gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention einzuhalten. Der RAV erinnert daran: Das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ist ein notstandsfestes Recht, das unter keinen Umständen einschränkbar ist.

Denklogisch umfasst der Schutz vor Folter das Unterlassen von Anweisungen und Handlungen, durch welche die Betroffenen den Folterern erst zugeführt werden. Mittäter kann auch derjenige sein, der Menschenrechtsverletzungen durch das Verbringen von Menschen in die Herrschaftssphäre der Täter – hier Libyen – erst ermöglicht. Der RAV erinnert daran: Juristisch stellt dies Beihilfe zur Folter dar. Richten sich die Verpflichtungen aus den internationalen und europäischen Abkommen direkt zunächst an staatliche Stellen, gelten diese Handlungs- bzw. Unterlassensnormen über die nationalen Rechtsordnungen auch für Private, d.h. z.B. für die Besatzungsmitglieder nicht-staatlicher Schiffe.

Die Menschen an Bord des Schiffes El Hiblu 1 handelten, um ihre Rechte nach internationalem Recht zu verteidigen, insbesondere ihr Recht, frei von der ernsthaften Gefahr von Folter, Vergewaltigung, Sklaverei und anderer unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu sein, sollten sie gewaltsam nach Libyen zurückgebracht werden. Der RAV erinnert daran: Zwei der ›El Hiblu 3‹ waren zudem zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen noch minderjährig und sind somit rechtlich als besonders schutzbedürftig anzuerkennen. Ihre speziellen Bedürfnisse und Rechte müssen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens Berücksichtigung finden.

PM und Hintergrund als PDF

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Eine weitere Stellungnahme, die von einer Reihe von Organisationen (so auch der RAV) unterstützt wird, findet sich hier auf der Seite der Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA):

"A reminder of the second anniversary of the rescue and subsequent detention of young migrants called El Hiblu 3" http://www.aeud.org/2021/03/justice-for-el-hiblu-3/

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Migration & Asyl (doublet) Pressemitteilung Migration & Asyl
news-764 Fri, 26 Feb 2021 11:25:00 +0100 Deutsche Wohnen & Co enteignen<br />RAV unterstützt Volksbegehren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/deutsche-wohnen-co-enteignen-br-rav-unterstuetzt-volksbegehren-764 Pressemitteilung 3/21 vom 26.2.2021 Der RAV unterstützt das Volksbegehren der Initiative ›Deutsche Wohnen & Co enteignen‹. Wir rufen dazu auf, sich engagiert an der Unterschriftensammlung zu beteiligen. Am Freitag, dem 26. Februar 2021 startet die Kampagne und ruft zur Beteiligung auf: https://www.dwenteignen.de/mitmachen/.

 

Mit dieser Vergesellschaftung werden in Berlin ca. 240.000 Wohnungen dem Profitstreben der großen Wohnungskonzerne entzogen und im Sinne eines Grundrechts auf Wohnen so bewirtschaftet, dass kein:e Mieter:in in Angst leben muss, die Miete nicht mehr bezahlen zu können und die Wohnung zu verlieren. Zum anderen erhält die Stadt ein wichtiges Steuerungsmittel, um in relevanter Weise und demokratisch kontrolliert in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Die Vergesellschaftung dient damit auch der Re-Politisierung der Verteilung des lebenswichtigen Gutes ›Wohnraum‹. Eine erfolgreiche Kampagne wird darüber hinaus im öffentlichen Diskurs die Bandbreite politischer Denkmöglichkeiten bedeutend bereichern und kann als Blaupause für ähnliche Initiativen in anderen Regionen und Politikfeldern dienen.

Wohnen ist ein existenzielles, menschliches Grundbedürfnis und muss daher ein Grundrecht sein.

Tatsächlich erleben wir aber in unserer täglichen Arbeit als Anwält:innen die Verdrängung von Mieter:innen – unseren Mandant:innen – aus ihren Wohnungen durch

  


In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass der Bundesgesetzgeber nicht im Stande ist, die Mieter:innen auf dem immer enger werdenden Wohnungsmarkt ausreichend zu schützen. Vielmehr gaben die Gesetzesänderungen in den letzten Jahren den Vermieter:innen Instrumente an die Hand, das Mietniveau einseitig und nachhaltig zu ihren Gunsten zu steigern. Im Ergebnis sind die Mietkosten mittlerweile der bedeutendste Haushaltsposten der Mieter:innen. Aufgrund stagnierender Löhne geraten sie zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis.

Die Gesetzesänderungen der letzten Jahre –  z.B. im Bereich des Modernisierungsrechts – haben sich sogar gegen die Mieter:innen gerichtet. So wurde ihnen das Recht, sich gegen aufwändige teure Sanierungen in der Wohnung zu wehren und danach zu verbleiben, erheblich beschränkt. Härtefallregelungen schützen sie dabei nur unzureichend. Selbst Gesetzesänderungen, die – wie die sog. Mietpreisbremse – Mieter:innen vor zu hohen Neuvertragsmieten schützen sollen, gewähren durch ihre Ausnahmetatbestände nur sehr unzureichenden Schutz, da sie zu einfach zu umgehen sind.

Daher sind zur Gewährleistung eines Grundrechts auf Wohnen neue Wege erforderlich.

Die Initiative ›Deutsche Wohnen & Co enteignen‹ will durch einen Volksentscheid ein im Grundgesetz vorgesehenes Vergesellschaftungsgesetz auf den Weg bringen, das gewinnorientierte Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung überführt. Die Initiative beruft sich neben Art. 28 Abs. 1 der Berliner Landesverfassung, der jedem Menschen ein Recht auf angemessenen Wohnraum garantiert und dem Land dafür eine besondere Verantwortung zuspricht, auch auf Art. 15 Grundgesetz (GG). Art. 15 GG besagt, dass u.a. Grund und Boden zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden kann. Der Artikel erfasst dabei auch Wohnungsunternehmen.

Daher unterstützen wir die auf Art. 15 Grundgesetz beruhende Idee der Vergesellschaftung und hoffen auf einen Erfolg der Kampagne. Wir rufen dazu auf, das Volksbegehren durch Unterschrift zu unterstützen.

 

Kontakte:
Rechtsanwalt Benjamin Hersch: 030.455 00 00
Rechtsanwältin Carola Handwerg: 030.470 55 183

 

Pressemitteilung Deutsche Wohnen & Co enteignen - RAV unterstützt Volksbegehren als PDF

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Mietrecht (doublet) Pressemitteilung Mietrecht
news-763 Thu, 25 Feb 2021 08:41:53 +0100 Solidaritätserklärung mit Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız /publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaetserklaerung-mit-rechtsanwaeltin-seda-basay-yildiz-763 RAV, VDJ und Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen: Gemeinsame Pressemitteilung, 25.2.21 Die Bedrohungen gegen unsere Kolleg:innen müssen endlich aufhören
Anwält:innen-Organisationen fordern effektive Ermittlungen im Komplex ›NSU 2.0‹

Seit mehr als zweieinhalb Jahren erhält unsere Frankfurter Kollegin, Frau Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, von unbekannten Täter:innen immer wieder Schreiben, in denen sie und ihre Familie beleidigt und mit dem Tode bedroht werden. Die Kollegin, die dieses Jahr den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage der Stadt Wiesbaden erhalten wird, ist aufgrund ihres öffentlichkeitswirksamen Auftretens als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren und als Strafverteidigerin in den Fokus der anonymen Täter:innen geraten. Die persönlichen Daten der Familie, die in den Drohschreiben enthalten waren, kamen aus einem Revier der hessischen Polizei. Trotz daraufhin erfolgter Adresssperrungen erreichen unsere Kollegin immer wieder neue Drohschreiben. Wir gehen davon aus, dass die Täter:innen in den Reihen der hessischen Polizei zu finden sind. Die Drohschreiben sind mit ›NSU 2.0‹ unterschrieben, womit sich die Verfasser:innen ausdrücklich auf die mörderische Form des Rechtsterrorismus beziehen. Unsere Kollegin Başay-Yıldız ist nicht die Einzige, die solche Drohschreiben erhalten hat. Auch andere Kolleg:innen, Journalist:innen, Politiker:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen erhalten mit dem Kürzel ›NSU 2.0‹ unterzeichnete Drohschreiben. Diese Bedrohungen betreffen vorwiegend Frauen, die sich im Rahmen ihrer Arbeit und öffentlich gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Sexismus engagieren und äußern.

Die hessischen Strafverfolgungsbehörden haben bisher keine Ermittlungserfolge öffentlich gemacht. Entweder sind die Ermittlungen über Jahre erfolglos oder Erkenntnisse wurden zwar gewonnen, werden aber geheim gehalten – möglicherweise, um das Ansehen der Polizei zu schützen. Auch ist der Schutz, den unsere Kollegin seitens der hessischen Polizei erfährt, unzureichend.

Dieser Zustand ist nicht länger haltbar.

»Die Angriffe gegen unsere Kollegin Başay-Yıldız sind zugleich ein Angriff auf die gesamte Anwaltschaft. Angriffe gegen Kolleg:innen, die engagiert ihren Beruf ausüben, sind nicht hinnehmbar. Wir stehen hinter unserer Kollegin und erklären uns mit ihr solidarisch«, erklärt Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV).

»Die erfolglosen Ermittlungen im Komplex ›NSU 2.0‹ zeigen, dass wir bei Strafverfahren, in denen Polizeibeamt:innen beschuldigt werden, unabhängige Untersuchungsstellen brauchen, die effektiv ermitteln können. Solange die Polizeibehörden, aus deren Reihen Verdächtige kommen, gegen ihre unmittelbaren Kolleg:innen ermitteln, wird es keine Ermittlungserfolge geben«, erklärt Rechtsanwalt Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ). Derartige Untersuchungsstellen werden im Zusammenhang mit polizeilichem Fehlverhalten und Straftaten schon seit Jahren von verschiedenen Organisationen gefordert.

Solange es keine unabhängigen Untersuchungsstellen für Ermittlungen gegen Polizeibeamt:innen gibt, ist zumindest sicherzustellen, dass alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, effektive und unabhängige Ermittlungen durch solche Behörden durchzuführen, die keine Verbindungen zu den Polizeibehörden haben, aus denen die Täter:innen stammen oder innerhalb derer enge Verbindungen zu den Täter:innen bestehen.

Wir gehen, da die Datenabfragen im Zusammenhang mit dem Komplex ›NSU 2.0‹ von Polizeicomputern aus verschiedenen Bundesländern erfolgten, davon aus, dass es sich nicht um eine:n Einzeltäter:in handelt, sondern um eine Mehrzahl von Täter:innen. Ob die Ermittlungen den Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung begründen, woraus sich eine Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes ergeben könnte, ist uns nicht bekannt. Zumindest kann und muss aufgrund des länderübergreifenden Charakters das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernehmen.

Wir fordern daher:

Unterzeichnende:
Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)

Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle (030.44679216)
Rechtsanwalt Dr. Andreas Engelmann (069.71163438)

Die gemeinsame Pressemitteilung als PDF

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Pressemitteilung Rassismus NSU-Prozess
news-762 Mon, 22 Feb 2021 15:46:17 +0100 Entwurf eines Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetz-zur-aenderung-des-strafgesetzbuches-verbesserung-des-strafrechtlichen-schutzes-gegen-sogenannte-feindeslisten-762 22.2.2021, RAV-Stellungnahme Stellungnahme des RAV zum »Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten«

Die Bundesregierung will die Veröffentlichung von sogenannten Feindeslisten unter Strafe stellen. Der nun vorgelegte Entwurf ist einerseits reine Symbolpolitik, die auf tatsächlicher Ebene gerade nicht geeignet ist, Menschen vor rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen zu schützen. Andererseits bedeutet der weit gefasste Tatbestand einen direkten Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit und verlagert zahlreiche Probleme des Persönlichkeitsrechts, die bislang vor spezialisierten Pressekammern ausgetragen wurden, in die Verantwortung von Polizei und Staatsanwaltschaften.
Wie so oft im ›Kampf gegen Rechts‹ wird politischer Aktivismus mit einem Regelungsdefizit gerechtfertigt, obwohl eigentlich ein Vollzugsdefizit vorliegt.

Die Feindeslisten, die in den vergangenen Jahren bei Neonazis und Rechtsterroristen aufgefunden wurden, waren zuvor gerade nicht öffentlich verbreitet worden. Sie stellten vielmehr interne, klandestine Listen dar, die der Markierung von politischen Gegner:innen dienten. Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf würde daher diese besonders gefährlichen Feindeslisten gar nicht erfassen, da er an das Tatbestandsmerkmal der ›Öffentlichkeit‹ bzw. des ›Verbreitens‹ anknüpft.

Der Gesetzesentwurf schafft eine ›Opferhierarchie‹. Er ignoriert, dass eine Vielzahl von Menschen, aufgrund ihrer Hautfarbe, religiöser Symbole etc., also qua ihres Erscheinungsbildes, als ›Feind:innen‹ markiert werden. Wo die Synagoge, die Moschee oder die Flüchtlingsunterkunft steht, ist bekannt. Wer Schwarz ist, wird rassistisch markiert. Diese Orte und Personen sind, ohne dass sie gesondert auf Feindeslisten auftauchen, permanent der Gefahr extrem rechter Angriffe ausgesetzt. Statt Symbolpolitik mit der Strafbarkeit von Feindeslisten zu betreiben, sollten Minderheiten endlich effektiver vor rechten Angriffen geschützt werden. »Selbstverteidigung. Wenn Synagogen auf sich allein gestellt sind« lautet eine der Überschriften im Buch »Terror gegen Juden« und offenbart, wie es um den Schutz von Minderheiten derzeit bestellt ist. Bevor der Staat sich also noch eine Aufgabe überhilft, die er weder willens noch in der Lage ist, zu bewältigen, sollten die eigenen Strukturen in Hinblick auf Rassismus und Antisemitismus untersucht und effektive Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Wer den bisherigen Umgang der Polizei mit rechten Gewalttaten kennt, den mangelnden Ermittlungseifer, die Täter-Opfer-Umkehr etc., der:die kann sich vorstellen, mit welchem Engagement gegen Feindeslisten von Nazis vorgegangen werden wird. Betroffene wurden in der Vergangenheit immer wieder abgekanzelt, es sei doch gar nichts passiert, das sei zu unkonkret, und überhaupt sei die Anschrift über das Telefonbuch, über das Impressum auf der Homepage o.ä. doch sowieso bekannt.[1] Und wenn den Betroffenen nur diese Ignoranz entgegenschlug, konnten sie sich schon ›glücklich‹ schätzen. Oftmals berichten Betroffene rechter Attacken – vollkommen egal, ob psychisch oder physisch – davon, dass rassistische, antisemitische, frauenfeindliche oder homophobe Angriffe noch verharmlost, wiederholt oder gerechtfertigt worden sind.[2] Nur am Rande sei erwähnt, dass sich Polizei und Ministerien bis heute gegen unabhängige Beschwerdestellen[3] und externe wissenschaftliche Untersuchungen zu Rassismus in den eigenen Reihen sperren.[4]
Dieser Gesetzesentwurf versucht Sand in die Augen zu streuen, um davon abzulenken, dass staatliche Institutionen keinerlei Selbstkritik und Fehlerkultur hinsichtlich rechter Netzwerke in den eigenen Reihen entwickeln wollen.

Um das Ausspähen und Verbreiten von Daten in extrem rechten Kreisen zu vermeiden, wäre es, bevor ›der große Wurf‹ eines Strafgesetzes unternommen wird, sinnvoll, zunächst einmal die bestehenden straf- und dienstrechtlichen Vorschriften umzusetzen und entsprechende Konsequenzen herbeizuführen. Die privaten Daten unserer Kollegin Seda Başay-Yıldız, deren Familie und sie selbst seit Jahren durch massive Drohschreiben des NSU 2.0 eingeschüchtert werden sollen, stammen aus Abfragen von Frankfurter Polizeicomputern. Die mehrfachen polizeilichen Datenabfragen, die zur Bedrohung vor allem weiblicher Personen, die sich gegen ›Rechts‹ engagieren oder zu Bedrohungen linker Aktivist:innen führten, sind bislang folgenlos für die handelnden Beamt:innen geblieben. Solange die Sicherheitsbehörden selbst aktiv an der Fütterung von Feindeslisten beteiligt sind, solange wöchentlich von »bedauerlichen Einzelfällen«, die in die Tausende gehen, berichtet wird, in denen mal wieder rechtsextreme Parolen, Symbolik und Beschimpfungen in ›internen‹ Polizeichats geäußert werden, solange werden mit Gesetzesentwürfen wie diesem bloße Nebelkerzen geworfen.

Apropos Polizei: Zu den in der Vergangenheit aufgetauchten rechtsextremen Feindeslisten wurde durch Betroffenenverbände und zivilgesellschaftliche Organisationen immer und immer wieder gefordert, dass diejenigen Personen, die auf diesen Listen genannt werden, wenigstens informiert, besser noch diese über entsprechende Gefährdungslagen aufgeklärt und bei Schutzmaßnahmen unterstützt werden. Eine Vielzahl der Bundesländer verweigert dies bis heute. Auch das Bundeskriminalamt leugnete eine Gefährdung der Betroffenen und sah keinen Handlungsbedarf. Die vielfach vorgenommene (Nicht-)Gefährdungsanalyse deckt sich mit dem auch sonst häufig rudimentären Wissensstand bzw. der Negierung rechter Gefahr durch die Sicherheitsbehörden. Ein tatsächliches Schutzangebot durch die Polizei erhalten die wenigsten Personen.

Interessant ist aber, woher auf einmal Unterstützung für den Gesetzesentwurf kommt. Das Bundeskriminalamt betont, dass von dem neu zu schaffenden Tatbestand auch das ›Outing‹ politischer Gegner umfasst wäre. Es deutet damit bereits jetzt an, dass bei einem sogenannten ›Outing‹ die Eignung zur Aussetzung einer entsprechenden Gefahr per se angenommen werden wird. Damit würden nach diesem Entwurf nicht etwa die Verfasser:innen klandestiner rechtsextremer Feindeslisten der Strafverfolgung ausgesetzt, sondern zivilgesellschaftliche und journalistische Aufklärung über rechte Kader und Funktionäre. Die Umsetzung dieses Gesetzesentwurfs wird unweigerlich dazu führen, dass die Strafverfolgung in zunehmendem Maße direkt in die Recherchearbeit von Journalist:innen und zivilgesellschaftlichen Initiativen eingreifen wird und Presseveröffentlichungen zukünftig regelmäßig von Staatsanwaltschaften und Gerichten zu überprüfen sein werden. Damit wird ein seit Jahrzehnten gut funktionierendes System der Kontrolle von Presseveröffentlichungen durch die Organe der Presse sowie die hochspezialisierten Pressekammern in Frage gestellt.

Der Entwurf sieht vor, dass es strafbar sein soll, frei recherchierbare personenbezogene Daten einer anderen Person öffentlich zu machen, wenn dies geeignet ist, diese Personen der Gefahr von jedenfalls erheblichen Straftaten auszusetzen. Bereits in der Gesetzesbegründung wird dies ausgeweitet. So heißt es dort, es »besteht deshalb ein Bedürfnis nach einer Strafbarkeit einer solchen Veröffentlichung personenbezogener Daten, bei der die Eignung besteht, dass die betroffenen Personen der Gefahr gegen sie gerichteter rechtswidriger Taten ausgesetzt werden«. Wenn jegliche Veröffentlichung frei verfügbarer personenbezogener Daten, die dazu führen kann, dass von Dritten rechtswidrige Taten gegen die Person begangen werden, strafbar ist, ist eine konkrete Berichterstattung über Politiker:innen oder andere Personen des öffentlichen Interesses, die auch ganz konkret deren Handlungsort, Wohnort oder Tätigkeitsfeld umfasst, nicht mehr möglich. Bereits die namentliche Nennung einer:s in einer ländlichen Region tätigen Aktivist:in oder Politiker:in und der Hinweis, in welchem Dorf sie:er wohnt, könnte diese:n einer solchen Gefahr aussetzen und damit den Straftatbestand erfüllen.

Dies gilt umso mehr, als dass der Tatbestand völlig unklar ist. Wann erfolgt eine Veröffentlichung »in einer Art und Weise […], die geeignet ist«, eine Person der Gefahr der Begehung von Straftaten auszusetzen? Reicht dabei der Hinweis auf politische Gegenaktivitäten oder eine deutlich ablehnende innere Haltung gegen diese Person? In der Begründung des Gesetzes wird ganz offen vorgetragen: Als Umstände, die eine konkrete Gefährdungseignung bei Veröffentlichungen im Internet nahelegen, kämen »insbesondere die Anonymität des Verfassers, die extremistische Ausrichtung der Internetseite, auf der die Daten veröffentlicht werden (in Abgrenzung zu sachlich-informativer Berichterstattung), die Zuordnung der Veröffentlichung zu einer Gruppierung aus dem extremistischen Spektrum oder zu verfassungswidrigen Organisationen (§ 86 Absatz 1 StGB)...« in Betracht. Somit wäre bereits die Einschätzung einer Internetseite als ›extremistisch‹ (durch den Verfassungsschutz) zukünftig ausreichender Beleg, um eine »konkrete Gefährdungseignung« zu belegen. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung des Deutungsstreits um die Geschehnisse bei Demonstrationen in der Stadt Chemnitz, als der damalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Maaßen, Journalist:innen und Aktivist:innen, die von rassistischen Hetzjagden sprachen, offiziell der Lüge bezichtigte, muss einem solchen angestrebten Monopol über die Berichterstattung durch Sicherheitsbehörden vehement widersprochen werden. Denn gerade in solchen, unübersichtlichen Ereignissen sind es oftmals aktivistische Journalist:innen und Mitglieder von Rechercheteams ohne Anbindung zu großen Medien, die entsprechendes Geschehen zu Tage fördern, bevor dies in größerem Umfang aufgegriffen wird. Eine identifizierende Berichterstattung durch solche Quellen könnte damit strafbar werden, während gleichzeitig – wie im Fall Chemnitz/Maaßen geschehen – etablierte Medien politisch unter Druck gesetzt werden.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass bislang beispielsweise kein behördlicher Druck zur Umsetzung der Maßnahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erkennbar ist, das die Verbreitung von Drohungen, Schmähungen und Beleidigungen sowie die bedrohliche Verbreitung höchstpersönlicher Daten ja bereits jetzt effektiv bekämpfen könnte, lässt sich vermuten, dass der nun vorliegende Gesetzesentwurf eigentlich ausschließlich auf die Einschränkung der Pressefreiheit gerichtet ist. Da das vom Bundeskriminalamt beklagte ›Outing‹ im Wesentlichen ein Bekanntmachen der Identität rechtsextremer Aktivisten darstellt, entsteht die entlarvende Situation, dass hier ein vor allem gegen antifaschistische Initiativen, zivilgesellschaftliche Vereine und Journalist:innen gerichtetes Gesetz als angebliche Reaktion auf das Bekanntwerden von ›Feindeslisten‹ von Neonazis präsentiert wird.

Dieses Verfassungsschutz-Aufwertungsgesetz lehnen wir ab. Wir werden dem Staat nicht die Deutungshoheit darüber überlassen, welche rückschrittlichen Kräfte eine offene und humane Gesellschaft bedrohen. Der Gesetzesentwurf ignoriert in infamer Weise die manifeste Kritik an den Sicherheitsbehörden, die im Bereich Rechtsextremismus immer noch selbst Teil des Problems sind, und kriminalisiert Engagement gegen Rechts.

Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Stellungnahme nicht die erhoffte sachlich-juristische Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf ist, wie sie der Gesetzgeber wünscht und gewohnt ist. Dies ist Folge der letzten Jahrzehnte: Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Hoyerswerda, der NSU, Heidenau, die Gruppe Freital, der Angriff auf Leipzig-Connewitz, NSU 2.0, Kassel, Halle, Hanau – diese Aufzählung rechter Gewalt ließe sich bedauerlicherweise noch über Zeilen fortsetzen. Allen Betroffenen von rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt und Hetze gehört unsere Solidarität und Unterstützung. Engagierten Journalist:innen, Menschen, die sich klar gegen Rechts positionieren, und nicht zuletzt antifaschistischen Recherchekollektiven und Fachjournalist:innen gilt unser Dank. Sie alle müssen wir als Gesellschaft schützen und ihre Arbeit fördern.

Deswegen brauchen wir den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht: Wir brauchen eine Praxis des ›Nie Wieder‹ und die Erkenntnis, dass rechte Gewalt tötet. Wir fordern eine kontinuierliche Förderung von Demokratie- und Opferschutzprojekten und das Ende der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements.

22.02.2021

Dr. Kati Lang, Dresden
Kristin Pietrzyk, Jena/Leipzig
Alexander Hoffmann, Kiel/Leipzig

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[1] https://www.tagesschau.de/investigativ/fakt/feindeslisten-101.html
[2] https://www.rav.de/publikationen/rav-infobriefe/infobrief-120-2020/der-neukoelln-komplex/
[3] Vgl. dazu https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-einfuehrung-des-oder-der-buergerbeauftragten-des-landes-berlin-und-des-oder-der-beauftragten-fuer-die-polizei-berlin/a264d615d855e8deaefbbfd4b961c13c/
[4] Zuletzt etwa: https://textrecycling.wordpress.com/2021/02/17/offener-brief-gegen-die-diskreditierung-unabhangiger-polizeiforschung/

RAV-Stellungnahme als PDF von der RAV-Webseite.

Gesetzesentwurf

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Stellungnahmen
news-761 Thu, 18 Feb 2021 09:23:59 +0100 Gegen die Diskreditierung unabhängiger Polizeiforschung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-die-diskreditierung-unabhaengiger-polizeiforschung-761 Offener Brief, Mitzeichnung durch den RAV, 18.2.21 Der RAV dokumentiert hier einen Offenen Brief, den er als Erstzeichner ausdrücklich unterstützt.
Der Brief kann weiterhin durch eine formlose Mail unterzeichnet werden: forschungsgruppe_sicherheit@gmx.net

Offener Brief: Gegen die Diskreditierung unabhängiger Forschung durch Vertreter*innen der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz

Die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (HdP RP) initiierte in einer jüngst bekannt gewordenen Mail eine Kampagne gegen eine wissenschaftliche Studie zu Körperverletzung im Amt (KViAPol), welche finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), an der Ruhr-Universität zu Bochum von Prof. Tobias Singelnstein, Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus durchgeführt wird und die bisher zwei Zwischenberichte veröffentlicht hat. Der Versuch einer polizeilichen Selbstimmunisierung gegen externe Forschung, sowie die gezielte Verächtlichmachung einer Studie, deren Ergebnisse der HdP RP nicht gefallen, sind ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft.

Die genannte Mail richtete sich an sämtliche Verwaltungs- und Polizeihochschulen in der Bundesrepublik und ruft dazu auf durch konzertierte Pressearbeit und die Durchführung eigener Studien “gemeinsam die Interessen der Polizei [zu] wahren” und gegen die vermeintliche Schädigung des Rufes der Polizei durch die Bochumer Studie vorzugehen. In dem von dem Präsidenten der HdP RP Friedel Durben formulierten „Elektronischen Brief“ werden die (Zwischen-)Ergebnisse als „wissenschaftlich-fragil“ bezeichnet und eine Nicht-Wissenschaftlichkeit der Studie suggeriert. Er schreibt weiterhin, dass die „unkommentierte Veröffentlichung derartiger Thesen auch dem Image der rheinland-pfälzischen Polizei“ schade. Um diesem vermeintlichen Vertrauensverlust entgegenzuwirken, habe man als Reaktion „die interdisziplinäre Arbeitsgruppe ‘Durchsetzung polizeilicher Autorität im Rechtsstaat’ (AG DPAR) bereits mit Erscheinen des 1. Zwischenberichtes 2019 eingerichtet, die sich kritisch mit der KViAPol-Studie auseinandersetzt und verschiedene eigene Ansätze verfolgt.“ (Mail datiert auf den 10.02.2021)

Dieser Mail waren ein Artikel von Martin Hoch und Claudio Thunsdorff sowie ein Kommentar des stellv. Direktors der HdP RP Axel Henrichs angehängt, jeweils veröffentlicht in der Zeitschrift Kriminalistik 01/2021. Im Anhang befand sich weiterhin ein Poster der HdP RP, auf welchem einige Kernsätze der zwei Artikel und des Kommentars zitiert wurden. Die dort formulierte Kritik zielt hauptsächlich auf die Frage der Repräsentativität der Studie und suggeriert grundlos schwere methodische Mängel. Die Akquise von Befragungsteilnehmer*innen über ein nicht-repräsentatives Schneeballsystem ist jedoch ein gängiges Verfahren im Kontext explorativer Dunkelfeldstudien. In beiden Zwischenberichten macht das Projektteam darüber hinaus transparent welche methodischen Grenzen das Projekt hat und in welchem Rahmen die Zwischenergebnisse interpretiert werden können. Dieses Vorgehen entspricht den von der DFG formulierten Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens. Die wissenschaftliche Integrität der Studie wird darüber hinaus durch einen wissenschaftlichen Beirat, in dem auch Expertise aus der Polizei vertreten ist, abgesichert.

Ein derartiges Vorgehen der HdP RP im Sinne einer Kampagnenarbeit gegen unabhängige Polizeiforschung ist für eine staatlich finanzierte Hochschule befremdend. Es reiht sich ein in eine Vielzahl verschiedener ähnlich gelagerter Kritiken der Polizeigewerkschaften (DPolG, GdP), aus Teilen der Polizei und der Polizeiwissenschaft/Kriminologie am Forschungsdesign und an den vorläufigen Ergebnissen der Bochumer Studie. Die Heftigkeit der Kritik ist angesichts der reflektierten Methodologie der Studie mehr als eigentümlich. Die Mail des Präsidenten der HdP RP Friedel Durben werten wir als Versuch, Forschungsvorhaben, die nicht an den Polizeihochschulen angesiedelt sind und von deren Ergebnissen ein Schaden des Images der Polizei befürchtet wird, zu unterbinden bzw. zu sabotieren.

Das Initiieren einer organisierten Kampagne zur Diskreditierung unliebsamer Ergebnisse einer Studie, die alle wissenschaftlichen, von der DFG festgelegten Gütekriterien erfüllt, ist nichts weniger als ein Angriff auf die grundgesetzlich verbriefte Freiheit der Wissenschaft. Insbesondere die Polizei muss sich als Vertreterin des staatlichen Gewaltmonopols einer unabhängigen und freien Forschung öffnen und darf diese nicht behindern.

Wir fordern daher von der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz ein klares Bekenntnis zur Freiheit der Forschung und Wissenschaft nach Art. 5 GG – auch für die Polizeiforschung.
Der offene Brief kann durch eine formlose Mail unterzeichnet werden: forschungsgruppe_sicherheit@gmx.net

Im Netz findet sich der Offene Brief mit der wachsenden Zahl der Unterzeichner*innen hier:
https://textrecycling.wordpress.com/2021/02/17/offener-brief-gegen-die-diskreditierung-unabhangiger-polizeiforschung/

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Polizei
news-760 Fri, 12 Feb 2021 12:05:49 +0100 Das Problem heißt Rassismus! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus0-760 Der RAV gedenkt der Opfer von Hanau und fordert die lückenlose Aufklärung des Anschlags Am 19.02.2021 jährt sich der Anschlag von Hanau. Wir trauern um die Ermordeten

Gökhan Gültekin,
Sedat Gürbüz,
Said Nesar Hashemi,
Mercedes Kierpacz,
Hamza Kurtović,
Vili Viorel Păun,
Fatih Saraçoğlu,
Ferhat Unvar und
Kaloyan Velkov.

Der Anschlag von Hanau ist kein Einzelfall. Er fügt sich ein in eine lange Reihe von rassistischen und antisemitischen Gewalttaten. Seit 1990 sind mindestens 213 Menschen Opfer dieses rechten Terrors geworden.

Der Nährboden für Hass und Ausgrenzung wird in der Mitte der Gesellschaft gelegt. Die Erkenntnisse zu rechtsradikalen Strukturen in Polizei und Bundeswehr sind hierfür ein Beispiel. Rassismus ist kein Alleinstellungsmerkmal von AfD und anderen rechtsradikalen Organisationen.
Solange Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und alle anderen Ideologien der angeblichen Ungleichwertigkeit von Menschen nicht in jeder Erscheinungsform geächtet werden, können sich auch zukünftig Täter als Vollstrecker eines mutmaßlichen ›Volkswillens‹ verstehen. Schweigen ist keine Option.

Wir wissen, dass in Hanau nicht nur individuelle, sondern auch strukturelle Fehler ursächlich dafür waren, dass der Täter so viele Menschen ermorden konnte.
So war der polizeiliche Notruf für die Betroffenen nicht erreichbar; eine Rufumleitung war nicht eingerichtet, niemand wurde zurückgerufen, auch nicht Herr Păun, der den Täter verfolgte. Der Notausgang der Arena Bar war zudem verschlossen, wobei es jedenfalls Hinweise darauf gibt, dass dies auf polizeiliche Anordnung hin geschah. Sowohl der Täter als auch sein Vater hatten zuvor bereits mehrere Strafanzeigen erstattet, in denen sie etwa von »ständiger Ausländerkriminalität« und »Hochverrat an Deutschen« faselten. Beobachtet wurden sie nicht. Im Gegenteil: Der Täter war Mitglied in Schützenvereinen und erlaubterweise im Besitz von drei Schusswaffen.

Der RAV fordert die lückenlose Aufklärung aller behördlichen Fehler und eine entschiedene Bekämpfung jeglichen staatlichen und strukturellen Rassismus. Den Angehörigen müssen alle Möglichkeiten gegeben werden, die Erlebnisse verarbeiten und ihr Leben neu aufbauen zu können. Ihnen und den Freund*innen der Ermordeten gilt unsere unbedingte Solidarität.

Auch das heißt: Hanau ist überall.

PM als PDF

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Rechtsextremismus Rassismus
news-759 Tue, 09 Feb 2021 11:08:48 +0100 Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sofortiger-abschiebestopp-nach-afghanistan-759 Pressemitteilung von 96 Organisationen und Initiativen, 9.2.2021 96 Organisationen und Initiativen verurteilen aufs Schärfste die geplante Abschiebung mitten im Lockdown in das Kriegs- und Krisengebiet Afghanistan

Wie im Dezember letzten Jahres wieder begonnen, setzt Deutschland seine monatlichen Abschiebungen nach Afghanistan auch 2021 fort. Abschiebungen in ein Land, welches 2020 schon das zweite Mal in Folge vom Institute for Economics & Peace in seinem Global Peace Index 2020[1]  als das gefährlichste Land der Welt eingestuft wurde. Am 31. Januar 2021 hat das Auswärtige Amt Afghanistan als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) ausgewiesen und als Konsequenz seine Reise- und Sicherheitswarnungen noch weiter verschärft, da Afghanistan von COVID-19 besonders stark betroffen sei und das Gesundheitssystem den Belastungen nicht standhalte.[2]

Im September 2020 stellte das Oberverwaltungsgericht Bremen[3] und im Dezember 2020 auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg[4] außerdem fest, dass auch gesunde, alleinstehende Männer ohne soziales Netzwerk in Afghanistan nicht dorthin abgeschoben werden dürfen, da sie aufgrund der durch die Corona-Pandemie verschlechterten wirtschaftlichen Lage nach einer Abschiebung ihre elementarsten Bedürfnisse absehbar nicht decken können.

Ungeachtet dessen plant Deutschland am 9.2.2021 den nächsten Abschiebeflug nach Afghanistan, bei dem sich erfahrungsgemäß wieder viele Bundesländer beteiligen werden. Während in Deutschland einerseits um jedes Leben gekämpft wird, werden andererseits Menschen in ein Covid19-Hochrisiko- und Kriegsgebiet abgeschoben und die lebensbedrohliche Situation dort wissentlich in Kauf genommen.  

Der Sammelcharter am 9. Februar wäre der erste Abschiebflug aus Deutschland seit der informellen „Joint Declaration on Migration Cooperation“[5], die die Europäischen Union und Afghanistan im Januar dieses Jahres unterzeichnet haben und die für unbestimmte Zeit gelten soll. Demnach können künftig monatlich bis zu 500 Flüchtlinge aus der EU nach Afghanistan abgeschoben werden.

Unter den von der Abschiebung am 9. Februar Betroffenen sind voraussichtlich der 22jährige Hasib aus Kempten/Allgäu, der dort zur Schule ging, jobbte, Fußballspielen liebt, eine Ausbildung beginnen wollte und jetzt in Abschiebehaft in Ingelheim sitzt[6] sowie der 20jährige H. aus NRW, der im Iran geboren wurde, mit neun Jahren nach Deutschland kam, noch nie in Afghanistan war und dort auch keine Angehörigen hat.[7] Um nur zwei Schicksale zu nennen.

Der Schutz von Menschenleben während einer globalen Pandemie einzigartigen Ausmaßes kann nicht an nationalen Grenzen halt machen und vom Aufenthaltsstatus oder der Nationalität abhängen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort jegliche Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen und Menschenleben zu schützen!

Unterzeichnende:
1.    We’ll Come United Berlin Brandenburg
2.    Jugendliche ohne Grenzen
3.    Migrant Support Network e.V.
4.    Afghan Refugees Movement
5.    Aktionsbündnis Antirassismus
6.    No Border Assembly
7.    Karawane München
8.    YAAR e.V.
9.    Hazara Zentrum Berlin
10.    World Hazara Council – Germany e.V.
11.    Zaki – Bildung und Kultur e.V.
12.    Afghanisches Kommunikations- und Kulturzentrum e.V.
13.    Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
14.    Afghanischer Aufschrei Düsseldorf
15.    Links*Kanax
16.    moveGLOBAL e.V.- Berliner Verband migrantischer-diasporischer Organisationen in der Einen Welt
17.    CISPM (coalition international des sanspapiers et migrants) Mannheim
18.    Initiativ Oury Jalloh Mannheim
19.    Migrantifa NRW
20.    PRO ASYL
21.    borderline-europe
22.    SEEBRÜCKE
23.    IPPNW Deutschland
24.    medico international
25.    Ärzte der Welt e.V
26.    Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte vdää
27.    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein RAV
28.    Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
29.    Bayerischer Flüchtlingsrat
30.    Flüchtlingsrat Berlin
31.    Flüchtlingsrat Bremen
32.    Flüchtlingsrat Brandenburg
33.    Flüchtlingsrat Hamburg
34.    Flüchtlingsrat RLP
35.    Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
36.    Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
37.    Flüchtlingsrat Thüringen
38.    Hessischer Flüchtlingsrat
39.    Münchner Flüchtlingsrat
40.    Sächsischer Flüchtlingsrat
41.    KuB - Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V
42.    BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
43.    Afghanisch-Deutscher Kulturverein Flensburg
44.    BZSL e.V.
45.    Migrationsrat Berlin e.V.
46.    lifeline Vormundschaftsverein im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
47.    AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
48.    BNS Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen
49.    Evangelischer Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf
50.    Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf
51.    Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
52.    Weltweit - die Freiwilligengruppe von Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
53.    XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
54.    Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen e.V. (ZBBS)
55.    Flüchtlingsbeauftragte des Ev.Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
56.    Flüchtlingsbeauftragte des ev. Kirchenkreises Schleswig-Flensburg
57.    AfghanistanNotSafe KölnBonn
58.    Protest LEJ Leipzig
59.    Leipziger Initiativkreis: Menschen.Würdig
60.    Bon Courage e.V.
61.    Wedding hilft
62.    Sprungbrett Zukunft Berlin e.V.
63.    Place4Refugees e.V.
64.    Kölner Netzwerk "kein mensch ist illegal"
65.    Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
66.    Seebrücke Lübeck
67.    Seebrücke Berlin
68.    Seebrücke Flensburg
69.    Seebrücke Bochum
70.    Seebrücke Kiel
71.    AG Bleiben, Köln
72.    Seebrücke Potsdam
73.    Mosaik Köln Mülheim e.V.
74.    Diakoniewerk Simeon FB SozInt
75.    Lupine Mentoring e.V.
76.    Vernetzung gegen Abschiebung Hessen/M
77.    Humanistische Union OV Lübeck
78.    WeGe ins Leben e.V.
79.    MediNetz Bielefeld
80.    Multikulturelle Zentrum Trier e.V.
81.    Initiative - Abschiebestopp Thüringen
82.    MOVE e.V.
83.    Bleibe.e.V.
84.    AK Politik Köln
85.    die AG Bleiben Köln
86.    Mosaik Köln Mülheim e.V.
87.    Pallottinische Gemeinschaft St. Christophorus unterschreiben
88.    Fremde brauchen Freunde e.V., Nordfriesland
89.    Helferkreis Mohammad Zaki Kulmbach
90.    MeG betreutes Wohnen
91.    Die Flüchtlingslotsen im Amt Hürup
92.    Barnim für alle
93.    Bürger*innenasyl Barnim
94.    OMAS gegen Rechts Lübeck
95.    Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
96.    Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz


[1] https://www.economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2020/08/GPI_2020_web.pdf
[2] https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/afghanistansicherheit/204692
[3] https://www.oberverwaltungsgericht.bremen.de/entscheidungen/detail.php?gsid=bremen72.c.20994.de&asl=bremen72.c.11265.de
[4] https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/8969988/?LISTPAGE=1213200
[5] https://www.statewatch.org/media/1801/eu-council-joint-declaration-afghanistan-5223-21-add1.pdf
[6] https://www.ulla-jelpke.de/2021/02/12784/
[7] https://www.facebook.com/nedajeafghan/posts/2398011833655737

PM als PDF

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Abschiebungen Corona Migration & Asyl (doublet) Migration & Asyl
news-765 Wed, 27 Jan 2021 13:14:00 +0100 Gesetzesnovelle zur Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesnovelle-zur-aufnahme-in-den-juristischen-vorbereitungsdienst-765 Stellungnahme sächsischer Jurastudierender und Rechtsreferendar:innen im Januar 2021 Sehr geehrte Frau Ministerin Meier,

der letzte offene Brief sächsischer Rechtsreferendar:innen vom 29. Mai 2020 richtete sich gegen eine Entscheidung des OLG Dresden zur Nichtentlassung eines rechtskräftig verurteilten rechtsextremen Gewalttäters aus dem juristischen Vorbereitungsdienst. Das OLG hatte diese Entscheidung freiheitsrechtlich mit dem Schutz des Grundrechts auf Berufsfreiheit begründet. Der Abschluss der zweiten juristischen Staatsprüfung führe nicht zwangsläufig zu einer Aufnahme einer schutzwürdigen Tätigkeit als Organ der Rechtspflege, sodass in der Abwägung das Interesse von Brian E. an dem Abschluss seiner Ausbildung überwiege. Die Kritik der Referendar:innen stützte sich hingegen auf die politische Dimension der Entscheidung, in der sich die besorgniserregende Tendenz der Verharmlosung von Rechtsextremismus in den sächsischen Behörden widerspiegelt.

Nun soll dieser Kritik mit der geplanten Novelle des Juristenausbildungsgesetzes (SächsJAG) begegnet werden. Unserer Meinung nach ist der Entwurf des § 8 SächsJAG-E jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Insbesondere ist er nicht geeignet den vom OLG betonten Anforderungen der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit und den Forderungen der Rechtsreferendar:innen nach einem entschiedenen Vorgehen gegen Rechtsextremismus gerecht zu werden.
Die bisherige Regelung (§ 34 SächsJAPO) räumt dem Dienstherren ein Ermessen ein, welches ermöglicht auf den konkreten, im Einzelfall vorliegenden Tatverdacht einzugehen. Der neu eingefügte § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SächsJAG-E zieht hingegen eine regelmäßige Nichtzulassung im Falle eines anhängigen Verfahrens nach sich, welches zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr führen könnte. Diese Regelung in Form von intendiertem Ermessen stellt unserer Ansicht nach einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit, den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, die allgemeine Handlungsfreiheit, sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form der Unschuldsvermutung dar.

Die Verhältnismäßigkeit ließe sich nur mit der Begründung bejahen, dass der/die Anwärter:in sich bei einem Freispruch erneut in die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bewerben oder die Bewerbung im Fall eines anhängigen Verfahrens bis nach dessen Ende aufschieben kann. Ein solches Verhalten ist jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden: Verfahren können mehrere Jahre dauern und die Verurteilungen fallen oft milder aus als das Strafmaß der Tatbestände, die den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zugrunde lagen. Außerdem ist es unvorhersehbar, ob eine potenzielle Neuwertung aussichtsreich sein könnte. Diese Gegebenheiten würden die Bewerber:innen erheblich in ihrer freien Lebensgestaltung und Berufsfreiheit, schon in Form der Berufswahl beeinträchtigen. Das intendierte Ermessen führt dazu, dass das Vorliegen eines atypischen Sachverhalts vorgetragen werden muss, um der Rechtsfolge der Nichtzulassung zu begegnen, was eine nicht zu rechtfertigende Umkehr der für einen Rechtsstaat konstitutiven Unschuldsvermutung darstellt.

Der neu eingefügte § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 SächsJAG-E intendiert die Nichtzulassung im Falle einer Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung in strafbarer Weise. Diese aus der § 6 Nr. 7 BRAO übernommene Formulierung wird im Gesetz nicht konkretisiert und weckt Erinnerungen an die mit dem bundesrepublikanischen Radikalenerlass von 1972 verbundenen Berufsverbote aufgrund einer politischen Gesinnungsprüfung. Die Gesetzesbegründung erläutert lediglich, gemeint sei ein nach "außen manifestiertes, strafbares Verhalten, das erkennen lassen muss, dass sie oder er die freiheitliche demokratische Grundordnung zu überwinden trachtet. Hierfür reichen allerdings strafbare verbale Aktivitäten aus." Im Entwurf sind keine konkreten Straftatbestände genannt, wie dies bei schweren Grundrechtseingriffen (vgl. § 100a StPO) üblich ist, sodass diese Formulierung Raum dafür eröffnet, bereits Delikte von geringer Bedeutung und mit Strafandrohung von unter einem Jahr Freiheitsstrafe
für die Nichtaufnahme oder Entlassung ausreichen zu lassen. Die Formulierung lässt offen, welche Maßstäbe anzulegen sind, um festzustellen, ob sich in der Begehung einer Straftat der Wunsch nach Überwindung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausdrückt.

Wir empfehlen daher dringend die Beschäftigung mit dem sog. Extremistenbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.05.1975 (BVerfGE 39, 334) und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.09.1995 (EGMR 17851/91), um den vorgelegten Entwurf am formulierten Maßstab der Meinungs- und Berufsfreiheit zu messen.

Außerdem ist es im Lichte des Bestimmtheitsgrundsatzes geboten, bereits im Gesetzestext deutlich zu machen, dass sich die Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung in einer tatsächlichen Verwirklichung eines Straftatbestandes verwirklicht haben muss. Ansonsten fiele für diese Alternative dem Verfassungsschutz die alleinige Definitionshoheit darüber zu, wer vom Vorbereitungsdienst ausgeschlossen werden soll. An der Zulässigkeit dieser Kompetenzverteilung bestehen, nicht zuletzt wegen der vielen Skandale in den Verfassungsschutzbehörden und der mangelhaften Kontrolle durch die Parlamente und Gerichte an der Rechtmäßigkeit des Informationsgewinns und Richtigkeit der Wertungen, einschlägige Bedenken.

Die Formulierung des geplanten § 8 Abs. 4 SächsJAG-E ist zwar aus der SächsJAPO übernommen, doch führte die unbestimmte Formulierung aufgrund ihrer sehr seltenen Anwendung praktisch zu wenig Schwierigkeiten. In Annahme einer erleichterten Anwendung durch die formelle Gesetzesform, ist diese Formulierung jedoch in anderem Licht zu sehen. Sie ermöglicht die Versagung der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bereits, wenn "Tatsachen vorliegen, die die Bewerberin oder den Bewerber für den Vorbereitungsdienst als ungeeignet erscheinen lassen." Unbestimmt ist hier nicht nur, welche Tatsachen eine potenzielle Ungeeignetheit begründen könnten, vielmehr wird bereits ein subjektives "ungeeignet erscheinen" zur Ermessensausübung ausreichen.

Eine Ungeeignetheit wird insbesondere vermutet, wenn Tatsachen vorliegen die nach § 8 Abs. 4 Nr. 1a SächsJAG-E "in der Person der Bewerberin oder des Bewerbers die Gefahr einer Störung des Dienstbetriebs begründen" oder die nach § 8 Abs. 4 Nr. 1b SächsJAG-E "Gefahr begründen, dass durch ihre oder seine Aufnahme wichtige öffentliche Belange ernstlich beeinträchtigt würden". Auch bei dieser Reglung ist nicht bestimmt, wer die Ungeeignetheit der Bewerber:innen feststellen soll und woher die zugrunde liegenden Informationen stammen. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob derart unbestimmte subjektive Kriterien geeignet sind, eine Ermessensentscheidung mit den Freiheitsrechten in Einklang zu bringen.

Mit der Überführung von bisher in der SächsJAPO verorteten Regelungen in ein formelles Gesetz, wird diesen Regelungen ein höherer Stellenwert gegenüber der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit eingeräumt als bisher. Hinsichtlich der Regelungen zur Zulassung und Entlassung aus dem juristischen Vorbereitungsdienst ist zu erwarten, dass der dadurch manifestierte Wille des Gesetzgebers zukünftig stärkere Umsetzung durch sächsische Behörden und Gerichte erfahren wird. Die entsprechenden Regelungen in der SächsJAPO wurde in den letzten 10 Jahren, soweit wir wissen, nur in zwei Fällen lange erkrankter Rechtsreferendare angewandt.

Die Neuregelungen des § 8 SächsJAG-E werden insoweit weder der Kritik der Referendar:innen noch der Position des OLG Dresden gerecht. Gegen rechtsextreme Tendenzen oder deren behördliche Verharmlosung hilft der Ausschluss von Ermessen wenig weiter, kommt es bei der Ermessensausübung doch vielmehr auf die Bewertung vorliegender Tatsachen an. Die Entlassung des Brian E. wäre auch nach der noch geltenden Regelung des § 34 SächsJAPO mit entsprechender Ermessensausübung möglich gewesen. Aufgrund dieses konkreten Falles nun eine Gesetzesverschärfung vorzulegen, die ausschließlich zu Lasten der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte geht, verfehlt ihr Ziel. Um Rechtsextremismus als Bedrohung für Menschen und Demokratie zu begegnen, ohne die Möglichkeiten rein politischer Verfolgung zu eröffnen, wäre eine Anwendung des engen menschenwürdezentrierten Begriffs der freiheitlich demokratischen Grundordnung, den das Bundesverfassungsgericht in der Zweiten
NPD Entscheidung vom 17.01.2017 (BVerfGE 144, 20, Rn. 23 ff.) formulierte, geboten.

Daher wenden wir uns mit dem Appell an Sie, den § 8 SächsJAG-E im Lichte der unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe zu überarbeiten und nicht in der vorgeschlagenen Fassung in den Landtag zur Verabschiedung einzubringen.

Initiative Referendariat Nazifrei (Sachsen)
Kritische Jurist*innen Leipzig
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Offener Brief als PDF
Der Gesetzentwurf findet sich hier.

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Ausbildung Ausbildung Stellungnahmen
news-756 Thu, 21 Jan 2021 10:10:44 +0100 11. ›Tag des verfolgten Anwalts‹<br />Demokratische Republik Aserbaidschan – Anwaltschaft in Gefahr /publikationen/mitteilungen/mitteilung/11-tag-des-verfolgten-anwalts-756 Pressemitteilung 1/21 vom 21. Januar 2021 In den Jahren nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 hatte Aserbaidschan die wichtigsten internationalen und europäischen Menschenrechtsverträge ratifiziert. Dennoch wurden von Ausschüssen der Vereinten Nationen, vom Europarat und durch Nichtregierungsorganisationen ständige Menschenrechtsverletzungen festgestellt. Aserbaidschanische Anwält*innen, die die Opfer solcher Menschenrechtsverletzungen vertraten und über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam berichteten, erlitten ebenfalls schwere Verletzungen ihrer Grundrechte.

Daher hat der RAV zusammen mit 31 weiteren europäischen und internationalen Organisationen der Anwaltschaft für den 11. Tag des verfolgten Anwalts im Jahr 2021 die Situation der Kolleg*innen in Aserbaidschan ins Zentrum gestellt und dabei insbesondere mit den Kolleg*innen der Group of Practising Lawyers (GPL), einer Gruppen von Menschenrechtsanwält*innen in Aserbaidschan, zusammengearbeitet. Ihr Ziel ist es, sich gegen diejenigen Gesetzesänderungen zu wehren und sie abzuschaffen, die darauf zielen, die Rechte von Anwält*innen zu beschneiden oder ihnen die Berufsausübung zu verunmöglichen.

Berichte von europäischen und internationalen Organisationen

Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen stellte 2017 fest, dass Anwält*innen, die Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) brachten, ihre Lizenz gestrichen oder sie sogar unter verschiedenen Anschuldigungen inhaftiert wurden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte belegte für 2002 Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), darunter unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Verstoß gegen Art. 3), willkürliche Inhaftierung (Art. 5), Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6).

Human Rights Watch berichtete 2019, dass mindestens 30 Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Oppositionelle, Gläubige und andere Kritiker*innen zu Unrecht inhaftiert waren. Zudem gab es Folter und Misshandlungen in der Haft, staatliche Eingriffe gegen die Versammlungsfreiheit, ungerechtfertigte Eingriffe in die Arbeit von Rechtsanwält*innen und Einschränkungen der Pressefreiheit.

Ebenfalls 2019 hat das Menschenrechtsinstitut der Internationalen Anwaltskammer (IBAHRI) einen Offenen Brief mitunterzeichnet, in dem es u.a. heißt, »Wir fordern die aserbaidschanische Regierung außerdem auf, die internationalen Standards zum Schutz der Anwaltschaft einzuhalten, einschließlich derer, die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in den UN-Grundprinzipien zur Rolle der Rechtsanwält*innen (30. Jahrestag im Jahr 2020) enthalten sind«.

Die Organisationen Lawyers for Lawyers und die Bar Association of England and Wales stellten 2018 fest, dass die aserbaidschanischen Behörden die Rechte von Anwält*innen missachten, indem sie ihnen nicht erlauben, ihren Beruf angemessen und ohne Einschüchterungen, Behinderungen, Schikanen oder unangemessene Einmischungen auszuüben. Darüber hinaus haben die aserbaidschanischen Behörden keine wesentlichen Maßnahmen ergriffen, um das Recht auf faire Verfahren durchzusetzen sowie sicherzustellen, dass jede*r Bürger*in effektiven Zugang zur Justiz und zu einem Rechtsbeistand eigener Wahl hat.

Aserbaidschan hat die schlechteste Bilanz unter den Ländern, die die Regelungen der EMRK nicht umsetzen. Jüngsten Statistiken zufolge (https://rm.coe.int/168070973e) hat Aserbaidschan nur 16 Prozent der vom Gerichtshof erlassenen Entscheidungen umgesetzt. Das systematische Versagen bei der Umsetzung von EGMR-Entscheidungen macht es auch Anwält*innen, deren Rechte verletzt wurden, unmöglich, ihren Beruf wieder auszuüben. Nach Angaben von Anwält*innen in Aserbaidschan sind vor dem EGMR derzeit mehr als zehn Fälle anhängig, in denen es um den Ausschluss von Anwält*innen oder missbräuchliche Disziplinarverfahren gegen Anwält*innen geht.

Der RAV fordert zusammen mit 31 anderen Anwaltsorganisationen weltweit, darunter die Stiftung ›Tag des verfolgten Anwalts‹ und die Europäischen Demokratischen Anwält*innen (Avocats Euroéens Democrates/European Democratic Lawyers, AED-EDL):

Den vollständigen Bericht sowie sämtliche Forderungen finden Sie hier (engl).

Kundgebung
11. ›Tag des verfolgten Anwalts‹ – Solidarität mit den Anwält*innen in Aserbaidschan
Freitag, 22.01.2021 um 13.00 Uhr
Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin
Hubertusallee 43 | 14193 Berlin
Bus M29, Haltestelle Lynarstraße

Adana, Amsterdam, Ankara, Athens, Barcelona, Berlin, Brussels, Dhaka, Dusseldorf, Frankfurt/M., Geneva, The Hague, Hamburg, Islamabad, Istanbul, Izmir, Lahore, London, Lyon, Madrid, Manila, Milan, Montpellier, Multan, Nantes, New York, Nuremberg, Paris, Rawalpindi, Rome, Sydney, Toronto, Vancouver, Venice, Yaoundé

PM als PDF

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Tag des bedrohten Anwalts Freie Advokatur (doublet) Freie Advokatur
news-755 Sat, 16 Jan 2021 13:32:20 +0100 11. Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin<br />Aserbaidschan /publikationen/mitteilungen/mitteilung/11-tag-des-verfolgten-anwalts-der-verfolgten-anwaeltin-755 Aufruf zur Teilnahme am 22.1.21 in Berlin Day of the Endangered Lawyer Auch in diesem Jahr ruft der RAV gemeinsam mit seinen in der EDA (Europäische Demokratische Anwält*innen) organisierten Schwesterorganisationen sowie mit der RAK Berlin, der ELDH und anderen Anwält*innenorganisationen zur Teilnahme an einer Kundgebung auf.

Anlass ist der

11. „Tag des verfolgten Anwalts“ – Solidarität mit den Anwält*innen in Aserbaidschan
Freitag, 22.01.2021 um 13 h
Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin
Hubertusallee 43 | 14193 Berlin
  

Dem Botschafter wird eine Petition mit konkreten Forderungen - die vor Ort verlesen wird - übergeben oder in seinen Briefkasten gelegt.

Einen Bericht mit Informationen zur konkreten Situation der verfolgten und bedrohten Kolleg*innen – namentlich

Khalid Baghirov, Muzaffar Bakhishov, Farhad Mehdiyev, Elchin Sadigo, Javad Javadov, Yalchin Imanov, Agil Layi, Fakhraddin Mehdiyev, Elchin Sadigov, Yalchin Imanov, Shahla Humbatova, Nemat Kerimli, Nemat Kerimli, Asabali Mustafayev, Irada Javadova, Alayif Hasanov, Gurban Mammadov, Aslan Ismayilov, Afgan Mammadov, Elchin Namazov, Osman Kazimov, Namizad Safarov, Hidayat Suleymanov und Latifa Aliyeva, Intigam Aliyev und Annagi Hajibeyl

findet sich hier auf Deutsch und hier auf Englisch.

Als weiteren Hintergrund zu Aserbaidschan bietet sich auch die Lektüre eines Berichts der International Commission of Jurists von 2019 an, der auf die jüngsten rechtspolitischen und rechtlichen Veränderungen dort eingeht und deren Implikationen problematisiert.

Kommt zahlreich – gerne in Robe!

Der Ort der Kundgebung kann reizvoll sein: So treffen wir uns am Ende einer Arbeitswoche mit Maske und auf Abstand und können uns anschließend im Grunewald verteilen.

Weltweit wird der Day of the Endangered Lawyer begangen, fast zeitgleich finden in sehr vielen anderen Städten ähnliche Kundgebungen vor den Botschaften und Konsulaten von Aserbeidschan statt.

Die Petition mit den Forderungen der 31 Organisationen, die den Botschafter:innen übegeben wird, findet sich hier in deutscher Sprache.

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Tag des bedrohten Anwalts Freie Advokatur (doublet) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) Freie Advokatur
news-754 Fri, 15 Jan 2021 18:03:21 +0100 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgaben nach dem Versammlungsrecht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-landesversammlungsgesetzes-und-von-zustaendigkeiten-fuer-die-aufgaben-nach-dem-versammlungsrecht-754 RAV-Stellungnahme, 15.1.2021 Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgaben nach dem Versammlungsrecht (Drs. 7/6832)

Verfasser:innen: Kristin Pietrzyk, Rechtsanwältin und Christoph Köhler, Ass. iur.

I. Zur Art. 1 Nr. 3 des Änderungsgesetzes – „Öffentliche Sicherheit“

Der Gesetzesentwurf der Landesregierung enthält den Vorschlag, das Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ zusätzlich zur „öffentlichen Sicherheit“ in den Tatbestand der Generalklausel des § 13 Abs. 1 VersammlG LSA aufzunehmen.

Das Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ ist in den Tatbeständen der § 13 Abs. 2 und 3, § 14 VersammlG LSA als Konkretisierung umfasst, wie die Landesregierung selbst benennt.

Der Änderungswunsch wird damit begründet, dass es sich in der Praxis als „problematisch“ erwiesen habe, dass die Versammlungsbehörden ohne den Auffangtatbestand der „öffentlichen Ordnung“ nicht adäquat auf neuartige und atypische Gefahrensachverhalte habe reagieren können.

Insbesondere seit 2015 nehme die Anzahl rechtsextremistischer Versammlungen zu. Diese Entwicklung habe sich durch die Corona-Pandemie verstärkt. Versammlungsleiter und Versammlungsteilnehmer nutzten Versammlungen regelmäßig, um rassistische, „fremdenfeindliche“, antisemitische, homophobe und sonstige menschenverachtende Thesen zu verbreiten, worin allerdings keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wohl aber eine der öffentlichen Ordnung zu sehen sei.

Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit meint die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, wohingegen das Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets umfasst, meint.

Durch die Aufnahme des letzteren Schutzgutes in die Generalklausel des § 13 Abs. 1 VersammlG LSA würde die Landesregierung tatsächlich einen Auffangtatbestand für gefahrenabwehrrechtliches Eingreifen schaffen. Der jeweils zuständigen Versammlungsbehörde wäre damit der Erlass von Auflagen möglich, wenn ein konkreter Gefahrenverdacht hinsichtlich der Verletzung der öffentlichen Ordnung besteht. Als ultima ratio wäre auch das Verbot einer geplanten Versammlung möglich.

Unklar ist vorliegend die Notwendigkeit einer solchen Ergänzung der Generalklausel. Denn gem. § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VersammlG LSA ist es der zuständigen Versammlungsbehörde bereits jetzt möglich, Versammlungen von Auflagen abhängig zu machen oder zu verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Art und Weise der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges die Gefahr einer erheblichen Verletzung ethischer und sozialer Grundanschauungen besteht, insbesondere die Würde oder Ehre von Personen im Sinne von § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VersammlG LSA verletzt wird.

Die Begründung der Landesregierung für die Einführung des Schutzgutes der „öffentlichen Ordnung“ stützt sich auf eine Zunahme menschenverachtender Äußerungen auf Versammlungen aus dem rechtsextremistischen Spektrum, wodurch „regelmäßig die ethischen und sozialen Grundanschauungen der überwiegenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger erheblich verletzt“ werden.

Wenn nun aber genau dies das Tatbestandsmerkmal des § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VersammlG LSA erfüllt, ergibt die Begründung der Landesregierung, dass es eine rechtspolitische Notwendigkeit für die Schaffung eines nicht hinreichend scharf umrissenen Auffangtatbestands gebe, schlicht keinen Sinn.

Sofern sich die Landesregierung in ihrer Begründung auf die Regelung des § 13 Abs. 2 VersammlG LSA bezieht, ist auffällig, dass sie lediglich auf § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VersammlG LSA Bezug nimmt. Insoweit führt sie aus, dass die Anwendung der Eingriffstatbestände, die nach Aussage der Landesregierung eine Konkretisierung der „öffentlichen Ordnung“ zum Schutzgut haben, regelmäßig nicht anwendbar seien, da selten Versammlungen an besonderen Tagen oder Orten nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 VersammlG stattfänden.

Die in der Entwurfsbegründung angeführten praktischen Probleme werden seitens der Landesregierung nicht weiter benannt oder ausgeführt. Eine Notwendigkeit der geplanten Regelung wird nicht deutlich.

Die zuständigen Versammlungsbehörden dürfen bereits jetzt Versammlungen, bei denen die Gefahr einer Verletzung der ethischen oder sozialen Grundanschauungen besteht, von Auflagen abhängig machen oder verbieten. Die Begründung der Landesregierung offenbart, dass es sich nicht um ein Problem des rechtlichen Dürfens handelt, sondern eher um eines der Nutzung rechtlicher Handlungsspielräume. Ein solches Problem wird sich allerdings weder durch Gesetzesänderungen noch -verschärfungen lösen lassen.

Umso deutlicher wird dies in der Antwort der Landesregierung vom 29.12.2020 auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Die Linke) vom 07.12.2020, LT-Drs. KA 7/4215. Auf die Frage, welche „neuartigen und atypischen Gefahrensachverhalte“ die Notwendigkeit einer Neuregelung begründeten, antwortet die Landesregierung, dass ein Vorgehen der Versammlungsbehörden gegen gelbe Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ auf Versammlungen losgelöst von § 13 Abs. 2 VersammlG LSA nicht möglich sei. Die Landesregierung artikuliert damit das bereits Gesagte: Eine Lücke in der Rechtslage ist nicht gegeben, sondern in der Rechtsanwendung.

Verfassungsrechtlich ausgedrückt ist Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgabe nach dem Versammlungsrecht unverhältnismäßig. Ein legitimes Ziel wird bereits nicht erkannt. Aufgrund der bereits bestehenden Regelungen ist eine Änderung nicht erforderlich.

II. Zu Art. 1 Nr. 1 b) des Änderungsgesetzes – „gleichartige“ Kleidung

Zur Begründung wird § 3 BundesversammlG herangezogen, nach dem das Tragen „gleichartiger“ Kleidungsstücke den Verbotstatbestand darstellt.

Praxisbeispiele, die seitens der Landesregierung herangezogen werden, sind die „Sharia-Polizei“ sowie die „Schutzzonen“-Kampagne der NPD. Eine strafrechtliche Verfolgung sei wegen der aktuellen Regelung des § 3 VersammlG LSA i. V. m. § 27 VersammlG LSA nicht möglich, da § 3 VersammlG LSA lediglich uniformähnliche Kleidungsstücke verbiete, zudem der repressive Zugriff über das Versammlungsgesetz eben nur Versammlungen erfasse. In der Begründung wird angeführt, dass hinsichtlich der bestehenden Norm rechts- und sicherheitspolitische Regelungslücken erkannt worden seien. Worin diese allerdings genau bestehen sollen, wird nicht ausgeführt.

Der BGH habe auch ausgeführt, dass die einheitliche Bekleidung der „Sharia-Polizei“ keine Uniform oder Uniformteile darstelle, somit eine Erfassung „gleichartiger“ Kleidungsstücke notwendig sei.

Weiter geht die Landesregierung auf die Regelungssystematik nicht ein. Es ist zutreffend, dass § 3 BundesversammlG das Tragen „gleichartiger“ Kleidungsstücke neben dem Tragen von Uniformen oder Uniformteilen auf Versammlungen verbietet, wenn dadurch ein militanter, einschüchternder Eindruck entsteht. Auch ist zutreffend, dass im zitierten Urteil des BGH davon ausgegangen wird, dass das Tragen handelsüblicher Warnwesten mit einer gleichlautenden Aufschrift nicht unter das Tatbestandsmerkmal des Tragens von „Uniformen“ oder „Uniformteilen“ fällt. Gleichwohl geht die Landesregierung in ihrer Begründung gänzlich darüber hinweg, dass das Uniformverbot des § 3 VersammlG LSA das Tatbestandsmerkmal „uniformähnlich“ enthält.

Die Definition von „uniformähnlicher“ und „gleichartiger“ Kleidung dürfte sich dabei auch nicht groß unterscheiden, da auch beim Tragen von „gleichartiger“ Kleidung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Bezug zu einer Uniform gegeben ist:

„Das Tragen speziell von Uniformen als Ausdruck politischer Gesinnung ist aber – wie historische Erfahrungen bestätigen – geeignet, nicht nur die Außenwirkung kollektiver Äußerungen zu verstärken, sondern darüber hinaus suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auszulösen. Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung des freien Meinungskampfes ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, die Meinungsäußerungsform des öffentlichen Uniformtragens schon in den Ansätzen und auch in ihren Umgehungsformen zu unterbinden. Zu solchen Umgehungsformen gehört insbesondere das gemeinsame Tragen solcher (ziviler) Kleidungsstücke, die im wesentlichen einheitlich aussehen und erkennbar Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen aufweisen. Von ihrer Gleichartigkeit mit Uniformen kann dabei um so eher ausgegangen werden, wenn die Anlehnung durch zusätzliche Umstände (Abzeichen, Auftreten mit militärischem Gebaren) verstärkt wird.“ (vgl. BVerfG, Dreierausschussbeschluss v. 27.04.1982, 1 BvR 1138/81, Rn. 1 – zitiert nach juris)

Auch das zitierte BGH-Urteil zur sog. „Sharia-Polizei“ (Rn. 17 – zitiert nach juris) nimmt Bezug auf den vorbenannten Beschluss des BVerfG und macht damit deutlich, dass eine gewisse Uniformähnlichkeit bestehen muss.

Der Sinn dieser Änderung des Versammlungsgesetzes wird – bezogen auf diese Einzelnorm – nicht klar. Die Ersetzung des Wortes „uniformähnlich“ durch „gleichartig“ ergibt, unter den oben genannten Voraussetzungen, wenig Sinn.

Im Gegenteil wird ein Begriff, der den Regelungskontext verdeutlicht, verwaschen. Es ist zu befürchten, dass durch das Austauschen der Wörter, gerade der in dem Wort „uniformähnlich“ bestehende Bezug auf Uniformen, und das mit dem öffentlichen Tragen von Uniformen bestehende Einschüchterungsrisiko, aufgehoben werden soll. Dadurch besteht die Gefahr einer Ausweitung des Uniformverbotes auf einen Zweck, der gesetzgeberisch im Bundesversammlungsgesetz nicht veranlasst war und auch historisch nicht begründbar ist. Es ist zu befürchten, dass durch diese anlasslose Änderung des bisherigen Wortlautes des § 3 VersammlG LSA einer Anwendung des Tatbestandes auf Fälle, in denen lediglich eine abstrakte „Gleichartigkeit“ von Kleidungsstücken gegeben ist, der Weg bereitet wird. So könnte beispielsweise das gemeinsame Tragen von Sporttrikots oder Fanutensilien bereits eine Gleichartigkeit begründen. Durch die bewusste Auswechselung der Begriffe wird dabei gleichzeitig die einschränkende Komponente, namentlich der einschüchternde Effekt, den das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken auf die Wahrnehmung der Äußerungsfreiheit haben kann, in den Hintergrund gestellt.

III. Zu Art. 1 Nr. 1 a) des Änderungsgesetzes – Öffentliche Veranstaltungen

Die Landesregierung möchte im Weiteren das Uniformverbot auf öffentliches Auftreten, das nicht unter den Versammlungsbegriff fällt, ausdehnen.

Als Begründung wird gleichermaßen die sog. „Schutzzonen“-Kampagne der NPD, sowie die sog. „Sharia-Polizei“ herangezogen.

Dabei geht es in erster Linie um die Möglichkeit, solches Verhalten strafrechtlich verfolgen zu können, welches eigentlich nicht nach den Strafvorschriften des Versammlungsgesetzes strafbar wäre, da Verhalten außerhalb von öffentlichen Versammlungen nicht unter den Anwendungsbereich der Norm fällt. Die Landesregierung plant somit die Schaffung neuer, allgemein geltender Strafvorschriften. Sinn und Zweck der Norm sind allein repressiv, wie aus der Begründung deutlich wird: „Gegen beide Verhaltensweisen wäre in Sachsen-Anhalt ein strafverfolgendes Einschreiten auf Grundlage von § 27 VersammlG LSA in Verbindung mit § 3 VersammlG LSA nicht möglich […].“

Diese Ausweitung des Uniformverbotes erscheint insbesondere im Lichte der vorangestellten Überlegungen zu Art. 1 Nr. 1 b) des Änderungsgesetzes problematisch. Zunächst erfolgt durch das Aufweichen des Tatbestandes mittels des Wortes „gleichartig“ eine Entfernung vom ursprünglichen Normzweck. Durch die Ausweitung auf das öffentliche Tragen gleichartiger Kleidungsstücke ufert die Anwendungsmöglichkeit der neu geschaffenen Norm aus. Situationen, bei denen es zu Auseinandersetzungen kommt, in denen Beteiligte „gleichartige“ Kleidungsstücke tragen, geraten in Gefahr, einer anderen strafrechtlichen Beurteilung unterzogen zu werden. Ein Bezug zum eigentlichen Schutzgut des Uniformverbots – die Meinungs- und Versammlungsfreiheit – droht verloren zu gehen.

Dabei wiegt das Bestimmtheitsgebot aus § 103 Abs. 2 GG besonders schwer. Es ist bereits auf Grundlage der bestehenden Regelung schwer zu bestimmen, wann ein die Voraussetzung des § 3 VersammlG LSA verbotenes, und damit gem. § 27 VersammlG LSA strafbares Verhalten gegeben ist. Dieses Problem wird durch die beabsichtigte Regelung lediglich weiter verschärft. Der Begriff „öffentlich“ bezeichnet einen Geltungsbereich, der schwer eingrenzbar ist. Die geplanten Änderungen des § 3 VersammlG LSA eröffnen einen unbestimmbaren Anwendungsbereich der Norm und bereiten einem Missbrauch des ursprünglichen Zwecks des Uniformverbotes den Weg. Das Änderungsgesetz sieht durch § 27 i. V. m. § 3 VersammlG LSA eine unbestimmte Strafnorm vor.

IV. Zu Art. 1 Nr. 4 und 5 des Änderungsgesetzes – Erweiterung des Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes

Eine weitere Änderung stellt die Ausweitung des Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes des § 15 VersammlG LSA auf sonstige öffentliche Veranstaltungen sowie die Anpassung der damit korrespondierende Strafnorm des § 26 VersammlG LSA dar.

Als Begründung werden Gewaltdelikte bei Sportveranstaltungen benannt. Das Vermummen sowie das zusätzliche Mitführen eines Gebissschutzes, das zwar „strafwürdig“, aber derzeit nicht strafbar sei, werden zur Konkretisierung der Begründung angeführt.

Bis auf die Erwähnung von Pauschalitäten – „general- und spezialpräventive Erwägungen“ – bleibt die Landesregierung eine Erklärung, woraus sich die Annahme einer Strafwürdigkeit ergibt, schuldig.

Anhaltspunkte für die Häufigkeit des Auftretens des beschriebenen Verhaltens in Sachsen-Anhalt werden nicht gegeben. Auch fehlt zur adäquaten Verhältnismäßigkeitsprüfung ein Vergleich zu bereits bestehenden ordnungsrechtlichen oder strafrechtlichen Möglichkeiten, einem derart beschriebenen Verhalten staatlich zu begegnen. Es ist nicht erkennbar, dass dem Vorstoß der Landesregierung belastbare Daten zugrunde liegen, die eine Verschärfung allgemeinen Handelns, der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung, rechtfertigen würden.
Der Gesetzesentwurf ist scheinbar von der Annahme geleitet, dass schärfere Strafen per se zu einer Abnahme von strafrechtlich relevanten Verhalten führen. Diese Annahme ist wissenschaftlich nicht belegbar.

Eine Kernproblematik des Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes ergibt sich aus der Tatsache, dass das derart ausgestaltete – strafbewehrte – Vermummungs- und Schutzwaffenverbot ein Handeln unter Strafe stellt, das keinen strafrechtlichen Erfolg erfordert. Bestraft wird nicht etwa das Be- oder Verhindern einer hoheitlichen Maßnahme, wie die Gesetzesbegründung suggeriert, sondern die potentielle, abstrakte Möglichkeit dazu. Eine Rechtsgutsverletzung muss nach Intention der Gesetzesbegründung noch nicht vorliegen.

Bereits das Vermummungs- und Schutzwaffenverbot aus § 17a BundesversammlG i. V. m. § 27 Abs. 2 BundesversammlG, sowie der entsprechende Tatbestand aus § 15 Abs. 1 i. V. m. § 26 Abs. 2 Nr. 1 VersammlG LSA begegnen seit ihrer Einführung Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit.

Diese Bedenken werden durch die intendierte Regelung weitergetragen. Was genau eine Schutzbewaffnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG LSA sein soll, ist selbst durch die Tatbestandskonkretisierungen „Geeignetheit und Bestimmtheit zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen“ nicht gänzlich klar. Wie die jüngere Rechtsprechung zeigt, kann bereits das Mitführen einer Plastikfolie auf einer Demonstration als Verstoß gegen das Schutzwaffenverbot gewertet werden. Auch könnte beispielsweise die Anreise zu einer Veranstaltung mit dem Fahrrad und Fahrradhelm schon in den Anwendungsbereich der neuen Norm fallen, wenn es durch das Tragen eines Fahrradhelmes zu der faktischen Abwehr einer Vollstreckungshandlung kommt.

Durch die geplante Verschärfung wird dieser unbestimmte Tatbestand ausgeweitet anwendbar auf alle „sonstigen öffentlichen Veranstaltungen“. Damit wird ein gefahrenabwehrrechtlicher Tatbestand, der seinerseits strafbewehrt ist, unverhältnismäßig ausgedehnt. Erfasst werden können bereits Konzerte in Parks oder öffentliche Feiern, ohne dass angenommen werden kann, dass eine vergleichbare Gefahrenprognose zugrunde gelegt wird. Die geplante Ausdehnung des Anwendungsbereiches von § 15 und § 26 VersammlG LSA bewirkt eine uferlose Pönalisierung des öffentlichen Lebens.
Dies wird dadurch noch weiter verdeutlicht und verschärft, dass selbst beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB eine Ausnahme von der Strafbarkeit für solche Fälle besteht, in denen sich die Vollstreckungsmaßnahme, gegen die Widerstand geleistet wird, als rechtswidrig erweist. Die geplante Neuregelung enthält keinen entsprechenden Ausnahmetatbestand. Das bloße Mitführen von Gegenständen, die als „Schutzbewaffnung“ geeignet und nach den Umständen dazu bestimmt sein sollen, kann in solchen Fällen bereits eine empfindliche Strafe nach sich ziehen, wohingegen aktiver Widerstand gegen rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen straffrei wäre. Eine solche Regelung manifestiert ein rechtliches Missverhältnis.

Inwieweit ein Gebissschutz die Durchführung einer hoheitlichen Maßnahme abzuwehren geeignet ist, ist klärungsbedürftig, was jedoch durch die Landesregierung nicht geschieht.

Die in der Begründung benannte Strafwürdigkeit des begründungstragenden Verhaltens ist in Frage zu stellen. Das bloße Mitführen von Gegenständen, selbst von sog. „Schutzbewaffnung“, bedeutet nicht, dass daraus etwa eine erhöhte Gewaltbereitschaft abzulesen ist. Die These einer erhöhten Gewaltbereitschaft aufgrund des Mitführens eines Gebissschutzes basiert nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen, sondern bleibt eine unbegründete These. In der Antwort auf die bereits angesprochene Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade vom 29.12.2020 zieht die Landesregierung zum Beleg dieser These ein Urteil des OLG Frankfurt a. M. heran, das seinerseits auf einen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vor Einführung des Schutzwaffenverbotes in das Bundesversammlungsgesetz verweist. Dort wird ausgeführt: „Teilnehmer, die solche Schutzwaffen mit sich führen, dokumentieren aufgrund ihres martialischen Erscheinungsbildes eine offenkundige Gewaltbereitschaft und üben auf die Menge nach massenpsychologischen Erkenntnissen eine aggressionsstimulierende Wirkung aus“ (vgl. BT-Drs. 10/3580, S. 4). Aber auch hier wird eine Quelle für die angeblichen „massenpsychologischen Erkenntnisse“ nicht genannt.

Inwieweit das Tragen eines Gebissschutzes ein martialisches Erscheinungsbild erzeugen oder fördern soll, ist unklar und wird weder vom Rechtsausschuss des Bundestages noch von der Landesregierung beantwortet.

Es stellt sich auch im Weiteren die Frage nach der Notwendigkeit der Norm. Die Initiative der Landesregierung basiert eindeutig auf der Intention, eine neue strafrechtliche Norm einzuführen. Das gefahrenabwehrrechtliche Moment der Erweiterung des Uniform- sowie Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes steht eindeutig nicht im Vordergrund der geplanten Gesetzesänderung. Maßgeblicher Faktor ist hier offensichtlich die Sicherung von Vollstreckungsmaßnahmen sowie die Unterbindung gewalttätigen Verhaltens im öffentlichen Raum.

Dabei ist dieses Verhalten bereits strafbewehrt, namentlich durch die §§ 113, 114, 125 und 125a StGB. Bereits diese Normen stellen eine rechtspolitisch problematische und verfassungsrechtlich bedenkliche Verschärfung von Verhalten dar, die dasselbe Anliegen verfolgen, wie vorliegend die Landesregierung. Durch § 113 Abs. 1 StGB wird der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bereits unter Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe gestellt. Durch die geplante Neuregelung wird der passive Schutz der Gesundheit, die durch Art. 2 Abs. 1 GG garantiert ist, unter Strafe gestellt. Sofern mit der Regelung auf eine Abschreckung von Gewalttätigkeiten in der Öffentlichkeit abgestellt werden sollte, sei angemerkt, dass auch dieses Verhalten durch Bundesgesetz erheblich strafbewehrt ist, namentlich durch die §§ 125, 125a StGB.

Ein rechtspolitischer Mehrwert durch eine weitere Verschärfung einer Handlung, die im Vorfeld zu Straftaten liegt, ist weder wissenschaftlich zu begründen, noch vorliegend erkennbar.

V. Zu Art. 1 des Änderungsgesetzes (insgesamt)

Die Antwort der Landesregierung vom 29.12.2020 auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Die Linke) vom 07.12.2020 (LT-Drs. KA 7/4215) gibt Aufschluss darüber, auf welcher Tatsachengrundlage die Initiative der Landesregierung basiert. Für den Zeitraum der letzten 3 Jahre liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass eine „Sharia-Polizei“ in Sachsen-Anhalt aufgetreten ist. Anhaltspunkte für ein zukünftiges Auftreten eines solchen Phänomens werden nicht benannt.

In der kleinen Anfrage wird auch die Erkenntnisgrundlage der Landesregierung zur sog. „Schutzzonen“-Kampagne der NPD abgefragt. In der Antwort zeigt sich zwar, dass es wohl in Sachsen-Anhalt zu solchen Ereignissen gekommen sein könnte. Allerdings wird aus der Antwort der Landesregierung deutlich, dass diese Erkenntnisse erst über die Social-Media-Kanäle der NPD selbst bekannt wurden. Erkenntnisse über tatsächliche „Streifengänge“ liegen der Landesregierung explizit nicht vor. Dies zeigt deutlich ein bereits angesprochenes Problem der Gesetzesinitiative: Unabhängig von der moralischen oder rechtlichen Problematik ist in diesem Phänomenbereich keine Wahrnehmung durch Justiz- oder Exekutivbehörden gegeben.

Die Landesregierung will restriktivere Regelungen auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts schaffen, diese über die gleichzeitige Pönalisierung „absichern“, scheint jedoch nicht willens oder in der Lage zu sein, potentielle Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Ziel bleibt lediglich eine populistische Verschärfung der Strafbarkeit öffentlichen Verhaltens, bei der ein ernstgemeinter Schutz vor der radikalen Rechten oder religiösen Radikalen nicht zu erwarten ist.

Auch zeigt sich deutlich, dass es sich vorliegend um einen marginal kleinen Phänomenbereich handelt. Eine derart extensive Gesetzesänderung, die gleichzeitig einen verschwindend kleinen Bereich der real auftretenden Fälle erfasst, ist nicht gerechtfertigt.

VI. Zu Art. 2 des Änderungsgesetzes

Art. 2 des Gesetzesentwurfs sieht eine Kommunalisierung des Versammlungsrechtes hinsichtlich der Stadt Halle vor. Die Stadt Magdeburg hat nach Angaben der Landesregierung von der eröffneten Möglichkeit, zuständige Versammlungsbehörde zu sein, keinen Gebrauch gemacht.

Die Kommunalisierung ist grundsätzlich zu begrüßen.
Die Polizei ist, entgegen eines weit verbreiteten Mythos, kein neutraler Akteur, sondern verfolgt eigene politische Ziele und Strategien. Aktuell wird dieser Fakt nicht nur offenkundig im Umgang der Polizei mit unzähligen Meldungen über rechtsradikale Polizist:innen, sondern beispielsweise auch in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem öffentlichen Auftreten der Polizei in sozialen Medien.

Zwar kann nicht gesagt werden, dass kommunale Versammlungsbehörden frei von Vorurteilen oder politischen Färbungen oder Agenden wären – allerdings kann doch angenommen werden, dass diese transparenter und justiziabler wären.

Die Polizei ist typischerweise auf Versammlungen, um die Friedlichkeit von Versammlungen zu sichern und übt dadurch bereits einen erheblichen Einfluss auf eigentlich „staatsfreie“ Demonstrationen aus. Es ist wünschenswert, wenn Entscheidungen im Vorfeld zu Versammlungen einem anderen Akteur überlassen werden, der weniger abgeschlossen und intransparent agiert.

Wie bereits oben dargestellt, wird in der Gesetzesbegründung deutlich, dass das hehre Ziel, antisemitische, rassistische oder anders menschenfeindliche Versammlungen einzuschränken oder jedenfalls die Äußerung solchen Gedankengutes zu unterbinden, ein Rechtsanwendungsproblem ist. In den meisten Fällen, die die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade anführt, war die Polizei Rechtsanwenderin. Es sollte somit aufgrund der Erkenntnisgrundlage erkennbar sein, dass eine generelle Kommunalisierung des Versammlungsrechtes wünschenswert ist.

VII. Fazit

Die geplante Änderung des Versammlungsgesetzes im hier angesprochenen Rahmen ist rechtlich höchst problematisch. Eine adäquate Darstellung einer rechtlichen Handlungsnotwendigkeit wird nicht gegeben. Die Gesetzesbegründung begnügt sich mit der Bezeichnung unspezifischer, unbelegter Annahmen.

Selbst wenn man diese Annahmen als zutreffend und belegbar unterstellen wollte, wird keine Notwendigkeit eines gesetzlichen Einschreitens aufgezeigt. Größtenteils stellt sich weniger die Frage der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten, sondern die nach der Umsetzung bereits vorhandener rechtlicher Instrumentarien.

Stattdessen möchte die Landesregierung den öffentlichen Raum in seiner Gesamtheit noch weiter reglementieren, ohne dass eine Veranlassung benannt werden könnte oder wird, womit sich das neue Versammlungsgesetz immer weiter von nachvollziehbaren Zielsetzungen entfernt.

Die Pönalisierung des öffentlichen Lebens in diesem Umfang, ohne Beleg einer Gefahr oder Regelungsnotwendigkeit, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in dieses dar.

VIII. Zum Änderungsantrag der AfD-Fraktion

Der Antrag der Landtagsfraktion der AfD ist gänzlich unbrauchbar und zeigt das nationalistische Gedankengut dieser Partei und Fraktion deutlich auf.

Die beiden Änderungswünsche der Fraktion sind die grundsätzliche Verpflichtung, Versammlungsinhalte in deutscher Sprache öffentlich zu machen sowie die Zuständigkeitsübertragung nach Art. 2 des Änderungsantrages zu verhindern.

Das Recht auf Versammlungsfreiheit gewährt ein Selbstbestimmungsrecht über Art und Weise sowie den Inhalt einer Versammlung. Dies umfasst auch die Freiheit, Versammlungen in anderen als der deutschen Sprache durchzuführen. Der Zweck von Versammlungen, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken, ist dadurch nicht tangiert. Zunächst ist es Personen, die eine Versammlung durchführen wollen, freigestellt, welchen Teil der Öffentlichkeit sie ansprechen möchten. Zudem ist es gerade ein inklusives Merkmal der Versammlungsfreiheit, bspw. Personen, die sich besser in anderen Sprachen ausdrücken können, die Möglichkeit zu geben, auf diese Art und Weise an der öffentlichen Meinungsbildung zu partizipieren.

Das dies auch elementarer Bestandteil der Versammlungsfreiheit ist, ergibt sich nicht zuletzt aus ihrer komplementären Konzeption. In dem von der AfD-Fraktion zitierten Beschluss des BVerfG wird nicht nur betont, dass die Versammlungsfreiheit ein elementarer Bestandteil einer repräsentativen Demokratie ist, sondern auch, warum:

„In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, verbleibt dem Einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im allgemeinen nur eine kollektive Einflußnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen. Die ungehinderte Ausübung des Freiheitsrechts wirkt nicht nur dem Bewußtsein politischer Ohnmacht und gefährlichen Tendenzen zur Staatsverdrossenheit entgegen. Sie liegt letztlich auch deshalb im wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse, weil sich im Kräfteparallelogramm der politischen Willensbildung im allgemeinen erst dann eine relativ richtige Resultate herausbilden kann, wenn alle Vektoren einigermaßen kräftig entwickelt sind. […]
Demonstrativer Protest kann insbesondere notwendig werden, wenn die Repräsentativorgane mögliche Missstände und Fehlentwicklungen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder aus Rücksichtnahme auf andere Interessen hinnehmen (vgl. auch BVerfGE 28, 191 (202)). In der Literatur wird die stabilisierende Funktion der Versammlungsfreiheit für das repräsentative System zutreffend dahin beschrieben, sie gestatte Unzufriedenen, Unmut und Kritik öffentlich vorzubringen und abzuarbeiten, und fungiere als notwendige Bedingung eines politischen Frühwarnsystems, das Störpotentiale anzeige, Integrationsdefizite sichtbar und damit auch Kurskorrekturen der offiziellen Politik möglich mache“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985, 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, Rn. 65, 66 – zitiert nach Juris).

Die Verpflichtung, Versammlungen grundsätzlich in deutscher Sprache durchzuführen, würde in diesem Sinne den demokratischen Wert von Versammlungen nicht steigern, sondern mindern.

Der Sinn des zweiten Anliegens der AfD-Landtagsfraktion liegt deutlich auf der Hand. Sie stört sich an der Kommunalisierung des Versammlungsrechts nicht aus rationalen, verfassungsrechtlichen oder -politischen Motiven, sondern an der Tatsache, dass ein politischer Entscheidungsträger Offensichtliches benennt: die Einstufung der Montagsdemonstrationen in Halle (Saale) als rechtsextrem. Es liegt nahe, dass die Landtagsfraktion der AfD ihr Wählerpotential vor einer zutreffenden, aber unliebsamen politischen Einordnung schützen möchte.

Gleichwohl ist eine Kommunalisierung des Versammlungsrechts aus den oben angeführten Gründen sinnvoll. Der impliziten Unterstellung der Landtagsfraktion der AfD, dass sich eine kommunale Versammlungsbehörde etwa nicht an das Neutralitätsgebot halten werde, ist weder begründet oder haltbar. Im Gegenteil ist allerdings zu hoffen, dass der Rechtsanwendungsmalus hins. der Tatbestände des § 13 Abs. 2 VersammlG LSA, wie er oben dargestellt wurde, behoben werden kann.

Berlin, 15.02.2021

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Sachsen Anhalt Versammlungsrecht Versammlungsrecht Stellungnahmen
news-751 Sun, 10 Jan 2021 18:24:03 +0100 Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu unterbinden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/dringender-appell-751 11.1.2021, Offener Brief des RAV an Justizministerien, Gerichte und das BAMF 11. Januar 2021, Offener Brief des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Dringender Appell des RAV

Sehr geehrte Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer,
sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, Landgerichte, Amtsgerichte sowie Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte,
sehr geehrter Herr Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge,

für den RAV steht aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation und vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang bisher ergriffenen Maßnahmen fest:
Auch die Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Virus zu unterbinden.
Die Aufrufe zum gesellschaftlichen Zusammenhalt verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sich die Einschränkungen auf den Privatbereich fokussieren und nicht auch seitens der Behörden und der Justiz die erforderlichen Anstrengungen unternommen werden. Vor diesem Hintergrund hält der RAV u.a. folgende Maßnahmen für unabdingbar:

1. Zur Aussetzung aller nicht eilbedürftiger Gerichtstermine

Viele Gerichtsverhandlungen, die aufschiebbar wären, finden nach wie vor statt. Selbstverständlich müssen in Haft- und Gewaltschutzsachen, in Verfahren, die das Kindeswohl betreffen und in dringenden Betreuungsangelegenheiten auch während des Lockdown Gerichtsverhandlungen durchgeführt werden, wenn damit keine konkreten und erheblichen Gesundheitsgefährdungen einhergehen.

Hier in Rede stehen aber zahlreiche Strafverhandlungen, die keine Haftsachen sind, sowie Verhandlungen in Asylsachen und in anderen Verfahren, die bereits seit Jahren an den Verwaltungsgerichten anhängig sind und ohne Probleme verschoben werden können.

Jede Gerichtsverhandlung führt zu einer Steigerung der Gesundheitsgefährdung der Verfahrensbeteiligten. Zu jedem Gerichtstermin kommen zahlreiche Verfahrensbeteiligte, oft auch aus unterschiedlichen Regionen, die alle eine Vielzahl weiterer beruflicher und sozialer Kontakte pflegen. Gerade solche Zusammenkünfte sollen aber im Sinne des Pandemieschutzes – soweit möglich – vermieden werden. Aufschiebbare Termine sind daher aufzuheben und für die Zeit nach dem Lockdown neu zu terminieren. Selbstverständlich obliegt es jeder Richterin und jedem Richter, vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit diese Entscheidung zu treffen. Allerdings sollte auch seitens der Justizverwaltung ein verantwortungsvoller Umgang mit der jeweils zu treffenden verfassungsrechtlichen Abwägung in den Blick genommen werden.

Zu berücksichtigen ist auch: Der Grundsatz, ›Wir bleiben zu Hause‹, steht einer der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglichen Gerichtsverhandlung diametral gegenüber. Dem Großteil der Bevölkerung dürfte noch nicht einmal bewusst sein, dass der Besuch einer Gerichtsverhandlung zur Sicherstellung von Öffentlichkeit einen »triftigen Grund« für das Verlassen der Häuslichkeit darstellt.

2. Zur Aussetzung des Personalberechnungssystems und Situation in den Gerichtssälen

Seitens des RAV wird nicht verkannt, dass eine Aufhebung von Gerichtsterminen im Lockdown zu Einschränkungen bei der Rechtspflege führt. Einschränkungen betreffen aber eine Vielzahl weiterer relevanter gesellschaftlicher Bereiche, wie Bildung, Kultur, Religion und spezifische wirtschaftliche Bereiche, wie etwa die Gastronomie.

Ein etwaig bestehender Erledigungsdruck für die Gerichte kann auch durch eine Aussetzung des Personalberechnungssystems PEBB§Y genommen werden.

Gerade vor dem Hintergrund, dass sich eine neue, noch ansteckendere Mutation des Virus herausgebildet hat, sind jetzt alle angehalten, ihren Beitrag zu leisten, um eine Eindämmung des Virus zu ermöglichen und damit auch eine Rückkehr zu einer Normalität in Aussicht zu stellen.

Die bisher in den meisten Gerichten ergriffenen Maßnahmen sind für den Gesundheitsschutz nicht ausreichend. So ist schon die Einhaltung der Abstandsregeln häufig nicht gewährleistet. In Anbetracht der Tatsache, dass während der Verhandlung meist vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes abgesehen wird, dürfte auch in größeren Räumlichkeiten ein effektiver Hygieneschutz nicht gegeben sein. Auch Plexiglasscheiben und -kästen schaffen nur bedingt Abhilfe. Wenn sie überhaupt vorhanden sind – was in einer Vielzahl von Gerichten nach wie vor nicht der Fall ist –, sind sie nach mehreren Seiten offen und es finden häufig Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten – bspw. bei Inaugenscheinnahmen – statt, bei denen die Verfahrensbeteiligten nahe beieinander stehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Wegerisiko in die Sphäre der Verfahrensbeteiligten verschoben wird. Denn aus gesetzlicher und/oder beruflicher Verpflichtung heraus besteht ein Teilnahmezwang an der Verhandlung.

3. Zur Zustellung negativer Bescheide

Darüber hinaus werden nach wie vor Ablehnungsbescheide, auch in Asylsachen, zugestellt. Während des Lockdown im Frühjahr 2020 hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zustellung negativer Entscheidungen ausgesetzt. Zu dieser Praxis ist wieder zurückzukehren.

Für die Betroffenen ist derzeit der Zugang zu anwaltlicher Beratung oder Unterstützung durch unabhängige Beratungsstellen de facto nicht gegeben. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Unterkünften für Geflüchtete durch Quarantäneanordnungen abgeriegelt. Den Bewohner*innen wird ein Verlassen damit verunmöglicht.

Selbst wenn Möglichkeiten bestehen, die Unterkünfte zu verlassen, ist es aufgrund der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen zu den Kanzleien nahezu unmöglich, anwaltliche Vertretung zu erreichen. Selbst wenn die Betroffenen selber Klage erheben wollen, wird ihnen – die häufig in ländlichen Regionen untergebracht sind – das Wegerisiko unter Benutzung des ÖPNV zu den Rechtsantragsstellen auferlegt.

Wir fordern daher, die Zustellung negativer Bescheide insbesondere im Bereich des Asyl- und Migrationsrechts bis zum Ende des Lockdown einzustellen.

Der RAV schließt sich insofern der Forderung des Deutschen Anwaltvereins vollumfänglich an, die er in seinem fundierten Vorschlag für eine ›Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis der Nachholung eines Visumverfahrens‹ dargelegt hat.(1)

Wir erwarten von den Behörden und der Justiz, dass sie angemessen und rechtskonform auf die Pandemie reagieren. Wir erneuern daher mit diesem Appell unsere Forderungen an die Verantwortlichen, die wir bereits im März 2020 gestellt haben.(2)

Hochachtungsvoll, Ihr

Dr. Lukas Theune
Rechtsanwalt, Geschäftsführer, im Namen des Vorstandes

(1) https://anwaltverein.de/de/newsroom/dav-initiativ-sn-91-20-covid-19-vo-visumverfahren?page_n27=2
(2) https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/corona-pandemie-auch-die-justiz-muss-umgehend-reagieren/49760e148aeeb89bb5a4bd5c52dc3533/

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Corona Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) Migration & Asyl Menschenrechte/Türkei
news-747 Tue, 05 Jan 2021 13:44:54 +0100 Aytaç Ünsal has to be released /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aytac-uensal-has-to-be-released-747 Gemeinsame Pressemitteilung, 16.12.20 Berlin, Barcelona, Madrid, Utrecht, Paris, Rome, Brussels, Athens, 16th December 2020

It is unacceptable that lawyer Aytaç Ünsal, convicted in an unfair trial, has been tortured and sent to prison despite his health conditions. Our colleague has to be released immediately.

People’s Lawyer Aytaç Ünsal, was taken into custody in Edirne in the evening of the 9th of December 2020. Previously, on the 3rd of September 2020, he had been released by the Court of Cassation, which postponed the execution of his sentence due to the deterioration of his health as a result of his long hunger strike (213 days) demanding the right to a fair trial. The other lawyer who went on hunger strike with him, Ebru Timtik, died from her prolonged fast.  

Recently, on the 23rd of November, police raided the house where Aytaç Ünsal was being treated. The raid put him on high risk of infection due to the Covid-19 pandemic and the collapse of his already weak immune system. Furthermore, Aytaç Ünsal’s colleagues, who were present in the house during the police raid, were also detained and their belongings plundered.

Aytaç Ünsal, in very fragile health conditions as a result of the hunger strike, was tortured by the political police when he was taken into custody in Edirne. Our colleague was taken off the vehicle and laid on the ground, stepped on, and his head hit the asphalt ground. Due to this fall, Aytaç Ünsal's face and various parts of his body were injured.

AED/EDL calls on the Turkish authorities to restore the rule of law and stop the practice of targeting lawyers. By aggressing the Defence, personified in this case by Aytaç Ünsal, Turkish authorities are in fact attacking the rule of law and human rights in Turkey.

It must be highlighted that Aytaç Ünsal has been attacked in his role as a human rights defender and we therefore call on the Turkish authorities to let him, as well as all other lawyers, to work freely and safely.

The international community is alarmed by the way Turkish judiciary displays, especially in terrorism-related cases, unprecedented levels of disregard for even the most basic principles of law, such as presumption of innocence, the necessity of a crime to justify a punishment, the non-retroactivity of crimes and the principle of non bis in idem (that is, not being judged for the same facts twice, as is the case in two ÇHD trials). At the same time, procedural guarantees such as adversarial proceedings, equality of arms and the right to a lawyer, are clearly and permanently eroded in these trials against lawyers.

Therefore, we call on the Turkish authorities to guarantee the independence of lawyers, and to protect procedural fair-trial guarantees. Furthermore, we raise concerns about recent developments jeopardising the effectiveness of the defense of human rights in Turkey. We stress the importance of civil society organisations and human rights defenders in a democratic society, as a vital and fundamental body for the defence of fundamental rights.

Finally, AED/EDL would like to draw attention to the worrying information we have received concerning the arrest and detention of human rights lawyers working for the non-governmental organization People's Law Office (HALKIN HUKUK BÜROSU) under accusations of membership in a terrorist organization.

According to the information received:

We express grave concern regarding the allegations of arrest and prosecution under accusation of membership in a terrorist organization of the above-mentioned lawyers of the People's Law Office. Moreover, serious concern is expressed at the mounting number of human rights defenders and lawyers under investigation for alleged links to terrorist organizations in Turkey, which seems to evidence a pattern of using this type of offence to target individuals and organizations legitimately expressing dissent with the policies of the current Turkish Government.

We declare the detention of this Human Rights defendants arbitrary, and we demand the Turkish Government to take all necessary measures to guarantee their right not to be deprived arbitrarily of their liberty and to ensure fair proceedings before an independent and impartial court, in accordance with articles 9, 10 and 14 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), ratified by Turkey on 23 September 2003.

We would also like to draw attention to the Basic Principles on the Role of Lawyers, which stipulate that governments have the duty to ensure that lawyers are able to perform all of their professional functions without intimidation, hindrance, harassment or improper interference, and that lawyers shall not suffer, or be threatened with, prosecution or administrative, economic or other sanctions for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics (Principle 16).

We would lastly like to highlight the fundamental principles set forth in articles 1 and 2 of the UN Declaration on Human Rights Defenders, which provide for the right to promote and to strive for the protection and realization of human rights and fundamental freedoms.

In view of the urgency of the matter, we urge the Turkish authorities to safeguard the rights and life of lawyer Aytaç Ünsal, in compliance with international instruments and to free him immediately.

We urge the Turkish authorities to provide clear information on the measures adopted to respect the fundamental rights and life of Aytaç Ünsal.


***
Founded in 1987, the Association of European Democratic Lawyers (AED) is a confederation of trade unions and lawyers' organizations with the same democratic, modern and humane ideals in Europe. The AED intends to defend the rights of citizens by preserving the independence of lawyers with regard to any political, social, economic or ordinal power. As a professional organization, its international purpose is to ensure respect for the rights of the defense and, in particular, to safeguard the physical integrity and political and economic freedom of lawyers. The association also works to ensure that all individuals have access to national and international judicial appeals, particularly those who are in the most precarious situations and whose basic rights are not recognized or poorly recognized.

MEMBER ASSOCIATIONS:

www.aeud.org
https://www.facebook.com/aed.edl1987/

twitter: @AED_EDL
telegram: https://t.me/AED_EDL

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Freie Advokatur (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Freie Advokatur Menschenrechte/Türkei
news-744 Fri, 18 Dec 2020 09:39:09 +0100 Strafverfahren gegen mutmaßlich rassistische Schläger wird im Januar fortgesetzt<br />Organisationen fordern sofortige Rückholung des nach Afghanistan abgeschobenen Jamil Amadi* /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-mutmasslich-rassistische-schlaeger-wird-im-januar-fortgesetztorganisationen-fordern-sofortige-rueckholung-des-nach-afghanistan-abgeschobenen-jamil-amadi-744 PM von FR, Pro Asyl, Reach Out, RAV u. Yaar, 18.12.2020 Im April 2017 wurde der damals 26-jährige Jamil Amadi auf einem Berliner S-Bahnhof Opfer eines brutalen und vermutlich rassistisch motivierten Überfalls. Einer der Täter soll der Berliner Polizist Stefan K. gewesen sein, der in seiner Freizeit unterwegs war. Noch bevor das Strafverfahren gegen Stefan K. und die anderen Angeklagten abgeschlossen war, ließ das Landesamt für Einwanderung Herrn Amadi im März 2020 nach Afghanistan abschieben, obwohl die Staatsanwaltschaft der Ausländerbehörde deutlich signalisiert hatte, dass er als Zeuge zur Durchführung der Hauptverhandlung gegen Stefan K. zwingend benötigt wird. Nach fast einjähriger Corona-bedingter Pause wird nun das Verfahren beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten neu aufgenommen. Verhandlungstermine sind für den 20. Januar und 3. Februar 2021 anberaumt.

Nichtregierungsorganisationen fordern: Jamil Amadi muss sofort nach Berlin zurückgeholt werden, um als Hauptzeuge und Nebenkläger im Verfahren auszusagen und Schmerzensgeldforderungen geltend zu machen. Herr Amadi muss überdies ein sicheres Aufenthaltsrecht als Opfer einer rassistisch motivierten Gewalttat erhalten. Die Rechtsanwältin von Herrn Amadi hat bereits rechtliche Schritte eingeleitet, um eine Wiedereinreise zu ermöglichen.

Wie die ZEIT am 18.11.2020 berichtete wurde Herr Amadi durch den Überfall schwer traumatisiert und aus der Bahn geworfen. Er wurde obdachlos, nahm Drogen und landete in Haft. Weil ihm eine Reihe von Straftaten zur Last gelegt wurde, schob das Landesamt für Einwanderung Herrn Amadi ab, obwohl es nie zu einer Verurteilung kam und ein Gutachter ihn für schuldunfähig erklärt hatte. Wenig später wurde bekannt, dass der Polizist Stefan K. Mitglied der Ermittlungsgruppe „Rex“ war, die für die Aufklärung der rechtsterroristischen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln zuständig war.

Wegen der langen Corona-bedingten Unterbrechung des Strafprozesses gegen Stefan K., müssen nun alle Zeug:innen noch einmal geladen werden.

Herr Amadi muss sofort nach Berlin zurückgeholt werden. Er ist Hauptzeuge in dem Verfahren und es ist unabdingbar, dass auch er noch einmal gehört wird. Zudem hat er als Nebenkläger das Recht, in dem Verfahren Schadensersatzansprüche geltend zu machen und dafür vor Gericht gehört zu werden“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin.

Die Abschiebung war aus unserer Sicht unrechtmäßig, nicht nur wegen des noch laufenden Strafverfahrens gegen den hauptverdächtigen Polizisten und seine mutmaßlichen Mittäter. Herr Amadi ist seit dem Überfall gesundheitlich stark beeinträchtigt, körperlich und psychisch. Eine adäquate medizinische Behandlung gibt es in Afghanistan nicht. Als Opfer einer vermutlich rassistisch motivierten schweren Gewalttat muss Herr Amadi einen gesicherten Aufenthalt und eine Entschädigung bekommen. Berlin steht hier in der Verantwortung, nicht zuletzt, weil an der brutalen Tat ein Polizeibeamter des Landes Berlins beteiligt gewesen sein soll“, ergänzt Helga Seyb von der Opferberatungsstelle Reach Out.

Immer noch werden Menschen, die in Deutschland rassistisch motivierte Gewalt erfahren haben, unzureichend geschützt. Die Berliner Regelung, wonach Opfer von Hasskriminalität eine Duldung bzw. ein Bleiberecht erhalten sollen, kommt in der Praxis nicht zur Anwendung. Auch in dem am 30. Oktober 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus fehlt eine entsprechende Regelung.

Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL fordert: „Rassistische Gewalttaten müssen vor Gericht gebracht und ihre Opfer angehört werden. Betroffene dürfen nicht außer Landes geschaffen werden. Das ist mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar.

Viele Geflüchtete, die Opfer von Übergriffen geworden sind, zeigen aus Angst vor Abschiebung die Täter:innen gar nicht erst an und sind angesichts rassistischer Gewalt praktisch schutzlos gestellt. PRO ASYL, Reach Out, der RAV, der Flüchtlingsrat und Yaar fordern generell ein Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt.

* Jamil Ahmadi ist ein Aliasname.

Pressekontakte

Hinweis: Falls Sie uns telefonisch nicht erreichen, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail, wir rufen Sie gerne zurück.

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Abschiebungen Pressemitteilung
news-742 Sat, 12 Dec 2020 17:36:18 +0100 Mensch Pirna – Aktion weist in Pirna auf Menschenrechte hin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mensch-pirna-aktion-weist-in-pirna-auf-menschenrechte-hin-742 72 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Pressemitteilung
In Pirna feiert ab dem 10.12.2020 ein breites Bündnis der Zivilgesellschaft das 72-jährige Bestehen der Erklärung der Universellen Menschenrechte. Die am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung beschlossene Resolution weist 30 Artikel auf, die den Menschen Rechte zusichern und ein freies und gerechtes Leben ermöglichen sollen. Auf alle 30 Artikel des Papiers weist die Aktion „Mensch Pirna“ mit Fußbodenaufklebern in der Pirnaer Altstadt hin.
• Einzelne Akteur*innen aus einem überparteilichen Bündnis haben die Aktion „Mensch Pirna“ ins Leben gerufen
• Unterstützt wird die Aktion, die bis Januar 2021 laufen soll, von verschiedenen Vereinen, Organisationen, Einrichtungen, den Kirchen, Einzelpersonen und Persönlichkeiten
• Als Pate für Artikel 1 „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“ steht Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke

Mensch Pirna – Überparteiliche Aktion für die Menschenrechte
Am 10. Dezember, dem Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Menschenrechte, startet „Mensch Pirna“ mit einer Informationskampagne, die auch über Pirna hinaus strahlen soll. So werden neben den Aufklebern, die in den Folgetagen und noch bis Januar auf die einzelnen Artikel der UN-Resolution aufmerksam machen wollen, digital einige Inhalte geboten. Auf der Webseite Mensch-Pirna.de können Interessierte nicht nur die gesamte Erklärung nachlesen, sondern auch aktuelle Neuigkeiten vom überparteilichen Team hinter der Aktion lesen. Zudem werden auf der Webseite die einzelnen Patinnen und Paten aufgeführt.

Pat*innen übernehmen einzelne Artikel und Aufkleber
Für viele der Aufkleber, die über den Dezember hinweg sowie noch im Januar in Pirna zu sehen sein werden, wurden Patinnen und Paten gefunden. So übernimmt beispielsweise der Pirnaer Oberbürgermeister KlausPeter Hanke die Patenschaft für Artikel 1 zu Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Pate für Artikel 2, dem Verbot der Diskriminierung, ist der CSD Pirna e.V. Das Recht auf Wohlfahrt beschreibt Artikel 25, für den die Pat*innen die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Caritas, das DRK und die AWO sind. Die gesamte Liste kann auf der Webseite Mensch-Pirna.de eingesehen werden.

Weitere Patinnen und Paten sind: Laienchor Pir- Moll, Amnesty International Hochschulgruppe Dresden, Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V., Sächsischer Flüchtlingsrat e.V., Matthias Piel, AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V., Mehrgenerationshaus Famil e.V., Soroptimist Club Pirna, Die christlichen Gemeinden der Stadt Pirna, Sächsische Zeitung , Pirna TV, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Tafel Pirna e.V. , Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), Deutscher Gewerkschaftsbund Dresden - Oberes Elbtal (DGB), NaturFreunde Sachsen e.V. , Naturfreundejugend Sachsen , Friedrich - Schiller - Gymnasium Pirna, Heilpädagogik Bonnewitz, Herder Gymnasium Pirna , Uniwerk e.V., Helpline Dresden und AKuBiZ e.V.

Erinnerung an Grundfeste der Gesellschaft, gerade jetzt
Der Zeitpunkt der Aktion wurde nicht willkürlich gewählt, haben über das Jahr 2020 einige Akteur*innen doch gezeigt, dass andere Menschen ihnen nicht viel wert sind. Mit der „Mensch Pirna“-Aktion soll auf gemeinsame Werte hingewiesen werden, um die Gesellschaft – gerade in Zeiten der Krise, in Zeiten der Corona -Pandemie – wieder besser aufeinander einzustimmen. Zwar darf man sich keine Illusionen machen, doch die Hoffnung auf ein besseres, vernünftigeres Miteinander gibt es immer. Und diese wird mit einem breiten Bündnis aus der Zivilgesellschaft zum Ausdruck gebracht.

Ina Richter und Johannes Domke
Organisationsteam

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Bürger- und Menschenrechte (doublet) Versammlungsfreiheit Bürger- und Menschenrechte
news-740 Sun, 06 Dec 2020 19:11:43 +0100 Jede Abschiebung nach Syrien verletzt die Menschenrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/jede-abschiebung-nach-syrien-verletzt-die-menschenrechte-740 Pressemitteilung 17/20, 7.12.2020 Abschiebungen in einen Folterstaat und Kooperationen mit dem Assad-Regime sind indiskutabel

Der RAV fordert anlässlich der Konferenz der Innenminister in dieser Woche, den Abschiebungsstopp nach Syrien zu verlängern. Abschiebungen in einen Folterstaat sind indiskutabel, Syrien ist für keinen Menschen sicher.

In Syrien ist weiterhin ein brutales und verbrecherisches Regime an der Macht: Jegliche oppositionelle Handlung oder auch nur der Verdacht, gegen die Regierung zu sein, wird von Assad und seinem Regime sofort gewaltsam unterdrückt und verfolgt. Zigtausende Menschen sind und werden weiter inhaftiert und gefoltert. Dem Verdacht, das Regime zu bekämpfen, können alle Menschen in allen Teilen des Landes ausgeliefert sein. Insbesondere diejenigen, die in das Land zurückkehren, sind bedroht, als Regimegegner*innen angesehen zu werden und im Gefängnis zu landen. Hinzu kommt eine katastrophale humanitäre Situation und ein durch den Krieg verwüstetes Land, in dem mehr als sechs Millionen Binnenvertriebene leben.

Die allgegenwärtige existenzielle Gefahrenlage wird von internationalen, staatlichen wie nichtstaatlichen, Organisationen, einschließlich des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR einhellig bestätigt. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat wieder klar gestellt, dass der syrische Bürgerkrieg gekennzeichnet sei »durch die wiederholte und systematische Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Armee« (EuGH, Urteil vom 19.11.2020 - C-238/19 -). Auch das Auswärtige Amt stellt aktuell in seinem Lagebericht fest, dass Syrien für keinen Menschen und in keiner Region sicher ist. Es verbietet sich jegliche Kooperation mit syrischen Sicherheitsbehörden.

Auch der Bundesinnenminister hat keine anderen Erkenntnisse, will aber nun im Zusammenspiel mit seinen Innenministerkollegen der Länder aus CDU und CSU den Abschiebungsstopp nach Syrien beenden: »Der Innenminister hat noch nicht einmal schlechte, er hat schlicht gar keine Argumente. Abschiebungen nach Syrien würden gegen die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen«, sagt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV.

Nach Syrien abzuschieben ist aber –  abgesehen davon, dass es rechtswidrig wäre – auch politisch keine kluge Antwort auf Straftaten mit mutmaßlich islamistischen Motiven. Islamistische Gefahren dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, Menschenrechte einzuschränken und auszuhöhlen. Dazu Rechtsanwältin Barbara Wessel (ebenfalls erw. RAV-Vorstand) »Das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlungen gilt bedingungslos für alle Menschen, auch bei Abschiebungen in andere Staaten. Abschiebungen von Straftäter*innen und sogenannten Gefährder*innen sind ein gefährlicher Dammbruch, der den Schutzwall vor Abschiebungen auch von anderen Menschen bricht, wie wir am Beispiel Afghanistan sehen«.

Um Abschiebungen nach Syrien praktisch möglich zu machen, müsste der deutsche Staat mit den syrischen Sicherheitsbehörden kooperieren: »Theoretisch müssten die syrischen Behörden im Einzelfall gegenüber den deutschen Behörden sicherstellen, dass keine Folter droht. Es ist völlig realitätsfern, dass ein durchweg autokratisches, repressives und unterdrückerisches Regime Zusicherungen gibt, die verlässlich wären und die rechtsstaatlich einwandfrei in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geklärt werden können«, so Berenice Böhlo, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied des RAV.

Wir fordern die Innenminister des Bundes und der Länder auf, sich an der Situation in Syrien anstatt an rechten Forderungen zu orientieren, die Menschenrechte zum Maßstab zu nehmen anstatt sie zu relativieren. Der Abschiebungstopp nach Syrien muss verlängert werden.

Syrien ist nicht sicher – Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

***
Kontakt für Pressegespräche:
Dr. Matthias Lehnert, Tel. 030.25 29 87 77, lehnert@aufenthaltsrecht.net
oder über die Geschäftsstelle des RAV, 030.41 72 35 55, kontakt@rav.de

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Syrien Abschiebungen Migration & Asyl (doublet) Pressemitteilung Migration & Asyl
news-739 Tue, 24 Nov 2020 11:08:43 +0100 Gesetzentwurf des BMJV für eine „gesetzliche Regelung zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Strafvollstreckungsverfahren“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzentwurf-des-bmjv-fuer-eine-gesetzliche-regelung-zur-intensivierung-des-einsatzes-von-videokonferenztechnik-im-strafvollstreckungsverfahren-739 RAV-Stellungnahme, 23.11.20 Verfasser: Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Bremen

Vorbemerkung

Auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs des Bundesrates vom 24.03.2010 (BT-Drs. 17/1224; vorher bereits BT-Drs. 16/7956, der Diskontinuität verfallen) wurde m.W.v. 01.11.2013 (BGBl. I S. 935) in § 462 Abs. 2 StPO ein neuer Satz 2 eingefügt, demzufolge für den Fall, dass das Gericht „eine mündliche Anhörung an[ordnet], ... es bestimmen [kann], dass sich der Verurteilte dabei an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird“. Es befremdet, dass der vorliegende Entwurf diese Regelung weder erwähnt noch darlegt, welche Erfahrungen damit gemacht wurden.

Ferner wäre zu erwarten gewesen, dass dargelegt wird, warum die von Seiten der Bundesregierung zu dem o.g. Gesetzentwurf des Bundesrates geäußerten Bedenken hinsichtlich einer beabsichtigten Erweiterung der Regelung auf Anhörungen gem. §§ 453 und 454 StPO nun nicht mehr gehegt werden. In BT-Drs. 17/1224 S. 18 hieß es insoweit:

Die Bundesregierung hat Bedenken gegen diesen Vorschlag, soweit er auch Geltung für die Fälle des Widerrufes der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 453 Abs. 1 S. 3 StPO beansprucht. In diesen Fällen geht es – wegen der Bedeutung der Sache für den Verurteilten – ganz besonders darum, dass sich das Gericht einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten verschaffen kann.“

Und zu § 454 StPO:

„... hat die Bundesregierung Bedenken gegen diesen Vorschlag, der für die Fälle der Reststrafaussetzung zur Bewährung die Möglichkeit der Videokonferenz anstelle einer höchstpersönlichen Anhörung des Verurteilten durch das Gericht vorsieht. Der Zweck der Anhörung des Verurteilten besteht nicht nur in der Gewährung des rechtlichen Gehörs, sondern durch die zwingende mündliche Anhörung soll auch erreicht werden, dass das Gericht den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten aufnimmt und sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft.

Dementsprechend hatte der Rechtsausschuss des Bundestages auf die Änderungen der §§ 453, 454 StPO ganz verzichtet, u.a. mit folgender Begründung (BT-Drs. 17/12418 S. 17):

Die Anhörung dient in beiden Fällen jedoch in ganz besonderem Maße dazu, dass sich das Gericht einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten verschaffen kann (und auch sollte).

Woher nun – nur sieben Jahre später – der Sinneswandel kommt, bleibt ein Geheimnis: Will man wegen der Corona-Pandemie und der damit in Zusammenhang stehenden erhöhten Anforderungen an den Infektionsschutz (notstandsähnlich) vorübergehend eine Sonderregelung schaffen (ähnlich § 10 EGStPO), so wäre dies explizit kenntlich zu machen und demgemäß zu befristen. Nicht hinzunehmen ist jedoch, dass hier eine – vorab mit guten Gründen (s.o.) verworfene – Regelung gewissermaßen ‚im Schatten‘ der Pandemie doch noch, und zwar offenbar über diese hinaus dauerhaft, eingeführt werden soll.

Vor diesem Hintergrund gleichwohl einige Anmerkungen zu dem BMJV-Entwurf:

1. Allg. Begründung

Die Begründung für die in § 463e StPO-E vorgesehene Regelung zur mündlichen Anhörung „im Wege der Bild- und Tonübertragung“ (S. 2) überrascht, gelinde gesagt:
Durch den Einsatz der Übertragungstechnik werden die mit der mündlichen Anhörung etwaig einhergehenden Sicherheitsrisiken für das Justizpersonal und die hiermit ebenfalls verbundenen Belastungen für den Verurteilten verringert. Für den Fall, dass durch den Einsatz der Videokonferenztechnik ein Gefangenentransport vermieden wird, vermindert sich zudem das Fluchtrisiko. [...] Schließlich trägt der Einsatz der Übertragungstechnik zu einer effizienteren Gestaltung des Verfahrens bei.

Welche „Sicherheitsrisiken für das Justizpersonal“ damit „etwaig“ gemeint sind, mag man noch erahnen: Ob sich jene Risiken aber schon einmal irgendwo realisiert haben, bleibt hingegen offen; der Verfasser hat solches bisher jedenfalls weder erlebt noch gehört. Gleiches gilt für das „Fluchtrisiko“: Dass und ggf. wie oft Gefangene, die gem. §§ 453, 454 StPO (ggf. auch i.V.m. § 463 StPO) anzuhören sind, einen Gefangentransport zur Flucht missbraucht haben, hätte man gerne erfahren. Beides klingt allzu vorgeschoben. Dann auch noch etwaige „Belastungen für den Verurteilten“ ins Feld zu führen als Begründung für eine Vorgehensweise, die auf seine Zustimmung resp. Ablehnung keine Rücksicht nehmen soll, befremdet. Die vermeintlich „effizientere Gestaltung des Verfahrens“ erweist sich schließlich als Allgemeinplatz: In Anbetracht der auf Seiten der Gefangenen betroffenen Rechte ist „Effizienz“ hier offenbar einmal mehr einseitig justizlastig besetzt und insoweit als Legitimation zurückzuweisen.

Alles in allem – sieht man, wie gesagt, von infektionsschutzbedingten befristeten Sonderregelungen ab (s.o.) – schon im Ansatz keine tragfähige Begründung für die geplante dauerhafte Änderung des formellen Vollstreckungsrechts.

Schließlich sei angemerkt, dass der Verfasser im Rahmen solcher audio-visueller Anhörungen, die z.T. bereits (aber eben: Corona-bedingt) stattgefunden haben, regelmäßig auf technische Probleme bzw. Grenzen stößt. So gehen – um nur ein Beispiel zu nennen – Anmerkungen und/oder Zwischenfragen etwa unter, weil technisch bedingt immer nur eine Person gleichzeitig reden kann; außerdem müssten einzelne Teile der Anhörung – um ein weiteres Beispiel zu nennen – wiederholt werden, wenn eine der teilnehmenden Personen vorübergehend aus der Schaltung verschwindet (soweit dies überhaupt zeitnah registriert wird), was kaum praktikabel ist.
 

2. zu § 463e Abs. 1 StPO-E

Durch die mündliche Anhörung soll neben der Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektives rechtliches Gehör auch – so zutreffend die Bundesregierung (und ihr folgend der Rechtsausschuss des Bundestages, s.o.) – erreicht werden, dass das Gericht „den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten aufnimmt und sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft“. Das Gericht soll sich zur Gewinnung einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage „einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten verschaffen (...), was auch durch die Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geboten“ sei (so jüngst das OLG Brandenburg in einem Beschluss vom 23.09.2020 – 1 Ws 87/20 mit zahlreichen Nachweisen zur einhelligen Rechtsprechung). Dies erfordere „grundsätzlich die gleichzeitige persönliche Anwesenheit des Gerichts und des Verurteilten; eine audiovisuelle Anhörung [könne] allenfalls bei Einwilligung des Anzuhörenden ... ausreichend sein“ (OLG Brandenburg a.a.O. – wenn auch zu dem Fall einer bloßen Telefonkonferenz – m.w.N.).

Dem ist nichts hinzuzufügen. Hiervon gegen den Willen der Betroffenen abzuweichen, ist weder angezeigt noch akzeptabel.

Das dem Gericht in dem Entwurf eingeräumte Ermessen (Abs. 1 S. 1: „kann“) ist nicht geeignet, die Bedenken zu beseitigen, zumal effektiver Rechtsschutz insoweit kaum gewährleistet ist. Wenn es in der Begründung heißt (BMJV-E S. 3):

Erläutert etwa der Verurteilte nachvollziehbar, warum ihm daran gelegen ist, dem Richter persönlich gegenüberzutreten und sich zu erklären, oder verspricht eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit eine bessere Aufklärung entscheidungserheblicher Gesichtspunkte, so wird eine solche auch weiterhin geboten sein.

so lässt dies bereits erahnen, wie schwer es in Anbetracht des justiziellen „Effizienz“-Gewinns (s.o. 1.) der Verurteilte haben wird, seine Vorstellungen durchzusetzen. Allerspätesten wenn er die Teilnahme an der Anhörung unter audio-visuellen Bedingungen verweigert, sollte das Gericht jedoch davon Abstand nehmen (müssen), zumal damit die Freiwilligkeit eines solchen Verzichts fragwürdig wäre. Insgesamt keine überzeugende Konstruktion.

Der Zugang der Betroffenen zu ihrer Verteidigung muss jederzeit gewährleistet werden, weshalb diese selbstverständlich das Recht behalten muss, an deren Seite zu sein – damit wäre aber zugleich verhindert, dass auch der Verteidigung eine unmittelbare Kommunikation mit dem Gericht gewährt wird. Dass sich die Betroffenen ggf. „in einem Geschäftsraum eines Verteidigers oder Rechtsanwalts“ aufhalten, ist insofern zwar eine bemerkenswerte (Neu)Regelung in der StPO, macht aber zugleich die Fragwürdigkeit der Konstruktion deutlich: Wie die Anhörung eines Verurteilten, der sich in einem solchen „Geschäftsraum“ aufhalten darf, andernfalls zu einem „Sicherheitsrisiko für das Justizpersonal“ hätte werden sollen, ist schleierhaft, auch eine Fluchtgefahr wäre dann auszuschließen – bliebe also nur „Effizienz“ (s. dazu 1.).

Dass eine solche Vorgehensweise schließlich ausgeschlossen sein soll (S. 2), wenn es um unbefristete Freiheitsentziehungen geht (lebenslange Freiheitsstrafe sowie Unterbringung gem. §§ 63, 66 StGB), ist ungeachtet all dessen selbstverständlich (und) zu begrüßen.
 

3. zu § 463e Abs. 2 StPO-E

Der Konstruktion zufolge wären ebenfalls anzuhörende Sachverständige wiederum von andernorts zugeschaltet. Dagegen spricht zwar nicht unmittelbar der zu Abs. 1 S. 1 formulierte Einwand, es gelte dem Gericht „den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten ... [und] einen persönlichen Eindruck von ihm“ zu verschaffen, zumal Sachverständige bereits im Vorfeld im Rahmen der Exploration hinreichend Kontakt zu dem Verurteilten gehabt haben sollten, um sich einen solchen Eindruck zu verschaffen. Allerdings kann sowohl der Auftritt der Verurteilten in der Anhörung dem Gericht gegenüber und in Reaktion auf deren Fragen den Sachverständigen zusätzliche Erkenntnisse verschaffen. Außerdem gilt auch hier, dass die unmittelbare Auseinandersetzung – gerade auch der Verteidigung – mit den Sachverständigen (immerhin als Konfrontationsrecht gem. Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK dem Grunde nach geschützt) erheblich erschwert würde.
 

4. Fazit

Alles in allem – und allemal in der vorliegenden Fassung – ein abzulehnender Entwurf.

Abgesehen davon erschiene eine solche Regelung am Ende des 1. Abschnitts des 7. Buchs der StPO (in einem § 463e) gesetzestechnisch und -systematisch deplatziert: naheliegender wären – wie ehedem in BT-Drs. 17/1224 vorgeschlagen (s.o.) – Änderungen der §§ 453, 454 StPO. Ungeachtet all dessen ist schließlich nicht ersichtlich, warum an der Regelung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO (s. Vorbemerkung) festgehalten werden sollte.

Dass – wie schon bisher ausnahmsweise für zulässig erachtet (s. auch oben das OLG Brandenburg mwN) – eine audio-visuelle Anhörung mit Zustimmung der Verurteilten durchgeführt wird, bleibt von alledem unberührt: Dafür mag es aus ihrer Sicht und der ihrer Verteidigung gute Gründen geben (etwa auch, um die Anhörung von Mandant*innen zu gewährleisten, die sich derzeit im Ausland aufhalten). Ob es insoweit einer Klarstellung im Gesetz bedarf, erscheint diskussionswürdig.

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Stellungnahmen
news-741 Mon, 23 Nov 2020 10:45:00 +0100 Obdachlosen Unionsbürger*innen ohne geklärten Sozialleistungsanspruch wird Unterbringung über ASOG häufig durch die Bezirksämter verweigert. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/obdachlosen-unionsbuerger-innen-ohne-geklaerten-sozialleistungsanspruch-wird-unterbringung-ueber-asog-durch-die-haeufig-bezirksaemter-verweigert-741 Offener Brief an die Sozialstadträtin von Pankow, 23.11.20 An:
Sozialstadträtin von Pankow
Frau Tietje
Fröbelstr. 17
10405 Berlin

Prüfung der rechtskonformen Unterbringung von Unionsbürger*innen durch das Amt für Soziales Pankow
                                                                                                                                                             Berlin, 23.11.2020

Sehr geehrte Frau Tietje,

wir wenden uns mit einem offenen Brief an Sie, weil wir um Überprüfung der Unterbringungspraxis über ASOG für Unionsbürger*innen durch das Bezirksamt Pankow bitten.

Wir, das „Netzwerk obdachlose Familien“ sind ein Zusammenschluss von Sozialarbeiter*innen, die Familien dazu beraten und darin begleiten ihr Recht auf Unterbring durchzusetzen.

Vertreten sind Mitarbeiter*innen von gemeinnützigen Vereinen, Migrations-, Sozial-, Wohnungslosen- und Gesundheitsberatungsstellen.

Aus der Praxis kennen wir leider zahlreiche Fälle, in denen obdachlosen Unionsbürger*innen ohne geklärten Sozialleistungsanspruch, die Unterbringung über ASOG durch die Bezirksämter verweigert wird. In vielen Fällen sind davon auch Kinder mitbetroffen. Wir dokumentieren diese Fälle und sehen, dass der Leistungsbezug in aller Regel zur Voraussetzung gemacht wird.

Auf die schriftliche Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus (09.04.2019 Drucksache 18/18580) antwortete Ihr Bezirk zur Unterbringung von obdachlosen Unionsbürger*innen:

„Ergibt die Erstprüfung der leistungsrechtlichen Ansprüche für unfreiwillig obdachlose Unionsbürgerinnen und Unionsbürger einen eindeutigen Leistungsausschluss, werden die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger umgehend an ihre Herkunftsländer verwiesen und zur zeitnahen Heimreise beraten bzw. auf Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Rückkehrhilfen nach § 23 Abs. 3 a SBG XII hingewiesen.“ (vgl. Antwort auf schriftl.  vom 24.04.19, Drucksache 18/18 580)

Dieses Vorgehen widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts  Berlin-Brandenburg und des Verwaltungsgerichts Berlin. Vgl. hierzu exemplarisch die Entscheidung des Verwaltungsgericht Berlin (Beschluss v. 23.09.16  - VG 23 L 1434/16-):

„Das Oberverwaltungsgericht hat […] entschieden, dass Unionsbürger*innen während der Klärung ihrer-  grundsätzlich vorrangigen - sozialrechtlichen Ansprüche - zur Vermeidung der Obdachlosigkeit einen Anspruch auf Unterbringung nach dem Gefahrenabwehrrecht haben.“ (siehe VG Berlin, Beschluss vom 23.09.16, VG 23 L 1434/16 unter Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11. April 2016 – OVG 1 S 1.16 – Rn. 4 ff. und vom 13. April 2016 – OVG 1 S 123.15 – S. 5 ff.; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 07. August 2015, OVG 1 S 82.15).

Auch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sieht weder die Angebote der Kältehilfe, noch die Notunterkünfte für Familien als regelhaften Ersatz für die ASOG Unterbringungen (siehe Antwort auf Anfrage v. 09.04.2019 Drucksache 18/18580)

Leider erleben wir regelmäßig, dass die Rechtsprechung der zuständigen Gerichte in der Praxis des Amtes für Soziales Pankow keine Berücksichtigung erfährt.

Wir bitten Sie, zu prüfen, inwieweit die Umsetzung des ASOG in Ihrer Behörde rechtskonform gewährleistet ist und die geltende Rechtsprechung berücksichtigt wird. Gegebenenfalls bitten wir Sie, die Praxis der Sozialen Wohnhilfe dahingehend zu ändern.

Wir bitten um eine Rückantwort bis in 2 Monaten.

Wir würden uns sehr darüber freuen, mit Ihnen und Vertreter*innen des Amtes für Soziales Pankow in einen Austausch über dieses Thema treten zu können. Eine gute Gelegenheit dafür sehen wir z.B. bei einer der nächsten AG’s Unionsbürger*innen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Die Einladung dazu leiten wir Ihnen sehr gern zu.

Mit freundlichen Grüßen,

Unterzeichnende:
Amaro Foro e.V.
Nachbarschaftsheim Neukölln e.V.
Fachgruppe Migration und Flüchtlinge der Landesarmutskonferenz Berlin
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
RAin Esther Kleideiter
RA Benjamin Düsberg
RA Lutz Achenbach
AKM Rechtsanwältinnen
RAin D. Schnürer
RA Volker Gerloff
RA Carolin Kaufmann

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Berlin Sozialrecht
news-738 Sun, 22 Nov 2020 14:54:34 +0100 RAV-Anwältin klagt gegen Trojaner-Einsatz durch Hamburger Verfassungsschutz und gegen predictive policing-Befugnisse der Hamburger Polizei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-anwaeltin-klagt-gegen-trojaner-einsatz-durch-hamburger-verfassungsschutz-und-gegen-predictive-policing-befugnisse-der-hamburger-polizei-738 Pressemitteilung 16/20, 23.11.2020 Hamburgs Verfassungsschutz und die dortige Polizei verfügen seit April 2020 über scharfe Überwachungsinstrumente: Der Verfassungsschutz darf mit Trojanern verschlüsselte Kommunikation ausforschen, die Polizei mittels Algorithmen Personenprofile erstellen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und weitere NGOs erheben heute Verfassungsbeschwerde gegen die entsprechenden Gesetzesänderungen – eine der Kläger*innen ist unser RAV-Mitglied Britta Eder, Strafverteidigerin in Hamburg.

»Angesichts der umstrittenen Überwachungspraxis von Geheimdiensten und wiederkehrender Polizei-Skandale sind neue Befugnisse für diese Behörden höchst bedenklich. Wie diese Befugnisse in Hamburg geregelt sind, ist darüber hinaus verfassungswidrig«, sagt Bijan Moini, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Geheimdiensttrojaner verletzt Grundrechte

Seit einer Änderung des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes im April 2020 darf sich das Hamburger Amt für Verfassungsschutz ohne Gerichtsbeschluss oder ähnliche Vorab-Kontrolle in Geräte bestimmter Personen hacken (§ 8 Abs. 12). Das verletzt Betroffene in ihrem IT-Grundrecht (Recht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme), und es verletzt ihr Telekommunikationsgeheimnis. Zudem gefährdet der Geheimdiensttrojaner die vertrauliche Kommunikation von Berufsgeheimnisträger*innen wie Anwält*innen und Journalist*innen. Er verletzt damit sowohl die Pressefreiheit, als auch die geschützte Kommunikation.  »Das Gesetz ermöglicht das Mitlesen von Kommunikation zwischen Rechtsschutzsuchenden und ihren Rechtsvertretungen«, so Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Das macht unsere Arbeit unmöglich. Diesen Eingriff in die Berufsfreiheit können wir nicht hinnehmen«.

Hamburger Regelungen zum Trojaner-Einsatz sind verfassungswidrig

Trojaner in Händen von Geheimdiensten sind verfassungswidrig, jedenfalls, wenn ihr Einsatz nicht hinreichend begrenzt ist und der Staat Sicherheitslücken in IT-Systemen ausnutzt, statt sie den Betreibern zu melden. All das ist in Hamburg der Fall. Zudem urteilte das Bundesverfassungsgericht nach einer Verfassungsbeschwerde der GFF gegen die Auslandsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst im Mai 2020, dass die heimliche Überwachung bestimmter Personen einer gerichtsähnlichen Vorab-Kontrolle unterliegen muss. »In Hamburg werden die Überwachungsbefugnisse deutlich erweitert, ohne das Kontrollregime zu verbessern – damit ist der Verfassungsverstoß programmiert«, sagt Moini.

Hamburger ›predictive policing‹-Ansatz ist verfassungswidrig

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich außerdem gegen die automatisierte Auswertung von Daten durch die Hamburgische Polizei (§ 49 HmbPolDVG). Die Polizei darf automatisierte Personenprofile aus einer nicht näher bestimmten Menge an Daten erstellen, darunter ggf. auch öffentlich verfügbare Daten aus sozialen Netzwerken. Es ist unklar, von wem Profile angefertigt werden können und welche Konsequenzen etwaiger ›Beifang‹ für die Betroffenen hat, also die Erfassung von Personen, die selbst nicht als gefährlich gelten. Unklar ist auch, für welche Zwecke genau Software eingesetzt werden kann und wie lange die Profile gespeichert werden. In Hamburg soll dadurch die vorbeugende Verbrechensbekämpfung (›predictive policing‹) halten – allerdings unter Verletzung der Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht der weniger eingriffsintensiven Rasterfahndung gesetzt hat.

Die GFF koordiniert die Verfassungsbeschwerde. Initiiert wurde und unterstützt wird sie von der Humanistischen Union Hamburg, den Kritischen Jurastudierenden Hamburg, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). Zu den Kläger*innen zählen Rechtsanwältin und RAV-Mitglied Britta Eder sowie Aktivist*innen und Journalist*innen, darunter Sebastian Friedrich (NDR u.a.) und Katharina Schipkowski (taz). Sie werden vertreten durch Jun.-Prof. Dr. Sebastian Golla (Ruhr-Universität Bochum).

Der GFF-Verfahrenskoordinator Dr. Bijan Moini und weitere Verfahrensbeteiligte stehen für Gespräche zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Verfassungsbeschwerde finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/verfassungsbeschwerde-polizei-verfassungsschutzgesetz-hh

O-Töne der Kläger*innen Sebastian Friedrich und Katharina Schipkowski finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/journalistinnen-klagen-verfassungsschutzgesetz-hh

O-Töne der Klägerin Britta Eder finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/strafverteidigerin-klagt-verfassungsschutzgesetz-hh


Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Daniela Turß, presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030.549 08 10 55 oder 0175.610 2896

Rechtsanwältin Britta Eder, eder@anwaltsbuero-s36.de

Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV e.V.
Tel. 030.235 644 36, lukas.theune@rav.de

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Polizei Daten Polizeirecht (doublet) Pressemitteilung Verfassungsschutz
news-737 Tue, 17 Nov 2020 15:02:52 +0100 Zur geplanten Änderung des § 41 Abs. 5 GKG in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-geplanten-aenderung-des-41-abs-5-gkg-in-dem-regierungsentwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-justizkosten-und-des-rechtsanwaltsverguetungsrechts-737 Stellungnahme des AK Mietrecht im RAV, 17.11.2020 Wir begrüßen grundsätzlich die gesetzgeberische Bestrebung, nach nunmehr sieben Jahren auch das Gebührenrecht der Anwaltschaft an die allgemeine Inflationsrate anpassen zu wollen. Der Regierungsentwurf beschreibt zurecht einleitend, dass die Kosten für den Kanzleibetrieb in den letzten sieben Jahren erheblich gestiegen sind und eine Anpassung der Gebühren daher geboten ist.

Auch wenn die Regelungen hinter den Forderungen der Anwaltschaft und der Bundesrechtsanwaltskammer zurückbleibt (vgl. gemeinsame Stellungnahme des DAV und der BRAK v. 31.07.2020 – Stellungnahme Nr. 40/2020), ist ihnen das Vorhaben, die Anwaltsvergütung insgesamt anzuheben und durch die Änderungen im Antragsverfahren von Prozesskostenhilfe den Zugang von Bürger*innen zum Recht zu erleichtern, größtenteils gelungen.

Umso unverständlicher ist vor diesem Hintergrund allerdings, dass im Bereich des Mietrechts mit der Änderung des § 41 Abs. 5 GKG de facto eine Kostensenkung verabschiedet werden soll. Zurecht lehnt die Anwaltschaft und die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer gemeinsamen Stellungnahme (a.a.O.) eine solche Änderung ab.

Dem können wir uns aus nachfolgenden Überlegungen nur anschließen:

(1) Die geplante Deckelung des Streitwertes bei Mängelfeststellungsklagen in § 41 Abs. 5 GKG ist nicht geeignet, den gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen.

Es liegt auf der Hand, dass eine Deckelung des Streitwertes von Mängelfeststellungsklagen auf den Jahreswert (derzeit beträgt dieser nach BGH-Rechtsprechung den 3,5-fachen Jahreswert) unmittelbar auch zur Folge hat, dass die streitwertabhängige Vergütung der Anwält*innen sinkt.

Angesichts dessen, dass die anwaltliche Vergütung im Wohnraummietrecht bereits jetzt schon unter der Durchschnittsvergütung für die Bearbeitung zivilrechtlicher Angelegenheiten liegt, ist eine weitere Gebührensenkung nicht mehr tragbar. So hat der Kollege Rechtsanwalt Thomas Lutz auf dem diesjährigen Deutschen Mietgerichtstag in Dortmund veranschaulicht, wie sehr die Vergütung der Anwält*innen, die insbesondere Mieter*innen vertreten, hinter der der Kolleg*innen aus den anderen zivilrechtlichen Rechtsgebieten zurückliegt: Beispielhaft führte er aus, dass im Jahr 2018 die Durchschnittsvergütung für zivilrechtliche Angelegenheiten vor den Amtsgerichten bei 395,00 € netto lag. Die Vergütung arbeitsrechtlicher und verkehrsrechtlicher Angelegenheiten lag wegen der durchaus hohen Streitwerte mit 1.530,00 € und 650,00 € über diesem Durchschnitt. Die Vergütung in mietrechtliche Angelegenheiten lagen dagegen nicht nur unter der Vergütung der Kolleg*innen, sondern sogar noch unter dem Durchschnitt. Die Streitwerte der häufigsten Mandate im Wohnraummietrecht (Betriebskosten, Mängelbeseitigungen, Modernisierungen und Mieterhöhungen) liegen oft am unteren Ende der Streitwerttabelle, so dass die Vergütung der Anwält*innen oft nicht über 307,00 € netto hinauskommt.

(2) Die geplante Deckelung wird den Zugang zum Recht von Mieter*innen einschränken.

Der Regierungsentwurf verkennt die Tragweite des anwaltlichen Gebührenrechts auch außerhalb der Anwaltschaft. So geht die Vergütung von Anwält*innen – gerade im Bereich des Wohnraummietrechts – oft Hand in Hand mit der Gewährleistung des Zugangs zum Recht. Denn die Kehrseite von niedriger Anwaltsvergütung ist oft auch ein niedriges Bearbeitungsniveau. Können sich Anwält*innen nicht mehr leisten, Fälle mit geringen Streitwerten aber hohem Aufwand zu bearbeiten, wird die Bereitschaft sinken, diese angemessen sorgfältig zu bearbeiten. Kolleg*innen, die in ihrem Bearbeitungsstandard keine Abstriche machen möchten, wären sogar gezwungen, derartige Fälle konsequent abzulehnen.

Die Leidtragenden sind dabei oftmals jedoch nicht die Anwält*innen, sondern diejenigen, die auf anwaltliche Hilfe angewiesen sind. Dabei trifft es die finanziell Schwachen insbesondere, da diese sich kostspielige Honorarvereinbarungen, die ohnehin eher selten auf Mieter*innenseite zu finden sind, nicht leisten können. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sie Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben oder sogar auf eine Rechtsschutzversicherung zurückgreifen können. Denn diese rechnen ebenfalls streitwertbezogen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und dem Gerichtskostengesetz ab – zusätzliche Honorarkosten werden nicht übernommen.

Die geplante Änderung wird deshalb dafür sorgen, dass weniger Kolleg*innen solche Fälle bearbeiten können und noch weniger Mieter*innen sich eine solche Bearbeitung gegen angemessene Vergütung leisten können, so dass diese Fälle insgesamt abnehmen werden. Das löst die mietrechtlichen Probleme jedoch nicht, sondern verhindert lediglich, dass solche von den Gerichten mithilfe rechtlicher Beistände geklärt werden.

In der Praxis kommt hinzu, dass viele Mieter*innen rechtsschutzversichert sind.  Entweder haben sie eine private Rechtsschutzversicherung oder sie sind Mitglieder in einer der über 300 örtlichen Mieterverein in Deutschland und genießen hierüber einen Prozessrechtsschutz. Die Zahl der Rechtsschutzversicherungsverträge steigt jährlich auf derzeit 22 Millionen. Ebenso wie im Bereich des Arbeits- und Verkehrsrechts sind Rechtsstreitigkeiten umfassend versicherungsfähig. Dies ist auch ein Grund für die im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen relativ hohe Zahl an Verfahren. ›Selbstzahler‹, die dann eben auch nicht prozesskostenhilfeberechtigt sind, machen den weitaus kleineren Teil der mietrechtlichen Mandantschaft aus. Aber nicht nur sie, sondern allen Mieter*innen wird hierdurch der Zugang zum Recht erschwert, denn sie sind es, die die Klagen anstrengen müssen. Das kann nicht gewollt sein.

(3) Die geplante Kostensenkung nutzt entgegen dem Bemühen des Gesetzgebers den Gerichten, den Rechtsschutzversicherungen und den Vermieter*innen.

Mit dem Sinken der Fallbearbeitung im Bereich der Mängelfeststellungsklagen werden zwar möglicherweise die Gerichtsverfahren in diesem Bereich sinken und eine Entlastung der Gerichte zu beobachten sein. Dieser Effekt ist jedoch angesichts der bedenklichen Erschwerung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz zulasten der Mieter*innen nicht gerechtfertigt.

Auch den Rechtsschutzversicherungen kommt die geplante Änderung zu Gute: Diese müssen in Zukunft entweder geringere Kosten als bisher decken oder bekommen solche Fälle aufgrund sinkender Bearbeitung wesentlich weniger auf den Tisch. Dies hat eine direkte Kostenersparnis zur Folge, steht aber den berechtigten Interessen der Mieter*innen als Versicherungsnehmer*innen diametral entgegen.

Von der Abnahme der Durchsetzung von Mieter*innenrechten profitieren schlussendlich auch Vermieter*innen, die nun weniger Gerichtsverfahren fürchten müssen. Die Intension der Gesetzesänderung war aber eine andere.

(4) Die geplante Kostensenkung verfehlt ihren sozialpolitischen Zweck.

Die geplante Änderung ist damit insgesamt ein Angriff auf die sozial Schwachen und verfehlt ihren sozialpolitischen Zweck. Sozial schwache Gruppen werden stärker als zuvor von der Teilhabe am Recht ausgegrenzt. Bereits in der Vergangenheit konnte beobachtet werden, wie bestimmte Bereiche des Wohnraummietrechts aufgrund unausgeglichener Kostenregelungen systematisch vom Recht abgeschnitten wurden: Im Bereich der Betriebskosten ist es bereits der Status quo, dass nur noch wenige Kolleg*innen solche Mandate bearbeiten, weil sie finanziell belasten.

Auch auf dem letzten Deutschen Mietgerichtstag 2020 in Dortmund wurde thematisiert, wie besorgniserregend die Entwicklung der anwaltlichen Vergütung im Wohnraummietrecht – insbesondere auf Mieter*innenseite – ist. Auch hier ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Qualität der anwaltlichen Arbeit – so sie denn überhaupt noch stattfindet – massiv sinken wird zum Nachteil derer, die gute anwaltliche Arbeit nicht bezahlen können.

(5) Die Erreichung der angemessenen Anwaltsvergütung und der Teilhabe von sozial Schwachen am Recht kann anderweitig sichergestellt werden.

Langfristig sollte die Deckelung für bestimmte Mietrechtliche Streitigkeiten (§ 41 Abs. 5 GKG) gestrichen und nicht erweitert werden. Eine angemessene Vergütung dürfte auch ohne eine solche Deckelung gewährleistet sein. Die Einführung von Beitragsrahmengebühren statt der starren Gebührendeckelung könnte die fehlerhafte Relation zwischen Vergütung und Aufwand angemessen ausgleichen und ist zu begrüßen. Die Erleichterung des Zugangs zu Prozesskostenhilfe ist in diesem Zuge notwendig, um sozial Schwache den Zugang zum Recht zu erhalten.

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RVG Mietrecht (doublet) Stellungnahmen Mietrecht
news-736 Fri, 30 Oct 2020 08:56:12 +0100 Erklärung des RAV, der VDJ und des Grundrechtekomitees zum Gesetzentwurf für ein Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/erklaerung-des-rav-der-vdj-und-des-grundrechtekomitees-zum-gesetzentwurf-fuer-ein-berliner-versammlungsfreiheitsgesetz-736 Gemeinsame Pressemitteilung RAV, VDJ, Grundrechtekomitee, 30.10.2020 Der RAV, das Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen begrüßen die Bemühungen des Berliner Senats, ein der Versammlungsfreiheit verpflichtetes Versammlungsgesetz zu verabschieden. Zugleich kritisieren sie deutlich handwerkliche, juristische und politische Fehlleistungen. Sie erwarten von einem Rot-Rot-Grünem Senat, dass in den Beratungen noch dringend notwendige Nachbesserungen vorgenommen werden.

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Erklärung des RAV, der VDJ und des Grundrechtekomitees zum Gesetzentwurf für ein Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz

Keine Erweiterung polizeilicher Befugnisse bei Versammlungen – Versammlungsfreiheit schützen, statt beschränken!

Der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie begrüßen grundsätzlich das Vorhaben der Rot-Rot-Grünen Koalition in Berlin, ein modernes und an dem Grundgedanken der Gewährleistung einer weitreichenden Versammlungsfreiheit ausgerichtetes Gesetz zu erlassen.

Die Versammlungsfreiheit ist – neben der Meinungsfreiheit – eines der wichtigsten politischen Grundrechte, das für den politischen Meinungskampf, die gesellschaftliche Teilhabe und die Sicherstellung von demokratischen Grundsätzen von zentraler Bedeutung ist.

Vor diesem Hintergrund enttäuscht der vorgelegte Gesetzesentwurf bürger*innenrechtliche Erwartungen

Die Versammlungsbehörde soll immer noch Teil der Polizei sein, Polizeirecht soll auf Versammlungen anwendbar sein, die polizeiliche Anwesenheit in den Demonstrationen soll erlaubt sein; nach wie vor müssen Versammlungen angemeldet werden.

Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV erklärt hierzu: »Der Gesetzentwurf sieht weiterhin Versammlungen als Gefahrenherde und nicht als Ausdruck einer gelebten Demokratie. Die Chance, die Versammlungsfreiheit zu stärken, wird verpasst«. Michèle Winkler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie ergänzt: »Es ist mit dem im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen eines modernen Versammlungsrechts nicht vereinbar, wenn nach wie vor Vermummung als Straftat verfolgt werden kann und Demos verboten werden können, weil Teilnehmende ›Gewaltbereitschaft vermitteln‹ und bedrohlich wirken. Die Berliner Gesellschaft hält auch radikal kritische Stimmen aus. Ein freiheitliches Versammlungsrecht sieht anders aus«.

Kontakt:
Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Tel.: 030.44 67 92 16, stolle@dka-kanzlei.de
Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Tel.: 030.23 56 44 36, lukas.theune@rav.de
Michèle Winkler; Grundrechtekomitee, Tel.: 0177.272 19 84, michelewinkler@grundrechtekomitee.de
Rechtsanwältin Ursula Mende, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Tel.: 02151.15 26 16, mail@vdj.de

Nachfolgend die Argumente im Einzelnen:

 

Hintergrund

Am 2. November 2020 soll die erste Anhörung zu dem Entwurf für ein Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz im Abgeordnetenhaus stattfinden.
Vor diesem Hintergrund sind folgende Anmerkungen an dem derzeitigen Gesetzentwurf veranlasst:

1. Die Versammlungsbehörde sollte nicht Teil der Polizei sein

Es ist zu begrüßen, dass die Versammlungsbehörde nicht mehr beim Landeskriminalamt, Abt. polizeilicher Staatsschutz, angesiedelt ist. Sie ist aber weiterhin Teil der Polizeibehörde. Deren Aufgabe ist die Verfolgung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren. Die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit passt nicht zu diesem Aufgabenbereich. Wir fordern daher die Einrichtung einer eigenen Versammlungsbehörde, die bspw. beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten angesiedelt werden könnte. Eine derartige Trennung zwischen Polizei und Versammlungsbehörde wird in vielen anderen Bundesländern seit Jahren praktiziert.

2. Die Anzeigepflicht ist zu begrenzen

Die Anzeigepflicht für Versammlungen ist zu begrenzen auf solche, die aufgrund ihrer zu erwartenden Größe und/oder ihres inhaltlichen Kontextes eine vorherige behördliche Befassung erforderlich machen.
Es ist unverhältnismäßig, wenn sich bspw. drei Personen mit einem Transparent auf einen Bürgersteig hinstellen wollen und diese unter Bußgeldandrohung vorher diese Versammlung anmelden müssen.

3. Gegen ein Pseudo-Deeskalationsgebot

Das im Gesetzentwurf aufgeführte Deeskalationsgebot ist tatsächlich keins.

Die Regelung in § 3 Abs. 4 GE, in dem festgelegt wird, dass die Behörde bei konfliktträchtigen Einsatzlagen Gewaltbereitschaft und drohende oder bestehende Konfrontationen zielgruppenorientiert zu verhindern oder abzuschwächen habe, um eine nachhaltige Befriedung der jeweiligen Lage zu ermöglichen, liest sich als Auftrag, weit im Vorfeld von Gefahren für die öffentliche Sicherheit präventiv und eingreifend tätig zu werden.

Deeskalation bedeutet aber, die Polizei auch als (potentiellen) Teil eines Konfliktes oder einer Eskalationsspirale zu sehen und dementsprechend einen Einsatz zurückhaltend auszuführen. Eine entsprechende Verhaltenspflicht findet sich in § 3 Abs. 4 GE nicht; er ist daher zu streichen.

4. Vermummungs- und Schutzwaffenverbot generell abschaffen

Die Regelung, dass das Vermummungs- und Schutzwaffenverbot nur bei spezieller Anordnung gilt, ist zu begrüßen. Allerdings bleibt unklar, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang seitens der Behörde solche Anordnungen getroffen werden sollen. Der Gesetzentwurf ist dort unklar und unbestimmt.

Zu kritisieren ist ferner, dass der Verstoß gegen eine solche Anordnung weiterhin strafbewehrt ist. Eine Abstufung auf eine Ordnungswidrigkeit ist daher aus bürgerrechtlicher Sicht eine Mindestforderung.

5. Keine Anwendung von Polizeirecht bei Versammlungen

Der in § 10 GE geregelte generelle Verweis auf Eingriffsbefugnisse aus dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz ist ersatzlos zu streichen.

Versammlungsbezogene Eingriffe sind im Versammlungsgesetz zu regeln. Das gebietet die Polizeifestigkeit von Versammlungen. Dieser Verweis eröffnet der Polizei den Zugriff auf sämtliche Eingriffsmaßnahmen des Polizeirechts. Dies ist abzulehnen.

6. Integrität von Versammlungen unnötig und unzulässig aufgeweicht

Die Integrität der Versammlung steht nicht im Mittelpunkt des Gesetzesentwurfs. Maßnahmen der Gefahrenabwehr nehmen viel Platz im GE ein und die Polizeifestigkeit von Versammlungen wird an vielen Stellen unnötig und unzulässig aufgeweicht. Teilweise werden Eingriffsmöglichkeiten an das Gefahrenabwehrrecht geknüpft, wo eine Anknüpfung an die Strafprozessordnung vollkommen ausreicht.

7. Keine Erweiterung der Beschränkungs- und Verbotstatbestände

Bei der in § 14 GE geregelten Möglichkeit des Erlasses von Beschränkungen von Versammlungen findet sich auch die Regelung, Versammlungen zu verbieten oder zu beschränken, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise ihrer Durchführung in erheblicher Weise gegen das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger und grundlegende soziale oder ethische Anschauungen verstoßen wird. Damit wird das lt. Begründung des Gesetzentwurfes eigentlich gestrichene Rechtsgut der öffentlichen Ordnung durch die Hintertür wiedereingeführt. Bereits die Gesamtregelung des § 14 GE ist aufgrund seiner Unbestimmtheit zu kritisieren.
Insbesondere ist § 14 Absatz 2 Satz 2 zu streichen, demzufolge eine Versammlung schon deshalb beschränkt oder verboten werden könnte, »wenn diese geeignet oder dazu bestimmt ist, Gewaltbereitschaft zu vermitteln«. Dieser Passus stellt ein deutlich zu weitgehendes und gleichzeitig kein klar bestimmtes Merkmal für eine Beschränkung oder ein Verbot dar. In den in der Gesetzesbegründung zitierten Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen findet sich keine Entsprechung zur gewählten Formulierung in § 14 Absatz 2 Satz 2. Dort wird vielmehr auf paramilitärisches Auftreten oder eine einschüchternde Gewaltdemonstration abgestellt.

8. Begrenzung des Anwesenheitsrechts der Polizei

Die Rot-Rot-Grüne Koalition hat mit dem GE auch die Chance verpasst, die Anwesenheit der Polizei in und an Versammlungen zu begrenzen. Die Regelung nach § 11, dass die Polizei anwesend sein kann, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz erforderlich sei, stellt eine pauschale Befugnis zur Anwesenheit dar.
Zudem sieht Satz 2 vor, dass es bei Versammlungen unter freiem Himmel genügt, wenn die polizeiliche Einsatzleitung sich der Versammlungsleitung zu erkennen gibt. Dies lässt befürchten, dass es von polizeilicher Seite für zulässig erachtet werden wird, Polizeikräfte in Zivil ohne Kennzeichnung in Versammlungen einzusetzen.

9. Begrenzung von Video- und Tonaufnahmen bei Versammlungen

Übersichtsaufnahmen sind nach dem Bundesverfassungsgericht keine stets zulässige Maßnahme, sondern bedürfen einer Gefahrenprognose. Das wäre als zusätzliche Voraussetzung in § 18 (2) einzufügen. § 18 (3) Nr. 2: die Speicherung von Bild- und Ton-Aufzeichnungen zur Gefahrenabwehr für künftige Versammlungen ist zu streichen.
In Bezug auf die Regelung zu Bild- und Tonaufnahmen in § 18 GE ist weiterhin zu fordern, dass eine weitergehende Aufbewahrungspflicht mit Sperrung für eine behördliche Verwendung aufgeführt wird. Die Löschungspflicht nach drei Monaten ist zu kurz. Oft ist in späteren verwaltungs- und/oder strafrechtlichen Verfahren ein Rückgriff auf gefertigte Aufnahmen seitens der Betroffenen erforderlich. Eine pauschale Löschung dieser Daten könnte daher Rechtsschutzmöglichkeiten verkürzen.

Dies sind die Mindestpunkte, die bei der parlamentarischen Auseinandersetzung über den Gesetzentwurf aus bürgerrechtlicher Sicht berücksichtigt werden müssten. Ansonsten wird ein Versammlungsfreiheitsgesetz erlassen, dass das Gegenteil bewirkt: eine Erweiterung polizeilicher Eingriffsbefugnisse. Dies würde zu einer Verschlechterung des Status quo führen. Dann wäre es besser, es bei dem bisherigen Gesetz zu belassen.

PM und Hintergrund als PDF

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Pressemitteilung Versammlungsrecht Versammlungsrecht
news-735 Thu, 29 Oct 2020 18:39:10 +0100 Ref.Entwürfe eines Gesetzes zur Reform des Mietspiegelrechts und zu einer Verordnung über den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung und zur Anpassung von Mietspiegeln sowie zur Konkretisierung der Grundsätze für qualifizierte Mietspiegel /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-reform-des-mietspiegelrechts-und-referentenentwurf-einer-verordnung-ueber-den-inhalt-und-das-verfahren-zur-erstellung-und-zur-anpassung-von-mietspiegeln-sowie-zur-konkretisierung-der-grundsaetze-fuer-qualifizierte-mietspiegel-735 Stellungnahme des AK Mietrecht im RAV, 29.10.2020 Wir begrüßen die geplante Reform, denn sie stärkt die Mietspiegel, die in der Praxis bei der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete wichtig sind. Diese stellt die Grenze bei der Grundmietenerhöhung dar und ist Ausgangspunkt für die Mietpreisbremse.

Mietspiegel sind darüber hinaus wichtig für die Bestimmung der angemessenen Mieten nach SGB II/XII. Nur die angemessenen Mieten werden in der Regel von den Jobcentern im Rahmen des Arbeitslosengeldes II oder von den Sozialämtern im Rahmen der Grundsicherung übernommen.

In der jüngeren Vergangenheit gab es jedoch viel Streit um die Anforderungen an die Erstellung der Mietspiegel. In der Regel wurden die qualifizierten Mietspiegel von Seiten der Vermieter*innen mit dem Einwand angegriffen, sie seien nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze erstellt. Denn nur bei Einhaltung dieser Grundsätze wird bisher gesetzlich vermutet, dass die im Mietspiegel aufgeführten Werte die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden. Die Wahrung dieser Grundsätze muss jedoch die Partei beweisen, die sich auf den Mietspiegel beruft. Für Mieter*innen ergeben sich daraus ganz erhebliche Kostenrisiken. Wenn das Gericht nicht doch im Wege der Schätzung die Mietspiegel notfalls auch als einfachen Mietspiegel anwendet, findet die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete über Sachverständigengutachten statt. Diese Gutachten sind gleichfalls teuer und ihr Ergebnis kaum voraussehbar. Aber gerade darauf kommt es bei Mieterhöhung und Mietpreisbremse an. Durch eine exakte für beide Parteien im Vornherein bestimmbare Miethöhe kann Streit vermieden werden. Ein unwirksamer Mietspiegel nützt niemandem. Er schafft Rechtsunsicherheit und zwingt die Mieter*innen, aus Angst vor den Kosten eines Rechtsstreits einer höheren Miete zustimmen, auch wenn diese über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Das treibt die Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete weiter an. Für Bezieher*innen von Leistungen nach SGB II/XII führt das bei Überschreiten der Angemessenheitskriterien dazu, dass sie einen Teil der Miete aus dem existenzsichernden Regelsatz zahlen müssen oder ein Verlust der Wohnung droht.

Daher bedarf es dringend einer Stärkung des Mietspiegels. Die im Referentenentwurf dargestellte Lösung scheint dazu geeignet zu sein. Die nähere Bestimmung der Kriterien bei der Aufstellung der Mietspiegel, der Datenmenge und der Merkmale ist wichtig. Allerdings bedarf es in der Praxis einer ausreichenden Datenmenge. Die Anordnung von Auskunftspflichten ist daher folgerichtig.

Dagegen ist die Verlängerung der Frist zur Erstellung von Mietspiegeln zu überdenken. Außerdem sollten größere Gemeinden verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel aufzustellen.

A. Vermutung und Beweiswirkung

Der Entwurf setzt richtigerweise bei den Beweisregeln an. Das wird zu einer Beschleunigung der Verfahren führen.

Der Gesetzentwurf sieht eine Staffelung vor:

Diese Regelung ist zwar kompliziert, aber notwendig. Es bleibt allerdings das Risiko, dass einzelne Verbände den Mietspiegel nicht anerkennen und damit über die Aufstellung des Mietspiegels nach wissenschaftlichen Grundsätzen Beweis erhoben werden müsste.
Nach unserer Auffassung sollte es daher ausreichen, dass die Mehrheit der beteiligten Mieter*innen- und Vermieter*innenverbände zugestimmt hat.


B. Verlängerung der Zeiträume für Erstellung der Mietspiegel von zwei auf drei bzw. vier auf fünf Jahre

Die Orientierung bei der Fortschreibung an den Index für Nettokaltmieten ist sinnvoll. Die Bestimmung, dass die nach dem Landesrecht zuständigen Behörden die Mietspiegel aufstellen, erscheint nach der Föderalismusreform 2006 zwingend.

Die Verlängerung der Fristen für die Mietspiegelerstellung von zwei auf drei Jahre sollte nochmals überdacht werden. Die Mietspiegel dienen der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete, jeweils bezogen auf bestimmte Zeitpunkte. Bei den Mieterhöhungen geht es um den Zugang der Erklärung und bei der Mietpreisbremse um den Vertragsschluss. Je älter der Mietspiegel, desto unklarer ist, ob der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete noch abbildet. Viele Gerichte schlagen schon jetzt einen sog. Stichtagszuschlag auf den Mietspiegelwert, wenn die Mieten zwischenzeitlich stark gestiegen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes obliegt es dem Tatrichter, anhand aller zu beachtenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob es bei Heranziehung eines Mietspiegels zur Bildung der Einzelvergleichsmiete sachgerecht erscheint, auf den sich danach ergebenden Wert einen Stichtagszuschlag vorzunehmen. (BGH, Urteil vom 15.3.2017 – VIII ZR 295/15)

Dabei darf als Schätzmethode für den Stichtagszuschlag nur dann die lineare Interpolation zwischen den für die Wohnung der Beklagten bekannten Werten zweier aufeinander folgender Mietspiegel verwendet werden, wenn von einer annähernd linear verlaufenen Mietpreissteigerung ausgegangen werden kann. (ebenda)

Von den Instanzengerichten wird im unterschiedlichen Maße davon Gebrauch gemacht. Wie dies und ob dies geschieht, ist für Mieter*innen nicht voraussehbar. Wenn es geschieht, dann üblicherweise zu Lasten der Mieter*innen, da in der Regel die Mieten steigen und ein Aufschlag zu den im Mietspiegel ermittelten Werten vorgenommen wird. Daher erscheint es sinnvoller, die Zeiträume für die Aufstellung oder Fortschreibung der Mietspiegel zu verkürzen, statt sie zu verlängern. Zudem sollte der Zeitraum zwischen dem Stichtag der Erhebung und der Veröffentlichung begrenzt werden. In Berlin lag dieser in den letzten Jahren bei fast neun Monaten. In dieser Zeit ist eine fundierte Beratung zu Mieterhöhungen wegen der Ungewissheit über die neuen Mietspiegelwerte faktisch nicht möglich. Um Rechtssicherheit für die Mieter*innen zu erreichen, sollte dieser Zeitraum nicht mehr als die Überlegungsfrist – also zwei bis drei Monate – betragen.

Eine taggenaue Feststellung der Miethöhe ließe sich mit sogenannten Mietenkatastern erreichen, die auch eine Vollerfassung aller Wohnungen ermöglichen. Das Land Berlin plant derzeit, ein solches Kataster einzuführen. Die Mietpreise aller Wohnungen sollen von den zuständigen Behörden erfasst werden. Dies böte einen umfassenden Überblick über die in einer Gemeinde gezahlten Mieten. Aufgrund der besseren Datenlage wäre ein Kataster dem Mietspiegel überlegen. Im Gesetz sollten diese Mietenkataster dem qualifizierten Mietspiegel gleichgestellt werden. Auch für sie müssten verbindliche Parameter der zu erhebenden Daten wie Größe, Lage, Baujahr und Ausstattung der Wohnung, des Gebäudes und des Wohnumfeldes festgelegt werden. Auch beim Mietenkataster sollten Verbände der Mieter*innen und Vermieter*innen beteiligt werden, z.B. bei der Auswahl der Ausstattungsmerkmale.

Die Länder können dann selbstverständlich selbst entscheiden, ob sie für bestimmte Gemeinden Mietenkataster einrichten.


C. Ausweitung von Mietspiegeln

Gemeinden ab einer Größe von 100.000 Einwohner*innen sollten verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel aufzustellen. Dies muss gerade für Gebiete gelten, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist. Insbesondere die Mietpreisbremse kann nur dann effektiv geltend gemacht werden, wenn ein Mietspiegel existiert. Andernfalls lassen sich die erforderlichen Daten vorgerichtlich nur durch ein teures Sachverständigengutachten ermitteln. Dies wird allerdings von keiner Rechtsschutzversicherung bezahlt. So werden Mieter*innen davon abgehalten, ihre Rechte aus den Regelungen der §§ 556 d ff. BGB geltend zu machen.

Die Streichung der Bezugnahme auf Vergleichswohnungen als Begründungsmittel für Gebiete, in denen ein qualifizierter Mietspiegel aufgestellt wurde, wird von uns begrüßt.


D. Was muss noch geregelt werden?

1. Kündigung wegen Zahlungsverzuges

Leider wird auch mit diesem Gesetzesentwurf nicht das Problem der Abwendung von ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzuges gelöst. Bereits mehrfach wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Bundesgerichtshof in zahlreichen Urteilen die Auffassung vertritt, der Gesetzgeber habe nur die Abwendung der außerordentlichen, d.h. fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzug gewollt, nicht jedoch die Abwendung üblicherweise zeitgleich ausgesprochener fristgemäßer Kündigungen. Solange der Gesetzgeber auch weiterhin zu dieser Frage schweigt, wird diese Rechtsprechung weiter gestärkt. Mieter*innen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, können auch weiterhin nur die fristlose Kündigung gem. § 569 BGB abwenden, nicht aber die hilfsweise ebenfalls erklärten fristgemäße Kündigung. Sie verlieren in der Konsequenz je nach Länge des Mietverhältnisses nach 3, 6 oder 9 Monaten die Wohnung, auch wenn sie gleich nach Erhalt der Kündigung die Schulden ausgeglichen haben. Der Hinweis des BGH (Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12) auf die Einzelfallumstände und ein womöglich „mildere Licht“ schafft weder Beratungs- noch Rechtssicherheit.

Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, endlich zu handeln.

2. Regelungen zur Miethöhe

Die jetzt angestrebte Reform sollte zum Ausgangspunkt für weitere längst fällige Veränderungen im Mietrecht genutzt werden.

Im Miethöherecht wären folgende Reformen dringend angezeigt:
Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sollten alle Mieten einbezogen werden und nicht nur diejenigen der letzten sechs Jahre.

Die Mietpreisbremse sollte verstetigt werden. Die Befristung muss aufgehoben werden.

Die Ausnahmen (umfangreiche Modernisierung) und die Einschränkungen (Modernisierung und Vormiete) müssen gestrichen werden.

Als Sanktion für einen Verstoß gegen die Regelungen zur Mietpreisbremse sollte dann nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete geschuldet werden und nicht die ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 %.

Aus Praktikabilitätsgründen muss die Rügeobliegenheit gestrichen werden.

Im Rahmen der Mieterhöhung sollte die Kappungsgrenze weiter flexibilisiert werden. Derzeit darf die Miete alle drei Jahre um 20 % bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. In Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, kann die Landesregierung derzeit die Kappungsgrenze von 20 % auf 15 % durch Verordnung reduzieren. Aber auch diese Absenkung reicht oft nicht aus, Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen. Deswegen sollten die Landesregierungen die Möglichkeit erhalten, flexibler auf die Entwicklungen des Wohnungsmarktes zu reagieren. Sie müssen ermächtigt werden, diese Kappungsgrenze durch Verordnung noch weiter abzusenken. Bei Bedarf sollten die Länder die Möglichkeit haben, einen zeitlich befristeten Mieterhöhungsstopp zu erlassen.

3. Kündigung wegen Eigenbedarfs

Die Personengruppen, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, sollten endlich auf Verwandte ersten Grades, Ehe- und Lebenspartner*innen beschränkt werden. In der Rechtsprechung wurde dieser Personenkreis immer weiter ausgeweitet. So kann Eigenbedarf mittlerweile auch für Nichten und Neffen, Cousinen und Cousins oder getrenntlebende geschiedene Ehepartner*innen angemeldet werden. Über § 573 Abs. 1 BGB wird auch eine Kündigung für Au-pair-Beschäftigte ermöglicht. Aber nicht nur der Personenkreis, sondern auch die Art der Nutzung wurde ausgeweitet. So urteilten die Gerichte, dass auch die Nutzung einer Wohnung nur als Zweitwohnung an einem Wochenende im Monat Eigenbedarf rechtfertigen kann. Auch gewerblicher Eigenbedarf kann geltend gemacht werden.

Diese Ausuferungen gilt es gesetzlich einzuschränken.

Darüber hinaus sollte Eigenbedarf unmittelbar nach dem Erwerb einer vermieteten Wohnung (sog. gekaufter Eigenbedarf) ausgeschlossen werden. Erwerber*innen, die die Wohnung in Kenntnis des bestehenden Mietverhältnisses kaufen, sind nicht schutzwürdig. Mieter*innen haben die Möglichkeit, bei Abschluss eines Mietvertrages die Risiken einer Eigenbedarfskündigung abzuwägen und mit den Vermieter*innen abzusprechen. Bzgl. eines Erwerbers/einer Erwerberin haben sie jedoch keine Einflussmöglichkeiten.

Bereits auf der Tatbestandsebene sollte eine Interessenabwägung zwischen dem Erlangungsinteresse der Vermieter*innen und dem Verbleibewunsch der Mieter*innen vorgenommen werden.

4. Verhältnis von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung

Der Dualismus zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung muss durch die Streichung der ordentlichen Kündigung für Vertragsverletzung beendet werden. Dann würden die Mieterschutzvorschriften wie die Möglichkeit der Schonfristzahlung für alle Kündigungen gelten. Außerdem sollte eine Zahlungsverzugskündigung erst nach vorheriger – erfolgloser – Mahnung ausgesprochen werden dürfen.

Weiterhin sollten Vertragsverletzungen im Vertragsverhältnis geklärt werden. Wegen Vertragsverstößen – außerhalb des Zahlungsverzuges – darf nur gekündigt werden, wenn das inkriminierte Mieter*innenverhalten als Vertragsverstoß gerichtlich festgestellt und dieses vertragswidrige Verhalten dennoch fortgesetzt wird.

Außerdem sollte

Berlin, 29. Oktober 2020

Stellungnahme als PDF

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Mietrecht (doublet) Mietspiegel Stellungnahmen Mietrecht
news-734 Tue, 06 Oct 2020 18:06:54 +0200 Mieter*innen schützen – Umwandlungsverbot sichern! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mieterinnen-schuetzen-umwandlungsverbot-sichern-734 Pressemitteilung 14/20 | 7.10.2020 Wie jetzt bekannt geworden ist, wurde das geplante Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen aus dem Entwurf zum Baulandmobilisierungsgesetz gestrichen. Zur Begründung erklärte Jan-Marco Luczak (CDU), das Mietrecht habe »starke soziale Leitplanken«, die betroffene Mieter*innen ausreichend schützten. Sein Ziel sei es, die Bildung von Wohneigentum zur Selbstnutzung zu stärken.[1]

Die mietrechtliche Praxis zeigt jedoch, dass Mieter*innen in Eigentumswohnungen häufiger von Eigenbedarfskündigungen betroffen sind, als Mieter*innen in ungeteilten Mietshäusern. Die Zahl dieser Kündigungen nimmt in den letzten Jahren stetig zu und führt für die Mieter*innen auf dem angespannten Wohnungsmarkt zu dramatischen sozialen Folgen.

Nur die wenigsten Mieter*innen sind in der Lage, ihre Wohnung nach Umwandlung selbst zu kaufen – auch wenn die Immobilienlobby anderes behauptet. Die Käufer*innen verdrängen dabei gerade diejenigen Mieter*innen, die sich einen Wohnungskauf nicht leisten können und die dann in der Folge wiederum höhere Mieten in ihren neuen Wohnungen zahlen müssen. Der Hinweis auf erleichterten Zugang zu Krediten ist zynisch und wird daran kaum etwas ändern können. Dies zeigen z.B. die geplatzten Immobilienblasen in Spanien. Schon jetzt wird für Teile der Republik – München, Frankfurt, Hamburg - vor ähnlichen Zuständen gewarnt.[2]

Die aktuelle Regelung in § 172 BauGB war und ist wegen der zahlreichen Ausnahmetatbestände nicht ausreichend, die fortschreitende Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen zu bremsen oder gar zu stoppen. Der Gesetzentwurf sah keine so weitgehenden Ausnahmeregelungen mehr vor. Statt der bisherigen Anknüpfung an vorhandene Milieuschutzgebiete sollte nun die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen zur Voraussetzung des Umwandlungsverbots im Zuge landesrechtlicher Lösungen gemacht werden, da die Länder die Situation bei sich vor Ort besser einschätzen können. Eine sinnvolle Zuständigkeitsregelung, die wir u.a. schon von der Mietpreisbremse kennen. Damit sollte ein ausreichender Bestand von bezahlbaren Wohnungen geschützt werden können.

»Das auf dem Wohnungsgipfel 2018 versprochene Umwandlungsverbot muss endlich umgesetzt werden«, so Rechtsanwalt Henrik Solf aus dem Arbeitskreis Mietrecht im RAV. »Die Spirale aus hohen Mieten, steigender Wohneigentumsnachfrage, Umwandlung und damit einhergehender Verdrängung kann damit endlich unterbrochen werden!«

Rechtsanwältin Carola Handwerg aus dem AK Mietrecht ergänzt: »Die Zeit rennt uns davon – schon jetzt ist der Verdrängungsprozess in vollem Gange. Dem muss sofort ein Riegel vorgeschoben werden, um Mieter*innen nachhaltig zu schützen

Wir fordern die Koalitionsparteien auf, die Versprechungen vom Wohngipfel 2018 endlich umzusetzen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen - wie zugesagt - deutlich zu erschweren.

Kontakt: Rechtsanwalt Henrik Solf | 030. 442 93 86 | solf@schoenhauser.berlinh

[1] https://www.luczak-berlin.de/aktuelles/umwandlungsverbot-aus-baulandmobilisierungsgesetz-gestrichen-mieter-zu/

[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/immobilien-blase-muenchen-und-frankfurt-sind-laut-ubs-am-staerksten-ueberbewertet-a-8314ca02-9a9b-42b7-b1dc-c6c66d334930

PM als PDF

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Mietrecht (doublet) Pressemitteilung Mietrecht
news-733 Tue, 06 Oct 2020 15:46:56 +0200 Keine Vorratsdatenspeicherung in der EU! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-vorratsdatenspeicherung-in-der-eu-733 RAV zeichnet den Offenen Brief an EU-Kommission, 06.10.20 Sehr geehrte Frau Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres;
sehr geehrter Herr Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt;
sehr geehrter Herr Didier Reynders, EU-Justizkommissar und
sehr geehrte Frau Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb und Digitales

Wir sind zutiefst beunruhigt über Erklärungen [1], dass die Kommission beabsichtigt, die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten zu prüfen, sobald die Urteile in noch ausstehenden Fällen ergangen sind. Am 9. Dezember 2019 sagte Kommissarin Johansson [2]: „Ich denke schon, dass wir ein Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung brauchen“. Eine Studie über „mögliche Lösungen für die Vorratsspeicherung von Daten“ wurde in Auftrag gegeben. Die deutsche Grundrechts- und Datenschutzorganisation Digitalcourage hält das Design der Studie [3] für voreingenommen, da es die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikation nicht berücksichtigt.

Die umfassende und anlasslose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten ist das am stärksten in die Privatsphäre eingreifende Instrument und möglicherweise die unbeliebteste Überwachungsmaßnahme, die jemals von der EU verabschiedet wurde. Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung schrieb die umfassende Erfassung sensibler Daten zu sozialen Kontakten (einschließlich Geschäftskontakten), Bewegungsverhalten und Privatleben (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Psychologen, Notrufnummern usw.) von 500 Millionen Europäerinnen und Europäern vor, die keiner Straftat verdächtigt werden.

In seinem Urteil vom 8. April 2014 setzte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Richtlinie 2006/24 zur Vorratsdatenspeicherung außer Kraft, die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet hatte, Daten über die Kommunikation aller ihrer Kunden zu speichern. Sie ist aber in verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch immer in nationales Recht umgesetzt.

Wir sind der Überzeugung, dass eine derartig invasive Überwachung der gesamten Bevölkerung nicht akzeptabel ist. Mit einer Regelung zur Datenspeicherung werden sensible Informationen zu sozialen Kontakten (einschließlich Geschäftskontakten), Bewegungsverhalten und das Privatleben (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Psychologen, Helplines usw.) von Millionen von Europäerinnen und Europäern gesammelt, ohne Vorliegen von individuellen Verdachtsmomenten. Die umfassende und anlasslose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten hat sich in vielen Bereichen der Gesellschaft als schädlich erwiesen. Die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten untergräbt das Berufsgeheimnis, schafft die ständige Gefahr von Datenverlusten und Datenmissbrauch und hält die Bürger davon ab, vertrauliche Kommunikation über elektronische Netze zu führen. Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und schwächt damit die Pressefreiheit. Insgesamt beschädigt sie die Grundlagen unserer offenen und demokratischen Gesellschaft. Da es in den meisten Ländern kein finanzielles Entschädigungssystem gibt, müssen die enormen Kosten einer Regelung zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten von den Tausenden betroffenen Telekommunikationsanbietern getragen werden. Dies führt zu Preiserhöhungen und zur Einstellung von Diensten, wodurch die Verbraucher indirekt belastet werden.

Studien [4] belegen, dass bereits die ohne Vorratsdatenspeicherung verfügbaren Kommunikationsdaten zur effektiven Aufklärung von Straftaten ausreichen. Eine umfassende Vorratsdatenspeicherung hat sich in vielen Staaten Europas als überflüssig, schädlich oder sogar verfassungswidrig erwiesen, z.B. in Österreich, Belgien, Deutschland, Griechenland, Rumänien und Schweden. Diese Staaten verfolgen die Kriminalität ebenso effektiv mit der gezielten Sammlung von Verkehrsdaten, die für individuelle Ermittlungen benötigt werden, wie z.B. den im Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität vereinbarte Rechtsrahmen zur Sicherung gespeicherter Daten.

Wir argumentieren, dass das aktuelle deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht als Vorbild für die EU angesehen werden darf. Erstens sind verschiedene Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz anhängig und zweitens verfolgt das deutsche Gesetz den gleichen grundsätzlich riskanten Ansatz, Daten über alle Bürgerinnen und Bürger kontinuierlich und ohne Rücksicht auf individuellen Verdacht, Bedrohung oder Bedarf zu erheben.

Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten einen verbesserten Schutz vor Kriminalität bietet. Auf der anderen Seite sehen wir, dass sie Milliarden von Euro kostet, die Privatsphäre Unschuldiger gefährdet, vertrauliche Kommunikation beeinträchtigt und den Weg für eine immer größere Massenanhäufung von Informationen über die gesamte Bevölkerung ebnet. Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der Medien, der Fachleute und der Industrie lehnen wir gemeinsam die generelle Speicherung von Telekommunikationsdaten ab. Wir fordern Sie dringend auf, keine Versuche zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten zu unternehmen. Gleichzeitig appellieren wir an Sie, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, um sicherzustellen, dass die nationalen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in allen betroffenen Mitgliedsstaaten aufgehoben werden. Darüber hinaus rufen wir Sie dazu auf, sich für ein EU-weites Verbot genereller und anlassloser Vorratsdatenspeicherung einzusetzen, die die Aktivitäten von Menschen erfassen. Wir fordern Sie auf, den europäischen Weg weiterzuentwickeln mit dem Ziel einer EU, die frei von invasiver Überwachung ist. Wir würden uns freuen, die Angelegenheit mit Ihnen persönlich zu besprechen, zu einem für Sie passenden Termin. Mit freundlichen Grüßen

– – – – –
[1] https://www.europarl.europa.eu/RegData/questions/reponses_qe/2020/000389/P9_RE(2020)000389_EN.pdf
[2] https://www.europarl.europa.eu/RegData/questions/reponses_qe/2019/004385/P9_RE(2019)004385_EN.pdf
[3] https://digitalcourage.de/blog/2020/data-retention-biased-study-by-the-eu-commission
https://digitalcourage.de/blog/2020/vorratsdatenspeicherung-einseitige-studie-der-eu-kommission
[4] EDRi: Data Retention Booklet: https://edri.org/our-work/launch-of-data-retention-revisited-booklet/

Die unterzeichnenden Organisationen (so auch der RAV) finden sich hier.

Der Brief im Wortlaut (Englisch) als PDF

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Daten
news-732 Fri, 02 Oct 2020 17:13:19 +0200 Freiheit für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh<br />Hände weg von unseren Kolleg*innen - für die Verteidigung der Menschenrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-fuer-die-iranische-rechtsanwaeltin-nasrin-sotoudeh-haende-weg-von-unseren-kolleg-innen-fuer-die-verteidigung-der-menschenrechte-732 Pressemitteilung 13/20, 2.10.2020 anlässlich der Ankündigung der Verleihung der Right Livelihood Awards 2020 Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) gratuliert der Kollegin Nasrin Sotoudeh aus dem Iran mit größtem Respekt zur Verleihung des Right Livelihood Awards („Alternativer Nobelpreis“), die am gestrigen Donnerstag bekannt gegeben wurde,(1) und fordert die Bundesregierung auf, sich endlich ernsthaft und nachdrücklich für ihre Freilassung einzusetzen.

Nasrin Sotoudeh war bereits mehrmals wegen ihrer Arbeit als Rechtsanwältin inhaftiert. Zuletzt wurde sie im März 2019 zu insgesamt 38 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt. Im März 2020 trat sie in den Hungerstreik, um gegen die fortgesetzt willkürliche Inhaftierung politischer Gefangener unter menschenunwürdigen Bedingungen zu protestieren. Nach dessen Beendigung wurde sie nunmehr wieder ins berüchtigte Männergefängnis Evin verbracht, trotz ihres kritischen Gesundheitszustandes.

Nasrin Sotoudeh setzt sich als Rechtsanwältin seit Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Sie vertrat insbesondere Aktivist*innen der Opposition, die im Zusammenhang mit den Protesten gegen die manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 inhaftiert wurden. Sotoudeh vertrat auch die iranische Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, kämpft für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran und verteidigt Frauen, die 2018 ohne Kopftuch die Straße betraten.

Dazu erklärt Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Vorstandsmitglied des RAV: »Dass das iranische Regime auch den Ehemann und die Tochter von Rechtsanwältin Sotoudeh vorübergehend inhaftierte, zeigt, mit welcher Gewalt Frau Sotoudeh mundtot gemacht werden soll. Herrn Außenminister Maas, der das Urteil im März 2019 kritisierte und ebenfalls ihre Freilassung forderte, stünde es gut zu Gesicht, seinen Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen. Wir können nicht ewig warten.«

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich engagierter und nachhaltiger als bislang für die Freilassung unserer Kollegin einzusetzen. Ungefähr 30 Prozent der industriellen Infrastruktur im Iran stammen aus deutscher Produktion.(2)  Insofern trifft auch die Bundesregierung eine Verantwortung für die massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran.

Rechtsanwalt Dr. Theune, Geschäftsführer, gratuliert im Namen des RAV auch den anderen Preisträger*innen: »Wir verneigen uns ebenfalls vor der wichtigen Arbeit der Menschrechtsaktivist*innen und Kolleg*innen Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua, Bryan Stevenson aus den USA und Ales Bjaljazki aus Belarus. Die Preise zeigen, dass der Kampf für Menschenrechte und gegen Rassismus weltweit dringender denn je ist.«

Ansprechpartnerin für weitere Informationen:
Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV-Vorstandsmitglied: 030.247 240 90
boehlo@aufenthaltundsoziales.de

Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, RAV-Geschäftsführer: 030.235 644 36
lukas.theune@rav.de

(1)

https://www.rightlivelihoodaward.org/media/human-rights-defenders-from-iran-and-belarus-among-2020-right-livelihood-laureates/(2) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/bilaterale-beziehungen/202402

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Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Pressemitteilung Repression gegen Rechtsanwälte
news-731 Wed, 16 Sep 2020 11:39:19 +0200 Lager auflösen – Evakuierung jetzt!<br />Für eine solidarische und rechtskonforme Flüchtlingspolitik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/lager-aufloesen-evakuierung-jetzt-731 Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration am 20.9.20 um 14 h, Wittenbergplatz, Berlin Das Lager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos besteht nicht mehr. Ebenso wenig besteht ein menschenwürdiges europäisches Asylsystem mit rechtskonformen Aufenthalts- und Rückführungsregeln. Im Gegenteil: Die rechtswidrigen und unmenschlichen Bedingungen in den Lagern an den europäischen Außengrenzen sind politisch ebenso gewollt, wie die Rechtlosstellung der Flüchtenden. Die Botschaft der EU-Regierungen an flüchtende Menschen auf dem Weg nach Europa ist klar: »Sterbt woanders, oder ihr werdet dauerhaft interniert!« Das ist eine Schande.

Rechtspolitisch bedeutet das: Selbst wenn die Insel-Lager evakuiert werden – und bereits gegen die Evakuierung aus Moria von Asylsuchenden und Personen, die unter die non-refoulement-Regel fallen, wehren sich die konservative griechische Regierung und sämtliche EU-Staaten –, soll das bisher geltende Recht keine Anwendung mehr finden und schon gar kein humanitäres Recht für Flüchtende entstehen. Dass Europa sich gleichzeitig herausnimmt, sich als Trägerin des Friedensnobelpreises und als Verfechterin der angeblich universellen Menschenrechte zu rühmen, kann nicht anders als zynisch bezeichnet werden.

Das Ertrinken-Lassen von Flüchtenden auf dem Weg nach Europa, die Angriffe auf private Rettungsschiffe, die Kriminalisierung der Menschen auf der Flucht vor Mord, Vergewaltigung, Versklavung, Hunger und Umweltkatastrophen sind die eine Antwort der europäischen Regierungen. Die Internierung in überfüllten Lagern, in Dreck und Hoffnungslosigkeit auf den ägäischen Inseln und anderswo an den EU-Außengrenzen sind die andere Antwort der EU-Staaten auf die menschenrechtlichen Katastrophen in vielen Ländern der Welt.

Aufnahme Flüchtender statt permanentes Lagersystem

»Statt einer europa- und menschenrechtskonformen Flüchtlingspolitik will die EU das europäische Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. Das in Moria vor aller Augen gescheiterte Hot-Spotsystem soll ausgeweitet und mit flächendeckenden Grenzverfahren und Haft an den Außengrenzen verbunden werden. In so einem System besteht faktisch kein individuelles Asylrecht mehr. Der Zugang zum Recht wird so systematisch verwehrt«, so Rechtsanwältin Berenice Böhlo, RAV-Vorstandsmitglied und Co-Präsidentin der europäischen Anwaltsorganisation AED-EDL. »Dabei ist in Moria das Scheitern eines solchen Europäischen Asylsystems bereits jetzt evident«, ergänzt Ursula Mende, Bundessekretärin der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). »Dennoch setzen die europäischen Regierungen auf Grenzverfahren, die ohne ausreichenden Rechtsschutz in katastrophalen Aufnahmebedingungen stattfinden«, stellt Michèle Winkler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie klar.

Die Weigerung, Flüchtende unter humanitär vertretbaren Bedingungen so unterzubringen, dass alle Grundbedürfnisse ausreichend abgedeckt sind, steht für die gewollte und vollständige Aushöhlung des Asylschutzes. Sie bezeichnet auch den Beginn einer Haltung der Schengen-Staaten, dass Flüchtende ohne ausreichende Prüfung ihres Asylanspruchs weiter Hunger, Obdachlosigkeit und Gewalt ausgesetzt bleiben, durch FRONTEX kriminalisiert und abgeschreckt und in vielen Fällen zusätzlich verletzt werden. Das bedeutet auch, dass damit deren Verelendung und Tod billigend in Kauf genommen wird – nur aufgrund ihrer nicht-europäischen Herkunft.

Moria steht für das drohende Ende der zivilisatorischen Leistung Europas: dass sich Staaten Rechten und Pflichten unterwerfen und dass Menschenrechte unteilbar sind.

Stattdessen wird jetzt der permanente Rechtsbruch zur ›neuen Normalität‹ in der EU erklärt, der griechische Staat wird für seine Außerkraftsetzung von Rechten als EU-Schutzschild ausdrücklich gelobt. Es wird ein neues Unrechtssystem begründet, das bereits den Zugang von Schutzsuchenden zum Recht unmöglich machen soll. Faktisch läuft diese Politik auf Verelendung und Tod flüchtender Menschen hinaus.

Der RAV fordert demgegenüber

Mitunterzeichner:

Aufruf als PDF

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Griechenland Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet) Griechenland
news-730 Tue, 15 Sep 2020 10:11:19 +0200 Was kommt nach Moria?<br />Das Ende rechtskonformer EU-Flüchtlingspolitik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/was-kommt-nach-moria-das-ende-rechtskonformer-eu-fluechtlingspolitik-730 Link zur aufgezeichneten PK Einladung zur Online-Pressekonferenz am 17.9.2020 mit europäischen Anwältinnen und Moria-Geflüchteten RAV and AED-EDL zoom press conference with European lawyers and Moria refugees, September 17, 2020, 10.00am Die Pressekonferenz zum nachhören

https://www.youtube.com/watch?v=_ikIJ8MlJnA&feature=youtu.be

Zugangsdaten für Presse- und Medienvertreter*innen unter: gs@rav.de oder: 030.417 235 55
Hintergrund-Informationen unter: https://www.rav.de/themen/migration-asyl/

To register and for details: gs@rav.de or: 030.417 235 55
Background information: https://www.rav.de/themen/migration-asyl/

Für alle, die die Pressekonferenz live sehen möchten: Den Link zum Live-Stream werden wir am 17.9. kurz vor 10h hier auf dieser Seite öffentlich machen.

Invitation [English version below]

Moria steht stellvertretend dafür, dass die zivilisatorische Leistung in Europa, dass sich Staaten Rechten und Pflichten unterwerfen, auf dem Spiel steht. Anwältinnen aus drei europäischen Ländern erläutern hierzu ihre Erfahrungen, ein Geflüchteter aus Moria berichtet, was das Scheitern des Rechts für ihn konkret bedeutet, und Karl Kopp von pro asyl wird dies in die europäische Asylreform der letzten Jahre einordnen.

Zur aktuellen Situation und den EU-Vorbereitungen auf ein ›Moria 2.0‹ laden RAV und AED-EDL daher für diesen Donnerstag zu einem Zoom-Pressegespräch in deutscher und englischer Sprache ein.

Presseeinladung als PDF

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What’s after Moria?

The end of EU refugee policy in compliance with human rights

RAV and AED-EDL zoom press conference with European lawyers and Moria refugees, September 17, 2020, 10.00am

To register and for details: gs@rav.de or: 030.417 235 55
Background information: https://www.rav.de/themen/migration-asyl/

Moria represents the fact the decisive achievement of European civilization – that states subject themselves to rights and duties – is at stake. Lawyers from three European countries explain their experiences, a Moria refugee concretely reports on the consequences of failures of national and EU-law; Karl Kopp from pro asyl will place this in the context of the European asylum reform of recent years.

RAV and AED-EDL invite you to a zoom press conference in German and English language focusing on the current situation in Moria and EU preparations for a ›Moria 2.0‹.

Download invitation

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Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet) Migration & Asyl
news-729 Fri, 11 Sep 2020 07:30:11 +0200 Die Zeit der Ausreden ist vorbei: Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland jetzt – alle rechtlichen Spielräume nutzen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-zeit-der-ausreden-ist-vorbei-aufnahme-von-gefluechteten-aus-griechenland-jetzt-alle-rechtlichen-spielraeume-nutzen-729 Gemeinsame Pressemitteilung RAV und FR-Berlin, 11.9.2020 RAV und Flüchtlingsrat Berlin legen Diskussionspapier vor

Die Bilder aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager Moria sind schockierend, sie überraschen jedoch nicht: Dass ein Lager, das auf knapp 3.000 Menschen ausgelegt ist, aber mehr als viermal so viele beherbergt, vor einem Großbrand ebenso wenig geschützt werden kann wie vor der Ausbreitung des Corona-Virus, war vorhersehbar. Der Brand von Moria war eine Katastrophe mit Ansage. RAV und Flüchtlingsrat fordern die sofortige und unbürokratische Aufnahme der 13.000 Geflüchteten auf Lesbos durch den Bund und die Länder und schnelle Lösungen für eine Aufnahme aller weiteren Menschen in den griechischen Hotspots. Die Geflüchteten können nicht länger auf »europäische Lösungen« warten.

Wir begrüßen die klaren Worte des Berliner Innensenators Geisel, der eine schnelle Antwort und »eine Lösung auf allen Ebenen und mit allen Instrumenten, die Europa, dem Bund und den Ländern zur Verfügung stehen«, gefordert hat[1].
Und wir unterstützen die Ankündigung des Innensenators, das Nein des Bundesinnenministeriums zu einem Landesaufnahmeprogramm aus den griechischen Lagern nicht hinzunehmen und rechtliche Schritte gegen den Bund zu prüfen[2], denn dies ist der nächste nötige Schritt, wenn das Land Berlin ernsthaft für eine Aufnahme eintreten und nicht nur Symbolpolitik betreiben will.

Eine zeitnahe gerichtliche Klärung ist jedoch nicht zu erwarten, zudem ist der Ausgang ungewiss. Der Rechtsstreit um ein Landesaufnahmeprogramm kann nicht der einzige Weg sein – es ist schnelles und entschlossenes Handeln des Senats und der anderen willigen Bundesländer gefragt. Es müssen alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft und sämtliche Spielräume genutzt werden.

In einem heute veröffentlichten Diskussionspapier[3] zeigen RAV und Flüchtlingsrat Berlin verschiedene Möglichkeiten auf, um auf Landesebene aktiv zu werden und Menschen aus den Lagern in Griechenland die Einreise zu ermöglichen, ohne auf ein Einvernehmen des Bundesinnenministeriums angewiesen zu sein.

Zu diesen Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes zählen unter anderem:

Das Diskussionspapier verfolgt nicht das Ziel einer abschließenden rechtlichen Analyse. Vielmehr soll es Handlungsoptionen aufzeigen und als konzeptionelle Anregung für eine weitere Diskussion dienen.

»Der anhaltende Rechtsbruch gegenüber Geflüchteten in Griechenland ist keine Spielwiese für Symbolpolitik und Sonntagsreden. Wenn der Senat seine Analyse der Situation in den griechischen Lagern ernst nimmt, muss er handeln und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Es gibt viele ergänzende Alternativen zur bislang im Fokus stehenden Landesaufnahme nach § 23 Aufenthaltsgesetz. Wir erwarten vom Senat, dass er unsere Vorschläge prüft und weiterentwickelt und konkrete Schritte ausarbeitet. Gerne gemeinsam mit uns«, sagt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert (RAV), der das Papier in Zusammenarbeit mit weiteren Anwält*innen verfasst hat.

Martina Mauer, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Berlin ergänzt: »Angesichts der dramatischen Situation der Geflüchteten in Griechenland und der Blockadehaltung des Bundesinnenministeriums gegenüber Aufnahmeprogrammen durch die Bundesländer muss der Berliner Senat bereit sein, auch neue Wege zu gehen. Es ist zwar erfreulich, dass Bürgermeister Müller und Innensenator Geisel ihren Unmut gegenüber dem BMI öffentlich und klar geäußert haben, doch es gilt auch hier: Taten zählen mehr als Worte«.

>>> Pressegespräch am Mittwoch, 16.09.2020, 10-11.30 Uhr <<<

Gerne laden wir Sie zu einem Pressegespräch ein mit dem Verfasser des Diskussionspapiers, Dr. Matthias Lehnert, und Co-Autorin Berenice Böhlo, online auf der Videokonferenzplattform Zoom.
Wenn Sie teilnehmen möchten, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail an buero@fluechtlingsrat-berlin.de mit dem Betreff »Pressegespräch« und nennen uns das Medium, für das Sie arbeiten. Sie erhalten von uns dann die Zugangsdaten für Zoom.

Pressekontakt:

Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, RAV, Tel.: 030-25298777, lehnert[at]aufenthaltsrecht.net
Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV, Tel: 030-247 240 90, boehlo@aufenthaltundsoziales.de
Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-22476311, buero@fluechtlingsrat-berlin.de

Fußnoten

[1] Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 09.09.2020,
https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.988983.php

[2] Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 10.08.2020,
https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.973342.php

[3] Download Diskussionspapier,
https://fluechtlingsrat-berlin.de/diskussionspapieraufnahmegriechenland/

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Griechenland Geflüchtetenlager Pressemitteilung Griechenland Flüchtlinge/Geflüchtete
news-727 Fri, 28 Aug 2020 11:06:43 +0200 Ebru Timtik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ebru-timtik-727

Wir trauern um unsere wunderbare kurdische Kollegin Ebru Timtik - gestorben nach 238 Tagen im Hungerstreik mit der Forderung nach einem fairen Verfahren.

In Gedanken sind wir bei ihren Angehörigen und stehen weiter in Solidarität an der Seite der Kolleg*innen, die in der Türkei für die Grundsätze fairer Gerichtsverfahren, der Unabhängigkeit der Justiz und für allgeimeine Menschenrechte kämpfen.

Viele unserer Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei befinden sich anhaltend und rechtswidrig in Haft und Lebensgefahr.

Die Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal von der ÇHD, einer Mitgliedsorganisation der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte (EJDM), wurden im März vergangenen Jahres zusammen mit 15 weiteren Kolleg*innen wegen des Vorwurfs der Unterstützung, Mitgliedschaft und Gründung von „terroristischen Organisationen“ zu insgesamt 159 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit dem Hungerstreik fordern die ÇHD-Jurist*innen von der Türkei, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und die Verfolgung von Anwältinnen und Anwälten einzustellen.

Alle Kolleginnen und Kollegen, die zu Unrecht wegen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit inhaftiert wurden, müssten unverzüglich freigelassen werden.

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Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte Menschenrechte/Türkei
news-726 Wed, 26 Aug 2020 10:31:29 +0200 Marsch von „Querdenken“ und Nazis am Samstag, den 29. August in Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/marsch-von-querdenken-und-nazis-am-samstag-den-29-august-in-berlin-726 Aufruf zur Teilnahme an den Protesaktionen Das Verbot ihrer Demos wird “Querdenken” und Nazis leider nicht aufhalten. Unsere Gegenproteste sind daher weiterhin wichtig!

Für den 29. August 2020 hat die Stuttgarter Initiative "Querdenken 711" zu einer europaweiten Demonstration "für Freiheit und Frieden" aufgerufen, die vorgibt, sich gegen die Covid-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu richten. 

Tatsächlich hat sich diese Initiative zu einer Sammlungsbewegung entwickelt, die sich durch nationalistisches, völkisches, rassistisches Gedankengut, durch Verschwörungsideen und  Hassparolen auszeichnet. Es handelt sich nicht um eine Bewegung, die sich um demokratische Rechte sorgt, sondern in weiten Teilen um einen dumpfen Haufen ohne Abgrenzung zu europaweit mobilisierenden Nazis.

Der RAV ruft seine Mitgliedschaft zur Teilnahme an den zahlreich angekündigten Protestaktionen auf.

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RAV
news-725 Fri, 21 Aug 2020 09:48:21 +0200 Unterstützungsaufruf zur Demonstration gegen Rassismus und Rechtsextremismus /publikationen/mitteilungen/mitteilung/unterstuetzungsaufruf-zur-demonstration-gegen-rassismus-und-rechtsextremismus-725 Am 22. August 2020 nach Hanau! Der RAV unterstützt den Aufruf zur Demonstration und Kundgebung in Hanau und ruft seine Mitglieder zur Teilnahme auf. Treffpunkt für RAV-Mitglieder und solidarische Freund*innen ist der Hanauer Bahnhof. Von dort werden wir um ca. 12:30 h mit einem roten RAV-Transparent zur Auftaktkundgebung gehen.

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Der Aufruf:

Die Angehörigen der Opfer des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar in Hanau, Überlebende und UnterstützerInnen rufen für den 22. August 2020, sechs Monate nach dem gewaltsamen Tod von neun Menschen, zur Demonstration und Kundgebung nach Hanau auf. Die Hinterbliebenen, Verletzten und Überlebenden fordern:

Als Unterzeichner*innen dieses Aufrufs teilen wir diese berechtigten Forderungen der Betroffenen und rufen zur Teilnahme an dieser Demonstration auf. 

Wir unterstützen den Gedenk- und Aktionstag in Hanau auch, weil uns die Situation und Auseinandersetzung dort, mitten in Hessen, exemplarisch erscheint. Zentrale Fragen der Angehörigen zum Vorgehen der Polizei und anderer staatlicher Institutionen vor, während und nach der Tatnacht bleiben unbeantwortet und auch ein halbes Jahr danach sind keinerlei politische Konsequenzen zu erkennen. Im Gegenteil: Der aktuelle Skandal um die Todesdrohungen des NSU 2.0 mit Informationen aus hessischen Polizeicomputern zeigt, dass mörderischer Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus weiter zunehmen und von Polizisten, Soldaten und Behörden toleriert oder gar unterstützt werden. Weder in Hanau noch in Halle oder in Kassel waren Einzeltäter am Werk, sondern Mörder, die sich durch rassistische Hetze ermutigt und bestätigt fühlen. 

Wir wollen, dass die Forderung der Angehörigen und Überlebenden von Hanau überall gehört werden: „Wir wollen, dass Hanau keine Station von vielen ist, sondern die Endstation. Wir sagen ein halbes Jahr danach: Es muss sich endlich nicht nur etwas, sondern vieles in diesem Land ändern… Dass durch Taten und nicht nur Worte oder Kränze gezeigt, ja bewiesen wird, dass dieser Anschlag und dass Rassismus und Rechtsextremismus in diesem Land nicht geduldet, toleriert und akzeptiert werden.“ Wir schließen uns diesen Worten der Angehörigen aus Hanau an und rufen mit Ihnen dazu auf, sich am 19. August an dezentralen Gedenkaktionen zu beteiligen und dann am 22. August nach Hanau zu kommen.

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Alle weiteren Informationen rund um die Protestaktionen finden sich auf der Seite der Initiative 19. Februar Hanau

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Rechtsextremismus Rassismus
news-728 Thu, 20 Aug 2020 09:50:00 +0200 Stellungnahme des BAKJ für den Erhalt und den Ausbau der Bedeutung des Schwerpunktbereiches im Jurastudium /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-bakj-fuer-den-erhalt-und-den-ausbau-der-bedeutung-des-schwerpunktbereiches-im-jurastudium-728 August 2020 Der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ) positioniert sich gegen den Beschluss der Justizminister*innenkonferenz vom 7. November 2019, der vorsieht, künftig auf die Bildung einer Gesamtnote zu verzichten (“Heidelberger Modell”).

Der Beschluss der Justizminister*innenkonferenz sieht vor, den universitären Teil bei der Endnote in der ersten juristischen Prüfung nicht mehr zu berücksichtigen. Derzeit setzt sich die Note im „ersten Staatsexamen“ zu 70 % aus der Note der staatlichen Pflichtfachprüfung und zu 30 % aus der Note der universitären Schwerpunktbereichsprüfung zusammen.
Wir, der BAKJ, lehnen dieses sogenannte „Heidelberger Modell“ ab und plädieren im Gegenteil für eine Stärkung des Schwerpunkbereichs unter Beibehaltung der universitären Autonomie.

Dem Beschluss der Justizminister*innenkonferenz liegt die Auffassung zugrunde, dass ohne das Einbeziehen der Noten aus dem Schwerpunktbereich eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Staatsexamensnoten herzustellen sei (a). Zudem wird argumentiert, dass mit dem Heidelberger Modell der psychische Druck im Jurastudium verringert werden könne (b). Ferner scheint der Beschluss vorauszusetzen, dass der universitäre Schwerpunktbereich
keinen wesentlichen Teil der juristischen Ausbildung darstelle (c).

(a) Unterschiedliches ist unterschiedlich. Die inhaltlichen Verschiedenheiten in der Lehre, je nach Professor*in, Universität oder Schwerpunktbereich lassen sich nicht auf formeller Ebene aufheben. Formelle Vereinheitlichung kann keine Eindeutigkeit oder „Objektivität“ der Bewertung herstellen. Die Beurteilung individueller Fähigkeiten auf einer Notenskala bleibt stets subjektiv und somit uneindeutig. Bei subjektiven Beurteilungen fließen immer auch gesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen in die Notengebungen mit ein. Dies zeigt unter anderem die Studie "Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen" (Towfigh, et al., ZDRW 2018, S. 115 (139)). Abgesehen davon wird durch Noten unsichtbar, dass Bildungsungerechtigkeit und Chancenungleichheit maßgeblich bestimmen, wer überhaupt und wer "erfolgreich" Jura studiert. Außerdem wäre mit einer formellen Vereinheitlichung über Qualität noch nichts gesagt. Anzuzweifeln ist viel mehr der fast schon religiöse Glaube der Jurist*innen an ihr Notensystem und dessen Aussagekraft. Wir plädieren gegen scheinbare Vergleichbarkeit durch Vereinheitlichung und für Differenziertheit - wie sie bei allen wissenschaftlichen Studiengängen üblich ist.

(b) Im Jurastudium ist der psychische Druck durchgehend sehr hoch. Das fadenscheinige Argument, das Heidelberger Modell verringere den Druck im Jurastudium, verdreht die Tatsache, dass der Schwerpunktbereich eigentlich zu einer Entlastung der staatlichen Pflichtfachprüfung führt. Ohne Bildung einer Gesamtnote würde der psychische Druck insgesamt erhöht, da die Endnote nur noch aus der staatlichen Pflichtfachprüfung bestehen
würde.

(c) Verschiedene Prüfungsformen gewähren ein unterschiedliches Maß an wissenschaftlicher Freiheit. Während in den staatlichen Pflichtfachklausuren insbesondere auswendig gelerntes Wissen reproduziert werden muss, ermöglicht der Schwerpunktbereich eine tiefgreifende Reflexion inhaltlicher Fragen. Schwerpunktprüfungen liegen daher eine andere Art und Idee von Wissenserwerb und -transfer zugrunde. Es wird – im Gegensatz zu den
Pflichtfachklausuren – Raum und Zeit für Wissenschaftlichkeit gegeben. Durch den Verzicht  des Einflusses der Schwerpunktprüfungen auf die Gesamtnote werden kritischer Reflexion und der Fähigkeit zu wissenschaftlicher Recherche die Wertigkeit abgesprochen, sich auch in der Abschlussnote widerzuspiegeln. Der Schwerpunkt ist die einzige Möglichkeit, sich im Studium entsprechend eigener Interessen zu spezialisieren und Wissen zu vertiefen. Juristische Fragestellungen können zudem in den Kontext interdisziplinärer Perspektiven gestellt werden. Mit der Verbannung der Schwerpunktprüfungen aus der Endnote wird dieser Teil des Studiums massiv an Bedeutung verlieren.

Wir fordern daher, dass die bisherige Regelung zur Bildung einer Gesamtnote beibehalten wird. Der Fiktion von Einheitsjurist*innen mit objektiv vergleichbaren Abschlüssen, die vermitteltes Wissen nur reproduzieren, halten wir die Autonomie und die Wissenschaftlichkeit des universitären Schwerpunktes entgegen. Zur Stärkung der Autonomie plädieren wir für den Ausbau des Anteils der Schwerpunktbereichsnote auf 50 %.

Mitunterzeichner*innen:
• Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V.
• Deutscher Juristinnenbund e.V.
• Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
• Kanzlei geRechtsanwältinnen - Boll & Kolovos
• AStA der Goethe-Universität Frankfurt
• AStA der Georg-August-Universität Göttingen
• Prof. Dr. Andreas Fisahn
• Prof. Dr. David von Mayenburg
• Til Martin Bußmann-Welsch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
• Janwillem van de Loo, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
• Joachim Schaller, Rechtsanwalt

StN als PDF

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Ausbildung Stellungnahmen
news-724 Tue, 04 Aug 2020 11:50:14 +0200 Türkei – Die neue Drohnenmacht? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkei-die-neue-drohnenmacht-724 Onlineveranstaltung, 11.08.2020 Die Türkei führt heute einen Krieg an mehreren Fronten gleichzeitig: In Nordkurdistan wütet ein regelrechter türkischer Staatsterrorismus gegen die kurdische Gesellschaft und ihre politischen Institutionen. Die Kriegspolitik des türkischen Staates gegen die kurdische Freiheitsbewegung beschränkt sich jedoch nicht nur auf Nordkurdistan. Es ist die neue außenpolitische Doktrin der Türkei, den Krieg auch außerhalb ihres Staatsterritoriums beziehungsweise ihrer Staatsgrenzen zu führen. Zusätzlich zu Nordkurdistan eskaliert die Regierung unter Führung Erdoğans den Krieg in Südkurdistan (Nordirak) und in Rojava (Nordsyrien).

Bewaffnete Drohnen und gezielte Luftschläge sind hierbei das neue Wundermittel der türkischen Kriegsführung. Sie kommen in Südkurdistan und Rojava fast täglich zum Einsatz. Allein in den letzten Monaten sind mehrere Massaker an der kurdischen Zivilbevölkerung durch den Einsatz von türkischen Killerdrohnen verübt worden. Die bewaffnete Drohne als neue Waffe ist von der türkischen Regierung in den höchsten Tönen gelobt worden. Dabei ist eine völkerrechtliche Legitimation dieser gezielten Tötungen auf fremdem Staatsterritorium jedenfalls äußerst zweifelhaft.

Wie funktioniert der Drohnenkrieg des 21. Jahrhunderts? Wer wird mit diesen gezielten Tötungen bekämpft? Und wie sind diese Angriffe aus Völkerrechtsperspektive zu bewerten?

Matthias Monroy, Journalist und Mitarbeiter im Deutschen Bundestag, zeigt die Funktionsweise der unbemannten Drohnen und gezielten Luftschläge auf. Meral Çiçek, die Vorsitzende des Frauenzentrums REPAK mit Sitz in Silêmanî, wird über die spezifisch türkische Entwicklung des autonomen Krieges berichten und darlegen, warum insbesondere Frauen und Kurd*innen hiervon besonders betroffen sind.
Priv-Doz. Dr. Robert Frau, Völkerrechtler an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder ordnet die Praxis der türkischen Armee aus juristischer Perspektive ein.
Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Lukas Theune. Er ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

Dienstag, 11. August 2020, 19:00 Uhr

Zur VA:

https://youtu.be/LodfuWlTFm8 oder
https://civaka-azad.org/live

Eine Veranstaltung von:

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

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Veranstaltungen
news-723 Tue, 14 Jul 2020 12:28:38 +0200 Stuttgart zeigt erneut:<br />Das Problem heißt Rassismus /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus-723 Pressemitteilung 11/20, 14.7.2020 RAV fordert unabhängige Untersuchung zu institutionellem Rassismus bei der Polizei Schutz der Betroffenen muss gewährleistet werden

Die ›Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz‹ (ECRI) hat Deutschland in ihrem Sechsten Bericht erneut auf die »weit verbreitete Praxis des racial profiling unter deutschen Polizeikräften« und auf das »rassistisch motiviertes Verhalten von Strafverfolgungsbehörden« hingewiesen.(1) Diese Kritik an der deutschen Polizei besteht seit Jahren und wird auch vom Menschenrechtskommissar des Europarats und der Expertengruppe der Vereinten Nationen geteilt.

Am 17. März 2020 wurde Deutschland daher von der ECRI aufgefordert, vorrangig zwei konkrete Empfehlungen umzusetzen:

Dennoch macht die Bundesregierung keine Anstalten, diese Empfehlungen umzusetzen. Stattdessen wird jede Kritik an der Polizeiarbeit stereotyp als ›Generalverdacht‹ zurückgewiesen. Der Polizei wird ein Blankoscheck ausgestellt – ungeachtet der Erkenntnisse etwa zu rechtsradikalen Strukturen in der Polizei. Soweit Fälle von rechtswidriger Polizeigewalt und rassistischem Verhalten von Polizeibeamt*innen bekannt geworden sind, werden diese regelmäßig als Einzelfälle bagatellisiert und jedes strukturelle Problem negiert. Die populistische Lobbyarbeit der Polizeigewerkschaften bestimmt das politische Handeln. Dabei wird verkannt, dass es ein zentrales Wesensmerkmal des Rechtsstaates ist, das Handeln der Exekutive auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Die Stimmen der Betroffenen werden ignoriert. Die Black Lives Matter-Bewegung und migrantische sowie postmigrantische Organisationen haben eine Vielzahl von Beispielen für rassistisch motivierte Verhaltensweisen und Polizeigewalt gegeben. Das Innenministerium weigert sich, diese Stimmen zu hören.

»Dass Bundesinnenminister Seehofer die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz nicht nur ignoriert und behauptet, es gäbe kein racial profiling in Deutschland, sondern zudem ein in Berlin verabschiedetes Landesantidiskriminierungsgesetz diffamiert, ist besorgniserregend. Ein Innenminister, der verkennt, dass es eine effektive staatliche Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols geben muss und Polizeiarbeit sich selbstverständlich immer an rechtsstaatlichen Grundsätzen messen und überprüfen lassen muss, ist nicht länger tragbar«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV.

Das derzeitige Vorgehen der Stuttgarter Polizei und die Reaktion von Teilen der Politik zeigen auf eindrückliche Weise, dass es in Deutschland ein strukturelles Rassismus-Problem gibt, das dringend als solches erkannt und aufgearbeitet werden muss.

Es ist evident, dass die Ermittlung der Staatsangehörigkeit der Eltern von Tatverdächtigen weder zur Strafverfolgung, noch aus Präventionsgründen geeignet oder gar angemessen ist. Diese Feststellung ist in einem Strafverfahren weder üblich, noch wird es vom Gesetz gefordert. Vielmehr handelt es sich um einen schweren Grundrechtseingriff, für den es keine Rechtfertigung gibt. Die Staatsangehörigkeit von Angehörigen ist weder für die Feststellung der Strafbarkeit, noch für die konkrete Strafzumessung relevant. Das Vorgehen der Stuttgarter Polizei erweckt den Eindruck, es gebe einen Zusammenhang zwischen der Nationalität der Eltern und dem Verhalten ihrer Kinder. »Das Festhalten und das Verteidigen dieses zu Recht als ›Stammbaumforschung‹ bezeichneten Verhaltens der Stuttgarter Polizei belegt das Bestehen von rassistischen Denkmustern in Teilen der Polizei und der Politik. Denn damit wird in völkischer Manier eine Verbindung zwischen Nationalität und Kriminalität suggeriert, die es nicht gibt«, so Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, stellvertretende Vorsitzende des RAV. »Der Politik und der Polizei würde es gut zu Gesichte stehen, sich endlich ernsthaft mit rassistischen Strukturen in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen und eine entsprechende Fehlerkultur zu entwickeln, um effektive Maßnahmen für die Schaffung einer grundgesetzkonformen Realität zu schaffen«.

Der RAV fordert die Bundesregierung auf, die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz unverzüglich umzusetzen.

Kontakt: RAV-Geschäftsstelle, 030.417 235 55

 

(1) Vgl. rm.coe.int/ecri-report-on-germany-sixth-monitoring-cycle-german-translation-/16809ce4c0, S. 38 [13.07.2020].

(2) Ebd., S. 41.

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Polizei Rassismus
news-708 Wed, 01 Jul 2020 12:59:47 +0200 Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist überfällig! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verlaengerung-der-revisionsbegruendungsfrist-ueberfaellig-708 Pressemitteilung 10/20, 1.7.2020 Das OLG München hat am 11.07.2018 das Urteil im sog. NSU-Prozess gesprochen – am 21.04.2020, nach sage und schreibe mehr als 21 Monaten (so wie es das Gesetz gem. § 275 Abs. 1 StPO zulässt), wurde das schriftliche Urteil zu den Akten gereicht und das Protokoll der Hauptverhandlung abgeschlossen! Das Urteil umfasst 3.025 Seiten, das Protokoll soll sich auf 44 Aktenordner erstrecken.

Ab Zustellung jenes Urteils hatten diejenigen, die Revision eingelegt haben, genau einen (!) Monat Zeit, die Revision zu begründen – ob die Zeit überhaupt gereicht hat, das Urteil sorgfältig zu lesen und das Protokoll gründlich zu prüfen, mag dahinstehen. Innerhalb dieses einen Monats (eine Verlängerung ist – mit Ausnahme ergänzender Ausführungen zur Sachrüge – bekanntlich ausgeschlossen) eine Revisionsbegründung zu verfassen, die nicht nur mit einem Satz die allgemeine Sachrüge erhebt, sondern diese auch noch ausführt, und vor allem Verfahrensrügen nach allen Regeln strafprozessualer Kunst und bundesgerichtlicher Kautelen erhebt, dürfte sogar denjenigen unmöglich gewesen sein, die zufällig in diesem einem Monat überhaupt nichts anderes zu tun hatten.

Zugegeben, dieser Fall ist auch in puncto Umfang außergewöhnlich; das Problem umfänglicher Urteile und ebenso raumgreifender Protokolle als Gegenstand der Revisionsbegründung ist aber keineswegs selten. Während dem Gericht umso mehr Zeit eingeräumt wird, das Urteil zu begründen, je länger die Hauptverhandlung gedauert hat (§ 275 Abs. 1 StPO), bleibt für die Revisionsbegründung nach weiterhin geltendem Recht immer nur max. ein Monat (§ 345 Abs. 1 StPO). Dass dies mit einem fairen Verfahren gem. Art. 6 Abs. 1 und 3 EMRK nichts gemein hat, versteht sich von selbst (vgl. auch Grabenwarter NJW 2002, 109 und Beukelmann NJW-Spezial 2017, 632); der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) muss auch im Revisionsverfahren effektiv gewährleistet sein.

Exkurs: Im Zivilprozess beträgt die Revisionsbegründungsfrist zwei Monate und kann verlängert werden (§ 551 Abs. 2 ZPO); im Verwaltungsrechtsstreit gilt Ähnliches (§ 139 Abs. 3 S. 3 VwGO). Warum solches ausgerechnet im Strafprozess, wo es insb. für die betroffenen Angeklagten um so viel geht und wo es gerade in den schwerwiegenden Fällen nur eine Tatsacheninstanz gibt, nicht vorgesehen ist, kann niemand erklären.

Das NSU-Urteil muss einmal mehr Anlass sein, die Rechtslage zu ändern, zumal sich das BVerfG bisher geweigert hat, hier einzugreifen (vgl. nur Beschl. v. 19.02.1998 – 2 BvR 1888/97). Die Frage ist dabei auch nicht, was dafür spricht, die Revisionsbegründungsfrist zu verlängern, sondern was eigentlich dagegen spricht, sie der Urteilsbegründungsfrist anzupassen: gar nichts! So wie das Gericht die Maximalfrist nicht ausschöpfen muss, gilt dies selbstverständlich auch für die Staatsanwaltschaft, die Nebenklage und nicht zuletzt die Verteidigung, die dies am Wohl der Mandantschaft ausrichten wird.

In den „regensburger thesen zum strafprozess“ (rechtspolitische Forderungen des 43. Strafverteidigertages v. 24.03.2019, III.1.) heißt es klar und deutlich: „Die Frist zur Revisionsbegründung soll genau so lang sein, wie die Frist des Gerichts zu Urteilsabsetzung.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kontakt: RA Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Tel. 0421.335166, Mail pollaehne@strafverteidiger-bremen.de

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Revision Strafprozessrecht (doublet)
news-707 Tue, 23 Jun 2020 12:27:17 +0200 Fact Finding-Mission zu den ÇHD-Verfahren in Istanbul /publikationen/mitteilungen/mitteilung/abschlussbericht-der-fact-finding-mission-zu-den-chd-verfahren-707 Zur Verletzung des Grundsatzes fairer Gerichtsverfahren, der Unabhängigkeit der Justiz und der Grundsätze zur Rolle der Rechtsanwälte (Oktober 2019) Eine Gruppe von 15 Anwältinnen und Anwälten aus sieben europäischen Ländern traf sich vom 13. bis 15. Oktober 2019 in Istanbul zu einer Erkundungsmission, um die rechtlichen Umstände zu klären, die im März 2019 zur Verurteilung von 18 türkischen Anwältinnen und Anwälten durch das 37. Hohe Strafgericht von Istanbul geführt haben. Die europäischen Anwältinnen und Anwälte des Beobchtungsteams kamen aus Österreich, Belgien, Katalonien/Spanien, Griechenland, Deutschland, Frankreich und Italien. Sie vertraten unter anderem zwei internationale Anwaltsverbände, zwei europäische Anwaltsorganisationen, den europäischen Dachverband der Anwaltskammern, verschiedene nationale und regionale Anwaltskammern und Anwaltsorganisationen.

Wir dokumentieren nachfolgend den 40-seitigen Bericht der Untersuchungskommission in englischer Sprache. Der Bericht umfasst Ergebnisse von Gesprächen mit Expertinnen und Experten, dokumentiert die Verfahren und bewertet sie aus straf- und menschenrechtlicher Perspektive. Der RAV kann auf Anfrage weitere Dokumente in englischer und französischer Sprache - darunter Pressemitteilungen, Appelle an den UN-Hochkommissar für Menschenrechte sowie Berichte u.a. zu einer früheren Mission aus dem Jahr 2018 - zur Verfügung stellen.

Unsere Kolleginnen und Kollegen befinden sich anhaltend und rechtswidrig in Haft und Lebensgefahr. Wir bitten um Kenntnisnahme und Unterstützung!

Bericht der Untersuchungskommission (PDF)

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Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
news-704 Tue, 16 Jun 2020 11:42:27 +0200 Rechtsbruch in den griechischen Flüchtlingslagern beenden:<br />Aufnahme statt Symbolpolitik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsbruch-in-den-griechischen-fluechtlingslagern-beenden-704 Pressemitteilung 09/20, 16.6.2020 (English version below) Über 30.000 Menschen leben weiter in den griechischen Flüchtlingslagern unter katastrophalen und menschenunwürdigen Bedingungen. Auf der heutigen Bundespressekonferenz (BPK) in Berlin hat auch der RAV Stellung genommen und die Evakuierung der Flüchtlingslager sowie ein Ende der anhaltenden Rechtsbrüche gefordert.

Die griechische Rechtsanwältin Giota Massouridou, ELENA-Koordinatorin für Griechenland und Vize-Präsidentin der Europäischen Demokratischen Anwältinnen (EDA) erklärt: »Die unmenschlichen Bedingungen in den griechischen Hotspots werden auf nationaler Ebene in vielen EU-Mitgliedsstaaten weithin kritisiert, auch in Griechenland. Zahlreiche Berichte und Medieninformationen belegen die katastrophale Lage. Es geht ja nicht nur Moria, sondern um insgesamt fünf Hotspots (Leros, Kos, Samos, Chios und Lesbos). An jedem dieser Orte wird seit Jahren die Menschenwürde vergessen«.

Seit Monaten wird durch selbstorganisierte Gruppen, Kirchen, Kommunen, Flüchtlingsorganisationen sowie der griechischen und internationalen Zivilgesellschaft gefordert, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen. Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin e.V. berichtet dazu: »Wir bekommen laufend Anfragen von Menschen, die entsetzt sind über die Situation in den griechischen Lagern und fragen, was sie tun können, damit Menschen nach Deutschland kommen«.

Die Bundesregierung sieht sich so massiv mit der Forderung nach Aufnahme konfrontiert, dass sie in einer zutiefst beschämenden Aktion wenige Kinder aus Griechenland einfliegen lässt, die Deutschland im Rahmen des Familiennachzugs größtenteils sowieso hätte aufnehmen müssen.

Einige Bundesländer wollen nun Landesaufnahmeanordnungen nach § 23 AufenthG verabschieden. Diese erfordern das Einvernehmen des Bundesinnenministeriums. Wird dieses nicht erteilt, müssen diese Länder den Rechtsweg beschreiten und das Bundesinnenministerium verklagen.

Hierzu Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Bundesvorstandsmitglied des RAV: »Der Bund wird weiter jede echte Aufnahme blockieren. Dieses Nichthandeln ist konsequente Folge der Vorschläge des Bundesinnenministeriums, wonach das Recht auf Schutz und Asyl in Zukunft nur noch Gegenstand von Grenzverfahren sein soll. Das Leiden in den Hotspots ist Ergebnis zielgerichteter Politik, die auf Abschreckung um jeden Preis setzt«.

Die Bundesländer sollten alle ihnen zur Verfügung stehenden Wege ausschöpfen, um eine Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland durchzusetzen und sich nicht zum Komplizen des Bundes machen. Dazu Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert (RAV): »Wenn die Länder wirklich Menschen aufnehmen wollen, müssen sie alle rechtlichen Spielräume jenseits der Aufnahme im Einvernehmen des Bundes nutzen. Sie können etwa Stipendienprogramme zur Ermöglichung des Schulbesuchs verabschieden und Familientrennungen durch eine großzügige Handhabe des gesetzlichen Rahmens beenden. Der Verweis auf den Bund als Rechtfertigung für ihr Nichthandeln ist inakzeptabel«.

In der gegenwärtigen Situation mit Aufnahmeprogrammen voranzugehen, die zu einer echten Entlastung vor Ort führen, bedeutet – anders als das Bundesinnenministerium behauptet – nicht weniger, sondern mehr europäische Solidarität.

Die Reaktion auf die jahrelange Krise des europäischen Asylsystems muss ein verlässlicher europäischer Solidaritätsmechanismus einer Koalition aufnahmebereiter Länder sein.

»Die aktuelle gesamteuropäische Verantwortungslosigkeit und die Außerkraftsetzung des Rechts an den Grenzen und innerhalb der EU stellen das Rechtssystem als Ganzes in Frage«, so RAV-Anwalt Dr. Lehnert. »Wir sind nicht bereit, uns an diesen Rechtsbruch zu gewöhnen«.

Den sogenannten EU-Türkei-Deal, der explizit kein Rechtsakt der europäischen Union und damit auch von keinem europäischen Gericht überprüfbar sein soll, ist ebenso wie das Hotspot-System kein taugliches Modell für ein europäisches Asylrecht. Stattdessen ist geltendes Recht durchzusetzen.

Familienzusammenführungen im Dublin-Verfahren dürfen nicht länger durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge systematisch verzögert und verunmöglicht werden. Die Praxis der Push-Backs und Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen ist sofort zu beenden. Erforderlich ist die Einhaltung der Regelungen der internationalen Seenotrettung. FRONTEX soll keine Allianz mit libyschen Milizen – es gibt keine ›Libysche Küstenwache‹ – eingehen, sondern sich an effektiver Seenotrettung beteiligen. Schutzsuchende aus libyschen Foltergefängnissen sind umgehend zu evakuieren.

»Die Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland wird diese Probleme nicht lösen. Das darf aber keine Ausrede für Nichthandeln sein«, so RAV-Anwältin Böhlo, »wir fordern daher die Aufnahme durch Bund und Länder jetzt«.

Hintergrundmaterial:

www.rav.de/projekte/griechische-lager-evakuieren/
www.ecre.org/our-work/elena/
Avocats Européens Démocrates-European Democratic Lawyers, http://www.aeud.org/

Kontakte:

Giota Massouridou (EDA): massouridoup@yahoo.gr
Martina Mauer (Flüchtlingsrat Berlin): 030.224 76 311
Dr. Matthias Lehnert (RAV): 030.252 987 77
Berenice Böhlo (RAV): 030.247 240 90

Die Pressemitteilung als PDF

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Press Information No. 09/20 – June 16, 2020 [English translation]

End the Breach of Law in the Greek Refugee Camps: Refugee Admission instead of Symbolic Politics

More than 30,000 people continue to live in the Greek refugee camps under catastrophic and inhuman conditions. At today's [June 16] Federal Press Conference (BPK) in Berlin, the RAV together with other organizations commented and called for the evacuation of the refugee camps and for an end to the ongoing violations of law.

Greek lawyer Giota Massouridou, ELENA coordinator for Greece and Vice-President of the European Democratic Lawyers Association (EDA), explains: »The inhuman conditions in the Greek hotspots are widely criticized at the national level in many EU Member States, including in Greece. Numerous reports and media information document the catastrophic situation. It is not only Moria, but the total of all five hotspots needs to be considered (Leros, Kos, Samos, Chios and Lesbos). In each of these places human dignity has been forgotten since years«.

For months, self-organized groups, churches, municipalities, refugee organizations, Greek and international civil society members have been calling for taking in refugees from Greece. Martina Mauer from Flüchtlingsrat Berlin e.V. reports: »We are constantly receiving enquiries from people who are horrified by the situation in the Greek camps and ask what they can do to get people to come to Germany«.

The Federal Government is so massively confronted with the demand for admission of refugees that in a deeply shameful action it has flown in a few children from Greece, most of whom Germany would have had to take in anyway in the context of family reunification.

Some federal states [Länder] now want to adopt refugee admission orders according to § 23 AufenthG [Residence Law]. These admissions require the agreement of the Federal Ministry of the Interior. If the Ministry does not grant agreement, the Länder must take legal action and sue the Federal Ministry of the Interior.

Lawyer Berenice Böhlo, member of the federal board of the RAV: »The Federal Government will continue to block any meaningful refugee admission. This failure to act is a logical consequence of its proposals that the right of protection and the right of asylum should only be subject to border procedures in the future. Suffering in the hotspots is the result of targeted policies based on deterrence at all costs«.

The federal states should use all means at their disposal to enforce the admission of refugees from Greece and should not make themselves an accomplice of the Federal Government. As lawyer Dr. Matthias Lehnert (RAV) comments: »If the federal states really want to admit people, they must use all the legal leeway beyond refugee admission in agreement with the Federal Government. For example, they can adopt scholarship programs to enable school attendance and end family separations through generous use of the respective legal framework. The reference to Federal Government’s passivity as justification for their inaction is unacceptable«.

In the current situation, to go ahead with refugee admission programs that lead to real relief on the ground does not mean – contrary to what the Federal Ministry of the Interior claims – less but more European solidarity.

The response to the long-standing crisis of the European asylum system must be a reliable European solidarity mechanism of a coalition of welcoming and admission-ready countries.

»The current Europe-wide irresponsibility and the abrogation of the law at the borders and within the EU calls into question the legal system as a whole«, says RAV lawyer Dr. Lehnert. »We will not get used to this kind of lawbreaking«.

The so-called EU-Turkey deal, which explicitly does not constitute a legal act of the European Union and thus is not supposed to be verifiable by any European court, is – just like the hotspot system – not a suitable model for a European asylum law. Instead, applicable law must be enforced.

Family reunifications according to the Dublin procedures must no longer be systematically delayed and made impossible by the Federal Office for Migration and Refugees. The practice of push-backs and rejections of persons seeking protection at the external borders of the EU must be stopped immediately. It is necessary to comply with the regulations of international maritime rescue procedures. FRONTEX is not supposed to form an alliance with Libyan militias – there is no such thing as a ›Libyan Coast Guard‹ – but to participate in effective sea rescue. Those seeking protection from Libyan torture prisons must be evacuated immediately.

»Taking in refugees from Greece will not solve all those problems mentioned above. However, this must not be an excuse for inaction«, says RAV lawyer Böhlo, »we therefore demand that the federal and state governments take action now«.

Background material:
https://www.rav.de/projekte/griechische-lager-evakuieren/
https://www.ecre.org/our-work/elena/

Avocats Européens Démocrates-European Democratic Lawyers, http://www.aeud.org/

Contacts:
Giota Massouridou (EDA): massouridoup@yahoo.gr
Martina Mauer (Flüchtlingsrat Berlin): 030.224 76 311
Dr. Matthias Lehnert (RAV): 030.252 987 77
Berenice Böhlo (RAV): 030.247 240 90

Press Information (engl. Version) PDF

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Griechenland Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet) Flüchtlinge/Geflüchtete
news-703 Fri, 05 Jun 2020 13:59:52 +0200 #SoGehtSolidarisch /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sogehtsolidarisch-703 Aufruf zur Teilnahme am Band der Solidarität, 14.6.2020 Der RAV ist Teil des Bündnisses für den #unteilbar-Aktionstag am 14. Juni 2020 und ruft alle Mitglieder und Freund*innen auf, sich dem Band der Solidarität anzuschließen. Wir verstehen unsere Aufgabe als Anwältinnen und Anwälte, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, nicht allein in der Verteidigung politischer Rechte und Freiheiten, sondern auch in dem Eintreten für die sozialen Rechte. Wenn Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Gefahr sind, müssen diese auch auf der Straße an der Seite der Zivilgesellschaft erstritten werden. Wir brauchen jetzt die politische Weichenstellung in eine diskriminierungsfreie, solidarische und klimagerechte Zukunft!

#SoGehtSolidarisch

Alle Informationen zum Aktionstag am 14.6.20 von #unteilbar.

Wir bitten, auch das Aktionskonzept aufmerksam zu lesen. Die Herausforderung, eine verantwortliche Aktionsform in Zeiten von Covid-19 zu finden ist groß.

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Aufruf #SoGehtSolidarisch 14. Juni 2020 (und hier als PDF)

#unteilbar durch die Krise

Die Pandemie trifft uns alle, doch bei Weitem nicht alle gleich. Was vorher ungerecht war, wird in der Krise noch ungerechter: Weltweit sind immer mehr Menschen in ihrer Existenz bedroht und haben keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Milliarden aus den ersten Konjunkturprogrammen kommen vor allem Unternehmen zugute. Jetzt muss dringend in den Klimaschutz, ins Gesundheitssystem und den Kultur- und Bildungsbereich investiert werden.

Gleichzeitig werden Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungserzählungen gesellschaftsfähiger und bedrohen unser Zusammenleben. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.

So darf es nicht weitergehen!

Viele von uns drohen zurückzubleiben: Menschen ohne sichere Arbeit, die ihre Miete nicht mehr zahlen können oder kein Zuhause haben; geflüchtete Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen oder an den europäischen Außengrenzen entrechtet werden; Menschen, die von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung betroffen sind oder gar Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt werden; Angehörige von Risikogruppen, Betroffene von häuslicher Gewalt und Schulkinder, die abgehängt werden.

Dabei sind es vor allem Frauen, die in der Pflege, im Einzelhandel und bei der Kinderbetreuung die Umsetzung der Schutzmaßnahmen erst möglich machen.

Für eine solidarische Gesellschaft

Jetzt wird entschieden, wer die Kosten der globalen Krise trägt, wer danach stärker wird und wer schwächer. Jetzt wird entschieden, ob wir es schaffen, uns gemeinsam auf den Weg in eine antirassistische, soziale und klimagerechte Gesellschaft zu machen – für ein besseres Leben für alle. Auch in der Krise zeigen wir, dass es solidarisch geht – wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.

Wir fordern:

#SoGehtSolidarisch

Am Sonntag, den 14. Juni 2020, um 14 Uhr werden wir verantwortungsbewusst und mit Abstand demonstrieren. Auf der Straße und im Netz zeigen wir:

#SoGehtSolidarisch!

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#unteilbar Bürger- und Menschenrechte
news-702 Fri, 05 Jun 2020 12:08:57 +0200 Gesetz zur Einführung des oder der Bürgerbeauftragten des Landes Berlin und des oder der Beauftragten für die Polizei Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-einfuehrung-des-oder-der-buergerbeauftragten-des-landes-berlin-und-des-oder-der-beauftragten-fuer-die-polizei-berlin-702 Stellungnahme, 5.6.2020 1. Vorbemerkungen

Die Einführung der oder des Beauftragten für Bürger*innen(1) und die Polizei (im Folgenden: die oder der Beauftragte) ist grundsätzlich zu unterstützen.

Seit Jahren fordern Menschen- und Bürger*innenrechtsorganisationen die Etablierung von unabhängigen Ermittlungsstellen, die Vorwürfe rechtswidriger Polizeigewalt effektiv aufklären und sanktionieren können. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (zuletzt: Hentschel and Stark v. Germany, no. 47274/15, 9 November 2017, § 87) hat wie auch der Menschenrechtskommissar des Europarates (2015 (CommDH(2015)20, 1. Oktober 2015, Rn. 40ff) und der UN-Folterausschuss (CPT Inf (2017)6, § 18) die fehlende Unabhängigkeit und in der Folge auch mangelnde Effektivität der Aufklärung von Polizeigewalts-Vorwürfen in Deutschland kritisiert.

Der vorliegende Gesetzentwurf bringt insoweit eine Verbesserung, dass eine Institution geschaffen wird, die sich solchen Vorwürfen annehmen kann und organisatorisch von der Polizeibehörde getrennt ist. Zu begrüßen ist auch, dass diese Institution mit eigenen Ermittlungskompetenzen ausgerüstet ist.

Bereits in diesen Vorbemerkungen sollen jedoch zwei Punkte angesprochen werden, die sich in Hinblick auf die Effektivität der Tätigkeit dieser oder dieses Beauftragten als problematisch erweisen könnten.

Der erste Punkt hängt mit der Erweiterung des Aufgabenbereichs der oder des Beauftragten zusammen, die oder der auch für Vorgänge aus dem innerpolizeilichen Bereich zuständig sein soll (also zum Beispiel für Beschwerden hinsichtlich der Ausrüstung der Polizei oder ähnliches) sowie darüber hinaus für die Stärkung der Stellung des Bürgers oder der Bürgerin im Verkehr mit anderen Behörden als der Polizei. Es sei bereits jetzt bei der Diskussion des Entwurfs zur Einführung der oder des Beauftragten bemerkt, dass auf jeden Fall auch ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung stehen müssen, damit die oder der Beauftragte den gesamten mit dem Gesetz zugewiesenen Aufgabenbereich effektiv bearbeiten kann. Es muss sicher gestellt werden, dass der oder dem Beauftragten mindestens zwanzig Mitarbeiter*innen zugewiesen werden. Eine ähnliche personelle Kapazität wie bei der oder dem Datenschutzbeauftragten muss gewährleistet sein.

 Der zweite Punkt betrifft nur den Bereich der Aufklärung von Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens, das die Schwelle strafbaren Verhaltens überschreitet. Hier ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass ein schwebendes Gerichtsverfahren oder ein laufender Untersuchungsausschuss die Tätigkeit der oder des Beauftragten ausschließen (§ 17) und dass seine Aufklärungsbefugnisse dann eingeschränkt sind, wenn ein Straf- oder Bußgeldverfahren oder ein Disziplinarverfahren laufen (§ 18). Eine Sanktionsmöglichkeit durch die oder den Beauftragten ist nicht vorgesehen (§ 19). Das bedeutet, dass reguläre Ermittlungs- und Sanktionierungs-Verfahren den Vorrang haben und die Aufklärungskompetenz genau dann begrenzt wird, wenn die Vorwürfe von strafrechtlicher Relevanz sind.

Da es aber – auch aus der Sicht der bereits zitierten internationalen Institutionen - gerade die Effektivität von Ermittlung und Sanktionierung strafrechtswidriger Polizeigewalt gesteigert werden müsste, wird die oder der neue Beauftragte die diesbezüglichen Mängel nicht ausgleichen können. 

Es wird daher auf das in einem „Policy Paper“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte bereits im Jahr 2014 vorgeschlagene Zwei-Säulen-Modell verwiesen, wonach neben eine oder einen Beauftragte für Polizei noch eine zweite Institution tritt (Eric Töpfer/Julia von Normann, Unabhängige Polizei-Beschwerdestellen, 2014). Diese zweite Institution übernimmt die Fälle, in denen das vorgeworfene polizeiliche Fehlverhalten von strafrechtlicher Relevanz hat. In dieser Institution würden interdisziplinäre Teams von polizeiexterne Ermittlungspersonen unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft die Aufklärungsarbeit leisten.

2. Bemerkungen zu einzelnen im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen

§ 1 Aufgaben des oder der Bürger- und Polizeibeauftragten

Es wird begrüßt, dass es nach der Gesetzesbegründung zu § 1 das grundsätzliche Ziel des Gesetzes ist, eine unabhängige Instanz zu schaffen, deren Fokus neben der Aufklärung von Fehlverhalten Einzelner auch etwaige strukturelle oder institutionelle Mängel innerhalb der Institution Polizei sind.

§ 2 Bestellung und Beendigung des Amtsverhältnisses

Die Wahl der oder des Beauftragten durch das Abgeordnetenhaus sichert die Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive. In diesem Zusammenhang wäre die Einbeziehung von Vertreter*innen gesellschaftlicher Organisationen begrüßenswert, um bereits im Auswahlprozess die Möglichkeit zu eröffnen, die verschiedenen Perspektiven auf den konkreten Inhalt der Tätigkeit der oder des Beauftragten einzubeziehen.

§ 3 Rechtsstellung

Die Rechtsstellung der oder des Beauftragten als unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen ist uneingeschränkt zu begrüßen, da dadurch die institutionelle, hierarchische und praktische Unabhängigkeit gewährleistet wird.

§ 14 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, Eingaben von Polizeidienstkräften

Die Ausrichtung der Beschwerdemöglichkeit an die oder den Polizeibeauftragten umfasst nicht nur persönliches Fehlverhalten, sondern auch mittel- oder unmittelbare sowie institutionelle ungerechtfertigte Benachteiligung ist sinnvoll, um den wie zu § 1 in der Gesetzbegründung ausgeführt auch strukturell zu verstehenden Auftrag der oder des Beauftragten mit Leben zu füllen.

Wichtigster Kritikpunkt aus Sicht des RAV ist die im Gesetz vorgesehene Beschränkung, dass Beschwerden und Eingaben grundsätzlich nicht anonym eingereicht werden können. Dies ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Zum einen könnte eine anonymisierte Beschwerdemöglichkeit es zum Beispiel Polizeibeamten ermöglichen, das von ihnen beobachtete Fehlverhalten von Kolleg*innen mitzuteilen, ohne befürchten zu müssen, dass sie innerhalb ihrer Einheit oder Dienststelle als „Nestbeschmutzer*innen“ angesehen werden oder dass ihnen - in Fällen, in denen sie sich nach einiger Zeit der Beobachtung entschließen, strafwürdiges Verhalten von Kolleg*innen zu melden – der Vorwurf der Strafvereitelung gemacht wird, weil sie nicht umgehend bei der ersten Beobachtung Strafanzeige erstattet haben.

Dass sinnvolle Aufklärungsarbeit auch aufgrund anonymer Hinweise möglich ist, zeigt zum Beispiel die Einrichtung der anonymen Hinweisstelle im Bereich der Korruption (vgl. https://www.berlin.de/polizei/dienststellen/landeskriminalamt/lka-3/anonyme-hinweisgeberstelle-korruption-262814.php).

Von Seiten des RAV wird ergänzend angeregt, auch über zivilgesellschaftliche Organisationen oder Beratungsstellen eingereichte Beschwerden zuzulassen. Aus der Praxis ist bekannt, dass Personen, die rechtswidriger Polizeigewalt oder strukturellen Benachteiligungen ausgesetzt sind, oftmals auch Schwierigkeiten beim Zugang zum Recht haben, sei es aufgrund sprachlicher oder sonstiger Barrieren. Es kann den Blick der oder des Beauftragten nur sinnvoll erweitern, wenn auch Beschwerden, die von „Fürsprecher*innen“ solcher strukturell gesellschaftlich benachteiligten Personen vorgebracht werden, zulässig sind.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdefrist von drei Monaten nach Beendigung der polizeilichen Maßnahme aus anwaltlicher Perspektive zu knapp bemessen ist. Die Beschwerde ist samt dem zugrunde liegenden Sachverhalt einzureichen. Die betroffene Person muss die Gelegenheit haben, den Sachverhalt substantiiert zusammenfassen zu können und sich umfassend zu informieren und beraten zu lassen. Die Chance auf Klärung würde auch nicht bei einer Frist von 6 Monaten oder einem Jahr vereitelt. Anzumerken ist, dass selbst die kürzeste Frist nach dem OWiG bei 6 Monaten liegt.

§ 15 Tätigkeit ohne vorherige Beschwerde oder Eingabe

Als Ausdruck der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ist die Einräumung des Selbstbefassungsrechts sehr begrüßenswert.

Zu den in §§ 17 bis 19 formulierten Grenzen des Prüfungsrechts und der Kompetenzen wurde bereits in der Vorbemerkung Stellung genommen.

(1)   Es sei kurz bemerkt, dass die Bezeichnung „Der oder die Beauftragte für Bürgerinnen und Bürger sowie für Polizei“ gegenüber der Bezeichnung „Der oder die Bürgerbeauftragte [...]“ vorzugswürdig wäre. Auch der Petitionsausschuss des Bundesrats trägt den Namen „Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen des Bundesrates“.

Verfasserin: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin

Stellungnahme als PDF

 
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Polizei Stellungnahmen
news-700 Sat, 09 May 2020 15:29:48 +0200 #FreeThemAll /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechthintergittern-700 Solidaritätserklärung Screenshot eines Videos des RAV zu #freethemall

Der RAV beobachtet seit vielen Jahren Gerichtsverfahren in der Türkei, in denen Rechtsanwält*innen wegen der Ausübung ihrer Berufstätigkeit, insbesondere wegen der Verteidigung von Oppositionellen und Kurd*innen, vom Erdoğan Regime als Terroristen strafverfolgt und inhaftiert werden.

Nach dem sog. Putschversuch von 2016 wurden unsere Schwesterorganisationen, die ÇHD (Çağdaş Hukukçular Derneği, Progressive Anwaltsorganisation) und die ÖHD (Özgürlükçü Hukukçular Derneği, Anwält*innen für Freiheit) verboten und ihre Mitglieder in Massenprozessen angeklagt. Einige von ihnen befinden sich seit September 2018 in Untersuchungshaft.

Unsere Solidarität gilt unseren Kolleg*innen, der Angriff auf sie ist ein Angriff auf uns alle. Wir fordern ihre umgehende Freilassung.

Unsere Solidaritätsbotschaft in Englisch als Video (via Twitter) und als PDF

Eine kleine gute Nachricht: Unser Kollege Doğukan Ünlü ist inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

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Freie Advokatur (doublet) Bürger- und Menschenrechte Freie Advokatur Repression gegen Rechtsanwälte
news-698 Tue, 21 Apr 2020 22:43:00 +0200 »Menschenrechte wahren – Lager auflösen – Evakuierung jetzt!« /publikationen/mitteilungen/mitteilung/lager-evakuieren-698 Pressemitteilung 8/20, 21.4.2020 Kundgebung am 23. April 2020, 17.00 Uhr in Berlin #LagerEvakuieren Am 23. April 2020 werden wir von 17.00 bis 18.00 Uhr in Berlin eine Kundgebung durchführen, um auf die alarmierende Situation in den griechischen Flüchtlingslagern aufmerksam zu machen und die Forderung nach der sofortigen Auflösung der Lager und der Unterbringung der Geflüchteten in den EU-Staaten zu unterstützen.

Wir, das sind eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen, stellvertretend für viele, die ihre Stimme erheben

An der Kundgebung werden Vertreter*innen von Wohlfahrtsverbänden, Bürgerrechtsorganisationen, Flüchtlingsinitiativen u.v.m. teilnehmen. Die Liste der Teilnehmenden und Redner*innen finden Sie unter diesem Anschreiben; ebenso den Aufruf.
Wir machen ausdrücklich den Ort der Kundgebung nicht bekannt und rufen ausdrücklich dazu auf, nicht an der Kundgebung teilzunehmen.

Die Anzahl der Teilnehmenden ist begrenzt. Eine Ansammlung von zu vielen Menschen ist unbedingt zu vermeiden. Wir nehmen den Infektionsschutz ernst und werden dementsprechend auch die Kundgebung durchführen.
»Auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie muss es möglich sein, in verantwortungsbewusster Art und Weise auf die Straße zu gehen, auf die drohende humanitäre Katastrophe in Moria und anderswo aufmerksam zu machen und die sofortige Durchsetzung humanitärer Maßnahmen einzufordern«, so der Rechtsanwalt und RAV-Vorsitzende Dr. Peer Stolle.

Beteiligt euch dennoch an den Protesten, bspw. über www.evacuate-moria.com oder in anderer Form.

Insbesondere rufen wir alle auf, die Kundgebung live am 23. April 2020 ab 17:00 Uhr hier https://www.rav.de/projekte/griechische-lager-evakuieren/ zu verfolgen.
Dieser Stream wird auch anschließend an dieser Stelle zur Verfügung stehen.

Wir werden die Kundgebung live per Stream übertragen.

#LagerEvakuieren
#LeaveNoOneBehind

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Nachfolgend unser Aufruf und die Teilnehmenden:
Menschenrechte wahren – Lager auflösen – Evakuierung jetzt!

Die Situation in den griechischen Flüchtlingslagern ist alarmierend. Mehr als 42.000 Menschen leben auf engstem Raum unter katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie drohen die Lager zu pandemischen Hotspots zu werden. Eine internationale Koalition aus Gesundheitsfachleuten, Virolog*innen, Menschenrechtler*innen fordert die sofortige Evakuierung der Menschen aus den Lagern.
Wir schließen uns der Forderung der sofortigen Auflösung der Lager an und fordern, die Geflüchteten in den EU-Staaten sicher unterzubringen, vgl. https://www.evacuate-moria.com/.

Viele Gemeinden in Deutschland haben ihre Bereitschaft erklärt, Menschen aus dem Lager in Moria aufzunehmen. Das Innenministerium unter Horst Seehofer blockiert diese Aufnahme weiterhin. Die Aufnahme von lediglich bis zu 50 unbegleiteten Minderjährigen ist eine Schande und vollkommen unzureichend.

Die Einhaltung der Menschenrechte darf nicht an den Außengrenzen der EU enden.

Auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie muss es möglich sein, in verantwortungsbewusster Art und Weise auf die Straße zu gehen und auf die drohende humanitäre Katastrophe in Moria und anderswo aufmerksam zu machen.

Wir werden unser Demonstrationsrecht am Donnerstag, 23. April 2020, 17.00 Uhr wahrnehmen.

Teilnehmende:
Begrüßung: Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt, Vorstandsvorsitzender des RAV
1. Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer, Paritätischer Gesamtverband
2. Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin und Pro Asyl
3. Martina Schwarzer, Seebrücke
4. Markus N. Beeko, Generalsekretär, Amnesty International Deutschland
5. Sabine Will, Ärztin, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)
6. Dietrich Koch, Dipl.-Psych., Xenion. Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
7. Hamid Nowzari, Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
8. Katja Riemann, Schauspielerin
9. Wolfgang Kaleck, Rechtsanwalt, Generalsekretär, European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)
10. Anna Spangenberg, Presseteam im Bündnis #unteilbar
11. Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender, Humanistische Union
12. Tom Jennissen, Komitee für Grundrechte und Demokratie/Bürgerrechte & Polizei/CILIP
13. Luisa Neubauer, Klimaaktivistin, FridaysForFuture
14. Shermin Langhoff, Intendantin, Maxim-Gorki-Theater
15. Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, Vorstandsmitglied im RAV

PM als PDF

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Griechenland Geflüchtetenlager Pressemitteilung Lager
news-699 Tue, 21 Apr 2020 09:11:00 +0200 Berliner Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete JETZT /publikationen/mitteilungen/mitteilung/berliner-landesaufnahmeprogramm-fuer-gefluechtete-jetzt-699 Offener Brief von 44 Organisationen, 21.4.2020 Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Michael Müller,
sehr geehrter Herr Innensenator Andreas Geisel,
sehr geehrte Vorsitzende der Fraktionen von SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus,

47 unbegleitete minderjährige Geflüchtete zwischen 11 und 15 Jahren aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln Samos, Lesbos und Chios sind am Samstag in Deutschland angekommen. Ca. 39.000 Geflüchtete leben dort weiterhin, darunter 13.000 Kinder und Jugendliche, unter menschenunwürdigen Bedingungen und extremem Infektionsrisiko (Covid 19) – die dramatischen Bilder und Berichte sind uns allen längst bekannt.(1) Viele der Geflüchteten sind bereits gesundheitlich geschwächt und psychisch traumatisiert.

Zumindest ein Anfang ist gemacht – das zeigt uns, dass es geht – aber umgehend fortgeführt werden muss. Nach dem Königsteiner Schlüssel entfallen auf Berlin 5 %, d.h. zwei oder drei der 47 Kinder.

Berlin hat sich bereits im Dezember 2019 bereit erklärt, 70 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, und sich offen gezeigt für die Aufnahme weiterer besonders schutzbedürftiger Gruppen wie alleinerziehende Mütter, Familien mit Kindern, chronisch Kranke, traumatisierte und alte Menschen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach hat öffentlich erklärt, umgehend 400 Geflüchtete aufnehmen, unterbringen und versorgen zu können, mit mehr Vorbereitung sogar bis zu 2000.

Zuletzt haben Sie, Herr Geisel, am 14.04.2020 erneut die Aufnahmebereitschaft mit einem Brief an den Bundesinnenminister (BMI) bekräftigt.(2) Hierin fragen Sie  nach der Zustimmung des BMI zu einem Landesaufnahmeprogramm Berlins gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG für die Aufnahme von mindestens 70 Kindern von den griechischen Inseln. Sie weisen darauf hin, dass auch weitere Bundesländer zusätzliche Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen möchten.

Das Berliner Landesaufnahmeprogramm muss jetzt schnell umgesetzt werden!

> Berlin muss mit Nachdruck die umgehende Zustimmung des BMI einfordern.
> Bei einer Zustimmung des BMI muss Berlin vorbereitet sein, um die Aufnahme sofort zu beginnen.
> Bei einer Ablehnung muss Berlin rechtliche Schritte gegen das BMI prüfen.

Der Bundesinnenminister hat bisher einem Landesaufnahmeprogramm die Zustimmung noch nie versagt. Auf die allgemeinen Angebote der Länder für eine Aufnahme aus Griechenland hat er in den letzten Wochen geschwiegen. Auf die Bitte des Innensenators von Berlin, die Zustimmung für eine Berliner Landesaufnahme gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG von 70 Kindern aus griechischen Lagern aufgrund der humanitären Umstände dort zu erteilen, muss das BMI jetzt umgehend reagieren.

Die humanitäre Aufnahme ist allerdings eine souveräne Entscheidung des Bundeslandes Berlin. Sie soll allein aufgrund der unwürdigen Zustände in den griechischen Lagern und der besonderen Schutzbedürftigkeit der aufgenommen Menschen erfolgen. Ein mögliches Asylverfahren, das die Lage in den Herkunftsländern der Geflüchteten prüft, ist hiervon unabhängig.(3)

Die Rechtsgutachten von Redeker, Sellner und Dahs(4) sowie von Heuser(5) kommen zu dem Ergebnis, dass die Länder aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Eigenstaatlichkeit einen großen politischen Entscheidungsspielraum für die humanitäre Landesaufnahme haben. Falls das BMI die Zustimmung versagt, muss das Land Berlin daher rechtliche Schritte gegen den Bund wegen Verletzung seiner Eigenstaatlichkeit einleiten!(6)

Das Programm auf Landesebene muss umgehend konkretisiert und operationalisiert werden. Dies beinhaltet die Vorbereitung einer Aufnahmeanordnung des Landes Berlin nach §23 AufenthG. Notwendig ist auch eine zügige Abstimmung mit den vor Ort aktiven Institutionen und den griechischen Behörden, um eine Auswahl in den Lagern zu ermöglichen.

Landesaufnahmeprogramme sind dafür da, um flexibel und schnell auf humanitäre Notlage zu reagieren. Herr Müller und Herr Geisel, handeln Sie schnell, stellen Sie die Weichen für das Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus Griechenland und holen Sie die Menschen aus dieser Hölle!

Als Zivilgesellschaft sind wir bereit, die Aufnahme zu unterstützen sowohl mit unseren Kontakten zu vor Ort aktiven griechischen zivilgesellschaftlichen Organisationen als auch mit Initiativen in Berlin, um die Integration der Geflüchteten zu begleiten.

In Erwartung einer zeitnahen Antwort verbleiben wir
mit verbindlichen Grüßen

gez. Dr. Sabine Speiser, Willkommen im Westend, sabine.speiser@web.de, http://willkommen-im-westend.de/
gez. Herbert Nebel, Respekt für Griechenland e.V., nebelherbert@t-online.de, http://respekt-für-griechenland.de/
 gez. Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., buero@fluechtlingsrat-berlin.de, https://fluechtlingsrat-berlin.de/
für die unterzeichnenden Organisationen:

AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
Back on Track e.V.
BBZ Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
Be an Angel e.V.
Berlin hilft e.V.
Berliner Forum Griechenlandhilfe e.V.
Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen
Bildungs- und Beratungszentrum Raupe und Schmetterling – Frauen in der Lebensmitte e.V.
borderline-europe – Menschenrechte ohne Gren-zen e.V.
BumF Bundesfachverband unbegleitete minder-jährige Flüchtlinge e.V.
Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.
euqal rights beyond borders
Flüchtlingskirche Berlin
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband  Berlin
Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg KdöR
Institut für Traumapädagogik Berlin
Inter Homines - Empowerment und Therapie mit politisch Verfolgten e.V.
Internationale der Kriegsdienstgegner*innen e.V.
Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
Jesuiten Flüchtlingsdienst
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.
Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.
Kompetenzzentrum Flucht, Trauma und Behinde-rung an der Humboldt-Universität zu Berlin
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.
Moabit hilft
Ökumenisches Zentrum für Umwelt-, Friedens- und Eine-Welt-Arbeit e.V.
Pankow Hilft
Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V.
Pro Asyl
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Respekt für Griechenland e.V.
Schöneberg hilft e.V.
Seebrücke
Solidarity City
Sprungbrett Zukunft Berlin e.V.
Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrech-te
Weltweit in der Kirche Berlin
Willkommen im Westend
Willkommen in Falkensee
XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
Zaki - Bildung und Kultur e.V.
Zentrum ÜBERLEBEN gGmbH - Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen

(1) https://data2.unhcr.org/en/documents/download/75410
(2) https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.919747.php
(3) Heuser, Rechtsgutachten zur Zulässigkeit der Aufnahme von Schutzsuchenden durch die Bundesländer aus EU-Mitgliedstaaten: www.rosalux.de/publikation/id/41787/aufnahme-von-schutzsuchenden-durch-die-bundeslaender
(4) Redeker/Sellner/Dahs, Aufnahme von Flüchtenden aus den Lagern auf den griechischen Inseln durch die deutschen Bundesländer - Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen: www.dropbox.com/s/21wghgyqi2ped69/Länderkompetenzen%20humanitäre%20Aufnahme%20Griechenland.pdf
(5) Heuser, a.a.O.
(6) Beim Berliner Verwaltungsgericht oder/und Bundesverfassungsgericht: Heuser, a.a.O.

Offener Brief als PDF

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Griechenland Geflüchtetenlager
news-696 Wed, 15 Apr 2020 09:53:18 +0200 RAV fordert angesichts der Corona-Krise:<br />Kündigungsschutz muss auf Dauer gestellt werden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-fordert-angesichts-der-corona-krise-kuendigungsschutz-muss-auf-dauer-gestellt-werden-696 Pressemitteilung Nr. 07/20 vom 15.4.2020 Die Bundesregierung hat auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zunächst zügig reagiert und unter anderem eine schnelle Verabschiedung von Schutzvorschriften für Wohnungs- und Gewerbemieter*innen erwirkt. Allerdings konzentriert sich die Diskussion aktuell allein darauf, wie den Vermietern und Vermieterinnen die Mieteinnahmen zu 100 Prozent erhalten werden können. Die Frage nach einer gerechten Verteilung der Lasten der Corona-Krise wird nicht gestellt.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich die neuen Schutzvorschriften bei näherer Betrachtung als unzureichend und ungerecht. Gerade bei Wohnraummieter*innen und Kleingewerbetreibenden werden die Probleme nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

»Eines ist schon jetzt klar: Auf die gesundheitliche Krise wird eine wirtschaftliche Krise folgen, und viele Menschen werden die aktuellen finanziellen Einbrüche später nicht ausgleichen können«, stellt der Berliner Rechtsanwalt Henrik Solf, Mitglied im ›Arbeitskreis Mietrecht‹ im RAV dazu fest.

Die neue Regelung soll nur bis zum 30. Juni 2022, also lediglich zwei Jahre, gelten. Solange sollen Mietrückstände aus der Zeit von April bis Juni 2020 nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden können. Das reicht zum Schutz der Mieter*innen vor dem Verlust der Wohnung oder des Gewerberaumes jedoch nicht aus. Es ist zu befürchten, dass viele Mieter*innen in Kurzarbeit, Kleingewerbetreibende oder Soloselbständige die wirtschaftlichen Folgen der Krise innerhalb von zwei Jahren nicht überwunden haben werden.

»Es ist bereits jetzt absehbar, dass die Betroffenen in dieser Zeit die Rückstände nicht abtragen können. Es bedarf daher eines dauerhaften Kündigungsschutzes«, betont Carola Handwerg, Berliner Anwältin und ebenfalls im ›AK Mietrecht‹ tätig.

Wir fordern daher eine differenzierte Lösung:

Bei allen Gewerbe- und Wohnraummieter*innen sollte die Nachzahlung der Miete binnen zwei Monaten nach Zustellung einer Räumungsklage eine Kündigung heilen können – unabhängig davon, ob sie fristgerecht oder fristlos erklärt wurde. Dieser Schutz muss dauerhaft gelten. Gleichzeitig ist das Sozialrecht zu ändern: Mieter*innen, die aufgrund der Corona-Pandemie wegen Einkommenseinbußen ihre Miete nicht zahlen können, sollten einen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden durch die Sozialleistungsbehörden haben. Derzeit steht die Mietschuldenübernahme lediglich in deren Ermessen. Für Gewerbemieter*innen mit bis zu zehn Beschäftigten muss zudem ein Fonds eingerichtet werden, aus dem etwaige Mietzuschüsse gezahlt werden können.

»Nur so kann verhindert werden, dass Mieter*innen nicht auch noch unter den Spätfolgen der Corona-Krise zu leiden haben«, so Rechtsanwalt Benjamin Raabe vom RAV. »Die krisenbedingten Kosten muss die Allgemeinheit tragen«.

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Kündigungsschutz Corona Mietrecht (doublet)
news-695 Wed, 08 Apr 2020 13:28:53 +0200 Covid-19 in der Türkei: Keine Zeit verlieren!<br />Warum inhaftierte Anwält*innen sofort freigelassen werden müssen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/covid-19-in-der-tuerkei-keine-zeit-verlieren-warum-inhaftierte-anwaelt-innen-sofort-freigelassen-werden-muessen-695 Gemeinsame Pressemitteilung europäischer Jurist*innenvereinigungen, 7.4.20 Die Europäische Vereinigung der Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte (EJDM) und die Europäischen Demokratischen Anwält*innen (AED-EDL) sind europäische Anwaltsorganisationen mit Mitgliedern in über 20 europäischen Ländern, darunter die Türkei. Beide Organisationen beobachten seit vielen Jahren Gerichtsverfahren in der Türkei, insbesondere die Massenprozesse gegen Anwält*innen ihrer zwei Mitgliedsorganisationen ÇHD (Çağdaş Hukukçular Derneği, Progressive Anwaltsorganisation) und ÖHD (Özgürlükçü Hukukçular Derneği, Anwält*innen für Freiheit). Die Stiftung ›Tag des bedrohten Anwalts‹ hat sich zum Ziel gesetzt, die ungehinderte Ausübung des Anwaltsberufs überall auf der Welt zu fördern, die unter repressiven Regierungen Mandate zur Verteidigung oder Unterstützung von Klienten annehmen, deren Menschenrechte auf dem Spiel stehen.

Derzeit sind sieben Anwält*innen des ÇHD in Haft (Selçuk Kozağaçlı, Behiç Aşçı, Engin Gökoğlu, Aytaç Ünsal, Aycan Çiçek, Barkın Timtik, Oya Aslan, Ebru Timtik); Selçuk Kozağaçlı ist der Präsident des ÇHD, ein Menschenrechtsanwalt, der mehrere Menschenrechtspreise erhalten hat, darunter den Hans-Litten-Preis der ›Vereinigung Demokratischer Jurist*innen‹ (VDJ). Weitere drei Anwält*innen gehören der Anwaltsorganisation ÖHD an, Doğukan Ünlü, Halil İbrahim Vargül, Semra Özbingöl Çelik.

Die weltweite Ausbreitung der Covid-19-Epidemie macht nicht vor den Gefängnistoren halt. Im Gegenteil, die Überfüllung der Gefängnisse erhöht das Risiko der Ausbreitung unter den Gefangenen und dem Personal. Die türkische Regierung hat daher zu Recht beschlossen, fast ein Drittel der mehr als 300.000 Gefangenen aus dem Gefängnis zu entlassen oder unter Hausarrest zu stellen. Von dieser Maßnahme sind jedoch diejenigen ausgeschlossen, die beschuldigt werden, eine terroristische Organisation zu unterstützen, ihr anzugehören oder sie anzuführen. Diese Entscheidung betrifft auch Rechtsanwält*innen, die in Ausübung ihrer beruflichen Pflichten angebliche Terror-Unterstützer vor Gericht vertreten haben.

Die Anwält*innen begannen am 3. Februar 2020 einen Hungerstreik aus Protest gegen die langen Gefängnisstrafen, die gegen sie wegen Terrorismusvorwürfen verhängt wurden. Nach dem 30. Tag des Hungerstreiks wurde dieser durch vier Anwält*innen unterbrochen. Durch die weiteren vier inhaftierten Kolleginnen und Kollegen, alle Mitglieder des ÇHD, wird er fortgesetzt (Ebru Timtik, Barkın Timtik, Oya Aslan, Aytaç Ünsal). Sie fordern ein faires Verfahren und Gerechtigkeit für sich selbst und ihre Mandanten. Alle Anwält*innen wurden bei einer Polizeiaktion im September 2018 verhaftet. Zwei der Anwält*innen haben angekündigt, am 5. April, dem ›Tag der Anwält*innen‹ in der Türkei, mit den Hungerstreik notfalls bis zu ihrem Tod fortzufahren.

Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie haben Anwält*innen in aller Welt und Menschenrechtsvertreter internationaler Organisationen wiederholt an alle Regierungen appelliert, Gefangenen so weit wie möglich freizulassen.

Die türkische Regierung sollte Folgendes berücksichtigen

Unter diesen Umständen ist die sofortige Freilassung der inhaftierten Anwält*innen für die Regierung zwingend geboten, wenn sie nicht für schwere Gesundheitsschäden oder gar den Tod der Inhaftierten verantwortlich sein will.

European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH),
Thomas Schmidt (lawyer), Secretary General, Platanenstrasse 13, D-40233 Düsseldorf, Germany
Phone : +49 (211) 444 001, Mobile: +49 (172) 6810888, Email: thomas.schmidt@eldh.eu, Web: www.eldh.eu

Day of the Endangered Lawyer Foundation, Hans Gaasbeek, International coordinator,
Nieuwe Gracht 5a, NL-2011 NB Haarlem, The Netherlands
Phone: +31 (023) 531 86 57, Email: hgaasbeek@gaasbeekengaasbeek.nl, Web: http://dayoftheendangeredlawyer.eu/

European Democratic Lawyers Federation (AED-EDL), Robert Sabata Gripekoven,
Col·legiat 20381 ICAB C/ Provença, 332, 3er, 08037 Barcelona, Spain,
Phone/Fax: +34 (93) 457 83 58, Mòbil: +34 (619) 30 43 77, Email: robertsabata@icab.cat, Web: http://www.aeud.org/

PM als PDF

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Corona Menschenrechte/Türkei (doublet) KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)
news-694 Tue, 07 Apr 2020 10:20:42 +0200 Sächsisches Landessozialgericht erkennt: Covid-19 erfordert höhere Leistungen für alleinstehende und alleinerziehende Geflüchtete /publikationen/mitteilungen/mitteilung/saechsisches-landessozialgericht-erkennt-covid-19-erfordert-hoehere-leistungen-fuer-alleinstehende-und-alleinerziehende-gefluechtete-694 Pressemitteilung Nr. 06/20 vom 8.4.2020 Seit dem 1. September 2019 gelten für Geflüchtete in Deutschland neue Regeln im Existenzsicherungsrecht. Seitdem werden u.a. Grundsicherungsleistungen für Alleinstehende und Alleinerziehende in Sammelunterkünften nur zu 90 Prozent gewährt. Von ihnen könne erwartet werden, dass sie gemeinsam wirtschaften wie Ehepaare, heißt es in der empirisch nicht belegten Begründung zur Gesetzesänderung. Dagegen sind in Deutschland Eil- und Hauptsacheverfahren anhängig. Wegen der erheblichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Menschen in Sammelunterkünften werden zahlreiche weitere Eilanträge vor den Sozialgerichten gestellt.

Durch die Covid-19-Pandemie hat sich die Situation der Bewohner*innen von Sammelunterkünften dramatisch verändert. Sozialarbeiter*innen sind in vielen Sammelunterkünften aufgrund der Pandemie bereits abgezogen worden und/oder machen nur noch Telefonbetreuung. Viele Menschen in den Sammelunterkünften bleiben in ihren Zimmern. Ein gemeinsames Leben kann und soll auch nicht stattfinden. Dennoch ist die Gefahr für eine Ausbreitung der Pandemie in Sammelunterkünften weiterhin groß. Auch deshalb fordert u.a. pro asyl die Auflösung der Sammelunterkünfte und dezentrale Unterbringung der Geflüchteten (https://www.proasyl.de/news/covid-19-und-fluechtlingspolitik-was-deutschland-jetzt-machen-muss/).
Diesen Forderungen schließt sich der RAV an und fordert zudem das Ende jeglicher migrationspolitisch begründeter Sonderverfahren im Sozialrecht.

RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo betont, »es muss endlich Schluss gemacht werden mit den Sonderverfahren im Sozialrecht. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar«.

»Bis zur Auflösung der Lager können und dürfen nun erst recht nicht angebliche Einspareffekte eine Kürzung der Regelleistung für Alleinstehende und Alleinerziehende begründen«, so der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der einige der Antragstellenden rechtlich vertritt. »Ziel weiterer Verfahren ist die Gewährung voller Regelleistungen. Es geht monatlich um bis zu 42 Euro bei den Ärmsten unserer Gesellschaft«, so RAV-Mitglied Adam weiter.

»Wenn die Sozialleistungsträger die Leistungen für Geflüchtete in Sammelunterkünften nicht selbstständig kurzfristig anheben, müssen die Sozialministerien der Länder dies vorgeben. Wenn auch dies nicht erfolgt, ist die Sozialgerichtsbarkeit gefragt. Das Sächsische Landessozialgericht hat insoweit mit Beschluss vom 23. März 2020 Handlungswillen gezeigt« erläutert RAV-Mitglied Rechtsanwalt Raik Höfler aus Leipzig, der den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts erstritten hat.

»Die Folgen einer Pandemie dürfen sich nicht am Status von Menschen ausrichten. Daher ist mindestens die Aufnahme der Sozialschutz-Regelungen in das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) notwendig. Es verbietet sich, einzelne Regelungen zur Existenzsicherung von den Sozialschutz-Regelungen auszunehmen«, so der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff für die ›AG Sozialrecht‹ im DAV.

RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo ergänzt: »Dass das ›Sozialschutz-Paket‹ (BT-Drucksache 19/18107, https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/181/1918107.pdf) vom März 2020 anlässlich der Corona-Krise keinerlei Verweis auf das Asylbewerberleistungsgesetz enthält, ist ein menschenrechtlich fatales Signal der Bundesregierung«.

Der Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23.03.2020 zu dem Az.: L 8 AY 4/20 B ER findet sich HIER

Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle: 030.41 72 35 55 | kontakt@rav.de

Hintergrund:
Am 21.08.2019 ist das sog. ›Geordnete-Rückkehr-Gesetz‹ und am 01.09.2019 das ›Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes‹ in Kraft getreten. Beide Gesetze enthalten massive Leistungskürzungen insbesondere für Alleinstehende und Alleinerziehende in den Gemeinschaftsunterkünften.
Mit der Neuregelung im Asylbewerberleistungsgesetz wurden zwar endlich die Bedarfssätze angepasst (nachdem die letzte Erhöhung 2016 erfolgt ist und eine Fortschreibung durch die Behörden trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht durchgeführt wurde). Allerdings hat der Gesetzgeber eine neue Bedarfsstufe für Alleinstehende eingeführt, die noch nicht in einer eigenen Wohnung wohnen. Sie erhalten zukünftig genauso viel wie Ehegatten und damit nur etwa 90 Prozent der vollen Leistungen.
Laut dem Gesetzeszweck soll »der besonderen Bedarfslage von Leistungsberechtigten in Sammelunterkünften« Rechnung getragen werden. Es sei davon auszugehen, so der Gesetzgeber, dass eine Gemeinschaftsunterbringung für die Bewohnerinnen und Bewohner solcher Unterkünfte Einspareffekte zur Folge hat, die denen in Paarhaushalten im Ergebnis vergleichbar seien.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) wird sich in den nächsten Tagen ebenfalls zur Lage von Geflüchteten in Sammelunterkünften aus migrations- und sozialrechtlicher Perspektive äußern. Wir bitten um Beachtung.

Diese Regelung wird von diversen deutschen Sozialgerichten in Eilverfahren bereits ohne die Auswirkungen des Covid-19-Virus für verfassungswidrig gehalten (vgl.: SG Landshut, Beschlüsse v. 24.10.2019 – S 11 AY 64/19 ER und v. 28.01.2020 – S 11 AY 3/20 ER; SG Hannover, Beschluss v. 20.12.2019 – S 53 AY 107/19 ER; SG Leipzig, Beschluss v. 08.01.2020 – S 10 AY 40/19; SG Darmstadt, Beschluss v. 14.01.2020 – S 17 SO 191/19 ER; SG Frankfurt/Main, Beschluss v. 14.01.2020 – S 30 AY 26/19 ER; SG Freiburg, Beschluss v. 20.01.2020 – S 7 AY 5235/19 ER; SG Frankfurt/Main, Beschluss v. 14.01.2020 – S 30 AY 26/19 ER; SG Leipzig, Beschluss v. 08.01.2020 – S 10 AY 40/19; SG Dresden, Beschluss v. 04.02.2020 – S 20 AY 86/19 ER; SG München, richterlicher Hinweis v. 31.01.2020 – S 42 AY 4/20 ER und Beschluss v. 10.02.2020 – S 42 AY 82/19 ER; LSG Sachsen, Beschluss v. 23.03.2020 – L 8 AY 4/20 B ER).

PM als PDF

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Sozialrecht Corona Migration & Asyl (doublet) Pressemitteilung
news-693 Fri, 03 Apr 2020 14:18:39 +0200 Durch die Corona-Krise gibt es deutlich mehr häusliche Gewalt – Hilfestellung in akuten Fällen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/durch-die-corona-krise-gibt-es-deutlich-mehr-haeusliche-gewalt-hilfestellung-in-akuten-faellen-693 Merkblatt für Betroffene und Unterstützer*innen, 3.4.2020 Allerorts hören wir, dass es zu deutlich mehr häuslicher Gewalt kommt: Durch Ausgangseinschränkungen und Arbeit im Homeoffice sind sehr viele Menschen plötzlich auf beengtem Raum zu Hause; viele davon sind in großer, existenzieller Sorge. Nöte und Isolation steigern den Stress zu Hause und führen häufig zu vermehrten Aggressionen. Solche Entwicklungen wurden bereits aus China, Frankreich, Spanien und Italien berichtet, wo es während der #Corona-Isolation dreimal so viele Fälle von häuslicher Gewalt gab. Auch in Deutschland gibt es erste Hinweise auf vermehrte häusliche Gewalt.

Eines der großen Probleme ist, dass die Betroffenen kaum an Unterstützung und Hilfe kommen, sei es durch Beratungsstellen oder auch durch Rechtsanwält*innen. Sie sind häufig rund um die Uhr mit dem Täter oder Täterin zusammen, können permanent kontrolliert werden und können nicht einmal ungestört telefonieren oder schreiben.

Wir sind Rechtsanwältinnen, die häufig Mandant*innen in Fällen häuslicher Gewalt vertreten und haben hier einmal in Kürze einige wichtige Anlaufstellen und Möglichkeiten aufgeschrieben, die wir für wichtig halten.

Die folgende Übersicht soll eine erste Hilfestellung in akuten Fällen von häuslicher Gewalt und Gewalt im sozialen Nahraum für Betroffene sein sowie Angehörigen und Nachbar*innen von Betroffenen wichtige Informationen zur Unterstützung liefern.

Es gibt im Netz bereits sehr hilfreiche ausführliche Informationen in verschiedenen Sprachen u.a. bei

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/
https://www.hilfetelefon.de/
https://www.big-berlin.info/
https://beauftragter-missbrauch.de/hilfe/hilfetelefon

Hier soll nur kurz auf die wichtigsten sofortigen Möglichkeiten im Fall akuter Gewalt im sozialen Nahraum hingewiesen werden. Die Übersicht ersetzt keine anwaltliche Beratung und ist keineswegs abschließend.

Wichtig: Die meisten Beratungsstellen sind weiterhin per Telefon oder E-Mail zu erreichen. Auch Rechtsanwält*innen arbeiten weiter und können meist telefonisch und/oder per E-Mail kontaktiert werden. Die Familiengerichte und Strafgerichte arbeiten zwar sehr eingeschränkt, Eilanträge werden aber zu jeder Zeit bearbeitet und können entweder persönlich oder über Rechtsanwält*innen gestellt werden.

Für Betroffene ohne finanzielle Möglichkeiten gibt es die Möglichkeit, Beratungshilfe beim Amtsgericht des Wohnortes zu bekommen. Da die Amtsgerichte derzeit aber meist nur schriftliche Anträge annehmen, dauert dies häufig lange. Wir gehen davon aus, dass die meisten auf häusliche Gewalt spezialisierten Rechtsanwält*innen wegen der Frage der Bezahlung der Beratung eine Lösung mit den Betroffenen finden werden; es ist also sinnvoll nachzufragen, auch wenn gerade kein Geld gezahlt werden kann.

Erste Hilfe bei häuslicher Gewalt

Wird eine Frau Opfer von häuslicher Gewalt, weiß sie oft nicht, an wen sie sich wenden kann.

Diese Problematik wird sich in den nächsten Wochen während der Corona-Krise noch weiter verschärfen, da auch erste Zufluchtsorte innerhalb des Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis wegfallen werden.

1. Unterstützung durch die Polizei: Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot, Erstattung einer Strafanzeige

Auch wenn es vielen Betroffenen schwerfällt: Es ist wichtig und sinnvoll, sich an die Polizei zu wenden. Die Polizei kann den gewalttätigen Partner der Wohnung verweisen und ein Rückkehrverbot aussprechen und so die drohende Gewalt oder ihre wiederholte Anwendung verhindern.

Wichtig: Die sog. polizeilichen Wegweisungen, also die Auflage für den Täter, erst einmal nicht in die Wohnung zurückkehren zu dürfen, sind stets zeitlich befristet (je nach regionalem Polizeigesetz ca. 10 Tage bis 2 Wochen). Insofern muss nach der ersten Wohnungszuweisung rasch darüber nachgedacht werden, wie es weitergehen kann. Ist es sicher, wenn der Täter zurückkehrt oder sollte die Betroffene weiterhin allein in der Wohnung sein? Wenn sie weiterhin nicht mit dem Täter zusammenleben kann, dann muss dringend eingeschätzt werden, ob die Wohnung sicher genug ist oder sie deshalb, weil der Täter weiß, wo sie wohnt, unsicher ist. Wenn sie sicher genug ist, dann müssen weitere Anträge bei dem zuständigen Familiengerichtgestellt werden. Wenn die Gefährdung zu groß ist, muss ein anderer Zufluchtsort gefunden werden. https://www.frauenhauskoordinierung.de/hilfe-bei-gewalt/frauenhaussuche/.

Wenn die Polizei eingeschaltet wird, erstattet diese von Amts wegen, also selbständig, Strafanzeige, oder die Betroffene stellt selbst eine Strafanzeige. Dies ist in den meisten Fällen auch für die familiengerichtlichen Verfahren sinnvoll, denn dann werden die Angaben der Betroffenen ernster genommen, als wenn es keine Strafanzeigen gibt. Meist wird die betroffene Person zunächst kurz befragt und dann später zu einer Vernehmung geladen oder aufgefordert, schriftlich den Sachverhalt zu schildern.

Wichtig: Bei vielen Delikten, wie etwa Körperverletzung, ist es neben der Anzeige auch noch erforderlich, einen Strafantrag innerhalb von drei Monaten zu stellen. Das geht nur schriftlich. Meist wird die Polizei deshalb noch einmal genau nachfragen – zurzeit kommt es aber womöglich zu Verzögerungen, weshalb es gut wäre, selbst noch einmal bei der Polizeidienststelle nachzufragen. Die Betroffene erhält bei Anzeigenerstattung ein Papier mit der Vorgangsnummer und der Nummer der Polizeidienststelle.

Über den Ablauf des Verfahrens, mögliche Aussageverweigerungsrechte etc. sollte sich die Betroffene dringend rechtlich bei einer Beratungsstelle oder einer Rechtsanwält*in informiere

2. Unterstützung durch Gerichte

a) Gewaltschutzverfahren

Effektiven Schutz gegen die Gewalt bietet das Gewaltschutzgesetz. Nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) kann das Familiengericht Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt oder Nachstellung treffen. Die Betroffenen können beim Familiengericht beispielsweise ein Näherungsverbot und die Zuweisung der Ehewohnung erwirken. Ein Näherungsverbot kann etwa bedeuten, dass sich der Täter der Betroffenen nicht mehr als 50 m nähern darf, nicht bei der Wohnung, nicht bei der Arbeitsstelle etc. erscheinen darf, nicht mehr anrufen oder texten darf. Der Gewaltschutzantrag kann ohne anwaltlichen Beistand direkt bei der Rechtsantragsstelle vom Familiengericht gestellt werden.

Unserer Kenntnis nach haben die Rechtsantragstellen auch überall geöffnet, es bietet sich aber an, dort vorher anzurufen.

Es ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Tat begangen wurde oder wo die letzte gemeinsame Wohnung der Verfahrensbeteiligten lag oder wo der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat. Die Adressen des zuständigen Familiengerichts lassen sich im Internet herausfinden. Das zuständige Gericht kann etwa bei Google unter den Stichworten: xxxstraße Familiengericht gefunden werden. Wenn die Adresse der Betroffenen gegenüber dem Täter geheim bleiben soll, ist es sinnvoll, diese nicht anzugeben. Dann muss entweder eine Adresse angegeben werden, an die die Post zugestellt werden kann, oder es muss eine Rechtsanwältin beauftragt werden, die zustellungsbefugt ist. Die Frauenhäuser sind sehr gut über die Möglichkeiten der Geheimhaltung informiert; schwierig ist es, wenn Betroffene privat Unterschlupf finden. Dann muss häufig besonders auf die Geheimhaltung hingewiesen werden.

Ein Überblick über die Schutzanträge und die Möglichkeit des Downloads der Anträge gibt es auf der Internetseite von BIG e.V.: https://www.big-berlin.info/medien/schutzantraege.

b) Sonstige familiengerichtliche Verfahren

Wohnungszuweisung

Neben der Wohnungszuweisung nach dem Gewaltschutzgesetz bestehen rechtlich auch noch andere Möglichkeiten, die Wohnung zugewiesen zu bekommen. Bei häuslicher Gewalt sind die Voraussetzungen für die Wohnungszuweisung in aller Regel auch nach der Regelung des § 1361 b BGB erfüllt.

Sorgerecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgangsrecht

Bei Trennung nach Gewalt mit gemeinsamen Kindern werden immer sehr rasch Fragen wie Aufenthaltsbestimmungsrecht, also das Entscheidungsrecht, wo sich die Kinder aufhalten, Sorgerecht, Umgangsrecht etc. wichtig. Gerade die Frage, ob und wie der andere Elternteil Umgang ausüben kann, ist wichtig, da die Gerichte grundsätzlich davon ausgehen, dass der Umgang mit beiden Elternteilen für die Kinder wichtig ist.

Es können deshalb Eilanträge bei den Familiengerichten gestellt werden, die oft noch am gleichen Tag entschieden werden. In diesen Fällen ist eine vorherige Beratung bei einer Beratungsstelle oder einer Rechtsanwält*in sinnvoll. In sogenannten Kinderschutzfällen können auch die Jugendämter Eilanträge stellen, wenn die Besorgnis besteht, dass das Kindeswohl in Gefahr ist.

Unseres Wissens nach werden Eilverfahren, die Kinder betreffen, auch zurzeit rasch bearbeitet.

Ob und inwiefern gerade Lösungen wie etwa begleiteter Umgang gefunden werden können, scheint regional sehr unterschiedlich zu sein. An vielen Orten wird gar kein begleiteter Umgang mehr durchgeführt oder angebahnt.

Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt

Trennen sich die Eltern von Kindern und werden die Kinder hauptsächlich von einem Elternteil betreut, steht dem betreuenden Elternteil Kindesunterhalt zu. Das andere Elternteil muss dem betreuenden Elternteil Barunterhalt zahlen. Die Höhe des Kindesunterhalts ist einkommensabhängig und bestimmt sich nach der sog. Düsseldorfer Tabelle. Die aktuelle Tabelle kann z.B. unter https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/ mit Erläuterungen abgerufen werden. Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht in der Lage ist, zu zahlen oder noch nicht zahlt, sollte zunächst ein Antrag auf Unterhaltsvorschuss bei dem zuständigen Jugendamt gestellt werden. In diesen Fällen zahlt die Unterhaltsvorschusskasse erst einmal einen Teil des Unterhalts. Anträge können meist auf den örtlichen Behördenseiten abgerufen werden, in Berlin etwa unter https://www.berlin.de/sen/jugend/familie-und-kinder/finanzielle-leistungen/unterhaltsvorschuss/.

Auch der getrenntlebende Ehegatte hat Anspruch auf Zahlungen von Ehegattenunterhalt. Diesen exakt zu berechnen, ist nicht einfach. Das muss meist durch eine Rechtsanwält*in geschehen. Zurzeit werden viele Betroffene wahrscheinlich zur Überbrückung erst einmal Anträge bei dem zuständigen Jobcenter oder Sozialamt auf Grundsicherung stellen müssen. https://www.arbeitsagentur.de/datei/antrag-algii_ba015207.pdf. Da das Jobcenter, sobald es Geld auszahlt, prüfen muss, ob der getrenntlebende Ehegatte eigentlich Unterhalt zahlen müsste, schreiben sie ihn an und fordern ihn auf, sein Einkommen nachzuweisen. Deshalb ist es sehr wichtig, darauf zu achten, dass das Jobcenter die (geheime) Adresse nicht aus Versehen preisgibt.

Wichtig: Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung nur dann rückwirkend, wenn derjenige, der den Unterhalt zahlen muss, zur Zahlung von Unterhalt wirksam und nachweisbar aufgefordert wurde. Also sollte vorsorglich der Ehegatte immer zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert werden, und das sollte man etwa durch ein Einschreiben beweisen können.

3. Unterstützung durch Frauenhäuser: Unterkunft und Beratung

Von Gewalt betroffene Frauen, die nicht in ihrer Wohnung bleiben können oder wollen, finden zu jeder Tages- und Nachtzeit Schutz in Frauenhäusern. Hier erhalten sie und ihre Kinder eine Unterkunft sowie Beratung und psychosoziale Unterstützung. Eine Einschränkung gilt nur für ältere Söhne, die z.T. nicht mit ihren Müttern im Frauenhaus wohnen können.

Die Adressen von Frauenhäusern sind nicht öffentlich, um umfassenden Schutz vor Gewalt zu gewährleisten. Der Erstkontakt kann telefonisch oder über die Polizei oder Frauenberatungsstellen und Hilfetelefone hergestellt werden.

Informationen sowie eine deutschlandweite Frauenhaussuche finden sich unter:
https://www.frauenhauskoordinierung.de/themenportal/hilfesystem/frauenhaeuser/.

Hilfetelefon:
https://www.hilfetelefon.de/.

Das Hilfetelefon arbeitet mit Dolmetscher*innen zusammen, die zum Gespräch dazugeschaltet werden können, wenn die Betroffenen der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

Big-Hotline:
https://www.big-berlin.info/.

In Berlin gibt es die Möglichkeit, über die BIG-Hotline zwischen 8:00 Uhr und 23:00 Uhr weitere Informationen zu freien Frauenhausplätzen in Berlin zu erhalten. Auch die BIG-Hotline hat die Möglichkeit der Sprachmittlung bei Sprachbarrieren.

Informationen über regionale Frauenberatungsstellen finden Sie beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe unter:
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html.

4. Unterstützung durch Rechtsanwält*innen

Es ist meist sinnvoll, sich eine*n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin vor Ort zu suchen. Auf häusliche Gewalt spezialisierte Rechtsanwält*innen haben meist den Schwerpunkt im Familienrecht und/oder Strafrecht. Sie können entweder bei den örtlichen Rechtsanwaltskammern oder im Internet gefunden werden.

Asha Hedayati, Rechtsanwältin, https://www.kanzlei-hedayati-berlin.de/
Christina Clemm, Rechtsanwältin, http://www.anwaeltinnen-kreuzberg.de/

Berlin, 3. April 2020

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Corona Häusliche Gewalt
news-692 Fri, 27 Mar 2020 07:27:43 +0100 Keine Strafverfolgung der Geflüchteten ›EL HIBLU 3‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-strafverfolgung-der-gefluechteten-el-hiblu-3-692 Pressemitteilung 5/20 vom 27.3.2020 Malta muss europäisches und internationales Recht beachten und anwenden

In der Nacht vom 25. auf den 26. März 2019 verließ ein Gummiboot Libyen mit etwa 114 Personen an Bord, darunter 20 Frauen und mindestens 15 Kinder. Es geriet in schwere Seenot und wurde von dem Öltanker El Hiblu 1 gerettet. Als die betroffenen Menschen bemerkten, dass sie zurück nach Libyen verfrachtet werden, begannen Szenen der Verzweiflung und Panik. Sie machten deutlich, dass dies für sie den Tod bedeuten würde. Nach von Amnesty International gesammelten Informationen haben die Geretteten zu keinem Zeitpunkt gewaltsame Aktivitäten gegen den Kapitän oder Crewmitglieder unternommen. Die verantwortlichen Besatzungsmitglieder der El Hiblu 1 beschlossen, das Schiff in Richtung Malta zu steuern. Das maltesische Militär eskortierte das Schiff nach Malta, wo die Passagiere am 28. März 2019 von Bord gingen.

Drei der geretteten Menschen – zwei Minderjährige (damals 15 und 16 Jahre alt) sowie ein 19-Jähriger – wurden sofort verhaftet und anschließend für acht Monate inhaftiert. Sie wurden Ende November 2019 gegen Kaution freigelassen und sind unter dem Namen ›El Hiblu 3‹ bekannt.

Die maltesischen Behörden ermitteln gegen sie wegen einer Reihe schwerer Vergehen, darunter der Vorwurf des Terrorismus und der Piraterie. Einige dieser Straftaten können mit lebenslanger Haftstrafe geahndet werden. Die formelle Anklage gegen die Jugendlichen ist noch nicht erhoben.

»Bereits jetzt ist zu beobachten, dass etliche europäische und internationale Rechtsordnungen nicht beachtet werden«, so die Berliner Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo. »Daher ruft der RAV die maltesischen Behörden auf, europäisches und internationales Recht bei der Entscheidung über die Strafverfolgung ohne jede Einschränkung zu beachten und anzuwenden«.

Hintergrund

Libyen – willkürliche Tötungen und Inhaftierungen, Folter und unmenschliche Haftbedingungen und unvorstellbar grausame Bedingungen in Flüchtlingslagern. Alarmierende Raten von Unterernährung, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Gruppenvergewaltigung, Sklaverei, Zwangsarbeit und Erpressung werden übereinstimmend durch Berichte europäischer Stellen und der Vereinten Nationen dokumentiert. Diejenigen Menschen, die bei einem Fluchtversuch auf dem Seeweg aufgegriffen und zurück nach Libyen gebracht werden, werden direkt wieder in das Muster der Verletzungen und Misshandlungen zurückgeführt, dem sie entkommen waren.

Es besteht internationale Einigkeit darüber, dass Libyen keinen ›sicheren Ort‹ (place of safety) im Sinne internationaler und europäischer Rechtsordnungen darstellt. Menschen, welche aus Seenot gerettet wurden, müssen jedoch sowohl durch die die Rettung koordinierenden staatlichen Stellen als auch durch die die Rettung durchführenden Schiffe an einen Ort gebracht werden, welcher für sie als ›sicherer Ort‹ gilt.

Darüber hinaus sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention (Prinzip des Non-Refoulement) und die Europäische Menschenrechtskonvention einhalten: der Schutz vor Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ist ein absolutes Recht, welches unter keinen Umständen einschränkbar ist. Hierzu gehört auch, sich nicht zum Mittäter zu machen, indem Menschenrechtsverletzungen durch Verbringung von Menschen in die Herrschaftssphäre Libyens erst ermöglicht werden.

Trotzdem werden Geflüchtete, welche diese Menschenrechtsverletzungen in Libyen überlebt haben und geflüchtet sind, immer wieder durch rechtswidrige Kooperationen mit Libyen und Anweisungen europäischer Stellen an die Crew von Rettungsschiffen, in diese Hölle der libyschen Flüchtlingslager zurücktransportiert, wenn sie bei ihrer Flucht über das Meer in Seenot geraten und durch hinzueilende Schiffe gerettet werden können.

Der RAV fordert die Bundesregierung auf, sich bei den maltesischen Behörden und der Justiz dafür einzusetzen, dass

Wir empfehlen nachdrücklich die Einrichtung einer unabhängigen Prozessbeobachtung bezüglich des Strafverfahrens gegen die ›El Hiblu 3‹. Wir rufen die demokratische Gesellschaft auf, den Prozess gegen diese Jugendlichen zu beobachten und sich für ihre Zukunft in Freiheit einzusetzen.

Weitere Informationen zur Kampagne für die Freiheit der ›El Hiblu 3‹:

elhiblu3.info
free-elhiblu3.info

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Pressemitteilung
news-691 Fri, 20 Mar 2020 13:50:34 +0100 Zwangsräumungen von Wohn- und Geschäftsräumen aussetzen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zwangsraeumungen-von-wohn-und-geschaeftsraeumen-aussetzen-691 Pressemitteilung AK-Mietrecht im RAV, Nr. 4/20 vom 20.3.20 AK Mietrecht im RAV appelliert an Gerichtsvollzieher*innen, Amtsrichter*innen und Vermieter*innen

Der Arbeitskreis Mietrecht im RAV fordert neben den Vermieter*innen auch alle Gerichtsvollzieher*innen auf, angesichts der aktuellen Situation auf Zwangsräumungen von Wohnungen und Geschäftsräumen zu verzichten.

Gerichtsvollzieher*innen handeln bei den ihnen zugewiesenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gem. § 1 der Gerichtsvollzieherverordnungen selbstständig und unterliegen hierbei zwar der Aufsicht, aber nicht der unmittelbaren Leitung des Gerichts. Auch die Dienstvorgesetzten der Gerichtsvollzieher*innen, die aufsichtführendem Richter*innen der Amtsgerichte sind unabhängig von Weisungen aus der Politik – seien es die Regierung oder die Parlamente.

Dennoch haben Gerichtsvollzieher*innen und Richter*innen Beurteilungsspielraum, wie sie mit

Letztendlich gilt der Appell aber den Auftraggeber*innen der Zwangsräumungen, den Vermieter*innen. »Nehmen Sie laufende Aufträge zur Zwangsräumungen zurück und stellen Sie keine neuen Aufträge«, so der AK Mietrecht im RAV.

Wohnen ist Menschenrecht!

Zwangsräumungen sind damit generell nicht vereinbar. In der jetzigen Krise sind sie die hässlichste Seite der profitorientierten Wohnungswirtschaft.

Kontakt:

RA'in Carola Handwerg, Tel. 030-47 05 51 83
RA Benjamin Raabe, Tel. 030-780 96 66 20

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Mietrecht (doublet)
news-690 Fri, 20 Mar 2020 13:14:06 +0100 Keine Kündigungen in der Corona-Krise! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-kuendigungen-in-der-corona-krise-690 Pressemitteilung Nr. 3/20 vom 20.3.20 In Folge der Corona-Krise verlieren derzeit viele Menschen ihre Arbeit und damit ihr Einkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie ihre Mieten nicht mehr zahlen können. Es drohen massenhaft Kündigungen von Mietverhältnissen und der Verlust von Wohnraum.

Das muss verhindert werden!

Daher ist es nötig, den Kündigungsschutz für diese Fälle zu verbessern und Menschen vor einer Zwangsräumung zu schützen.

  1. Kündigung wegen Zahlungsverzug

Nach aktueller Rechtslage verlieren Mieter*innen ihre Wohnung, wenn sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Eine Nachzahlung der Rückstände (Schonfristzahlung) kann zwar eine fristlose Kündigung heilen, die gleichzeitige fristgerechte Kündigung wird aber hierdurch nicht abgewendet. Zudem übernehmen die Sozialleistungsbehörden die Mietrückstände nur dann, wenn die Vermietenden im Falle der Nachzahlung ausdrücklich auf die Rechte aus der Kündigung verzichten. Diese Erklärung wurde in der Vergangenheit in vielen Fällen nicht abgegeben, so dass die Mieter*innen ihre Wohnung verloren haben. Damit laufen die Schutzsysteme letztlich leer. Dies wird noch dadurch verschärft, dass für eine ordentliche Kündigung schon Mietrückstände von wenig mehr als einer Monatsmiete reichen und auch eine nicht gezahlte Mieterhöhung selbst dann zur Kündigung führen kann, wenn sich die Vertragsparteien noch darüber streiten.

Wir fordern daher:

»Zugleich müssen die Sozialleistungsbehörden verpflichtet werden, im Falle der Bedürftigkeit Mietrückstände zur Vermeidung von Obdachlosigkeit immer zu übernehmen. Derzeit steht dies noch im Ermessen von Jobcentern und Grundsicherungsämtern«, so Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Henrik Solf.

Die Ermessensvorschriften in § 22 SGB II und § 36 SGB XII sind insofern abzuändern. Es muss ein Anspruch auf Übernahme der Zahlungsrückstände normiert werden.

  1. Zwangsräumung

Gleichzeitig ist es wichtig, Menschen vor drohender Obdachlosigkeit zu schützen.

Die Länder sollten ihre Polizeigesetze so ändern, dass die Ordnungsbehörden Menschen in akuten Fällen in die Wohnung (wieder-)einweisen können, die aufgrund eines Räumungsurteils von Zwangsräumung und Obdachlosigkeit bedroht sind.

»Außerdem sollten Räumungen während der Corona-Krise schlicht untersagt werden. Nehmen wir uns ein Beispiel an unserem Nachbarland: In Frankreich gilt seit langem ein Verbot einer Zwangsräumung in den Wintermonaten, um Mieterinnen und Mieter vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen«, so Rechtsanwalt Benjamin Raabe vom AK Mietrecht im RAV.

Kontakt:
RA'in Carola Handwerg, Tel. 030-47 05 51 83
RA Benjamin Raabe, Tel. 030-780 96 66 20

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Mietrecht (doublet)
news-689 Fri, 20 Mar 2020 12:07:47 +0100 COVID-19: in view of the seriousness of the health risk and the specific dangers posed by the pandemic in prisons, international organisations must take immediate action. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/covid-19-in-view-of-the-seriousness-of-the-health-risk-and-the-specific-dangers-posed-by-the-pandemic-in-prisons-international-organisations-must-take-immediate-action-689 Appeal by European NGOs involved in the field of prison health and in the defence of the right to health protection for prisoners COVID-19: in view of the seriousness of the health risk and the specific dangers posed by the pandemic in prisons, international organisations must take immediate action. 

The signatory organisations, which are involved on a daily basis in the protection of the right to health of prisoners, are alarmed at the unpreparedness of penitentiary administrations to deal with the spread of the coronavirus on the continent and, in most countries, the lack of consideration of the specific situation of prisons in national preparedness plans and systems for dealing with public health incidents. They recall that more than 1.5 million people are detained in prison facilities on the continent on any given day and that under international treaties, States are obliged to take the necessary measures to protect the life and health of those they detain.

The deficiencies observed pose a threat not only to prisoners and staff working in the institutions but also to the general population(1). Prisons are generally considered to be amplifiers in the spread of infectious disease(2).

Although levels of exposure to the health crisis vary greatly from one country to another, due to the great disparities in the characteristics of prison systems and the performance of national hospital systems, it appears that, overall, the prison issue is too largely ignored at European level, even though prisons are places with a high risk of transmission. Moreover, some states are tempted to adopt measures to isolate detainees from the rest of the population, in disregard of the rights of detainees and their relatives, and at the risk of preventing the population's adherence to health instructions given by authorities. 

Consequently, taking amount of the risk factors in the prison context, the signatory NGOs intend to alert the international organisations concerned, first and foremost WHO and the Council of Europe, to the serious shortcomings observed on the ground and urge them to put pressure on governments to take special health measures and reduce significantly the prison population as soon as possible.

Once again, the national contexts are highly contrasted and the picture drawn below should not be interpreted as reflecting a uniform situation. However, in view of the urgency of the situation, it is intended to underline the seriousness of the consequences that would result from failure to manage the coronavirus disease outbreak in prison and the imperative need for international organizations to act immediately to redirect national policies in this area.

1. Prisons represent high-risk environments for the transmission of infectious diseases

1.1 Conditions of occupancy and organization of prison facilities. Prisoners are permanently in a situation of great promiscuity, whether in cells, production workshops, yards, etc. All aspects of prison life involve the movement of prisoners in groups, in more or less large numbers. The facilities are often poorly ventilated. In many European states, this situation is aggravated by regional or national situations of prison overcrowding(3). From this point of view, the risks of spreading of the virus in the prison systems of post-soviet countries are particularly significant: i.) the prison population there is particularly large; ii.) remand prisons are often overcrowded and organised in collective cells, while correctional institutions are mostly organised in barracks housing 80-150 convicts, if not more; iii. ) once convicted, prisoners are transported for weeks or even months to their assigned correctional institutions; these transports take place in appalling hygienic conditions and involve repeated stops along the route.

1.2 A population at high risk of communicable disease and facing serious risk factor for coronavirus severity. In particular, the notification rates of tuberculosis in European prisons are up to 30 times higher than in the general population(4). Several countries in Europe, especially in Eastern Europe report HIV prevalence among prisoners at rates greater than 10 %(5).  Prison populations in Europe are aging at an unprecedented rate(6).

1.2 A frequently failing medical system. Although the level of development of prison medicine varies greatly, the organisation of care in prisons is never designed to deal with a crisis situation. Even more critically, especially in Eastern Europe, services are very often under-equipped, understaffed and unable to cope adequately with the ordinary burden of common diseases. Moreover, they generally suffer from a very poor linkage with the general health system, leading to significant delays. Almost everywhere, the unavailability of escorts is a recurrent problem for the transfer of patients to the hospital.

2. WHO guidance against COVID-19 spread are hardly implemented in prison.

WHO has provided States with guidance for public health measures that can slow the transmission and spread of COVID-19(7). Accordingly, many States have taken measures to prohibit gatherings, to close down most public places and impose quarantine on the population to ensure social distance. However, although all countries are not on an equal footing in this respect, most measures recommended by the WHO are not, for the most part, implemented in prisons(8).

2.1 The reduction of prisoners' contact with their relatives: mostly adopted response by prison administrations. Domestic authorities have generally limited themselves to providing information about the virus and drastically limiting prisoners' contact with the outside world(9). Some, like France, have suppressed collective activities within the prisons. However, these measures do not appear to be of such a nature as to adequately prevent the risks of contamination, which may be caused by new entrants, extractions of prisoners to the courts, staff working in the prison, etc. These measures can have perverse effects: prisons are particularly vulnerable to fake information/myths that may circulate by word-of-mouth or online. The increasing isolation of the prison environment accentuates the impact of rumours(10).

2.2 The maintenance of recurrent situations of regrouping of people: a favourable environment for the spreading of the virus. At present, detainees are generally still faced with multiple and routine gathering situations, for roll call, work, showers, etc.. Prison staff are in daily contact with a large number of detainees, conduct body and cell searches. 

2.3 Failure to implement the required prevention interventions. From this point of view also, authorities do not seem to consider the risks of internal propagation within the prison. Detainees are frequently not in a position to observe hand hygiene instructions(11). Masks for symptomatic individuals or health staff are not available(12). Environmental cleaning is done under usual conditions.

3.  COVID-19 case management

The laconism of the prison preparedness and response plans disseminated, or even the absence of any public information on the subject, indicates that prison medical services have not, at this stage, been prepared for an influx of COVID-19 cases. In view of the serious failures of the services concerned in the management of common pathologies in ordinary times, the lack of preparedness suggests an improvised and therefore potentially chaotic management of COVID-19 cases.

3.1 Intervention protocol and articulation with civil medicine. In most of the countries, no information was available on the intervention protocols defining the division of roles between prison medicine and civil medicine.

3.2 Capacities of penitentiary medical facilities. Apart from exceptions(13), the available information does not show any reinforcement of the medical units in terms of personnel and equipment, particularly respiratory equipment. It does not appear that guidance to health providers for COVID-19 and severe acute respiratory infections has been disseminated.

3.3 Conveyance and stay of detained patients in hospital. No increase in the number of medical personnel was reported, nor were escorts provided to transport patients with Covid-19 to civilian hospitals. No legal measures to ease the transfer and hospital stay appear to have been envisaged.

4. Measures liable to infringe fundamental rights.

Several countries have taken, or are about to take, drastic measures to limit the prison population's contact with the rest of the world. Some countries have decided to completely suspend family visits(14), others have imposed severe restrictions in this area. Some States have provided for compensatory measures, such as increased telephone(15) or video conferencing facilities(16).

Several UN experts(17) and the Council of Europe have urged States to avoid overreach of security measures in their response to the coronavirus outbreak. When it comes to prison, the NGO Penal Reform International has recalled the requirements of necessity and proportionality of measures limiting visiting rights in this context(18).

While limitations on contact with the outside world may be justified where they are proportionate to the risk and accompanied by adequate compensatory measures, it must be stressed that closing prisons on themselves increases the risk of ill-treatment, especially in crisis and panic situations. Limitations on visits and activities will inevitably lead to situations of great tension(19). Prison administrations will face unprecedented pressure. If relief measures are not taken swiftly, particularly in terms of the number of detainees, they may find themselves facing situations that are very difficult to manage.

Furthermore, it is essential that NPMs retain their right of access to prisons and that detainees have the possibility of contacting them by telephone, under appropriate conditions of confidentiality.

5. An indispensable intervention at the international level

The Signatories urge international governmental organizations to take full account of both the major health risk associated with the spread of COVID-19 in prisons and the inertia shown by States, and consequently to take measures to ensure that States act effectively and with full respect for the fundamental rights of detained persons.

5.1 Health measures of prevention, early detection and control of COVID-19. International organizations must act swiftly to get States to develop the required prevention and response plans. WHO must play its leading role in this area and provide support to authorities for preparation and response. However, the technical support approach is not enough, and WHO and the relevant United Nations and Council of Europe bodies must use all their influence to bring States to meet their international obligations to protect the life and health of detained persons.   

5.2 Avoid the spread of COVID-19 by significantly reducing the prison population. Whatever measures may be taken by the prison authorities to adapt to life in detention, the configuration of the premises and the organization of the prisons do not allow for the implementation of preventive measures, and in particular of social distance. Unless there is a clear reduction in the number of detainees, the virus will spread rapidly within the facilities and the prison and medical services will be overwhelmed. The national authorities must take urgent measures to seriously reduce the number of prisoners. In this respect, Council of Europe bodies, and in particular the Committee of Ministers, the General Secretary, the Committee for the Prevention of Torture (CPT) and the Commissioner for Human Rights, which play an important role in guiding penal and prison policies, must rapidly adopt recommendations to bring states to take these decisive steps. States have at their disposal a wide range of measures that can produce rapid effects, from penal policy guidelines provided to prosecutors' offices to exceptional measures of pardon and amnesty. It is essential that an impetus be given very quickly at European level to steer national policies in this way.

5.3 Monitor respect for fundamental rights. The mechanisms for monitoring respect for fundamental rights should take exceptional organisational measures in order to be able to fully play their role. First, the ECtHR should strengthen its capacity to deal with requests for interim measures under Rule 39. In ordinary times, these are already very often necessary in some countries, such as Russia or Ukraine, in order to obtain acts of care which are essential for the protection of life. It is likely that the number of well-founded requests will increase significantly. Moreover, for legal or practical reasons, prisoners' access to their lawyer or to NGOs will become acute. The Court should adopt practical instructions adapting the formal requirements resulting from Article 47. The other relevant bodies of the Council of Europe and the United Nations should organise the monitoring of the measures taken by states to combat the pandemic.

On 18.03.2020

First signatories :

Contact :

Hugues de Suremain, +33 (0)6 60 42 50 04
Aigul Mukanova, +380 50 3030 0433
Julia Krikorian, +49 (0)176 64 777 987


(1) WHO, Prison and Health, Genève, 2014
(2) The Lancet, HIV and related infections in prisoners, Sep 10, 2016 Volume 388Number 10049p1025-1128, e2-e3
(3) Prison population brief. See also CoE, White Paper on Prison Overcrowding, CM(2016)121-add3
(4) WHO Europe, Good practices in the prevention and care of tuberculosis and drug-resistant tuberculosis in correctional facilities (2018)
(5)The Lancet, HIV and related infections in prisoners, Sep 10, 2016 Volume 388Number 10049p1025-1128, appendixp8
(6) For instance, a report by Public Health England (PHE) showed that the proportion of people in prison aged 50 or older has increased by 150 per cent between 2002 and 2017.
(7) https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/technical-guidance
(8) In France, the  National Preventive Mechanism stated on 16 March that the safety of persons in remand detention centres was no longer guaranteed and that the administration will therefore fail in its obligation to protect the persons under its control if it does not take the necessary measures as a matter of urgency. It called for a reduction in the prison population by encouraging prison exits and limiting entries.
(9) In addition to visitations restrictions, the Irish Prison Service planned on a number of contingency measures to reduce the number of people in custody in a controlled manner.
(10) In Italy the lack of medical information and miscommunication resulted in panic and false myth.
(11) For instance, hydroalcoholic gel is prohibited for detainees.
(12) In Italy, according to the NGO l’Altro Diritto, ombudsmen have expressed high concerns for the lack of masks, gloves or sanitizer. In Belgium, the guidelines for the management of suspected or actual cases of contamination recall the shortage of means of protection (masks, disinfectant gel) and recommend their use only when necessary.
(13) In Moldova, the texts dated 12 March foresee the supply of equipment stocks (protective masks, multifunctional electronic thermometers, etc.), medicines, biodistructive preparations, etc.;
(14) Including Belgium, Spain, Italy, France, Russia, Ukraine, Moldova, Bulgaria
(15) Belgium has granted a 20 euro telephony credit to all detainees.
(16) On 8 and 9 March, the Italian authorities authorised wide access to video calls to offset the effects of the suspension of visits. However, these instructions were unevenly applied, contributing to the outbreak of trouble.
(17) COVID-19: States should not abuse emergency measures to suppress human rights – UN experts, GENEVA (16 March 2020)
(18) Penal Reform International, Coronavirus: Healthcare and human rights of people in prison, briefing paper, 16 March 2020.
(19) Riots or protests have been taking place in 27 prisons throughout Italy. In this context, 13 prisoners died on 7 March 2020.

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Strafvollzug
news-688 Wed, 18 Mar 2020 11:23:12 +0100 Feministische Ausgabe des RAV InfoBrief /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-eine-feministische-ausgabe-des-rav-infobrief-in-der-zweiten-jahreshaelfte-2020-688 Projekt für Anfang 2021 Wie schon berichtet, hat sich im RAV eine kleine und weiter wachsende Gruppe von Interessierten zusammengefunden, um das Thema Sexismus und Antifeminismus im Recht, innerhalb des RAV, und in der anwaltlichen Tätigkeit näher zu beleuchten.
Ausgangspunkt waren die Diskussionen auf zwei Berliner Regionalgruppentreffen im letzten Jahr, bei denen nochmal klar wurde, dass bislang Sexismus RAV-intern eigentlich nur im Zusammenhang mit der Nebenklage im Strafrecht diskutiert und hart umstritten worden war und der RAV zu diesem gesellschaftlichen Machtverhältnis bisher wenig beizutragen hatte. Das wollen wir ändern.

Den Initiator*innen geht es um einen grundsätzlich anderen Umgang des RAV mit Sexismus und Antifeminismus und das bedeutet auch eine Neuausrichtung anhand dieser Fragen. Und so hat die Diskussion einen wichtigen Aspekt in den Mittelpunkt gerückt: Dass sich die feministische Perspektive nicht in der Beschäftigung mit so genannten ›Frauen*-Themen‹ erschöpft, sondern Sexismus zusammen mit anderen Unterdrückungs- und Ausgrenzungsverhältnissen als Instrument zur Erhaltung – nicht nur patriarchaler – Macht identifiziert und angreift.
Im weiteren Verlauf entstanden jede Menge erster Ideen.

Ein erstes Projekt ist derzeit bereits am Entstehen: Eine feministische Ausgabe des RAV InfoBrief in der ersten Jahreshälfte 2021. Dazu hat sich aus den bisherigen Treffen eine kleine vorläufige Redaktionsgruppe herausgebildet, die bisher – den Umständen ihrer Entstehung geschuldet – nur aus Berliner*innen besteht. Das soll nicht so bleiben!
Noch sind die Vorstellungen, wie eine solche Ausgabe konkret aussieht und was sie beinhaltet, im Entstehen und sich Verändern. Wir in der Redaktionsgruppe decken mit unseren Ideen und Kontakten bei weitem nicht die Bandbreite an Themen ab, die in dem Heft Platz finden könnten. Allein die Frage, »was verstehen wir unter Feminismus?«, könnte ein Heft füllen.
Deshalb sind wir angewiesen auf euch, eure Ideen, eure Expertise, eure politischen Standpunkte, eure Begeisterung, euer Mitdenken, eure Unterstützung und eure Beiträge, – es betrifft uns alle!
Neben der inhaltlichen Ausrichtung wünschen wir uns auch, das bekannte Format aufzubrechen und freuen uns deshalb auch über alternativen Darstellungen in Form z.B. von Comics, Interviewformaten, Filmrezensionen, persönlichen Erfahrungsberichten aus der anwaltlichen Praxis, Collagen und Fotos.

Ihr erreicht uns unter derblindefleck@rav.de

Euer Redaktionsteam
Berlin im März 2020

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RAV Feminismus
news-687 Tue, 17 Mar 2020 14:35:39 +0100 Aufnehmen statt Sterben lassen! Die Faschisierung Europas stoppen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufnehmen-statt-sterben-lassen-die-faschisierung-europas-stoppen-687 Gem. Pressemitteilung, 17.3.2020 Es war zu erwarten: 4 Jahre Zuschauen zeigen jetzt ihre katastrophale Wirkung. Der Corona-Virus hat auch die griechischen Inseln erreicht. 40.000 Menschen, zusammengepfercht in völlig überfüllten EU-Hotspot Lagern wie Moria, unter desaströsen Hygiene-Bedingungen und fast ohne medizinische Versorgung, könnten schon bald der tödlichen Krankheit ausgeliefert sein. Während Europäische Staaten zum Schutz vor der Pandemie ihre Grenzen schließen und selbst soziale Begegnungen von Kleingruppen unterbinden, ist das von der Austeritätspolitik und Wirtschaftskrise schwer angeschlagene griechische Krankensystem in keiner Weise in der Lage, bei einem großflächigen Krankheitsausbruch die notwendige medizinische Versorgung der Geflüchteten sicherzustellen. Und die EU versperrt sich weiterhin allen Appellen, die Lager zu räumen und die Menschen sicher zu evakuieren. Vielmehr wird verstärkt abgeriegelt. Dies passt dazu, was wir in den letzten zwei Wochen an der griechisch-türkischen Grenze beobachten konnten: Eine beispiellose Brutalisierung der EU-Migrationspolitik, gepaart mit der skrupellosen Verletzung grundlegender Menschenrechte, Europarecht und der Genfer Flüchtlingskonvention.

Menschen, die in Europa Schutz suchen, werden mit Tränengas beschossen, zusammengeschlagen, ausgezogen und illegal über die Grenze zurückgeschoben. Im ägäischen Meer werden Fliehende aggressiv von der griechischen Küstenwache attackiert, Motoren zerstört und Schlauchboote aufgestochen. Auch was 2015 noch unsagbar war, ist nun Realität geworden: Mit scharfer Munition wird die Grenze verteidigt und mehrere Menschen wurden an der griechisch-türkischen Evros-Grenze erschossen. Damit hat sich die europäische Grenzpolitik von einem passiven Sterbenlassen an den Außengrenzen zu einer Politik aktiven Tötens gewandelt. Freiwillige Helfer_innen und Mitarbeiter_innen internationaler Organisationen auf den griechischen Inseln wurden in rechtsradikalen Netzwerken zur Verfolgung ausgeschrieben und von faschistischen Mobs gejagt und brutal zusammengeschlagen. Faschist_innen aus ganz Europa treffen auf den griechischen Inseln ein, soziale Zentren und Solidaritätsstrukturen wurden in Brand gesetzt.

Zudem wurde das Asylrecht für alle Personen, die seit dem 1. März in Griechenland eingereist sind, ausgesetzt. Die griechische Regierung ließ durch ihren Regierungssprecher Stelios Petsas mitteilen, dass sie einen Monat lang keine Asylanträge mehr von Neuankommenden annehmen werde. Neu eingereiste Geflüchtete werden unter ad-hoc Haftbedingungen wie im Hafen auf Lesbos festgehalten und sollen abgeschoben werden. Ihnen wird jedoch nicht nur das Recht auf Schutz verweigert; laut Zeitungsberichten gab es schon mehrere hunderte Fälle, in denen Menschen wegen „illegaler Einreise“ zu vierjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

DIE EUROPÄISCHE ABKEHR VON SÄMTLICHEN GRUNDRECHTEN

All dies tritt nicht nur die vielbeschworenen europäischen Werte mit Füßen, sondern verstößt gegen internationales Völkerrecht, Europarecht, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention.

1. Griechenland hat sich zur Einhaltung des völkerrechtlichen Grundsatzes des Non-Refoulement (Nicht-Zurückweisung) verpflichtet, der in einer Vielzahl von völker- und menschenrechtlichen Verträgen verankert ist (u.a. Art. 33 Genfer Flüchtlingskonvention, Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention). Die Waffengewalt an der griechischen Grenze, als auch Abschiebungen ohne Asylverfahren stehen im Widerspruch zu diesen Rechtsnormen und stellen einen fortgesetzten Rechtsbruch dar.

2. Ebenso ist das Verbot der Kollektivausweisung menschen- und europarechtlich verankert (Art. 19 Abs. 1 der europäischen Grundrechte-Charta, Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK). Auch Griechenland ist über die europäische Grundrechte-Charta an diesen Grundsatz gebunden. Die griechische Regierung kann sich auch nicht auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (8675/15 und 8697/15) zur Praxis der Pushbacks an der spanisch-marokkanischen Grenze berufen: Der EGMR hat in dieser Entscheidung verlangt, dass es eine legale Einreisealternative gibt und der Antrag auf Schutz an anderer Stelle gestellt werden kann. Eine solche Alternative existiert in Griechenland keinesfalls, weder kann an anderen Grenzübergangen oder in Polizeistationen ein Schutzgesuch gestellt werden. Damit ist weder eine Aussetzung des Asylrechts noch eine komplette Grenzschließung rechtmäßig. Sowohl das Zurückweisungsverbot als auch das Verbot der Kollektivausweisung gelten unbedingt, und können zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen ausgesetzt werden – erst recht nicht durch eine juristisch nicht verankerte Absprache, wie es der als Abkommen bezeichnete EU-Türkei-Deal vom März 2016 darstellt.
Dennoch stellen sich die EU und Deutschland schützend hinter Griechenland, das von der EUKommissionspräsidentin von der Leyen ganz in Manier einer Verteidigungsministerin als „das Schild Europas“ bezeichnet und mit 700 Millionen Euro für Grenzaufrüstung unterstützt wird. Die Spirale der Militarisierung nimmt immer weiter zu: Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex wird in einem RABIT Sondereinsatz an die Grenze geschickt. Was sie tun soll ist ungewiss – sich an den Erschießungen beteiligen?

TÜRKISCHE KRIEGSFÜHRUNG MIT FLÜCHTLINGEN UND DER ANFÄNGERFEHLER DER EU-MIGRATIONSPOLITIK

Es ist unglaublich, dass die Europäische Union bereit ist, jegliche Rechtsgrundlage, Moral und zivilisatorische Maske über Bord zu werfen, weil zwischenzeitlich einige tausend Menschen an der griechischen Grenze einen Asylantrag stellen möchten. Der verhängnisvolle EU-Türkei Deal vom 18. März 2016 hat wieder einmal einem autoritären Regime Macht über die europäische Politik gegeben. Das politische Mantra, 2015 dürfe sich nicht wiederholen, erlaubt der EU kein Umdenken. Dabei sind die Flucht-Migrant_innen in der Tat zur Verhandlungsmasse und zur menschlichen Munition für die eigenen militaristischen und innenpolitischen Pläne der türkischen AKPRegierung geworden – in die Hand gelegt durch eine EU Migrationspolitik, die über Deals autoritäre Regime als Puffer Zonen Europas zur Flüchtlingsabwehr aufbaut.

Doch die Türkei ist nicht sicher, sie gewährt Menschen ohne europäischen Pass kein Asyl. Auch wenn die Türkei mit ihrer militärischen Präsenz in Idlib das Ziel verfolgt, die gewaltsame Vertreibung von weiteren rund 3,5 Millionen Menschen durch die syrisch-russische Offensive in Richtung ihrer Grenze zu verhindern, ist und bleibt sie seit ihrem Angriff auf syrische Gebiete unter kurdischer Selbstverwaltung selbst verantwortlich für hunderttausendfache Vertreibung. Auch an der türkisch-syrischen Grenze wird auf Flüchtende geschossen – und die Türkei schiebt selbst nach Syrien ab. Bereits in den letzten Jahren hat Erdogan in regelmäßigen Abständen mit der Aufkündigung des EU-Türkei-Deals gedroht. Diesmal hat der türkische Präsident seiner Drohung Nachdruck verliehen: Menschen wurden in Bussen zur Grenze gefahren, zusammengepfercht und zum Teil mit Schlägen und vorgehaltener Waffe zum Grenzübertritt gezwungen. All dies geschieht, um Bilder zu produzieren, die EU und NATO dazu zu bringen sollen, die Türkei in ihrer Kriegsstrategie zu unterstützen und Fluchtmigration aus Syrien einzudämmen. Außerdemsollen Syrer_innen in eine sogenannte „Sicherheitszone“ in die kurdischen Gebieten im Nord-Osten Syriens abgeschoben werden. Damit hätte der türkische Präsident zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die kurdisch-demokratische Selbstverwaltung empfindlich geschwächt und sich gleichzeitig der temporär im Land geduldeten Flüchtlinge entledigt.

Anstatt den Anfängerfehler der EU Migrationspolitik – die Abhängigkeit von autoritären Regimen – als Ursache des Problems zu erkennen, versucht die EU die Türkei mit allen Mitteln zu besänftigen. Dabei verkennt sie, dass der Deal noch nie funktioniert hat und auch nie funktionieren wird: weder der 1:1-Austausch (wobei für jede aus Griechenland in die Türkei zurückgeschobene syrische Person eine_n Syrer_in nach Europa umgesiedelt werden sollte), noch die Leerung der griechischen Inseln durch Abschiebungen. Das einzig funktionale Element des Deals ist der Kuhhandel von Milliardenbeträgen für gewalttätige Migrationsabwehr. Bricht dies weg, zeigt sich das wahre Gesicht dieser hilflosen und gescheiterten Migrationspolitik: Die Erschießung an der EU-Außengrenze stellt dann nur die letzte logische Konsequenz dar. Der EU-Türkei-Deal ist von Anfang an gescheitert, jeder neue Versuch eines Deals wird ebenso scheitern!

DER ZWEIKLANG DER ABSCHOTTUNG UND FASCHISIERUNG

Die Umdeutung der Willkommenskultur von 2015 zu einer „Flüchtlingskrise, die sich nie wiederholen dürfe“, kreiert eine derartige Angst, dass lieber Erschießungen geduldet werden, als über Aufnahme geredet wird. Dabei hat das Abschottungsparadigma auch seine mörderische innenpolitische Seite. Während bis heute zahlreiche Städte und Gemeinden – wie in dem Netzwerk „Städte Sichere Häfen“ – nach wie vor für eine Praxis und Kultur des Willkommens und der offenen Gesellschaft stehen, hat die Politik mit ihrer Dämonisierung der Migration als „die Mutter aller Probleme“ auch innergesellschaftlich Diskurse und Taten der „Verteidigung Europas“ hoffähig gemacht. Insofern ist die Faschisierung an der Außengrenze eng verwoben mit dem erstarkenden Rechtsterrorismus und Angriffen auf die Grundlagen der Demokratie in den europäischen Gesellschaften. Europa steht an einem Scheideweg: Wir können diesen Wahnsinn nur mit einer Rückkehr zu grundlegenden Rechten, Offenheit und Aufnahmebereitschaft begegnen.

WIR FORDERN:
• Die sofortige Evakuierung aller Migrant_innen von den griechischen Inseln und aus allen überfüllten Lagersituationen
• Effektive Schutzmaßnahmen gegen den Corona-Virus für Migrant_innen
• Den sofortigen Stopp der staatlichen Gewalt und der Ermordung von Migrant_innen an den Außengrenzen
• Die sofortige Beendigung des EU-Türkei Deals
• Eine aktive EU-Politik um die gewaltsame Vertreibung von Millionen von Menschen in Syrien zu beenden
• Die Wiederherstellung des Asylrechts, rechtsstaatlicher Asylverfahren und die Demilitarisierung der Außengrenze
• Die Einhaltung geltender Völker-, Menschen- und Europarechtlicher Vorgaben beim Umgang mit den ankommenden Menschen
• Die Aufnahme der Menschen in den solidarischen Städten
• Eine europäische Politik, die selbst nicht andauernd Fluchtursachen produziert

INITIATOR_INNEN
Adopt a Revolution
borderline europe e.V.
bordermonitoring.eu
Equal Rights Beyond Borders
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Kritnet
Komitee für Grundrechte und Demokratie
medico international
Republikanischer Anwältinnen - und Anwälteverein e.V. (RAV)
Sächsischer Flüchtlingsrat
SEEBRÜCKE - Schafft sichere Häfen!

WEITERE UNTERSTÜTZENDE GRUPPEN
Alarmphone
Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein
#ausgehetzt - das Bündnis
Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.
colorido e. V.
Flüchtlingsrat Baden-Würtemberg
Flüchtlingsrat Brandenburg
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V
Flüchtlingsrat Sachsen Anhalt
Hessischer Flüchtlingsrat
Humanistische Union OV Lübeck
Iuventa 10
Kölner Flüchtlingsrat e.V.
Legal Centre Lesvos
Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
marxistische linke - ökologisch, emanzipatorisch, feministisch,
integrativ e.V.
Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus
Mare Liberum
Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik Netzwerk
Omas gegen Rechts
Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. (VDJ)

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Griechenland Geflüchtetenlager EU-Türkei-Deal Migration & Asyl (doublet) Europa (doublet)
news-685 Tue, 17 Mar 2020 11:13:13 +0100 Corona-Pandemie: Auch die Justiz muss umgehend reagieren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/corona-pandemie-auch-die-justiz-muss-umgehend-reagieren-685 Pressemitteilung, 17.03.2020 RAV fordert die sofortige Aufhebung aller aufschiebbaren Gerichtstermine

Bundesweit fordern Gesundheitsämter und zuständige Ministerien nachvollziehbar die Reduzierung unnötiger enger räumlicher Kontakte (›Sozialkontakte‹). Die Mobilität wurde staatlicherseits ebenfalls massiv eingeschränkt. Nur so kann eine schnelle Ausbreitung des Virus eingedämmt werden. Auch die Justiz muss schnellstmöglich auf die Corona-Pandemie reagieren.

»Der erste Schritt muss sein, Gerichtstermine, die sich rechtskonform verschieben lassen, sofort aufzuheben«, so Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Auch die Fristen für Stellungnahmen in Gerichts- und Verwaltungsverfahren müssen umgehend verlängert werden. Der Rechtsstaat muss seinen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung leisten«.

Jede Gerichtsverhandlung und die dazugehörigen An- und Abreisen setzen alle Beteiligten einem vermeidbaren und damit unnötigen Infektionsrisiko aus. Sie wirken allen richtigen Bestrebungen, die Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland zu verzögern, diametral entgegen.

Aus Sicht des RAV ist es daher unabdingbar, alle von den Gerichten aufschiebbaren Gerichtsverhandlungen zumindest bis Ende April 2020 abzusagen. Im Fall von unabdingbaren Gerichtsverhandlungen – wie in Strafverfahren mit Untersuchungshaft, bei Betreuungssachen oder in Gewaltschutzverfahren – sind entsprechende Schutzmaßnahmen für die Beteiligten zu ergreifen.

Nach Ansicht des RAV müssen Haftsachen angesichts der kritischen Situation in den Justizvollzugsanstalten mit besonderer Sorgfalt neu geprüft werden: Gerade hier stellt sich insbesondere die Frage nach dem Haftgrund der Fluchtgefahr vollkommen neu. In einer Gesellschaft, in der der Staat aufgrund einer Pandemie immer weitere Bereiche des sozialen Lebens unterbindet und Ländergrenzen schließt, sind die Möglichkeiten, sich einem Verfahren durch Flucht zu entziehen, ganz erheblich gesunken. »Es ist somit zu prüfen, ob Haftbefehle, die auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt werden, aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt werden können«, so Dr. Björn Elberling, Vorstandsmitglied des RAV. »Damit kann die Infektionsgefahr für alle Gefangenen in Haftanstalten erheblich eingedämmt werden. Die Situation in den Gefängnissen muss der aktuellen Krisensituation sofort angepasst werden«.

Um der Ausbreitung der Corona-Epidemie auch hier entgegenzuwirken, fordert der RAV bundesweit:

 Kontakt: Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Tel. 030-23 56 44 36

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Pressemitteilung
news-681 Fri, 06 Mar 2020 11:01:38 +0100 A coalition to "shield" migrants and refugees against violence at the borders /publikationen/mitteilungen/mitteilung/a-coalition-to-shield-migrants-and-refugees-against-violence-at-the-borders-681 Statement, 6.3.2020 We will hold Greece and the EU accountable for the violations of the rights of migrants and refugees fleeing Turkey.

Over the last days, violations of the rights of migrants and refugees seeking to access EU territory via Greece have escalated to a new extreme. The conditions for such an escalation have long been in the making. In 2015, the EU introduced the “hotspot” approach, imposing on Italy and Greece the sorting of migrants and refugees arriving on their shores. In March 2016, the EU signed an agreement with Turkey, which for a time, allowed to contain crossings. Yet the twin developments transformed Aegean islands into open-air prisons and exacerbated a humanitarian catastrophe at Greece’s borders. And the untenable cooperation with Turkey – denounced by civil society - is now unsurprisingly breaking down, with Turkish authorities seeking to pressure the EU by sending migrants and refugees in its direction.

In the aim of stemming the increasing arrivals of mostly Syrian exiles fleeing war and now the threats of Turkish authorities, Greek agencies have resorted to a new level of violence – and have been joined in them by segments of the population. At sea, the Greek coast guard have blocked the route of migrantsand refugeeboats, shooting in the air and even wounding passengers,(1) and a child has drowned.(2) On land, push-backs across the Evros river have continued, and video footage - labelled as “fake news” by the Greek authorities(3) but now verified by Forensic Architecture - shows a Syrian refugee being shot dead.(4) Finally activists acting in solidarity with migrants and refugees are being criminalised and attacked by far-right groups.(5) Grave violations are ongoing and the most fundamental principles of asylum law are being shunned.

Greek authorities are sending a simple message to potential migrants and refugees, one that the Greek foreign ministry conveyed on twitter: "no one can cross the Greek borders".(6) Greece’s policy of closure(7) has also received the backing of the EU. Charles Michel, President of the European Council, has applauded Greek efforts “to protect the European borders”(8) while Ursula von der Leyen, European commission president, has referred to Greece as a “European shield” – thus suggesting that unarmed migrants and refugees constitute a physical threat to Europe.(9) Finally, Frontex, the European border agency, is preparing “a rapid border intervention” squad.(10) In short, Greece and the EU appear ready to resort to any means necessary to deter migrants and refugees and prevent the repetition of the 2015 large-scale arrivals in Europe – and of the European-wide political crisis it triggered.

We firmly condemn the instrumental use of migrants and refugees by the EU and Turkey, and the Greek and EU operations deployed to prevent them from reaching European soil. No policy aim can justify such gross violations. Exiles fleeing violence must not face the violence of borders while they seek protection. Our organisations are joining their efforts to hold states accountable for their crimes. We plan to document and take legal action against those responsible for the violations of migrants and refugees’ rights, as well as those of activists acting in solidarity with them. We will employ our investigative and legal instruments to block state violence and reverse the deeply worrying trend towards the multiplication of push-backs in Greece, – a trend observable to different degrees across the EU’s shifting borders. Migrants and refugees are not a threat the EU should shield itself against, but are themselves threatened by state violence all along their precarious trajectories. We aim to use the tools of human rights to shield migrants and refugees from the brutality targeting them.

Still from an ongoing video investigation by Forensic Architecture showing a panorama created from eyewitness footage capturing the transfer of Muhammed al-Arab, who was fatally shot along the Evros/Meriç river. Credit: Forensic Architecture, 2020. Full video: https://vimeo.com/395567226

First organisations to join the coalition:

1) https://alarmphone.org/en/2020/03/04/escalating-violence-in-the-aegean-sea/?post_type_release_type=post&fbclid=IwAR2r2ATotl6HEfg2F2Zt3FDScFgZHB4wU5jb-T27jwkhV_pFcXYcdIa4xXg
(2) https://www.theguardian.com/world/2020/mar/02/child-dies-as-boat-carrying-migrants-capsizes-off-lesbos
(3) http://www.ekathimerini.com/250110/article/ekathimerini/news/greece-calls-fake-news-on-news-of-dead-refugee
(4) https://www.dailysabah.com/politics/syrian-refugee-killed-by-greek-police-while-trying-to-cross-border/news
(5) https://www.vice.com/en_us/article/xgq533/video-shows-greek-mobs-attacking-migrant-boats-and-aid-workers
(6) https://www.euronews.com/2020/02/29/greek-police-fire-tear-gas-at-refugees-amid-violence-at-turkish-border
(7) http://www.ekathimerini.com/250097/article/ekathimerini/news/greece-freezes-asyulum-applications-from-illegally-entering-migrants
(8) http://www.ekathimerini.com/250097/article/ekathimerini/news/greece-freezes-asyulum-applications-from-illegally-entering-migrants
(9) https://www.theguardian.com/world/2020/mar/03/migration-eu-praises-greece-as-shield-after-turkey-opens-border
(10) https://www.theguardian.com/world/2020/mar/03/migration-eu-praises-greece-as-shield-after-turkey-opens-border

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Griechenland Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet) Rassismus
news-680 Tue, 03 Mar 2020 17:46:05 +0100 Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-werden-nicht-teil-dieses-verbrechens-sein-680 Gemeinsame Erklärung, 3.3.2020 Wieder einmal benutzt Erdoğan Flüchtlinge als politische Schachfiguren. Wieder einmal werden Menschenrechtsverteidigende aus verschiedenen Bereichen und Ländern Zeugen einer illegalen und unmenschlichen Situation an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei.

Offizielle Zahlen sind nicht verfügbar, aber es ist klar, dass Tausende von Flüchtlingen, darunter eine große Anzahl von Minderjährigen, von Erdoğan manipuliert wurden und nun zwischen zwei Grenzen festsitzen, ohne die Chance nicht nur auf Asylverfahren, sondern auch auf angemessene Nahrung, sauberes Wasser und eine Unterkunft zu haben. Es gibt ernsthafte Berichte über Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, und es ist auch bekannt, dass etwa hundert Personen, die die Grenze überschritten haben, bereits von den griechischen Behörden festgenommen wurden. Abgesehen von dieser neuen Situation, besteht die inakzeptable Lage in den griechischen Brennpunkten nach wie vor, und im Mittelmeer sterben Menschen.

Es ist erneut notwendig, die europäischen Regierungen an ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze des Völkerrechts und der Menschenrechte zu erinnern.

Die gegenwärtige Notlage der Migrantinnen und Migranten an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland liegt nicht nur in der Verantwortung dieser beiden Länder. Die europäischen Staaten sind für diese Krise direkt verantwortlich, zusätzlich zu der schrecklichen Situation in den griechischen Krisenherden und im Mittelmeer. Diese Katastrophe ist eine direkte Folge der unrechtmäßigen und inoffiziellen Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei. Diese Vereinbarung sollte unverzüglich aufgehoben werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Türkei kein sicheres Land für Migrantinnen und Migranten ist, und dessen Erklärung zu einem sicheren Drittland ist eine klare Verletzung der Menschenrechte. Die vom türkischen Staat vorgeschlagenen ›sicheren Zonen‹ in Syrien sind völkerrechtswidrig.

Eine Lösung kann nur in Europa und ohne die Beteiligung der türkischen Regierung gefunden werden. Nationale Politikerinnen und Politiker sowie EU-Vertreterinnen und -Vertreter sollten Fremdenfeindlichkeit, Populismus und Rassismus sofort ablegen. Diese Ansätze führen zu faschistischen Lösungen, die mit unseren europäischen Werten unvereinbar sind.

Das Recht, Schutz zu suchen und das Recht auf ein Leben in Würde ist das Grundrecht jedes einzelnen Menschen, dessen Leben bedroht ist. Die europäischen Staaten müssen den Zugang zu internationalem Schutz gewähren, nicht nur aus humanistischer Sensibilität, sondern weil sie rechtlich dazu verpflichtet sind.

Daher sollten die EU-Staaten und internationale Organisationen die Maßnahmen der griechischen Regierung, die Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz auszusetzen und alle Personen, die illegal nach Griechenland einreisen, ohne Registrierung abzuschieben, nicht unterstützen. Diese Handlungen verstoßen gegen internationale Flüchtlings- und Menschenrechtsgesetze und finden keine Unterstützung in der Entscheidung des EGMR im Fall N.D. N.T. gegen Spanien (Anträge Nr. 8675/15 und 8697/15). Eine solche Manipulation von Gesetzen und Urteilen gefährdet die Rechte jedes europäischen Bürgers und die Demokratie und stellt eine fatale Haltung gegenüber schutzbedürftigen Personen dar.

Griechische Gerichte haben Verurteilungen von Personen, die in diesen Tagen in Evros ankommen, mit bis zu vier Jahren Haft ohne Aufschub angekündigt. Diese Maßnahmen verstoßen gegen die Genfer Konvention und werfen ernste Fragen in Bezug auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess auf. Europäische Regierungen und internationale Organisationen sollten handeln.

Denn die Situation verschlechtert sich täglich:

Yiota Masouridou, Vizepräsidentin der AED, Athen, erklärt: »Seit der Verabschiedung der EU-Türkei-Erklärung im Jahr 2016 verletzen die EU-Mitgliedsstaaten kollektiv das Prinzip der Nicht-Zurückweisung. Eine Menschenrechtslösung muss jetzt umgesetzt werden, indem Flüchtlinge und Asylsuchende auf EU-Territorium aufgenommen werden. Kurzfristige politische Lösungen, die die europäische Rechtskultur beschämen, sollten aufgegeben werden«.

Und die türkische Anwältin Ceren Uysal fügt hinzu: »Wir sind Zeugen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Wir glauben fest daran, dass es notwendig ist, zu handeln, zu protestieren und gegen die Aushöhlung des Rechtsstaates und die Verletzungen der Menschenrechte zu kämpfen«.

Es gibt ein andauerndes Verbrechen, und wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!

Athen, Istanbul, Berlin, Amsterdam, Paris, Brüssel, Rom, Madrid, Barcelona

3. März 2020

Kontakt
Giota Massouridou, Vice-President of the AED-EDL: massouridoup@yahoo.gr

Unterzeichnende
Avocats Européens Démocrates, www.aeud.org
Borderline Europe, https://www.borderline-europe.de/
Mission Life-line, www.mission-lifeline.de
Alarmphone, https://alarmphone.org/en/
Dutch Organization for Asylum Lawyers, www.hvh-advocaten.nl
Medico international e.V., www.medico.de
The Dutch League for Human Rights
Foundation of the Day of the Endangered Lawyer, http://dayoftheendangeredlawyer.eu/
Lawyers’ Association for Freedom (ÖHD)
Progressive Lawyers’ Network (CHD)

Statement als PDF (dt)
Statement PDF (eng)

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Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet)
news-678 Fri, 21 Feb 2020 15:11:26 +0100 European Court of Human Rights<br />Spain and the European Union will prevail the protection of European borders over the right to asylum. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/european-court-of-human-rights-br-spain-and-the-european-union-will-prevail-the-protection-of-european-borders-over-the-right-to-asylum-678 Gemeinsame Pressemitteilung zur Entscheidung des EGMR (push-back) The European Court of Human Right (ECHR) just took a decision in favour of the Spanish authorities, by endorsing the practice known as “hot push-back” of people trying to reach the Spanish enclaves of Ceuta and Melilla. Although another body of the Court had already condemned Spain in 2017 for this illegal practice [1], its Grand Chamber decided this time that Spain had not violated the rights of the exiles who had already crossed its border by sending them back to Morocco quickly and widely. With this highly serious decision, the ECHR legitimizes the generalization of the principle of non-refoulement. Furthermore, it endorses the impossibility of applying for asylum in case of illegal border crossing and welcomes the good collaboration with Morocco in the repression of exiles.

Migrants face refoulement practices all along their way at the EU’s external borders which are increasingly extending to the South, and to the East. They also face it when they try to cross the Sahara [2], the Balkan countries [3] or when they attempt to flee the Libyan hell [4] . This reality (which can lead to death in the most dramatic cases) also affects the European territory, as illustrated by the recurrent deportations of migrants at the French borders with Italy and Spain [5] . The refoulement practices are multiplying and have become an increasingly standardised form of management of the illegalised mobility that it’s necessary to stop by any means.

For at least two decades they have suffered from the violence of the Spanish border guards while trying to enter in the enclaves of Ceuta and Melilla. The Spanish militaries are not to be outdone : numerous NGOs reports show that Morocco regularly conducts violent repressions and roundups to keep exiles away from the border [6] .

Despite this old and well-documented reality, the ECHR in its judgement of 13 February concludes that Spain has not committed any violation, finding “(…) that the applicants [had] placed themselves in an unlawful situation” by attempting to cross the Melilla border at an unauthorised location. It adds that “They thus chose not to use the legal procedures which existed in order to enter Spanish territory lawfully (…)”. Misleading argument considering only exiles who entered through an accredited border post could be protected from refoulement or that they could apply for asylum at the consulate without hindrance. However, numerous human rights organisations - whose reports were deliberately disregarded by the Court – have established that black people are especially tracked by the Moroccan security forces who prevent them from reaching the border posts of the enclaves. Access to the asylum office in Ceuta and Melilla (established in 2015) is thus impossible for them. They have no other choice but to climb over fences and their sharp blades, or set sail, risking their lives [7].

The ECHR, by reversing Spain’s conviction, gives a strong signal to the European States for the generalization of these violent practices of refoulement and to the legitimation of the externalisation of asylum. Indeed, by figuring that a Member State can restrict the right to seek protection on its territory in some places or some circumstances, the Court endorses practices contrary to international law and that the EU has been trying to promote for a long time : preventing the arrival of those who are looking for protection, either by erecting physical or legal barriers, or by subcontracting its obligations to countries notoriously hostile to migrants.

The signatory associations strongly condemn the Court decision. We refuse to allow the principle of non-refoulement, a cornerstone of the right to asylum, to be questioned in the name of the externalisation policy and of the borders protection of the EU and its Member States. We support migrants in the exercise of their freedom of movement, and we fight against the violence and racism that they suffer along their illegalized trajectories.

Signatory associations :


Fußnoten
(1) ECHR, October 3, 2017, N.D. et N.T. c. Spain, req. n° 8675/15 et 8697/15
(2) Amnesty International report, «Forced to leave – stories of injustice against migrants in Algeria», 2017 ; Alarmphone Sahara, «October 2019 to January 2020 : Continuation of deportation convoys from Algeria to Niger», January 2020
(3) Le Monde «La Bosnie, cul-de-sac pour les migrants», December 30,2019 ; See also the website of «Welcome» which informs on violence in the Balkan countries.
(4) Brief n°7 « Libya : where thugs are funded by Europe to mistreat migrants », May 2018 ; Forensic Oceanography, “Mare Clausum”, May 2018
(5) ANAFE, Persona non grata –Conséquences des politiques sécuritaires et migratoires à la frontières franco-italienne, Observation report 2017-2018
(6) See for instance : Migreurop, « War on migrants – The black book of Ceuta and Melilla » 2006, Human Rights Watch « Abused and Expelled Ill-Treatment of Sub-Saharan African Migrants in Morocco », 2014 ; Caminando Fronteras « Tras la frontera », 2017 ; GADEM « Coûts et blessures – Rapport sur les opérations des forces de l’ordre menées dans le nord du Maroc entre juillet et septembre 2018 », 2018
(7) See for instance : collective report « Ceuta et Melilla : centres de tri à ciel ouvert aux portes de l’Afrique ? », December 2015 ; Third party intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - Applications No. 8675/15 and No. 8697/15N.D. v. Spain and N.T. v. Spain ; Third party intervention by Aire Centre, Amnesty International, ECRE and the International Commission of Jurists

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Migration & Asyl (doublet)
news-676 Fri, 07 Feb 2020 13:06:33 +0100 #nichtmituns /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nichtmituns-676 Aufruf zur Teilnahme an der Großdemonstration | 15.2.2020 | Erfurt Der 5. Februar 2020 markiert einen Tabubruch. CDU und FDP haben gemeinsam mit der extrem rechten AfD in Thüringen einen Ministerpräsidenten gewählt – allen vorherigen Versprechen zum Trotz. Auch nach Kemmerichs Zurückrudern ist klar: Die Brandmauer gegen die Faschist*innen hat einen tiefen Riss. Innerhalb von FDP und CDU gibt es die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der AfD.

Wir sind zutiefst empört. Die Konsequenz für alle Demokrat*innen muss sein: Mit der AfD darf es keine Kooperation geben – nicht im Bund, nicht in den Ländern und nicht auf kommunaler Ebene!

Aus diesem Grund ruft ein breites Bündnis für den 15. Februar um 13 Uhr auf dem Domplatz in Erfurt zu einer gemeinsamen Demonstration unter dem Motto „#nichtmituns: Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!“ auf.
Wer mit Faschist*innen paktiert, hat die ganze solidarische Gesellschaft gegen sich! Wir werden unseren Protest lautstark zum Ausdruck bringen. Wir alle streiten tagtäglich:

Wir rufen bundesweit dazu auf, am Samstag, den 15. Februar in Erfurt, gemeinsam mit uns auf die Straße zu gehen.
Am selben Tag stellen sich unsere Freund*innen dem Naziaufmarsch in Dresden entgegen. Unser Antifaschismus ist #unteilbar!

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Faşistlerle uzlaşma yok - hiçbir zaman ve hiçbir yerde!

15 Şubat 2020 | Erfurt | 13:00 | Domplatz

5 Şubat 2020 bir tabunun yıkıldığı gün oldu. CDU ve FDP, önceki tüm vaatlerine rağmen, Thüringen'de aşırı sağ AfD ile birlikte başbakan seçtiler. Kemmerich'in geri adım atmasından sonra bile, bir şey açık: Faşistlere karşı durulan  direniş duvarında derin bir çatlak oluştu. FDP ve CDU, AfD ile ortak çalışmaya hazır.

Biz ise aşırı öfkeliyiz. Tüm demokratlar için çıkarılacak ders şu olmalıdır: AfD ile  federal hükümette, eyaletlerde yerel düzeyde kesinlikle işbirliği yapılamaz!

Faşistlerle uzlaşan herkes dayanışmacı tüm toplumu karşısına almış demektir.

Protestolarımızı yüksek sesle ifade edeceğiz.

Hepimiz her gün:

- Demokrasi ve toplumsal anti-faşizm için!
- İşçi hakları, sosyal adalet ve iklim adaleti için!
- Irkçılık, anti-Semitizm ve anti-feminizme karşı!
- AfD ile herhangi bir işbirliğine karşı!

mücadele ediyoruz.

Herkesi ülke çapında 15 Şubat Cumartesi günü Erfurt'ta bizimle birlikte sokağa çıkmaya çağırıyoruz.

Aynı gün dostlarımız Dresden'deki Nazi yürüyüşüne karşı eylem yapacaklar.

Faşizme karşı mücadelemiz #bölünemez! #unteilbar!

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Antifaschismus
news-674 Wed, 05 Feb 2020 11:01:23 +0100 Rechtliche Einschätzung zu sexualisierten Aufnahmen bei Festivals /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtliche-einschaetzung-zu-sexualisierten-aufnahmen-bei-festivals-674 Überblick über Rechte und Möglichkeiten, 5.2.2020 Aufgrund der aktuell bekannt gewordenen Vorfälle von sexualisierten Aufnahmen sowohl beim Festival „Monis Rache“ als auch bei der „Fusion“ soll den Betroffenen mit dieser Einschätzung ein Überblick über ihre Rechte und Möglichkeiten verschafft werden.

Der Text basiert auf den derzeit veröffentlichten Erkenntnissen in den Medien, insb. der Reportage des Magazins STRG_F. Die Tatsache, dass auch auf der „Fusion“ Bildaufnahmen gefertigt wurden (hier die Stellungnahme von Kulturkosmos Müritz e.V. https://forum.kulturkosmos.de/viewtopic.php?t=28956), wurde erst nach Fertigstellung des Textes bekannt. Im Wesentlichen gelten die im Text getroffenen Aussagen aber ebenso für die Betroffenen des „Fusion“ Festivals.

1. Chancen und Risiken eines Strafverfahrens aus Betroffenenperspektive

Nach Meldungen in der Presse hat die Polizei wegen der Bildaufnahmen vom Festival „Monis Rache“ ein Ermittlungsverfahren eröffnet, da mehrere Strafanzeigen vorliegen. Die Veranstalter*innen der Fusion haben von sich aus Strafanzeige gestellt. Dies bedeutet in beiden Fällen, dass ein Strafverfahren läuft, unabhängig davon, ob Betroffene das wollen oder nicht. 

Das Verhalten fällt u.a. unter den Straftatbestand von § 201 a StGB “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen”. Der Täter kann dafür pro Tat zu einer Geldstrafe bis maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden.
Da öffentlich nicht bekannt ist, ob der Verdächtige von „Monis Rache“ bereits einschlägig vorbestraft ist, um wie viele Taten es sich handelt, ob und ggf. wie viel Geld er damit umgesetzt hat etc., kann nicht eingeschätzt werden, welche Strafhöhe hier am Ende einmal verhängt werden wird. Nach jetzigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass hier mit einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, zu rechnen ist. Auch die Verurteilung zu einer Geldstrafe steht - so der Täter noch nicht vorbestraft sein sollte und weitere strafmildernde Umstände (Geständnis, freiwillige Zahlungen, Aufklärungsunterstützung etc.) hinzutreten sollten - im Raum.

Ein Strafverfahren ist für Betroffene, die sich entweder freiwillig am Verfahren beteiligen oder die ggf. auch unfreiwillig als Zeug*innen beteiligt sind, immer mit Belastungen und im schlimmsten Fall Retraumatisierung verbunden.
Andererseits eröffnet das Strafverfahren Betroffenen eigene Handlungsspielräume und es besteht die Option, eigene Akzente zu setzen. Aktive Betroffene, unterstützt durch kompetente anwaltliche Vertreter*innen, können Öffentlichkeit in das Verfahren bringen, bspw. durch Pressearbeit oder indem sie Stellungnahmen im Verfahren abgeben und die gesellschaftspolitische Relevanz thematisieren. Die Beteiligungsmöglichkeiten für Betroffene im Strafverfahren eröffnen einen Aktionsraum, der nicht nur auf den Täter selbst zielt, sondern darüber hinaus strukturelle Probleme thematisieren kann. Im Weiteren können Betroffene - die als Zeug*innen sonst bloße Beweismittel im Strafverfahren sind - aktiv auftreten und mit ihrer anwaltlichen Vertretung dafür sorgen, dass sexistisches, retraumatisierendes Verhalten der Ermittlungsbehörden verhindert bzw. eingeschränkt wird. 

Personen, die Interesse an einer aktiven Beteiligung am Strafverfahren haben, sollten sich unbedingt anwaltlich beraten und ggf. vertreten lassen.

2. Straftatbestände

Nach § 201 a StGB - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen wird u.a. bestraft, wer "von einer anderen Person, die sich in einem gegen Einblick geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt" (leicht verkürzt § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie wer eine, durch solch eine Tat hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht (§ 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB). Den Darstellungen im Beitrag von STRG_F ist zu entnehmen, dass sich der Täter durch die von ihm verwendeten – egal, ob dieser die Aufnahmen selber angefertigt hat oder "nur" verwendet hat - strafbar gemacht hat. Auch bei den Aufnahmen vom „Fusion“ Festival ist sowohl die Alternative des „Herstellens“ als auch des „Übertragens“ erfüllt.

Auch § 33 Kunsturhebergesetz ist durch das Verbreiten der Bilder erfüllt. Danach ist strafbar, wer ein Bildnis ohne Einwilligung des oder der Betroffenen verbreitet.

Darüber hinaus müssten im Fall von „Monis Rache“ die per Chat versandten Äußerungen - sofern auffindbar - auf den Straftatbestand der Beleidigung geprüft werden.
 
3. Verjährungsproblematik

Taten nach dem Straftatbestand des § 201 a StGB verjähren nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), da die Höchststrafe zwei Jahre Freiheitsstrafe beträgt. Eine Verjährungsproblematik besteht daher derzeit nicht.

Zwar ist der Strafrahmen nach § 33 Kunsturhebergesetz auf maximal ein Jahr begrenzt, so dass man zumindest bei „Monis Rache“ an eine Verjährung denken könnte. Ausweislich der Reportage fand das Verbreiten der Bilder aus dem Jahr 2016 auch noch in darauffolgenden Jahren statt, so dass keine Verjährung eingetreten ist. 

Es sollte allerdings seitens der Ermittlungsbehörden dafür Sorge getragen werden, dass die Verjährung nunmehr durch Bekanntgabe an den Täter, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, unterbrochen wird.

4. Ablauf des Verfahrens

a) Strafanzeige

Die Strafanzeige ist zunächst nur die bloße Mitteilung an die Behörden, dass eine Straftat geschehen ist. Eine Strafanzeige muss nicht durch die Betroffenen gestellt werden, sondern kann von jede*r Person erstattet werden. Ausweislich der Presseverlautbarungen liegen der Polizei diverse Strafanzeigen vor.

Die Polizei bittet nunmehr darum, dass potentiell Betroffene (weitere) Strafanzeigen stellen. Es besteht allerdings keine Pflicht für potentiell Betroffene sich zu melden. 

b) Strafantrag

Sowohl bei § 201 a StGB als auch dem Straftatbestand nach § 33 KunstUrhG handelt es sich um ein sogenanntes Antragsdelikt. Dies bedeutet prinzipiell, dass die Straftat nur verfolgt wird, wenn ein*e Geschädigte*r einen Strafantrag stellt. Auch daher mag die Aufforderung der Polizei rühren, sich zu melden. Es wird zur Strafverfolgung ggf. ein Strafantrag einer im strafrechtlichen Sinne tatsächlich betroffenen Person benötigt. Es ist Betroffenen zu raten, prinzipiell Strafantrag "aus allen in Betracht kommenden tatsächlichen und rechtlichen Umständen" zu stellen. Zu beachten ist insofern auch, dass die Strafantragsfrist drei Monate nach Kenntnis von Tat und Täter betrifft. Insoweit ist möglicherweise Eile geboten.

Die Strafverfolgung nach § 201 a StGB, wohl aber die Verfolgung nach § 33 KUrhG, ist nicht an das Vorliegen eines Strafantrags geknüpft. Vielmehr kann die Staatsanwaltschaft das sog. besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen und die Tat dann sozusagen von Amts wegen, also auch ohne das Vorliegen eines Strafantrags durch eine tatsächlich verletzte Person, verfolgen.

Wir vertreten die Ansicht, dass bei der Tat das besondere öffentliche Interesse zu bejahen ist. Denn es handelt sich um eine Vielzahl von potentiell und wahrscheinlich auch tatsächlich betroffenen Personen. Tatsächlich betroffen iSv § 201 a StGB ist nämlich bereits jede*r von der oder dem Bildaufnahmen gefertigt wurden. Im Weiteren ist das besondere öffentliche Interesse auch aufgrund der breiten Ausstrahlungswirkung zu bejahen. Die Aufnahmen wurden im öffentlichen Bereich einer Veranstaltung, die wahrscheinlich auch durch Jugendliche besucht wurde, gefertigt. Die Tat hat nicht nur Auswirkung auf individueller Ebene auf die direkt betroffenen Personen, sondern auch auf sämtliche potentiell betroffene Personen. All jene fragen sich nunmehr, ob Aufnahmen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich wahrscheinlich nur schwer widerruflich in den Weiten des Internets geteilt werden. Darüber hinaus hat die Tat eine gesellschaftliche Wirkung, von der Frauen bzw. all jene, die als Frauen wahrgenommen werden, betroffen sind. Veröffentlicht wurden ausschließlich Aufnahme von Frauen*. Die sexistische Komponente der Tat hat eine gesellschaftliche Dimension und beinhaltet implizit die Bedrohung aller Frauen*, stets Gefahr zu laufen, wenn sie sich in öffentliche Räume begeben, sexualisierten Übergriffen ausgesetzt zu sein und dass etwa intime Bilder ohne ihr Wissen angefertigt und veröffentlicht werden. Dies kann zu Vermeidungs- und Rückzugsstrategien von Frauen aus dem öffentlichen Raum führen. Für solche Botschaftsdelikte ist daher nach hier vertretener Auffassung auch über die Anwendung von Nr. 86 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen. 

b) Datenmaterial

Ob der Polizei Videomaterial vorliegt oder nicht, ist (bisher) nicht bekannt. Fakt ist, dass die Journalistin der Reportage StrG_F nicht verpflichtet ist, ihr Material zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich ist sie aber auch nicht daran gehindert.

Es ist Aufgabe der Polizei zu ermitteln, ob die Plattform die Daten - auch bei Selbstlöschung des Accounts - gespeichert hat und zur Herausgabe an die Ermittlungsbehörden verpflichtet werden kann.

c) Zeug*innen

Betroffene, aber auch andere Personen, die Wissen zur oder um die Straftat haben, kommen als Zeug*innen im Verfahren in Betracht. Spätestens vor Gericht sind sie zum Erscheinen und stets zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Sollten den Ermittlungsbehörden und später dem Gericht Bildaufnahmen vorliegen, müssen Betroffene davon ausgehen, dass den vernehmenden Personen das häufig als kompromittierend empfundene Bildmaterial bekannt ist.
Denjenigen Personen, die Aussagen bei der Polizei machen wollen oder müssen sei geraten darum zu bitten, dass zumindest eine weibliche Beamt*in die Zeug*innenvernehmung durchführt.

Dies ist vor Gericht aber nicht möglich. Der oder die zuständige Richter*in bestimmt über einen sogenannten Geschäftsverteilungsplan, von dem nicht abgewichen werden darf. Ggf. kann die Zeug*innenvernehmung bei Gericht auf Antrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden, jedenfalls kann verhindert werden, dass die Bilder in öffentlicher Hauptverhandlung gezeigt werden.
Die Ermittlungsbehörden werden versuchen, das vorhandene Bildmaterial mit den Bildern von Anzeigenerstattenden zu vergleichen. Dies können sie, so wie sie es im Bereich der Kinderpornografie einsetzen, anhand von Bilderkennungsprogrammen versuchen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie die betroffenen Personen Einblick in sichergestelltes Bildmaterial geben, damit die Personen ggf. sich selbst identifizieren können.

c) Akteneinsicht

Prinzipiell besteht für im strafrechtlichen Sinne tatsächlich Betroffenen die Möglichkeit der Akteneinsicht. Problematisch wird hier zunächst darzustellen, ob eine Person tatsächlich betroffen ist. Wahrscheinlich wird es keine Akteneinsicht in die gesamten Videodateien geben, da damit höchstpersönliche Rechte anderer verletzt werden können.

5. Möglichkeiten einer aktiven Beteiligung von Betroffenen am Verfahren

Es gibt für Betroffene durchaus die Möglichkeit sich aktiv am Strafverfahren zu beteiligen. Allerdings besteht die Hürde, dass dies nur für jene Personen gilt, die tatsächlich betroffen sind. D.h. Personen, von denen Bildaufnahmen gefertigt wurden. (Potentiell) betroffene Personen, die eine aktive Beteiligung am Verfahren wünschen, wird geraten sich an einen Anwalt/eine Anwältin (möglichst mit Erfahrung in der Betroffenenvertretung) zu wenden und die Optionen zu besprechen. Prinzipiell ist jede Person im strafrechtlichen Sinne tatsächlich betroffen, die sich auf einem der DIXI-Toiletten befunden hat während Aufnahmen gemacht wurden. Auf die Veröffentlichung / Verbreitung der Aufnahmen kommt es zumindest hinsichtlich einer Strafbarkeit nach § 201 a StGB gerade nicht an (wohl aber für eine Strafbarkeit nach § 33 KUrhG)

a. Nebenklage

Nebenklage bedeutet prinzipiell, dass sich Betroffene bestimmter Straftaten der Anklage der Staatsanwaltschaft anschließen können. Betroffene sind somit nicht "nur" reine Beweismittel (Zeug*innen) im Verfahren, sondern haben eine eigenständige Rolle als Verfahrensbeteiligte. Prinzipiell raten wir zur anwaltlichen Vertretung, um eine effektive Wahrnehmung gewährleisten zu können. Allerdings muss die Nebenklage durch das Gericht zugelassen werden.

Das sieht das Gesetz (§ 395 Abs. 1 StPO) bei Verstößen gegen das Kunsturhebergesetz vor, so dass sich hier aus dem Gesetz die Möglichkeit zur Nebenklage ergibt. Dabei ist aber zu beachten, dass iSd § 33 KUrhG wohl nur diejenigen Personen als Betroffene gelten dürften, deren Aufnahmen tatsächlich verbreitet wurden. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass die Verletzung von § 33 KUrhG nur auf Antrag geschieht, hier also ein fristgemäßer Strafantrag von Nöten ist.

Das Gesetz sieht allerdings in § 395 Abs. 3 StPO auch für andere Delikte, worunter auch die Verletzung von § 201a StPO zählen könnte, die Nebenklage vor, wenn "dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner (gemeint ist der oderdie Betroffene) Interessen geboten erscheint". Darunter würden alle Betroffenen fallen, von denen Bildmaterial angefertigt wurde; auf eine Verbreitung kommt es insoweit nicht an.

Sollten sich also Personen zur aktiven Beteiligung entschließen, würde anwaltlicherseits versucht werden eine Zulassung zur Nebenklage zu erreichen.

b. Adhäsionsklage

Sollte das Gericht eine Nebenklage von Personen, von denen ausschließlich Aufnahmen erstellt, aber nicht verbreitet wurden, nicht zulassen, gäbe es darüber hinaus die Möglichkeit, sich als Betroffene*r dem Strafverfahren im Rahmen einer sog. Adhäsionsklage anzuschließen. Dies bedeutet, dass Schmerzensgeldansprüche, die eigentlich in einem gesonderten Zivilverfahren geltend gemacht werden könnten, im Strafverfahren geklärt werden können und die Betroffenen hierdurch am Verfahren zu beteiligen sind. Vorteil eines Adhäsionsverfahrens gegenüber einem zivilrechtlichen Verfahren ist, dass bestimmte Beweislastregelungen für die Betroffenen günstiger sind, dass - so das Strafgericht die Schuld des Täters als erwiesen ansieht - auch über den Schmerzensgeldanspruch entsprechend entschieden wird und kein ganz neues Verfahren angestrebt werden muss. 

c. Strafbefehl

Nebenklage und Adhäsionsklage kommen nicht in Betracht, wenn das Gericht das Verfahren im Rahmen eines sog. Strafbefehls oder per Einstellung beendet. Ein Strafbefehl ist quasi ein Urteil ohne mündliche Verhandlung, gegen den der oder die Täter*in ggf. mit einem Einspruch eine mündliche Verhandlung erzwingen kann. Darüber hinaus existieren im Gesetz diverse Einstellungsnormen, die eine Beendigung des Verfahrens ohne Verurteilung nach sich ziehen, auch wenn der oder die Beschuldigte als Täter*in recht wahrscheinlich ist. Bei bestimmten Einstellungen steht Betroffenen, die beantragt hatten über den Ausgang des Verfahrens informiert zu werden, eine Beschwerdemöglichkeit zu. 

d. Risiken bei Nebenklage und Adhäsionsklage

Prinzipiell sind beide Verfahrensarten mit einem Kostenrisiko für die Betroffenen verbunden. Es besteht für bedürftige Betroffene zwar die Möglichkeit Prozesskostenhilfe zu beantragen, jedoch steht dies unter weiteren rechtlichen Hürden. So sich Betroffene daher für die aktive Verfahrensbeteiligung entscheiden, wird daher dringend dazu geraten die Kosten - auch für die anwaltliche Vertretung - finanziell abzusichern, da diese mehrere tausend Euro betragen können. 

e. Privatklage

Sollte das Gericht das Verfahren gegen den Täter einstellen - wovon nach obigen Ausführungen erstmal nicht ausgegangen wird - gäbe es die Möglichkeit ein Strafverfahren gegen den Täter im Rahmen der sogenannten Privatklage durchzuführen. Dabei übernehmen die Betroffenen die Rolle der Staatsanwaltschaft (wobei die Staatsanwaltschaft auch während des Privatklageverfahrens einfach wieder in das Verfahren eintreten kann). Das Privatklageverfahren wird unsererseits eher kritisch gesehen, da es hohe Risiken für die Betroffenen birgt.

f. Zivilrechtliches Verfahren

Grundsätzlich werden bei dem Nachweis, dass Bilder, die von einer Person heimlich angefertigt und verbreitet wurden, Schmerzensgeldansprüche bestehen. Diese können entweder wie oben dargestellt in einem Adhäsionsverfahren, oder auch zivilrechtlich geltend gemacht werden. Dabei wird es bei der Schmerzensgeldhöhe auf die Verbreitung der Bilder, die Löschbarkeit der Daten und die Auswirkung auf die konkrete Person ankommen.

Möglicherweise ist hier der Zivilrechtsweg für Betroffene, die nachweisen können, dass ihre Bilder veröffentlicht wurden, eine sehr gute Variante, um eigene Rechte durchzusetzen. Dabei besteht jedoch stets ein Kostenrisiko.

6. Weitere Beteiligte

Prinzipiell bestand für diejenigen Personen (sog. Erstkontaktgruppe bei „Monis Rache“) keine Anzeigepflicht bezogen auf die bereits begangenen Straftaten. Sollte sich jemand an der Beseitigung von Beweismitteln beteiligt haben, käme eine Strafbarkeit wg. Strafvereitelung (§ 258 StGB) in Betracht.

Personen, die das Videomaterial weiter geteilt oder auf andere Plattformen hochgeladen haben, sind ebenso nach § 201 a StGB und § 33 KUrhG strafbar.

7. Löschungsanspruch gegen Plattformen

Selbstverständlich sollten Betroffene, so Kenntnis besteht, dass Bildmaterial auf Plattformen von ihnen nach wie vor verfügbar ist, unverzüglich die Löschung einfordern. Es besteht ein Löschungsanspruch. Wir raten aber dazu, vor der Löschung die Beweise justiziabel zu sichern. Also bitte Screenshots machen, möglichst mit URL und allen weiteren Daten.

8. Anwaltliche Vertretung/rechtliche Beratung

Insgesamt raten wir Betroffenen dringend, sich weitergehende rechtliche Beratung einzuholen. Sie sollten, so sie weitergehende Beratung und/oder anwaltliche Vertretung wünschen, sich an spezialisierte Beratungsstellen wenden. Kontakte zu Anwält*innen können auch über die Anwaltssuche des RAV (https://anwaltssuche.rav.de/) oder die örtliche Rechtsanwaltskammer erreicht werden.

Verfasserinnen:
RAin Dr. Kati Lang (Dresden)
RAin Christina Clemm (Berlin)
RAin Katharina Gamm (Berlin)
RAin Kristin Pietrzyk (Jena)

Berlin, 05.02.2020

Rechtslage (PDF)

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Feminismus Sexualisierte Gewalt
news-673 Tue, 04 Feb 2020 14:28:45 +0100 Aufruf zur Teilnahme<br />#WirHabenPlatz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wirhabenplatz-673 Überregionaler Seebrücken-Aktionstag, Samstag 8.2.20 Unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus den Lagern auf den griechischen Inseln nach Deutschland evakuieren!

Alle Informationen zu den dezentralen Protestaktionen finden sich hier.

In Berlin können sich RAV-Mitglieder, Freund*innen etc. um 14 h unter dem roten RAV-Transparent "Kein Mensch ist illegal" an der Straßenecke Werderscher Markt/Schinkelplatz zusammenfinden.

....

Aus dem Aufruf der Seebrücke

Schon viel zu lange sitzen Kinder, Jugendliche, Familien und Einzelpersonen in überfüllten Lagern auf griechischen Inseln fest. Die Lebensbedingungen in diesen Lagern sind unmenschlich: Es gibt kaum Infrastruktur, Menschen müssen in bitterer Kälte draußen schlafen – ohne jeglichen Schutz. Mehr als 40.000 Menschen werden in diesen Lagern festgehalten, darunter auch über 4.000 unbegleitete minderjährige Menschen.

Dutzende Kommunen und Bundesländer in ganz Deutschland sagen: Wir haben Platz und wollen Kinder und Jugendliche  aus griechischen Lagern aufnehmen. Doch Innenminister Seehofer blockiert – und die Kinder können nicht nach Deutschland kommen. 

Wir sagen, es ist Zeit für Druck auf der Straße! JETZT ist die Zeit gekommen, den Widerstand des Bundesinnenministeriums zu brechen und tatsächlich Menschen aus den Lagern nach Deutschland zu evakuieren! 

Deshalb fordern wir am 08. Februar 2020 gemeinsam:

Wir rufen auf zu einem dezentralen Aktionstag mit Kundgebungen vor den Büros der Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD!
Macht Lärm, ladet die Presse ein, schafft öffentliche Aufmerksamkeit und macht es in der ganzen Stadt bekannt: Wir wollen aufnehmen – unsere Abgeordneten sind jetzt dafür verantwortlich, die Blockade des Innenministers zu beenden und die Aufnahme der Kinder zu ermöglichen!

Schon zwei Tage nach unserem Aktionstag fahren alle Abgeordneten zur Sitzungswoche des Bundestages! Machen wir genug Druck, geben sie ihn direkt in Berlin an Seehofer weiter – so könnten wir ihn zum Handeln zwingen!
....

Bisher angemeldet (Aktualisierungen unter https://seebruecke.org/so-beteiligst-du-dich-am-aktionstag-wirhabenplatz/) :

12:00 Krefeld - FlashMob - Krefeld hat Platz!

10:00 Mannheim Mahnwache zum Aktionstag

14:00 Bielefeld Demo - Wir haben Platz!

14:00 Bielefeld  #WirHabenPlatz Aktionstag Bielefeld

14:00 Berlin Demo: WIR HABEN PLATZ – Aufnahme jetzt ermöglichen!

14:00 Dortmund #WirHabenPlatz – Aktionstag der Seebrücke - auch in Dortmund

12:00 Hamburg Aktion #WirHabenPlatz der Seebrücke Hamburg

11:00 Köln Demo: Wir Haben Platz!

19:30 Bonn Trinken gegen das Ertrinken - Die Kneipentour

13:00 Wuppertal Mahnwache "Junge Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen!"

16:00 Frankfurt Mahnwache #WirHabenPlatz

18:30 München Kundgebung: WIR HABEN PLATZ - Evakuiert die griechischen Lager!

12:00 Lüneburg Kundgebung: Wir haben Platz!

11:00 Göttingen Wir Haben Platz – Aktionstag in Göttingen

10:00 Freiburg Griechenland: Aufnahme jetzt!

10:00 Oldenburg Aktionstag "Wir haben Platz!"

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Griechenland Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet)
news-672 Thu, 23 Jan 2020 12:35:46 +0100 Tag der gefährdeten Anwält*innen am 24.01.2020 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-gefaehrdeten-anwaelt-innen-am-24-01-2020-672 Pressemitteilung, 23.01.2020 In diesem Jahr, am 24. Januar 2020, begehen wir den 10. Jahrestag des Tages des gefährdeten Anwalts, der bedrohten Anwältin. An diesem Tag finden in vielen Städten weltweit Kundgebungen von Rechtsanwält*innen vor den pakistanischen Botschaften statt, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen, so auch in Berlin.

In den vergangenen Jahrzehnten waren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Pakistan allein wegen der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten Opfer von Massenterror, Mord, Mordversuchen, Übergriffen, (Todes-)Drohungen, Missachtungsverfahren, Schikanen und Einschüchterungen sowie gerichtlicher Schikane und Folter in der Haft. Als Reaktion auf all diese wiederholten Angriffe streiken, demonstrieren, protestieren und boykottieren pakistanische Anwältinnen und Anwälte.

Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins: „Wir fordern die pakistanische Regierung und das Parlament auf, dafür zu sorgen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Pakistan ihre beruflichen Pflichten in Sicherheit und ohne Angst vor Repressalien oder Angriffen ausüben können, wie es die UN-Grundprinzipien über die Rolle der Rechtsanwälte verlangen.“

Aus diesem Anlass findet am morgigen Freitag, den 24.01.2020, um 13:00 Uhr eine Kundgebung vor der pakistanischen Botschaft in Berlin, Schaperstraße 29, 10719 Berlin, statt; wir werden dem Botschafter dort eine entsprechende Petition übergeben.

Kontaktdaten:

Dr. Lukas Theune, lukas.theune@rav.de

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

PM_deutsche Fassung (PDF)

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Tag des bedrohten Anwalts Freie Advokatur (doublet) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet) Pressemitteilung Freie Advokatur
news-671 Fri, 17 Jan 2020 16:13:07 +0100 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-bekaempfung-des-rechtsextremismus-und-der-hasskriminalitaet-671 Stellungnahme des RAV, 17.1.2020 Verfasserinnen: RAin Dr. Kati Lang, RAin Kristin Pietrzyk

Vorbemerkung
 
Prinzipiell wird die Intention gegen Taten, die aus rassistischen, antisemitischen, sozialdarwinistischen oder heteronormativen Beweggründen begangen werden (Hasskriminalität) engagiert vorzugehen, begrüßt. Allerdings dient eine Vielzahl der Vorschläge, unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechtsextremismus der abzulehnenden Ausweitung des Strafrechts sowie abzulehnenden Erweiterung von Zugriffsrechten für die Ermittlungsbehörden. Sie räumen den Sicherheitsorganen, die insbesondere im Rahmen der Aufklärung von rechten Gewalttaten und Terrors immer wieder in der Kritik standen, noch mehr Befugnisse ein, statt wirksame Instrumente für Betroffenengruppen (bspw. unabhängige Meldestellen, Bekämpfung von racial profiling etc.) zu installieren. Diesseits wird - insgesamt betrachtet - weniger ein Regelungs- als ein Vollzugsdefizit gesehen. 
 
Der Gesetzesentwurf versucht insbesondere im Bereich des Strafgesetzbuches, den gesellschaftlichen Rechtsruck und die Verrohung im gesellschaftlichen Umgang mit erhöhten Strafen zu begegnen. Gesellschaftliche Probleme sind in den seltensten Fällen über das Strafrecht zu lösen. Der RAV setzt sich daher für die Stärkung einer solidarischen Gesellschaft, lebendigen Zivilgesellschaft sowie unabhängige Demokratie- und Beratungsstellen ein. Das Ziel des Gesetzentwurfes wäre durch eine gesicherte, verstetigte Finanzierung und Unterstützung von unabhängigen Demokratieprojekten, Beratungs- und Forschungsstellen eher zu erreichen als mit der Erweiterung von Straftatbeständen. 
 
I. Meldepflicht für Diensteanbieter*innen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz
 
Der Gesetzesentwurf sieht laut Anschreiben an die Verbände und Fachkreise vor, dass Diensteanbieter*innen nach dem NetzDG zukünftig für Inhalte und IP-Adressen meldepflichtig an das Bundeskriminalamt sind, wenn die Inhalte insbesondere Morddrohungen und Volksverhetzungen enthalten. In der Änderung des NetzDG ist jedoch von dieser Einschränkung keine Rede mehr. Vielmehr sieht der neu zu schaffende § 3a NetzDG vor, dass der Anbieter eines sozialen Netzwerks alle Inhalte übermitteln muss, die dem oder der Anbieter*in in einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte gemeldet worden sind, die der oder die Anbieter*in entfernt oder gesperrt hat und bei denen Anhaltspunkte auf die Verwirklichung bestimmter Straftatbestände vorliegen. Zu übermitteln sind sodann der Inhalt des Beitrages sowie die IP-Adresse des oder der Nutzer*in. 
 
Damit wird nicht nur den Betreiber*innen von sozialen Netzwerken die Prüfung eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer Straftat auferlegt und damit ein Teil der Strafermittlung und -verfolgung auf Private umgewälzt. Vielmehr ermöglicht der Entwurf eine umfangsreiche Datenweitergabe aus den sozialen Netzwerken an das Bundeskriminalamt: 
 
Die Praxis zeigt, dass insbesondere Personen des rechten Spektrums oftmals in den sozialen Netzwerken durch massenhafte Beschwerden gegen andere Personen zur Löschung von Beiträgen oder temporären Sperrungen von Nutzer*innen beitragen. Mithin ermöglicht der Gesetzentwurf, es auf diesem Weg gerade auch rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen, unliebsame Personen durch die Meldepflicht der Anbieter*innen mittelbar beim Bundeskriminalamt bekannt zu machen. 
 
Schlussendlich wird damit die Meinungskundgabe in sozialen Netzwerken aus Angst vor unbegründeten Meldungen an das Bundeskriminalamt eingeschränkt werden. Dem kann auch nicht durch die in § 3a NetzDG niedergelegten Meldevoraussetzungen begegnet werden. Im Zweifel werden - um Sanktionen zu vermeiden - eher Meldungen durch die Anbieter*innen erfolgen, bei denen die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Wie das Bundeskriminalamt mit den gemeldeten Daten verfährt, wenn sich herausstellt, dass die Meldevoraussetzungen nicht erfüllt sind, ist dem Entwurf nicht zu entnehmen.  
 
II. BKA-Gesetz / StPO / Telemediengesetz 
 
Die vorgeschlagenen Änderungen der StPO haben keinen expliziten Bezug zum mitgeteilten Ziel des Gesetzentwurfs. Die Datenerhebungsbefugnisse der Ermittlungsbehörden werden pauschal auf Nutzungsdaten (Änderungsvorschlag zu 100g und 100j StPO) und die Auskunftsverpflichtung auf Diensteerbringer*innen im Sinne des Telemediengesetzes erweitert. Damit ist nun nicht mehr nur Telekommunikation im technischen Sinne ausforschbar. Nunmehr sollen alle Diensteanbieter*innen im Sinne des Telemediengesetzes verpflichtet sein, Auskunft über ihre Nutzer*innen zu geben. 
 
Diese Erweiterung der Auskunftsverpflichtung betrifft jedoch nicht nur Auskünfte gegenüber Ermittlungsbehörden, sondern auch gegenüber den Verfassungsschutzämtern (§ 15a Abs. 3 Nr. 3 TelemedienG - Entwurf).
 
Es ist festzustellen, dass unter dem Deckmantel, den Kampf gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus zu verstärken, erneut die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden erweitert werden sollen. 
 
 III. Änderungen des Strafgesetzbuches

 1. Erweiterung von Straftatbeständen – Vorverlagerung von Strafbarkeit
 
Grundsätzlich ist die erneute Schaffung von Tatbeständen, die weit im Vorfeld einer rechtswidrigen Tat eine Strafbarkeit eröffnen, abzulehnen. Es ist dem Strafrecht grundsätzlich fremd, Sanktionen für nicht begangene Handlungen auszusprechen. Immer wieder Straftatbestände im Bereich der Vortat zu schaffen oder zu erweitern, begegnet grundsätzlichen Bedenken.
 
Die Ausweitung des Straftatenkatalogs in § 126 StGB wird daher abgelehnt. Es wird eine Vielzahl von Äußerungen pönalisiert, die gerade keine Androhung einer schweren Straftat darstellen. Die gefährliche Körperverletzung stellt im Unterschied zu den bisher in § 126 StGB aufgezählten Straftatbeständen ein Massendelikt dar. 

Eine damit verbundene weitere Vorverlagerung stellt die vorgeschlagene Ausweitung von § 140 StGB dar. Dies würde bspw. bedeuten, dass jeder "Like" im web2.0 unter unstreitig widerlichen Kommentaren wie "der ... werde ich ordentlich die Fresse polieren" oder "dem werden wir das Maul stopfen" in den Bereich der Strafverfolgung gelangen könnten. Sympathiebekundungen für solche Äußerungen sind selbstverständlich verachtenswert und es ist ihnen gesellschaftlich entschieden entgegenzutreten. Ob jedoch das Strafrecht das richtige Mittel ist, die verbale Verrohung gesellschaftlicher und politischer Debatten zu begrenzen, darf mehr als nur bezweifelt werden. 
 
Insoweit § 241 StGB in seiner jetzigen Fassung gesellschaftliche Macht- und Hierarchieverhältnisse manifestiert, nämlich dadurch, dass die Person mit der schwächeren (gesellschaftlichen) Position zu einer stärkeren - und damit pönalisierten - Drohung greift, wogegen es dem oder der (gesellschaftlich) Stärkere*n ausreicht eine Drohung auszusprechen, die nicht pönalisiert ist, kann die Antwort nicht sein, dass eine nahezu uferlose Ausweitung von Strafbarkeit bis hin zur Drohung mit einer einfachen Körperverletzung geschaffen wird.

Auch hier gilt im Weiteren, dass das Strafrecht für die Bekämpfung von verbaler Verrohung der falsche Ort ist.
Aus den vorgenannten Gründen wird auch die Qualifikation in § 241 Abs. 4 StGB-E als untauglich angesehen.

Hinzu tritt, dass schon vorurteilsmotivierte Gewalttaten aufgrund personeller Defizite bei den Strafverfolgungsbehörden nach wie vor häufig mangelhafte Bearbeitung erfahren. Mit welchen personellen Ressourcen die hier angestrebte Strafverfolgung tatsächlich umgesetzt werden soll, lässt der Entwurf offen. 
 
2. Verbesserter Schutz von Kommunalpolitiker*innen 
 
Vorab sei angemerkt, dass die nach wie vor bestehende Fokussierung auf Staats- statt auf Menschenrechtsschutz kritisiert wird. Weshalb für die Aufrechterhaltung und den Schutz von Demokratie Politiker*innen als schützenswerter angesehen werden, als bspw. Repräsentant*innen der Zivilgesellschaft, - hingewiesen sei auf die massiven Bedrohungen gegen Anetta Kahana (Vorsitzende Amadeu-Antonio-Stiftung) - erschließt sich nicht.
 
Solange unter Sicherung von Demokratie jedoch der Schwerpunkt auf dem Schutz des Staates und seiner Organe verstanden wird, gibt es aus hiesiger Sicht keinen Grund Kommunalpolitiker*innen schlechter zu stellen als die auf landes-, bundes- oder europäischer Ebene tätigen Personen. Der Erweiterung von § 188 StGB auf Kommunalpolitiker*innen wird insoweit nicht entgegengetreten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum gerade Kommunalpolitiker*innen, also jene, die am häufigsten "am nähesten" dran und überwiegend ehrenamtlich tätig sind, weniger schützenswert sein sollen. Demokratie lebt vom gesellschaftlichen Engagement vor Ort. Derzeit sind immer wieder (auch) Kommunalpolitiker*innen heftigen Anfeindungen, Beschimpfungen und Schmähungen ausgesetzt. Teils so massiv, dass sie ihr Engagement für die Gesellschaft beenden. Beispielhaft genannt sei die Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf Martina Angermann (SPD), die, nachdem sie sich klar gegen Rechts positioniert hatte, dauerhaft Angriffen ausgesetzt sah und schließlich zurücktrat.
 
3. Verbesserter Schutz von medizinischen Personal in ärztlichen Notdiensten und Notfallambulanzen
 
Auch hier sei angemerkt, dass die Schaffung immer neuer Straftatbestände die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Probleme wohl nicht lösen wird. Konkret wird kritisiert, dass Zivilist*innen (Ärzt*innen, Rettungssanitäter*innen etc.) in die Nähe von „Staat“ konstruiert werden. Wenn eine Regelungslücke für die, durch den Gesetzesentwurf benannten Personengruppen, die ohne Frage wie viele andere Berufsgruppen auch achtenswerten Dienst am Einzelnen und der Gesellschaft leisten, gesehen wird, so wäre eine Regelung im Bereich des § 323 c StGB anzusiedeln.
 
4. Strafzumessung „vorurteilsmotivierte Beweggründe“
 
Die Konkretisierung des § 46 Abs. 2 StGB wird grundsätzlich begrüßt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass nicht erneut der Fehler begangen werden sollte, Betroffenengruppen auszuschließen. Die Aufnahme von antisemitischen Beweggründen in die Strafzumessungsnorm wäre von Beginn an angezeigt gewesen. Klarstellend sollte zumindest in der Gesetzesbegründung aufgeführt werden, dass die, wie von der Bundesregierung beschlossen, internationale Antisemitismusdefinition (IHRA) zur Auslegung heranzuziehen ist. 
 
Im Zuge der Veränderung sollte die Chance genutzt werden weitere Betroffenengruppen, die vorurteilsmotivierten Angriffen ausgesetzt sind, klarstellend aufzunehmen. Die Subsumption von Betroffenengruppe unter den Auffangtatbestand der "sonstigen menschenverachtenden Beweggründe" wurde bereits im Jahr 2014 zu Recht gerügt. 
 
"Behinderte Menschen werden nicht Opfer von Hasskriminalität, weil sie Menschen sind, sondern weil sie eine Behinderung haben. (...) Minderheiten in einen Sammelbegriff zu packen ist genau das, was das Gesetz eigentlich gerade nicht tun sollte. Es sollte die besondere Situation der Opfer würdigen und transparent machen, dass es Straftaten gibt, die begangen werden, weil das Opfer eine Behinderung, eine bestimmte sexuelle Orientierung, eine andere Herkunft oder eine bestimmte Religion hat." (https://blog.zeit.de/stufenlos/2014/08/29/nicht-die-erwaehnung-wert-hasskriminalitaet/, Link, Christiane 29.08.2014)

Der Lesben- und Schwulenverband LSVD kritisierte im damaligen Verfahren, dass es ein Ausdruck von Missachtung (ist), wenn ein Gesetz gegen Hasskriminalität diese Formen von Gewalt in der Floskel »sonstige menschenverachtende« Beweggründe versteckt. Alle Erfahrung zeigt: Wenn homophobe und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich mitbenannt ist, wird diesen Beweggründen in der Praxis von Polizei und Justiz zu wenig nachgegangen. (https://www.lsvd.de/de/ct/372-Gesetzesentwurf-zu-Hasskriminalit%C3%A4t-macht-Homo-und-Transphobie-unsichtbar , LSVD, 14.11.2014)
 
Insofern wird angeregt, eine Formulierung zu finden, die ebenfalls Angriffe aus sozialdarwinistischen (bspw. Angriffe auf Wohnungslose und Menschen mit Behinderung) und heteronormativen Beweggründen (Taten aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität) umfasst.
 
Der Begriff "fremdenfeindlich" sollte gestrichen werden, da für diesen (schon jetzt) - neben den rassistischen Beweggründen - kein Anwendungsbereich verbleibt.  Der Begriff impliziert eine auf Emotionen beruhende Angst vor »dem Fremden« und läuft Gefahr, die gesellschaftlichen Ursachen von Diskriminierung zu bagatellisieren. Auch kann er schnell vom eigentlichen Problem ablenken, denn Opfer von Angriffen werden nicht »Fremde« per se, sondern nur ganz bestimmte Minderheiten.

Dresden/ Jena, 17.01.2020

StN als PDF

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Stellungnahmen
news-657 Wed, 18 Dec 2019 14:51:16 +0100 Tag des bedrohten Anwalts 2020 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-bedrohten-anwalts-2020-657 24. Januar 2020 | 13 Uhr Aufruf zur Teilnahme an einer Kundgebung vor der Botschaft von Pakistan in Berlin Der RAV wird anlässlich des "Tag des bedrohten Anwalts" am Freitag, 24.01.2020 um 13 Uhr gemeinsam mit der RAK-Berlin und vermutlich auch wieder mit der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und der VDJ zur Kundgebung vor der Botschaft von Pakistan in Berlin aufrufen, um auf die Situation der Kolleg*innen in Pakistan aufmerksam zu machen.
Wie in jedem Jahr werden zeitgleich in vielen anderen europäischen Städten ebensolche Protestaktionen von Anwaltsorganisationen durchgeführt werden.

24.01.2020. um 13 Uhr
Botschaft der Republik Pakistan
Schaperstr. 29
10719 Berlin

Bitte merkt Euch den Termin vor und unterstützt Eure Kollegen und Kolleginnen mit dieser Solidaritäts- und Protestaktion.

Zur Vorabinformation dient der Basic Report (PDF)
Weitere Details folgen Anfang Januar.

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Tag des bedrohten Anwalts Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)
news-653 Mon, 16 Dec 2019 10:35:13 +0100 40 Jahre RAV. Im Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/40-jahre-rav-im-kampf-um-die-freie-advokatur-und-um-ein-demokratisches-recht-653 Neuerscheinung, November 2019 Volker Eick, Jörg Arnold (Hrsg.)

40 Jahre RAV. Im Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht

ISBN: 978-3-89691-264-0
423 Seiten
Preis: 35,00 €

https://www.dampfboot-verlag.de/shop/artikel/40-jahre-rav

Die Gründung des Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) fällt, gesellschaftskritisch betrachtet, mit der Krise des fordistischen Gesellschaftsmodells und dem aufkommenden globalen Neoliberalismus deutscher Prägung zusammen. Anders betrachtet reagierten Anwältinnen und Anwälte mit dem Aufbau des RAV zum Schutz der Freiheit der Advokatur und von demokratischer Rechtsstaatlichkeit gegen den Sicherheitsstaat auf die Einschränkung von Freiheits- und Berufsrechten, auf Ehrengerichtsverfahren und drohende Berufsverbote gegen diejenigen, die Mitglieder der RAF und andere Linke als Beschuldigte verteidigten. Zugleich beginnt der RAV, als Teil der Bürgerrechtsbewegung national wie international für Menschenrechte zu streiten.

An den Protesten gegen das Atommülllager im Wendland, gegen die Treffen der G8- und G20-Eliten, für eine gerechte Mietenpolitik, für ein menschenrechtlich fundiertes Asyl- und Ausländerrecht ist der RAV ebenso beteiligt wie an der rechtspolitischen Kritik am Gefängnis-, Polizei- und Kriminalsystem.Die hier versammelten Beiträge stellen nicht nur ein Kaleidoskop der rechtspolitischen und verfahrensrechtlichen anwaltlichen Auseinandersetzungen der vergangenen vier Jahrzehnte dar, sondern benennen zugleich zukünftige Aufgaben im „Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht.“

Es schreiben u.a.: Berenice Böhlo, Helga Cremer-Schäfer, Herta Däubler-Gmelin, Rolf Gössner, Wolfgang Kaleck, Udo Kauß, Ulrike Lembke, Anna Luczak, Helmut Pollähne, Birgit Sauer, Tobias Singelnstein, Elke Steven, Peer Stolle, Antonia von der Behrens und Hartmut Wächtler.

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RAV-Historie
news-650 Wed, 27 Nov 2019 12:54:40 +0100 Wir fordern die sofortige Beendigung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit mit der Türkischen Republik! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-fordern-die-sofortige-beendigung-der-polizeilichen-und-justiziellen-zusammenarbeit-mit-der-tuerkischen-republik-650 Pressemitteilung, 27.11.2019 Die jüngere Geschichte der Türkei ist durch die Zerstörung rechtsstaatlicher Standards nach innen und völkerrechtswidrige Aggression und Kriegsverbrechen nach außen geprägt. Weder die Bombardierung der eigenen Zivilbevölkerung in den Jahren 2015 und 2016, noch die Umgestaltung des türkischen Staates zu einer Präsidialdiktatur in den Folgejahren hatten eine entschiedene Reaktion der europäischen Regierungen zur Folge. Die Entlassung von mehr als hunderttausend Staatsbediensteten, die Inhaftierung hunderter Journalist*innen und Rechtsanwält*innen, die drakonische Verfolgung und Bestrafung der Wahrnehmung demokratischer Rechte, Wahlmanipulationen und die Nichtanerkennung von Wahlergebnissen, die Erdoğan nicht passen, wie auch der völkerrechtswidrige Angriff auf den syrisch-kurdischen Kanton Afrin, waren für die europäischen Regierungen kein Anlass, die Zusammenarbeit mit dem Erdoğan-Regime in Frage zu stellen. Ein unsäglicher Grund hierfür ist das mit Erdoğan geschlossene Bündnis zur Verhinderung der Weiterwanderung flüchtender Menschen nach Kerneuropa.

Die Unterzeichnenden fordern angesichts der aktuellen Geschehnisse in Nordsyrien ihre jeweiligen Regierungen auf, endlich die längst überfälligen Konsequenzen gegenüber dem die Menschenrechte und Völkerrecht mit Füßen tretenden autoritären Erdoğan-Regime zu ziehen.

Die Athener Rechtsanwältin Yiota Massouridou von der EDA erklärt: »Der türkische Staat hat seine völkerrechtswidrige Aggression gegenüber den nordsyrischen Kurdinnen und Kurden offen mit dem Ziel eines Bevölkerungsaustauschs begründet. Ein Staat, der ethnische ›Säuberungen‹ propagiert, in dem die grundlegenden Bürger- und Menschenrechte nicht gelten, in dem blanke Willkür herrscht und der Völkerrechtsverbrechen begeht, darf von keiner europäischen Regierung als Partner behandelt werden«.

Wir fordern:

Angesichts der politischen Verfolgung jeglicher Opposition, der gewaltsamen Unterdrückung der kurdischen Minderheit und der offenkundigen Zusammenarbeit des türkischen Staates mit Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat, birgt die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit mit der Republik Türkei die reale Gefahr der Verstrickung europäischer Behörden in Unterdrückung, Folter und Staatsterrorismus.

Der Frankfurter (Main) Rechtsanwalt Stephan Kuhn vom Organisationsbüro der Deutschen Strafverteidigervereinigungen: »Nur durch den strikten Verzicht auf justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit mit türkischen Behörden lässt sich ausschließen, dass durch Informationen deutscher Behörden Unterdrückungsmaßnahmen, Folter und Unrechtsurteile in der Türkei erfolgen. Umgekehrt dürfen deutsche Gerichte und Behörden keine Informationen verwenden, denen offenkundig der Verdacht anhaftet, durch rechtsstaatswidrige Methoden gewonnen worden zu sein. Die Bundesregierung darf ein solches Regime durch Nichts unterstützen«.

* Avocats Européen Démocrates / European Democratic Lawyers (AED/EDL)
* Çağdaş Hukukçular Derneği | Progressive Lawyers Association
* European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH)
* Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
* Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
* Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
* Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)


Kontakt:
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Geschäftsstelle
kontakt@rav.de
Tel. +49 (0)30 41 72 35 55

PM_deutsche Fassung (PDF)
PM_englische Fassung (PDF)

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Menschenrechte/Türkei (doublet) Pressemitteilung
news-649 Wed, 27 Nov 2019 12:26:06 +0100 Polizeidatenbanken /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeidatenbanken-br-649 Anwaltliche Unterstützung bei Auskunft und Löschung In den vergangenen Jahren hat sich für die Sicherheitsbehörden ein neues Feld aufgetan, in dem die Überwachung immer weitere Kreise zieht. Insbesondere die Polizei speichert immer mehr Daten zu Personen, die in den Fokus der Polizei geraten waren, sei es im Rahmen von Strafverfahren oder auch durch andere Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen oder Platzverweise. Dies kann mit sehr ungünstigen Konsequenzen für die Betroffenen einher gehen, die über die Aufnahme ihrer Daten in eine polizeiliche Datei nicht informiert werden. Es mehren sich die Fälle, in denen Personen zum Beispiel bei der Ausreise oder einer Verkehrskontrolle langwierig kontrolliert werden, ohne dass sie jemals strafrechtlich verurteilt werden.

Wie das System der Polizeidatenbanken funktioniert und welche Möglichkeiten der Auskunft und Löschung von Speicherungen in solchen Datenbanken es gibt, ist auf der vom RAV-Mitglied Dr. Anna Luczak betriebenen Webseite: www.polizeidatenbanken.de ausführlich erklärt.

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Daten
news-648 Tue, 26 Nov 2019 11:11:01 +0100 Antifaschismus ist gemeinnützig<br />Antifaschismus ist unteilbar /publikationen/mitteilungen/mitteilung/antifaschismus-ist-gemeinnuetzig-br-antifaschismus-ist-unteilbar-648 Pressemitteilung Nr. 7 vom 26. November 2019 Die VVN-BdA steht seit ihrer Gründung kurz nach der Befreiung vom Faschismus für die Erfüllung des Schwurs von Buchenwald vom 19. April 1945. Das KZ Buchenwald steht für den gemeinsamen entschlossenen antifaschistischen Widerstand von Häftlingen und zeigt, dass selbst unter den widrigsten Bedingungen Faschismus besiegt werden kann, wenn Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammenstehen.

Das ist politisches Allgemeingut, nachzulesen auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung, einer Institution des Bundesministeriums des Innern:
»Buchenwald erinnert nicht nur an die Grausamkeiten des NS-Terrors, sondern auch an den selbstorganisierten Widerstand der Gefangenen. Im Lager waren Antifaschisten aus zahlreichen europäischen Ländern interniert: Intellektuelle wie Stéphane Hessel aus Frankreich, der Schriftsteller und spätere spanische Kulturminister Jorge Semprún, drei ehemalige französische Ministerpräsidenten und andere sozialdemokratische, kommunistische und konservative Politiker sowie Geistliche. Sie etablierten in Buchenwald konspirative Netzwerke wie beispielsweise das kommunistische ›Internationale Lagerkomitee‹ und versuchten, die Gewaltexzesse der SS im Rahmen des Möglichen einzudämmen. […] Um den Opfern zu gedenken, kamen die Überlebenden am 19. April 1945 zusammen, um gemeinsam den Schwur von Buchenwald abzulegen: ›Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.‹«.

Das Berliner Finanzamt für Körperschaften hat der Bundesvereinigung der VVN-BdA Ende Oktober 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannt und Steuerforderungen im fünfstelligen Bereich angekündigt und bedroht damit die VVN-BdA in ihrer Existenz. Es setzt damit in einer Zeit, in der sich nationalistische und faschistische Ideologie ausbreitet und wieder eine Partei gefunden hat, ein ganz anderes - gefährliches - Signal. Unter ausschließlicher Bezugnahme auf die politische Argumentation des CSU-beeinflussten bayerischen Verfassungsschutzes, die VVN-BdA sei die »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus« und in der VVN-BdA werde ein »kommunistisch orientierter Antifaschismus« verfolgt, beweist das Finanzamt, dass es die Lehren aus dem deutschen Faschismus nicht zu teilen bereit ist.

Gabriele Heinecke vom Bundesvorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins erklärt dazu:
»Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA ist politisch ungeheuerlich und juristisch ein Verstoß gegen die Verfassung. Wer heute behauptet, es gebe ›verschiedenen‹ Antifaschismus, von dem der eine gut und der andere schlecht und finanziell auszutrocknen sei, will die deutsche Geschichte und die Tatsache vergessen machen, dass Widerstand gegen Faschismus nur dann erfolgreich sein kann, wenn er vielfältig, international und unteilbar ist. Die Entscheidung ist sofort rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang fordert der RAV die Streichung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO, wonach die Finanzämter widerlegbar davon ausgehen können, dass ein Verein, der in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, nicht gemeinnützig ist«.

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Gemeinnützigkeit Antifaschismus Pressemitteilung
news-647 Wed, 30 Oct 2019 13:03:31 +0100 Polizeiliche Gewaltanwendung aus Sicht der Betroffenen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeiliche-gewaltanwendung-aus-sicht-der-betroffenen-647 Veranstaltung zu den ersten Ergebnissen der Dunkelfeldstudie der Universität Bochum | 20.11.2019 | Berlin Eine Veranstaltung mit Laila Abdul-Rahman und Hannah Espín Grau vom Forschungsprojekt KviAPol an der Ruhr-Universität Bochum.

Rechtswidrige Gewaltanwendung durch Polizeibeamt*innen ist ein schwer wiegendes gesellschaftliches Problem. In den amtlichen Statistiken tauchen nur wenige solcher Fälle auf; fast immer wird das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt.

In der Studie "KviAPol - Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" (https://kviapol.rub.de/) untersucht ein Team von Wissenschaftler*innen der Ruhr-Universität Bochum unter Leitung von Prof. Dr. Tobias Singelnstein erstmals für Deutschland das Hell- und Dunkelfeld übermäßiger polizeilicher Gewaltanwendungen. Nun liegen die ersten Ergebnisse der Untersuchung vor.

Laila Abdul-Rahman und Hannah Espín Grau sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Forschungsprojekt KviAPol an der Ruhr-Universität Bochum. In ihrem Vortrag stellen sie die bisherigen ersten Ergebnisse der Untersuchung vor, berichten, wie die Studie weitergeführt wird und stehen anschließend für Fragen und Diskussion zur Verfügung.

20.11.2019 um 18:30 h
Humboldt-Universität zu Berlin
Hauptgebäude
Unter den Linden 6
Hörsaal 2097

Eine gemeinsame Veranstaltung des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV e.V.)

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Polizeigewalt Veranstaltungen
news-646 Fri, 25 Oct 2019 16:26:08 +0200 Kein grenzüberschreitender Direktzugriff auf persönliche Daten durch die E-Evidence-Verordnung! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-grenzueberschreitender-direktzugriff-auf-persoenliche-daten-durch-die-e-evidence-verordnung-646 Offener Brief an die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments: Sehr geehrte Damen und Herren,

das Europäische Parlament berät über die Vorschläge von Kommission und Rat zu einer geplanten Verordnung über elektronische Beweismittel. Wir wenden uns an Sie, um unserer Besorgnis über den Vorschlag Ausdruck zu verleihen.

Der Entwurf sieht vor, dass Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaates (Anordnungsstaat) Provider, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (Vollstreckungsstaat), unmittelbar verpflichten können, Meta- und Inhaltsdaten ihrer Kunden  herauszugeben. Die Herausgabe muss binnen zehn Tagen und in Notfällen binnen 6 Stunden erfolgen. Halten sich Anbieter nicht daran, so drohen ihnen Sanktionen in Höhe von bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes. Der Vollstreckungsstaat muss die Anordnung nicht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen und hat kein Recht, ihr zu widersprechen. Er ist hingegen verpflichtet, bei Nichteinhaltung eine Sanktion gegenüber dem Provider zu verhängen und zu vollstrecken. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Tat, wegen der ermittelt wird, in beiden Staaten eine Straftat ist. Auch Anbieter, die in Drittstaaten sitzen, in denen die zu verfolgende Tat keine Straftat ist, sollen zur Datenherausgabe verpflichtet werden dürfen, wenn sie ihre Dienste in der Europäischen Union anbieten.

Die unterzeichnenden Organisationen warnen ausdrücklich vor diesem Vorhaben. Der Vorschlag nimmt Staaten die Möglichkeit, die Grundrechte ihrer Bürger zu schützen. Er höhlt das europäische Datenschutzrecht aus und droht, das bestehende internationale System der Rechtshilfe in Strafsachen zu beschädigen. Nur zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist der europäischen Ermittlungsanordnung ist nicht geklärt, ob tatsächlich Lücken in der grenzüberschreitenden Strafverfolgung bestehen.

Unsere Kritikpunkte im Einzelnen finden sich in der PDF

Mit freundlichen Grüßen

Chaos Computer Club e.V.
Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
digitalcourage e.V.
Digitale Freiheit
Digitale Gesellschaft e.V.
Humnasistische Union
Neue Richtervereinigung e.V.
Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
SaveTheInternet
Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
als Einzelperson: Kilian Vieth, Stiftung Neue Verantwortung

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Europa (doublet) Grundrechte
news-645 Wed, 23 Oct 2019 16:55:37 +0200 Angriffe gegen den spanischen Kollegen Gonzalo Boye /publikationen/mitteilungen/mitteilung/angriffe-gegen-den-spanischen-kollegen-gonzalo-boye-645 RAV erhebt gemeinsam mit anderen Organisationen Beschwerde beim UN-Sonderberichterstatter, 23.10.19 Der spanische Rechtsanwalt Gonzalo Boye, der u. a. den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont vertritt, sieht sich einer Vielzahl von Angriffen seitens der spanischen Behörden ausgesetzt. So wurde beispielsweise am Montag, dem 21. Oktober 2019, das Haus des Kollegen Boye auf Antrag des spanischen Gerichts Audiencia Nacional durchsucht.

Vorgeworfen werden Boye u.a. Dokumentenfälschung, Falschaussage und Missachtung des Gerichts – Vorwürfe, die sich als haltlos herausstellten. Durch die Medien und verschiedene konservative Politiker wird der Kollege Boye anhaltend beleidigt und bedroht.

Nach Ansicht der Beschwerdeführer – neben dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), die European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH) und der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) – werden die Vorwürfe gegen den Kollegen Boye erhoben, weil die spanischen Behörden das Handeln des Rechtsanwalts mit dem Anliegen seiner Mandantschaft, hier der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, gleichsetzen.

Die gegen den Kollegen Boye ergriffenen Maßnahmen stellen einen massiven und vollkommen inakzeptablen Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit dar. Aus diesem Grund hat der RAV eine vom ECCHR eingereichte Communication (Beschwerde) beim UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten mitgezeichnet. In der Mitteilung werden die Vorfälle und Angriffe gegen Gonzalo Boye dargestellt und der Sonderberichterstatter darum ersucht, die spanische Regierung aufzufordern, die Neutralität der spanischen Justiz zu gewährleisten und Maßnahmen gegen derartige Angriffe auf die freie Anwaltstätigkeit von Herrn Boye zu ergreifen.

Mehr Informationen und den Beschwerdeschriftsatz finden Sie hier https://www.ecchr.eu/nc/pressemitteilung/angriffe-auf-ecchr-partneranwalt-gonzalo-boye/

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Freie Advokatur (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
news-644 Fri, 18 Oct 2019 11:52:25 +0200 RAV kritisiert ›brandstiftende‹ Ideologie der AfD:<br />Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses ungeeignet /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kritisiert-brandstiftende-ideologie-der-afd-br-brandner-als-vorsitzender-des-rechtsausschusses-ungeeignet-644 Pressemitteilung Nr. 6 vom 18. Oktober 2019 Stephan Brandners Äußerungen auf Twitter verleugnen die antisemitische, rassistische und misogyne Dimension des Anschlags von Halle. Wer Solidaritäts- und Schutzkundgebungen vor Synagogen und Moscheen als »Herumlungern« betitelt oder sich solche Formulierungen zu eigen macht und nicht in der Lage ist, die Motivation des Anschlags zu benennen, der offenbart erneut, dass er und seine Partei Teil des Problems sind. Die, die hetzen, die verharmlosen, die leugnen und relativieren sind – wenn auch nicht im juristischen Sinne – mitverantwortlich für antisemitische, rassistische und antifeministische Taten.

Wir verurteilen auch die Angriffe auf unseren Kollegen Michel Friedman aufs Schärfste. Stephan Brandner zeigt mit den Angriffen auf Michel Friedman, wo die AfD steht. In antisemitischer Manier wird auf eine Person fokussiert, die jüdischer Herkunft ist und diese daher herabgewürdigt.

Dazu Prof. Dr. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt in Bremen und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV: »Herr Brandner ist in seiner Funktion als Vorsitzender des Rechtsausschusses ungeeignet. Er beschädigt das Ansehen des Rechtsausschusses und erschwert dessen Funktionsweise massiv«.

Das reguläre Gesetzgebungsverfahren stellt eine Beteiligung der Verbände sicher. Der RAV beteiligt sich aktiv an diesen Verfahren. Dies bedeutet auch, dass Mitglieder unseres Vereins an Anhörungen des Rechtsausschusses teilnehmen. Wir sehen große Probleme darin, dass die Leitung des Rechtsausschusses und damit auch die Durchführung von Beteiligungsverfahren im Rahmen des Ausschusses einer Person obliegt, die antidemokratische, diskriminierende und menschenverachtende Positionen vertritt.

Dazu Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin in Dresden und ebenfalls Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, »wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln um den solidarischen Zusammenhalt dieser Gesellschaft streiten. Wir werden die ›brandstiftende‹ Ideologie der AfD immer und immer wieder benennen und bekämpfen. Dazu gehört auch, dass wir Herrn Brandner nicht unwidersprochen in seiner Funktion als Vorsitzender des Rechtsausschusses respektieren werden«.

Kontakt: Geschäftsstelle des RAV, kontakt@rav.de; Tel. 030. 41 72 35 55

PM als PDF

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Pressemitteilung
news-643 Tue, 08 Oct 2019 14:14:17 +0200 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-modernisierung-des-strafverfahrens-643 RAV-Stellungnahme, 8.10.19 Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

Verfasser:
RA Benjamin Derin, Berlin
RA Lukas Theune, Berlin

    I. Vorbemerkung

Die nachfolgende Stellungnahme wird nur auf ausgewählte, aus Sicht der im RAV organisierten Kolleginnen und Kollegen gewichtige Aspekte des Referentenentwurfs eingehen.

Ganz grundsätzlich ist es im Sinne moderner Gesetzgebung nicht nachvollziehbar, dass erneute Gesetzesänderungen geplant werden, bevor kurz zuvor mit ähnlicher Stoßrichtung verabschiedete Rechtsakte evaluiert worden sind. Das betrifft insbesondere die erst 2017 erfolgten Änderungen durch das »Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens«[1] im Recht der Befangenheit und im Beweisantragsrecht. Der Bundestag müsste aus unserer Sicht vor einer Diskussion über weitere Einschränkungen der Rechte beschuldigter Personen – die im Gegensatz zu den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, zur Polizei und zur Justiz keine Lobby und damit kaum Einflussmöglichkeiten haben – zunächst prüfen lassen, inwieweit sich die vor zwei Jahren vorgenommene Reform auf die forensische Praxis ausgewirkt hat. Hierüber schweigt sich der vorliegende Referentenentwurf aus.

    II. Stellungnahme im Einzelnen

Zu den nachfolgenden Punkten wird dezidiert Stellung genommen. Insgesamt durchzieht den Entwurf eine Tendenz zur Aufweichung wesentlicher Sicherungen der Rechte beschuldigter Personen, die das rechtsstaatliche Strafverfahren weiter zu gefährden geeignet ist. Im Einzelnen:

  1. Vereinfachtes Verfahren bei angeblich missbräuchlich gestellten Befangenheitsanträgen

Der RAV spricht sich gegen die beabsichtigte Änderung des Befangenheitsrechts aus. Bereits jetzt ist das ehemals nachvollziehbar und einfach gestaltete Recht einer angeklagten Person, die/den zuständige*n Richter*in wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, so kompliziert ausgestaltet, dass es nur noch selten in Anspruch genommen wird geschweige denn Erfolg verspricht. Der Entwurf macht es Angeklagten ohne Not nochmals weitaus schwieriger, dieses fundamentale Recht zu nutzen.

a) Der Hintergrund des Ablehnungsrechts liegt auf der Hand: Ein*e Richter*in, die/der begründeten Anlass zur Sorge gibt, der/dem Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber zu stehen und nicht »ohne Ansehen der Person« zu urteilen, darf ebenso wenig ein Urteil fällen wie ein*e Richter*in, der/die von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, vgl. § 24 Abs. 1 StPO. Präsentiert sich z.B. der Vorsitzende Richter auf seiner Facebook-Seite in einem T-Shirt mit dem Aufdruck »Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – JVA« und kommentiert dazu, dies sei sein »Wenn Du rauskommst, bin ich in Rente«-Blick,[2] muss sich die Person, die sich vor diesem Richter zu verantworten hat, nicht darauf einlassen, dass dieser über ihre Freiheit entscheidet – denn Neutralität kann hier nicht erwartet werden. Ebenso bestehen bei der Entscheidung über die Strafbarkeit von Sitzblockaden gegen eine von der AfD angemeldete Demonstration immer dann Zweifel an der Neutralität der zuständigen Richter*innen, wenn diese selbst Mitglieder der AfD sind.

b) Der Referentenentwurf sieht insbesondere vor, dass die Verhandlung unter Leitung der/des Abgelehnten bis zu zwei Wochen lang und bis zur Urteilsverkündung fortgeführt wird, um dann so spät wie möglich über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Folgte das Ablehnungsrecht ursprünglich der Idee, die Besorgnis der Befangenheit unverzüglich zu klären und der/dem Angeklagten bis dahin möglichst keine Fortsetzung der Verhandlung unter der/dem potenziell befangenen Richter*in zuzumuten, verkehrt sich die Konzeption in das Gegenteil: Das Ablehnungsgesuch soll als bloßer Störfaktor an das Ende des Prozesses verbannt werden, wo es dann ohne viel Aufhebens abgelehnt werden kann.

c) Für die/den Angeklagten dürfte es kaum nachvollziehbar sein, dass die/der abgelehnte Richter*in weiter an der Hauptverhandlung teilnimmt und in dieser durch die fortgeführte Beweisaufnahme bereits Fakten geschaffen werden, ohne dass eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erfolgt ist. Eine Beweisaufnahme führt auch dann, wenn sie letztlich nach begründetem Ablehnungsgesuch wiederholt werden muss, zu Ergebnissen: Ein Zeuge oder eine Zeugin wird durch die Fragen beeinflusst und wird nach Wiederholung der Beweisaufnahme sich an die erste Beweisaufnahme erinnern und versuchen, Fragen wieder so wie zuvor zu beantworten, auch wenn diese damals suggestiv erfolgt waren; auch bei Schöff*innen setzt sich die bereits stattgefundene Beweisaufnahme in den Köpfen fest. Das menschliche Gehirn ist eben kein Computer – dort kann nichts gelöscht werden; dass sich »die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters auf das Ergebnis des Verfahrens folglich nicht aus(wirkt)« (so S. 22 des Referentenentwurfs), ist insofern unhaltbar.

d) Hinzu tritt, dass in der forensischen Praxis nach wie vor unverteidigte Angeklagte häufiger sind als solche mit Verteidiger*in (was unter anderem an der noch immer nicht erfolgten Umsetzung der Richtlinie über Prozesskostenhilfe im Strafverfahren liegt). Auch wenn es eigentlich nicht Aufgabe eines Anwält*innenvereins sein sollte, ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch und gerade diesen unverteidigten Angeklagten[3] das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zusteht – und hierzu gehört der/die Richter*in, bei dem »ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen« (§ 24 Abs. 2 StPO), eben nicht. Dabei ist einmal mehr daran zu erinnern, dass es eben nicht um die Frage geht, ob Richter*innen befangen sind (was sie selbst allzu oft missverstehen), sondern ob Angeklagte nachvollziehbar die berechtigte Sorge einer solchen Befangenheit haben.

Diese Angeklagten ohne Rechtsbeistand zum Maßstab genommen wird deutlich, wie unmöglich es für sie ist, überprüfen zu lassen, ob ihre Besorgnis der Befangenheit zurecht besteht.[4] Der Referentenentwurf vertieft diese Schwierigkeiten und vereitelt damit letztendlich die Geltendmachung eines im Grundgesetz verbrieften Rechts angeklagter Personen. Wird die beschuldigte Person nämlich darauf verwiesen, das Ablehnungsgesuch schriftlich anzubringen, und wird dann die vorgesehene Zwei-Wochen-Frist in Gang gesetzt, ist es für eine angeklagte Person beinahe unmöglich, ihr Prozessverhalten darauf einzustellen – soll sie sich in der Zwischenzeit zu dem Vorwurf einlassen? Vor einem Richter oder einer Richterin, in deren Unparteilichkeit sie nicht vertraut? Oder allein deswegen lieber schweigen, während die Hauptverhandlung voranschreitet? Hier werden Angeklagte in lähmender Ungewissheit gelassen, ohne dass es hierfür einen Grund oder auch nur eine empirische Grundlage gäbe.

e) Die für die Änderung angeführten Gründe vermögen nicht zu überzeugen und zeugen selbst von einem problematischen Prozessverständnis. Der Bundestag sollte jedenfalls in Bezug auf den im Referentenentwurf mitgeteilten Befund, »dass die weit überwiegende Anzahl der Befangenheitsanträge nach den Erfahrungen der justiziellen Praxis unbegründet« sei, (Gesetzentwurf S. 22), der allein es rechtfertige, das öffentliche Interesse an der beschleunigten Hauptverhandlung nunmehr stärker zu gewichten (ebd.), das BMJV um empirische Daten ersuchen, die diese These stützen. Solche gibt es nach unserer Kenntnis nicht. Der Referentenentwurf versucht, die Rechte angeklagter Personen in Bezug auf ihre Besorgnis der Befangenheit der zuständigen Gerichtspersonen weiter zu beschneiden und geht hierbei gegen die aus dem Bereich der Europäischen Union kommenden Rechtsakte einen nationalen Sonderweg der zunehmenden Einschränkung von Rechten verfolgter Personen – dies sollte dann zumindest so benannt werden und nicht unter dem ewigen Deckmantel der Modernisierung und Beschleunigung geschehen.

  2. Vereinfachte Ablehnung angeblich missbräuchlich gestellter Beweisanträge

Die geplanten Änderungen des Beweisantragsrechts sind ebenfalls abzulehnen. Sie sind nicht nur überflüssig, sondern stellen eine erhebliche und nicht gerechtfertigte Beschneidung der Beschuldigten- und Verteidigungsrechte dar. Der Entwurf ist insofern Ausdruck einer besorgniserregenden Diskursverschiebung, als die aktive Ausübung von Beschuldigtenrechten und eine engagierte Verteidigung zunehmend als einem ›ordentlichen‹ Strafverfahren abträglich gelten. Diese bereits in der StPO-Reform 2017 erkennbare Tendenz droht, den rechtsstaatlichen Strafprozess in seinem Kern zu beschädigen.

a) Leitprinzip der Strafprozessordnung ist im Lichte des Grundgesetzes, dass der/die Beschuldigte stets Subjekt und niemals bloßes Objekt des gegen ihn/sie gerichteten Verfahrens ist. Eines der wesentlichen Werkzeuge, das ihm/ihr zur Ausfüllung dieser Rolle an die Hand gegeben ist, ist das eigene Beweisantragsrecht. Mit der beabsichtigten Modifizierung des § 244 Abs. 3 und Abs. 6 StPO wird just dieses Instrument entscheidend gestutzt. Einerseits wird das Kriterium der Konnexität zum Bestandteil der neukodifizierten Definition des Beweisantrags gemacht, was dogmatisch unnötig ist und in der Praxis als Anhebung der Darlegungshürde missverstanden werden könnte. Andererseits wird die Ablehnungsschwelle abgesenkt. Anknüpfungspunkt hierfür ist die sogenannte Verschleppungsabsicht: Stellte diese bislang einen Ablehnungsgrund dar, bei dessen Vorliegen ein Beweisantrag förmlich abgewiesen werden kann, soll ihre Feststellung (oft: Unterstellung) künftig dazu führen, dass schon kein bescheidungsbedürftiger Antrag vorliegt. Zugleich soll es nicht mehr wie bisher darauf ankommen, ob der gestellte Beweisantrag überhaupt geeignet ist, zu einer erheblichen Verzögerung zu führen. So soll die Ablehnung vermeintlich missbräuchlicher Beweisanträge erleichtert und das Verfahren beschleunigt werden.

b) Dies suggeriert zunächst, dass missbräuchliche und verschleppende Beweisanträge ein grassierendes Problem darstellten, welches reihenweise Prozesse zum Erliegen bringe. Tatsächlich bestehen hierfür keinerlei empirische Hinweise. Vielmehr dürfte es sich den bisherigen Erkenntnissen nach um ein äußerst seltenes Phänomen handeln. So gesteht auch die Entwurfsbegründung ein, dass der Verschleppungsabsicht in der Praxis kaum Bedeutung zukommt. Weshalb sich dies ändern soll, bleibt schleierhaft. Dass es dabei nicht um die Vermeidung von Verzögerungen geht, offenbart der ausdrückliche Verzicht auf das Kriterium der wesentlichen Verzögerungseignung. Der Entwurf richtet sich damit bewusst auch gegen solche Beweisanträge, denen ohne wesentlichen Zeitverlust nachgegangen werden könnte. Ob mit der Prävention unwesentlicher Verzögerungen überhaupt ein legitimer Zweck verfolgt wird, dürfte zweifelhaft sein. Unklar bleibt in dem Entwurf außerdem, wie man sich die prozessuale Realität einer solchen Vorgehensweise vorstellt. Der in eine ablehnende Entscheidung gegossene Vorwurf der Verschleppungsabsicht wird regelmäßig nicht unwidersprochen bleiben und einer Beschleunigung des Verfahrens insofern kaum zuträglich sein (das Gegenteil ist mindestens so plausibel).

c) Im Vordergrund steht ersichtlich etwas anderes, nämlich die Rolle der Beteiligten in der Hauptverhandlung. Anstatt das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu würdigen, soll sich das Gericht lästiger Anträge künftig durch die Behauptung entledigen, diese könnten jedenfalls nichts Sachdienliches erbringen und dienten der Prozessverschleppung. Eine derartige Vorwegnahme des Beweisergebnisses steht im Widerspruch zu fundamentalen Prinzipien des modernen Strafprozesses (wie insbesondere der Unschuldsvermutung) und läuft Gefahr, den/die Beschuldigte*n zum Objekt zu reduzieren. Angesichts der klaren programmatischen Natur des Entwurfs erscheint es müßig, erneut darauf hinzuweisen, dass zur Ablehnung unzulässiger Beweisanträge schon lange hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Not tut wohl eher eine ebenso programmatische Aufforderung: Beweisanträge sollten nicht als zu bekämpfendes Übel, sondern als konstitutiver Bestandteil eines fairen Verfahrens und einer ergebnisoffenen Wahrheitssuche verstanden werden.

  3. Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen

Für die beabsichtigte Einführung eines neuen Rechtsweges für Besetzungsrügen ist keine Notwendigkeit ersichtlich. Mit Blick auf die anvisierte Wochenfrist wird – ungeachtet dessen – eine großzügigere Frist von mindestens zwei Wochen zu bemessen und darüber hinaus eine Zustellung der Besetzungsmitteilung an die Verteidigung sicherzustellen sein, um das Recht nicht in Gänze zu vereiteln.

a) Die vorgeschlagene Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen scheint zwar nicht irgendeiner tatsächlich bestehenden Notwendigkeit geschuldet zu sein – durchgreifende Einwände sollen dieser gegenüber indes nicht geltend gemacht werden, auch wenn zutreffend darauf hingewiesen wird, dass die Wahrung der einheitlichen Geltung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ohne Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes kaum möglich sein wird (die Divergenzvorlage des § 121 GVG ist hierfür kein ausreichender Ersatz; dies kann in anderen Fällen, wo sich der Instanzenzug beim Oberlandesgericht erschöpft – etwa im Ordnungswidrigkeitenrecht – zur Genüge festgestellt werden). Künftig wird der geplante längere Urlaub der Beisitzerin oder des Schöffen in dem einen Bundesland ausreichen, um den gesetzlichen Richter auszutauschen, in dem anderen nicht – es wird schwerfallen, sich hier einen Überblick zu verschaffen.

b) Problematisch ist indes die vorgeschlagene Fristenregelung von nur einer Woche. Diese wird in der Praxis die Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts letztlich vereiteln.

Wie prüft die Verteidigung die ordnungsgemäße Besetzung eines Spruchkörpers? Hierfür ist zunächst der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts einzusehen, dann der kammer- oder senatsinterne Geschäftsverteilungsplan anzufordern, schließlich in die Schöffen- und ggf. Hilfsschöffenliste Einsicht zu nehmen und ggf. herauszufinden, wie und von wem diese eigentliche gewählt worden sind. All das in einer Woche zu erledigen, dürfte unmöglich sein, jedenfalls dann, wenn die Verteidigung nicht zufällig am Gerichtsort ihr Büro hat. Ist die Besetzung geprüft worden und aus Sicht der Verteidigung der gesetzliche Richter nicht als Entscheidungsgremium vorgesehen, ist diese Rüge abzufassen, wobei die Anforderungen derjenigen einer Verfahrensrüge in der Revision entsprechen und damit so schwierig sind, dass für die Begründung einer Revision eine Frist von einem Monat gilt. All dies ist in einer Woche nicht zu schaffen und wird dazu führen, dass noch seltener die Verteidigung die Gerichtsbesetzung rügt und das Grundgesetz damit strukturell in diesem Punkt keine Geltung mehr beansprucht. Dies ist abzulehnen. Die Frist zur Anbringung sollte daher mindestens zwei Wochen betragen.

Schließlich ist gesetzlich sicherzustellen, dass diese Frist nur in Gang gesetzt wird, wenn die Mitteilung der vorgesehenen Besetzung an die Verteidigung erfolgt. Wird nämlich etwa an den in Haft befindlichen Angeklagten zugestellt, wird die Frist noch kürzer und damit nicht mehr dem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gerecht.

c) Erweiterung der DNA-Analyse auf Bestimmung der Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie des Alters.

Die beabsichtigte Einführung der erweiterten DNA-Analyse ist entschieden abzulehnen. Sie ist unzweckmäßig, gefährlich und begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Entwurf sieht vor, durch die Neufassung des § 81e StPO die erlaubten Feststellungen an Spurenmaterial unbekannter Spurengeber*innen zu erweitern und dazu nunmehr auch den sog. codierenden Bereich der DNA einzubeziehen. Wurden bislang nur Identifizierungsmuster, Abstammung und Geschlecht analysiert, soll künftig die Untersuchung auf Alter und mögliche Haar-, Augen- und Hautfarbe hin erlaubt sein. Der Gesetzgeber erhofft sich davon ein Bild der unbekannten Spurengeber*innen, das (fälschlicherweise) als genetisches Phantombild bezeichnet wird und der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten dienen soll.

(1) Bei der Auswertung der Erbinformationen handelt es sich um schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen. Die Entwurfsbegründung verkennt dies und setzt die erweiterte DNA-Analyse mit »der Verwertung einer Fotografie« gleich (Referentenentwurf, S. 27). Das Genmaterial eines Menschen enthält Informationen zu den intimsten Bereichen der Person und kann unter anderem Aufschluss über Herkunft, Verwandtschaft, Persönlichkeitsveranlagungen, Lebenserwartung und potenzielle Erbkrankheiten geben (während die einschlägigen Wissenschaften beständig an weiteren Aufschlüssen arbeitet). Die Erkenntnisse gehen oftmals über das hinaus, was die Betroffenen von sich selbst wissen. Mit gutem Grund wird seit Jahrzehnten eine intensive gesellschaftliche Debatte um den Umgang mit DNA geführt, die von großer Skepsis und Sensibilität geprägt und bislang wohl nur selten mit der Betrachtung von Fotografien verglichen worden ist.

Auch der Hinweis darauf, dass einige der nun erhobenen Eigenschaften teilweise von außen erkennbar sind, ist irreführend: Erstens werden die Informationen hier gerade nicht von außen gewonnen, sondern durch die Analyse genetischer Daten, die zuvor niemandem zugänglich waren. Zweitens wird nicht das Aussehen als visuelle Wahrnehmung festgestellt, sondern die Wahrscheinlichkeit einer individuellen menschlichen Entwicklung anhand des vorliegenden Erbmaterials und dem Forschungsstand zu dessen Auswirkungen. Hier darf nicht das Erkenntnisinteresse mit dem verwechselt werden, was tatsächlich festgestellt wird. Und drittens wird dabei nun erstmalig der sog. codierende Bereich untersucht. Er enthält alle erdenklichen Erbinformationen und ist damit um ein Vielfaches grundrechtssensibler als der für die bisherigen – vor allem vergleichenden – Feststellungen ausreichende nicht-codierende Bereich (von dem man lange Zeit annahm, er lasse keine nennenswerten Rückschlüsse über die Person zu).

Diese fundamentale Umwälzung wirft die Frage auf, ob auch der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit betroffen ist. Verfassungsgerichtlich entschieden ist diesbezüglich bislang nur, dass unter engen Voraussetzungen der nicht-codierende Bereich untersucht werden darf. Problematisch dürfte in dieser Hinsicht insbesondere sein, inwieweit eine Auswertung von DNA faktisch überhaupt auf die hier erlaubten Merkmale beschränkt werden kann. Auch für Aussagen über vermeintlich harmlose Eigenschaften wie die Augenfarbe müssen unter Umständen dutzende oder gar hunderte von Genen ausgewertet werden, die wiederum vielfältige weitere Informationen enthalten. Die Anwesenheit bestimmter Gensequenzen oder Mutationen kann wiederum Hinweise auf Krankheitsrisiken und ähnliches zwangsläufig mitliefern, auch wenn diese nicht Ziel der Untersuchung waren.

(2) Diesem massiven Eingriffsgewicht und Gefahrenpotential steht ein nur geringer Nutzen gegenüber. Entgegen der landläufigen Vorstellung lassen sich aus der DNA die gesuchten Eigenschaften nicht eindeutig ablesen. Es werden lediglich Hinweise auf mögliche Entwicklungen gewonnen. Diese werden als Wahrscheinlichkeit wiedergegeben. Das erkennt auch der Gesetzgeber an, begnügt sich aber mit der pauschalen Behauptung, die Vorhersagegenauigkeit sei für die genannten Merkmale »hinreichend« (Referentenentwurf, S. 27). Sie ist es nicht. Für das biologische Alter rechnet die Entwurfsbegründung selbst mit Abweichungen von bis zu zehn Jahren. Die positivsten Schätzungen führen für bestimmte häufige Augenfarben eine Genauigkeit von über 90% an. Schon für seltenere Augenfarben sind diese Werte weitaus niedriger und auch die Haarfarbe wird demnach nur in 75% der Fälle erfolgreich vorhergesagt werden. Sogar nach diesen extrem optimistischen Einschätzungen wäre ein großer Teil der aus Alter, Augen-, Haut- und Haarfarbe bestehenden „Phantombilder“ schlicht falsch, zumal sich die Ungenauigkeiten aufaddieren. Experten weisen darauf hin, dass die wirkliche Vorhersagegenauigkeit noch viel geringer sein dürfte. Hinzu tritt, dass sich beispielsweise Haar- und auch Augenfarbe leicht verändern lassen. Unabhängig von der gewaltigen Fehleranfälligkeit bleibt unklar, welche relevanten Ermittlungsansätze sich daraus ergeben, dass ein unbekannter Spurengeber (möglicherweise) blaue Augen hat. Die erweiterte DNA-Analyse kann damit keinen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten. Vielmehr besteht das ernstzunehmende Risiko, dass die Ergebnisse die Ermittler in die Irre führen und damit die Zahl zu Unrecht als potenziell verdächtigter Personen zunimmt.

(3) Es steht zu befürchten, dass das eigentliche Interesse an der erweiterten DNA-Analyse darin liegt, über das (ungenaue) Merkmal der Hautfarbe darauf zu schließen, ob der/die Verdächtige einer Minderheit angehört, um die Ermittlungen dann hierauf zu fokussieren. Es ist vielfach nachgewiesen worden, dass sich derartige Hypothesen in den Strafverfolgungsbehörden nur allzu schnell bilden und dazu führen können, dass wichtige anderweitige Hinweise übersehen werden (so etwa hinsichtlich der NSU-Morde). Des erheblichen Diskriminierungspotenzials ist sich der Gesetzgeber zumindest teilweise bewusst, wenn er die Gefahr »rassistischer Stimmungsmache oder Hetze« anspricht. Das Argument, die Maßnahme an sich sei nicht diskriminierend, weil sie sich nicht »gegen eine bestimmte Personengruppe oder Minderheit« richte (Referentenentwurf, S. 28), ist allerdings entlarvend: Die Gefahr der Diskriminierung liegt darin, dass die erweiterte DNA-Analyse erkennbar vor allem für Szenarien gedacht ist, in denen sie Angehörige irgendeiner Minderheit betrifft.

Unter Berücksichtigung aller Umstände kann hier von einer verhältnismäßigen Maßnahme nicht mehr die Rede sein.

    III. Die weiteren Regelungsvorschläge

Zu den anderen Punkten in dem Referentenentwurf erfolgt keine eigene ausführliche Stellungnahme; es seien indes jeweils wenige Worte erlaubt:

    1. Verbot der Gesichtsverhüllung

Die Einführung eines Verbots der Gesichtsverhüllung halten wir für rein populistisch begründet. Es ist bislang in Gerichtssälen bereits Praxis, dass selbst Kopfbedeckungen abzunehmen sind. Die/der Richter*in verfügt dies im Rahmen der ihr/ihm obliegenden Sitzungsleitung. Für Weiterungen besteht aus unserer Sicht daher kein Bedarf.
Nicht behandelt wird indes der in der Praxis vorkommende Fall, dass in Zivil eingesetzte Polizeibeamt*innen ›verkleidet‹ vor Gericht erscheinen. Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert, dass diese Möglichkeit, die gerade bei Tatzeug*innen die Verteidigungsmöglichkeiten erheblich einschränkt, nicht durch § 68 Abs. 3 StPO gedeckt ist.

    2. Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung zur Verfolgung des Wohnungseinbruchsdiebstahls

Im Hinblick auf die beabsichtigte Erweiterung des Kataloges des § 100a StPO kann der RAV nur erneut darauf hinweisen, dass von derartigen Maßnahmen stets eine Vielzahl Unbeteiligter betroffen ist, in deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung immer weiter und häufig in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen wird. In Deutschland wird ohnehin im internationalen Vergleich zu häufig TKÜ eingesetzt – durch die Erweiterung gerade auf den Wohnungseinbruch würde diese Tendenz noch massiv befördert.

    3. Einführung eines Gerichtsdolmetschergesetzes zur bundesweiten Vereinheitlichung der Standards für Gerichtsdolmetscher

Die vorgesehene Vereinheitlichung von Standards für Gerichtsdolmetscher*innen begrüßt der RAV ausdrücklich. Hier setzt der Entwurf der zu Recht wahrgenommenen mangelhaften derzeitigen Situation eine gute Regelung entgegen.

Berlin, 08.10.2019


[1] Vgl. hierzu Singelnstein/Derin NJW 2017, 2646.
[2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/wir-geben-ihrer-zukunft-ein-zuhause-jva-facebook-richter-darf-strafrichter-bleiben/13652892.html
[3] Die Verteidigung selbst hat ohnehin kein Ablehnungsrecht, vgl. § 24 Abs. 3 StPO.
[4] Vgl. für einen Fall, wo dies versucht wurde: KG (5. Strafsenat), Beschluss vom 13.04.2018 - 5 Ws 37/18.

Stellungnahme als PDF

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Stellungnahmen
news-642 Wed, 02 Oct 2019 14:32:02 +0200 Gefängnisse in Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland:<br />Gewalt in Gefängnissen hinterfragen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gefaengnisse-in-russland-der-ukraine-frankreich-und-deutschland-br-gewalt-in-gefaengnissen-hinterfragen-642 Seminar im Rahmen des Europäischen Tag des Anwalts, 25./26.10.19 in Berlin Das zeitgenössische Gefängnis ist in ein dichtes Netz von Interventionen von Kontrollorganen und verbindlichen internationalen Standards eingebunden, die in erster Linie darauf abzielen, Verletzungen der Integrität der Inhaftierten - durch Bedienstete, Mitgefangene oder durch Sicherheitsmanagementsysteme - zu verhindern.
Ist es, fast zwanzig Jahre nach der Bekräftigung des Rechts auf menschenwürdige Haftbedingungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, gelungen das Streben nach einer gewaltfreien Strafe durchzusetzen und Mechanismen entgegenzuwirken, die verbreitet als dem Gefängnis inhärent angesehen werden?
Ist es dem europäischen Projekt für gemeinsame Mindeststandards gelungen, nationale pönologische Vorstellungen und Berufskulturen zu überwinden, d. h. die eingeschliffenen Mechanismen im Vollzug aufzubrechen?
Welche Widerstands-/Anpassungsstrategien haben die Gefängnisverwaltungen als Reaktion auf diese Reformanordnungen eingesetzt?
Welche Wege aus der Gewalt im Gefängnis zeigen diese Erfahrungen auf?
Können Akteure der Zivilgesellschaft diese Veränderungen erzwingen? Können insbesondere Anwält*innen dazu beitragen, die Wachsamkeit aufrechtzuerhalten?

Programm

Das Seminar findet im Rahmen des Europäischen Tages des Anwalts statt und wird ehemalige Gefangene, Forscher*innen, führende Vertreter der Zivilgesellschaft und Anwält*innen zusammenbringen, um das Problem der Gewalt im Gefängnis im Westen (Deutschland und Frankreich) und den ehemaligen Sowjetstaaten im Osten (Russland und Ukraine) zu erörtern.

Bezüglich der Ukraine und in Russland wird das Seminar darauf abzielen, die jeweiligen Wege der in den Ländern durchgeführten Gefängnisreformen zu diskutieren und zu hinterfragen, ob es gelungen ist, mit dem Vermächtnis des Gulag zu brechen.
In welcher Form manifestiert sich Gewalt im Gefängnis?
Wie stellt sich die Gefängnissubkultur, die traditionell mit einem starren Hierarchiesystem und informellen Regeln verbunden ist, und die das System nach "roten" Gefängnissen (kontrolliert von Gefängnispersonal und deren Helfern) und "schwarzen " Gefängnissen (kontrolliert von Gefangenengruppierungen) unterscheidet, heute dar?
Wie gelingt es Menschenrechtsverteidiger*innen angesichts der unterschiedlichen politischen und sozialen Kontexte der beiden Länder, Missbrauch zu bekämpfen und die stark punitive Rationalität des Strafrechtssystems einzudämmen?
Besondere Aufmerksamkeit wird den Gefängnissen in den Gebieten der Ostukraine außerhalb der Kontrolle der Regierung (LNR und DNR) gewidmet, da sie ein blinder Fleck für Rechtsstaatlichkeit und demokratische Kontrolle zu sein scheinen.

Im Gegensatz dazu werden westliche Gefängnisse seit langem von einer Politik regiert, die von einem strikten Verbot körperlicher Gewalt geprägt ist, und manchmal sogar von einem humanitären Ethos, der jede Form von Leiden bei der Vollstreckung des Urteils verurteilt. Von Osten aus gesehen, werden sie oft als vorbildliches Modell betrachtet.
Aber spiegelt ein solches Paradigma nicht in gewissem Maße die Diskrepanz zwischen dem Diskurs über die Rechte der Gefangenen und der Realität in Gefängnissen wider?
Trotz gesundheitsbezogener und materieller Bemühungen:
Führen nicht die Zwänge des Sicherheits- und Verwaltungssystems, die durch die Gefängnisverwaltung umgesetzt werden, und das Fehlen von Konflikträumen im Gefängnis, welches andere Gewaltformen etabliert, die zwar diffuser und/oder von symbolischer Natur sind, gleichsam zu einer Schädigung der Person, die ihnen ausgesetzt sind?
Wie geht das Gefängnis in einer demokratischen Gesellschaft, die von Rechtsstaatlichkeit regiert wird, mit der Gewalt um, die täglich im Inneren zum Ausdruck kommt?
Stellt unter diesem Gesichtspunkt die jüngste öffentliche Politik, die die Maßnahmen der Gefängnisse massiv auf die Aufdeckung und Behandlung von gewalttätigem Extremismus ausrichtet, nicht eine Radikalisierung des Sicherheitsansatzes dar, die ein gewisses Maß an institutioneller Gewalt im Rahmen des Risikomanagements als notwendig unterstellt?

Im Rahmen des Europäischen Tags des Anwalts laden
die Fachhochschule Dortmund,
der Verein Strafvollzugsarchiv e.V.,
der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein e.V.,
die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und
das European Prison Litigation Network
ein:

Gefängnisse in Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland: Gewalt in Gefängnissen hinterfragen

25. Oktober, 16:00 bis 20:00 Uhr
Humboldt Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Bebelplatz 2, Seminarraum 144

26. Oktober, 9:00 bis 17:30 Uhr
Humboldt Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Unter den Linden 6, Seminarraum 2093

Freier Eintritt bei Anmeldung unter PrisonViolence@prisonlitigation.org
Seminar in Deutsch, Französisch und Russisch mit Simultanübersetzung

In Zusammenarbeit mit:
NGO Charkiw Menschenrechtsschutzgruppe, Ukraine
NGO Irkutsk ohne Folter, Russland
NGO Legal Basis, Jekaterinburg, Russland
NGO Ural Human Rights Group, Tscheljabinsk, Russland

Das genaue Programm kann hier runtergeladen werden Flyer

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Veranstaltungen Strafvollzug
news-641 Fri, 27 Sep 2019 12:30:26 +0200 Referentenentwurf zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-zur-verlaengerung-und-verbesserung-der-regelungen-ueber-die-zulaessige-miethoehe-bei-mietbeginn-641 RAV-Stellungnahme, 27.9.2019 Mit Datum vom 03.09.2019 hat das BMJV einen Gesetzesentwurf zur Verlängerung und Verbesserung der Mietpreisbremse vorgelegt. Es enthält zwei Regelungen:

1. Die Mietpreisbremse wird um fünf Jahre verlängert. Die Landesregierungen können also Verordnungen erlassen, die spätestens zum 31.12.2025 außer Kraft treten, bereits bestehende Regelungen können verlängert werden.

2. Der Mieter kann zu viel gezahlte Miete auch für die Vergangenheit zurück verlangen, wenn er die überhöhte Wiedervermietungsmiete spätestens 30 Monate nach Vertragsbeginn rügt, längstens jedoch bis zum Ende des Mietverhältnisses.
 

Grundsätzlich begrüßen wir beide Reformvorschläge.

  1. Verlängerung der Mietpreisbremsenregelungen

Die fünfjährige Verlängerung ist dringend notwendig; ein Auslaufen zum Ende 2020 – wie ursprünglich vorgesehen – wäre fatal.

Die Mietpreisbremse hat zwar tatsächlich zu einer Verlangsamung der Mietendynamik geführt – obwohl die Regelung in der Vergangenheit mit erheblichen praktischen Problemen zu kämpfen hatte, die die Wirksamkeit dieses Steuerungsinstruments erheblich eingeschränkt haben.

    a. Verfassungsrechtliche Unsicherheiten

Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass die Mietpreisbremse von Beginn an immer wieder verfassungsrechtlich in Zweifel gezogen wurde. Spätestens mit dem Vorlagebeschluss der 67. Kammer des Landgerichts Berlin im Oktober 2017 an das Bundesverfassungsgericht wurden viele gerichtliche Verfahren über die Mietpreisbremse ausgesetzt und die Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen abgewartet. Dies hat sich nun geändert. Das Bundesverfassungsgericht hat am 18.07.2019 in seinem ausführlich begründeten Beschluss zu allen wesentlichen Fragen der Verfassungsmäßigkeit Stellung genommen und dem Gesetzgeber Sicherheit gegeben. Dieser kann auch für die Wiedervermietung Regelungen zur Begrenzung der Mietpreise aufstellen, ohne dass dies gegen die Verfassung verstieße. Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, ist die ureigene Kompetenz des Bundesgesetzgebers. Diese Klarheit wird dazu führen, dass nun mehr Mieterinnen und Mieter die Höhe der Wiedervermietungsmiete prüfen und ihre Rechte auch durchsetzen werden. Denn nach der Konstruktion der Regelung hängt die Wirksamkeit der Mietpreisbremse derzeit allein davon ab, dass Mietende ihre Rechte durchsetzen; entgegen landläufiger Vorurteile wird die Miete ja nicht von Amts wegen gesenkt. Durch die Klarstellung in den verfassungsrechtlichen Fragen hat die Mietpreisbremse endlich die Chance, tatsächlich zu wirken. Dann wird es in Zukunft auch nicht mehr zu den eklatanten Abweichungen von bis zu 66% zwischen Vergleichsmieten und Angebotsmieten kommen, wie diese in der Tabelle auf Seite 7 des Referentenentwurfs ausgewiesen sind.

    b. Regionale Geltung der Mietpreisbremse und viele ungültige Landesverordnungen

Die Mietpreisbremse gilt nicht automatisch. Vielmehr werden in § 556 d Abs. 2 BGB die Länder ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen, in denen dann die Regelungen gelten sollen. Hierfür gibt es zahlreiche formelle und materielle Vorgaben, die eingehalten werden müssen. In zahlreichen Fällen ist dies den Ländern nicht gelungen. Die Verordnungen wurden für unwirksam erklärt, die Mietpreisbremse verlor ihre Gültigkeit. Besonders prominente Beispiele sind Hamburg (LG Hamburg, Urteil v. 14.6.2018, Az. 333 S 28/18; inzwischen gilt eine neue Verordnung), München (LG München Urteil v. 06.12.2017, Az. I 14 S 10058/17; hier gilt ebenfalls eine neue Verordnung), Stuttgart (LG Stuttgart Urteil v. 13.3.2019, Az. 13 S 181/18) und Frankfurt (LG Frankfurt/Main Urteil v. 27.3.2018, Az. 2-11 S 183/17). In Berlin gilt die Mietpreisbremse weiter unverändert. Allerdings haben zumindest zwei Landgerichtskammern regelmäßig die Verfahren wegen der Vorlage zum Bundesverfassungsgericht ausgesetzt. Faktisch gilt die Mietpreisbremse daher nur in wenigen Regionen. Das gilt leider auch für die Schwarmstädte, die ganz besonders von Wohnungsknappheit bedroht sind.

Aus den vorgenannten Gründen kann man bisher allenfalls von einem Feldversuch zur Erprobung der Mietpreisbremse sprechen. Es gibt Chancen, dass sich dies ändert. Die Landesverordnungsgeber haben hoffentlich aus den Gerichtsentscheidungen gelernt und werden rechtssichere Verordnungen erlassen. Die Verfassungsfragen sind geklärt. Von daher kann das Instrument in den nächsten fünf Jahren endlich seine Wirkung entfalten.

In diesem Zusammenhang sollte überlegt werden, ob das Gesetz nicht gänzlich entfristet wird. Verfassungsrechtlich dürfte dies kaum problematisch sein, zumal die Prüfung der Erforderlichkeit bei den Ländern verbleibt, die dies regelmäßig spätestens nach fünf Jahren zu überprüfen haben.

Gleichzeitig muss bedacht werden, ob nicht die Anforderungen an die Verordnung zur Ausweisung der Gebiete herabgesetzt werden, an Förmeleien sollte dieses Regelungsinstrument nicht scheitern.

  2. Rückforderung für die Vergangenheit

Die geplante Änderung des § 556g Abs. 2 BGB und die Bestimmung, auch rückwirkend Mieten zurückverlangen zu können, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Bisher traf Vermieter*innen nur ein geringes Risiko, musste er doch die erhöhten Mieten erst nach Rüge der betroffenen Mieter*innen für die Zukunft senken. Dies stellte eine Einladung zum Ignorieren der Mietpreisbremse dar, zumal der Verstoß gegen Vorschriften der Mietpreisbremse auch im Übrigen keine Sanktionen nach sich zog. Waren die unter 1. dargelegten Gründe die praktischen Bremsen der Bremse, ist die aktuelle Rügeobliegenheit mit Wirkung in die Zukunft das verfahrensrechtliche Hemmnis. Die zaghaften, meist schlecht beratenen Mieter*innen wurden benachteiligt.

Nach der neuen Regelung sollen nunmehr Rückforderungen überhöhter Mietzahlungen auch vor dem Zeitpunkt der Rüge möglich sein – allerdings nur, wenn der Mieter bzw. die Mieterin dies innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre des Vertrags rügt. Wird diese Frist verpasst, kann wie bisher nur noch für die Zukunft die überhöhte Miete zurückverlangt werden. Ein Grund für diese zeitliche Grenze erschließt sich nicht. Die Möglichkeit der Rückforderung nicht geschuldeter Miete im Rahmen der Regelverjährung nach § 195 BGB wäre nachvollziehbar und sachdienlich.

Abzulehnen ist auch das Ansinnen, die Rückforderung im Falle des beendeten Mietverhältnisses auszuschließen. Auch dafür gibt es keinen sachlichen Grund. Im Gegenteil: Eine solche Regelung benachteiligt diejenigen Mieter*innen, die im laufenden Mietverhältnis aus unterschiedlichen Gründen keinen Streit mit ihren Vermieter*innen anfangen wollen. Sie werden leer ausgehen.

Es sollte erwogen werden, das gesamte Verfahren zu vereinfachen und zu effektivieren. Von Anfang an hat sich uns die Erforderlichkeit der Rügeobliegenheit nicht erschlossen. Es sollte die Vermieter*innen schützen, die sich redlich angestrengt hatten, die höchstzulässige Miete zu ermitteln und denen dies aufgrund der komplizierten Wege zur Bestimmung dieser Werte nicht gelungen war (so jetzt auch Seite 8 des Referentenentwurfs). Aber wovor müssen diese Vermieter*innen denn geschützt werden? Ihnen drohen keine staatlichen Sanktionen. Er muss einzig und allein die zu viel gezahlte Miete erstatten. Unredliche Vermieter*innen sind sowieso nicht schützenswert. Aber auch redliche Vermieter*innen, die sich über die Miethöhe irren, müssen nur Fehler korrigieren, für die sie – und das ist das Wesen eines Irrtums – in der Regel ein Verschulden trifft.

Vor diesem Hintergrund sollte erwogen werden, § 556g Abs. 2 BGB gänzlich zu streichen. In diesem Falle wären die Mieten, die die höchstzulässigen Mieten übersteigen, unwirksam und könnten nach § 812 BGB zurückverlangt werden. Es bliebe die zeitliche Beschränkung durch die Verjährungsregelungen. Dies ist völlig ausreichend.

Die derzeitige Regelung ist selbst für einen Volljuristen schwer durchschaubar, denn: Die überhöhten Mieten werden nicht geschuldet. Zahlt Mieter*innen ohne Rüge den unzulässigen Teil nicht, kommen sie nicht in Zahlungsverzug und schulden die Miete nicht. Gleichzeitig können sie aber die zu viel gezahlte Miete gleich einer Naturalobligation nicht zurückfordern oder aufrechnen. Das kennen wir sonst nur aus Glückspiel und Wette. Aber ist das hier wirklich angebracht?

Auch wenn in dieser Novelle eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Rechtszustand zu sehen ist, wird deutlich, dass weiterhin das Interesse der Vermieter*innen an Rechtssicherheit über das Interesse der Mieter*innen gestellt wird, eine nichtgeschuldete Leistung vollständig zurückfordern zu können. Nach zweieinhalb Jahren sollen Vermieter*innen nun die Sicherheit bekommen, auch nicht geschuldete Mieten behalten zu dürfen und nach Beendigung des Mietvertrags auch. Diese Prioritätensetzung zugunsten der Vermieter*innen ist nicht nachvollziehbar.

Insbesondere würde gerade das wirtschaftliche Risiko, überhöhte Mieten zu jedem Zeitpunkt des Mietverhältnisses zurückerstatten zu müssen, Vermieter*innen schon zu Vertragsbeginn anhalten, nur die tatsächlich gem. 556d Abs. 1 BGB geschuldete Miete zu verlangen. Und je mehr Vermieter*innen sich an das Gesetz halten, auch ohne dass ihre Mieter*innen dafür erst tätig werden mussten, desto mehr ist die Mietpreisbremse geeignet, Breitenwirkung zu entfalten und den Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete wirklich zu dämpfen. Wenn das weiterhin das Ziel sein soll, ist nicht ersichtlich, warum die nicht geschuldete Miete nicht einfach stets im Rahmen der Regelverjährung nach § 195 BGB von den Mieter*innen zurückgefordert werden können soll.

  3. Weiterer Regelungsbedarf

In der Praxis erweist sich auch der Einwand der vorherigen Modernisierung als konfliktträchtig. Streit gibt es über Umfang und Höhe der Kosten. Rekurriert wird immer auf einen Sachverhalt, den die Mieter*innen schwer beurteilen können, da er noch vor dem Vertragsbeginn liegt. Zudem wird gerade durch die Modernisierung der Zustand der Wohnung so verbessert, dass damit auch die ortsübliche Vergleichsmiete, die ja Grundlage für die Ermittlung der höchstzulässigen Miete ist, steigt. Dies ist völlig ausreichend. Daher sollten die Einschränkungen in § 556e und die modernisierungsbedingten Ausnahmen in § 556f BGB gestrichen werden.

Berlin, 27.9.2019

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Mietrecht (doublet) Mietpreisbremse Stellungnahmen
news-640 Wed, 18 Sep 2019 12:20:44 +0200 Rechten Terror jetzt aufklären!<br />Das Berliner Abgeordnetenhaus muss handeln /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechten-terror-jetzt-aufklaeren-br-das-berliner-abgeordnetenhaus-muss-handeln-640 Gemeinsame Presseerklärung von VDJ, RAV, ILMR, 18. September 2019 In Berlin-Neukölln kam es in den letzten Jahren zu ungewöhnlich vielen rechten Gewalttaten. Die rechten Brandanschläge gegen diverse Bezirkspolitiker, einen Buchhändler und der Mord an Burak Bektaş sowie Morddrohungen gegen weitere  Personen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, konnten jedoch bis heute nicht aufgeklärt werden. Während bisherige Ermittlungen ins Leere liefen, kam es zu rechten Umtrieben im Berliner Landeskriminalamt (LKA).

So verfassten Polizeibeamte Drohbriefe gegen Linke, und von der Polizei erstellte Namenslisten fanden sich plötzlich auf rechtsradikalen Blogs. Obwohl der Berliner Verfassungsschutz konkrete Kenntnisse über die Gefahr eines Brandanschlages auf den Bezirkspolitiker Ferat Kocak hatte, wurde er vom Verfassungsschutz nicht gewarnt. Schließlich kam es zum lebensgefährlichen Anschlag auf ihn und seine Familie.

Rechte Motive des Mordes an Burak Bektaş wurden nicht weiterverfolgt, und aus den Akten lassen sich zahlreiche Ermittlungsfehler entnehmen. "Fehler", die auf dem sog. ›Confirmation Bias‹ basieren, d.h. vorurteilsbelastete Ermittlungen, die von einer bestimmten Hypothese ausgehen und daher nur so ermitteln, dass diese Erwartungen erfüllt werden, springen hier ins Auge.

Das Magazin Kontraste recherchierte derweil, dass ein LKA-Beamter privaten Kontakt in die Neonazi-Szene hielt. Diese Vorgänge erinnern stark an die Vertuschungen, unterdrückten Ermittlungen und engen Kontakte zwischen Sicherheitsbehörden und Neonazis, die bezüglich der NSU-Morde bekannt wurden. Deshalb forderten die Opfer der Brandanschläge im Mai 2019, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufnehmen soll, was dieser ablehnte.

Die Vertuschungen und oberflächlichen Ermittlungen zu den NSU-Morden dürfen sich nicht wiederholen!

Wir fordern deshalb, dass den Hinweisen auf rechte Strukturen im Berliner LKA nachgegangen wird und in allen Berliner Sicherheitsbehörden die notwendigen personellen und strukturellen Konsequenzen gezogen werden!

Wir fordern, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus von Berlin zur Aufklärung der rechtsradikalen Neuköllner Anschlagsserien und dem Mord an Burak Bektaş eingerichtet wird!

Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. (VDJ)
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV)
Internationale Liga für Menschenrechte e. V. (ILMR)

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Pressemitteilung Rechtsextremismus
news-637 Tue, 17 Sep 2019 15:01:00 +0200 Zeug*innen wie alle anderen?<br />Polizeibeamt*innen als Tatzeug*innen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zeug-innen-wie-alle-anderen-br-polizeibeamt-innen-als-tatzeug-innen-637 Podiumsdiskussion | 7.11.19 | Kammergericht Berlin Prof. Dr. em. Günter Köhnken, Rechtspsychologe Kiel | StA Dr. Heiko Artkämper, Dortmund | VRi LG-Berlin Kristin Klimke | Marco Noli, AG Fananwälte | RA Lukas Theune, Berlin --> JETZT MIT PROTOKOLL DER VERANSTALTUNG Polizeizeug*innen sind aus dem strafgerichtlichen Alltag kaum wegzu denken. Sie spielen als Tatzeug*innen in vielen Verfahren eine wesentliche Rolle und sind für die Strafjustiz wichtige Stützen bei der effektiven Fallbewältigung: Polizeizeug*innen sind stets gut vorbereitet, sie gelten bei vielen Richter*innen als neutral und allein aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung als gewissenhaft und zuverlässig.
Ob diese Aussagen tatsächlich so zuverlässig sind, ist aber gerade die Frage. Müssten die Umstände des Zustandekommens polizeilicher Aussagen nicht vielmehr als Risikofaktoren betrachtet werden, die zu einer besonders kritischen Würdigung Anlass geben sollten? Zu denken ist u.a. an die Problematik von Gemeinschaftserinnerungen, die Vorbereitung durch Lesen der Strafanzeige und der eigenen Aussage, den polizeilichen Korpsgeist, den internen Austausch und
ein eigenes polizeiliches Interesse am Ausgang des Strafverfahrens.
Werden also an Polizeizeug*innen andere Maßstäbe angelegt als an andere Zeug*innen, und wenn ja, berechtigterweise oder nur vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit der Justiz?

Das wollen wir aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Verfahrensbeteiligten mit folgenden Teilnehmer*innen diskutieren:

Prof. Dr. em. Günter Köhnken, ehem. Leiter des Lehrstuhls für Rechtspsychologie, Kiel
Dr. Heiko Artkämper, Staatsanwalt in Dortmund
Kristin Klimke, Vorsitzende Richterin am Landgericht Berlin
Marco Noli, Rechtsanwalt in München, AG Fananwälte
Lukas Theune, Rechtsanwalt in Berlin, Promotion: Polizeibeamte als Berufszeugen in Strafverfahren
Moderation: Dr. Kersten Woweries Rechtsanwältin in Berlin

Zeit und Ort:
Podiumsdiskussion am 7. November 2019 um 18.00 Uhr
Plenarsaal des Kammergerichts, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin

Im Anschluss wird es bei einem kleinen Umtrunk Gelegenheit für vertiefende Gespräche geben.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

PROTOKOLL (pdf)

Eine Veranstaltung von:
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
AG Fananwälte
in Kooperation mit dem Verein Forum Recht und Kultur im Kammergericht e.V.

Flyer

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Polizeizeug*innen Veranstaltungen
news-639 Tue, 17 Sep 2019 13:37:29 +0200 Drittes Gesetz zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften /publikationen/mitteilungen/mitteilung/drittes-gesetz-zur-aenderung-polizeirechtlicher-vorschriften-639 Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, 17.9.19 Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg Drittes Gesetz zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften (Bürgerschafts-Drucksache 721/17909) anlässlich der Anhörung im Innenausschuss am 19. September 2019

Verfasserin: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin

Technische Vorbemerkung

Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme darauf, zu den vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Meldeauflagen, Lichtbilderstellung im Polizeigewahrsam, Gezielter Kontrolle und Fußfessel ausführliche Beurteilungen abzugeben (A). Es schließen sich kurze Bemerkungen zu weiteren Normen an (B).

Inhaltliche Vorbemerkung

Der Gesetzentwurf beinhaltet einige Kompetenzen, die bereits sehr weit im Vorfeld von Gefahren sehr weitgehende Grundrechtseingriffe ermöglichen. Das Ansetzen bereits im Vorfeld bringt es mit sich, dass die von der Polizei zu treffende Prognose, ob tatsächlich eine Gefahr besteht, mit Unsicherheit behaftet ist. Würde der Gesetzentwurf als Gesetz beschlossen, hätte das zur Folge, dass – im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind – schwerwiegende Maßnahmen gegen Personen eingesetzt werden, von denen tatsächlich keine Gefahr ausgeht.

Insgesamt gesehen gefährdet die Ausweitung präventivpolizeilicher Befugnisse, die zum Beispiel im Fall der Gezielten Kontrolle unbeteiligte Dritte oder aufgrund von falschen Prognosen bei Meldeauflagen und Fußfessel auch tatsächlich nicht „gefährliche“ Personen betreffen können, Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung zusteht, in dem sie ihre Individualität entwickeln und wahren können.

A. Ausführungen zu den einzelnen Änderungsvorschlägen in SOG und PolDVG

1. Meldeauflagen - § 11 a SOG

Grundsätzlich ist es aus Sicht der Anwältinnen und Anwälte des RAV zu begrüßen, dass mit § 11 a SOG nun eine gesetzliche Grundlage für eine in der Praxis bereits vielfach angewandte Maßnahme geschaffen werden soll. Leider ist die Regelung, was ihre Form und Dauer angeht, so allgemein formuliert, dass zu befürchten ist, dass es zu unbestimmt formulierten und unverhältnismäßigen Anordnungen kommt.

Nach § 11 a SOG S. 2 ist weder festgelegt, was in der Auflage alles schriftlich festgehalten werden soll, noch welche Dauer sie längstenfalls haben darf. Um zu vermeiden, dass Polizeidienststellen für die Betroffenen unverständliche Auflagen, in denen zum Beispiel die „zuständige Polizeidienststelle“ als Ort benannt ist, ohne dass eine Adresse mitgeteilt wird, oder nicht mit Gründen versehene Auflagen erlassen, sind aber Mindestanforderungen an den Inhalt in das Gesetz aufzunehmen.

Auch eine zeitliche Obergrenze ist einzuführen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs (S. 84), die sich in der Praxis der im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein organisierten Anwälte und Anwältinnen bestätigen lässt, werden vorrangig in Zusammenhang mit Fußballspielen gegen von der Polizei als gewalttätig eingestufte Fußball-Fans Meldeauflagen verhängt. Daher ist es naheliegend, dass die zeitliche Geltung auf konkrete einzelne Spieltage mit Risiko-Spielen beschränkt werden kann, also eine Höchstdauer von 48 h ausreichend wäre.

Es ist auch schwerlich möglich, über längere Zeiträume sichere Vorhersagen über das Bestehen der Gefahr einer Straftatbegehung zu treffen. Außerdem entstehen bei längerfristigen Meldeauflagen naturgemäß häufig Probleme in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Anforderungen aus dem beruflichen und privaten Umfeld. Wenn festgelegt wird, dass ein Betroffener sich über drei Monate hinweg jeden Samstag bei der Polizeidienststelle am Wohnort melden muss, kann er zum Beispiel weder an Fortbildungsveranstaltungen noch an familiären Unternehmungen teilnehmen, die am Wochenende außerhalb des Wohnorts stattfinden.

Das vorstehend Gesagte gilt erst recht für die im Gesetzentwurf vorgesehene Option der Verlängerung einer einmal erlassenen Anordnung. Davon ist aufgrund der Prognoseschwierigkeiten grundsätzlich abzusehen. Sollte eine Verlängerungsoption im Gesetz verbleiben, müsste wenigstens dadurch, dass die Entscheidung darüber einem Gericht zugewiesen wird (Richter/in-Vorbehalt) sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen und die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

Dem weiteren Beispiel aus der Gesetzesbegründung, dass eine Meldeauflage dazu dienen könnte, die Ausreise zum Zwecke der Ausbildung in einem so genannten „Terrorcamp“ zu verhindern ist, muss entgegnet werden, dass hierzu eine Meldeauflage eindeutig nicht geeignet ist. Eine Meldeauflage kann eine Ausreise nicht verhindern. Hier kommen eher Ausreiseverbot oder Ausschreibung der Person zur polizeilichen Beobachtung in Betracht.

2. Gezielte Kontrolle - § 31 PolDVG i.V.m. § 15 SOG

Die Einführung von gefahrenunabhängigen Kompetenzen zur Durchsuchung von Personen und Sachen, die zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben sind, ist nicht verfassungsgemäß. Mit dieser Kompetenz wird die Möglichkeit zur Durchsuchung von Personen und Sachen von den bisher für diese Maßnahmen aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen abgekoppelt, die an eine konkrete Gefahrenlage anknüpften, und weit ins Vorfeld tatsächlich bestehender Gefahren verlagert. Gleichzeitig wird die Kompetenz auf Personen ausgeweitet, von denen keine Gefahr ausgeht. Es dürfen damit zum Beispiel mitgeführte Taschen jeder Person überprüft werden, die sich in einem ausgeschriebenen Fahrzeug befindet – auch wenn die Person, derentwegen das Fahrzeug ausgeschrieben wurde, gar nicht mit dabei ist.

Um eine überschießende Überwachung zu vermeiden, ist auf die Einführung dieser Regelung zu verzichten. So ist zum Beispiel in Sachsen-Anhalt die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung geregelt (§ 19 Abs. 1 und 2 SOG LSA), dann aber explizit verfügt (19 Abs. 3 SOG LSA):

Gegen eine Person, die unter polizeilicher Kontrolle steht oder ein nach Absatz 1 ausgeschriebenes Kraftfahrzeug führt, sind beim Antreffen andere Maßnahmen nur zulässig, wenn jeweils die besonderen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt sind.

Die bisherigen Kompetenzen sind auch völlig ausreichend – wenn zum Beispiel Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in dem zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Fahrzeug Sachen befinden, die sichergestellt werden dürfen, kann dieses bereits jetzt nach § 15 a Abs. 1 Nr. 3 SOG durchsucht werden. Die Erweiterung wird dazu führen, dass regelmäßig in ausgeschriebenen Fahrzeugen mitfahrende Personen, die selbst nicht ausgeschrieben sind, und alle ihre Sachen durchsucht werden, ohne dass dafür eine Notwendigkeit besteht. Betroffen davon werden Familienangehörige, Fahrgemeinschaften oder Freundinnen und Freunde sein, die sich ein Fahrzeug ausleihen oder darin mitfahren.

Nach Ansicht des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins sollte auf die Änderungen in §§ 15 und 15 a verzichtet werden, da von der Erweiterung der Durchsuchungskompetenz eine Vielzahl von Personen betroffen sein wird, von denen keine Gefahr ausgeht.

3. Aufnahme von Lichtbildern in Gewahrsamseinrichtungen - § 17 PolDVG

Die Anfertigung von Lichtbildern von Personen stellt als Teil der erkennungsdienstlichen Daten einen tief greifenden Eingriff in das Recht auf informationellen Selbstbestimmung dar. Die vorgesehene Regelung soll ausweislich der Gesetzesbegründung allein der Erleichterung der Arbeit in den Gefangenensammelstellen und anderen Gewahrsamseinrichtungen dienen, weil der Rückgriff auf Ausweisdokumente nicht immer schnell zu gewährleisten sei, weil diese sich woanders befänden.

Der in der neuen gesetzlichen Regelung liegende Eingriff ist durch solche Erwägungen sicherlich nicht zu rechtfertigen. Da demselben Zweck genauso gedient wäre, wenn vor Gewahrsamszellen Schränke angebracht werden, in denen die Ausweisdokumente verwahrt werden, ist dies umzusetzen und nicht eine neue Form der erkennungsdienstlichen Behandlung einzuführen (ohne deren gesetzliche Voraussetzungen!). Die geplante Norm ist verfassungswidrig.

4. Fußfessel - § 30 PolDVG

Die Einführung einer präventivpolizeilichen elektronischen Aufenthaltsüberwachung wird von den durch den RAV vertretenen Anwältinnen und Anwälten grundsätzlich abgelehnt. Es handelt sich um eine Maßnahme, die sehr tief in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Die Person, die eine derartige Fessel trägt, weiß, dass jeder ihrer Schritte nachvollzogen werden kann. Die Betroffenen sind dieser Beobachtung rund um die Uhr unausweichlich ausgesetzt, was – auch empirischen Studien zufolge – zu psychischen Problemen führen kann. Diese Maßnahme führt auch zur Stigmatisierung, da die Geräte für andere Menschen in der Umgebung wahrnehmbar sind.

Als die Fußfessel im Bereich der Strafvollstreckung vor acht Jahren eingeführt wurde, sollte diese Maßnahme nur im Ausnahmefall zur Verhinderung von schwer wiegenden Wiederholungstaten bei nach langer Zeit aus Haft entlassenen Straftäter*innen eingesetzt werden. Wenn mit dem Gesetzentwurf nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 nunmehr sogar die Verhütung jeglicher Gefahr für Leib (=einfache Körperverletzung) die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung rechtfertigen kann, wird das Anwendungsgebiet unübersehbar ausgeweitet.

Zu beachten ist außerdem: Dadurch dass es sich um eine präventivpolizeiliche Maßnahme handelt, ist die von der Polizei zu treffende Prognose, ob tatsächlich eine Gefahr besteht, immer mit Unsicherheit behaftet. Würde der Gesetzentwurf als Gesetz beschlossen, hätte das zur Folge, dass – im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind – auch Personen eine Fußfessel tragen, von denen tatsächlich gar keine Gefahr ausgeht.

B. Ergänzende kurze Anmerkungen

1. Verdeckter Einsatz technischer Mittel bei Polizeieinsätzen - § 21 Abs. 4 PolDVG

Aus Sicht des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein ist nicht nachvollziehbar, warum bei dem verdeckten Einsatz technischer Mittel im Rahmen von Polizeieinsätzen zum Zweck des Schutzes von Polizeikräften (so genannte „Personenschutzsender“) auf den generell nach § 21 Abs. 2 geltenden Richtervorbehalt verzichtet werden soll. Nach § 29 Abs. 4 PolDVG bedarf der Einsatz von Verdeckten Ermittlungspersonen ohnehin einer richterlichen Anordnung, so dass bei einem gleichzeitig geplanten Einsatz eines Personenschutzsenders auch dieser gleich mit beantragt werden kann. Sollten solcher Sender zum Beispiel im Rahmen von Wohnungsdurchsuchungsmaßnahmen eingesetzt werden, gilt für deren Anordnung ebenfalls ein Richtervorbehalt (§ 16 a SOG). Für Eilfälle könnte eine der bei Durchsuchungen geltenden entsprechende Regelung eingeführt werden. Für den im Gesetzentwurf vorgesehenen vollständigen Verzicht auf den Richtervorbehalt gibt es keine nachvollziehbaren Gründe.

2. Automatische Datenverarbeitung – § 49 PolDVG

Die im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein organisierten Anwältinnen und Anwälte sehen die Möglichkeit der automatisierten Datenverarbeitung, wie sie in § 49 PolDVG vorgesehen ist, kritisch. Es liegt darin die Möglichkeit, anlasslos Persönlichkeitsprofile zu erstellen oder bestehende Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen von Bürger*innen auszuwerten. Dies ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet es eine Verletzung der Menschenwürde, wenn die Speicherung und Zusammenführung von personenbezogenen Daten zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (siehe u.a. die Entscheidung des BVerfG zum BKAG vom 20. April 2016).

3. Datenschutzbeauftragter - § 72 PolDVG

Es ist abzulehnen, dass im Gesetzentwurf für den Datenschutzbeauftragten keine Anordnungsbefugnis mehr vorgesehen ist. Die Grundrechtseingriffe, die in einer etwaig rechtswidrigen Datenerhebungsmaßnahme liegen, sind nicht zu verhindern, während nach § 72 erst der Rechtsweg durchlaufen werden muss. Damit ist die Effektivität der Kontrolle nicht gewährleistet.

Berlin, 17.9.2019

Die Stellungnahme als PDF

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Polizeigesetz Stellungnahmen Polizeirecht
news-638 Fri, 13 Sep 2019 15:40:32 +0200 Referentenentwurf über ein Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-ueber-ein-gesetz-zur-mietenbegrenzung-im-wohnungswesen-in-berlin-638 Stellungnahme des RAV und GFF, 13.9.19 Die Stellungnahme wurde vom RAV gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. erarbeitet.
Die vollständige Version mit Inhaltsverzeichnis und Fußnoten kann hier heruntergeladen werden: StN als PDF

A. Landesrechtliche Kompetenz
I. Ausgangslage
Steigende Mieten in den Ballungszentren, Knappheit an bezahlbaren Wohnraum, eine Explosion von Boden- und Immobilienkaufpreisen führen gerade in den Hotspots der Republik zu einer Wohnungsnot. Das Wohnungsthema ist die soziale Frage unserer Zeit.

Gerade in den Ballungszentren ist bezahlbarer Wohnraum rar. Der Zuzug in die Zentren erhöht den Druck auf die Wohnungsmärkte. In den letzten Jahrzehnten wurde zu wenig gebaut. Hier hat ein Prozess des Umdenkens zwar eingesetzt. Allerdings darf bezweifelt werden, ob die alleinige Fokussierung auf den Neubau die derzeitigen Probleme am Wohnungsmarkt lösen werden. Denn es fehlt vor allem an bezahlbaren Wohnraum.

Der Abbau des öffentlichen Sektors der Wohnraumbewirtschaftung, die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Einstieg in den Ausstieg des Sozialwohnungsbaus rächen sich nun. Private Investor*innen haben Interesse an einem möglichst hohen Gewinn. Da lohnt sich die Schaffung preiswerten Wohnraums nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil des neuen Wohnraums in Form von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen entstehen. Gefördert wird dies durch das von der großen Koalition eingeführten Baukindergeld, das die Bildung von Immobilieneigentum fördert. Bezahlbarer Wohnraum wird auf diesem Wege dort, wo er gebraucht wird, kaum entstehen.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass wir neben der Errichtung neuen Wohnraums eine Begrenzung der Mieten im Bestand brauchen. Denn der Neubau wird nicht die Lücke an bezahlbaren Wohnraum schließen können. Durch den Neubau werden allenfalls Bestandswohnungen frei, die dann aber bezahlbar sein müssen. Bezahlbarer Wohnraum wird dauerhaft nur erhalten, wenn neben Neubau auch die Mieten im Bestand geschützt werden. Der Schutz der Mieten im bereits bestehenden Gebäudebestand wurde durch die Mietpreisbremse, die für die Wiedervermietung von Wohnraum gilt, zwar auf dem Papier verbessert. In der Praxis erweisen sich jedoch unüberbrückbare Hürden. Viele Bundesländer haben Verordnungen erlassen, die der gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten haben, so dass dort die Mietpreisbremse erst gar nicht gilt (z.B. in Hamburg). Ansonsten erweist sich die Mietpreisbremse aufgrund der zahlreichen Ausnahmen als nicht ausreichend, um das Mietniveau bezahlbar zu machen. Die Mietpreisbremse ist genauso wie die Grundmietenerhöhung an die ortsübliche Vergleichsmiete gekoppelt. Diese steigt in den letzten Jahren weit stärker als Lebenshaltungsindex und Lohnniveau. Die Mietrechtsänderung des Bundesgesetzgebers vom letzten Herbst hat zwar für Verbesserungen gesorgt. Allerdings wird auch sie die Mietenexplosion nicht stoppen können. Auf Bundesebene erweist sich insbesondere die CDU/CSU als entscheidender Hemmschuh zu einer besseren Begrenzung der Mietsteigerungen.

In Berlin steigen die Mieten im Vergleich zum Bundesgebiet exorbitant. Viele Indikatoren sprechen deutlich für einen nicht mehr funktionierenden Markt. So lag die Leerstandsquote bei 0,9 %. Bei einer Leerstandsquote unter 3 % spricht man von Wohnungsknappheit. Der Abstand zwischen der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete und der durchschnittlichen Angebotsmiete wird immer größer. Daher müssen auch andere Wege gesucht werden muss, um den Markt zu regulieren.

II. Mietpreisregulierung der Vergangenheit
Hier empfiehlt es sich, zunächst einen Blick in die Geschichte zu werfen. Denn das Problem der Wohnungsknappheit ist kein Neues, allerdings waren Staat und Gesellschaft früher viel eher bereit, in den Markt zum Schutze der Wohnenden einzugreifen.

Es gab in den letzten 100 Jahren in Deutschland wenige Zeiträume, in denen der Mieterschutz und die Mietenregulierung so schwach waren wie heute. Trotz der starken Liberalisierung des Mietmarkts wird zu wenig gebaut. Dagegen gab es gerade in Zeiten großer Wohnungsnot starke Preisregulierungen. Dennoch wurde zu diesen Zeiten viel gebaut. Gerade in den goldenen 50ern musste zerstörter Wohnraum wiederaufgebaut und 15 Millionen Flüchtlinge in den alten Bundesländern integriert und mit Wohnraum versorgt werden. Gleichzeitig bestanden zunächst ein Preisstopp und später eine staatlich verordnete Mietanhebung für Altbauten. Nur frei finanzierte Neubauten waren preislich nicht gebunden. Ein großer Teil der Neubauten wurde jedoch im geförderten Wohnraum errichtet, um damit auch Menschen mit Wohnraum zu versorgen, die über weniger Geld verfügten. Wohnen war deshalb günstig. Die Belastungsquote der Haushalte mit Wohnkosten lag im Mittel bei ca. 10 %. Diese niedrige Belastungsquote war sicherlich ein Grund für die goldenen 50er Jahre. Seit der Liberalisierung des Mietrechts und damit des Marktes sind die Mieten stark gestiegen, und zwar auf 25 bis 30 %. Gerade einkommensschwache Haushalte müssen im Verhältnis noch mehr fürs Wohnen aufwenden.

Die Regulierung des Marktes wurde von den Gegner*innen als Wohnungszwangswirtschaft bezeichnet. Aufgrund der Unterversorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen und der damit einher gehenden Wohnungsnot sah sich der Staat jedoch ermächtigt, zugunsten der Wohnenden einzugreifen. Neben der Wohnungsbewirtschaftung (u.a. Wohnungsbelegung) fiel hierunter der Mieter*innenschutz (insbesondere der Kündigungsschutz) auch das sogenannte öffentliche Mietpreisrecht. Hier ging es um die Regulierung des Mietpreises. Gerade die Mietpreise unterlagen von 1917 bis in die 1960er Jahre strengen Regeln.

Bereits während des 1. Weltkrieges wurde eine Mietenschutzverordnung  erlassen, die eine Begrenzung der Mieten vorsah. Über die diversen Länderverordnungen, als wichtigste die Preußische Höchstmietenverordnung (PrHMVO) von 1919 wurde dies schließlich reichsweit im Reichsmietengesetz 1923 kodifiziert. Bezugspunkt war hierbei die Friedensmiete von 1914. Die Mietpreise für Altbauten wurden immer auf die Mieten im Jahr 1914 bezogen und staatlicherseits Erhöhungen verfügt/ermöglicht. Für Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen gab es i.d.R. befristete Erhöhungsmöglichkeiten. Bestimmte Wohnungstypen (große Wohnungen) wurden zeitweilig aus dem Regelungsbereich herausgenommen. Nur für sie galt das BGB, das ja 1900 in Kraft getreten war. Die übrigen Mietverhältnisse waren insbesondere durch öffentlich-rechtliche Vorschriften überlagert, ohne dass das bürgerliche Recht und auch die Regelungen zur Miethöhe hierdurch abgeschafft waren. Vielmehr war auch hier die zivilrechtliche Rechtsbeziehung Voraussetzung für einen öffentlich–rechtlichen Eingriff.

1936 wurde gar ein Mietenstopp für alle Wohnungen verfügt und durch das Kontrollratsgesetz Nr. 18 von 1946 erneut ein vollständiger Mietpreisstopp bestimmt. Dieser galt fast uneingeschränkt bis 1955. Danach gab es im Rahmen des 1. Bundesmietengesetzes wiederum prozentuale Erhöhungsmöglichkeiten. Die Begrenzungen der Miethöhe galten sowohl für Mieterhöhungen als auch für Wiedervermietungen. Bei letzterer mussten Mieter*innen allerdings ihr Recht aktiv geltend machen. Ab 1960 wurde dann in Gebieten mit einem „entspannten“ Wohnungsmarkt die Preisbindung aufgehoben, die letzten Gebiete in Westdeutschland fielen Ende der 60 Jahre (Hamburg, München u.a.) aus der Preisbindung. In West-Berlin galt die Regelung bis 1988. Bei dieser Art von Preisbindung spielte weniger die Ausstattung der Wohnung als vielmehr deren Geschichte eine entscheidende Rolle. Die starke Regulierung hatte auf die Mietpreise einen entscheidenden Einfluss.

Während dieser fast 50 Jahre war in Teilen des Wohnungsmarktes das an sich geltende BGB von öffentlich-rechtlichen Normen überlagert, die die Mietpreise betrafen.

III. Kompetenz zum Erlass öffentlich-rechtlicher Normen zur Begrenzung der Miethöhe
In Anlehnung an die historische Entwicklung und unter Würdigung der Föderalismusreform 2006 entstand die Idee des sogenannten Mietendeckels. Peter Weber hat in einem Aufsatz in der JuristenZeitung überzeugend dargelegt, dass der Landesgesetzgeber – wie vormals der Reichs- bzw. Bundesgesetzgeber – neben dem sozialen privatrechtlichen Mietrecht im öffentlichen Recht Regelungen zum Mietpreis treffen kann.

1. Föderalismusreform
Grundsätzlich können sowohl der Bund als auch die Länder Gesetze erlassen. Das Grundgesetz als bundesdeutsche Verfassung regelt in den Artikel 70 ff. GG, welche der vorgenannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften nun Gesetze erlassen kann. Dies wird bestimmt nach entsprechenden Regelungsgegenständen. Der Bund ist nur zuständig, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich anordnet, Artikel 70 GG. Der Grundgesetzgeber hat einen Großteil der Regelungsgegenstände der sog. Konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet: Solange der Bundesgesetzgeber in diesen Bereichen selbst keine Regelung getroffen hat, sind die Länder zuständig (Art 72 I GG). Da der Bundesgesetzgeber weitgehend Gesetze erlassen hat, waren die Länder nicht mehr befugt, eigene Regelungen zu treffen. Bis 2006 gehörte auch das Wohnungswesen zur sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde der Bereich des Wohnungswesens (bis auf einzelne Bereiche, z.B. das Wohngeldrecht) aus der konkurrierenden Gesetzgebung herausgenommen. Da das Wohnungswesen auch nicht der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt, verbleibt es bei Artikel 70 GG. Die alleinige Gesetzgebungskompetenz bleibt für diese Bereiche bei den Ländern. Altes Bundesrecht bleibt solange gültig, bis das Land selbst Regelungen trifft und das Bundesrecht ersetzt (Artikel 125 a Absatz 1 GG). In den Bereichen des Wohnungswesens kann somit seit 2006 der Landesgesetzgeber tätig werden.

2. Wohnungswesen
Nun stellt sich die Frage, was unter den Begriff des Wohnungswesens fällt. Bei der Auslegung der der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes ist die entstehungsgeschichtliche und historische Auslegung besonders ergiebig. So muss man davon ausgehen, dass die Materien, die aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz übernommen wurden im selben Sinne zu verstehen waren, wie dies in der WRV der Fall war. Nach älterer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft das Wohnungswesen im Sinne des Artikel 10 Nr. 4 WRV, 74 Absatz 1 Nr. 18 GG a.F. sämtliche Regelungen, die sich aus sozialen Gründen auf private Wohnzwecke dienende Gebäude beziehen. In Abgrenzung zu der Sondermaterie Bodenrecht geht es nicht um die bauliche Nutzung von Grundstücken zu Wohnzwecken, sondern es sind Regelungen der Bewirtschaftung von Wohngebäuden und Wohnraum gemeint. Öffentlich-rechtliche Regelungen treffen den Wohnraum ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse und sonstige über den Wohnraum bestehende privatrechtliche Rechtsbeziehungen. Zum Wohnungswesen gehören – so Weber und Putzer - neben der Wohnraumbewirtschaftung eben auch das öffentliche Mietpreisrecht .

Es spricht nichts dafür, dass sich an dem traditionell geprägten Begriff des Wohnungswesens durch die Föderalismusreform irgendetwas geändert hätte. Dem widerspricht letztlich auch nicht Papier in seinem Gutachten zum Mietendeckel. Auch er gibt an, dass bis auf fünf benannte Teilbereiche das gesamte Recht des Wohnungswesens nunmehr Ländersache sei. Er geht jedoch davon aus, dass weder das Wohnungsmietrecht noch das Mietpreisrecht dazu gehöre. Das öffentliche Preisrecht war allerdings stets Teil des Wohnungswesens. Das daneben gültige BGB und insbesondere die in den Mietverträgen geregelten Bestimmungen zur Miethöhe und Mietänderungen galten auch, wurden aber durch das öffentliche Recht ergänzt.

Der Gesetzgeber hatte die Wohnungsgesetzgebung im Hinblick auf die Eigentumsgarantie als „Ausnahme oder Sonderrecht“ angesehen  Von dem Recht sollte nur so lange Gebrauch gemacht werden, wie die Wohnungsnot keine andere Wahl zuließ. Mit Abbau der Wohnungsnot und Entspannung der Wohnungsmärkte sollte die Rechtfertigung für den Eingriff in die Rechte der Eigentümer von Wohnraum entfallen sein. Die Ende der 1950er Jahre für die folgende Dekade prognostizierte Entspannung der Wohnungsmärkte sorgte auch für die Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit führte im Jahre 2001 dazu, dass die Zweckentfremdungsverbotsverordnung in Berlin keine gesetzliche Grundlage mehr hatte. Durch die seinerzeit vom Gericht angenommen entspannte Wohnungsmarktlage ließ sich der Eingriff in Arti-kel 14 GG nicht mehr rechtfertigen .Dies dürfte sich inzwischen in Berlin aber auch in anderen Ballungszentren stark gewandelt haben.

4. Mietpreisrecht öffentliches Recht versus Zivilrecht
Das öffentliche Preisrecht hat viele Berührungspunkte zum bürgerlichen Recht, insbesondere zum privaten Mietrecht, die Rechtsbereiche lassen sich jedoch anhand klarer Kriterien voneinander abgrenzen .

Zur Unterscheidung beider Rechtsmaterien ist es wichtig, sich die Regelungsbereiche zu verdeutlichen: Während das private Mietrecht die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bürgern regelt, tritt der Staat im Bereich des öffentlichen Rechts dem Bürger mit Geboten und Verboten gegenüber. Allerdings bedarf es für diese Eingriffe im Hinblick auf betroffene Grundrechte eben einer Rechtsfertigung. Das öffentliche Recht dient den Allgemeininteressen, während das Privatrecht den Individualinteressen der Parteien dient. Im Rahmen des Privatrechts trifft der Gesetzgeber Regelungen, die einen Interessenausgleich zwischen den jeweiligen Vertragsparteien sicherstellen sollen. Es regelt das Recht der Vertragsparteien und setzt zwingend eine Rechtsbeziehung, einen Mietvertrag voraus. Demgegenüber wirken staatlich festgesetzte Höchstmieten weiter. Sie setzen mit einer Höchstmiete Grenzen, die vertraglichen Vereinbarungen bleiben unberührt. Eine öffentlich-rechtliche Regelung der Höchstmiete soll keinen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Mieter*innen und Vermieter*innen herstellen. „Vielmehr ist er darauf gerichtet, im Interesse der Allgemeinheit eine soziale Not bzw. erhebliche Schieflage in einem für die betroffenen Bevölkerungsteile schlechthin existenziellen Bereich der Daseinsvorsorge zu beseitigen.“

Dies lässt sich an einem Beispiel erläutern: Unterliegt meine Wohnung den Regungen eines Zweck-entfremdungsgesetzes, das die Nutzung von Wohnraum zu gewerblichen Zwecken verbietet, darf diese selbst dann nicht gewerblich genutzt werden, wenn dies im Mietvertrag vom Vermieter eigentlich zugesichert wurde.

Im Hinblick auf den Mietpreis lässt sich auch eine Parallele zu § 5 Wirtschaftsstrafgesetz herstellen. Die mit dem Vermieter vereinbarte Miete ist auf eine Höhe von 20 % über der Vergleichsmiete – öffentlich-rechtlich – gekappt, wenn die wirtschaftliche Notlage der Mieterin ausgenutzt wurde. Die Vertragsfreiheit wird also durch eine öffentlich-rechtliche Regelung zum Schutz der Allgemeinheit begrenzt. Die Ausübung der Rechte aus dem privaten Vertrag wird insofern begrenzt.

Wie sich hieran zeigt, ist es sehr wohl möglich, sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich Regelungen zu treffen, die Auswirkungen für Eigentümer*innen und Mieter*innen haben. Entgegen der Auffassung von Papier schließt das private Mietrecht und insbesondere die Mietpreisbremse das öffentliche Preisrecht gerade nicht aus. Neben den oben genannten systematischen und historischen Erwägungen ist noch auf darauf zu verweisen, dass in § 556d Absatz 2 Satz 7 BGB der Bundesgesetzgeber davon ausgeht, dass die Länder flankierend zur Mietpreisbremse Regelungen erlassen, die geeignet sind, Wohnungsknappheit zu überwinden. Der Bundesgesetzgeber geht selbst davon aus, dass die Länder hierzu die Kompetenz haben.

Letztlich hat dies zur Folge, dass der Landesgesetzgeber öffentlich-rechtliche Normen zur Begrenzung der Miethöhe erlassen kann, sofern die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die Regelung auf Grund des dinglichregelnden Charakters der öffentlichen Mietpreisregelung sich jeweils nur auf die Wohneinheit und nicht auf das zivilrechtliche Rechtsverhältnis von Vermieter*in und Mieter*in beziehen kann. Eine Regelung dieses Rechtsverhältnisses ist nicht möglich, da der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz gem. Artikel 74 Absatz 1 Nr. 1 abschließend Gebrauch gemacht hat. Einer entsprechenden Regelung auf Landesebene würde nicht nur die Kompetenz fehlen. Die Regelungen wären auch gem. Artikel 31 GG nichtig.

Die öffentlich-rechtliche landesrechtliche Regelung gilt neben der zivilrechtlichen bundesrechtlichen Regelung. Während die preisrechtlichen Regelungen den allgemeinen Preisstand schützen sollen, zielen Mietpreisbremse und Regelungen zur Begrenzung der Mieterhöhungen in den Bestandsmietverhältnissen allein auf die relative schuldrechtliche Beziehung zwischen Vermieter und Mieter ab.

Im Ergebnis steht dem Landesgesetzgeber eine Kompetenz zu, landesrechtliche Regelungen zur Begrenzung der Mietpreise zu treffen, sofern dies wohnungsbezogen erfolgt.

5. Umsetzung der kompetenzrechtlichen Anforderungen
An den oben aufgeführten Anforderungen aber auch am Verfassungsrecht im Übrigen ist der jetzt vorliegende Gesetzesvorschlag zu messen.

In dem Gesetzesvorschlag soll die Miethöhe begrenzt werden. Die mietpreisrechtliche Begrenzung bezieht sich auf die konkrete Wohnung. Zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung einer Tabelle, in der die nach dem Gesetz höchstzulässigen Mieten für bestimmte Wohnungen aufgeführt sind. Um Härten für den Vermieter zu kompensieren, sind Ausnahmen von der Mietenbegrenzung zu Gunsten des Vermieters vorgesehen.

Das Gesetz friert darüber hinaus die Mietpreise, die am 18.06.2019 vereinbart waren, ein. Sie stellen grundsätzlich die höchstzulässigen Mieten für die jeweiligen Wohnungen dar. Liegt diese Miete unterhalb der Tabellenmiete, dann sieht das Gesetz eine jährliche 1,3 %-ige Anpassung vor, bis das Niveau der Tabelle erreicht wird. Liegt die aktuelle Miete über der höchstzulässigen Miete, dann gilt diese. In Härtefällen, die in der wirtschaftlichen Situation des Mieters liegen, kann dieser ggf. eine Senkung auf die beschriebene Tabellenmiete verlangen.

B. Grundrechtskonformität des Referentenentwurfs
I. Vereinbarkeit mit Artikel 14 Absatz 1 GG
Der in § 3 des Referentenentwurfs normierte Mietenstopp sowie die in §§ 4, 5 des Referentenentwurfs vorgesehenen Mietobergrenzen sind mit der in Artikel 14 Absatz 1 GG verankerten Eigentumsgarantie vereinbar. Sie stellen als abstrakt-generelle Festlegung von Rechten und Pflichten des Eigentümers eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Artikel 14 Absatz 1 S. 2 GG dar.

1. Verfassungsrechtlicher Maßstab
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen zur Regulierung des Grundeigentums den verfassungsrechtlichen Maßstab für den Eingriff in Artikel 14 Absatz 1 S. 1 GG durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen konkretisiert, zuletzt im Beschluss zur Mietpreisbremse vom 18. Juli 2019. Danach geht die Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Je stärker der Einzelne auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen ist, umso weiter ist der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers.  

Das trifft auf die Miethöhenregulierung in besonderem Maße zu. Eine Wohnung hat für den Einzelnen und dessen Familie eine hohe Bedeutung. Das betrifft Mieter*innen, die ihren privaten Lebensmittelpunkt bereits in der Mietwohnung haben, aber auch Wohnungssuchende, die auf Mietwohnungen unausweichlich angewiesen sind.  Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden, wiederholt als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft. So hat das Bundesverfassungsgericht schon 1992 bezüglich der Pachtzinsbegrenzung für Kleingärtner ausgeführt, dass Grund und Boden nicht vermehrbar seien und sich am Markt ein Preis bildet, der im Hinblick auf die soziale Funktion des Eigentumsobjekts nicht mehr angemessen sei. Unter diesen Umständen könne der Gesetzgeber durch eine Pachtzinsbegrenzung einer Preisentwicklung vorbeugen, die dazu führen würde, dass ein Großteil der Bevölkerungsschichten, für die die Nutzung eines Kleingartens aus den dargelegten Gründen von besonderer Bedeutung ist, durch den Pachtzins unangemessen belastet würde.  

Das Bundesverfassungsgericht hat zudem immer wieder darauf hingewiesen, dass die Eigentumsgarantie nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums gewährleistet. Der Gesetzgeber könne einmal geschaffene Regelungen nachträglich verändern und fortentwickeln, auch wenn sich damit die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen verschlechtern. Diese Abänderung müsse durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die von Artikel 14 Absatz 1 GG gezogenen Grenzen seien erst dann überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden.

2. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
Die Bestimmung von Mietobergrenzen gemäß § 5 des Referentenentwurfs, der Mietenstopp nach § 3 des Referentenentwurfs und die Absenkung hoher Mieten nach § 4 des Referentenentwurfs sind vor diesem Hintergrund verhältnismäßig. Die Regelungen verfolgen einen legitimen Zweck (dazu unter a). Gleichermaßen geeignete jedoch mildere Mittel sind nicht ersichtlich (dazu unter b). Die Regelungen sind auch angemessen (dazu unter c).

a) Legitimer Zweck
Mit der Bestimmung von Mietobergrenzen verfolgt der Berliner Senat einen legitimen Zweck. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zur Mietpreisbremse bestätigt, dass es ein Gemeinwohlbelang ist, der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken. Dabei betont das Bundesverfassungsgericht, dass die Wohnung den Lebensmittelpunkt der Einzelnen und ihrer Familien bildet und nicht allein der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, sondern auch der Freiheitssicherung und der Persönlichkeitsentfaltung dient. Das umfasse auch die Lage der Wohnung, etwa in Bezug auf die Entfernung zu kulturellen Einrichtungen, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Naherholungsgebieten oder die Erreichbarkeit mit öffentlichem Nahverkehr.  Zudem sieht das Bundesverfassungsgericht ein darüberhinausgehendes gesellschaftspolitisches Interesse an einer durchmischten Wohnbevölkerung in innerstädtischen Stadtvierteln. Als langfristige Folge der Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus stark nachgefragten Stadtvierteln drohe eine Aufteilung der Wohnbevölkerung auf einzelne Stadtteile nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Mit Blick auf diese, durch spätere Maßnahmen nur schwer zu beseitigenden Folgen einer Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus einzelnen Stadtvierteln komme auch der Verhinderung der Gentrifizierung Gewicht als Gemeinwohlbelang zu.  

So liegt es hier: Der Mietendeckel soll die rasante Preisentwicklung auf dem freien Mietenmarkt bremsen und die Mieten in Berlin auf ein sozialverträgliches Maß zurückführen. Die Bevölkerung soll durch Unterbindung eines weiteren Mietanstiegs vor umfassenden Verdrängungsprozessen und dadurch bedingten sozialen Verwerfungen geschützt werden. Die Regelungen sollen auch der zunehmenden Segregation durch Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten in abgelegene Wohngegenden entgegenwirken und die soziale Durchmischung der Stadtviertel fördern. Auch für Bevölkerungsschichten mit mittlerem und geringem Einkommen sollen Mietwohnungen in attraktiven Wohnvierteln zu bezahlbaren Mietpreisen erhältlich bleiben. Diese Zwecke liegen im öffentlichen Interesse. Die stadtentwicklungspolitischen Ziele könnten in der Gesetzesbegründung etwas deutlicher herausgearbeitet werden.

Die stadtentwicklungspolitischen Ziele könnte in der Gesetzesbegründung etwas deutlicher herausgearbeitet werden. Dies würde eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe erleichtern.

b) Geeignetheit und Erforderlichkeit
Die Mietpreisregulierung ist auch geeignet, die Mieten in Berlin auf ein sozialverträgliches Maß zurückzuführen. Der Mietenstopp, die Mietobergrenzen und die Möglichkeit der Absenkung hoher Mieten stellen sicher, dass einkommensschwache Mieter in ihren Mietwohnungen bleiben können, zudem schaffen die Regelungen die Voraussetzungen für einen Marktzugang einkommensschwächerer Mieter. So kann die Miethöhenregulierung es einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, die bei einem Wohnungswechsel aufgrund gestiegener Mieten in ihrem bisherigen Stadtteil ohne Miethöhenregulierung keine für sie bezahlbare Wohnung hätten finden können, das Anmieten einer Wohnung in ihrer angestammten Umgebung ermöglichen. Durch Mietobergrenzen, die unabhängig von der Wohnlage gelten, wird eine Durchmischung der Bevölkerung in den angespannten Wohnvierteln erhalten und gefördert. Die vorgeschlagenen Regelungen werden zudem über ihren Geltungszeitraum hinaus Wirkung entfalten, da sie auch bremsende Wirkung auf die Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmieten haben, die nach dem Geltungszeitraum für zukünftige Mieterhöhungen maßgeblich sein werden.  

Gleich geeignete Mittel milderer Art sind nicht ersichtlich. Die Erforderlichkeit ist auch vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass der Staat nicht erst tätig werden soll, wenn der Schaden final eingetreten ist. Allein auf den Neubau zu setzen, wäre nicht gleichermaßen geeignet, den Mietpreisverschärfungen entgegenzuwirken. Die Grenzen des Neubaus ergeben sich bereits aus den fehlenden Kapazitäten der Bauwirtschaft und dem langen Planungsvorlauf von Bauvorhaben. Der Senat sollte dennoch an dem Ziel festhalten, möglichst viele Wohnungen zu bauen. Die Erforderlichkeit einer zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Mietpreisregulierung bleibt davon unberührt.

Bereits getroffene, mildere wohnungspolitische Maßnahmen des Lands Berlin haben nicht die nötige Wirkung gezeigt. Dazu gehören insbesondere die im Jahr 2014 wieder aufgenommene Förderung des Neubaus mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungen, das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, die Umstellung der Berliner Liegenschaftspolitik, die Ausweisung von Sozialen Erhaltungsgebieten, die Entwicklung neuer Wohngebiete oder der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften.  

Auch die Bestimmungen im BGB zur Regulierung der Mietpreise haben nicht den gewünschten Effekt gezeigt. So konnte die Mietpreisbremse den rasanten Preisanstieg von Mietwohnungen in Berlin nicht stoppen.

Auch in ihrer individuellen Ausgestaltung sind die vorgeschlagenen Regelungen erforderlich.

Der Mietenstopp ist gemäß § 3 des Referentenentwurfs auf fünf Jahre begrenzt und ermöglicht die Erhöhung niedriger Mieten unterhalb der in § 5 normierten Obergrenzen um 1,3 % jährlich. Weder ein kürzerer Zeitraum noch eine weitergehende Möglichkeit zur Erhöhung der Mieten wären gleichermaßen geeignet, die gesetzgeberischen Zwecke zu erfüllen. Ein kürzeres Einfrieren der Mieten würde sich weitaus weniger nachhaltig auf die Mieten und damit den Erhalt der Bevölkerungsstruktur auswirken.

Als milderes Mittel im Umgang mit geringen Mieten könnte der Senat allenfalls in Erwägung ziehen, Mietuntergrenzen festzulegen, unterhalb derer die Regelungen des Mietendeckels nicht anwendbar sind und die üblichen Mieterhöhungen zulässig bleiben.

Die in § 5 des Referentenentwurfs festgelegten Mietobergrenzen basieren auf dem Mietspiegel 2013. Der Mietspiegel von 2013 bildet nach der Begründung des Entwurfs letztmals eine weitgehend ausgeglichene Wohnungsmarktlage ab (zur Kritik dieses Ansatzes C.I. § 5), zu der mit Hilfe der neuen Regelungen zurückgefunden werden soll. Durch die Kappungsgrenzen-Verordnung vom 7. Mai 2013 wurde ganz Berlin zu einer Gemeinde im Sinne § 558 Absatz 3 Satz 2 BGB bestimmt, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingun-gen besonders gefährdet ist. Hiermit wurde erstmals öffentlich festgestellt, dass das gesamte Stadtgebiet Berlins eine angespannte Wohnungsmarktlage aufweist. Für den Zeitraum davor geht der Berliner Senat noch von weitgehend ausgeglichenen Mietpreisen aus. Höhere Obergrenzen, insbesondere eine Ausrichtung am aktuellen Mietspiegel, wären nicht gleichermaßen geeignet, der Mietpreisentwicklung Einhalt zu bieten. Der aktuelle Mietspiegel ist bereits Ausdruck eines überhitzten Wohnungsmarktes mit den jeweiligen Verdrängungseffekten, die mit den vorgeschlagenen Mietobergrenzen wieder eingefangen werden sollen.

Auch die Entkopplung der Mietobergrenzen von der Lage der Wohnung ist erforderlich. Eine Differenzierung nach Wohnlage wäre nicht gleichermaßen geeignet, der zunehmenden Spaltung der Stadt in attraktive Wohnlagen mit sehr wohlhabenden Bevölkerungsschichten und Stadtvierteln mit einkommensschwachen Bevölkerungsschichten entgegenzuwirken.

Schließlich ist auch die Absenkung der hohen Mieten nach § 4 des Referentenentwurfs erforderlich. Die Begrenzung der Maßnahmen auf die Unterbindung zukünftiger Mieterhöhungen und die Festlegung von Mietobergrenzen bei Neuvermietung wären nicht gleichermaßen geeignet, der Verdrängung von Bevölkerungsteilen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen entgegenzuwirken. Gerade die Absenkung der Mietpreisspitzen ermöglicht es diesen Bevölkerungsgruppen, auch in Zukunft ihre Wohnung zu halten und damit ihren Lebensmittelpunkt zu bewahren. Die Absenkung hoher Mieten dient nicht ausschließlich den davon profitierenden Mietparteien, sondern trägt auch zum übergeordneten Ziel einer langfristigen Entspannung des Mietmarkts bei.  

Insoweit ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht erforderlich, die Absenkung der Mieten auf Haushalte zu beschränken, bei denen die Mietkosten 30 % ihres Haushaltseinkommens übersteigen. Um die Mieten flächendeckend und nachhaltig auf ein sozialverträgliches Maß zurückzuführen und einer langfristigen Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus attraktiven Wohnlagen entgegenzuwirken, wäre eine einkommensunabhängige Absenkung überhöhter Mieten das geeignetere Mittel.

c) Angemessenheit
Die Vorschläge des Senats sind auch angemessen, da der hohe Allgemeinnutzen in einem angemessenen Verhältnis zur Beeinträchtigung der Vermieterposition steht. Gerade auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieter*innen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Die Grenzen der Verhältnismäßigkeit setzt das Bundesverfassungsgericht jedoch dort, wo die Miethöhenregulierung auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter*innen oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führte.

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen hält der Referentenentwurf stand. Einer übermäßigen Belastung der Vermieter*innen in Form von Verlusten oder Substanzgefährdungen beugt der Referentenentwurf durch verschiedene Ausnahmeregelungen vor. So können niedrige Mieten nach § 3 des Referentenentwurfs trotz Mietenstopp jährlich um 1,3 % erhöht werden, maximal jedoch auf die Mietobergrenze nach § 5 des Referentenentwurfs. Auf diese Weise sind die Vermieter*innen, die bislang sehr niedrige Mieten verlangt haben, von dem strengen Mietenstopp ausgenommen.

Darüber hinaus sieht § 7 des Referentenentwurfs eine Härtefallregelung vor, um unbillige Härten zu vermeiden. Unbillige Härten liegen gemäß Absatz 2, angelehnt an die Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts, dann vor, wenn die nach §§ 3 bis 6 zulässige Miete auf Dauer zu Verlusten für die Vermieter*innen oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würde. Dadurch stellt der Referentenentwurf sicher, dass die Wirtschaftlichkeit des Eigentums gesichert ist, also keine Verluste drohen oder aufgrund fehlender Einnahmen notwendige Erhaltungsmaßnahmen unmöglich werden.

Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, sollte unter gewissen Umständen auch der Wegfall von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufs erfasst sein. Zu denken ist dabei insbesondere an private Vermieter*innen, die zur Finanzierung des Kaufs ein Darlehen aufgenommen haben, bei dem die vereinbarten Raten den erwarteten Mieteneinkünften entsprechen. Wenn Vermieter*innen neue Darlehensbedingungen aushandeln können, beispielsweise mit längerer Laufzeit und niedrigeren Raten, stellt dies kein Verlust im Sinne des § 7 dar. Es sind jedoch auch Situationen vorstellbar, gerade bei älteren Eigentümer*innen, in denen sich das Finanzinstitut nicht darauf einlässt, die Darlehensbedingungen zu ändern, so dass der Verlust droht. Zudem sollte die Rückausnahme in § 7 Absatz 1 konkretisiert werden, wonach Umstände, die in den Verantwortungsbereich der Vermieterin fallen, nicht als unbillige Härte gelten.

Zur Angemessenheit der getroffenen Regelungen trägt auch bei, dass die Regelungen auf fünf Jahre befristet sind und durch die Feststellung einer akuten Wohnungskrise bedingt sind. (Auseinanderdriften des Marktes, Leerstandsquoten, Mietpreisentwicklung vs. Lohnentwicklung)

Zur Angemessenheit der einzelnen Maßnahmen:
(1) Obergrenze nach § 5:
In § 5 legt der Referentenentwurf eine Obergrenze fest, die sich an dem Mietspiegel von 2013 ori-entiert, allerdings ohne nach Wohnlage zu differenzieren. Die Obergrenze kommt einerseits bei Neuvermietungen zum Tragen, andererseits bei der Absenkung hoher Mieten und bei der Erhöhung niedriger Mieten. Solche preisrechtlichen Kappungsgrenzen zur Durchsetzung gewichtiger Allgemeinwohlbelange lassen sich verfassungsrechtlich rechtfertigen. So hat das Bundesverfassungsgericht auch schon in der Vergangenheit Miet- oder Pachtzinsbegrenzungen aufgrund sozial-politischer Erwägungen für verfassungsrechtlich unproblematisch erachtet. So wies das Gericht bereits 1985 die Beschwerde eines Vermieters zurück, der eine Miete, die bis vor kurzem einer Mietpreisbindung unterlegen hatte, um mehr als 30 % auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen wollte. Mit der Einführung einer Kappungsgrenze sei keine unverhältnismäßige, in die Substanz des Eigentums eingreifende Belastung des Vermieters verbunden. Die Vorschrift regele lediglich die Begrenzung künftiger Erträge aus der Vermietung von Wohnraum. Dabei werde zwar dem Vermieter eine Höchstgrenze vorgegeben, die unabhängig von der künftigen Mietpreis- und Geldwertentwicklung Geltung beansprucht. Verfassungsrechtliche Probleme können sich daraus aber allenfalls dann ergeben, wenn die Vermietung von Wohnraum auch bei voller Ausschöpfung des Mieterhöhungsrechts im Ergebnis zu Verlusten führen würde. Die Bestandsgarantie des Artikel 14 Ab-satz 1 Satz 1 GG sei noch nicht berührt, wenn nicht die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentumsobjekt erzielt werden könne.

Auch hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Begrenzung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete für verfassungsgemäß erklärt. Die Regelung sichere dem Vermieter*innen einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellen wird. Dass sie zugleich die Ausnutzung von Mangellagen auf dem Wohnungsmarkt verhindere und Preisspitzen abschneide, könne schon deshalb nicht beanstandet werden, weil eine solche Nutzung des Eigentums im Hinblick auf die soziale Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Vor dem Hintergrund kann auch die Festlegung einer am Mietspiegel von 2013 orientierten Obergrenze keiner anderen Bewertung unterliegen. Für den Zeitraum vor 2013 kann nach Einschätzung des Berliner Senats von einer weitgehend ausgeglichenen Wohnungsmarktlage ausgegangen werden. Im Mai 2013 wurde erstmals öffentlich festgestellt, dass das gesamte Stadtgebiet Berlins eine angespannte Wohnungsmarktlage aufweist. Die damals üblichen Mieten werden auch heute noch regelmäßig die Wirtschaftlichkeit der Wohnung sicherstellen. Die Erhaltungskosten sind seitdem nicht nennenswert gestiegen, bei drohenden Verlusten greift die Härtefallklausel des § 7 des Referentenentwurfs.

Bedenken könnten sich allenfalls hinsichtlich der fehlenden Differenzierung der Obergrenze anhand der Wohnlage ergeben. In bestimmten Gegenden wird die vorgegebene Obermiete erheblich vom bisherigen Mietzins abweichen. Doch auch diese Regelung lässt sich mit dem gesetzgeberischen Zweck einer ausgewogenen Stadtentwicklung, der Vorbeugung einer weiteren sozialen Spaltung und der Förderung einer gesunden Durchmischung der Stadtbevölkerung über alle Stadtviertel hinweg rechtfertigen. Insofern ist auch zu bedenken, dass die sprunghafte Wertsteigerung in bestimmten Wohnlagen nicht vor allem auf einer Leistung der Vermieter*innen beruht, sondern auf einer wirtschaftlich günstigen Entwicklung der Region, etwa dem Ansehen einer Universität, der Infrastruktur, Arbeitsmarkt- und/oder Kulturangebot und viele andere Leistungen der Allgemeinheit zurückzuführen ist.

(2) Mietenstopp:
Auch der Mietenstopp gemäß § 3 des Referentenentwurfs begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. § 3 verbietet die Erhöhung der Mieten für einen Zeitraum von fünf Jahren. Mieten, die unterhalb der in § 5 festgelegten Obergrenzen liegen, dürfen um 1,3 % jährlich erhöht werden, maximal jedoch bis zur Obergrenze in § 5. Die Regelung greift rückwirkend ab dem 18. Juni 2019. Wie bereits ausgeführt, kann der Gesetzgeber die Miethöhe begrenzen, wenn dies durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt ist. Es ist auch nicht unverhältnismäßig, dass von der Regelung auch Vermieter*innen betroffen sind, die in der Vergangenheit mögliche Mieterhöhungen nicht ausgereizt haben oder konnten. Bereits jetzt ist es so, dass die Regelungen zur Mietpreiserhöhung diejenigen Vermieter*innen benachteiligen, deren Mieter*innen schon seit vielen Jahren in der Mietwohnung leben und deswegen eine verhältnismäßig geringe Miete zahlen. Sowohl einer Erhöhung sehr geringer Mieten zur Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete als auch der Kündigung zwecks Mieterhöhung hat das Bundesverfassungsgericht sehr klare Absagen erteilt.

Der Verhältnismäßigkeit steht auch nicht entgegen, dass viele Vermieter*innen mit den üblichen Mieterhöhungen kalkuliert haben. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einmal geschaffene Regelungen nachträglich verändern und fortentwickeln auch wenn sich damit die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen verschlechtern. Die Abänderung kann wie hier durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.

Unbilligen Härten wirkt der Referentenentwurf entgegen, indem niedrige Mieten nach § 3 Absatz 3 bis zur Obergrenze des § 5 jährlich um 1,3 Prozent erhöht werden können und Härtefallanträge nach § 7 gestellt werden können.

Auch die in § 3 Absatz 1 des Referentenentwurfs normierte Rückwirkung des Mietenstopps ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig und die Wahl des Zeitpunkts orientiert am gegebenen Sachverhalt vertretbar ist.  Die Erforderlichkeit eines Stichtages ergibt sich dadurch, dass der Mietendeckel schon seit einiger Zeit in der politischen Diskussion ist und verhindert werden sollte, dass Vermieter*innen ihre Mieterhöhungsmöglichkeiten in unbilliger Weise ausschöpfen, bevor der Mietendeckel in Kraft tritt. An dem gewählten Stichtag hat der Senat die „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz (Mietendeckel)“ beschlossen und im Anschluss veröffentlicht, in denen unter anderem festgehalten ist, dass Mieten für fünf Jahre nicht erhöht werden sollen. Die gesetzgeberischen Pläne wurden also transparent kommuniziert und haben es den Vermieter*innen ermöglicht, ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend anzupassen.

(3) Absenkung der Mieten:
Die Herabsetzung überhöhter Mieten gemäß § 4 des Referentenentwurfs hat eine größere Eingriffsintensität als die übrigen Maßnahmen, da in bestehende Verträge eingegriffen und vereinbarte Mieten abgesenkt werden. Doch auch diese Maßnahme lässt sich mit den Gemeinwohlzwecken des Gesetzes rechtfertigen. Eine einmal getroffene vertragliche Vereinbarung genießt keinen absoluten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz, vielmehr muss der Eingriff in Artikel 14 GG und in die Privatautonomie wiederum mit den entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen abgewogen werden. Auf Seiten der Vermieter*innen ist zu berücksichtigen, dass die Miete vor dem Hintergrund möglicherweise getroffener Dispositionen vereinbart wurde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nur erhöhte, über der Obergrenze des § 5 liegende Mieten, abgesenkt werden müssen und die durch diese Miete erzielte Rendite ohnehin der kurzfristigen Explosion des Berliner Mietmarkts geschuldet ist und keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz genießt.

Es liegt auch kein Fall einer echten Rückwirkung vor, da nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird, sondern in ein Dauerschuldverhältnis, das zwar einen Anknüpfungspunkt in der Vergangenheit hat, aber noch nicht abgeschlossen ist. Zudem genießen die Vermieter*innen nur einen verminderten Vertrauensschutz, da sie aufgrund der anhaltenden gesellschaftspolitischen Debatten zur Mietenkrise in Berlin mit politischen Maßnahmen rechnen mussten.

So entschied das Bundesverfassungsgericht schon 1983 hinsichtlich einer Regelung zur Erhöhung des Mietzinses, die sich auf erfolgte Erhöhungen der letzten drei Jahre bezog, dass der Vermieter*innen schon im Hinblick auf die sozialpolitische Bedenklichkeit des alten Rechtszustandes nicht davon ausgehen konnte, der Gesetzgeber werde auch für alle Zukunft prozentual unbegrenzte Mietanhebungen auf das Vergleichsmietenniveau zulassen. Unter diesem Gesichtspunkt sei es bereits zweifelhaft, ob das Vertrauen eine*r Vermieter*in auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage überhaupt eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber beanspruchen kann. Darüber hinaus sei aber ganz allgemein zu berücksichtigen, dass der Bürger gerade im sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des sozialen Mietrechts ohnehin mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen muss und nicht ohne weiteres auf das unveränderte Fortbestehen einer ihm derzeit günstigen Rechtslage vertrauen kann.  

II. Vereinbarkeit mit Artikel 3 GG
Die vorgeschlagenen Regelungen sind auch an Artikel 3 GG zu messen.

Im Folgenden werden verschiedene Vergleichsgruppen gebildet und die Rechtfertigung einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung erörtert. Differenzierungen bedürfen stets eines Sachgrunds und unterliegen wegen der von den Regelungen betroffenen Eigentumsgarantie und des Eingriffs in die Privatautonomie über das Willkürverbot hinaus strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen.

1. Gleichbehandlung von Vermieter*innen unabhängig von der Lage der Wohnung
Bedenklich könnte die Bestimmung von Mietobergrenzen ohne Berücksichtigung der Wohnlage sein. Dadurch werden diejenigen Vermieter*innen, die Wohneigentum zu hohen Preisen in attraktiven Wohnvierteln erworben haben, bei der zulässigen Miete mit den Vermieter*innen gleichgestellt, deren Wohnungen in weniger attraktiven Wohnvierteln gelegen sind. In der Entscheidung zur Mietpreisbremse hat das BVerfG eine Differenzierung nach regionalen Unterschieden anhand der ortsüblichen Vergleichsmiete für gerechtfertigt gehalten, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Dabei stellt das BVerfG einen direkten Zusammenhang zwischen der ortsüblichen Vergleichsmiete und der Wirtschaftlichkeit der Vermietung her. Eine bundesweit einheitliche Mietgrenze bliebe hingegen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ohne hinreichenden sachlichen Bezug. Zugleich fehle es ihr an einer hinreichenden Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Mieter*innen, so dass eine solche Regelung der befürchteten Verdrängung einkommensschwächerer Mieter*innen aus deren angestammten Wohnvierteln nicht effektiv entgegenwirken könne. Dies begründet das BVerfG damit, dass die ortsübliche Vergleichsmiete auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mieter*innen widerspiegele.

Die fehlende Differenzierung nach Wohnlage kann möglicherweise damit gerechtfertigt werden, dass sich in bestimmten Stadtvierteln wohlhabende Mieter*innen ballen, während einkommensschwache Bevölkerungsteile in weniger attraktive Wohngegenden verdrängt werden. Um dieser Segregation entgegenzuwirken, kann es geboten sein, einkommensschwachen Mieter*innen durch deutliche Absenkung der Mieten in attraktiven Gegenden den Zuzug zu ermöglichen. Anders als das vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommene Gesamtbundesgebiet ist der gesamte Berliner Wohnungsmarkt angespannt und rechtfertigt Eingriffe in den Mietmarkt. Fraglich bleibt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichwohl, ob einheitliche Obergrenzen für ganz Berlin ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind. Ergänzende Ausführungen zur Notwendigkeit einer stadtweiten einheitlichen Deckelung in der Begründung des Gesetzes wären daher empfehlenswert.

2. Gleichbehandlung von privaten und gewerblichen Mieter*innen
Die Gleichbehandlung von gewerblichen und privaten Vermieter*innen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insofern lassen sich die Argumente des BVerfG zur Mietpreisbremse übertragen. Zwar trete bei einer Vermietung zur privaten Vorsorge im Gegensatz zur unternehmerischen Nutzung die Bedeutung des Eigentums für die Freiheit der Einzelnen stärker hervor, mit Blick auf die mit der Miethöhenregulierung verfolgten Ziele bestehe jedoch ein sachlicher Grund. Um die Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsgruppen aus nachgefragten Stadtvierteln wirksam zu verhindern und Wohnungssuchenden aus diesen Bevölkerungsgruppen dort weiterhin die Anmietung einer Wohnung zu ermöglichen, ist es geeignet und erforderlich, die mit der Miethöhenregulierung verbundene Dämpfung der Mieten unterschiedslos und ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung der Mieteinnahmen für den Vermieter*innen anzuwenden. Die gleiche Behandlung führt nicht zu einer im Ergebnis nicht mehr angemessenen Belastung privater Vermieter*innen, da auch hier die Ausnahme- und Härtefallregelungen greifen.

3. Gleichbehandlung von Vermieter*innen, die bislang geringe Mieten veranschlagt haben mit Vermieter*innen, die Mietgrenzen ausgereizt haben
Von dem allgemeinen Mietenstopp sind auch diejenigen Vermieter*innen betroffen, die bislang sehr niedrige Mieten veranschlagt haben. Diese Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte müsste durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.

In dem Beschluss zum Mietendeckel befand das BVerfG eine Privilegierung der Vermieter*innen, die zuvor die zulässigen Mieten ausgereizt hatten, als unproblematisch. Es sei nicht Ziel der Miethöhenregulierung, ein sozial missbilligenswertes, aber in der Vergangenheit erlaubtes Vermieter*innenverhalten zu sanktionieren. Im Unterschied zur Mietpreisbremse beschränkt § 3 des Referentenentwurfs jedoch auch im Bereich der geringen Mieten die Mieterhöhungsmöglichkeiten de*r Vermieter*in, sowohl im laufenden Mietverhältnis als auch bei Neuvermietung. Dieser umfassende Mietenstopp verfolgt den Zweck, die Mietpreisentwicklung nachhaltig und flächendeckend zu bremsen. Dazu trägt auch das Einfrieren geringer Mieten bei. Um die Belastung dieser Vermieter*innen abzumildern, sieht der Referentenentwurf jedoch vor, dass Mieten unterhalb der Obergrenze jährlich um 1,3 % erhöht werden dürfen. Eine weitere Option zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit wäre die Festlegung von Mietuntergrenzen, unterhalb derer der Mietenstopp keine Anwendung findet.

4. Ungleichbehandlung von Mieter*innen je nach Einkommen, bzw. Ungleichbehandlung der Vermieter*innen je nach Einkommen der Mieter*innen
§ 4 des Referentenentwurfs sieht einen Absenkungsanspruch nur für diejenigen Mieter*innen vor, die für die Miete mehr als 30 % ihres Haushaltseinkommens aufbringen müssen. Eine Ungleichbehandlung erfolgt hier zwischen Vermieter*innen, die an einkommensschwache Haushalte vermietet haben und Vermieter*innen mit zahlungskräftigen Mieter*innen, sowie spiegelbildlich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Mieter*innen.

Der Senat verfolgt mit dieser Differenzierung das Ziel, die maximal zulässige Miete an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Mieter*innen zu knüpfen und dadurch der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen effektiv entgegenzuwirken. Dies ist ein legitimer Zweck (dazu oben unter 2a), fraglich ist jedoch, ob die Differenzierung der Miete nach Haushaltseinkommen ein geeignetes und erforderliches Mittel ist. In seinem Beschluss zur Mietpreisbremse hat das Bundesverfassungsgericht eine Orientierung der Miete an der ortsüblichen Vergleichsmiete auch deshalb für ein geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, weil dadurch die Miete auch mittelbar an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mieter*innen anknüpft. Ohne entsprechende Anknüpfung könne der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen nicht effektiv entgegengewirkt werden. Eine Differenzierung nach Zahlungsfähigkeit sieht das Bundesverfassungsgericht mithin grundsätzlich als geeignetes Mittel, um einer Verdrängung ärmerer Haushalte entgegenzuwirken.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Unterscheidung der Miethöhe nach regionalen Mietmärkten auch mit den höheren Immobilienpreisen, mithin einer höheren Investition beim Kauf der Wohnung korreliert und damit auch in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Wohnung für den Vermieter*innen ein angemessenes Unterscheidungskriterium darstellt. Im Gegensatz dazu ist das Haushaltseinkommen der Mieter*innen für die Vermieter*innen ein rein zufälliges Anknüpfungsmerkmal und sie konnten zum Zeitpunkt der Vermietung nicht damit rechnen, dass daran zukünftig eine geringere Miete geknüpft sein würde. Eine Anknüpfung an das Haushaltseinkommen könnte zudem den unerwünschten Nebeneffekt haben, dass Vermieter*innen künftig weniger häufig an einkommensschwache Haushalte vermieten, weil sie befürchten, dass auch in Zukunft gesetzliche Regelungen wieder an die Zahlungsfähigkeit anknüpfen könnten. Damit würde diese Unterscheidung dem ursprünglichen Ziel, der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen entgegenzuwirken, zuwiderlaufen.  

Die Angemessenheit der Regelung setzt zudem voraus, dass die Differenzierung nach geeigneten, also sachlich gerechtfertigten Kriterien erfolgt. Insoweit könnte hinterfragt werden, ob es sachgerecht ist, nur an das Einkommen und nicht an das Vermögen anzuknüpfen. Zudem ist fraglich, ob eine scharfe Grenzziehung bei 30 % des Haushaltseinkommens der Zielsetzung gerecht wird oder nicht vielmehr ein ausdifferenziertes Berechnungssystem mit nach Einkommen gestaffelter Miete erforderlich wäre, um den Interessen gerecht zu werden.

Eine Absenkung der Miete für einkommensschwache Haushalte ließe sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sicherlich verfassungskonform ausgestalten. Angesichts des enormen Bürokratieaufwands und der genannten Bedenken in Hinblick auf Artikel 3 GG ist jedoch zu einer Regelung zu raten, die unabhängig vom Haushaltseinkommen die Absenkung hoher Mieten vorsieht. Dies hätte auch den Vorteil, über den unmittelbaren Schutz einkom-mensschwacher Mieter*innen hinaus auch nachhaltig das Mietpreisniveau in Berlin zu senken und die enormen Mietpreisunterschiede anzugleichen. Während kurzfristig von einer solchen Regelung auch einkommensstarke Haushalte profitieren, führt eine unterschiedslose Absenkung langfristig zur stärkeren Entspannung des Mietmarkts, unter anderem durch die Auswirkungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete, die auch nach dem Geltungszeitraum des Mietendeckels Wirkung entfaltet. Davon profitieren langfristig gerade auch einkommensschwache Mieter*innen.

C. Das Gesetz im Einzelnen
Das Gesetz erscheint insgesamt etwas kompliziert und unübersichtlich. Es wird in der alltäglichen Anwendung wenig verbraucherfreundlich sein.

I. Anmerkungen zu den einzelnen Regelungen des Gesetzes
§ 1
Die landesrechtliche Gesetzeskompetenz zum Wohnungswesen erstreckt sich nicht auf die Regelung von Wohnungsmietverhältnissen. Eingriffe in Vertragsverhältnisse berühren die bundesrechtliche Kompetenz zur Regelung des bürgerlichen Rechts (Vertragsbezug). Gegenstand des Gesetzes können daher nur Wohnräume sein (Objektbezug).

§ 2
Formell bedarf die Beleihung von Dritten eines Gesetzes, das „Ob“ und „Wie“ der Übertragung regelt. Aus dem Gesichtspunkt der lückenlosen demokratischen Legimitation der Exekutive müssen Rechtaufsicht und Fachaufsicht angeordnet sein.  Beides ist gewahrt.

Materiell ist für eine Abweichung vom Funktionsvorbehalt aus Artikel 33 Absatz 4 GG („Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen" [...]) eine sachliche Rechtfertigung erforderlich. Dabei steht dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Die Nutzung privater Kapazitäten zur Aufgabenerfüllung stellt nach der Rechtsprechung des BVerfG einen sachlichen Grund in diesem Sinne dar . Grenze der Aufgabenübertragung sind lediglich die staatlichen Kernaufgaben. Nach diesem Maßstab ist die Beleihung nach § 2 Abs. 2 materiellrechtlich unproblematisch. Allerdings sollten die Sachkundevoraussetzungen für die Beleihung klarer gefasst werden.

§ 3 Absatz 1
Es fehlt eine Definition des Begriffes der „Miete“. Offenbar orientiert sich der Mietenbegriff sinnvollerweise an den gleichen Kriterien, die auch im Berliner Mietspiegel 2019 (dort Nr. 5) benutzt werden. Dies sollte auch so benannt werden.

Die Regelung unterscheidet aus nicht nachvollziehbaren Gründen zwischen der am Stichtag vereinbarten (Satz 1) und der am Stichtag geschuldeten Miete (Satz 2). Der Bezug auf die am Stichtag vereinbarte Miete erscheint missverständlich, da am 18.06.2019 durchaus für einen späteren Zeitpunkt eine höhere Miete vereinbart seit kann, als die am 18.06.2019 geschuldete Miete.

§ 3 Absatz 3
In der praktischen Umsetzung erscheint diese Vorschrift als zu kompliziert. Das gilt vor allem für Mieten, die Höchstwerte und die Mietobergrenze gemäß § 5 vereinbarungsgemäß übersteigen, z.B. weil die Mieter*innen nach dem 18.06.2019 einer Erhöhung der Miete zugestimmt haben. Diese müssten dann eigenständig die Erhöhung der Tabellenwerte um 1,3 % beachten und ihre Zahlung anpassen.

§ 4
Der direkte Zugriff auf einzelne Mietverträge in der Form der Ersetzung des mietvertraglich vereinbarten Mietzinses durch eine öffentlich-rechtliche Preisnorm erscheint kompetenzrechtlich problematisch. Ein solcher Zugriff dürfte dem bürgerlichen Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) zuzuordnen sein und daher in der Zuständigkeit des Bundes liegen. Problematisch erscheint aber auch eine einzelfallorientierte, per Verwaltungsakt vollzogene Absenkung, da diese direkt an dem konkreten Mietverhältnis und nicht an der Wohnung ansetzt. Zum einen wird nur in vereinzelte Mietverträge eingegriffen, zum anderen sind die Rechtsfolgen abhängig von der Person der Mieter*innen.

Dieses Dilemma ist wohl letztlich nur durch eine Vorschrift auflösbar, die hohe Mieten generell herabsetzt (vgl. dazu oben B.II.4.).

§ 4 Absatz 2
Der Begriff der Mietbelastung erscheint nicht hinreichend bestimmt. Handelt es sich dabei um die Nettomiete oder in Anlehnung an die Rechtsprechung  zur finanziellen Härte gem. § 555d Absatz 3 Satz 1 BGB um die Bruttomiete? Letzteres ist zu bevorzugen und sollte entsprechend klargestellt werden. Sinnvoller erschiene es, die Mietsenkung an die WBS-Berechtigung anzubinden, da die Bezirksämter mit der Ermittlung der entsprechenden Einkommensvoraussetzungen vertraut sind.

§ 4 Absatz 4 Satz 2
Der Verweis auf § 2 Absatz 2 Satz 1 Wohnraumgesetz Berlin zur Bestimmung angemessener Wohnflächen erscheint nur wenig praktikabel. So sind etwa im Altbaubestand 3-Zimmer-Wohnungen regelmäßig größer als 75 m².

§ 4 Absatz 4 Satz 3
Nach dieser Regelung können Mieter*innen, die ergänzende Leistungen nach SGB II erhalten, eine Mietbelastung nicht geltend machen, die von staatlichen Leistungsträgern nicht übernommen wird. Diese sollte aber den Regelsatz nicht schmälern.

§ 5 Absatz 1
Für die Ermittlung der Höchstmieten auf die Zahlen des Berliner Mietspiegels 2013 zurückzugreifen erscheint nicht nachvollziehbar. Wenn mit der Kappungsgrenzen-Verordnung vom 07.05.2013 eine besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Berliner Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen festgestellt wurde, können die zum 01.09.2012 erhobenen Daten nicht einen weitgehend ausgeglichene Wohnungsmarktlage widerspiegeln. Mit einer solchen Argumentation würde der Landesgesetzgeber seine Begründung zur Kappungsgrenzen-Verordnung in Frage stellen. Ähnliches gilt für das Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz aus dem gleichen Jahr.

Tatsächlich stieg die ortsübliche Vergleichsmiete in Berlin bis 2009 relativ moderat an. Im Jahre 2009 zeigte der Mietspiegel erstmals einen stärkeren Anstieg. Die Neuvertragsmieten stiegen im selben Zeitraum gleichfalls stark an. Aus der Begründung des Senats zur Kappungsmieten-Verordnung geht hervor, dass der Index Angebotsmieten/Bestandsmieten 2011 im Verhältnis zum Jahr 2006 schon bei 112% lag. In einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt läge dieser Wert dagegen bei 100%.

§ 5 Absatz 3
Die Anbindung der preisrechtlichen Höchstmiete an eine „erfolgte“ zivilrechtliche Mieterhöhung gemäß §§ 559ff. BGB dürfte ebenfalls die Kompetenz des Landesgesetzgebers überschreiten. Der Höchstpreis ist zulässigerweise objektbezogen und nicht vertragsbezogen zu bestimmen. Bestraft würden im Übrigen Vermieter*innen, die aus unterschiedlichen Erwägungen eine Mieterhöhung (noch) nicht erklärt haben. (z.B. Genossenschaften)

Die Regelung ist zudem logisch inkonsistent. Jedenfalls in die Mieten aus dem Mietspiegel 2013 sind die Modernisierungsmieterhöhungen, die hier den Zuschlag begründen sollen, schon eingeflossen. Sie würden hier doppelt berücksichtigt. Zudem refinanzieren sich Modernisierungen durch Mieterhöhungen gemäß § 559 BGB a.F. nach etwa 9 Jahren komplett. Darüber hinaus wurde der modernisierte Zustand bei späteren Mieterhöhungen gem. § 558 BGB (meist nach Mietspiegel) in die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel berücksichtigt. Warum man das bei den in Anlehnung an den Mietspiegel 2013 ermittelten Werten anders handhaben will und hier einen Zuschlag gewährt, erschließt sich nicht.

§ 5 Absatz 3 Satz 2
Mit der gewählten Formulierung erhöht sich der Höchstpreis auch dann um 1,00 €, wenn nur eine geringere Modernisierungsumlage (z.B. von 0,10 €) gemäß §§ 559ff. BGB rechtlich möglich wäre. So würden  Modernisierungen mit geringem finanziellen Aufwand provoziert.

§ 5 Absatz 4
Die Auskunftspflicht mindert die Risiken für Mieter*innen bei der Einschätzung der Höchstmiete für ihre Wohnung. Sie sollte mit einer Pflicht zur Vorlage von Belegen verknüpft werden, anhand derer die Auskunft geprüft werden kann. Sie eröffnet dennoch erhebliches Konfliktpotential für die Frage, welche Modernisierungen wann mit welcher Modernisierungsumlage verbunden war und ob diese tatsächlich auch wirksam „umgelegt“ wurde. Dies dürfte Durchschnittsmieter*innen völlig überfordern und auch ihre Berater*innen vor unlösbare Aufgaben stellen.

§ 6
Die Statuierung einer Genehmigungspflicht von Mieterhöhungen überschreitet gleichfalls die Kompetenz des Landesgesetzgebers. Dieser kann zwar Höchstgrenzen für Mietpreise nach Modernisierung oder für bestimmte Ausstattungen anordnen. Die Zulässigkeit von Modernisierungsmieterhöhungen ist jedoch nach privatrechtlichen Maßstäben zu bestimmen. Die Entscheidung darüber obliegt gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 1 GG aktuell dem Bundesgesetzgeber. Eine Regelung, die einzelne Ausstattungsmerkmale mit Mietzuschlägen verbindet, dürfte dagegen kompetenzrechtlich unbedenklich sein.

Für alle Wohnungen, die die Werte in § 5 Absatz 1 noch nicht erreicht haben, sind Mieterhöhungen von mehr als 1,40 €/m² bzw. 1,00 €/m² möglich, die ihre Grenzen dann in den § 559 Absatz 3a BGB finden sollen. Ohne eine erhebliche Einschränkung der Mieterhöhungsmöglichkeiten durch Modernisierung nach dem BGB wird jedoch das Ziel des Gesetzes, der drohenden Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten entgegenzuwirken, nicht erreicht.

§ 6 Absatz 2
Die Ausnahmen sind zu weit gefasst. Das trifft insbesondere auf die Modernisierung zur Erreichung der Klimaschutzziele des Landes Berlin zu. Das Ziel der Warmmietenneutralität aus dem Koalitionsvertrag bleibt außer Betracht.

Darüber hinaus sind die Klimaschutzziele – etwa aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm – kein klares Kriterium zur Bestimmung der Genehmigungsfähigkeit einer Modernisierungsmaßnahme. Die in dem Programm genannten Maßnahmen, wie Nutzung von Geothermie, Fernwärme, Blockheizkraftwerken und Wärmerückgewinnungsanlagen führten neben der Wärmedämmung und dem Austausch von Fenstern in der Vergangenheit zu Mieterhöhungen von bis zu 8 €/m². Daher wird damit zu rechnen sein, dass auch weiterhin die gemäß § 559 Absatz 3a BGB möglichen Mieterhöhungen voll ausgeschöpft werden. Das Ziel des Gesetzes, den Mietenanstieg auch durch Modernisierungsmieterhöhungen zu begrenzen, wird so verfehlt. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die Vermieter*innen sich weiterhin in Modernisierungen flüchten werden, um eine höhere Rendite zu erreichen. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die Möglichkeit, die Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete anzupassen, beschränkt wird. Damit wird die Modernisierungsmieterhöhung Preistreiber Nr. 1 bei Mietwohnungen und damit weiterhin das Instrument der Vermieter*innen zur Verdrängung von Mieter*innen bleiben.

Modernisierungszuschläge müssen daher, wie im Eckpunktepapier vorgesehen, gegenüber den Möglichkeiten nach § 559 Absatz 3a BGB deutlich reduziert werden.

§ 7 Absatz 1
Der Begriff der unbilligen Härte erscheint uns als zu unbestimmt und dehnbar. Es muss deutlicher werden, dass es sich hier um die Regelung eines Ausnahme- und nicht eines Regelfalls handelt. Bezieht sich die Härte auf das gesamte Objekt oder die einzelne Wohnung? Wird auf Antrag nur für eine Wohnung die Höchstgrenze angehoben oder der Preis aller Wohnungen im Objekt anteilig? Es sollte deutlicher werden, welche Gründe in den Verantwortungsbereich des Vermieters fallen. Zumindest sollte sich dies aus der Gesetzesbegründung ergeben.

§ 7 Absatz 2
Unklar ist, ob etwa schon einfache Gewinneinbußen als Verluste anzusehen sind.  Der Begriff der Verluste sollte daher genauer definiert werden. Ein Härtefall gem. § 7 sollte nur vorliegen können, wenn die Mieteinnahmen zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Gebäudes, insbesondere zur Vornahme notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen nicht mehr ausreichen, wobei die Bildung von Instandsetzungsrücklagen aus Gewinnen der Vorjahre erfolgt sein sollte.

§ 11
Es fehlt eine Übergangsvorschrift für das Auslaufen des Mietendeckelgesetzes. Ein ungebremstes Ende des Gesetzes würde von einem Tag zum anderen wieder die ungedeckelten Mieten in Kraft setzen. Da zu diesem Zeitpunkt eine ortsübliche Vergleichsmiete nicht oder nur schwer bestimmt werden kann, müssen Vermieter*innen dann zur Begründung von Mietererhöhungen gemäß §§ 558ff. BGB gemäß § 558a Absatz 2 BGB auf Sachverständigengutachten oder drei Vergleichswohnungen zurückgreifen.

II. Eigenbedarf
Zu begrüßen ist auch, dass die offenbar geplante Genehmigungspflichtigkeit von Eigenbedarfskündigungen nicht in den Referentenentwurf übernommen wurde. Dies wäre erheblichen kompetenzrechtlichen Bedenken begegnet. Dennoch sollte angesichts der ausufernden Zahl von Eigenbedarfskündigungen weiter über landesrechtliche oder bundesrechtliche Beschränkungen von Eigenbedarfskündigungen nachgedacht werden. Zu diskutieren wäre etwa eine Regelung, nach einer Kündigung nur die Nutzung als Erstwohnsitz zulässt oder die an der Möglichkeit der Versorgung der gekündigten Mieter*innen mit Ersatzwohnraum anknüpft, insbesondere derer, die nur geringe oder keine Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben.

III. Verfahren
Der Referentenentwurf sieht vor, dass Mieter*innen einen Antrag auf Absenkung der Mieten stellen können, wenn ihre Miete die Höchstmiete aus § 5 Absatz 1 übersteigt. Einen Antrag müssen auch Vermieter*innen stellen, die einen Zuschlag zur Tabellenmiete wegen einer in den letzten acht Jahren durchgeführte Modernisierung erreichen wollen. Ebenso müssen die Vermieter*innen einen Antrag stellen, die die Bewirtschaftung der Immobilie durch den Mietendeckel gefährdet sehen. Die Senatsverwaltung rechnet mit 400.000 Anträgen nach Inkrafttreten des Gesetzes. Auch mit Hilfe beliehener Dritter werden die bezirklichen Wohnungsämter diesen Ansturm in angemessener Zeit nicht bewältigen können. Zumal im Haushalt bislang keine entsprechenden Stellen eingerichtet sind.

Dies hätte zur Folge, dass
•    die Mieter*innen auf absehbare Zeit die über der Tabellenmiete liegenden Mieten zahlen;
•    Vermieter*innen können nur die Tabellenmieten verlangen und Modernisierungszuschläge auf absehbare Zeit nicht fordern;
•    Mieten, die für Vermieter*innen nicht auskömmlich sind, werden weiter zu zahlen sein.


Vor diesem Hintergrund sollte geprüft werden, ob nicht so viel wie möglich über bußgeldbewehrte Verbote geregelt werden kann. („Es ist verboten, eine Miete zu verlangen, die die am 18.06.2019 zulässig vereinbarte Miete übersteigt“). Gleichzeitig sollte wie bei § 5 WiStrG die Möglichkeit aufgenommen werden, dass die zuständige Behörde eine Rückzahlung der zu viel geleisteten Miete anordnen kann. Unabhängig davon gäbe es dann zivilrechtlich einen Rückforderungsanspruch nach §§ 812, 134 BGB bezüglich der überzahlten Miete. Die Modernisierungszuschläge könnten aber auch im Rahmen eines Ordnungswidrigkeits- oder Rückzahlungsverfahrens überprüft werden. Bei den Bezirksämtern blieben nur noch die Härteanträge.

Der Ausschluss einer Selbstkorrektur der Verwaltung durch Widerspruchsverfahren wird Mieter*innen und Vermieter*innen zudem frühzeitig in verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzungen zwingen. Der mit diesem Verfahren verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand wird eine nicht zu unterschätzende Hürde für betroffene Mieter*innen zur Rechtsdurchsetzung bilden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Mieter*innenvereinigungen lediglich Rechtsschutz für mietrechtliche, nicht jedoch für verwaltungsrechtliche Auseinandersetzungen anbieten. Ein bußgeldbeehrtes Verbotsgesetz böte dagegen die Möglichkeit, Streitigkeiten zwischen den Mietparteien vor den Zivilgerichten zu führen.

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Mietrecht (doublet) Stellungnahmen
news-632 Fri, 06 Sep 2019 16:45:00 +0200 Was tun, wenn's brennt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/was-tun-wenns-brennt-632 Rechte Gewalt in Berlin stoppen! 10.9.19 | 19:30 h | SO36 Diskussion mit:
Ferat Kocak, Vizesprecher Die Linke Neukölln, Betroffener rechter Gewalt
Sven Richwin, Rechtsanwalt, vertritt mehrere Betroffene rechter Gewalt
Katharina König-Preuss Die Linke Thüringen, berichtet über den Sinn eines Untersuchungsausschusses vor dem Hintergrund des NSU-Ausschusses in Thüringen

Zeit und Ort:
Dienstag, 10. September 2019 um 19:30 h
SO36
Oranienstr. 190
10999 Berlin

Nachdem mit Walter Lübcke ein Politiker Opfer rechten Terrors geworden ist, scheint das Thema wieder Konjunktur zu haben. In Berlin, das seit Jahren immer wieder Tatort rechten Terrorswird, scheint das Thema die Sicherheitsbehörden jedoch kaum zu interessieren. Im Neuköllner Süden kommt es seit 2010 immer wieder zu schweren Vorfällen: Der Mord an Burak Bektașim Jahr 2012, sowie zahlreiche Brandanschläge auf das Haus der Falken, private PKWs von Linken und eine  alternative Neuköllner Kiezkneipe, bei denen es oft nur dem Zufall geschuldet war, dass es keine schwer Verletzten oder Tote gab. Die Neuköllner Neonaziszene scheint aktiv und bisher weitestgehend ungestört in ihren Angriffen.

Eine nicht unbedeutende Rolle scheint die Untätigkeit der Berliner Sicherheitsbehörden zu spielen:
Trotz Kenntnis eines potentiellen Täterkreises werden Ermittlungen immer wieder eingestellt. Betroffene der Angriffe werden trotz entsprechender Hinweise der Sicherheitsbehörden nicht über ihre Gefährdung informiert, geschweige denn geschützt. Es entsteht der Eindruck, dass dahinter nicht Zufall, Pannen oder Unvermögen stecken, sondern Struktur.

Ein Ansatz des Zusammenschlusses Betroffener ist es nun, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses mittels einer Petition zu fordern, um das Berliner Abgeordnetenhaus zu einer Auseinandersetzung mit dem Umgang der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden mit rechtem Terror zu bewegen.
Welche Wege und Strategien sind im Kampf gegen rechte Gewalt, nicht nur in Berlin-Neukölln, notwendig und sinnvoll?

In der Veranstaltung wollen wir diese und weitere Fragen mit euch diskutieren und uns mit der Lebensrealität Betroffener auseinandersetzen.

Eine Veranstaltung des Zusammenschlusses Betroffener, des arbeitskreises kritischer juristinnen (akj) und des Republikanischen Anwätlinnen- und Anwältevereins (RAV)

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Veranstaltungen
news-636 Fri, 06 Sep 2019 16:36:33 +0200 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-verlaengerung-des-betrachtungszeitraums-fuer-die-ortsuebliche-vergleichsmiete-636 Stellungnahme des RAV, 6.9.19 Grundsätzlich ist die Erweiterung des Betrachtungszeitraums für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahren zu begrüßen, jede Erweiterung hilft. Allerdings wäre es sicherlich besser, alle Mieten bei der Ermittlung der Vergleichsmieten zu berücksichtigen. Denn nur so werden alle Mieten berücksichtigt, die am Markt gezahlt werden.

      1. Ortsübliche Vergleichsmiete und Betrachtungszeitraum

Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich – von der Grundidee her – um die Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es sind daher nicht nur die in jüngerer Zeit neu vereinbarten Mieten zu berücksichtigen, sondern auch die unveränderten Bestandsmieten, die offenbar von diesen Vermietern als auskömmlich und nicht unangemessen angesehen werden. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind Änderungskündigungen ausgeschlossen. Die Vermieter dürfen nicht kündigen, um einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wird ihnen das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappung von 15 bzw. 20 % auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu erhöhen. Das kann nicht die Neuvermietungsmiete sein, denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen würde. Dann hätte man sich dieses Verbot schlicht sparen können.

Daher ist die ortsübliche Vergleichsmiete nicht die bei Neuvermietung erzielbare Miete, sondern diejenige Miete, die für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermieter soll das bekommen, was die anderen Vermieter – im Schnitt – auch an Miete erhalten. Darin enthalten sein müssen alle Mieten, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten.

Derzeit sollen hingegen bei der Ermittlung der Vergleichsmiete nur die Mieten eine Rolle spielen, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Die Mieten, die also schon lange nicht erhöht worden sind, finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Diese systemwidrige Beschränkung wird mit der Einbeziehung zweier weiterer Jahre zwar gemildert. Konsequent und richtig wäre aber die Einbeziehung aller Mieten.

Es wird angeregt, genau dies so zu regeln. Dabei muss auch darauf verwiesen werden, dass man 2016 unter der Vorgängerregierung schon einmal weiter war. Seinerzeit ging es um die Einbeziehung der Mieten immerhin der letzten zehn Jahre.

       2. Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten

Der Referentenentwurf führt zur Begründung aus, dass die Mieten und hier insbesondere die Angebotsmieten in den letzten Jahren erheblich gestiegen seien. Aus diesem Grunde solle über die Ausweitung des Betrachtungszeitraums eine stärkere Dämpfung der Mieten erreicht werden. In der Praxis erweist sich allerdings gerade die Auseinandersetzung über die tatsächliche Miethöhe als wesentlich gravierender. Regelmäßig streiten sich die Parteien über die Qualität der qualifizierten Mietspiegel, die allein in eine Ermittlung der Vergleichsmieten sicher ermöglichen. Viele Mietspiegel sind als nicht mit dem Gesetz vereinbar – weil nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt – von der Rechtsprechung für ungültig erklärt worden.

           a. Stärkung der qualifizierten Mietspiegel

Es bedarf daher dringend verbindlicher Regelungen, wie die Mietspiegel aufzustellen sind. Hier hatte die Vorgängerregierung bereits einen Entwurf erarbeitet, der eine Reihe interessanter Ansätze enthielt. Hierauf hatten wir bereits in unserer anliegenden Stellungnahme zur letzten Mietrechtsreform verwiesen.

         b. Beweisregeln zu Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete

Weiter ist es wichtig, neben einer Definition der wissenschaftlichen Grundsätze, die Beweisregeln in Bezug auf den Mietspiegel zu verbessern. Wir schlagen daher vorher, eine gestufte Beweisvermutung einzuführen:

Es soll grundsätzlich dabei bleiben, dass ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellter Mietspiegel, der von den Interessenverbänden (Vermieter und Mieter) oder der Behörde anerkannt wurde, die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt. Darüber hinaus sollte gesetzlich vermutet werden, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, wenn die Interessenverbände und die Behörde den Mietspiegel anerkennen.

Die Beweisvermutung führt gem. § 292 ZPO dazu, dass die unter Beweis gestellte Tatsache (hier also die ortsübliche Vergleichsmiete oder die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze) als bewiesen gilt, es sei denn, dass der Beweisgegner (i.d.R. der Vermieter) im Einzelfall das Gegenteil beweist. Gerade wenn sowohl Interessenvertreter der Vermieter als auch der Mieter den Mietspiegel anerkennen, kann man davon ausgehen, dass nicht nur die ermittelten Mieten, sondern auch die Aufstellung des Mietspiegels selbst ordnungsgemäß erfolgt sind. Ein Gegenbeweis bleibt aber möglich.

Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, den nach Landesrecht für die Aufstellung der Mietspiegel zuständigen Behörden die Möglichkeit einzuräumen, Mietspiegel als lokale Norm für verbindlich zu erklären. Der Behörde soll möglich sein, den Mietspiegel als Satzung bzw. Rechtsverordnung zu erlassen, sofern nach ihrer Prüfung die Regeln bei der Aufstellung eingehalten wurden und die Interessenverbände zugestimmt haben. In diesem Fall würde das Zivilgericht, das über die ortsübliche Miete zu befinden hat, inzident prüfen, ob der Mietspiegel ordnungsgemäß aufgestellt worden ist. In Bundesländern, die über eine Verwaltungsordnung nach § 47 VwGO verfügen, könnte zudem eine Normkontrolle angestrengt werden. Die doppelte Beweisvermutung und die Möglichkeit, dadurch die Mietspiegel für verbindlich zu erklären, sollen für mehr Sicherheit im Streit über die richtige Miethöhe sorgen.

      3. Mietpreisbremse

Gänzlich fehlt in dem Entwurf eine Auseinandersetzung mit der Mietpreisbremse. Denn auch für die Mietpreisbremse ist die ortsübliche Vergleichsmiete von großer Bedeutung. Diese darf bekanntlich nicht um mehr als 10 % bei Wiedervermietung überschritten werden, sofern sich die Wohnung in einem Gebiet gemäß § 555d Absatz 2 BGB befindet. Nachdem nun nach fünf Jahren geklärt ist, dass eine Mietpreisbremse nicht verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber nicht nur die Höhe von Bestandsmieten, sondern auch die Wiedervermietungsmieten regeln darf, sollte der Gesetzgeber dieses Instrument mutiger nutzen und die Mietpreisbremse deutlich schärfen.

Hierzu wird schon lange gefordert,

Berlin, 6. September 2019

StN als PDF

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Mietrecht (doublet) Mietpreisbremse Stellungnahmen
news-635 Fri, 30 Aug 2019 13:03:08 +0200 Fehlerhafte Asylentscheidungen gehören ›in den Papierkorb‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kuenzler-635 Pressemitteilung Nr. 5 vom 30. August 2019 Anwält*innen üben massive Kritik an den Äußerungen des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Asylrecht

Die Interviewäußerungen des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, vom heutigen Tag stellen ein gefährliches Zündeln am rechten Rand dar. PräsOVG Künzler verstößt aus Sicht des RAV gegen das Mäßigungsgebot insbesondere in Hinblick darauf, dass in Sachsen am kommenden Sonntag Landtagswahlen stattfinden. Künzler hatte behauptet, das Asylrechtssystem in Sachsen ignoriere Richterentscheidungen.

Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, Fachanwältin für Migrationsrecht aus Dresden und Mitglied im erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), dazu:
»Das Interview ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Die Äußerungen sind einseitig und ein Affront gegen schutzsuchende Menschen, die Vertrauen in die deutsche Gerichtsbarkeit haben. Eine Vielzahl von fehlerhaften Asylentscheiden muss durch Gerichte korrigiert werden und bewahrt somit Menschen vor der Abschiebung in Tod, Hunger oder erniedrigende Behandlung«.

Rechtsanwältin Anne Nitschke, Mitglied der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ): »Wenn Herr Künzler behauptet, die Verwaltungsgerichte würden angesichts der von der Landesdirektion Sachsen herausgegeben Abschiebestatistik ›für den Papierkorb‹ arbeiten, vergleicht er Äpfel mit Birnen. Er übersieht dabei, dass sich beispielsweise aufgrund guter Integration, aus familiären oder humanitären Gründen auch jenseits des Asylverfahrens rechtliche Bleibeperspektiven für abgelehnte Asylsuchende ergeben«.

Zu den durch PräsOVG Künzler aufgeworfenen Punkten ist festzuhalten:

  1. Er verkennt die Umstände von Flucht: Menschen werden Papiere häufig durch Schleuser abgenommen, Dokumente gehen oft auf der gefährlichen Flucht über das Meer verloren. Papiere werden aus Angst um zurückgebliebene Familienangehörige vernichtet. Und auch die Furcht vor Aufgriff durch Verfolgungsbehörden des Herkunftsstaats, denen kritische Dokumente gerade nicht in die Hände gelangen sollten, ist gegeben.
  2. Falsch ist, dass ohne vorgelegte Identitätsdokumente nicht abgeschoben werde. Vielmehr sind die deutschen Behörden in Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten – bspw. auch mit Afghanistan – in der Lage, sogenannte Passersatzpapiere zu erlangen, mit denen die Personen dann abgeschoben werden.
  3. Schlussendlich stehen die Aussichten für einen erfolgreichen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) unter besonders hohen rechtlichen Hürden. Es können auf individueller Ebene zu einem späteren Zeitpunkt Tatsachen bekannt werden oder auch sich die Zustände im Herkunftsland so zuspitzen, dass nunmehr eine Schutzzuerkennung notwendig ist. Beispielsweise kann das für einen aus einem islamischen Land stammenden Asylsuchenden gelten, der in der Bundesrepublik den Zugang zum christlichen Glauben gewinnt und somit aufgrund seiner Konversion nicht mehr in sein Herkunftsland zurückkehren kann.
     

Das Recht auf Asyl, der Flüchtlingsschutz und der Schutz von Menschen, denen erniedrigende Behandlung droht, sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Immer weiteren Angriffen auf diese Grundwerte und der permanenten Aushöhlung dieser Schutzrechte treten wir entschieden entgegen.

Die Äußerungen von Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, sind zu hören unter: MDR Mediathek, Radio vom 30.08.2019, 8.38 Uhr: »Frust bei Sachsens Verwaltungsrichtern«,
https://www.mdr.de/mediathek/radio/mdr-aktuell/Richter-frustiert-wegen-Umsetzung-von-Asylentscheidungen-audio-100_zc-124d573e_zs-b8694c8c.html
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Migration & Asyl (doublet) Pressemitteilung
news-634 Wed, 21 Aug 2019 16:57:00 +0200 #unteilbar<br />Solidarität statt Ausgrenzung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbarsolidaritaet-statt-ausgrenzung-634 Großdemonstration, 24.8.19 in Dresden Aufruf Der RAV ist Mitinitiator des Bündnisses #unteilbar und Erstunterzeichner des Aufrufs von #unteilbar-Sachsen.
Wir werden am 24.8.19 mit einem RAV-Lautsprecherwagen an der Großdemonstration in Dresden teilnehmen und laden dazu ein, sich unserem Block anzuschließen.

Hier der Aufruf von #unteilbar:

Für eine offene und freie Gesellschaft - Solidarität statt Ausgrenzung!

Es findet eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung sind gesellschaftsfähig. Was gestern mehrheitlich noch undenkbar war und als unsagbar galt, ist heute Realität. Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und Rechtsstaat werden offen angegriffen. Es ist ein Angriff, der uns allen gilt.

Wir wissen um die Bedeutung der Landtagswahlen in Sachsen und der sächsischen Verhältnisse für die Auseinandersetzung um den bundesweiten Rechtsruck.

Ganz Europa ist von einer nationalistischen Stimmung der Entsolidarisierung und Ausgrenzung erfasst. Kritik an diesen unmenschlichen Verhältnissen wird gezielt als realitätsfremd diffamiert. In dieser Situation lassen wir nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen.

Während der Staat sogenannte Sicherheitsgesetze verschärft, die Überwachung ausbaut und so Stärke markiert, ist das Sozialsystem von Schwäche gekennzeichnet: Menschen leiden darunter, dass viel zu wenig investiert wird, etwa in Bildung, Pflege und Gesundheit, in den Kampf gegen die ökologische Krise, in öffentlichen Nahverkehr, Kinderbetreuung und Jugendkultur. Während ländliche Infrastruktur massiv unterfinanziert ist und die Menschen in die urbanen Zentren drängen, fehlt es in den Großstädten an bezahlbarem Wohnraum. Die Umverteilung von unten nach oben wurde durch die Wendekrise, Agenda 2010 und Finanzkrise massiv vorangetrieben. Steuerlich begünstigte Milliardengewinne der Wirtschaft stehen einem der größten Niedriglohnsektoren Europas und der Verarmung benachteiligter Menschen gegenüber.

Nicht mit uns – Wir halten dagegen!
„Für ein offenes Land mit freien Menschen“ unter diesem Banner gingen ́89 Menschen in Sachsen auf die Straße. Diese Botschaft hat bis heute nicht an Relevanz verloren und soll in diesem Sommer auf die Straßen zurückkehren. So treten wir ein für eine offene und solidarische Gesellschaft, in der Menschenrechte unteilbar und vielfältige und selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich sind – in Sachsen, Deutschland und weltweit. Wir stellen uns gegen jegliche Form von Diskriminierung und Hetze. Gemeinsam treten wir Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus, Antiromaismus, Antifeminismus und LGBTTIQ*-Feindlichkeit entschieden entgegen. Menschen die auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen sind, dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Gleichwertigkeit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten ist nicht verhandelbar. Allen hier lebenden Menschen muss gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden.

Wir sind jetzt schon viele, die sich einsetzen:
Ob an den Außengrenzen Europas, ob vor Ort in Organisationen von Geflüchteten und in Willkommensinitiativen, ob in queer-feministischen, antirassistischen Bewegungen, in Migrant*innenorganisationen, in Behinderten- oder Kinderrechtsorganisationen, in Gewerkschaften, in Verbänden, NGOs, Religionsgemeinschaften, Vereinen und Nachbarschaften, ob in dem Engagement gegen Wohnungsnot, Verdrängung, Pflegenotstand, gegen Überwachung und Gesetzesverschärfungen, gegen die Entrechtung von Geflüchteten und für Klimagerechtigkeit – seit dem Herbst der Solidarität sind Hunderttausende Menschen für eine solidarische Gesellschaft auf die Straßen gegangen – an vielen Orten haben sich Menschen aktiv für eine Gesellschaft der Vielen eingesetzt. Diesen Aufbruch sozialer Bewegungen werden wir in diesem Sommer fortschreiben.

Als Auftakt unserer gemeinsamen Aktivitäten wird am 6. Juli eine Demonstration in Leipzig stattfinden, mit der wir den #unteilbar-Sommer in Sachsen einläuten wollen. Als Höhepunkt ist eine Großdemonstration mit bundesweiter Mobilisierung am 24. August 2019 in Dresden geplant. Dazwischen wollen wir mit der #WannWennNichtJetzt Konzert- und Marktplatztour in Plauen, im Erzgebirge, in Zwickau, Grimma und Bautzen kooperieren. So werden wir an verschiedenen Orten lokal aktiv sein und in einer großen bundesweiten Mobilisierung in Dresden zusammenkommen.

#unteilbar Sachsen lebt von unserem Engagement. Wir alle sind bei der Vorbereitung gefragt: Bei der Vernetzung mit anderen Aktiven und der Mobilisierung in unseren Nachbarschaften.

Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung in ganz Sachsen und weit darüber hinaus!
Für ein Europa der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit!
Für ein solidarisches und soziales Miteinander in Sachsen statt Ausgrenzung und Rassismus! Für das Recht auf Schutz und Asyl – Gegen die Abschottung Europas!
Für eine freie und vielfältige Gesellschaft!
Solidarität kennt keine Grenzen!

Alle Informationen rund um die Demonstration am 24.8.19 finden sich hier.

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Anläßlich der großen #unteilbar-Demonstration am 13.10.18 hatten der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie am 2.10.18 einen eigenen Aufruf verfasst, der hier nachzulesen ist.

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#unteilbar
news-633 Sun, 18 Aug 2019 11:16:02 +0200 Veranstaltung im #unteilbar-Sonderzug /publikationen/mitteilungen/mitteilung/veranstaltung-im-unteilbar-sonderzug-633 24.8.19, Jurist*innenwaggon im Sonderzug von Berlin nach Dresden zur Großdemonstration #unteilbar - Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung! Am 24.8.19 fahren 2 Sonderzüge von Berlin zur Großdemonstration von #unteilbar nach Dresden. Im Zug A hat der RAV zusammen mit der VDJ und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger einen ganzen Großraumwaggon gebucht. Auf der Hinfahrt werden wir die Zeit für eine kleine Veranstaltung nutzen (s.u.).

Innnerhalb diesen Waggons sind noch einige freie Plätze vorhanden. Gern nehmen wir noch Buchungen an - bitte meldet Euch verbindlich per Mail an kontakt@rav.de an. Ein Ticket für die Hin- und Rückreise kostet 40 Euro, Kinder unter 14 fahren umsonst.
Details zum Abfahrtsort und den Zeiten geben wir bei Buchung bekannt.

Weitere Tickets in anderen Waggons des Sonderzuges (oder Spenden für Menschen, die mitfahren möchten, aber es sich finanziell nicht leisten können) sind buchbar unter www.unteilbar.org/sonderzug

Zur Veranstaltung im Jurist*innenwaggon:

Die Sicherung der europäischen Außengrenzen vor unerwünschter Einwanderung ist seit Langem brutal und für viele Menschen tödlich - durch den politischen Rechtsruck und die offene Ausschaltung menschenrechtlicher Garantien, sowie durch die Einbindung der  Europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union ist sie nochmal skrupelloser und zugleich intransparenter geworden. In einem Input wird Matthias Lehnert, Rechtsanwalt in Berlin, einen Einblick in die  politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen geben und diskutieren, ob juristische Interventionen eine sinnvolle Gegenstrategie sein können.

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#unteilbar
news-631 Tue, 13 Aug 2019 11:15:24 +0200 GE: Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ge-oeffentliche-sicherheit-und-ordnung-in-mecklenburg-vorpommern-631 RAV-Stellungnahme, 9.8.19 Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze (Drucksache 7/3694) anlässlich der Anhörung im Innen- und Europaausschuss am 22. August 2019.

Verfasserin: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin

Technische Vorbemerkung

Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme darauf, zu den vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Video-Überwachung im Polizeigewahrsam, Meldeauflagen, Besonderen Mittel der Datenerhebung, Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung, Gezielter Kontrolle und Rasterfahndung ausführliche Beurteilungen abzugeben (A). Es schließen sich kurze Bemerkungen zu weiteren Normen an (B).

Inhaltliche Vorbemerkung

Der Gesetzentwurf beinhaltet eine Vielzahl von Kompetenzen, die bereits sehr weit im Vorfeld von Gefahren sehr weitgehende Grundrechtseingriffe ermöglichen. Das Ansetzen bereits im Vorfeld bringt es mit sich, dass die von der Polizei zu treffende Prognose, ob tatsächlich eine Gefahr besteht, mit Unsicherheit behaftet ist.

Würde der Gesetzentwurf als Gesetz beschlossen, hätte das zur Folge, dass – im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind – schwerwiegende Maßnahmen gegen Personen eingesetzt werden, von denen tatsächlich keine Gefahr ausgeht.

Es könnten Telefone abgehört, Computer online durchsucht, zu diesem Zweck Drohnen heimlich auf W-LAN-Netze zugreifen und ähnliches. Diese Problematik wird noch verschärft dadurch, dass mit derartigen Methoden nicht nur auf Daten von Personen zugegriffen werden darf, bei denen die Polizei davon ausgeht, dass von ihnen eine Gefahr ausgeht, sondern auch deren engere Kontaktpersonen direkte Zielobjekte der Überwachung sein können. Hinzu kommt, dass bei Zugriffen auf Telekommunikationsinhalte immer auch völlig unbeteiligte Dritte betroffen sind, die nicht in engem, sondern nur sporadischem Kontakt mit den Personen stehen, in Bezug auf die Aufklärung betrieben werden soll.

Um die Dimensionen klar zu machen, wird beispielhaft auf zwei Erhebungen zu derartigen Maßnahmen hingewiesen: So wurden im Jahr 2014 in Berlin gegen 743 Personen strafprozessuale Telefonüberwachungsmaßnahmen angeordnet, abgehört wurden dabei insgesamt 1.504.884 Gespräche[1] – die Zahl der mitbetroffenen Gesprächspartner*innen wurde nicht erhoben, aber es ist leicht vorstellbar, dass diese Zahl fünfstellig ist. Von gefahrenabwehrenden Maßnahmen nach dem neuen BKAG von 2009, das Pate für einige der am meisten in Grundrechte eingreifende Maßnahmen des hiesigen Entwurfs stand, waren in den Jahren 2009 bis 2015 86 potentielle Gefahrverursacher*innen betroffen – ›mitbetroffen‹ war eine Zahl von mindestens[2] 1.621 Personen.[3] Die Streubreite ist gerade bei Maßnahmen der heimlichen Überwachung nachweislich sehr groß.

Aus Sicht der im RAV organisierten Anwältinnen und Anwälte ist die klassische Aufteilung zwischen (eher offenen und weniger eingreifenden) Maßnahmen der Abwehr von Gefahren, bei denen noch unsicher ist, ob sie sich tatsächlich verwirklichen werden, und (eher heimlichen und stärker eingreifenden) Maßnahmen der repressiven Verfolgung bereits geschehener Straftaten nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch politisch geboten, um zu verhindern, dass in der Bevölkerung ein Gefühl der umfassenden staatlichen Überwachung entsteht.

Bereits in der Grundentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in dem es das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erstmals definierte, ist ausgeführt[4]:
»Individuelle Selbstbestimmung setzt voraus, dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit gegeben ist. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.

Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.

Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.«

Das Grundgesetz schützt insoweit auch vor (Selbst-)Einschränkungen, die sich Bürgerinnen und Bürger aus Furcht vor Überwachung auferlegen.

Im Zusammenspiel tiefgreifender und gleichzeitig heimlicher Befugnisse entsteht die Möglichkeit einer derart extensiven und intensiven Überwachung, dass umfassende Persönlichkeitsprofile von Personen erstellt werden können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet es eine Verletzung der Menschenwürde, wenn sich eine Überwachung über einen längeren Zeitraum erstreckt und derart umfassend ist, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (siehe auch die in der Gesetzesbegründung vielfach zitierte Entscheidung des BVerfG zum BKAG vom 20. April 2016, 1 BvR 966/09, Rn. 130 mit Verweis auf frühere Entscheidungen: BVerfGE 109, 279 <323>; 112, 304 <319>; 130, 1 <24>).

Wer sich sicher sein kann, dass im Normalfall nur der Staat nur dann seine private Kommunikation und sein privates Leben überwacht, wenn die eindeutige Notwendigkeit besteht, eine geschehene Straftat aufzuklären, kann sich einigermaßen sicher sein, nicht von Überwachung betroffen zu sein, wenn im engeren Umfeld keine Straftaten begangen werden. Wenn aber diffuse Gefahrenlagen schon Grund für die Überwachung nicht nur von für die Gefahr mutmaßlich verantwortlichen Personen, sondern auch von deren Kontaktpersonen sein können, ist kaum noch absehbar, wer in den Fokus gerät. Die Erfassung von Daten von Kontaktpersonen geht dabei nach dem Gesetzentwurf so weit, dass zum Beispiel nach § 27 Abs. 3 auch höchstpersönliche Daten von selbst nicht gefährlichen Kontaktpersonen erhoben werden dürfen, also biometrische und genetische Daten, solche zur Religion, zur sexuellen Orientierung etc. (siehe § 3 Abs. 5 Nr. 3).

Insgesamt gesehen gefährdet die Ausweitung der präventivpolizeilichen Befugnisse im vorgeschlagenen Gesetz Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach den einzelnen Bürger*innen ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung zusteht, in dem sie ihre Individualität entwickeln und wahren können.

Als Vorbemerkung sei abschließend noch gesagt, dass der Gesetzesentwurf sehr extensiv auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Änderungen des BKA-Gesetzes 2009 Bezug nimmt und so den Eindruck erweckt, das verfassungsrechtlich Gebotene zu regeln. Hierzu muss zunächst gesagt werden, dass das, was das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die neuen Kompetenzen des BKA entschieden hat – Kompetenzen, die das BKA anwenden darf, wenn es Hinweise von Geheimdiensten anderer Länder in Bezug auf Planungen von großen Terroranschlägen in der Bundesrepublik Deutschland bekommt – keineswegs ohne weiteres auf Landespolizeien übertragen werden kann.

Weder aus dem Gesetzentwurf, noch aus Zahlen der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Land Mecklenburg-Vorpommern oder den Berichten der Abteilung für Verfassungsschutz des Ministeriums für Inneres und Europa des Landes Mecklenburg-Vorpommern ergibt sich, dass im Land Mecklenburg-Vorpommern für die Landespolizei dieselbe Notwendigkeit besteht wie für das BKA, terroristische Gefahren weit im Vorfeld konkreter Planungen aufzuklären. Erst recht gilt das vor dem Hintergrund, dass eine Vielzahl weitreichender Kompetenzen im neuen SOG nicht nur bei terroristischen Gefahren angewandt werden sollen darf, sondern auch schon bei Gefahren für »Leib, Leben oder Freiheit« einer Person, mit anderen Worten bereits bei der Gefahr einer einfachen Körperverletzung (=Gefahr für Leib).

Zu dem Bezug auf die Verfassungsgerichtsentscheidung von 2016 zum BKAG muss aber vor allem eines klar gestellt werden: Wenn das Bundesverfassungsgericht Gesetze kontrolliert, entscheidet es explizit, was verfassungsrechtlich überhaupt nicht mehr tragbar ist und daher laut Verfassung nicht gelten darf. Aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen lässt sich also nur ersehen, was nicht geregelt werden darf – es bleibt eine politische Entscheidung, was geregelt werden muss. Aus Sicht des RAV besteht keine Notwendigkeit, dass jede Landespolizei schon im Vorfeld konkreter Verbrechensplanungen mit einer Vielzahl sehr weitgehender, heimlicher Ausforschungsmethoden eine Vielzahl von Personen überwacht.

A. Ausführungen zu den einzelnen Änderungsvorschlägen

1. Videoüberwachung von polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen - § 32 Abs. 9

Die dauernde Beobachtung von in Polizei-Gewahrsamszellen festgehaltenen Personen in von Seiten der Polizei zu bestimmenden Fällen stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Person dar.

Zwar könnte eine Überwachung von Gewahrsamszellen auch Vorteile für Gefangene bringen, die befürchten, polizeilichen Übergriffen ausgesetzt zu sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, solange die Videoaufzeichnung durch die Beamten an- und abgeschaltet werden kann.

Den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten des RAV wird leider nicht nur in seltenen Ausnahmefällen von Betroffenen berichtet, dass sich Polizeibeamte in polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen unangemessen bis falsch oder sogar gewalttätig verhalten.[5] Da Personen in Gewahrsamszellen üblicherweise allein sind und die ihnen gegenüber rechtswidrig handelnden Beamte nicht identifizieren können, wenn diese ihren Namen nicht nennen, ist ein Nachweis des Geschehens für die Betroffenen in vielen Fällen aussichtslos.

Eine Videoüberwachung in polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen könnte insoweit Abhilfe schaffen – allerdings nur, wenn das Gesetz eine lückenlose und flächendeckende Dokumentation vorschreiben würde. Denn nur, wenn durchgehend gefilmt wird, kann die Tatsache, dass das Geschehen in einer bestimmten Zelle oder zu einer bestimmten Zeit nicht aufgezeichnet wurde, in einem nachfolgenden Verfahren als Indiz dafür gewertet werden, dass etwas verborgen werden soll.

Weil die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Maßnahme eben keine umfassende Aufzeichnung vorsieht, bietet sie keinen Schutz vor unangemessenem bis gewalttätigem Verhalten in Gewahrsamseinrichtungen. Sie entspricht entgegen der Gesetzesbegründung eben deshalb auch keineswegs der Empfehlung von Amnesty International im Bericht zu rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland von 2010.

Da die Ermessensnorm – so wie sie im Gesetzentwurf formuliert ist – keinen Schutz gegen rechtswidriges Polizeihandeln bietet, ist der in der Videoüberwachung liegende Eingriff nicht zu rechtfertigen, dem die Betroffenen unausweichlich ausgesetzt sind, während sie im Gewahrsam festgehalten werden. Es stellt eine deutlich über die Freiheitsentziehung als solche hinausgehende Beeinträchtigung dar, wenn eine in Unfreiheit befindliche Person einer Dauer-Beobachtung ausgesetzt ist. Dass das gesamte Verhalten der Gefangenen in der Zelle nach dem Gesetzentwurf nicht nur beobachtet, sondern sogar aufgezeichnet werden darf, verschärft die Problematik noch.

Abschließend sei bemerkt: Soll – wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt – Suizid oder gesundheitlichen Notfällen vorgebeugt werden, liegt es auch näher, die betroffenen Personen in anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern, unterzubringen.

2. Meldeauflagen - § 52 b

Grundsätzlich ist es aus Sicht der Anwältinnen und Anwälte des RAV zu begrüßen, dass mit § 52 b nun eine gesetzliche Grundlage für ein in der Praxis bereits vielfach angewandtes Handeln geschaffen wird. Leider geht jedoch die Regelung über das hinaus, was die bisherige Praxis war. Dafür besteht aus anwaltlicher Sicht zum einen kein Bedarf, zum anderen birgt die weitreichende Formulierung des Gesetzesentwurfs die Gefahr, dass es zu unverhältnismäßigen Anordnungen kommt.

Hier ist vor allem die Regelung des § 52 b Abs. 5 gemeint, wonach eine Meldeauflage für die Dauer von bis zu drei Monaten erteilt werden kann. Es ist durchaus fragwürdig, ob es überhaupt möglich ist, eine sichere Prognose dazu zu stellen, dass über einen derart langen Zeitraum für jeden einzelnen Tag die Gefahr einer Straftatbegehung droht. Der Gesetzentwurf selbst gibt in der Begründung auch gar kein Beispiel dafür, dass über 90 Tage hinweg eine Meldeauflage die Begehung einer Straftat verhindern soll – das im Gesetzentwurf benannte Beispiel lautet, dass sich aus dem Spielplan für Fußballveranstaltungen ergibt, dass betroffene Personen »bei einer Reihe von Risiko-Spielen« Straftaten begehen könnten (S. 253 des Entwurfs). Hier wäre aber gerade keine Meldeauflage für die Dauer von drei Monaten verhältnismäßig, sondern mehrere Meldeauflagen für jeden einzelnen Spieltag.

Warum dies einen Unterschied macht, kann wiederum ein Beispiel zeigen: Im Laufe von drei Monaten finden vier solche Spiele statt, wobei aber zwischen dem zweiten und dritten der Spiele ein Zeitraum von vier Wochen liegt, in dem kein solches Spiel angesetzt ist. Bei einer Meldeauflage über die Dauer von drei Monaten müsste sich die Person aber auch in diesen Wochen melden und könnte zum Beispiel keine auswärtige Geschäftsreise unternehmen.

Problematisch ist in Zusammenhang mit der Anordnung längerfristiger Meldeauflagen, dass Widersprüche nach § 56 b Abs. 2 S. 3 keine aufschiebende Wirkung haben sollen, so dass Personen, die sich dagegen wenden, verwaltungsgerichtliche Eilverfahren durchführen müssten, um eine Aufhebung der Meldeauflage für bestimmte Zeiträume zu erreichen.

Die Höchstgrenze für Meldeauflagen muss vor diesem Hintergrund deutlich verkürzt werden. Alternativ müsste mindestens klarstellend ein Passus eingefügt werden, dass eine Meldeauflage, die einen längeren Zeitraum als 48 Stunden betrifft, nur dann verhängt werden darf, wenn die Prognose gestellt werden kann, dass für jeden einzelnen der Tage in dem gesamten Zeitraum die Gefahr besteht, dass Straftaten begangen werden.

Zu weitgehend ist in diesem Zusammenhang auch die geplante neue Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 5, wonach zur Durchsetzung von Meldeauflagen Gewahrsam angeordnet werden kann. Gilt eine Meldeauflage über einen langen Zeitraum hinweg, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein einzelner Meldetermin verpasst wird, größer als bei einer kurzfristigen Maßnahme. Dass in so einem Fall gleich Gewahrsam droht, bedeutet eine übermäßige Freiheitseinschränkung.

3. Besondere Mittel der Datenerhebung § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 Nr. 2

In Bezug auf die Regelung zu besonderen Mitteln der Datenerhebung nach § 33 Abs. 1 ist zunächst ausdrücklich zu begrüßen, dass mit § 33 a ein Richtervorbehalt eingeführt worden ist.

Kritikwürdig ist jedoch die sehr weitgehende Einbeziehung von Kontaktpersonen und der nicht ausreichende Schutz Dritter.

Nach § 33 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 darf jede einzelne der Maßnahmen (sei es eine längerfristige Observation oder der Einsatz von verdeckt ermittelnden Polizeibeamten) auch gegen Kontaktpersonen nach § 27 Abs. 3 Nr. 2 eingesetzt werden, also gegen Personen, von denen selbst keine Gefahr ausgeht, von denen die Polizei nur annimmt, dass sie zum Beispiel Kenntnis von Planungen anderer haben. Wie bereits in den einleitenden Bemerkungen ausgeführt, verschiebt eine solche Erweiterung des Kreises von Personen, die tief greifenden und heimlichen Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sein dürfen, über den Kreis der tatsächlich gefährlichen Personen hinaus das Grundgefüge der Gesellschaftsordnung. Wenn es solche Kompetenzen gibt, wonach zum Beispiel ein verdeckter Ermittler auf die Freundin oder die Familie einer gefährlichen Person angesetzt werden dürfte, kann in der Bevölkerung ein allgemeines Gefühl der möglichen Überwachung entstehen. Dies ist mit Blick auf eine freiheitliche Gesellschaft unbedingt zu vermeiden.

Erst recht gilt dies für mitbetroffene Dritte. Nach § 33 Abs. 4 dürfen solche Maßnahmen auch eingesetzt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen sind – was im Übrigen in der Praxis auch regelmäßig der Fall ist, da solche längerfristigen heimlichen Maßnahmen das gesamte Leben der Zielperson begleiten, in dem immer auch Dritte eine Rolle spielen, seien es Kinder und andere Verwandte, Nachbar*innen, Geschäftspartner*innen, Freund*innen, Mitbewohner*innen, Lehrer*innen, Verkäufer*innen etc.

4. Verschiedene Formen der Telekommunikationsüberwachung (insb. Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ §§ 33 c, 33 d)

Aus der Erfahrung der im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte besteht in Bezug auf die Überwachung der Telekommunikation neben den strafprozessualen Befugnissen schon kein weiterer Bedarf an entsprechenden Eingriffsgrundlagen. Bei konkreten Planungen schwerwiegender Taten ist schon jetzt die strafprozessuale Überwachung nach den §§ 100 a StPO ff. möglich (vgl. § 89a StGB). Ein darüber hinaus bestehender Bedarf für eine Landespolizei ist – wie bereits in den einleitenden Bemerkungen ausgeführt – äußerst fraglich.

Zur präventivpolizeilichen Online-Durchsuchung durch das BKA hat ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht[6] ergeben, dass in fünf Jahren überhaupt nur in zwei Fällen insgesamt fünf derartige Anordnungen nach § 20k BKAG a.F. ergingen. Aufgrund von technischen Problemen führte nur eine dieser fünf Anordnungen letztlich auch dazu, dass Daten von insgesamt zwei Zielsystemen ausgeleitet wurden, wobei insgesamt ca. 70.000 Inhalte erhoben wurden – allerdings keine verfahrensrelevanten Daten.[7] Explizit festgestellt wurde in dem Gutachten auch, dass es sich um eine zeitaufwändige und vorbereitungsintensive Maßnahme handelt. Dasselbe gilt für die Quellen-TKÜ, bei der die Entwicklung der Überwachungsmittel regelmäßig so arbeits- und zeitintensiv ist, dass sie bei Fertigstellung bereits veraltet sind.[8]

Das spricht nicht nur dagegen, dass für die Einführung einer präventivpolizeilichen Kompetenz zur Online-Durchsuchung überhaupt ein Bedarf bei der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern besteht. Es erscheint auch fraglich, dass – würde sie eingeführt – überhaupt die Mittel dafür vorhanden wären, die Kompetenz auch einzusetzen.

Es spricht auch dagegen, dass Eilkompetenzen – wie in § 33 c Abs. 10 und 33 d Abs. 4 vorgesehen – überhaupt notwendig sind. Es ist schon kaum ein Fall vorstellbar, in dem eilig gehandelt werden muss, aber noch die Erstellung einer Überwachungs-Software abgewartet werden kann. Denn weder Online-Durchsuchung noch Quellen-TKÜ können innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden. Während der Erarbeitung der technischen Tools kann aber ohne weiteres auch ein Antrag an das Gericht formuliert werden. Das sieht im Übrigen auch das BKA so.[9]

Zu den technischen Problemen, bei der Quellen-TKÜ das verfassungsrechtliche Gebot zu erfüllen, dass ausschließlich die laufende Kommunikation überwacht wird,[10] werden hier keine weiteren Ausführungen gemacht – gleichwohl sei angemerkt, dass dies auch in den Augen der Anwältinnen und Anwälte des RAV eines der Hauptprobleme dieser Ermittlungsmethode darstellt.

Ein anderes Problem stellt sich bei den Kompetenzen für Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ nach dem Gesetzentwurf gleichermaßen: Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist für beide Kompetenzen in § 26 a nicht hinreichend gewährt. Dies gilt insbesondere in der Auswertungsphase, in der die aus den heimlichen Maßnahmen gewonnenen Daten analysiert werden. Hier ist vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Online-Durchsuchung nach dem BKAG entschieden worden, dass die Regelung des § 20 Abs. 7 Satz 3 und Satz 4 BKAG a.F. verfassungswidrig war, wonach die Daten durch den Datenschutzbeauftragten und weitere Bedienstete des BKA auf ihren Kernbereichsgehalt gesichtet werden sollten.[11] Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass die verfassungsrechtlich gebotene Sichtung durch eine unabhängige Stelle maßgeblich dem Ziel dient, kernbereichsrelevante Daten so frühzeitig herauszufiltern, dass sie den Sicherheitsbehörden nach Möglichkeit nicht offenbar werden und dass das wiederum voraussetzt, dass die Kontrolle im Wesentlichen von externen, nicht mit Sicherheitsaufgaben betrauten Personen wahrgenommen wird, weshalb also eine Kontrolle durch behördeninterne Datenschutzbeauftragte nicht ausreichend ist.[12] Auch die »Sachleitung« eines Gerichts genügt (diesen Anforderungen) nicht.

Sollte also – entgegen allem oben Gesagten – daran festgehalten werden, dass in einer Änderung des SOG auch Kompetenzen zur Online-Durchsuchung und zur Quellen-TKÜ eingeführt werden, muss eine Regelung eingeführt werden, wonach ein Gericht mit diesen Methoden erhobene Daten vor der Auswertung durch die Polizei auf etwaige kernbereichsrelevante Inhalte hin überprüft und die Löschung dieser kernbereichsrelevanten Inhalte vornimmt.[13]

5. Gezielte Kontrolle - § 35 Abs. 2

Die Einführung einer Kompetenz zur gezielten Kontrolle von Personen, die zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben sind, ist nicht verfassungsgemäß. Mit dieser Kompetenz wird die Möglichkeit zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung von den dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen (siehe §§ 29, 53 und 57 SOG MV) abgekoppelt und weit ins Vorfeld tatsächlich bestehender Gefahren verlagert und auf Personen ausgeweitet, von denen keine Gefahr ausgeht. Es darf dann zum Beispiel die Identität jeder Person überprüft werden, die sich in einem Fahrzeug befindet, von dem angenommen wird, dass dieses Fahrzeug auch eine Person nutzt, von der angenommen wird, dass sie erhebliche Straftaten begehen wird.

Um eine überschießende Überwachung mit den in der einführenden inhaltlichen Anmerkung dargelegten Folgen für die Gesellschaft zu vermeiden, ist auf die Einführung dieser Regelung zu verzichten. So ist zum Beispiel in Sachsen-Anhalt die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung geregelt (§ 19 Abs. 1 und 2 SOG LSA), dann aber explizit verfügt (19 Abs. 3 SOG LSA):

Gegen eine Person, die unter polizeilicher Kontrolle steht oder ein nach Absatz 1 ausgeschriebenes Kraftfahrzeug führt, sind beim Antreffen andere Maßnahmen nur zulässig, wenn jeweils die besonderen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt sind.

So sollte nach Ansicht des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins auch die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern gestaltet werden.

6. Rasterfahndung - § 44

Aus dem bereits in Bezug auf Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ zitierten Gutachten des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht ergibt sich auch, dass eine Kompetenz für die Durchführung von präventivpolizeilichen Rasterfahndungen in der Praxis nicht benötigt wird. Die Rasterfahndung nach § 20j BKAG a.F. wurde in den fünf Jahren nach ihrer Einführung im Jahr 2009 vom BKA genau einmal eingesetzt.[14]

Außerdem gilt wiederum das in Bezug auf Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ ebenso Gültige: Eine Eilkompetenz ist nicht erforderlich, weil eine Rasterfahndung lange und aufwändige Vorbereitung erfordert.[15]

B. Ergänzende kurze Anmerkungen und redaktionelle Hinweise

zu § 25 b: Soweit im Gesetz vorgesehen ist, dass gerichtliche Entscheidungen auch ohne Anhörung und Bekanntgabe wirksam werden können, ist übersehen worden, eine flankierende Regelung zur nachträglichen Unterrichtung einzufügen, sobald eine Information über die Maßnahme die Erreichung ihres Ziels nicht mehr gefährdet.

zu § 26 b Abs. 2: Es gilt das bereits mehrfach Gesagte: Nicht jede Regelung des BKAG ist für jedes Land erforderlich. Aus Sicht des RAV ist es nicht nachvollziehbar, welchen Grund es dafür geben sollte, den Schutz von vertraulichen Gesprächen mit nicht-anwaltlichen Berufsgeheimnis-Träger*innen wie Ärzt*innen, Seelsorger*innen etc. so weit erodieren zu lassen, wie es § 26 b Abs. 2 vorsieht. Die Regelung ist zu streichen.

zu § 45 a: Es ist zu begrüßen, dass mit § 45 a nunmehr eine gesetzliche Regelung für Aussonderungsprüffristen gespeicherter personenbezogener Daten vorgesehen wird. Es wird angeregt, neben den genannten Fristen explizit eine Frist zur Aussonderungsprüffrist in Bagatellfällen von drei Jahren einzuführen.

zu 48 Abs. 5: Offenbar ist übersehen worden, dass bei Auskunftsverweigerung neben der Kontrolle durch die oder den Datenschutzauftragte/n auch eine Kontrolle im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt. Es ist zu ergänzen, dass die dokumentierten Gründe auch dahin zu übermitteln sind bzw. eine Sperrerklärung abzugeben ist.

zu § 57 Abs. 2: Während bei der Regelung zur Sicherstellung (§ 61) im Entwurf ein Richtervorbehalt vorgesehen ist, fehlt er bei der Regelung der Durchsuchung von elektronischen Speichermedien nach § 57 Abs. 2. Ein Richtervorbehalt ist aber aufgrund der Grundrechtseingriffstiefe einer Durchsuchung von elektronischen Speichermedien, bei denen eine Kernbereichsrelevanz regelmäßig auf der Hand liegt, nicht verzichtbar.

Berlin, den 09. August 2019


[1] Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/2401 v. 20.07.2015, S. 4.
[2] In einigen Fällen fehlen die Zahlen zu den Mitbetroffenen.
[3] BT-Drs. 18/13031, S. 17 – Maßstab für Mitbetroffenheit war hier § 20 w BKAG a.F.
[4] BVerfGE 65, 1, 42f.
[5] Siehe u.a. Grundrechte-Report 1999, S. 138; Grundrechte-Report 2003, S. 70; Grundrechte-Report 2013, Seite 64; Grundrechte-Report 2016, S. 74 und S. 186.
[6] BT-Drs. 18/13031, S. 23.
[7] BT-Drs. 18/13031, S. 38.
[8] BT-Drs. 18/13031, S. 40.
[9] Laut Gutachten des MPI, BT-Drs. 18/13031, S. 42.
[10] BVerfG, Urteil 27.02.2008, 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07.
[11] BVerfG, Urteil 20.04.2019, 1 BvR 966/09, Rn. 223.
[12] BVerfG, Urteil 20.04.2019, 1 BvR 966/09, Rn. 224f.
[13] Hierbei ist auf die Einhaltung ausreichender Aufbewahrungsfristen für die Löschungsprotokolle zu achten: BVerfG, Urteil 20.04.2019, 1 BvR 966/09, Rn. 226.
[14] BT-Drs. 18/13031, S. 21.
[15] BT-Drs. 18/13031, S. 42.

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Stellungnahmen
news-630 Wed, 31 Jul 2019 16:34:06 +0200 Die problematische Nutzung von DNA für die Polizeiarbeit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-problematische-nutzung-von-dna-fuer-die-polizeiarbeit-630 Veranstaltung, 05.09.19 Berlin Informationsveranstaltung und Diskussion zum „genetischen Phantombild“

Die Bundesregierung will die Strafprozessordnung grundlegend erweitern.
Neben Einschnitten in Beschuldigten- und Verteidigungsrechte sollen sogenannte erweiterte DNA-Analysen eingeführt werden. Damit darf die Polizei menschliche DNA-Spuren auf mögliche Augen-, Haut- und Haarfarbe sowie Alter ihrer Träger*innen untersuchen. Dieses „genetische Phantombild“ wird in der Wissenschaft als ungenau und gefährlich kritisiert. Aus antirassistischer und datenschutzrechtlicher Perspektive bergen die erweiterten DNA-Analysen erhebliches Diskriminierungspotenzial. Für die politische Rechte bietet die Debatte erneut die Möglichkeit, ihre rassistische Erzählung von Migration und Kriminalität als den zwei Seiten einer Medaille weiter zu etablieren.
Diese und andere Themen wollen wir vor dem endgültigen Beschluss der Strafrechtsreform beleuchten.

Zeit & Ort
Donnerstag, 5. September 2019
Beginn: 19:30 Uhr
„Aquarium“, Skalitzer Str. 6, Berlin

Referent*innen:
RA Benjamin Derin, Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP, RAV
Isabelle Bartram, Gen-Ethisches Netzwerk GeN
Anja Reuss, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Eine Veranstaltung von: CILIP, Gen-ethisches Netzwerk (GeN), arbeitskreis kritischer jurist*innen an der Humboldt-Universität Berlin (akj), Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

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Veranstaltungen
news-629 Wed, 17 Jul 2019 15:37:47 +0200 Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Stiefkindadoption bei nicht miteinander verheirateten Paaren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungswidrigkeit-des-ausschlusses-der-stiefkindadoption-bei-nicht-miteinander-verheirateten-paaren-629 RAV-Stellungnahme vom 03. Juli 2019 Stellungnahme des RAV zum Diskussionspapier vom 07.06.2019
Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Stiefkindadoption bei nicht miteinander verheirateten Paaren
BVerfG vom 26.03.2019, 1 BvR 673/17

Verfasser: Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried

Vorbemerkung

Von den beiden genannten Lösungsmöglichkeiten halten wir die Lösung B für vorzugswürdig. Wir meinen, dass es im Einzelfall auch im Kindeswohl liegen kann, die Adoption fremder Kinder durch nichteheliche Paare zuzulassen. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von derjenigen bei der Stiefkindadoption, hinsichtlich derer nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ohnehin eine Neuregelung geboten ist. Das Diskussionspapier vom 07.06.2019 berücksichtigt jedoch in einigen Punkten die Konsequenzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts und den Reformbedarf nicht hinreichend:

1. Entwicklung von Stabilitätskriterien für nichteheliche Lebensgemeinschaften

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts müssen ohnehin Stabilitätskriterien für nichteheliche Lebensgemeinschaften entwickelt werden. Es handelt sich also bei diesem Erfordernis nicht um Konsequenzen der angedachten Lösungen, sondern um eine Konsequenz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch bereits Anhaltspunkte für die Entwicklung dieser Kriterien dargestellt.

Hinsichtlich dieser Kriterien gibt es unseres Erachtens keine nennenswerten Unterschiede zwischen der Stiefkindadoption durch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Adoption fremder Kinder in eine nichteheliche Lebensgemeinschaft.

2. Kindeswohlprüfung ohnehin erforderlich

Auch bei der gemeinschaftlichen Adoption durch Ehepaare und der Stiefkindadoption durch Ehepartner findet eine Kindeswohlprüfung statt, die sich nicht in der Feststellung des Bestehens einer Ehe erschöpft. Die bei Umsetzung der angedachten Neuregelungen erforderliche Kindeswohlprüfung unterscheidet sich hiervon nicht grundsätzlich. Der (erhöhte) Prüfungsaufwand bei Gerichten und Behörden hält sich somit in vertretbaren Grenzen.

3. Einzeladoption auch durch Ehepartner ermöglichen

Die in dem Diskussionspapier genannte Konsequenz der Benachteiligung von Ehegatten (bei beiden Lösungen) ließe sich dadurch vermeiden, dass auch verheirateten Personen die Einzeladoption ermöglicht wird. Auch dies mag im Einzelfall im Kindeswohl geboten sein. Es besteht daher keinerlei Veranlassung, an dem bisherigen generellen Ausschluss der Einzeladoption durch Verheiratete festzuhalten.

4. Entbehrlichkeit der Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren

Im Rahmen der Neuregelung sollte die Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren dadurch entbehrlich gemacht werden, dass die Ehefrau der Frau, die ein Kind zur Welt bringt, entsprechend §1592 Nr. 1 BGB ebenfalls automatisch Mutter ist, ferner durch die Ermöglichung einer Mutterschaftsanerkennung - entsprechend den Regelungen zur Vaterschaftsanerkennung.

Die durch die Verweigerung dieser Möglichkeiten erforderliche Stiefkindadoption bindet erhebliche Kräfte bei Gerichten und Behörden. Die Freisetzung dieser Kräfte würde die im Diskussionspapier erwähnte Mehrbelastung mehr als kompensieren.

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Stellungnahmen
news-628 Wed, 17 Jul 2019 09:25:55 +0200 Mannheimer Appell für eine verantwortliche Kriminalpolitik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mannheimer-appell-fuer-eine-verantwortliche-kriminalpolitik-628 Appell der Fachgruppe Strafrecht der Neuen Richtervereinigung Der RAV begrüßt den ›Mannheimer Appell für eine verantwortliche Kriminalpolitik‹ der Neuen Richtervereinigung - Fachgruppe Strafrecht, den wir hier folgend veröffentlichen.
Das Vorhaben der Mehrheit der Landesjustizministerien, erneute Bewährungsentscheidungen nahezu unmöglich zu machen, wenn innerhalb einer laufenden Bewährung eine neue Tat begangen wurde, ist unverantwortlich, weil irrational und populistisch. Den überzeugenden Argumenten des ›Mannheimer Appels‹ ist nichts hinzuzufügen.

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Appell
Unter dem Stichwort „Kettenbewährungen“ fordern die Landesjustizministerinnen und –minister seit ihrer Frühjahrskonferenz am 5. und 6. Juni 2019 unter anderem, den Gerichten per Gesetz zu verbieten, eine Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn die Straftat innerhalb einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde. Zur Begründung berufen sie sich auf statistisches Zahlenmaterial, das den Eindruck erweckt, als sei eine erneute Bewährungsaussetzung nach einem Bewährungsbruch sehr weit verbreitet.
Angesichts dieser Forderung appelliert die Fachgruppe Strafrecht der NRV an die Verantwortlichkeit der Politik für das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger.
Der unablässige Ruf nach immer neuen Strafverschärfungen ist geeignet, genau jene Verunsicherung zu schüren, deren angeblicher Bekämpfung diese Gesetzesinitiativen dienen sollen.
Zur Reaktion auf Kriminalität sind die vorhandenen Mittel ausreichend. Dies folgt nicht nur aus der jüngst vorgelegten Kriminalstatistik, sondern auch aus den Antworten des Deutschen Viktimisierungssurvey (DVS), wonach keine grundlegende Veränderung der selbst erfahrenen Kriminalität bei den Bürgerinnen und Bürger zwischen 2012 und 2017 feststellbar ist. Gestiegen ist lediglich die subjektive, durch nichts begründete Kriminalitätsfurcht – und damit das Bedürfnis, Wählerinnen und Wähler durch eine Härte suggerierende Symbolgesetzgebung zu gewinnen. Wünschenswert wäre dagegen bestenfalls eine Erweiterung des Sanktionenkatalogs um solche Instrumente, die die Legalbewährung zu fördern geeignet sind.
Die Behauptung, Gefängnisstrafen erreichten Gesetzestreue besser als eine Ermutigung zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung, widerspricht sämtlichen empirischen Erkenntnissen, was in den Justizministerien bekannt sein dürfte. Diese Behauptung dennoch immer wieder vorzubringen, zeugt von einem autoritären und im Kern antidemokratischen Weltbild. Dieses Vorgehen ist geeignet, gerade diejenigen politischen Kräfte zu fördern, die durch das Betonen von Law-and-Order-Forderungen vorgeblich zurückgedrängt werden sollen. Das Gleiche gilt für den impliziten Vorwurf, Richterinnen und Richter urteilten zu lasch und ihnen müssten per Gesetz die Zügel angelegt werden.
Das zur Untermauerung der Forderung der Justizministerkonferenz herangezogene statistische Zahlenmaterial ist zudem unseriös aufbereitet. So erscheint schon die Analyse, dass in mehr als der Hälfte aller Fälle trotz einer bestehenden Bewährung eine zweite gewährt werde, tendenziös fehlerhaft. Es wird hierbei nicht berücksichtigt, dass die Statistik auch dann eine zweite Verurteilung ausweist, wenn es sich tatsächlich um die später erfolgte Verurteilung einer ersten Tat gehandelt hat. Außerdem ist für die Legalprognose allein auf den Zeitpunkt der (letzten) Hauptverhandlung abzustellen. Für eine ernsthafte Bewertung der richterlichen Entscheidungen müsste somit der Zeitablauf seit der abzuurteilenden Tat berücksichtigt werden. Insbesondere wäre eine Analyse in Hinblick auf die allein relevante Fragestellung geboten, ob sich die Gewährung einer zweiten Chance im Ergebnis in dem Sinne als überwiegend zutreffend erwiesen hat, dass danach tatsächlich während der (doppelten) Bewährungszeit keine weitere Straftat mehr begangen wurde. All dies ist dem Zahlenmaterial nicht zu entnehmen, auf dessen Grundlage die Justizministerkonferenz ihre Forderung aufgestellt hat.
Die Forderung nach einer vermeintlich konsequenteren Sanktionierung rekurriert zudem auf das Vorurteil, dass im Falle der Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung keine spürbare Reaktion auf strafbares Verhalten erfolge. Tatsächlich kann aber gerade durch Bewährungsauflagen und –weisungen beim Verurteilten eine Verhaltensänderung erreicht werden. Erholsam ist eine aktive Bewährungszeit für den Verurteilten nicht.
Nur am Rande sei erwähnt, dass die bundesdeutschen Gefängnisse ohnehin bereits in Besorgnis erregender Weise überbelegt sind. Hierdurch kann der Strafvollzug seiner verfassungsrechtlich gebotenen Aufgabe, die Resozialisierung der Verurteilten zu fördern, noch schlechter gerecht werden.
Kein Politiker, der entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse behauptet, die von ihm geforderten Strafschärfungen dienten der Verhinderung von Kriminalität, soll später sagen, er habe die mit dieser Stimmungsmache von ihm selbst erzeugte Gefährdung des demokratisch verfassten Rechts- und Sozialstaats nicht erkannt. Populistische Töne tragen entscheidend dazu bei, die repräsentative Demokratie zu gefährden, anstatt sie zu bewahren.

Mannheimer Appell als PDF

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Pressemitteilung
news-627 Wed, 03 Jul 2019 11:19:40 +0200 Gewaltexzess bei Nürnberger Polizei<br />RAV mahnt zur Vorsicht bei Neugestaltung eines »Gaffer-Gesetzes« /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gewaltexzess-bei-nuernberger-polizei-br-rav-mahnt-zur-vorsicht-bei-neugestaltung-eines-gaffer-gesetzes-627 Pressemitteilung Nr. 4 vom 3. Juli 2019 Über mehrere Minuten hinweg hatten Ende Juni zwei Polizeibeamte im Rahmen einer vorläufigen Festnahme einen am Boden liegenden Mann mit Schlägen, Tritten und Schlagstockeinsatz traktiert, wie ein Video einer Privatperson belegt.(1) Zwar setzt das Video erst ein, als der Mann bereits am Boden liegt. Allerdings ist das Handeln der Beamten während der Aufzeichnung eindeutig unverhältnismäßig und damit ungerechtfertigt. Das LKA ermittelt gegen die Beamten und das Opfer.

Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Vertreter der Regionalgruppe Bayern des RAV, mahnt anlässlich des Falls: »Wir müssen immer wieder Geschädigte von Polizeigewalt vor Gericht vertreten. Wo Bilder oder Videoaufnahmen vorliegen, haben die Opfer zumindest eine Chance, ihr Recht zu bekommen. Deshalb ist Vorsicht mit Blick auf das geplante Gesetz gegen ›Gaffer‹ geboten. Es soll sich zwar gegen Personen richten, die bei ›Unfallgeschehnissen‹ Bild- oder Filmaufnahmen von Unfallopfern anfertigen und die Persönlichkeitsrechte der Geschädigten verletzen. Tatsächlich wird aber auch immer auf vermeintliche Störungen der polizeilichen Arbeit hingewiesen. Dem ist aber mit Vorsicht zu begegnen«.

Ein Gesetz, das die Behinderung von Hilfeleistung unter Strafe stellt, wurde bereit 2017 erlassen.(2) Der RAV sieht die Gefahr, dass die Neugestaltung des ›Gaffer-Gesetzes‹ auch die Wegnahme von Mobiltelefonen und anderen Aufnahmegeräten umfassen wird. »Das kann dazu führen«, so Strafverteidigerin Franziska Nedelmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des RAV, der der Fall bekannt ist, »dass derartige Aufzeichnungen von der Polizei künftig unterbunden und den Betroffenen damit wertvolle Beweismittel entzogen werden«.

Rettungsarbeiten sollen nicht behindert werden. Aber immer wieder verlaufen Fälle rechtswidriger Polizeimaßnahmen mangels objektiver Beweismittel im Sande. »In der Ausgestaltung des Gesetzes ist daher zu berücksichtigen, dass die Dokumentation von polizeilichen Einsätzen nicht verhindert wird«, so Rechtsanwalt Ziyal.

Ferner bekräftigt der Anwaltsverein eine langjährig erhobene Forderung nach effektiver Kontrolle der Polizei:
Notwendig ist eine unabhängige Instanz mit institutioneller Unabhängigkeit von Polizei und Innenverwaltungen sowie hinreichender Ausstattung mit Befugnissen und Ressourcen. Sie muss für alle Formen von Missbrauch des staatlichen Gewaltmonopols zuständig sein. Eine solche unabhängige Polizeikommission muss von dem Landesparlament eingerichtet und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Mitglieder der Kommission müssen eigene Ermittlungen anstellen, Akten einsehen und Empfehlungen an die Staatsanwaltschaft aber auch die Innenverwaltung für disziplinarische Reaktionen aussprechen können. Den Betroffenen von Polizeigewalt muss ein Einsichtsrecht in die Akten der Kommission zustehen.

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Kontakt für Nachfragen:
Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Tel. 0911-376 64 27-7


[1] https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/video-nurnberger-polizisten-prugeln-auf-45-jahrigen-ein-1.9042766.

[2] https://www.tagesschau.de/inland/bundesrat-gaffer-105.html

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Pressemitteilung
news-626 Wed, 03 Jul 2019 09:08:48 +0200 Kriegsverbrechen des IS, Gerechtigkeit und das Schweigen des «Westens» /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kriegsverbrechen-des-is-gerechtigkeit-und-das-schweigen-des-westens-626 Veranstaltung, 11.7.19 Berlin Der sogenannte «Islamische Staat» ist militärisch besiegt. Doch die Gefahr ist damit noch nicht gebannt: Wie weiter mit den tausenden Kriegsgefangenen, die sich im freien Teil Rojavas/Nordsyriens befinden?
Während «der Westen» das Problem ignoriert, fordert die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens ein internationales Kriegsverbrecher*innentribunal vor Ort.

Wie ist die Lage in den Geflüchtetenlagern vor Ort?
Was genau fordert die Selbstverwaltung Nordsyriens und warum?
Welche Erfahrung gibt es mit ähnlichen internationalen Verfahren?
         
Darüber wollen wir diskutieren:             
Nina Röttgers, Cadus Redefine Global Solidarity e.V., wird von der Lage vor Ort im El Hol Camp berichten.                   
Ibrahim Murad, Vertreter der demokratischen Selbstverwaltug von Nord- und Ostsyrien in Europa stellt die Positionen der Selbstverwaltung zur Diskussion.
Prof. Dominik Steiger, Professor für Völkerrecht an der TU Dresden, wird die unterschiedlichen Aspekte rechtlich einordnen und Möglichkeiten der Auslieferung und Vorbilder und Probleme für ein internationales Tribunal darstellen.                       

Zeit & Ort
11.7.19 um 19 h
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Humboldt Universität zu Berlin
Hörsaal 1072
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Eine Veranstaltung von:
arbeitskreis kritische jurist*innen an der HU, Café Rojava/ Kampagne TATORT Kurdistan, Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit und dem Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

Flyer (pdf)

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Veranstaltungen
news-625 Tue, 02 Jul 2019 16:21:23 +0200 Resozialisierung light<br />Ohne deutschen Pass: keine Chance im Strafvollzug? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/resozialisierung-light-br-ohne-deutschen-pass-keine-chance-im-strafvollzug-625 5. Berliner Gefangenentage 25./26.10.2019 ***verschoben auf den 30./31.10.2020*** ***Leider müssen wir die Berliner Gefangenentage dieses Jahr absagen. Wir planen einen Ersatz im nächsten Jahr, ins Auge gefasst haben wir den 30. und 31.10.2020.***

›Kriminelle Ausländer konsequent abschieben‹, fordert inzwischen nicht nur die rechtspopulistische Propaganda. Leider sind solche immer schon latent vorhandenen Einstellungen auch innerhalb des Strafvollzuges und bei den Gerichten stärker geworden.

Therapieangebote, Vollzugslockerungen und Wiedereingliederungsmöglichkeiten? Für Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland gibt es wenig bis keine. Und das ist gewollt. Ohne Chancen im Vollzug wird das Rückfallrisiko erhöht. Es stellt sich die Frage von Ursache und Wirkung.

Auf den 5. Berliner Gefangenentagen vom 25. bis 26. Oktober 2019 soll diskutiert werden, welche Möglichkeiten gerade für ausländische Inhaftierte für eine gelungene Resozialisierung bestehen. Weg von der populistischen Debatte über ›kriminelle Ausländer‹ und damit einhergehenden Problemen im Strafvollzug wollen wir u.a. mit Richter*innen, Vollzugsmitarbeiter*innen, Gutachter*innen, Strafverteidiger*innen und Studierenden diskutieren, welche Behandlungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen, um Rückfälle in die ›Kriminalität‹ zu vermeiden. Auch stellt sich die Frage, wie medial geförderte und durch Teile der Politik populistisch ausgenutzte Vorurteile durchbrochen werden können.

Vorläufiges Programm:

Freitag 25.10.2019 | 15 Uhr | Juristische Fakultät, Bebelplatz 2,  Raum 144

Einführung in strafvollzugs- und strafvollstreckungsrechtliche Verfahren – Basiswissen für Interessierte (insb. auch für Studierende)
Rechtsanwältin Ria Halbritter und Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann (beide Berlin)

18 Uhr | Ort wird noch bekanntgegeben

Impulsvortrag: Prof. Christine Graebsch (Universität Dortmund)

Podiumsdiskussion:

Dr. Dirk Behrendt, Justizsenator Berlin (Bündnis 90 / Die Grünen), angefragt
Engelhard Mazanke (Leiter Ausländerbehörde Berlin), angefragt
Prof. Christine Graebsch (Universität Dortmund)
Dipl. Psych. Silvia Hawliczek (SenJustVA Berlin)
Rechtsanwalt Sebastian Scharmer (Berlin)
Moderation: Rechtsanwalt Lawrence Desnizza (Berlin)

anschließend Brezeln und Umtrunk

Samstag, 26.10.2019 | 10:00 Uhr | genauer Ort wird noch bekanntgegeben

›Festvortrag‹
Aufenthaltsrecht und Strafvollzug: Rechtsanwalt Björn Cziersky-Reis (Berlin)

11:15 Uhr | Aufteilung in die AGs | Die genauen Räume der AGs werden noch bekanntgegeben

AG I
Auswirkungen des aufenthaltsrechtlichen Status auf den Vollzug

RiLG Baron (Berlin), angefragt
Bill Borchert (Anstaltsleiter der JSA Berlin)
Michaela Stiepel (Psychologin in der JSA Berlin)
Prof. Graebsch (Universität Dortmund)
Moderation: Rechtsanwältin Dr. Annette Linkhorst (Berlin)

AG II
Auswirkungen des aufenthaltsrechtlichen Status auf die Vollstreckung

RiKG Dr. Kessel (angefragt)
Hon. Prof. Dr. Sabine Nowara (Universität Köln)
GenStA Berlin N.N, angefragt
Moderation: Rechtsanwältin Henriette Scharnhorst (Berlin)

13:00 Uhr Pause und Möglichkeit zum Austausch bei Fingerfood und Getränken

14:00 Uhr

Auswertung und Abschlussdiskussion im ›World Cafémit allen Teilnehmenden
Moderation: Rechtsanwältin Ursula Groos und Rechtsanwalt Olaf Söker

Insgesamt wird es – wie bei allen Gefangenentagen – die Möglichkeit geben, sich für die effektive Vertretung in vollzugs- und vollstreckungsrechtlichen Verfahren fortzubilden.
Die Veranstaltung umfasst insofern auch fünf Fortbildungsstunden nach FAO.

Die Gefangenentage werden durch den gemeinsamen Arbeitskreis Strafvollzug (der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und des RAV, www.arbeitskreis-strafvollzug.de) in Kooperation mit der Humboldt-Initiative organisiert und finden wieder in den Räumen der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Die genauen Tagungsräume werden noch bekannt gegeben.

Teilnahmebeitrag:
€ 60,00 
Mitglieder des RAV und der StVV Berlin
€ 90,00 Nichtmitglieder
Für Studierende und Referendar*innen ist die Teilnahme kostenfrei.
Von Mitarbeiter*innen aus Vollzug und Verwaltungen freuen wir uns sehr über einen Beitrag auf freiwilliger Basis!

Rückfragen gerne an: fortbildung@rav.de

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Strafvollzug
news-623 Sun, 02 Jun 2019 10:51:28 +0200 Keine Geordnete-Rechtlosigkeit!<br />Weiterer Angriff auf den Rechtsstaat in Vorbereitung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-geordnete-rechtlosigkeit-623 Pressemitteilung Nr. 3 vom 2. Juni 2019 Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz, das morgen im Innenausschuss des Bundestages verhandelt werden soll, ist ein fundamentaler Angriff auf den Rechtsstaat. Das Gesetz sieht systematische Inhaftierungen und existenzielle Einschnitte bei den Sozialleistungen und der Integration von Geflüchteten vor.

Rechtsanwältin Berenice Böhlo vom Vorstand des RAV sagt: »Dieses Gesetz stellt unsere Mandant*innen rechtlos. Es wird zu massenhaft rechtswidrigen Inhaftierungen und Abschiebungen kommen, ohne dass die Betroffenen einen Anwalt oder eine Anwältin einschalten können. Wir werden für unsere Mandantinnen vor den Sozialgerichten wieder um jede Windel kämpfen müssen«.

Die Regierungsparteien behaupten, das Gesetz sei eine Reaktion auf ein angebliches Defizit im Vollzug von Abschiebungen. Tatsächlich ist das Gesetz die Reaktion auf die Angriffe von rechts und zeigt, wie die Entrechtung von Flüchtlingen nicht nur ein Thema von Rechtsaußen ist, sondern von CDU und SPD zentral vorangetrieben wird.

Ein dauerhafter Aufenthalt von bis zu 18 Monaten in Anker-Einrichtungen verhindert systematisch und gezielt den Zugang zum Recht. Das Asylrecht ist, wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, in besonderer Weise ein verfahrensabhängiges Recht. Verfahrensrecht hat Verfassungsrang.

Alle bisherigen anwaltlichen Erfahrungen mit Anker-Zentren zeigen, dass gerade dort das Verfahrensrecht systematisch verletzt wird. Eine unabhängige, anwaltliche Vertretung von Anfang an ist Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens, in den Anker-Einrichtungen aber nicht mehr möglich. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Lars Castellucci (SPD) hatte im Rahmen der Koalitionsvereinbarung versprochen, dass in den Anker-Einrichtungen der Zugang zum Recht erhalten bleibt. Genau das ist, wie die Erfahrung zeigt, nicht der Fall. Dennoch ist auch die SPD bereit, die Entrechtung von Flüchtlingen noch weiter voranzutreiben.

Über 80 Prozent der Haftentscheidungen von Richtern*innen haben sich als rechtswidrig erwiesen. Würde es der Gesetzgeber mit dem Zugang zum Recht ernst meinen, müsste jeder inhaftierte Flüchtling eine anwaltliche Vertretung beigeordnet bekommen. Hier aber schweigt das Gesetz.
In der Vergangenheit hat sich weit über die Hälfte der Entscheidungen des Bundesamtes als falsch erwiesen und wurde von den Verwaltungsgerichten aufgehoben. Das Bundesamt ist nunmehr stolz auf eine angebliche Fehlerquote von ›nur‹ noch 25 Prozent. Auch in den Verfahren, in denen es um die Überstellung in andere EU-Länder geht, kommt es regelmäßig zu behördlichen Entscheidungen, die später von den Gerichten aufgehoben werden.

RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo: »Die Rechtslage ist äußerst komplex, da es kein einheitliches europäisches Asylsystem gibt. Ohne anwaltliche Beratung und Vertretung wird es in Zukunft kaum gelingen, überhaupt effektiven Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu erhalten, denn die Betroffenen können faktisch nicht mehr vor den Verwaltungsgerichten klagen«.

Nach wie vor ist ein Großteil der Gesellschaft in der Unterstützung mit Geflüchteten aktiv. Das Gesetz ist eine schallende Ohrfeige für alle hier aktiven Bürger*innen. Die neue ›Härte‹ von der der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor so begeistert spricht, basiert auf struktureller Entrechtung und ist eine Katastrophe, die die Gesellschaft an sich betrifft.

Neben dem RAV kritisieren über 20 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Richter*innen und Anwält*innen, das Gesetz und haben in einem Offenen Brief dagegen Stellung bezogen.

PM als PDF

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Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) Grundrechte Pressemitteilung
news-609 Fri, 31 May 2019 10:36:24 +0200 "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/offener-brief-br-geordnete-rueckkehr-gesetz-609 Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Am Montag den 3. Juni 2019 soll im Innenausschuss das sog. Geordnete-Rückkehr-Gesetz verhandelt werden, um es dann anschließend im Turboverfahren in der kommenden Woche durch das Parlament zu peitschen. Hiermit veröffentlichen wir auf den Offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der auch vom RAV mit gezeichnet wurde.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Kürze werden Sie über zahlreiche Gesetzentwürfe aus dem Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts entscheiden, die weitreichende Folgen für das Leben zahlreicher – auch dauerhaft – in Deutschland lebender Menschen haben werden. Insbesondere das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ würde selbst Familien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dauerhaft von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgrenzen, sie unverhältnismäßigen Sanktionen und einer uferlosen Ausweitung der Haftgründe  aussetzen. 

Wir bitten Sie vor diesem Hintergrund, dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz Ihre Zustimmung zu verweigern und zu verhindern, dass diese oder ähnliche Regelungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. Auf vier besonders problematische Punkte möchten wir Sie noch einmal explizit hinweisen:

            1. Kein verfassungswidriger Ausschluss von Sozialleistungen

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2012 in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum migrationspolitisch nicht zu relativieren ist.

Nichtsdestotrotz plant die Bundesregierung u.a. folgende Leistungskürzungen:

      2. Keine menschenunwürdigen Regelungen zur Abschiebungshaft

Abschiebungshaft ist keine Strafhaft, sondern dient allein der Durchsetzung der Ausreisepflicht – dies sieht auch der Gerichtshof der Europäischen Union so und verweist explizit darauf, dass zum Schutz der Menschenwürde eine Unterbringung in getrennten Einrichtungen erfolgen muss. Trotzdem beabsichtigt die Bundesregierung, Abschiebungshaft bis 2022 in regulären Gefängnissen durchzuführen. In der Folge würden die strengen Sicherheitsauflagen – z.B. im Hinblick auf die Nutzung von Handys oder Internet sowie die Bewegungsfreiheit – auch in der Abschiebungshaft gelten.

Darüber hinaus sollen die Gründe für die Abschiebungshaft durch eine neue Definition des Begriffs der „Fluchtgefahr“ so stark ausgeweitet werden, dass Abschiebungshaft nahezu jede*n treffen kann. Schon das Verlassen eines EU-Mitgliedstaates vor Abschluss des Asylverfahrens kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr sein. Daneben würde auch bei einer lange zurückliegenden falschen Angabe bezüglich der eigenen Identität oder „der Zahlung erheblicher Geldbeträge“ zur Einreise unterstellt, dass eine Fluchtgefahr besteht. Die Regelung verkennt, dass die Zahlung von hohen Geldsummen für die meisten Geflüchteten oft den einzigen Weg darstellt, Verfolgung im Heimatland zu entkommen. Das würde sogar Menschen betreffen, die legal eingereist sind.

Die Betroffenen müssten dann aufgrund einer gleichzeitig eingeführten Beweislastumkehr beweisen, dass keine Fluchtgefahr vorliegt. Das ist praktisch kaum möglich. Die Regelung ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Freiheit nach Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz.
 

            3. Keine Einführung einer prekären „Duldung Light“

Menschen, die ihrer im Gesetzesentwurf definierten ausufernden „Passbeschaffungspflicht“  nicht nachkommen, sollen nur noch die sogenannte „Duldung light“ bekommen. Ihnen wird damit pauschal Ausbildung und Arbeit verboten. Das gilt sogar dann wenn sie nicht abgeschoben werden können. Für Afghan*innen, die zum Beispiel, nie über eine Geburtsurkunde verfügt haben und sich zum Teil viele Jahre in Drittstaaten wie dem Iran aufgehalten haben, ist es kaum möglich, eine sogenannte Tazkira (Identitätsdokument in Afghanistan) zu beschaffen.

Dies wird auch Menschen – insbesondere Kinder – treffen, denen es oft unmöglich ist, der Passbeschaffung nachzukommen: Nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie es nicht können.

Diese Duldung light hat fatale Auswirkungen auf  Kinder, obgleich bei ihnen die fehlende Identitätsklärung meist nicht ursächlich für die ausbleibende Abschiebung ist: Selbst mit Pass würden sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit in der Regel nicht abgeschoben werden. So hat die Sanktionierungsmaßnahme keinerlei Bezug zu dem erklärten Ziel der Beseitigung von „Fehlanreize(n) zum rechtswidrigen Verbleib”.

Daneben ist auch problematisch, dass die Zeit in der Duldung light nicht als Vorduldungszeit für die Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und b AufenthG angerechnet wird. Dies kann vor allem geflüchteten Kindern einen wichtigen Weg ins Bleiberecht verbauen - selbst wenn sie sehr gut integriert sind. Denn für die entsprechenden Regelungen müssen sie  vor dem 21. Geburtstag vier Jahre geduldet sein.

Es besteht die Gefahr, dass unbegleitete Kinder und ihre Vormünder durch diese Regelung  vorschnell in ein Asylverfahren gedrängt werden, ohne dass vorher das Kindeswohl in Ruhe und angemessen geprüft werden kann. Das kann grundlegende Konsequenzen für ihr Aufenthaltsrecht haben und läuft Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention zuwider, gemäß dem das „Wohl des Kindes“ stets handlungsleitend sein muss.


            4. Keine langen Vorduldungszeiten für Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung

Ziel sowohl der Ausbildungs- als auch der Beschäftigungsduldung ist es, gut integrierten Geduldeten eine Bleibeperspektive aufzuzeigen und Rechtssicherheit für Arbeitgeber zu schaffen. Für Arbeitgeber ist es wichtig, abschätzen zu können, ob sich die Investition in Ausbildung oder Einarbeitung lohnt. Die Anforderungen für diese beiden Formen der Duldung sind jedoch so hoch, dass die Regelungen ins Leere laufen werden.

Soll die Ausbildung erst nach Ablehnung des Asylantrags aufgenommen werden, kann die Ausbildungsduldung nur erteilt werden, wenn der Betroffene bei Antragstellung bereits seit sechs Monaten im Besitz einer Duldung ist. Hierbei handelt es sich um eine erhebliche Verschlechterung zur geltenden Regelung. Diese Regelung errichtet  eine zusätzliche Hürde für den Weg in die Ausbildung. Welcher Arbeitgeber stellt unter solchen Bedingungen ein?

Eine Beschäftigungsduldung soll erst nach 12-monatiger Duldung und 18-monatiger Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden erteilt werden können. Gemeinsam mit den Regelungen zur Duldung für Personen mit ungeklärter Identität und dem teilweise langen Aufenthalt in AnkER-Zentren, bedeutet dies, dass es für die Betroffenen nahezu unmöglich sein wird, eine Beschäftigung aufzunehmen und eine Beschäftigungsduldung zu erhalten.

Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, werden Zehntausende in Deutschland permanent in Angst vor Haft und vor Abschiebung in einem Zustand der Perspektivlosigkeit leben.

Der offene Brief wurde initiiert von PRO ASYL, dem Paritätischen Gesamtverband und Save the Children Deutschland.

Weitere Unterzeichner sind:

Amnesty International
Asyl in der Kirche – Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft
AWO Bundesverband e.V.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Care Deutschland und Luxemburg
Deutsche Jugend in Europa Bundesverband e.V.
Deutsches Kinderhilfswerk
Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie
Deutscher Anwaltverein – Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht
Diakonie Deutschland
Humanistische Union
Internationaler Bund
Jesuiten Flüchtlingsdienst
KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
Neue Richtervereinigung
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not

PDF_Offener Brief

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Migration & Asyl (doublet)
news-607 Tue, 14 May 2019 17:15:29 +0200 Einladung zum Berliner Regionaltreffen 3/2019 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-3-2019-607 Thema: Feministische Rechtskritik 16.5.19 | 19 h | KuB Eingeladen haben wir zu unserem 3. Berliner Regionaltreffen in 2019 Dr. Anna Hochreuter von der Redaktion der Feministischen Rechtszeitschrift „STREIT“, die uns eine Einführung in das Thema geben und von der Mitarbeit in der Redaktion der „STREIT“ berichten wird.

Donnerstag, den 16. Mai | 19.00 Uhr
Kontakt- und Beratungsstelle (KuB)
Oranienstr. 159
10969 Berlin
(U-Bahnhof Moritzplatz, M29 Moritzplatz)

Wie immer gilt:

Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.

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news-606 Fri, 03 May 2019 10:29:00 +0200 Martin Lemke /publikationen/mitteilungen/mitteilung/martin-lemke-606 RAV news-603 Fri, 22 Mar 2019 10:26:00 +0100 Das Werk einer gleichgeschalteten Justiz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-werk-einer-gleichgeschalteten-justiz-603 Pressemitteilung Nr. 2 vom 22. März 2019 Zu der Verurteilung von 18 Strafverteidiger*innen in der Türkei am 20. März 2019 Vorgestern, am 20. März 2019 wurden 18 Strafverteidiger*innen von dem 37. Istanbuler Strafgericht am Gerichtsstandort Silivri in Abwesenheit zu Haftstrafen zwischen 3 Jahren und 1 Monat und 18 Jahren und 9 Monaten verurteilt. 9 Kolleg*innen sollen für über 10 Jahre hinter Gitter.

Die Verurteilten sind Mitglieder des Vereins progressiver Juristinnen und Juristen (Çağdaş Hukukçular Derneği, ÇHD), der – wie auch der RAV – im europäischen Verband Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte (EDA) organisiert ist. Allein aufgrund ihres anwaltlichen Engagements wird ihnen wird vorgeworfen, Unterstützer, Mitglieder oder gar Führungspersönlichkeiten der Organisation Revolutionäre Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) zu sein, die in der Türkei als terroristische Organisation verfolgt wird. Das ist anwaltliche Berufsausübung und in einem auch nur annähernd demokratischen Staat keine Straftat.

Das Urteil ist das Ergebnis eines Strafprozesses, der von Beginn an willkürlich und unter Missachtung jeglicher nach der Menschenrechtskonvention garantierten Beschuldigten- und Menschenrechte geführt wurde. Die Entscheidung ist symptomatisch für den Zustand der türkischen Justiz, die nicht Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit, sondern die Bekämpfung politisch unliebsamer Personen mit justiziellen Mitteln bis hin zu ihrer Vernichtung zum Ziel hat.

Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV e.V., erklärt hierzu: »Wir stehen solidarisch an der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die deutsche Bundesregierung weiter mit dieser, sämtliche rechtsstaatliche Prinzipien missachtenden Regierung der Türkei zusammenarbeitet«.

Der RAV ist in großer Sorge, weil sich einige der verurteilten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, darunter unser Kollege, Selçuk Kozağaçlı, Vorsitzender des ÇHD und Träger des Hans-Litten-Preises, inzwischen seit Wochen mit dem Mittel des Hungerstreiks gegen die gegen sie ergriffenen Maßnahmen des diktatorischen Regimes zu wehren versuchen und ruft zu einer breiten Solidarität mit den Kolleg*innen auf.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an die Geschäftsstelle des RAV.

PM als PDF

Auch die Europäischen Demokratische Anwältinnen und Anwälte (EDA) haben sich per Pressemitteilung zu den Verurteilungen geäußert - zu lesen hier

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Freie Advokatur (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
news-604 Wed, 20 Mar 2019 14:28:00 +0100 Einladung zum Berliner Regionaltreffen 2/2019 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-2-2019-604 Thema: Fake News, Schießbefehl und Morde in Moabit: Die Märzkämpfe 1919 in Berlin 21.3.19 | 19 h | KuB In Berlin wird gerade eifrig über die Enteignung einiger Immobilienunternehmen diskutiert. Ein wenig weiter gingen die Forderungen der Berliner Arbeiter*innen, die im Frühjahr 1919 den Generalstreik ausriefen und unter anderem eine umfassende Wirtschaftsdemokratie forderten. Doch das letzte Aufbäumen der Revolution 1918/1919 in Berlin wurde auf Anordnung der sozialdemokratischen Regierung durch Freikorps blutig niedergeschlagen, über 1.200 Menschen starben innerhalb weniger Tage. Aufgrund eines umfassenden Schießbefehls wurden insbesondere in Lichtenberg zahllose Menschen erschossen, nachdem die Presse falsche Meldungen über angebliche Morde durch Aufständische verbreitet hatte.

Während dieser Ereignisse in Lichtenberg zum Jahrestag mit einer großen Ausstellung im Bezirksmuseum gedacht wird, ist weitgehend vergessen, dass nicht wenige Morde direkt unter den Augen und mit Billigung der Justiz erfolgten. In den Gefängnissen wurden Aufständische getötet und Politiker und Journalisten wie Leo Jogisches, der nach der Ermordung von Luxemburg und Liebknecht führende Kopf der KPD, in den Fluren der JVA Moabit "auf der Flucht" erschossen. Die Täter, oft Faschisten der ersten Stunde, konnten mit umfassender Straflosigkeit rechnen während den vermeintlichen "Spartakisten" drakonische Strafen drohten.

Als Referenten konnten wir Dietmar Lange, Historiker und Redakteur der Zeitschrift "Arbeit - Bewegung - Geschichte" gewinnen, der derzeit die Ausstellung "Schießbefehl in Lichtenberg" im Museum Lichtenberg im Stadthaus kuratiert.

Donnerstag, den 21. März | 19.00 Uhr
Kontakt- und Beratungsstelle (KuB)
Oranienstr. 159
10969 Berlin
(U-Bahnhof Moritzplatz, M29 Moritzplatz)

Wie immer gilt:

Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.

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Politische Justiz (doublet)
news-605 Tue, 12 Mar 2019 10:03:00 +0100 Mietendeckel ist nötig und möglich /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietendeckel-ist-noetig-und-moeglich-605 Pressemitteilung Nr. 1 vom 12. März 2019 RAV fordert die Berliner Regierungskoalition auf, zügig die landesrechtlichen Voraussetzungen für die Einführung eines Mietendeckels zu schaffen.

Am 6. März 2019 hatte der RAV in die Evangelischen Elisabeth Klinik zum Fachgespräch »Mietendeckel, geht das?« eingeladen. In der dreistündigen Debatte wurden die Möglichkeiten einer landesrechtlichen Regelung zur Miethöhe kontrovers diskutiert und Modelle einer Umsetzung vorgestellt. Neben Vertreter*innen der drei Berliner Regierungsparteien waren Richter*innen vom Berliner Verwaltungsgericht und vom Landgericht erschienen. Fachjurist*innen der Senatsverwaltungen Bauen und Wohnen sowie der Justiz beteiligten sich ebenso wie Professoren für Zivil- und Öffentliches Recht. Neben Parlamentarier*innen aus anderen Bundesländern waren Anwält*innen und Interessenvertreter*innen von Mieter*innen sowie mietenpolitisch Aktive dabei.

Mietpreisregulierungen schon historisch bedeutsam

Nach einem Referat zur historischen Entwicklung des Mietpreisrechts wurden die Möglichkeiten des Nebeneinanders von öffentlichem und privatem Recht dargestellt. Anschließend wurde die verfassungs- und kompetenzrechtliche Zulässigkeit eines Mietendeckels erläutert. Im Zentrum stand dabei die Frage, ob der Landesgesetzgeber eine solche Regelung erlassen darf oder ob das Sache des für das Bürgerliche Recht zuständigen Bundesgesetzgebers ist. In der sich anschließenden Debatte wurde einmal mehr klar, wie wichtig der Blick in die Geschichte ist. Ab 1917 bis in die 1960er-Jahre war das bürgerliche Mietrecht überlagert von einem öffentlichen Preisrecht, das der Mietentwicklung nach oben klare Grenzen setzte. Im Ergebnis betrug die Belastungsquote mit Wohnkosten lediglich ca. 10 Prozent des Haushaltseinkommens. In Westberlin galten generelle öffentlich-rechtliche Mietbegrenzungen gar bis 1988.

Mietbegrenzungen auch heute möglich

In der Debatte wurde auch deutlich, dass mit der Föderalismusreform 2006 die Ermächtigung, jenseits des Zivilrechts ein öffentliches Mietpreisrecht zu schaffen, auf die Länder überging. Ein Teilnehmer brachte dazu ein anschauliches Beispiel: Bei der Automiete kann mit dem Vermieter eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h vereinbart werden. Dennoch gelten beim Betrieb des Fahrzeugs weiter die Geschwindigkeitsbegrenzungen der Straßenverkehrsordnung. Das soziale Mietrecht des BGB und ein öffentlich-rechtlicher Mietendeckel sind also zwei unterschiedliche Regelungsmaterien, die sich zwar überschneiden können, aber in Zweckrichtung und Wirkweise unterscheiden. Eine öffentliche Mietpreisbindung dient, anders als das soziale Mietrecht, allein der Bewahrung bezahlbaren Wohnraums und lässt Mietverträge in ihrem Bestand unberührt.

Aktueller Bedarf an Mietendeckel

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde eine Reihe von Modellen zu Begrenzung der Bestands- und Neumieten vorgestellt: neben einem generellen Mietenstopp über die Koppelung einer generellen Miethöhe an das Medianeinkommen bis hin zur Orientierung an der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Am Ende der Veranstaltung wurde verabredet, die Diskussion in Nachfolgeveranstaltungen fortzusetzen. Es müssen Mietendeckelmodelle entwickeln werden, die effektiv und rechtlich wirksam für eine deutliche Dämpfung der Mietpreise sorgen, um den staatlichen Auftrag der Wohnungsversorgung für alle sicherzustellen.

»Gefragt ist jetzt der Mut des Landesgesetzgebers, im Kampf gegen die aktuelle Mietenexplosion rechtliches Neuland zu betreten«, so Benjamin Raabe vom AK Mietrecht im RAV.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an: Henrik Solf, 030.442 9386 oder Benjamin Raabe, 030.7809 666 20

PM als PDF

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Mietrecht (doublet)
news-600 Fri, 08 Feb 2019 10:08:08 +0100 Kein Verbot der Roten Hilfe! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-verbot-der-roten-hilfe-600 Gemeinsame Pressemitteilung, 8.2.2019 Diese Erklärung wird getragen von: Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Neue Richtervereinigung e.V.
Humanistische Union
Pressemitteilung als PDF]]>
Pressemitteilung
news-599 Wed, 30 Jan 2019 14:20:16 +0100 Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/frankfurter-erklaerung-in-solidaritaet-mit-den-betroffenen-rechter-rassistischer-und-antisemitischer-gewalt-599 Gemeinsame Pressemitteilung, 30.1.2019 "Wir fordern ein Ende der Bagatellisierung der rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten durch politisch Verantwortliche sowie die Anerkennung, dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt." Mit der "Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt" fordern die Bildungsstätte Anne Frank, die Türkische Gemeinde Hessen, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie die Türkische Gemeinde in Deutschland und der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ein "Ende der Bagatellisierung der rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten durch politisch Verantwortliche sowie die Anerkennung, dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt." Ein "weiter so" verbietet sich angesichts der seit mehr als einem halben Jahr andauernden Erfolglosigkeit, mit der die hessischen Ermittlungsbehörden im Fall der anhaltenden Morddrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und gegen die Gruppe "NSU 2.0" und deren Kontakte zu einer Gruppe Frankfurter Polizeibeamter in der 1. Hauptwache an der Zeil ermitteln sowie angesichts der anhaltend erfolglosen Ermittlungen gegen die oder den Täter, die bzw. der für eine Serie von neun Brandstiftungen bei linken und alternativen Wohn- und Hausprojekten  im Rhein-Main-Gebiet verantwortlich ist. Denn mit jedem weiteren Brandanschlag, mit jeder weiteren rassistischen Morddrohung, die für die Tatbeteiligten ohne Konsequenzen bleiben, steigt das Selbstbewusstsein der Tatbeteiligten und ihrer Sympathisant*innen. Gleichzeitig entsteht bei den Betroffenen und der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Ermittlungen bei politisch rechts, rassistisch oder antisemitisch motivierten Straf- und Gewalttaten allenfalls halbherzig erfolgen und keine Priorität genießen. Die „Frankfurter Erklärung“ ist ab heute über Open Petition zur Mitzeichnung freigeschaltet:
https://www.openpetition.de/petition/online/frankfurter-erklaerung-in-solidaritaet-mit-den-betroffenen-rechter-rassistischer-und-antisemitischer
"Damit gibt es eine einfache Möglichkeit einer breiten gesellschaftliche Solidarität für die vom NSU2.0 bedrohte Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und die von den Brandanschlägen betroffenen linken und alternativen (Haus-)Projekte im Rhein-Main-Gebiet Ausdruck zu verleihen", betonen die Initiator*innen der "Frankfurter Erklärung für Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt". Wir erklären unsere Solidarität mit den Betroffenen dieser offensichtlich rassistisch und politisch rechts motivierten Straftaten und fordern:
·         Ein Ende der Bagatellisierung der rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten durch politisch Verantwortliche sowie die Anerkennung, dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt. ·         Eine sofortige umfassende und transparente Aufklärung aller rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten in Hessen samt der Rolle von Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz durch eine unabhängige Untersuchungskommission nach dem Vorbild der britischen MacPherson-Kommission. Diese hatte den rassistischen Mord an dem Teenager Stephen Lawrence untersucht und umfangreiche Empfehlungen zu institutionellem Rassismus in der Polizei erarbeitet. (1)typo3/ ·         Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten. Diejenigen, die sich über polizeiliches Fehlverhalten, falsche Ermittlungen oder einen diskriminierenden Umgang mit Opfern von Straftaten beschweren wollen, müssen Zugang zu einer mit umfassenden Kompetenzen ausgestatteten Anlaufstelle haben können. Diese Anlaufstelle muss außerhalb der Polizeibehörden angesiedelt und unabhängig sein.
(1) vgl. Empfehlungen der MacPherson-Kommission und weiterführendes Material: www.bug-ev.org/themen/schwerpunkte/dossiers/polizeiliche-untersuchungen-bei-rassistisch-motivierten-straftaten.html]]>
Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
news-598 Wed, 23 Jan 2019 07:24:35 +0100 Einladung zum Berliner Regionaltreffen 1/2019 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-1-2019-598 24. Januar 2019 | 19.00 Uhr Thema: Prozessbeobachtung des RAV in der Türkei Internationale Tag der bedrohten Anwältin/des bedrohten Anwalts, der in diesem Jahr die Situation der Kolleg*innen in der Türkei zum Thema macht. Wir wollen diese Gelegenheit nutzen, um die aktuelle Prozessbeobachtung des RAV am Beispiel des sogenannten KCK-Verfahrens vorzustellen. Seit 2012 sind 46 türkische und kurdische Rechtsanwält*innen wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, der KCK, einer angeblichen Nachfolgeorganisation der PKK, angeklagt. Das Verfahren geht nun bald ins siebente Jahr, ohne dass Anknüpfungspunkte gegen sie vorliegen würden. Die zahlreichen Strafverfahren gegen türkische und kurdische Kolleg*innen sind sehr offensichtlich politisch motiviert und dienen recht deutlich der Einschüchterung oppositioneller Aktivitäten. Benjamin Hersch und Anne-Kathrin Krug beobachten das Verfahren seit vielen Jahren und werden ihre Eindrücke über die Situation engagierter Kolleg*innen in der Türkei, den Kampf um die freie Advokatur und die Möglichkeiten der Prozessbeobachtung berichten. Donnerstag, den 24. Januar | 19.00 Uhr
Kontakt- und Beratungsstelle (KuB)
Oranienstr. 159
10969 Berlin
(U-Bahnhof Moritzplatz, M29 Moritzplatz) Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen. ]]>
KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
news-597 Wed, 23 Jan 2019 06:53:00 +0100 Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-der-verfolgten-anwaeltin-597 Aufruf zur Teilnahme, 24.1.2019 Auch in diesem Jahr ruft der RAV gemeinsam mit in der EDA (Europäische Demokratische Anwält*innen) organisierten Schwesterorganisationen sowie mit der VDJ, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, der RAK-Berlin und der ELDH zur Teilnahme an einer Kundgebung auf.

Anlaß ist der

»Tag des verfolgten Anwalts«, der jedes Jahr an vielen Europäischen Orten am 24. Januar begangen wird.

In diesem Jahr wollen wir unsere Solidarität mit den türkischen und kurdischen Anwält*innen in der Türkei zeigen.

Donnerstag, 24.01.2019

Türkische Botschaft in Berlin
Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Beginn: 14 Uhr

und

Generalkonsulat der Republik Türkei in Hamburg
Tesdorpfstraße 18
20148 Hamburg
Beginn: 13 Uhr

Der Basic Report 2019“ enthält Informationen zur Historie des »Tag des verfolgten Anwalts«, allgemein zur aktuellen Lage in der Türkei sowie konkret zur Situation unserer verfolgten und bedrohten Kolleg*innen

– namentlich

Ahmet Mandaci, Akın Atalay, Bülent Utku, Mustafa Kemal Güngör, Aycan Çiçek, Aytaç Ünsal, Behiç Aşçı, Buket Yilmaz, Can Tombul, Engin Gökoğlu, Eren Keskin, Halil İbrahim Vargün, Naim Feyzullah Eminoğlu und Selçuk Kozağaçlı.

Der RAV freut sich über zahlreiche, solidarische Teilnahme an der Kundgebung – gerne in Robe!

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Tag des bedrohten Anwalts Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)
news-596 Tue, 15 Jan 2019 14:56:43 +0100 Gemeint sind wir alle<br />Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeint-sind-wir-alle-br-solidaritaet-mit-den-betroffenen-rechter-rassistischer-und-antisemitischer-gewalt-596 Einladung zur Informationsveranstaltung und Podiumsdiskussion, 21.1.19 FFM Ort: forum medico, Lindleystr. 15, 60314 Frankfurt am Main
Zeit: 21. Januar 2019 um 19 Uhr Begrüßung:
Anne Jung (medico international) Debatte mit:
• Seda Başay-Yıldız, (Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.)
• Abdulkerim Şimşek (Medizintechniker, Nebenkläger im NSU-Prozess am OLG München)
• Kris Simon (Mietshäuser Syndikat-Projekte in Frankfurt a.M.)
• Michael Weiss (NSU Watch)
• Esther Dischereit (Schriftstellerin, Autorin von „Blumen für Otello. Über die Verbrechen von Jena“, Berlin)
• Rupert von Plottnitz (Rechtsanwalt, Justizminister a.D., Frankfurt a.M.) Moderation:
Heike Kleffner (Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.) Weitere Informationen unter: info@verband-brg.de, Tel. 0157 9 23 19 783 Wir bitten Pressevertreter*innen um Vorab-Akkreditierung bis zum 19.1.2019 unter: info@verband-brg.de Die Veranstaltung wird organisiert von:
bildungsstätte anne frank
medico international
NSU Watch Hessen
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. Flyer zur Veranstaltung (PDF)]]>
Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Freie Advokatur (doublet)
news-595 Fri, 04 Jan 2019 17:22:11 +0100 StN des RAV zum RefE PKH und zum JGG /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-refe-pkh-und-zum-jgg-595 Stellungnahme vom 30.11.18 Verfasser: Dr. Helmut Pollähne und Lukas Theune, Rechtsanwälte und
für ein "Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren" v. 11.10.2018 [nachf. RefE "JGG"] I. Vorbemerkungen

Es empfiehlt sich zunächst einmal, beide RefE im Zusammenhang zu kommentieren, weil sie zumindest in puncto sog. ‚Pflichtverteidigung‘ nicht isoliert voneinander bewertet werden können und sollten; soweit insb. der letztgenannte RefE ergänzender Anmerkungen bedarf, wird darauf gesondert eingegangen (s.u. III.). Dass der RefE "PKH" zugleich auch der Umsetzung von Teilen der Kinder-RiLi (s.u.) dienen soll (BMJV Vorblatt S. 2; RefE S. 1), stiftet insoweit allerdings eher Verwirrung (s. dazu auch III.1.), ebenso eine im RefE "JGG" vorgesehene Änderung der StPO (dazu aaO S. 72 f., 79).
1. Beide Entwürfe dienen der Umsetzung entsprechender Richtlinien der EU,Dies verdient auch deshalb Beachtung, weil jene Richtlinien mit den vorliegenden RefE nur unzureichend erfasst bzw. umgesetzt werden (sollen). Die schwierige und langwierige Entscheidungsfindung auf EU-Ebene, die letztlich – unter erheblicher Beteiligung gerade auch Deutschlands – zu Kompromissen geführt hat, die sich im Hinblick auf die ursprünglich verfolgten Ziele tendenziell als Verwässerung erweisen, droht im Rahmen der nationalen Umsetzung zu weiteren Abstrichen zu führen, und sei es ‚nur‘, dass bestehende Gestaltungsspielräume nicht ausgeschöpft werden.

Zwar hat der Gesetzgeber noch Zeit bis zum 25.05. bzw. 11.06.2019 zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht, es sind aber auch schon wieder mehr als zwei Jahre vergangen seit deren Verabschiedung, und es liegen erst Entwürfe vor: Eile ist insofern zwar geboten (auch wenn die Frage spannend ist, was gilt, wenn die genannten Fristen ablaufen), da es sich aber sowohl in puncto "Verteidigung" als auch im "Jugendstrafverfahren" um Reformen mit weitreichenden und absehbar nachhaltigen Konsequenzen handeln wird, sind sorgfältige Beratungen ebenso angezeigt! Diese Beratungen sollten nicht überfrachtet werden, gleichwohl ist – gerade auch zum Jugendstrafrecht (s.u. III. vor 1.) – zu bedenken, was noch auf der Reformagenda steht.

2. Ausgangspunkt des RefE "PKH" ist das "Recht auf Prozesskostenhilfe" zur Gewährleistung der Effektivität des Rechts auf "Zugang zum Rechtsbeistand", das mit dem überkommenen deutschen System der "notwendigen" Verteidigung zumindest nicht auf Anhieb in Einklang zu bringen, aber schon gar nicht deckungsgleich ist. Die prozessrechtliche Beweislast ist ein andere: Das von der EU proklamierte "Recht auf Prozesskostenhilfe" (eigentlich auf "legal aid", vgl. auch die UN-Resolution 67/187 v. 20.12.2012; um "Prozesskosten" geht es nur mittelbar) geht im Interesse der verdächtigten und beschuldigten Personen davon aus, dass sie grundsätzlich einer Verteidigung bedürfen, die nicht an fehlenden Ressourcen scheitern soll, und gestattet nur unter engen Voraussetzungen Ausnahmen (s. auch u. II.5.); das deutsche Recht der "notwendigen" Verteidigung geht im Interesse der Strafrechtspflege davon aus, dass es einer "Prozesskostenhilfe" (die bezeichnenderweise auch gar nicht erst so genannt wird) nur bedarf, wenn dies gesetzlich ausnahmsweise vorgesehen ist (derzeit insb. gem. § 140 StPO). Es gilt, diese Binnenlogik des bisherigen deutschen StPO-Modells aufzubrechen: Dass verdächtigte, beschuldigte bzw. angeklagte Personen in strafjustiziellen Verfahren eine professionelle Verteidigung an ihrer Seite haben, muss die Regel sein, das Gegenteil muss (endlich) zur Ausnahme werden und darf jedenfalls nicht an Mittellosigkeit scheitern! Die Annahme des RefE, das deutsche Recht entspreche den Vorgaben der PKH-RiLi "noch nicht in vollem Umfang" (BMJV S. 2), ist insoweit Schönfärberei; die Annahme, es handele sich um ein "bewährtes System" (aaO), referiert eher die justizielle Sicht der Dinge. Den nötigen "Perspektivenwechsel" sieht der RefE leider nur – wenn auch immerhin – in puncto Zeitpunkt der Beiordnung (aaO), es bedürfte aber insg. eines solchen Wechsels.

Dies gilt nicht nur, aber vor allem, wenn "Kinder" (i.S.d. UN-KRK) mit strafjustiziellen Verfahren konfrontiert werden (s.u. III.1.): Wer ‚A‘ sagt und daran festhält, "Kinder" mit Straf-Verfahren zu überziehen, muss im Rahmen der gerade auch dort geltenden fair trial- und Schutzprinzipien auch ‚B‘ sagen und in jedem Fall eine Verteidigung garantieren (grundlegend dazu Albrecht aaO S. 287 ff.). Die in den seit Jahren auf EU-Ebene und in Fachkreisen anhaltenden Diskussionen bisweilen geäußerte Befürchtung (eher: Unterstellung), Rechtsanwält*innen würden ein solches Modell dazu missbrauchen, Gebühren zu ‚schinden‘ und damit weder ihren jugendlichen Mandant*innen noch dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafverfahrens dienen, ist scharf zurückzuweisen: Verheerender wirkt die implizite Botschaft, die Verteidigung würde das vermeintlich wohlwollende Jugendstrafverfahren ‚stören‘ und/oder Sparzwängen zuwiderlaufen.

Hinzu kommt, dass das (deutsche) Modell der "notwendigen Verteidigung" durch die PKH-RiLi keineswegs vorgezeichnet ist: Die Mitgliedstaaten "können" eine Bedürftigkeitsprüfung, eine Prüfung der materiellen Kriterien "oder" beides vornehmen (Art. 4 Abs. 2), haben m.a.W. explizit das Recht, es bei einer Bedürftigkeitsprüfung zu belassen (vgl. auch Art. 4 Abs.: "Wenn der Mitgliedstaat eine Prüfung der materiellen Kriterien vornimmt …"). Die vorliegenden RefE lassen eine eingehendere Begründung dazu weitgehend vermissen, warum diese Option nicht gewählt werden soll; der bloße Hinweis darauf, man sei zu einer "reinen PKH-Lösung" nicht verpflichtet (RefE "PKH" S. 2), ersetzt kein Argument. Ein "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" trägt die Verfehlung des mit der PKH-RiLi verfolgten Zwecks vielmehr bereits im Titel: Wenn es heißt, die beabsichtigte Reform im "bewährten System" diene "dem Schutz des Beschuldigten und der besseren Funktionsfähigkeit der Rechtspflege" (aaO), so tritt jener Schutz beschuldigter Personen letztlich doch wieder hinter den Schutz der (Funktionsfähigkeit der) Rechtspflege zurück!

Ein Grundanliegen des RefE "PKH", bei Gelegenheit der Umsetzung der PKH-RiLi bisheriges "Richterrecht" im Gesetz zu verankern, um "mehr Rechtsklarheit und -sicherheit" sowie eine umfassende und systematisch klarer strukturierte Normierung zu schaffen, um die Verständlichkeit und Handhabbarkeit zu verbessern (BMJV S. 2; RefE S. 1), ist zwar im Ansatz zu begrüßen, droht aber zu kurz zu springen: Weder ist es mit dem bisherigen Richterrecht in puncto Pflichtverteidigung getan, noch sind wesentliche Fragen des neuen PKH-Rechts im Strafverfahren (insb. in puncto Auswahl, s.u. II.6.) überhaupt den Gerichten zu überlassen.

Die von der PKH-RiLi geforderten Änderungen im Auslieferungsrecht hinsichtlich der Vollstreckung von EU-Haftbefehlen sind (ebenfalls) überfällig, wenn auch in puncto IRG-Reformbedarf nur ein – zweifellos wichtiges – Detail. Die zunächst nur innerhalb der EU vorgeschriebene Verpflichtung, dem oder der Betroffenen einen Rechtbeistand zu garantieren, auf den Auslieferungsverkehr mit Drittstaaten auszudehnen (RefE "PKH" Art. 4 Nr. 5, 6, 8), ist zu begrüßen, allerdings wäre auch eine bisher nach h.M. von § 40 IRG nicht vorgesehene (vgl. jüngst OLG Bremen, Beschl. v. 05.09.2018 – 1 Ausl. A 13/18) Beiordnung der im ersuchenden Staat zur Vertretung der Interessen Verfolgter tätigen Verteidigung für das vor einem deutschen Gericht geführte Auslieferungsverfahren wünschenswert.

3. Die Ausweitung der (generell notwendigen, s.o.) Verteidigung zur "Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren" ist zu Recht ein zentrales Anliegen des RefE "JGG". Die Kinder-RiLi verlangt jedoch mehr, und das ebenfalls zu Recht: Wegen ihrer geringeren Beschwerdemacht und konfrontiert mit einem Erziehungsstrafrecht(ssystem), das sie tendenziell zu Objekten ganzheitlicher Präventions- und Interventionsansätze macht, müssten die Rechte von "Kindern" (i.S.d. UN-KRK, s.o.; für Heranwachsende gilt aber letztlich dasselbe) im Strafverfahren deutlich besser ausgestaltet sein, als im allgemeinen Strafverfahren – das Gegenteil ist jedoch der Fall! Eine Reform ist angezeigt und der RefE "JGG" insoweit ein großer Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte müssen aber folgen (s.u. III.).
II. RefE "PKH"

In Anknüpfung an die Vorbemerkungen (s.o. I.2.) und in Kenntnis der bereits vorliegenden Stellungnahmen (insb. von Seiten der Strafverteidigervereinigungen und des DAV) sollen hier in der gebotenen Kürze nur einige zentrale Punkte angesprochen werden:

1. Notwendige Verteidigung bei Strafbefehlen

Aus Sicht des RAV (ebenso "Neuordnung der Pflichtverteidigerbestellung", policy paper der Strafverteidigervereinigungen, Mai 2018 S. 11 ff.) ist jedes Strafbefehlsverfahren immer ein Fall notwendiger Verteidigung. Beschuldigten fällt es unserer Erfahrung nach schwer, zu verstehen, was genau ein Strafbefehl bedeutet. Hinzu kommt, dass für einen Strafbefehl, der genau wie ein Urteil in Rechtskraft erwachsen kann, ein hinreichender Tatverdacht genügt und der kontradiktorische Rahmen der Hauptverhandlung entfällt. Schließlich zeigt die Erfahrung, dass nicht wenige Strafbefehle, die zunächst ‚nur‘ eine Geldstrafe vorsahen, später in der Ersatzfreiheitsstrafe enden.

2. Notwendige Verteidigung bei nicht der deutschen Sprache Mächtigen und Menschen mit Behinderungen

Das Ermittlungsverfahren ist im deutschen Strafprozessrecht als schriftliches Verfahren ausgestaltet. Dies bedeutet, dass für eine adäquate Verteidigung i.S.d. Art. 6 EMRK Akteneinsicht unabdingbar ist. Entsprechend hatte der Gesetzgeber bereits in § 147 Abs. 7 StPO (inzwischen Abs. 4) ein Recht auf Auskunft für unverteidigte Beschuldigte eingeführt. Dieses Recht kann aber nur wahrgenommen werden, wenn jene Beschuldigten in deutscher Sprache lesen können. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn sie entweder nicht der deutschen Sprache mächtig sind und/oder nicht lesen können (Analphabet*innen). In diesen Fällen muss daher immer ein Fall notwendiger Verteidigung angenommen werden.

Soweit § 140 Abs. 1 Nr. 11 StPO-E (anstelle des bisherigen § 140 Abs. 2 S. 2 StPO) den Beiordnungsantrag bestimmter Menschen mit Behinderungen erfasst, ist einerseits zu begrüßen, dass Sehbehinderungen in die bisherige Regelung einbezogen werden sollen. Darüber hinaus gibt es aber auch andere (z.B. intellektuelle, psychische) Behinderungen, die – auf Antrag – einen solchen Beiordnungsanspruch begründen sollten; die Ungleichbehandlung (wenn letztere weiterhin nur durch § 140 Abs. 2 StPO erfasst würden) wäre auch im Lichte der UN-BRK nicht zu legitimieren (vgl. auch Pollähne in: Aichele/DIMR [Hg.] Das Menschenrecht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht. Art. 12 UN-BRK, 2013 S. 166 ff.).
3. Notwendige Verteidigung bei einer Straferwartung ab sechs Monaten

Der RAV schließt sich zunächst ausdrücklich der Einführung zum RefE "PKH" an, in der es unter "B. Lösung" (S. 2) heißt: "Drittens soll, um den Vorgaben der PKH-Richtlinie zur Berücksichtigung der Schwere der zu erwartenden Strafe auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR gerecht zu werden, ein Fall notwendiger Verteidigung allgemein ab einer Straferwartung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe gegeben sein."

Dies ist angemessen und wurde mutmaßlich (bzw. hoffentlich) nur aufgrund eines redaktionellen Versehens in der geplanten Neufassung des § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO-E noch nicht normiert, was nachzuholen ist. Darüber hinaus sollte – auch im Lichte des § 47 StGB (vgl. auch die UN-Resolution 67/187 v. 20.12.2012) – prinzipiell eine Verteidigung als notwendig anerkannt werden, wenn überhaupt Freiheitsentzug droht.
4. Notwendige Verteidigung bei nicht erledigter Bewährungsstrafe

Bereits jetzt ist es gängige richterliche (und staatsanwaltschaftliche) Praxis, in Fällen, in denen eine beschuldigte Person noch eine offene Bewährungsstrafe hat und nunmehr ein neuer Vorwurf gegen sie erhoben wird, einen Fall der notwendigen Verteidigung zu sehen. Dies sollte aus Klarstellungsgründen auch entsprechend gesetzlich normiert werden.

Auch wenn die PKH-RiLi (vgl. dazu auch Sommerfeld ZJJ 2017 S. 167) und der RefE „PKH“ das Vollstreckungsrecht (nicht recht nachvollziehbar) insg. ausblendet, ist zumindest an dieser Stelle zu fordern, dass auch im Widerrufsverfahren (§§ 56f, 57 Abs. 5 StGB) eine Verteidigung notwendig ist.
5. Notwendige Verteidigung bei Bedürftigen

Die PKH-RiLi sieht vor (Art. 4 Abs. 1), dass Verdächtige und beschuldigte Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist (s.o. I.2.). Zwar mag es Auslegungssache sein, wann ein Rechtsbeistand "im Interesse der Rechtspflege erforderlich" ist. Aus Sicht des RAV bezweckt die Richtlinie aber, dass keine Person deswegen ohne Rechtsbeistand vor einem Strafgericht erscheinen muss, weil sie die Kosten nicht zu tragen imstande ist. Dies ergibt sich etwa schon aus dem in Art. 2 Abs. 4 PKH-RiLi dargestellten Anwendungsbereich.

Hier sollte ein Auffangtatbestand analog zu § 397a Abs. 2 StPO eingeführt werden. Der bedürftigen angeklagten Person ist, auch wenn ein Fall notwendiger Verteidigung nicht vorliegt, jedenfalls nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Beiordnung einer Verteidigung zu bewilligen, wenn sie dies beantragt und die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt (mit Ausnahme der hinreichenden Erfolgsaussicht der "Rechtsverteidigung" gem. § 114 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO).
6. Auswahl des Verteidigers

Zunächst ist es zu begrüßen, dass die Auswahlfreiheit der beschuldigten Person erhalten bleibt und erstmals auch die Auswechslung der Pflichtverteidigung normiert wird. Warum dies allerdings nur innerhalb von zwei Wochen nach der Bestellung eines oder einer Verteidiger*in möglich werden soll, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Vielmehr können Differenzen über Verteidigungsstrategien, Vertrauensverluste und andere Gründe auch danach noch auftreten (etwa nach erfolgter Akteneinsicht); der Wechsel des oder der Verteidiger*in sollte daher nach unserer Auffassung bis zur Hauptverhandlung möglich sein. Um andererseits dem Beschleunigungsgebot hinreichend Rechnung zu tragen, kann die (zu) späte Auswechslung des oder der Pflichtverteidiger*in dann kein Aussetzungsgrund sein, sodass sich Beschuldigte – von Extremfällen abgesehen – frühzeitig um eine*n neue*n Verteidiger*in bemühen werden.

Begrüßenswerterweise sieht der RefE ebenfalls den Bedarf für eine Regelung, welche*r Rechtsanwält*in als Pflichtverteidiger*in bestellt werden darf, wenn die beschuldigte Person nicht selbst eine*n Verteidiger*in benennt, will die Auswahl dann aber immer noch dem zuständigen Gericht überlassen (§ 142 Abs. 4 StPO-E), das sich an den im Gesamtverzeichnis der BRAK (§ 31 BRAO) eingetragenen Rechtsanwa?lt*innen zu orientieren hätte.

Dies reicht nicht aus, um den Verdacht zu zerstreuen, es würden von den Gerichten immer wieder bestimmte Kolleg*innen bestellt, von denen eine konsensuale Verfahrenserledigung erwartet werden kann oder die aus anderen Erwägungen als der der bestmöglichen Verteidigung für die beschuldigte Person (etwa weil man sich kennt) ausgewählt werden. Um dem vorzubeugen, muss die Entscheidung über die beizuordnende Verteidigung aus den Händen des Gerichts in die Hände der Anwaltschaft gelegt werden. Der RAV teilt die Auffassung des DAV und der Strafverteidigervereinigungen, dass jedenfalls die Auswahl durch die Anwaltschaft erfolgen solle. Es wäre in EDV-Zeiten ein leichtes, hier einen automatisierten Prozess zu installieren, in dem sämtliche Kolleg*innen von den Rechtsanwaltskammern nach einem bestimmten Modus in eine Liste aufgenommen und dann automatisiert abgerufen werden, sodass hier auch keine ‚menschliche‘ Auswahl – die immer Anlass zu jenem Verdacht geben kann – mehr stattfinden müsste. Dem Gegenargument, dass in bestimmen Fällen eine bestimmte fachliche Expertise von Nutzen ist, kann entgegengehalten werden, dass die beschuldigte Person (etwa bei Zweifeln an der Kompetenz) jederzeit den oder die Pflichtverteidiger*in auswechseln kann (s.o.).
7. Qualifikation der (beigeordneten) Verteidiger*innen

Es ist richtig, dass Referendar*innen nach dem RefE nicht mehr als Pflichtverteidiger*innen bestellt werden können. Im Übrigen ist die Auswahl, welche Kolleg*innen zu solchen bestellt werden können, eine Sache der Anwaltschaft (s.o. 6.) und von daher von den Rechtsanwaltskammern selbst zu entscheiden (wobei die Fachanwaltsbezeichnung "Strafrecht" ein wichtiges Kriterium bleiben wird). Die PKH-RiLi gibt den Mitgliedsstaaten ferner vor, auch finanziell sicherzustellen, dass die Qualität der Dienstleistung angemessen ist. Dies bedeutet, dass Fortbildungen, wie sie etwa vom DAV, den Strafverteidigervereinigungen, dem RAV und vielen anderen Anbietern bereits angeboten werden, staatlich gefördert werden müssen, damit dieser jenem Qualitätsanspruch gerecht werden kann. Hierfür ist ein geeigneter Modus zu entwickeln.
8. Konsequenzen bei Verstößen

Findet eine Vernehmung oder eine andere in § 141 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO-E genannte Ermittlungshandlung – außerhalb der in Abs. 3 S. 1-neu vorgesehenen Ausnahmen – ohne die vorherige Beiordnung eines oder einer Verteidiger*in statt, so dürften deren Inhalte bzw. die Aussage der Betroffenen bereits nach geltendem Recht einem Verwertungsverbot unterliegen. Hier sollte in § 136 StPO ein ausdrücklicher Verweis auf § 136a Abs. 3 S. 2 StPO eingeführt werden, um dem jeden Zweifel zu nehmen.

Nicht nachvollziehbar ist, warum die für das Jugendstrafverfahren (s.u. III.1.) vorgesehene Regelung, wonach eine Vernehmung ohne anwaltliche Anwesenheit zu unterbrechen (§ 70c Abs. 4 JGG-E) und ebenso mit einer Hauptverhandlung erneut zu beginnen ist (§ 51a JGG-E), wenn sich nachträglich herausstellt, dass (doch) ein Fall notweniger Verteidigung vorliegt, nicht in die StPO übernommen werden soll.
III. RefE "JGG"

Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass der RefE nicht der – in der Kinder-RiLi durchaus angelegten – Versuchung erlegen ist, das verfahrensrechtliche Schutzniveau unterschiedlich auszugestalten, je nachdem ob es sich um Jugendliche ("Kinder" i.S.d. RiLi) oder Heranwachsende handelt. Das ließe sich noch konsequenter umsetzen (s.u.), vor allem aber ist an die alte – aber immer aktuelle – Reformforderung zu erinnern, Heranwachsende vollständig auch in das materielle Jugendstrafrecht einzubeziehen, womit das anliegende Gesetzgebungsvorhaben aber sicher überfrachtet würde. Jedes ÄndG birgt jedoch immer die Gefahr, weiteren (z.T. notorischen) Reformbedarf auf die ‚lange Bank‘ zu schieben.

Im Rahmen der bisherigen Gesetze zur Änderung des JGG ist der vorliegende RefE zweifellos ein Gesetz zur "Reform" des Jugendstrafverfahrens(rechts), und zwar eines, das ein solch hochtrabendes Ziel positiv einzulösen geeignet ist. Eine solche Reform war allerdings auch ohne den europäischen Richtliniendruck überfällig. Die Ende 2007 zusätzlich in § 2 Abs. 1 JGG verankerte Programmatik, "unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten", um das Ziel zu erreichen, "vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden" entgegenzuwirken, führt nicht erst seitdem, sondern kontinuierlich seit den Anfängen des JGG von 1923 und nicht zuletzt seit den ‚Reformen‘ von 1943 und 1953 dazu, die Rechte Jugendlicher im Strafverfahren wegen jener Ausrichtung am "Erziehungsgedanken" einzuschränken, sie in vergleichbarer Verfahrenslage gegenüber Erwachsenen also tendenziell, vielfach aber auch explizit zu benachteiligen. In Anbetracht der besonderen Schutzbedürftigkeit von "Kindern" (das gilt aber prinzipiell auch für Heranwachsende), gerade konfrontiert mit den Institutionen und Akteuren des Strafjustizsystems (dazu Albrecht, Jugendstrafrecht, 3. Aufl. 2000 S. 285 ff. mwN), wäre jedoch das Gegenteil angezeigt! Der RefE "JGG" ist insoweit ein Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings ist sowohl für das formelle wie das materielle Jugendstrafrecht weiterer Reformbedarf anzumelden: Was Letzteres betrifft, greift der RefE "JGG" nur ein Detail auf, nämlich die Zweifelsregelung zur Altersfeststellung (s.u. 2.), zu erinnern ist aber auch an den Reformbedarf im Sanktionsrecht des JGG. An der Schnittstelle beider Rechtsgebiete liegt die erst 2017 in StGB und StPO vollzogene Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, die im Jugendstrafrecht gem. §§ 6 iVm 2 Abs. 2 JGG entspr. gelten soll, allerdings bereits zu einigen Problemen in der Praxis geführt hat, die nicht nur Differenzen in der Rechtsprechung (vgl. AG Rudolstadt ZJJ 2018, 63 einer- und LG Münster ZJJ 2018, 245 andererseits sowie AG Frankfurt ZJJ 2018, 251, vgl. auch Zieger/Nöding, Verteidigung in Jugendstrafsachen, 7. Aufl. 2018 S. 126 ff.), sondern auch rechtspolitische Forderungen nach Korrekturen zeitigten (www.dvjj.de/veroeffentlichungen/stellungnahmen/stellungnahme-der-dvjj-zur-vermoegensabschoepfung): Hier besteht inhaltlich und zeitlich drängender Klärungsbedarf, für den das mit diesem RefE "JGG" in Gang gesetzte Gesetzgebungsverfahren der richtige Ort wäre. Soweit jedoch das (neue) Einziehungsrecht im Jugendstrafverfahren Anwendung findet, wäre dies als ein (weiterer) Fall notweniger Verteidigung anzusehen.

Vor diesem Hintergrund (s. auch die Vorbemerkungen unter I.3.) zu einigen ausgewählten Fragen:
1. notwendige Verteidigung
Grundsätzlich gilt zunächst (§ 68 Nr. 1 JGG), dass Jugendlichen eine Verteidigung zu bestellen ist, wenn auch Erwachsenen eine zu bestellen wäre, womit v.a. auf § 140 StPO verwiesen wird. Daran hält der RefE "JGG" (wenn auch terminologisch überarbeitet) zu Recht fest. Damit sollen – auch das völlig zu Recht – die durch den RefE "PKH" geplanten Änderungen des § 140 StPO im Jugendstrafverfahren ebenfalls gelten, so dass insoweit auf die Stellungnahme unter II. zu verweisen ist. Während § 68 Nr. 2-4 JGG im Übrigen nur redaktionelle Änderungen erfahren soll, verdient die geplante Neufassung der Nr. 5 einige Anmerkungen:

Der bisherige § 68 Nr. 5 JGG erfasste bereits ab 1990 den später (2009) in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO eingefügten Grund zwingend notwendiger Verteidigung (Vollstreckung von U-Haft oder einstweiliger Unterbringung), wenn auch beschränkt auf Jugendliche. Durch den Verweis auf § 140 StPO in § 68 Nr. 1 JGG (s.o.) ist die Nr. 5 seit 2009 praktisch gegenstandlos, deren Streichung also konsequent; die in § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO-E geplante Erweiterung gälte dann entspr. (zur einstweiligen Unterbringung gem. § 71 Abs. 2 JGG s.u.).

Stattdessen soll nun ein zusätzlicher – und d.h. vor allem auch über § 140 StPO hinausgehender – Grund notwendiger Verteidigung im Jugendstrafverfahren eingeführt werden, und zwar, wenn "die Verhängung einer Jugendstrafe oder die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe zu erwarten ist". Das geht deutlich – insb. wegen des Verzichts auf eine Mindeststrafe – über den geplanten § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO hinaus (s.o. II.3.) und ist insoweit prinzipiell zu begrüßen, sieht man von der hier vertretenen Position ab, jugendlichen Beschuldigten in allen Fällen eine Verteidigung beizuordnen. Wichtig ist zudem die Klarstellung, dass dies auch für die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe gelten soll und den Fall der Aussetzung ihrer Verhängung.

Ausgehend von dem darin zu Recht zum Ausdruck kommenden Prinzip der Kinder-RiLi, dass eine strafjustizielle Freiheitsentziehung nicht ohne Verteidigung angeordnet werden darf, sind allerdings zwei Ergänzungen angezeigt: Erstens muss dies auch für den Arrest gelten, was nicht mit dem Argument verworfen werden kann, es handele sich nicht um eine "Strafe"; das mag – wenn überhaupt – für den Sprachgebrauch des JGG gelten (wobei es freilich gerade in puncto Sprachgebrauch überfällig wäre, den Begriff der "Zuchtmittel" endlich auch in den ‚alten' Bundesländern zu streichen), gilt aber nicht für die Kinder-RiLi und die Rechtsprechung zur EMRK. Und zweitens muss dies auch für den Widerruf der Strafaussetzung gelten (zumal die Verteidigung im Vollstreckungsrecht überhaupt notleidend, aber nicht minder notwendig ist, vgl. Pollähne/Woynar, Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug, 5 Aufl. 2014 S. 12 ff. und Zieger/Nöding aaO S. 221 f., 291 f.).

Beachtlich (auch weil ohne Parallele in der StPO, s. dazu II.8.) ist in diesem Zusammenhang § 51a JGG-E, demzufolge mit der Hauptverhandlung erneut zu beginnen ist, wenn sich erst in deren Verlauf herausstellt, dass die Verteidigung bis dahin nicht verteidigter Jugendlicher gem. § 68 Nr. 5 JGG-E (doch) notwendig ist. Dabei darf eine wichtige Folgefrage allerdings nicht offenbleiben: Hat der jugendliche Angeklagte vor der Aussetzung (und eben: ohne Verteidigung) Angaben zur Sache gemacht, dürfen diese in der neuen Verhandlung nicht ohne sein Einverständnis (dann: nach Beratung durch die Verteidigung) gegen ihn verwertet werden (vgl. auch Sommerfeld aaO S. 174). Für die Vernehmung ist eine entspr. Regelung in § 70c Abs. 4 JGG-E vorgesehen.

Eine redaktionelle Unklarheit der bisherigen Fassung des § 68 JGG würde mit der Änderung der Nr. 5 (ggf. unbeabsichtigt: RefE "JGG" S. 64 schweigt dazu) beseitigt: Hieß es bisher am Ende des § 68 JGG nach einem Semikolon, "der Verteidiger wird unverzüglich bestellt", war damit – jedenfalls dem Wortlaut nach – unklar, ob sich das auf alle Nrn. der Vorschrift bezieht oder nur auf Nr. 5 (BT-Drs. 11/5829, 28 spräche eher für letztere Auffassung, vgl. auch Eisenberg, JGG, 18. Aufl. 2016 § 68 Rn. 31b und Zieger/Nöding aaO S. 216). Mit der vorgeschlagenen Neufassung der Nr. 5 (s.o.) würde diese Klausel womöglich gelöscht. Vertritt man hingegen die Auffassung, der bisherige letzte Halbsatz 'gehöre' nicht nur zu Nr. 5, sondern zur gesamten Vorschrift, hätte sie Bestand: Das gälte es im Sinne der letztgenannten Lesart klarzustellen! Unabhängig davon würde gem. RefE "PKH" die in § 141 Abs. 1 StPO-E geplante Regelung zur "unverzüglichen" Bestellung (allerdings nur unter den dort genannten engeren Voraussetzungen) entspr. gelten (s.u.). Damit entspräche die neue Rechtslage aber jedenfalls zu § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO-E gem. § 141 Abs. 1 Nr. 2 StPO-E im Erg. weitgehend dem jetzigen § 68 Nr. 5 JGG.

Eine weitere Unstimmigkeit des bisherigen § 68 Nr. 5 JGG würde nach den bisherigen RefE nicht hinreichend geklärt: Wieso im Falle der "einstweiligen Unterbringung" nur gem. § 126a StPO nicht aber gem. § 71 Abs. 2 JGG eine Verteidigung notwendig sein soll (s. dazu auch Eisenberg aaO Rn. 31c), erschließt sich nicht. Während § 68 Nr. 5 JGG aber explizit auf § 126a StPO Bezug nimmt, spricht § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO-E nur allg. von "einstweiliger Unterbringung", könnte den Fall des § 71 Abs. 2 JGG also dem Wortlaut nach miterfassen (auch wenn die Begr. in RefE "PKH" S. 30 dies nicht erwähnt). Da § 71 Abs. 2 S. 2 JGG jedoch die "sinngemäße" Geltung des § 115a StPO vorsieht, wäre es widersinnig, zukünftig die Vorführung "zur Entscheidung über … einstweilige Unterbringung" gem. § 71 Abs. 2 JGG nicht in den Anwendungsbereich einzubeziehen – eine explizite Regelung im JGG wäre der Normenklarheit halber vorzuziehen! Ähnliches gälte für die Frage, ob § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO-E mit dem Aufenthalt in einer "Anstalt" (ohnehin ein historisch überholter Rechtsbegriff) auch den Aufenthalt in einem "geeigneten Heim der Jugendhilfe" gem. § 71 Abs. 1 S. 1 JGG erfasst: Da es sich um eine staatlich angeordnete Freiheitsentziehung handelt (auch i.S.d. Art. 5 EMRK), drängt sich diese Sichtweise auf; auch insoweit wäre aber ggf. eine Klarstellung im JGG angezeigt. Durch den Pauschalverweis des § 68 Nr. 1 JGG (insb.) auf § 140 StPO lassen sich – wie man sieht – nicht alle jugendstrafverfahrensrechtlichen Fragen klären.

Für die Bestellung der Verteidigung gelten zunächst einmal (qua § 2 Abs. 2 JGG) die §§ 141 ff. StPO und damit auch die dort geplanten Änderungen uneingeschränkt. In § 68a JGG-E würde man insoweit nur Ergänzungen vermuten, das trifft es jedoch nicht durchgehend (was bereits die Klausel in Abs. 3 erahnen lässt: "Im Übrigen bleibt § 141 StPO unberührt"): § 68a Abs. 1 JGG-E stiftet zunächst Verwirrung (auch im Abgleich mit § 141 Abs. 1 StPO-E, der auf Erforderlichkeit abstellt), regelt er doch eine Ausnahme-Konstellation – nachträgliche Haft in anderer Sache, zumal dies auch von § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO-E erfasst würde – und sieht noch dazu problematische Ausnahmen vor (eine Parallelregelung ist in der StPO nicht vorgesehen); die Regelung ist insg. abzulehnen.

Über § 141 Abs. 3 StPO-E hinausgehend sollen zudem "Vernehmungen des Beschuldigten oder Gegenüberstellungen mit dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers durchgeführt werden [dürfen], soweit dies mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar" ist, wobei allerdings weitere Voraussetzungen (kumulativ) hinzutreten müssen (§ 68a Abs. 2 JGG-E), die deutlich über § 141 Abs. 3 StPO-E hinausgehen: Der ‚feine‘ Unterschied zwischen "schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen" (RefE "JGG") und "einer gegenwärtigen Gefahr" (RefE "PKH") für "Leib oder Leben oder für die Freiheit einer Person" dürfte noch ein redaktionelles Versehen sein; der Unterschied zwischen der "erheblichen Gefährdung eines Strafverfahrens" (RefE "PKH") und der "eines sich auf eine schwere Straftat beziehenden Strafverfahrens" (RefE "JGG") ist allerdings erheblich; hinzu kommt noch das "Vorliegen außergewöhnlicher Umstände" (JGG-E, im StPO-E ohne Parallele). Kommt die in § 68a Abs. 2 JGG geplante Regelung mithin deutlich restriktiver daher, als die in § 141 Abs. 3 StPO-E, so ist gleichwohl zu kritisieren, dass das Kriterium "außergewöhnlicher Umstände" vage bleibt, was für die "schwere Straftat" ähnlich gilt, eine Kategorie, die bisher nur aus § 100a Abs. 2 StPO bekannt war (worauf der RefE "JGG" S. 66 denn auch "grundsätzlich" verweist). In Anbetracht der engen Grenzen, die einer Ausnahme von der Pflicht, eine Beschuldigtenvernehmung nicht ohne (notwendige) Verteidigung durchzuführen, damit – jedenfalls im JGG (zur StPO s.o.) – gesetzt werden sollen, sind zwei Anmerkungen angebracht:

2. Anwendungsbereich (Alterszweifel)

Die Aufnahme einer Altersregelung für den Zweifelsfall an der Grenze zur Volljährigkeit (§ 1 Abs. 3 JGG-E) ist zu begrüßen, könnte aber bedenkliche Umkehrschlüsse provozieren:

Klarstellende Ergänzungen erscheinen angebracht. Dies gilt schließlich auch für den berechtigten Hinweis (RefE "JGG" S. 51) auf §§ 81a/b StPO und die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: Was spräche dagegen, das auch dort (oder in § 43 JGG) zu verankern?
3. Jugendgerichtshilfe (JGH)

Die Arbeit der JGH auch dadurch aufzuwerten, dass ihre Rolle und Aufgaben im Gesetz deutlich mehr als bisher (in § 38 JGG) konkretisiert und terminologisch präzisiert werden, ist grundsätzlich zu begrüßen: Abs. 2-neu entspricht weitgehend Abs. 2 S. 1; die Konkretisierung des bisherigen Begriffs der "Umwelt" (zukünftig "familiärer, sozialer, wirtschaftlicher Hintergrund"), vor allem aber die Aufnahme der "besonderen Schutzbedürftigkeit" des Jugendlichen, zu der sich die JGH ggf. äußern soll, ist zu begrüßen. Dass dies selbstverständlich zu beinhalten hat, auf die möglichen negativen Folgen von Kriminalisierung und Sanktionierung aufmerksam zu machen (vgl. auch § 46 Abs. 1 S. 2 StGB), sollte ebenfalls im Gesetz verankert werden. Und in puncto Sprachgebrauch sollte bei der Gelegenheit auch der ‚aus der Zeit gefallene‘ Begriff "fürsorgerisch" ersetzt oder gestrichen werden; der Verweis auf § 1 Abs. 1 und 3 SGB-VIII wäre sachgerechter. Ob anstelle des fragwürdigen Begriffs der '"Erforschung" (der immer auch nach Ausforschung klingt und damit das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf den Plan ruft) der der "individuellen Begutachtung" in Anlehnung an die Kinder-RiLi (Art. 7) angemessener wäre, erscheint in Anbetracht der Sonderregelungen der StPO (§§ 72 ff.) zum Sachverständigen-Beweis fraglich (das SGB-VIII kennt beide Begriffe nicht); denkbar wäre die Anlehnung an den in § 463 Abs. 4 S. 1 StPO eingeführten Begriff der "gutachterlichen Stellungnahme". Schließlich erscheint auch die Rede vom "Wohl des Kindes" im JGG deplatziert: Es geht um schutzwürdige Interessen.

Ebenfalls zu begrüßen ist, dass eine zügige Bearbeitung (nach früher Information, s.u. gem. § 70 Abs. 2 S. 1 JGG-E) durch die JGH und eine zeitnahe Vorlage ihres Berichts normiert werden soll (Abs. 3-neu); der besondere Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen galt auch bisher schon (§ 38 Abs. 2 S. 3 JGG). Unklar bleibt allerdings, was – zumal im Lichte des neuen Abs. 7 (s.u.) – mit der einleitenden Einschränkung, "sobald es im Verfahren von Bedeutung ist", bezweckt wird, zumal die JGH sich schwer tun wird, Bedeutung und Zeitpunkt zu beurteilen. Dass wesentliche Änderungen zu ergänzenden Nachforschungen und entspr. Nachberichterstattung führen müssen, sollte selbstverständlich sein (§ 38 Abs. 3 S. 3 JGG-E). Insg. verdienen schließlich Dokumentationspflichten stärker Beachtung.

§ 38 Abs. 4 JGG-E greift den bisherigen § 38 Abs. 2 S. 4 JGG auf, bestärkt aber – sachgerecht – die Anwesenheitspflicht der JGH, genauer: der "Person, die die Nachforschungen angestellt hat" (wenn auch nur als Soll-Vorschrift), was korrespondiert mit einer entsprechenden Ladungspflicht (s.u. zu § 50 Abs. 3 JGG-E). Unklar ist allerdings oder doch zumindest in sich unschlüssig, warum durch die Abwesenheit ggf. Kosten entstehen sollen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu tragen hat (§ 38 Abs. 4 S. 3 JGG-E), wenn gem. § 50 Abs. 3 S. 3 JGG-E bei Abwesenheit der schriftliche Bericht verlesen werden kann (s.u.). Unabhängig davon ist eine solche 'Kostendrohung' prinzipiell abzulehnen.

Dass auf die Erfüllung der Anforderungen der Abs. 3, 4 S. 1 (s.o.) verzichtet werden kann, wenn dies "auf Grund der Umstände des Falles gerechtfertigt und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist", erscheint prinzipiell sachgerecht (Abs. 7-neu). Es sollte aber selbstverständlich sein, auch den Jugendlichen, seine Verteidigung und Erziehungsberechtigten/gesetzliche Vertretung mindestens dazu zu hören, was deshalb ebenfalls verankert werden sollte. Dass es auch Fälle gibt, in denen überhaupt eine Beteiligung der JGH gem. Abs. 2 – auch in puncto Verhältnismäßigkeit – verzichtbar ist, was die umfangreichen "Nachforschungen" betrifft, wird aber zu Unrecht ausgeklammert. Die Frage der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung bleibt insg. – zumal im Lichte der Verzichtsmöglichkeit gem. Abs. 7 S. 1, 3 und der Verlesungsregelung (§ 50 Abs. 3 S. 3 JGG-E, s.u.) – unklar: Der gerade auch mit der Kinder-RiLi (und entspr. dem RefE "JGG") steigenden Bedeutung der JGH würde es gerecht, die gesetzeswidrige Nichtanwesenheit als absoluten Revisionsgrund gem. § 338 StPO zu begreifen (in RefE "JGG" S. 52 f. nicht thematisiert), zumal im Übrigen Auseinandersetzungen darüber, ob das Urteil auf der Nichtanwesenheit beruht (§ 337 StPO), mühsam werden. Dass noch während laufender Hauptverhandlung auf die Anwesenheit für "Teile" davon verzichtet werden kann (Abs. 7 S. 4), könnte dazu verleiten, hiervon insb. dann Gebrauch zu machen, wenn die JGH wider Erwarten nicht erschienen ist, was nicht Sinn der Sache wäre und zum Missbrauch einlädt; auch insoweit wäre das Mindeste, dass der verteidigte Angeklagte ebenfalls verzichtet.

Dass eine Anklage im Regelfall (zu § 38 Abs. 7 s.o.) erst – wenn überhaupt – nach Vorlage des JGH-Berichts zu erheben ist (§ 46a S. 1 JGG-E), wird der Bedeutung der JGH und ihrer Berichte gerecht. Die Ausnahme (S. 2), "wenn dies dem Wohl des Jugendlichen dient und zu erwarten ist, dass das Ergebnis der Nachforschungen spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung vorliegen wird", leuchtet nicht ein, genauer gesagt: Es ist kaum vorstellbar, dass es – zumal nach (wenn auch jugend-)staatsanwaltlicher Einschätzung – dem "Wohl des Jugendlichen" dienen soll, die Anklage vorab zu erheben (in U-Haft-Fällen gilt auch für die JGH besondere Beschleunigung, s.o.).

Die Konkretisierungen in § 50 Abs. 3 JGG sind zu begrüßen, bilden aber im Wesentlichen die gängige Praxis ab. Vor dem Hintergrund der Neuregelungen (s.o.) ist die Regelung zur Verlesung des JGH-Berichts in S. 3 allerdings – gerade auch im Zusammenspiel mit der Verzichtsregelung des § 38 Abs. 7 JGG-E, s.o.; vgl. RefE "JGG" S. 56) – mindestens missverständlich, vor allem aber der StPO fremd (ein Fall des § 256 StPO liegt nicht vor, denn einerseits handelt es sich um sog. "Leumundszeugnisse", andererseits werden sie nicht für die JGH als Behörde abgegeben). Auch insoweit wäre – von den Erfordernissen der Amtsaufklärungspflicht abgesehen – das Mindeste, dass alle Beteiligten (die JGH incl.) mit der Verlesung einverstanden sind (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO, auf den ggf. in § 50 JGG Bezug genommen werden könnte).

Dass die JGH (zumal im Lichte der Neuregelungen) so früh wie möglich – „spätestens zum Zeitpunkt der Ladung des Jugendlichen zu seiner ersten Vernehmung“ – von der Einleitung eines Verfahrens zu unterrichten ist (§ 70 Abs. 2 S. 1 JGG-E), versteht sich von selbst; die Einschränkung in S. 2 auf Fälle einer solchen Vernehmung ohne Ladung erscheint daher bedenklich.

Was nach wie vor fehlt im JGG ist eine Regelung zum rechtlichen Verhältnis der JGH zum Jugendlichen und seinem Umfeld: Fragen etwa zu Auskunftspflichten resp. Schweigerechten und zu Belehrungen werden auch vom SGB-VIII (dort insb. §§ 8, 52) allenfalls unzureichend beantwortet; die Anwendbarkeit des SGB-X im Jugendstrafverfahren erscheint fraglich. Das Freiwilligkeitsprinzip muss aber gewahrt bleiben.
4. JGG-Rechtsmittelrecht

Die geplante Änderung des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG, womit die rigiden Beschränkungen des jugendstrafverfahrensrechtlichen Rechtsmittelrechts ansatzweise gelockert werden sollen, geht einen – allerdings zu zaghaften (s.u.) – Schritt in die richtige Richtung. Dass die bisherige Regelung "in erzieherischer Hinsicht fragwürdig und im Hinblick auf Gewährleistungen der VN-Kinderrechtskonvention angreifbar" erscheint (RefE S. 58), gilt nicht erst seit Inkrafttreten der Kinder-RiLi. Hierfür das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzuführen, ist zwar dem JGG nicht ganz fremd (s.u.), aber doch ein Systembruch im regulären Rechtsmittelrecht bzgl. erstinstanzlicher Urteile. Gerade im Jugendstrafverfahren erscheint es bedenklich, solche Entscheidungen im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Anhörung der Betroffenen (§ 309 StPO) zu treffen; das Berufungsverfahren ist deshalb vorzugswürdig. Für die vorgesehenen Änderungen in § 59 Abs. 1 S. 2 und § 63 Abs. 2 JGG gilt Entsprechendes. Dass diese Erweiterung der Rechtsmittelbefugnis dem RefE zufolge auch der StA zustehen soll, überzeugt allerdings nicht.

Gravierender ist, dass der mindestens so bedenkliche § 55 Abs. 2 JGG nicht angetastet werden soll: Die hierin liegende Benachteiligung gegenüber Erwachsenen (vgl. §§ 312, 335 StPO) ist ebenfalls "in erzieherischer Hinsicht fragwürdig und im Hinblick auf Gewährleistungen der VN-Kinderrechtskonvention angreifbar". Der Zwang, wählen zu müssen zwischen Sprungrevision und Revisionsverzicht, ist in Anbetracht rechtlich angreifbarer Berufungsurteile nicht akzeptabel – oder doch jedenfalls nicht, solange dieses Recht Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage selbstverständlich zusteht. Es wird vielmehr in Kauf genommen, dass Berufungsurteile rechtskräftig werden, die entweder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und/oder materiellrechtlich nicht haltbar sind. Wie das mit den Besonderheiten des Jugendstrafrechts legitimiert werden soll, bleibt unerfindlich.
5. Rechte von Erziehungsberechtigten

Die Mitwirkung Erziehungsberechtigter und/oder gesetzlicher Vertreter im Jugendstrafverfahren ist nicht frei vom Zwiespalt: Das geltende JGG (§§ 51 Abs. 2, 67 Abs. 4 JGG) sieht einen solchen bisher vor allem dort, wo der Verdacht der strafbaren Beteiligung besteht, bei drohenden Beeinträchtigungen der Wahrheitsfindung oder sonstigen Gefahrenlagen (§ 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3-5 JGG). Es gibt aber durchaus Konstellationen, in denen Jugendliche – denen im Hinblick auf jene Mitwirkung bisher keinerlei Mitsprache zusteht (vgl. aber auch § 1626 Abs. 2 BGB) – gerne auf die Anwesenheit von Eltern(teilen) und/oder gesetzlichen Vertretern verzichten würden, die auch noch in das 'hohe Lied' des Erziehungsstrafrechts einstimmen, oder weil es ihnen schlicht 'unangenehm' ist.

Die vorgesehene Neuregelung in § 51 Abs. 6, 7 JGG knüpft aber weiterhin lediglich an den Ausschluss gem. Abs. 2 an. Immerhin wird Jugendlichen das Recht eingeräumt, in jenen Fällen eine "andere für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeignete volljährige Person" zu benennen. Kommt es dazu nicht (s.u.), "muss ein für die Betreuung des Jugendlichen in dem Jugendstrafverfahren zuständiger Vertreter der Jugendhilfe anwesend sein", wobei sich die Frage aufdrängt, ob das der/die ohnehin anwesende JGH-Vertreter*in sein soll/darf (s.o. zu § 38 Abs. 4 JGG-E); ein weiterer Rollenkonflikt wäre ggf. vorprogrammiert.

Gem. § 67 Abs. 3 S. 3 JGG-E soll dies für den Ausschluss gem. S. 1 entsprechend gelten, nicht hingegen für den Fall der Entziehung der Rechte gem. Abs. 4, was nicht einleuchtet; so oder so stellt sich bei § 67 Abs. 4 JGG allerdings die Frage, warum es neben den o.g. Personen noch der Bestellung eines Pflegers (§ 67 Abs. 4 S. 3 JGG) bedarf. Ungeachtet dessen erscheint die in § 67 Abs. 3 JGG-E vorgesehene Regelung bedenklich, zumal im Regelfall der polizeilichen Vernehmung Polizeibeamte darüber zu entscheiden hätten, ob die Anwesenheit Erziehungsberechtigter "dem Wohl des Jugendlichen dient und ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt"; die Klausel ist ohnehin zu vage, und selbst die Regelvermutung des § 67 Abs. 3 S. 2 JGG-E ließe noch Ausnahmen zu. Für den (ggf. sogar dauerhaften) Ausschluss von Mitteilungen gem. § 67a Abs. 3 und 6 iVm Abs. 1, 2 JGG-E gälte Entsprechendes.
6. Unterrichtung des Jugendlichen

In Anbetracht der tendenziellen Geringschätzung der Rechte Jugendlicher in nach ihnen benannten Jugend-Strafverfahren ist § 70a JGG-E zunächst einmal durchweg zu begrüßen, nicht weil er weitergehende Rechte gewährt, aber weil er immerhin – über allgemeine Informationen über das Verfahren und ggf. die Vollstreckung hinaus – die bestehenden Rechte zusammenfasst und den von jenen Verfahren Betroffenen einen Unterrichtungsanspruch eröffnet. Solche Unterrichtungspflichten bleiben aber letztlich wirkungslos, wenn deren Verletzung (auch in puncto Zeitpunkt und Verständlichkeit, s. zu letzterem § 70b Abs. 1 JGG-E) folgenlos bleibt. Zudem sollte aufgenommen werden, dass die Unterrichtung in einer für die Jugendlichen verständlichen (und d.h. ggf. einfachen) Sprache zu erfolgen hat.
7. U-Haft

Schon § 114e StPO ist in Hinblick auf die Übermittlungspflicht von Erkenntnissen aus der U-Haft nicht frei von Bedenken (vgl. Schlothauer/Weider/Nobis, Untersuchungshaft, 5. Aufl. 2016 S. 552 f.). Dass das JGG in § 70 Abs. 3 JGG-E noch einen Schritt weitergehen soll, ist abzulehnen: Erkenntnisse, die die "den Freiheitsentzug durchführenden Stellen … auf Grund einer medizinischen Untersuchung erlangt haben, insbesondere solche über die geistige und körperliche Verfassung des Jugendlichen", haben der Schweigepflicht zu unterliegen. Dass jugendliche Gefangene beim Gang zum Anstaltsarzt bedenken müssen, was sie dort preisgeben bzw. welche Konsequenzen dies für ein anhängiges Verfahren haben könnte, ist inakzeptabel, zumal es sie dazu verleiten könnte, lieber gar nicht zum Arzt zu gehen. Im Übrigen müssten jugendliche U-Gefangene aber selbstverständlich nicht nur darüber unterrichtet werden, dass sie einen Anspruch auf medizinische Untersuchung und Unterstützung haben (§ 70a Abs. 2 Nr. 2 JGG-E), sondern auch darüber, dass dabei gewonnene Erkenntnisse ggf. übermittelt werden – andernfalls müsste eine Verwertung zu ihren Lasten ausgeschlossen sein.

In § 89c Abs. 2 JGG-E soll der altersbezogene Trennungsgrundsatz für die U-Haft verankert werden, dass also Jugendliche ("Kinder") "mit jungen Gefangenen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur untergebracht werden [dürfen], wenn eine gemeinsame Unterbringung ihrem Wohl nicht widerspricht“, und mit Gefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben, nur „wenn dies seinem Wohl dient". In Anbetracht der allg. Föderalisierung des Vollzugsrecht überrascht diese Detailregelung (zumal sie zugleich den Trennungsgrundsatz zwischen männlichen und weiblichen jungen U-Gefangenen vermissen lässt, was einen bedenklichen Umkehrschluss provoziert; s. Ostendorf [Hg.] Untersuchungshaft und Abschiebungshaft, 2012 S. 101, Harrendorf in: König [Hg.] Untersuchungshaft, 2011 S. 43 ff., vgl. auch Schlothauer/Weider/Nobis aaO S. 520 ff.), ist aber selbstverständlich zu begrüßen. Darüber hinaus ist zu erwägen, dass es auch Heranwachsende gibt (vgl. § 105 Abs. 1 JGG), die von über 24-Jährigen getrennt werden sollten.

Bremen/Berlin, 30.11.2018 Stellungnahme als PDF]]>
news-594 Fri, 04 Jan 2019 16:59:51 +0100 StN des RAV zum Referentenentwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FKEG) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-referentenentwurf-fuer-ein-fachkraefteeinwanderungsgesetz-fkeg-594 Stellungnahme vom 6.12.2018 Verfasser: Dr. Frederik v. Harbou, Rechtsanwalt Vorbemerkung

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) begrüßt grundsätzlich die Reform des Aufenthaltsrechts durch Ausarbeitung eines Einwanderungsgesetzes. Dieses sollte jedoch nicht auf Fachkräfte beschränkt sein, sondern eine Öffnung und Liberalisierung auch für nicht formal qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für Personen, die zu anderen Aufenthaltszwecken als der Arbeits- und Ausbildungsmigration in das Bundesgebiet einzureisen beabsichtigen, vorsehen. Folglich sollte nach Ansicht des RAV auch das bisherige Aufenthaltsgesetz insgesamt in „Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetz“ umbenannt werden. Nur durch einen solchen Schritt würde tatsächlich ein Signal im Sinne eines Anerkennens des Wandels der deutschen Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft sowie eines Bekenntnisses für eine weltoffene und chancengerechte deutsche Migrationspolitik gesetzt.
Dem müsste allerdings auch im Gesetzestext selbst durch die Berücksichtigung der Grund- und Menschenrechte sowie der Interessen Migrationswilliger  – gegenüber der einseitigen Benennung volkswirtschaftlich-utilitaristischer Ziele aus einer rein nationalstaatlichen Perspektive – entsprochen werden. Zudem wird mit der Reform nach gegenwärtigem Entwurfsstand die Chance verpasst, die im geltenden Migrationsrecht ausgeuferten Ermessenstatbestände einzuhegen. Sowohl MigrantInnen als auch z.B. ArbeitgeberInnen bleiben damit trotz Erfüllung sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel den häufig unvorhersehbaren und nicht selten von sachwidrigen Erwägungen geleiteten Einzelfallentscheidungen der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden ausgesetzt, was verfassungsrechtliche Bedenken begründet und auch zweckwidrig erscheint insofern dies die Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte nicht erhöhen dürfte.

Programmsätze der Grundnormen für Ausbildungs- und Arbeitsmigration (Art. 1 Nr. 10, Nr. 19 FKEG)

Die beiden Programmsätze in den Entwurfsfassungen der §§ 16 Abs. 1 und 18 Abs. 1 AufenthG (E) benennen zahlreiche öffentliche Interessen, die insbesondere im Rahmen der Ermessensausübung durch die beteiligten Behörden berücksichtigt werden sollen:
Vollständig unberücksichtigt bleiben nach dem Entwurf hingegen die Individualinteressen von MigrantInnen. Zwar ist im Bereich der Ausbildungs- und Erwerbsmigration die grund- und menschenrechtliche Bindung der Bundesrepublik schwächer ausgeprägt als z.B. im Bereich des humanitären Aufenthalts oder des Familiennachzugs. Doch wird eine derart einseitige Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Interessen der Bundesrepublik und eine damit implizierte Konzeption von MigrantInnen als „Humankapital“ oder ökonomisch verwertbarer Rohstoff unter Ausblendung ihrer subjektiven Rechte und Interessen dem Anspruch des Grundgesetzes zum Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und Wahrung der – gemäß der Judikatur des Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 132, 134) migrationspolitisch nicht zu relativierenden – Menschenwürde nicht gerecht.

Mitteilungspflichten bei vorzeitiger Beendigung einer Ausbildung oder Beschäftigung (Art. 1 Nr. 4, Nr. 10, Nr. 56, Nr. 65, Nr. 71)

Nach dem Entwurf sollen ArbeitgeberInnen und Bildungsträger künftig verpflichtet sein, die Ausländerbehörde innerhalb einer bzw. zwei Wochen zu informieren, wenn die den Aufenthalt begründende Ausbildung oder Beschäftigung vorzeitig beendet wird. Gleichzeitig sollen die entsprechenden Mitteilungspflichten der MigrantInnen selbst ausgeweitet werden. Beide Änderungen sollen eine vorzeitige Beendigung des Aufenthaltsrechts von Ausbildungs- und ArbeitsmigrantInnen ermöglichen.
Auch diese geplanten Regelungen lassen individuelle Rechte und Interessen von Arbeits- und AusbildungsmigrantInnen außer Acht. Insbesondere ist zu befürchten, dass MigrantInnen an der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber ArbeitgeberInnen gehindert werden, weil ihr Aufenthaltsrecht vorzeitig beendet wird oder sie aufenthaltsrechtliche Maßnahmen befürchten müssen. Darüber hinaus ist eine Instrumentalisierung von ArbeitgeberInnen und Bildungseinrichtungen zu ordnungspolitischen Zwecken mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Einführung eines Visums zur Ausbildungsplatzsuche (Art. 1 Nr. 17 FKEG)

Während die Einfügung einer Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Visums zur Ausbildungsplatzsuche grundsätzlich – als längst überfälliger Reformschritt – zu begrüßen ist, enttäuscht deren Ausgestaltung.
Die Altersgrenze von 25 Jahren für die Erteilung eines solchen Visums erscheint beliebig gesetzt und entspricht nicht einer Viel- bis Mehrzahl heutiger Erwerbsbiographien. Gerade in den Berufsfeldern, für die durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Deckung der z.T. hohen Auszubildendennachfrage erwartet wird (z.B. Krankenpflege), besteht ein hoher Anteil Ausbildungsinteressierter, die eine Zweitqualifikation anstreben und folglich oft die Altersgrenze nicht mehr wahren können.
Auch führt die Einführung einer solchen Regelung zur Diskriminierung von Eltern und in besonderem Maße Frauen, deren Eintritt in das Berufsleben sich häufig aufgrund von Schwangerschafts- und Kinderbetreuungszeiten gegenüber (insbesondere kinderlosen) Männern verzögert. Der RAV fordert deshalb hilfsweise (insoweit die Altersgrenze nicht gänzlich aufgehoben wird), die genannte Frist um einen pauschalierten Aufschlag für Eltern zu verlängern und zwar pro Kind von zwei Jahren für Frauen und einem Jahr für Männer.
Neben der Altersgrenze dürfte auch die Voraussetzung „guter“ Kenntnisse der deutschen Sprache zu einer erheblichen Reduzierung der Attraktivität des neuen Aufenthaltstitels führen. Der RAV gibt zu bedenken, dass sich nur Personen, die aus wohlhabenden Verhältnissen stammen, die Ressourcen für die häufig äußerst kosten- und zeitintensive Vorbereitung auf die Prüfungen zum Beleg entsprechender Deutschkenntnisse leisten können werden. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung beim Zugang zu diesen Aufenthaltstiteln gerade von Personen, für die eine Ausbildung in Deutschland eine besondere Chance zur Verbesserung ihrer prekären ökonomischen Verhältnisse darstellen könnte.
Schließlich erscheint auch die Dauer der Befristung des Titels auf sechs Monate im Vergleich zu demjenigen zur Studienplatzsuche (neun Monate gem. § 16 Abs. 7 AufenthG) nicht nachvollziehbar und für eine erfolgreiche Ausbildungsplatzsuche häufig als unrealistisch kurz angesetzt. Dies gilt zumal von Seiten des BMI verlautete, dass der Fachkräftemangel aktuell im Bereich der Ausbildungsberufe stärker ausgeprägt sei als bei akademischen Berufen.

Neuregelung des Aufenthaltstitels zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte (Art. 1 Nr. 31 FKEG)

Auch wenn die Einführung eines Aufenthaltstitels zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte aus Ausbildungsberufen (§ 20 Abs. 1 AufenthG (E)) zu begrüßen ist, erscheint die Forderung des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse – regelmäßig auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (vgl. S. 102 des Entwurfs) – als für das Arbeitsmigrationsrecht systemwidrig und zudem als sachwidrige Schlechterstellung dieser Personengruppe gegenüber Fachkräften mit akademischem Abschluss, die zur Arbeitsplatzsuche einreisen (§ 20 Abs. 2 AufenthG (E)). Problematisch erscheint zudem die Beschränkung der Nebenerwerbstätigkeit (als Probearbeit) während der Arbeitsplatzsuche auf nur 10 Stunden pro Woche (§ 20 Abs. 1 S. 4 AufenthG (E)), da dies dazu führt, dass die Lebensunterhaltssicherung in diesem Zeitraum unnötig erschwert wird.

Wegfall der Vorrangprüfung bei der Beschäftigung von Fachkräften (Art. 1 Nr. 46 FKEG)

Der im Entwurf nach § 39 AufenthG (E) vorgesehene Wegfall der Vorrangprüfung für Fachkräfte ist zwar zu begrüßen, jedoch geht er nicht weit genug. Es fragt sich, warum das Institut, das ausländische ArbeitnehmerInnen gegenüber inländischen bei der Aufnahme einer Beschäftigung diskriminiert und integrationshemmend wirkt, nur für Fachkräfte abgeschafft wurde. Die wenigen verbliebenen Anwendungsbereiche der Vorrangprüfung (nachdem diese auch bereits für die meisten Asylsuchenden nach der geltenden Fassung der BeschV ausgesetzt wurde), rechtfertigen kein Festhalten an diesem Institut. Der RAV spricht sich folglich für eine Abschaffung der Vorrangprüfung und damit eine Gleichbehandlung in- und ausländischer ArbeitnehmerInnen aus.

Einführung eines staatlichen Bildungsverbots (Art. 1 Nr. 55 FKEG)

Äußerst kritisch zu beurteilen ist die weitere Ausgrenzung von bestimmten Personengruppen – insbesondere solchen aus sog. sicheren Herkunftsstaaten. Mit der Einführung eines generellen Verbots auch der Absolvierung von schulischen Ausbildungen (§ 60a Abs. 6 S. 1 AufenthG (E)) soll gesetzgeberisches Neuland betreten und ohne erkennbaren Grund – und gegen die mit dem Gesetz verfolgten Interessen der Bundesrepublik – der Besuch von Berufsschulen staatlich untersagt werden.

Änderung der Regelung über die Erteilung einer Ausbildungsduldung (Art. 1 Nr. 56 FKEG)

Der RAV bedauert, dass mit der Reform nach gegenwärtigem Entwurfsstand die Chance verpasst wird, die im geltenden Migrationsrecht spärlich vorhandenen Möglichkeiten zu einem „Spurwechsel“ aus einem gescheiterten Asylverfahren in einen geregelten Aufenthalt substantiell zu erweitern. Hierzu wäre zuvörderst die systemwidrige Zuordnung der Legalisierung eines Aufenthalts über den Weg einer Ausbildung zum Duldungsregime („Ausbildungsduldung“) aufzuheben und in solchen Fällen vielmehr ein (befristeter und ggf. auflösend bedingter) Aufenthaltstitel zu erteilen. Eine rechtliche Zuordnung zum Duldungsregime bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Nutzbarmachung der Arbeitskraft von MigrantInnen im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses erscheint als Ausnutzung der juridisch und häufig auch ökonomisch prekären Lage Geflüchteter. Zu bedauern und angesichts des beklagten Fachkräftemangels kaum nachzuvollziehen ist zudem, dass kein Pendant zur (betrieblichen) Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung für den Fall des Studiums oder der rein schulischen Ausbildung geschaffen wurde.
Trotz punktueller Klarstellungen und Verbesserungen (insbesondere die Ausweitung auf Helferausbildungen gem. § 60 b Abs. 1 Nr. 1 b) AufenthG (E)), bleibt der Entwurf zur Neuregelung der Ausbildungsduldung weit hinter den Erwartungen des RAV zurück und beinhaltet sogar substantielle Verschlechterungen. Während nach aktueller Rechtslage bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Ausbildungsduldung besteht, soll nach dem Entwurf die Erteilung in Ausnahmefällen verweigert werden können (§ 60 b Abs. 1 S. 2 AufenthG (E)), was den Ausländerbehörden neue Spielräume eröffnet und damit dem Ziel der bundesweiten Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis in diesem Bereich zuwider läuft. Es wird mit dem Erfordernis einer Aufnahme der Ausbildung bereits während des Asylverfahrens bzw. des Erfordernisses einer vorangegangenen Duldung (aus anderem Grund als der Ausbildung) nach § 60a AufenthG zudem eine deutliche Reduzierung des Personenkreises vorgenommen, der für die Erteilung einer Ausbildungsduldung infrage kommt (§ 60 b Abs. 1 S. 1 AufenthG (E)) – dies zumal im Zusammenspiel mit den neu eingeführten Normen zur Identitätsklärung. Denn die Identitätsklärung wird – anders als nach geltender Rechtslage – zur zwingenden Voraussetzung für die Erteilung einer Ausbildungsduldung gemacht (§ 60 b Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (E)). Für die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes muss nach dem Entwurf spätestens sechs Monate nach der Einreise in das Bundesgebiet die Identität geklärt worden sein, damit eine Person eine Ausbildungsduldung erhalten kann. Da diese Norm unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Betroffenen gelten soll, setzt sie sehr starke Anreize für Asylsuchende, noch während eines laufenden Asylverfahrens, insbesondere angesichts dessen ungewissen Ausgangs, zur Beschaffung von Dokumenten Kontakt zur heimischen Botschaft – auch bei tatsächlicher erheblicher Aussetzung einer Verfolgungsgefahr – aufzunehmen, was wiederum mit völker- und europarechtlichen Vorgaben unvereinbar ist.
Problematisch erscheint auch die extensive Konkretisierung des bereits aus der bisherigen Regelung der Ausbildungsduldung bekannten Begriffs des Vorliegens „konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ als Ausschlusstatbestand für die Erteilung einer Ausbildungsduldung (§ 60 b Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (E)). Nach § 60 b Abs. 2 Nr. 3 d) AufenthG (E) soll hierfür sogar ausreichen, wenn „vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen“. Hiermit wird entgegen der deklarierten Intention des Ministeriums keine Rechtssicherheit und -klarheit geschaffen, sondern den Ausländerbehörden ein nahezu beliebig weiter Spielraum zur Verhinderung der Erteilung einer Ausbildungsduldung im Einzelfall eingeräumt (verdeckter faktischer weiter Ermessensspielraum).
Die Ausgestaltung der Norm zur Ausbildungsduldung als Anspruchsnorm erscheint nach alledem als irreführend.

Einführung einer Beschäftigungsduldung (Art. 1 Nr. 56 FKEG)

Obgleich die Einführung einer Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG (E)) im Grundsatz zu begrüßen ist, erscheint die im Entwurf vorgesehene Ausgestaltung dieses Instituts durch überzogene Voraussetzungen an den Realitäten vorbeizugehen, womit die Neuregelung weitgehend leerzulaufen droht. So werden Betroffene kaum sogleich seit mindestens 18 Monaten eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden pro Woche ausüben (§ 60c Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (E)), eine ausreichende Lebensunterhaltssicherung nicht nur für die Gegenwart, sondern auch die vergangenen 12 Monate (§ 60c Abs. 1 Nr. 2-3 AufenthG (E)) und kumulativ noch ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 60c Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (E)) nachweisen können. Die Regelung ist damit allenfalls geeignet, den Anschein der Eröffnung einer Möglichkeit zu einem „Spurwechsel“ zu schaffen.

Beschleunigtes Fachkräfteverfahren und Zentralisierung der Ausländerbehörden (Art. 1 Nr. 58 a, Nr. 64 FKEG)

Die Bündelung von Fachkompetenzen ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Denn in der Tat sind Entscheidungen in der bisherigen Verwaltungspraxis – wie es im aktuellen Referentenentwurf treffend heißt – häufig „intransparent und willkürlich“ (S. 115). Es steht aber durch die Einführung gesonderter Verfahren und Institutionen für migrationswillige Fachkräfte im Gegensatz zu sonstigen MigrantInnen die Etablierung eines Zwei-Klassen-Aufenthaltsrechts zu befürchten. Zügige Verfahren und gebündelte Fachkompetenzen sollten nicht nur Fachkräften, sondern allen MigrantInnen zugute kommen. Es ist nicht einsichtig, warum der Fachkräftezuzug gegenüber humanitären Aufenthalten oder solchen zum Zweck des Familiennachzugs priorisiert werden sollten. Insofern diese Priorisierung auf sozio-ökonomischen Nützlichkeitserwägungen basiert, gibt der RAV zu bedenken, dass auch der kompetente und zügige Abschluss anderer aufenthaltsrechtlicher Verfahren sowohl im individuellen als auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegt. So ist etwa mit nachhaltigen Integrationsbemühungen von Seiten Geflüchteter häufig erst mit Klärung des sie selbst und ggf. auch ihre Familienangehörigen betreffenden Aufenthaltsstatus zu rechnen. Durch die genannte Priorisierung bei weiterhin knappen personellen Ressourcen der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden steht demgegenüber zu befürchten, dass das Problem ohnehin schon überlanger Verfahrensdauern insbesondere im Rahmen des Familiennachzugs weiterhin verschärft wird.

Beschäftigungserlaubnis für Fachkräfte ohne formale Berufsqualifikation (Art. 35 Nr. 6 FKEG)

Die im Entwurf vorgesehene neue Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für Personen mit nicht-formaler Berufsqualifikation ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erscheint die zunächst vorgenommene Begrenzung auf IT-Fachkräfte als zu eng und es ist nicht nachvollziehbar, wieso für diese Gruppe zudem „ausreichende deutsche Sprachkenntnisse“ verlangt werden sollen (§ 6 Abs. 1 Beschäftigungsverordnung (E)). Der RAV bedauert zudem, dass von der nach § 6 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung (E) neu einzuführenden Möglichkeit der Ausweisung weiterer Berufsgruppen jenseits der Informations- und Kommunikationstechnologie nach Verlautbarung des BMI zunächst kein Gebrauch gemacht werden soll.

Reform der Regelungen über das Erlöschen von Aufenthaltstiteln (bislang nicht im FKEG vorgesehen)

Einer von vielen weiteren problematischen Aspekten des aktuellen deutschen Migrationsrechts, der im vorliegenden Entwurf nicht berücksichtigt wurde, ist das strenge Regime über das Erlöschen von Aufenthaltstiteln (§ 51 AufenthG). Dieses macht Deutschland in Zeiten zirkulärer Migration als Aufenthalts- und Einwanderungsland unattraktiv und wäre dringend in Richtung einer großzügigeren Handhabung zu reformieren. Stellungnahme als PDF]]>
Migration & Asyl (doublet)
news-593 Tue, 18 Dec 2018 11:41:00 +0100 Solidarität mit Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız<br />RAV fordert umfassende Aufklärung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaet-mit-rechtsanwaeltin-seda-basay-yildiz-br-rav-fordert-umfassende-aufklaerung-593 Pressemitteilung Nr. 7 vom 18. Dezember 2018 Unsere RAV-Kollegin, Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, ist aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit immer wieder Ziel schwerwiegender und rassistisch aufgeladener Anfeindungen. Diese Angriffe mündeten im August dieses Jahres in widerlichen Morddrohungen gegenüber ihrer Tochter und haben damit eine neue Dimension erreicht. Frau Başay-Yıldız ist eine engagierte Rechtsanwältin, die sich vorbehaltlos für die Interessen und Rechte ihrer Mandantschaft einsetzt – und damit die Kernaufgabe der Anwaltschaft im Rechtsstaat erfüllt. Die Angriffe richten sich gegen diese Arbeit.

Wir Anwältinnen und Anwälte im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein erklären uns solidarisch mit unserer Kollegin. Zum wiederholten Mal wird eine Rechtsanwältin im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung Ziel von Hassmails, Anfeindungen und Verleumdungen. Wir nehmen diese konkreten Bedrohungen und Diffamierungen als Ausdruck einer politischen Entwicklung wahr, in der völkisch-aggressives und antidemokratisches Gedankengut wieder hoffähig wird. Beispielhaft sei an dieser Stelle erinnert an die Äußerungen von Alexander Dobrindt zur angeblichen »Anti-Abschiebe-Industrie« der Anwaltschaft.(1)

In diese gesellschaftliche Entwicklung passt es auch, dass gerade die Kolleginnen und Kollegen, deren Namen keinen ›deutschen‹ Klang haben, zum Objekt besonders heftiger Anfeindungen gemacht werden. »Wir begreifen dies nicht nur als Angriff auf die Anwaltschaft, sondern als Angriff auf die humanistischen, demokratischen Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens«, erklärt Rechtsanwalt Dr. Stolle, Vorsitzender des RAV.

Als besonders alarmierend werden von uns die Hinweise empfunden, dass in diesem Fall das Drohschreiben unmittelbar aus den Reihen der Polizei gekommen sein könnte. Das Unterzeichnen dieses Drohbriefes mit ›NSU 2.0‹ ist als besonders perfider Versuch einer Einschüchterung zu werten.

In erschreckender Regelmäßigkeit wird über konkrete Zusammenhänge zwischen Polizei, Sicherheitsbehörden, Militär und rechtsradikalen Strukturen berichtet. Trotzdem werden diese Fälle weiterhin als Einzelfälle und nicht als Teile eines strukturellen Problems behandelt. Dies jedoch wäre notwendig. Denn wenn die Polizei als Teil der exekutiven Gewalt ihre Machtbefugnisse missbraucht und sich als anfällig für nationalsozialistisches und rassistisches Gedankengut erweist, besteht akuter Handlungsbedarf, um die konkreten Gefahren für die Betroffenen abzuwehren.

Die bisherigen Reaktionen der Ermittlungsbehörden lassen nicht erkennen, dass überhaupt ein Bewusstsein für diese besondere Gefährdungslage besteht. So ist unsere Kollegin nicht etwa von der Polizei über die Ermittlungsergebnisse informiert worden, sondern musste aus der Presse erfahren, dass die Gefährdung möglicherweise unmittelbar von der Frankfurter Polizei selbst ausgeht.

Als RAV haben wir vielfach auf die besonderen Probleme hingewiesen, die sich ergeben, wenn Polizeikräfte gegen ihre eigenen Kolleg*innen ermitteln. Corpsgeist, Schutzreflexe und eine unzureichende Fehlerkultur innerhalb des Polizeiapparates verhindern regelmäßig eine sachgerechte Aufklärung. Insofern erinnern wir an unsere Forderung, dass zur effektiven Kontrolle und Aufklärung polizeilichen Handelns unabhängige Untersuchungskommissionen einzusetzen sind.(2)

Es ist in diesem Fall daher unabdingbar, dass die Ermittlungen von einer anderen Polizeibehörde als der Frankfurter Polizei geführt werden.

Darüber hinaus fordern wir, die Verbreitung und die Ursachen von demokratiefeindlichen Tendenzen und Einstellungen bei den Sicherheitsbehörden wissenschaftlich zu untersuchen, um konkrete Gegenstrategien entwickeln zu können.

(1) https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/frontal-angriff-auf-den-rechtsstaatbr-alexander-dobrindt-csu-gegen-das-grundrecht-auf-rechtsschutz-563/

(2) https://www.rav.de/projekte/polizeikontrolle/

Pressemitteilung als PDF

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Grundrechte
news-578 Wed, 07 Nov 2018 11:21:00 +0100 StN des RAV zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-entwurf-eines-dritten-gesetzes-zur-aenderung-des-asylgesetzes-578 Stellungnahme vom 1.11.18
1.
Die vorliegende Stellungnahme befasst sich mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes (BT-Drs. 19/4456), welches die Neuregelung des § 73 AsylG und hier insbesondere die Einführung von Mitwirkungspflichten und Sanktionsmechanismen vorsieht.

Aktuelle Rechtslage

Die gegenwärtige Rechtslage sieht vor, dass eine fehlerhafte Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter bestimmten Umständen, insbesondere erwähnt das Gesetz hier unrichtige Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen,  zurückgenommen werden kann (§ 73 Abs. 2 AsylG). Ein Widerruf kann erfolgen, wenn eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland erfolgt ist (§ 73 Abs. 1 AsylG).

Spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag hat die zuständige Behörde nach § 73 Abs. 2a AsylG zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorliegen.

Entsprechende Regelungen existieren für die Rücknahme und den Widerruf des subsidiären
Schutzes (§ 73b AsylG) bzw. der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 73c AsylG).

Mitwirkungspflichten im laufenden Asylverfahren sind in § 15 AsylG umfassend geregelt, § 15a AsylG regelt die Auswertung von Datenträgern und § 16 AsylG die Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität.

Einigkeit besteht, dass diese Mitwirkungspflicht jedenfalls mit Beginn des Asylverfahrens besteht. Eine gesetzliche Regelung, wann diese Mitwirkungspflicht endet, ob sie etwas mit Ende des Asylverfahrens endet, ist zwar nicht normiert worden. Die Formulierung im Tatbestand des § 16 Abs. 1 S.1 AsylG („Die Identität eines Ausländers, der um Asyl nachsucht…“) sowie Sinn und Zweck der Norm sprechen eher dafür, dass eine Rechtsgrundlage für Personen im laufenden Asylverfahren geschaffen werden sollte. Der Zweck der Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG, die Identität des Asylsuchenden für das Asylverfahren, insbesondere für die Asylanerkennung oder Ablehnung bzw. für aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu sichern und Mehrfachanträge unter jeweils anderen Personenangaben, die Wiedereinreise nach Ablehnung und das Verschweigen eines bereits früheren gestellten Asylantrages, aufzudecken.(1)

Die im Asylgesetz geregelten Mitwirkungspflichten gelten somit nicht für anerkannte Schutzberechtigte. Für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen setzt der Tatbestand des § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG voraus, dass es sich um einen Ausländer handelt, der um Asyl nachsucht.(2)

Der Gesetzgeber müsste hier tätig werden, sollte § 16 AsylG auch als Rechtsgrundlage für identitätsfeststellende Maßnahmen für anerkannte Schutzberechtigte dienen und hätte dies dann auf die – ganz wenigen – Fälle zu beschränken, in denen im ursprünglichen Asylverfahren tatsächlich keinerlei Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität erfolgt ist.

Darüber hinausgehende Mitwirkungspflichten – wie sie der aktuelle Gesetzesentwurf vorsieht - sind nach Anerkennung bzw. Zuerkennung eines Schutzstatus dieser Systematik grundsätzlich fremd.

Das Unionsrecht sieht Mitwirkungspflichten z.B. in Art. 4 Abs. 1 der QualifikationsRL vor, allerdings in äußerst engen Grenzen.

Soweit es um die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des Schutzstatus im Unionsrecht geht, ist dies in Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 der QualifikationsRL geregelt. Auch hier ist bereits normiert, dass im Falle einer falschen Darstellung oder des Verschweigens eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen kann (Art. 19 abs. 3 (b) QualifikationsRL. Das Unionsrecht sieht dabei eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten, die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen haben.

Art. 44 der AsylverfahrensRL sieht – ohne zwischen Rücknahme und Widerruf zu differenzieren – eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei neuen Erkenntnissen vor. Die anlasslose automatisierte und verpflichtende Regelprüfung im deutschen Recht ist dem Europarecht fremd.
2.
Asylverfahrenspraxis in den Jahren 2015/2016

Die schriftlichen Asylverfahren – mit Verzicht auf eine mündliche Anhörung - wurden für Staatsangehörige aus Syrien, Eritrea und religiöse Minderheiten aus dem Irak durchgeführt. Mithin ausschließlich für Schutzsuchende aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von weit über 90 %.

Das schriftliche Anerkennungsverfahren lief ca. von Ende 2014 bis ca. Ende 2016. Anfang 2016 gab es einen Stichtag, danach wurden aber noch Verfahren als schriftliche abgearbeitet, 2015 und 2016 gab es rund 300.000 schriftliche Anhörungen an Hand von Fragebögen. In wie vielen dieser Fälle dann auch eine Entscheidung ohne mündliche Anhörung stattgefunden hat, ist der Verfasserin nicht bekannt.

Auch zu Zeiten der schriftlichen Verfahren gab es jederzeit die Möglichkeit des Übergangs vom schriftlichen Verfahren zu mündlichen Anhörungen, wenn etwa Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit bestanden. Von dieser Möglichkeit wurde auch regelmäßig Gebrauch gemacht, ca. in einem Viertel der Fälle. Dies bedeutet, schriftliche Asylverfahren wurden in aller Regel nur dann durchgeführt, wenn etwa im Falle von Syrern Personenstandsurkunden, Führerscheine Militärbücher, mithin also eindeutige Angaben zur Identität, vorlagen.

Widerrufspraxis bisher

Überprüfungen haben in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen zu Widerrufen geführt. In den Rücknahme-und Widerrufsverfahren, die im ersten Halbjahr 2018 eingeleitet und entschieden wurden, hatte der überprüfte Schutzstatus vielmehr in 99,3% der Fälle Bestand.3 Auch bei der nachträglichen Überprüfung von Identitätsdokumenten Schutzberechtigter wurden nur 0,5% der eingesandten Dokumente als Fälschung identifiziert.

Aktuelle Praxis erkennungsdienstlicher Behandlungen für Sachverhalte vor dem 1.1.2015 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Nach aktuellen Informationen der Unterzeichnenden vom 1.11.2018 sei es gegenwärtige Weisungslage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass sämtliche erkennungsdienstlichen Behandlungen, die vor dem Stichtag 01.01.2015 stattgefunden haben, wiederholt werden müssten. Eine Rechtsgrundlage bestehe, könne aber auch Nachfrage nicht benannt werden.

3.
Vorgeschlagene Rechtsänderung

Nach § 73 Absatz 3a Satz 2 AsylG– neu erstrecken sich die Mitwirkungspflichten auf die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 15 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nummer 1, 4, 5 und  7 und Absatz 3 AsylG. Nach § 73 Absatz 3a Satz 4 AsylG-neu kann die Mitwirkung per Verwaltungszwang durchgesetzt werden und nach § 73 Absatz 3a Satz 6 AsylG-neu kann eine Nicht-Mitwirkung gewertet werden.

3.1.
Europarechtliche Vorgaben

Entscheidend für die Bewertung dieser Norm ist der vorrangige europäische Rechtsrahmen.

Wie eingangs ausgeführt, findet sich die entscheidende europarechtliche Regelung für die hier interessierenden Rechtsfragen in Art. 14 und 19 der QualifikationsRL. Für die vorliegend interessierende Konstellation des Widerrufs und der Rücknahme ist Art. 11 Abs. 1 e) und Art. 19 Abs.3 b) und Abs.4 der QualifikationsRL zu beachten.

Voraussetzung eines Widerrufs nach 11 Abs. 1 e) QualifikationsRL ist ein Wegfall der Umstände, aufgrund deren eine Person einen Schutzstatus erhalten hat, wobei der Nachweis hierzu von den Mitgliedstaaten zu führen ist gemäß 11 Abs. 2 QualifikationsRL.

Die Aberkennung eines Schutzstatus kann nach Unionsrecht außerdem erfolgen, wenn für die Zuerkennung des Schutzstatus eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente ausschlaggebend war.

Art. 19 Absatz 4 der QualifikationsRL stellt fest, dass ein entsprechender Nachweis durch die Mitgliedstaaten zu führen ist.  
Festzuhalten ist somit, dass sowohl für die Konstellation des Widerrufs als auch für die Konstellation der Rücknahme das Unionsrecht die Beweislast auf Seiten der Mitgliedstaaten verortet. Eine Beweislastumkehr wie sie faktisch der Neuregelung des § 73 AsylG zu entnehmen ist, ist nicht europarechtskonform.

Festzuhalten ist weiter, dass ein Widerruf bzw. eine Rücknahme im Rahmen einer Wertung als faktische Sanktion nicht erfolgter Mitwirkung europarechtswidrig ist.

3.2.
Zu erwartende Probleme bei der praktischen Anwendung der Norm:

§ 73 Abs. 3a AsylG-neu normiert zum einen eine Mitwirkungspflicht bei der Aushändigung von Unterlagen und die Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

Liegen Unterlagen aber nicht vor, können sie auch nicht vorgelegt werden.

Liegen sie vor, werden aber nicht vorgelegt werden, liegen dennoch nicht die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme vor, denn es ist weder eine Änderung der Sachlage eingetreten noch lag eine Täuschung vor.  Entsprechendes gilt für die Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

Nicht vorgelegte Unterlagen bzw. die Nicht-Duldung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme können also in keiner denkbaren Konstellation praktisch zu einem Widerruf führen. Eine Wertung zu Lasten des Betroffenen nach § 73 Absatz 3a Satz 6 AsylG-neu, dass auf Grund Nicht-Vorlage oder Nicht-Duldung die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme vorliegen, verstieße gegen Europarecht.

Praxisrelevant dürfte vor allem aber der Verweis auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylG sein, wonach „erforderliche Angaben“ schriftlich oder mündlich zu erfolgen haben.

Dies bedeutet faktisch, dass nach bereits erfolgter Zuerkennung eine Anhörung zu den Asylgründen erfolgen kann.

Sollte der Betroffene zu dieser Anhörung nicht erscheinen oder keine ergänzenden Angaben machen, führt dies nicht zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme. Es liegt nämlich weder ein veränderter Sachverhalt im Vergleich zur ersten Entscheidung vor, noch kam es zu einer Täuschungshandlung oder ähnlichem.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsste dem Betroffenen aber nachgewiesen werden. Die Einführung von Mitwirkungspflichten nach Anerkennung und diese flankierenden Sanktionsmechanismen sollen aber dazu führen, dass durch den Betroffenen selbst Anhaltspunkte für einen möglichen Widerruf oder eine Rücknahme beigebracht werden sollen. „Eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen kann hierbei für das BAMF (…) zusätzliche Erkenntnisse begründen.“(4)

Dies liefe wie bereits auf eine Beweislastumkehr hinaus und ist daher nicht europarechtskonform.

Der Normtext ist nicht hinreichend klar und verbindlich und auch vor diesem Hintergrund nicht mit den europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.

In § 73 Abs. 3 Satz 6 AsylG heißt es: „Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.“

Es ist vollkommen unklar, welcher Regelungsgehalt dieser Aussage zukommen soll.

Die gesetzliche Neuregelung verhält sich schließlich auch nicht in ausreichendem Maß zu den erforderlichen Verfahrensgarantien.

Art. 45 Asylverfahrens-Rl enthält weitgehende Verfahrensgarantien, die im Falle eines Widerrufs oder einer Rücknahme zu beachten sind. So hat eine genaue Aufklärung über die Gründe der Überprüfung sowie ausführliche schriftliche Information der Betroffenen zu erfolgen.

3.3.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen zur Europarechtswidrigkeit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung, wird nur ergänzend darauf hingewiesen, dass der vorliegende Gesetzesentwurf weder erforderlich, geeignet noch angemessen ist.

Ziel des vorliegenden Gesetzesentwurfs solle die „Befriedung“ der gesellschaftlichen Debatte sein.

Die Gesetzesbegründung bezieht sich auf die Zunahme von geäußerten Schutzbegehren in den Jahren 2015 und 2016, mithin einer historischen Sondersituation. Die Begründung legt dar, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfahrensbeschleunigung im Wege der schriftlichen Antragsprüfung entschieden und auf die persönlichen Anhörungen nach § 25 AsylG verzichtet habe. Laut Gesetz habe dieses Verfahren zu einer nicht ausreichenden Prüfung in Hinblick auf die Angaben zu Identität, Staatsangehörigkeit und Fluchtgeschehen geführt. Nur – so insinuiert die Gesetzesbegründung - die vorgeschlagene Gesetzesänderung zu den Widerrufs- und Rücknahmeverfahren könne hier „(…) durch behördliches Handeln entstandene Fehler (…) korrigieren.“

Der vorliegende Gesetzesentwurf führt daher ein Verfahren ein, in dem ohne Vorliegen objektiver Anhaltspunkte (Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland, Hinweise für eine Täuschungshandlung) ein Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingeleitet und der Erkenntnisgewinn ausschließlich auf Angaben der Betroffenen beruhen soll. Diese sollen mit Hilfe der Einführung von Mitwirkungspflichten nach Anerkennung und diese flankierenden Sanktionsmechanismen erfolgen soll.  „Eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen kann hierbei für das BAMF (…) zusätzliche Erkenntnisse begründen.“(5)

Unter Bezugnahme auf das zuvor zitierte Zahlenmaterial ist ein umfassender und weitreichender Handlungsbedarf, wie ihn die Gesetzesbegründung annimmt, nicht erkennbar. Hinzukommt, dass bei einem Großteil der Betroffenen – dies gilt etwa für Syrer, die Verfahren zur Familienzusammenführung betreiben – aus anderen Gründen im weiteren Verlauf die Notwendigkeit besteht, Kontakt zu den Herkunftsbehörden aufzunehmen und Dokumente vorzulegen. In keinem dieser Fälle gab es Anzeichen für Identitätstäuschungen.

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist auch nicht geeignet. Sie stellt eine Systemänderung dar, die zwar kaum faktische Auswirkungen haben wird, aber einen enormen Verwaltungsaufwand und massive Belastungen für die Betroffenen nach sich ziehen wird.

Selbst wenn Umstände identifiziert werden sollten, die die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme begründen könnten, muss zunächst geprüft werden, ob diese Umstände auch kausal für die positive Verwaltungsentscheidung waren. Nur dann lägen die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme vor und es käme zu einer solchen. Denn nach altem wie neuem Recht müssen die unrichtige oder die Nichtangabe wesentlicher Tatsachen für die anerkennende Entscheidung ursächlich gewesen sein.

Der Gesetzgeber sieht zur Umsetzung der Norm Verwaltungszwang und Entscheidung nach Aktenlage vor und greift damit empfindlich in die Rechtspositionen der Betroffenen ein.

Die Einleitung der Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren bedeutet nicht einfach nur, dass die Betroffenen einen „Brief“ erhalten, sondern ist mit erheblichem Stress und massiver Sorge für die Betroffenen verbunden. Erfahrungen in den Widerrufsverfahren zeigen, welche Ängste diese bei den Betroffenen auslösen. Für diese stellt es sich nämlich so dar, dass ihr Aufenthalt, ihre Berechtigung als solche in Frage gestellt wird. Für Personen mit Fluchterfahrung, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als besonders schutzbedürftig angesehen werden, entsteht eine Perspektive der Unsicherheit und Angst. Viele Betroffene befinden sich noch lange nach Zuerkennung des Schutzstatus in Heilungsverfahren und therapeutischen Behandlungen. Diese stehen einer Konfrontation mit Vergangenem entgegen, diese stellt sich als kontraindiziert und gesundheitsschädlich dar. Hinzukommen weiter auch ganz praktische Fragen wie Verdienstausfall, Urlaubsregelungen etc.

Die negativen Konsequenzen beziehen sich auch auf die Kinder der Betroffenen und können letztlich auch deren Wohl beeinträchtigen, weil die gesamte Familie in einen permanenten Stress versetzt wird.

Die Verfahren aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass den Betroffenen die Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde gar nicht klar und auch nicht zu vermitteln ist. Dies beschädigt maßgeblich die gesellschaftliche Partizipation, denn die Betroffenen
werden auf ihre Vergangenheit zurückgeworfen, anstatt ihre Energien und Ressourcen nach vorne zu richten. Die Rechtssicherheit ist damit empfindlich getroffen.

Sämtliche der aufgezeigten Konsequenzen sind vor dem Hintergrund eines Verfahrens, das keinen erheblichen Erkenntnisgewinn nach sich ziehen wird, sind gänzlich unangemessen.
Die Gesetzesregelung wird auch das Bundesamt mit einer erheblichen Arbeitsbelastung versehen, ohne dass dies einen erkennbaren Mehrgewinn hätte. Hinzukommen werden unzählige gerichtliche Verfahren, wenn es denn tatsächlich zu Maßnahmen im Rahmen des Verwaltungszwangs oder der Rücknahme bzw. des Widerrufs kommen sollte.

4.
Bewertung

Der Gesetzesentwurf liefert eine spezifische Interpretation und Erzählung zu der Entwicklung der Zugangszahlen im Bereich Asyl in den Jahren 2015 und 2016. Danach habe es 2015 und 2016 eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung und darauf basierende Fehlentscheidungen in nicht unerheblicher Anzahl gegeben. Diese zwei Grundthesen halten einer Überprüfung in tatsächlicher Hinsicht nicht Stand. Die Neuregelung wird in Hinblick auf die Anzahl tatsächlicher rechtskräftiger Widerrufe und Rücknahmen kaum eine Auswirkung haben. Folge der Neuregelung werden unzählige Verfahrensschleifen und Stress für die Betroffenen sein. Im laufenden Prüfungsverfahren verlängert die Ausländerbehörde Aufenthaltstitel nur für ein Jahr, teilweise werden sogar Fiktionsbescheinigungen erteilt. Diese kurzfristigen Aufenthaltstitel erschweren und behindern maßgeblich die Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnungssuche.

Die Neuregelung wird in Hinblick auf das proklamierte Ziel ohne maßgebliches Ergebnis bleiben. Im Gegenteil verhindert der Gesetzesentwurf eine Versachlichung der Debatte indem Probleme der Jahre 2015 und 2016 in der Praxis des Bundesamtes für Migration, die es tatsächlich gegeben hat und die es leider bis heute massiv gibt, einseitig als Folge des Fehlverhaltens der damals Schutzsuchenden und heute anerkannten Flüchtlinge bzw. international Schutzberechtigten darstellt werden.

Das Asylrecht und der Flüchtlingsschutz sind wie das Bundesverfassungsgericht betont in besonderer Weise verfahrensabhängige Rechte. Kategorien der „Großzügigkeit“ und Formulierungen wie „Gastland“, die in der Diskussion um den aktuellen Gesetzesentwurf in der Lesung im Parlament auftauchen, verstellen den Blick auf das Wesentliche.

Vorliegend geht es um Rechtspositionen der Betroffenen, die nicht zum Gegenstand eines behördlichen Verfahrens gemacht werden dürfen, das auf einer gesetzlichen Regelung beruht, welche maßgeblich auf einer ideologisch geprägten Interpretation der Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 basiert und damit einer willkürlichen Verfahrensgestaltung sehr nahe kommt.

5.
Empfehlung

Der vorgeschlagenen Gesetzesänderung ist nicht zu entsprechen.

Auch die im Zuge des Gesetzgebungsverfahren eingebrachten weiteren Verschärfungen etwa des Bundesrates zur rückwirkenden erkennungsdienstlichen Erfassung von nach Inkrafttreten des Gesetzes über 14 Jährigen oder wie vom Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorgeschlagen, die  Prüfung der Einleitung eines Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahrens nach fünf statt drei Jahren sind aus den vorstehend genannten Gründen strikt zurückzuweisen.

Berenice Böhlo
Berlin, den 1. November 2018

Fußnoten
(1) AsylG, Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, § 16 Rd. Nr. 8
(2) VG Halle, Beschluss vom 13.02.2018 - 7 B 64/18 HAL
(3) BT-Drs. BT-Drs. 19/3839.
(4) BT-Drs. 19/4456, S.1.
(5) BT-Drs. 19/4456, S.1. StN als PDF]]>
Migration & Asyl (doublet)
news-577 Wed, 07 Nov 2018 10:44:00 +0100 Einladung zum Berliner Regionaltreffen 5/2018 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-5-2018-577 8. November 2018 | 19.00 Uhr Thema: Der dritte Geschlechtseintrag Bis zum 31.12.2018 soll die Legislative Zeit haben, einen positiven dritten Geschlechtseintrag einzurichten oder den staatlich erfassten Geschlechtseintrag komplett abzuschaffen.
Die mit dem Beschluss einhergehende Hoffnung war groß. Inter*- und Trans*verbände forderten vielfach ein umfassendes Mantelgesetz zum Schutz geschlechtlicher Vielfalt. Mit der Aktion Standesamt wird auf die Notwendigkeit eines selbstbestimmten Eintrages für alle Menschen verwiesen.
Der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetzesentwurf bleibt derweil weit hinter den Erwartungen zurück. Den Dritten Geschlechtseintrag bekommt nur, wer medizinisch nachgewiesen „intersexuell“ ist. Geschlechtsidentität ist nicht umfasst. Betrifft die gesetzliche Neuerung also nur intergeschlechtliche Menschen? Was sind juristische Konsequenzen? Franziska Brachthäuser hat länger zu dem Thema gearbeitet und war zuletzt für ihre Verwaltungsstation im BMFSFJ, Referat 215 für "Geschlechtliche Vielfalt, Gleichgeschlechtliche Lebensweisen" tätig. Sie wird uns einen Einblick in die Debatte geben und steht uns für Fragen zur Verfügung. Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen. ]]>
Grundrechte RAV-Historie
news-571 Wed, 31 Oct 2018 16:08:00 +0100 Verleihung des Hans-Litten-Preis am 27.10.18 in FF/M durch die VDJ an den Anwaltlichen Notdienst beim G20 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verleihung-des-hans-litten-preis-am-27-10-18-in-ff-m-durch-die-vdj-an-den-anwaltlichen-notdienst-beim-g20-571 Stellvertretend für den AND-G20 haben RA'innen Fenna Busmann, Gabriele Heinecke und RAe Matthias Woldmann und Christian Woldmann die Urkunde entgegengenommen Die Preisverleihung des Hans-Litten-Preises wurde durch eine mitreißende Präsentation von Brecht/ Eissler-Liedern durch den Akademischer Arbeiterliederchor Frankfurt eröffnet. Es folgte eine kurze Rede des Bundesvorsitzenden der VDJ Joachim Kerth-Zelter. Die sehr schöne Laudatio zur Verteidigung der freien Advokatur, die auf der VDJ-Homepage nachzulesen sein wird, hielt der Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin, Dr. Marcus Mollnau.  Matthias Wisbar und Gabriele Heinecke (beide RAV-Mitglieder) hielten die Dankesreden, die hier folgend als Download zur Verfügung stehen und in denen die Arbeit des Ermittlungsausschusses und der Roten Hilfe ausdrücklich gewürdigt wird. Erwiderung von RAin Gabriele Heinecke Erwiderung von RA Matthias Wisbar PM der VDJ]]> OSZE / G20-Gipfel 2017 news-575 Sun, 30 Sep 2018 17:23:00 +0200 Unteilbar - weil Menschenrechte keine Grenzen kennen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbar-weil-menschenrechte-keine-grenzen-kennen-575 Aufruf von RAV, VDJ und Komitee für Grundrechte und Demokratie vom 2.10.18; Kleine Auswahl von Eindrücken (Bilder)
Hier finden sich ein paar wenige Eindrücke (Fotos in der Mehrzahl von Katrin Voß):
https://www.rav.de/publikationen/unteilbar-fotos/
Der RAV war maßgeblich bei der Organisation und Durchführung der großen und beeindruckenden #unteilbar-Demonstration am 13.10.18 beteiligt. Wir danken ausdrücklich allen Mitgliedern, die sich hier wunderbar eingebracht haben!
Das Bündnis #unteilbar wird weiter arbeiten - momentan wird noch sondiert, wohin es gehen wird. Das Büro mit den zwei Festanstellungen wird mind. bis Jahresende weiter arbeiten und somit werden auch noch weiterhin Spenden benötigt. Alle Infos dazu finden sich auf der Homepage von #unteilbar. ****
Hier folgend der Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration vom 2.10.18: Am 13. Oktober 2018 werden wir gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Menschen, die u.a. in Initiativen gegen Wohnungsnot, Pflegenotstand und prekarisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, gegen Überwachung und Polizeiwillkür und für die Rechte von Geflüchteten aktiv sind, unter dem Motto ›Solidarität statt Ausgrenzung – Für eine offene und freie Gesellschaft‹ auf die Straße gehen. Als Bürgerrechtsorganisationen rufen wir dazu auf, sich an dieser Demonstration des Bündnisses #unteilbar zu beteiligen.
Seit einigen Jahrzehnten erleben wir eine staatlich orchestrierte gesellschaftspolitische Wende, die – unabhängig von den jeweiligen Regierungsparteien – auf einen neoliberalen Staatsumbau und dessen Absicherung zielt – trotz Mindestlohn und Fortschritten im Antidiskriminierungsrecht. Das hat auch Folgen für den Rechtsstaat: Europaweit werden sozial- und bürgerrechtliche Standards unterminiert und bekämpft. In der Innen- und Migrationspolitik sehen wir uns einer nicht enden wollenden Welle von Gesetzesverschärfungen gegenüber.
Diese Veränderungen sind grundlegend und betreffen alle Bereiche.Diese Aufzählung ist weder vollständig noch abschließend. Sie macht aber deutlich, dass das Recht in seiner Funktion als Schutz vor Diskriminierung, Ausgrenzung und staatlichen Eingriffen an Bedeutung verliert und immer offener zu einem Mittel zum Schutz der herrschenden Eigentumsordnung und der Legitimierung staatlichen Handelns wird.

Das ist alles nicht neu. Neu ist allerdings die Zuspitzung, die diese Entwicklung erfährt. Wir haben es nicht mehr mit einzelnen Gesetzesverschärfungen und Einschränkungen von Grundrechten zu tun. Vielmehr sehen wir uns einem rassistischen und nationalistischen Diskurs, einem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft gegenüber, der Inhumanität und Menschenverachtung sagbar und umsetzbar macht. Dieser Rechtsruck wird begleitet von einer Politik der europäischen Staaten, die zur Verteidigung der eigenen wirtschaftlichen Interessen und zur Abwehr der Folgen einer verheerenden globalen
Wirtschaftsordnung und des Klimawandels rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien zur Disposition stellt. Dabei wird auch zu dem Mittel des offenen Rechtsbruchs gegriffen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen in Deutschland und Europa verschlechtert werden, während gleichzeitig der Rechtsstaat zu einem Sicherheitsstaat umgebaut wird, ist kein Zufall. Sie ist Folge einer Politik, die auf die Absicherung wirtschaftlicher Interessen und Profite in den Metropolen durch repressive Einschüchterung im Innern, Abschottung nach außen und die globale Infragestellung von Menschenrechten zielt.

Wo Polizei und Politik aktiv rechtsstaatliche Mindeststandards unterlaufen und dafür auf ein obskures ›Rechtsempfinden der Bevölkerung‹ verweisen und sich der Bundesinnenminister über eine obergerichtlich als rechtswidrig erklärte Abschiebung freut, steht der Rechtsstaat nicht mehr nur auf dem Spiel, sondern ist im Konkreten außer Kraft gesetzt. Das ist bedrohlich. Denn der Rechtsstaat ist kein Selbstzweck. Er soll die Freiheiten der Bürger*innen schützen – vor staatlichem Machtmissbrauch und Behördenwillkür. Stattdessen werden Menschen, die die für sie geltenden Rechte in Anspruch nehmen, und ihre Unterstützer*innen und Rechtsanwält*innen kollektiv unter der Betitelung »Asylindustrie« als Rechtmissbrauchende hingestellt.

Das Recht als Waffe einzusetzen, um sich gegen Herrschaft und Macht zur Wehr zu setzen – dieser Auftrag ist wichtiger denn je. Wir werden weiter Bürger*innen- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen verteidigen. Wir werden dem stetigen Verlust von Rechtsstaatlichkeit nicht zusehen und weiter für eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts kämpfen. Wir werden uns dabei der im Windschatten dieser Entwicklung alltäglich gewordenen Inhumanität und Menschenverachtung, den rassistischen und nationalistischen Diskursen entgegenstellen.

Gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Menschen, die u.a. in Initiativen gegen Wohnungsnot, Pflegenotstand und prekarisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, gegen Überwachung und Polizeiwillkür, für die Rechte von Geflüchteten, gegen Rassismus, Antisemitismus, Heteronormativität und sexualisierte Gewalt aktiv sind, werden wir auf die Straße gehen. Ein Bündnis wie #unteilbar, in dem sich die Vielfalt der Zivilgesellschaft vereint und dagegenhält, ist notwendig. Wir denken, dass soziale und politische Rechte einander bedingen. Deswegen sind wir als RAV, VDJ und Komitee für Grundrechte und Demokratie Teil dieses Bündnisses und rufen zur Teilnahme an der Großdemonstration am 13. Oktober 2018 in Berlin auf.

Für ein gemeinsames Streiten gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und soziale Ungerechtigkeit.
Für einen Zugang zum Recht für alle.
Für die Unteilbarkeit der Menschenrechte.

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Unteilbar - weil Menschenrechte keine Grenzen kennen (PDF)]]>
Grundrechte Bürger- und Menschenrechte (doublet)
news-573 Tue, 28 Aug 2018 08:11:00 +0200 Für eine offene und freie Gesellschaft<br >Solidarität statt Ausgrenzung! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-eine-offene-und-freie-gesellschaft-br-solidaritaet-statt-ausgrenzung-573 Pressemitteilung #unteilbar Demonstration am 13. Oktober 2018 – 13:00 Uhr in Berlin Bündnis „#unteilbar“ plant Großdemonstration in Berlin gegen Ausgrenzung und RechtsruckDas Bündnis „#unteilbar“ plant am 13. Oktober eine Großdemonstration in Berlin. Die Organisatorinnen und Organisatoren wollen damit für eine offene und solidarische Gesellschaft einstehen.

Demnach findet aktuell eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung werden laut einer Bündnissprecherin gesellschaftsfähig. Man will den Sozialstaat verteidigen und für Grund- und Freiheitsrechte auf die Straße gehen. Offensiv fordert man das Recht auf Schutz und Asyl und stellt sich gegen eine Abschottung Europas.

Verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen haben sich zusammengeschlossen. Musikbands wie „Die Ärzte“, die Schauspielerin Julia Jentsch, der Satiriker Jan Böhmermann, die Publizistin Carolin Emcke, der Kabarettist Volker Pispers, die Professorin Dr. Naika Fourotan und der Schriftsteller Saša Staniši? unterstützen das Anliegen von „#unteilbar“.
Darüber hinaus haben Organisationen wie der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland, Amnesty International - Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., der Paritätische Wohlfahrtsverband, Pro Asyl, der Zentralrat der Muslime sowie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma den Aufruf von „#unteilbar“ unterzeichnet.

Das Bündnis ist Teil einer europaweiten Bewegung, die am 13. Oktober 2018 in verschiedenen europäischen Städten demonstrieren wird. Gegen Nationalismus und für ein vereintes Europa.

Im Anhang finden Sie den Aufruf sowie die Auflistung der Erstunterzeichner_innen. Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.

Wir sind erreichbar unter der 0152/19382517 oder via mail: presse@unteilbar.org

Sollten Sie zukünftig keine Pressemitteilungen von uns erhalten wollen, geben Sie uns einfach kurz Bescheid.

Mit freundlichen Grüßen, Nora Berneis

www.unteilbar.org
Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende: "Es gibt keine Gegenwart und keine Zukunft ohne die Vergangenheit. Ich bin besorgt, denn ich sehe gegenwärtig Parallelen zur damaligen Zeit. Damit sich so etwas niemals wiederholt, dürfen wir nicht schweigen, sondern müssen mit Mut zusammenstehen gegen Rassismus."

Carolin Emcke, Autorin und Publizistin: „Verschiedenheit ist kein Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine Voraussetzung für Grundrechte.“

Benno Fürmann, Schauspieler: "#unteilbar unterstütze ich, weil ich Lust auf ein Miteinander habe! Wir müssen als Gesellschaft gemeinsam darauf achten, dass der Hass und die Angst vor dem Fremden uns nicht teilt. Empathie wird das Entscheidende sein, nicht Hautfarbe!”

Jutta Weduwen, Geschäftsführerin Aktion Sühnezeichen Friedensdienste: "Ich wünsche mir, dass am 13.10. viele Menschen auf die Straße gehen, um gemeinsam zu zeigen: wir sind viele - für Demokratie, für Solidarität, für Vielfalt! Wir setzen deutliche Zeichen gegen die Politik der Abschottung gegenüber Geflüchteten und Schutzsuchenden, gegen jegliche Form von Rassismus und Antisemitismus, gegen Ausgrenzung, Demokratiefeindlichkeit und Rechtspopulismus. Wir setzen uns für das Recht auf Asyl und ein solidarisches Miteinander in der Migrationsgesellschaft ein.“

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands: „Es sind die Verletzlichsten unter uns, gegen die Rechte hetzen. Worauf sie abzielen, ist die Zerstörung unserer offenen, vielfältigen, toleranten Gesellschaft. Das werden wir nicht zulassen. Wir werden uns wehren.“

Eva Menasse, Schriftstellerin: „In dieser verrückten digitalen Welt bleibt die Straße der Ort, um Wirklichkeit zu zeigen. Wie viele Menschen sind in Zeiten von Fake News, Hetze und Hysterie noch immer unverbrüchlich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein friedliches, vereintes Europa? Jenseits aller Lebensstile und Meinungsverschiedenheiten? Ich glaube und hoffe, eine überwältigende Mehrheit. Diese Mehrheit muss sich endlich zeigen, mit Gesicht und Stimme. Am 13. Oktober.“ Aufruf #unteilbar (PDF) Erstunterzeichner*innen Spendenkonto
Elektronische Form (copy&paste): DE41370205005459545939
Papierform: DE41 3702 0500 5459 5459 39
BIC: BFSWDE33XXX (Sozialbank)
Inh.: Digitalcourage e.V. ]]>
Grundrechte unteilbar (doublet)
news-570 Fri, 10 Aug 2018 12:12:00 +0200 StN des RAV zum Referentenentwurf zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-referentenentwurf-zur-ergaenzung-der-regelungen-ueber-die-zulaessige-miethoehe-bei-mietbeginn-und-zur-anpassung-der-regelungen-ueber-die-modernisierung-der-mietsache-570 Stellungnahme, 10.8.2018 Rechtsanwältin Carola Handwerg, Berlin
Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Berlin
Rechtsanwalt Henrik Solf, Berlin
I. Mietpreisbremse

A. Ausgangslage
Die Wohnungsfrage rückt immer mehr in den Fokus der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Gerade in den Ballungszentren ist bezahlbarer Wohnraum rar. Der Zuzug in die Zentren erhöht den Druck auf die Wohnungsmärkte. In den letzten Jahrzehnten wurde zu wenig gebaut. Hier hat ein Prozess des Umdenkens zwar eingesetzt. Allerdings darf bezweifelt werden, ob die alleinige Fokussierung auf den Neubau die derzeitigen Probleme am Wohnungsmarkt lösen werden. Denn es fehlt vor allem an bezahlbaren Wohnraum.
Der Abbau des öffentlichen Sektors der Wohnraumbewirtschaftung, die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Einstieg in den Ausstieg des Sozialwohnungsbaus rächen sich nun. Aktuell setzt gerade die CDU/CSU auf die „heilenden“ Kräfte des Marktes. Private Investoren haben Interesse an einem möglichst hohen Gewinn. Da lohnt sich die Errichtung von preiswerten Wohnraums nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil des neuen Wohnraums in Form von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen entstehen(1). Gefördert wird dies durch das von der großen Koalition eingeführten Baukindergeld, das die Bildung von Immobilieneigentums fördert. Bezahlbarer Wohnraum wird auf diesem Wege dort wo er gebraucht wird kaum entstehen. Wir erleben derzeit die Konsequenzen jahrzehntelanger marktgläubiger Wohnungspolitik. Die vormals gängigen Modelle zur Schaffung und zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums schwächeln.
1. Sozialbauwohnungen

Die mit öffentlichen Fördermittel errichteten Sozialwohnungen gehen aus der Bindung und werden preisfrei. Zwar versuchen Bund und Länder, dem durch die Förderung des Baues neues Fördermittel entgegen zu wirken. Aber selbst ehrgeizige Vorhanden werden es noch nicht einmal schaffen, den jetzigen Stand an Sozialbauwohnungen zu halten.
2. Kommunaler Wohnungsbestand

Leider zeigen sich aktuell die Folgen des massenhaften Verkaufs kommunaler Wohnungsbestände Anfang der 2000-er Jahre. Mit ihnen haben die Kommunen ein wichtiges wohnungspolitisches Steuerungsinstrument aus der Hand gegeben. Nun sollen private Wohnungsunternehmen letztlich die Wohnungsfrage durch den Wohnungsneubau lösen. Die Kommunen haben immer weniger Wohnungen, die sie denjenigen Bürgern zur Verfügung stellen können, die auf dem freien Wohnungsmarkt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation keine Chance haben, Wohnraum zu erhalten. Zwar haben inzwischen einige Kommunen dieses Problem erkannt und verzichten auf den weiteren Verkauf ihrer Bestände, aber nur eine massive Ausweitung der kommunalen Bestände könnte Druck von den Wohnungsmärkten nehmen. Hier fehlt es nicht nur vielerorts an dem politischen Willen und vielleicht auch an Geld, sondern vor allem an bezahlbaren Grund und Boden.
3. Wohnungsgemeinnützigkeit
Gerade in Zeiten großer Wohnungsnot in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, aber auch nach dem zweiten Weltkrieg, spielten gemeinnützige Wohnungsunternehmen eine wichtige Rolle bei der Wohnraumversorgung. Leider hat die Kohlregierung Ende der 1980-er Jahre dieses Modell des steuerbegünstigten gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus abgeschafft und damit einen Teil der sozialen Steuerung des Wohnungsmarkts vernichtet.
Demgegenüber steht eine immer größere Anzahl von Menschen, die keine bezahlbare Wohnung mehr finden können. Schon jetzt haben in den Ballungszentren zwischen 40 und 50 % der Haushalte einen nur begrenzten Zugang zu dem Wohnungsmarkt. Dies lässt sich daran ablesen, dass diese nach berechtigt wären, aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation einen Wohnberechtigungsschein zu erhalten(2). Diese Personengruppe hat weder Chancen angemessenen Wohnraum zu bezahlbaren Bedingungen zu bekommen noch den Kredit zu erhalten, der sie in die Lage versetzen würde, eigenen Wohnraum zu errichten oder zu erwerben. Da hilft dann auch kein Baukindergeld.(3)
Vor diesem Hintergrund wird klar, dass ein starker Mieterschutz unerlässlich ist. Leider wird der soziale Mieterschutz vom BGH als Revisionsinstanz für das Mietrecht seit 2001 immer stärker eingeschränkt. Ein korrigierendes Eingreifen des Gesetzgebers wäre seit Jahren dringend erforderlich. Vor diesem Hintergrund wird der Referentenentwurf zu bewerten sein. Interessant an dem Entwurf ist, dass er viele Vorschläge, die die große Koalition noch in der vorherigen Legislaturperiode präsentiert hatte, nicht mehr weiterverfolgt. So wird sowohl der Reformbedarf des Kündigungsschutzes völlig ignoriert und auch vom Reformvorhaben zum Mietspiegel Abstand genommen. Ob die jetzt "abgespeckte" Version ausreichend ist, die Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen, erscheint daher mehr als zweifelhaft.
Neben einer Reform des Kündigungsrechts, einer Verschärfung der Mietenbremse und der Reform des Modernisierungsrechts bedarf es schließlich auch einer Reform des Miethöherechts. Neben der Kritik an der jetzt geplanten Reform, die wir schlicht für zu schwach halten, enthält unsere Stellungnahme zahlreiche Reformvorschläge und ergänzend dazu Vorschläge für die gesetzliche Umsetzung.
B. Begrenzung der Wiedervermietungsmiete

Der Referentenentwurf zur Verbesserung der Mietpreisbremse hat es sich zum Ziel gesetzt, das Instrument zur Dämpfung der Mieten zu verbessern.
Dies ist allerdings nur zum Teil gelungen. Die sich in der Praxis im Umgang mit der Mietpreisbremse ergebenen Probleme sind vielfältig. Der Referentenentwurf will jedoch nur die Rüge im Sinne des § 556 g BGB vereinfachen und den Vermieter zwingen, die Vormiete offen zu legen, um so den Mieter die Möglichkeit zu geben, seine Rechte besser wahrnehmen zu können. Dies allein reicht aber nicht. Die Offenbarungspflichten müssen erweitert, die Rügeobliegenheit sowie die Ausnahmetatbestände abgeschafft werden.
Die Mietpreisbremse knüpft zudem an die ortsübliche Vergleichsmiete an. Diese zu ermitteln, erweist sich in der Praxis regelmäßig als streitanfällig. Die Mietspiegel, die lange Jahre relativ sicher die Vergleichsmieten dargestellt haben, sind zunehmenden Angriffen von Großvermietern ausgesetzt und führen zu oft nicht mehr sicher kalkulierenden gerichtlichen Auseinandersetzungen. Eine Verschärfung der Mietpreisbremse bedarf zwingend einer Reform und Stärkung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dazu später unter 4. Sowohl zur Reform der Mietpreisbremse als auch zur Reform der Vergleichsmiete finden Sie in Anlage Gesetzesvorschläge.
1. Offenbarungspflicht Vormietermiete
Eine Verbesserung der derzeitigen Rechtslage stellt die Auskunftspflicht bezüglich der Vormiete dar und die Sanktion – nämlich der Verlust des Rechts des Vermieters, zumindest die Vormiete zu verlangen – dar. So kann der Mieter abschätzen, ob sich eine Rüge lohnt. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Offenbarungspflicht nicht auch für die übrigen Ausnahmen gelten soll. Der Streit über vorher durchgeführte einfache oder auch umfangreiche Modernisierungen ist oft sogar wesentlich aufwendiger und mit mehr Unsicherheiten behaftet, als der über die Vormietermiete, die sich recht einfach durch Vorlage eines Vertrages beweisen lässt. Die Offenbarung der Sachverhalte, die eine Ausnahme zur Mietenbremse rechtfertigen, dient auch der Streitvermeidung. Ist der Mieter bei Vertragsschluss über alle Umstände im Bilde, die eine Ausnahme von der Mietpreisbremse rechtfertigen, kann er auch besser eine Entscheidung über die Anmietung treffen. Stellt er fest, dass aufgrund der Ausnahmetatbestände die Miete trotz Mietpreisbremse für ihn nicht tragbar ist, kann eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung treffen.
Wegen der unvorhersehbaren Probleme mit der Miethöhe kann sich der Mieter derzeit nie sicher sein, ob eine Rüge der Miethöhe zum gewünschten Erfolg führen wird. Schützenswert sind aber auch diejenigen Mieter, die zwar die zulässige Miete, aber nicht die überhöhte Miete zahlen können. Hier muss eine stärkere Sicherheit für die Mietenden hergestellt werden. Wenn man eine Offenbarungspflicht einführt, dann muss sich diese also auf alle Umstände beziehen, die für die Geltendmachung der Mietpreisbremse von Bedeutung sind.
2. Herabsetzung der Hürden für die Rüge nach § 556 g BGB
Das derzeitige Rügeverfahren ist zu kompliziert, es schützt nur den unredlichen Vermieter und verbaut den Zugang zum Recht.
Zunächst ist die Mietpreisbremse ein zivilrechtlicher Ansatz, der derzeit allein zwischen den Vertragsparteien wirkt. Sie setzt insbesondere den informierten und engagiert für seine Rechte eintretenden Mieter voraus. Eines der Haupthindernisse bei der Umsetzung der Mietenbremse ist tatsächlich die in § 556 g Absatz 2 BGB geregelte Rügeobliegenheit des Mieters. Er muss den Vermieter auf die überhöhte Miete hinweisen und kann erst ab diesem Zeitpunkt die überhöhte Miete zurück verlangen. Welcher Neumieter möchte sich aber gerne gleich nach Einzug mit seinem Vermieter anlegen? Wer kennt – ohne rechtliche Beratung – die Anforderungen, die an die Realisierung des Rückforderungsanspruchs zu stellen sind? Dies erkennt der Gesetzesvorschlag zwar an und schraubt die Anforderungen an die Rüge herunter. Notwendig soll nunmehr nur noch die einfache Rüge sein. Durch die vorgesehene Streichung des § 556 g Absatz 2 Satz 2 BGB müsste der Mieter zukünftig nicht mehr die Tatsachen darlegen, auf denen seine Beanstandung beruht. Er soll die Höhe der seines Erachtens höchstzulässigen Wiedervermietungsmiete nicht mehr im Einzelnen darstellen müssen. Dies enthebt ihn von der Pflicht, die Miete genauer ermitteln zu müssen.
Das grundsätzliche Problem der Rügeobliegenheit löst die Regelung jedoch nicht. Allein die Beanstandung der Miethöhe ist ein „unfreundlicher“ Akt, der Hürden für den Mieter aufstellt. Zudem ist diese Rüge zwingende Voraussetzung, dass der Mieter überhaupt erst mit einer Herabsetzung der Miete rechnen kann. Dies privilegiert den rechtsschutzversicherten, informierten Mieter. Je länger der Mieter mit seiner Rüge wartet, desto besser für den Vermieter. Denn er behält die rechtswidrig überhöhte Miete für den Zeitraum bis zur Rüge. Eine sachliche Rechtfertigung für dieses Geschenk an unredliche Vermieter ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund ist die Rügeobliegenheit schlicht zu streichen. So kann der Mieter ggf. sogar noch nach Ende des Mietverhältnisses überhöhte und noch nicht verjährte Mieten zurückfordern. Der Vermieter, der hiermit rechnen muss, wird sich sehr wohl überlegen, ob er eine Miete verlangt, die die zulässige Miete nach der Mietpreisbremse übersteigt.
Aus diesem Grunde sollte die gesamte Vorschrift (§ 556 g Absatz 2 – 4 BGB) gestrichen werden. So kann der Mieter ggf. auch rückwirkend bis zum Vertragsbeginn die zu viel gezahlte Miete zurückverlangen.
3. Effektive Verschärfung der Mietpreisbremse
Insgesamt wird die Mietpreisbremse aber nicht nur wegen der komplizierten Rügeobliegenheit ihren Ansprüchen nicht gerecht. Einen Gesetzesvorschlag zur Reform der §§ 556 d folgende fügen wir bei.
Die Mietenbremse wurde 2015 mit dem Versprechen eingeführt, die Wiedervermietungsmieten zu begrenzen. Der Vermieter soll bei Abschluss neuer Mietverträge keine Miete vereinbaren können, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % übersteigt. Es ist notwendig, die Mietenbremse zu reformieren und effektiver zu gestalten. Hierzu sind folgende Änderungen im Gesetz erforderlich:

a. Zeitliche Entfristung
Derzeit sind die Regelungen in §§ 556 d ff BGB bis zum 31.12.2020 zeitlich befristet. Diese Befristung soll gestrichen werden.
§ 556 d Absatz 2 BGB bestimmt, dass die Landesregierungen Gebiete ausweisen können, in denen die Mietenbremse gelten soll, sofern die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Verträge und auch Staffelmietvereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten einer solchen Verordnung im jeweiligen Gebiet abgeschlossen worden sind, bleiben uneingeschränkt wirksam (§ 35 Absatz 1 EGBGB) und Erhöhungen, die schon vor Auslaufen der Regelung vereinbart werden, aber erst nach dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Verordnung oder der gesetzlichen Ermächtigung eintreten, sollen wirksam sein (§ 35 EGBB in der Fassung vom 8.2.2016, BGBl. 2016 Teil I S. 1594). Die Verordnung ist nach dem Gesetz befristet für maximal 5 Jahre zu erlassen. Das ist durchaus sinnvoll, damit gegen Ende dieser Zeit evaluiert wird, ob die Verlängerung der Schutzverordnung angemessen ist.
Hingegen muss aber das Gesetz selbst in der Weise geändert werden, dass die Ermächtigung auch weiter gilt, wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird. Sollte sich tatsächlich der Wohnungsmarkt soweit entspannen, dass die Mietpreisbremse für das einzelne Gebiet oder auch für alle Gebiete nicht mehr nötig ist, dann wäre nur jeweilige Landesverordnung aufzuheben oder sie tritt mit Zeitablauf außer Kraft. Es kann jedoch nicht sein, dass bei erneuter Anspannung von Wohnungsmarktverhältnissen in einzelnen Gebieten immer erst noch wieder auf die Initiative des Bundesgesetzgebers gewartet werden muss. Gerade die Entwicklung der letzten Jahre belegt, dass eine drohende Zuspitzung der Wohnungsmangellage oft von den Experten vor Ort längst belegt war, der Gesetzgeber aber erst mit großer zeitlicher Verzögerung reagierte. So war ein erheblicher Teil der nachteiligen Entwicklung nicht mehr rückgängig zu machen. Die Landesverordnungsgeber können stattdessen deutlich flexibler reagieren.

b. Streichung der Einschränkungen, § 556 e BGB
Gegenwärtig kann der Vermieter, der mit dem Vormieter eine höhere Miete als die nach § 556 d Absatz 1 BGB zulässige Miete vereinbart hatte, vom Nachfolgemieter diese überteuerte Vormietermiete verlangen. Dies privilegiert den unredlichen Vermieter und benachteiligt den Vermieter, der sich schon bisher bemühte, im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben. § 556 e Absatz 1 BGB ist daher ersatzlos zu streichen.
Ebenfalls kann der Vermieter nach der derzeitigen Fassung der Mietpreisbremsenregelung Kosten von Modernisierungsmaßnahmen, die er in den letzten drei Jahren vor der Wiedervermietung durchgeführt hat, fiktiv auf die höchstzulässige Miete entsprechend § 559 BGB aufschlagen. Dies betrifft einerseits den Fall, dass der Vermieter während der Mietzeit des Vormieters Modernisierungsmaßnahmen ausgeführt hat, aber vom Vormieter einen entsprechenden Modernisierungszuschlag nicht verlangt hat. Andererseits wäre die Einschränkung anzuwenden, wenn der Vermieter die erhöhte Miete zwar verlangt, der Vormieter diese aber nicht gezahlt hat. Und Drittens wäre die Einschränkung anzuwenden, wenn der Vermieter die Modernisierung erst durchgeführt hat, nachdem der Vormieter die Wohnung verlassen hat.
Wir halten insgesamt die Mieterhöhung nach § 559 BGB für systemwidrig. Sie bietet einen fatalen Anreiz, Mieter durch Androhung von Modernisierungsmaßnahmen zum Auszug zu drängen. Da Modernisierungsmaßnahmen definitionsgemäß zu einer besseren Ausstattung der Wohnung führen, wird sich eine relevante Verbesserung auch in der ortsüblichen Vergleichsmiete niederschlagen. Das reicht für den sorgfältig wirtschaftenden Vermieter aus und vermeidet andererseits die beschriebenen Fehlanreize. Daher soll diese Privilegierung in § 556 e Absatz 2 BGB ebenfalls gestrichen werden.

c. Streichung der Ausnahmen, § 556 f BGB

Die Mietpreisbremse gilt nach der derzeitigen Regelung nicht für Neubauten und für umfassend modernisierte Bestandsbauten.
Gerechtfertigt ist allerdings allein die Freistellung der Neubauwohnungen in den ersten zwei Jahren, da die Mieten für Neubauten in dieser Zeit noch nicht in den Mietspiegel einfließen, eine ortsübliche Vergleichsmiete somit nicht feststellbar ist. Nach Ablauf dieser Zeit bildet sich aber die ortsübliche Miete auch für Neubauwohnungen im Mietspiegel ab, der alle zwei Jahre zu aktualisieren ist.
§ 556 f Satz 1 BGB ist daher so zu ergänzen, dass nur die Erstvermietung innerhalb der ersten zwei Jahre von der Mietpreisbremse freigestellt wird.
Hingegen muss die Freistellung der umfassend modernisierten Bestandswohnungen entfallen. Es gilt wie vorstehend: Eine umfassend sanierte Wohnung hat eine deutlich höhere ortsübliche Vergleichsmiete, hierüber kann der Vermieter, wenn ein relevanter Zusatznutzen geschaffen worden ist, seine Investitionen refinanzieren. Das muss ausreichen. Die Privilegierung umfassend modernisierter Wohnungen bei der Neuvermietung schafft einen zusätzlichen Anreiz, Mieter mit Modernisierungsandrohungen aus ihren Wohnungen zu vertreiben. § 556 f Satz 2 BGB ist daher zu streichen.

d. Reaktivierung des § 5 WiStrG neben der Mietpreisbremse
Allerdings wird man dem Anspruch einer Mietendämpfung nur dann gerecht werden können, wenn man die Frage der Mietpreisüberhöhung nicht allein den Vertragsparteien überlässt. Vielmehr muss die Mietpreisüberhöhung für den Vermieter bußgeldbewehrt bleiben und so dem Staat die Möglichkeit geben, unabhängig von dem Willen des einzelnen Mieters gegen Mietpreisüberhöhung vorzugehen. Eine unzulässige Mietpreisüberhöhung muss bußgeldbewehrt und in besonders verwerflichen Fällen strafbar sein.

aa. Ausgangslage
Dies ist eigentlich bereits jetzt schon gesetzlich vorgesehen.
§ 291 StGB bestimmt, dass Mietwucher bestraft wird. Wenn die Miete in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht – in der Regel bei Überschreitung der ortsüblichen Miete um mehr als 50 % – und der Vermieter hieran nicht schuldlos ist, macht er sich strafbar. Daneben gibt es die Vorschrift des § 5 WiStrG. Sie bestimmt, dass die Vereinbarung über eine Miethöhe, die 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, dann unwirksam ist, wenn der Vermieter hierbei das geringe Wohnungsangebot und damit die Zwangslage der Mieter ausnutzt.
Bis zum Beginn dieses Jahrtausends ließen sich die beiden Sanktionsnormen dahingehend unterscheiden, dass die strafrechtliche Norm stärker die individuelle Lage des einzelnen Mieters im Fokus hatte. Wird seine Notlage ausgenutzt und steht die Leistung und die Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis (i.d.R. Miete 50 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete) ist dies strafbar. Demgegenüber hebt das Wirtschaftsstrafgesetz auf die Knappheitssituation am Wohnungsmarkt ab.4 Bis zur Entscheidung des BGH im Jahre 2004 ging man davon aus, dass die § 5 WiStrG als Ordnungswidrigkeitsnorm weniger den einzelnen Mieter, als vielmehr die Wohnungsmarktordnung im Interesse der Allgemeinheit vor sog. Ausreißern auf dem Mietpreissektor schützen sollte.(5)
Dies hat sich mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004 (Versäumnisurteil vom 28.01. 2004 - VIII ZR 190/03) geändert. Der BGH sieht es für die Erfüllung des § 5 WiStrG nunmehr als Voraussetzung an, dass die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete ursächlich war. Dazu müsse der Mieter darlegen und ggf. beweisen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen ist (BGH a.a.O.). Hierbei sei der Mieter bei der Suche auf das gesamte Stadtgebiet zu verweisen (BGH Urteil vom 13.04. 2005 - VIII ZR 44/04), der Mangel müsse in den qualifizierten Teilmärkten vorliegen (BGH a.a.O.). Diese Auslegung des § 5 WiStrG durch den BGH, weg von der typischen Preisvorschrift, hat in der Praxis aufgrund der enormen Hürden für die Darlegung auf Mieterseite letztlich zu einer Entwertung geführt. Kaum ein Mieter wird in der Lage sein, dies substantiiert vorzutragen. Zumal der BGH das Merkmal des Ausnutzens in § 5 WiStrG als das bewusste Zunutze machen einer für den anderen Teil ungünstigen Lage ausgelegt hat (BGH a.a.O.). Einen Beweis dieser inneren Tatsache kann der Mieter so gut wie nie führen. Mit dieser Rechtsprechung gleicht der § 5 WiStrG immer stärker dem Wuchertatbestand des § 302 StGB und teilt mittlerweile dessen Schattendasein.

bb. Lösung durch Reform des § 5 WiStrG
Vor diesem Hintergrund sollte § 5 WiStrG durch die Streichung des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“ reaktiviert werden. An diesem Tatbestandsmerkmal macht der BGH seine restriktive Rechtsprechung fest. Um der Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen, sollte eine Teilgebietsbetrachtung bezüglich des Vorliegens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum durch eine entsprechende Änderung des Gesetzes ermöglicht werden. Diesbezüglich hatte der Hamburger Senat in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzesvorschlag (BR Drs. 176/139) eingebracht. Zusätzlich sollte die bereits seit Jahren bestehende Forderung aufgegriffen werden und klargestellt werden, dass im Falle der Mietpreisüberhöhung nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete und nicht – wie es die derzeitige Rechtsprechung (BGH Rechtsentscheid vom 11.01.1984 - VIII ARZ 13/83) annimmt – die höchste gerade noch zulässige Miete gefordert werden kann.(6) Denn diese Regelung privilegiert den ordnungswidrig Handelnden. Im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums schützt Art. 14 GG jedoch nicht ein Recht des Vermieters auf höchstmögliche Rendite.(7)
Wenn man die übrigen Teile der Regelung unverändert lässt, garantiert § 5 Absatz 2 Satz 2 WiStrG für den Vermieter einen ausreichenden Schutz. Kann der Vermieter nachweisen, dass die Miete zur Deckung laufenden Aufwendungen für die Mietsache nicht ausreicht, kann die Wesentlichkeitsgrenze des § 5 Absatz 2 Satz 1 WiStrG sanktionslos überschritten werden. Damit sind die Interessen des Vermieters ausreichend gewahrt.
Die Verbesserung des § 5 WiStrG hätte auch den großen Vorteil, dass man hier keine neuen Wege gehen müsste. § 5 WiStrG war in der bisher gültigen Fassung und unter Berücksichtigung der damaligen Rechtsprechung bereits mehrfach auch verfassungsrechtlich auf dem Prüfstand, ohne dass es hier Beanstandungen gegeben hätte. Die seinerzeitige Initiative des Hamburger Senats hatte einzig und allein das Ziel, die Rechtslage vor den Entscheidungen des BGH aus den Jahren 2004 und 2005 wiederherzustellen. Wenn man den Wohnungsmarkt vor Überhitzung schützen und bezahlbaren Wohnraum auch für ärmere Mieter erhalten will, ist eine effektive Sanktionsnorm notwendig. Um hier Streit über die Miethöhe zu vermeiden, sollte eine Beweisvermutung dahingehend aufgenommen werden, dass von einem Vorliegen eines geringen Wohnungsangebots auszugehen ist, wenn die Wohnung in einer Region gelegen ist, in der die Mietpreisbremse gilt.
Der nach § 5 WiStrG unredliche Vermieter sollte nur noch die ortsübliche Miete und nicht – wie bisher – die um 20 % überhöhte Miete verlangen können. Bei einem Verstoß gegen § 5 WiStrG muss der Mieter die Möglichkeit haben, die Mieten zurück zu verlangen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Nur diese verschärfte Sanktion kann die effektive Durchsetzung der Norm garantieren.

cc. Mietpreisbremse und verbesserter § 5 WiStrG

Auch mit einer reformierten Mietenbremse, wie hier vorgeschlagen, wäre trotzdem § 5 WiStrG erforderlich. Sie begrenzt die Miethöhe in den Fällen, in denen keine Mietenbegrenzung gilt. Das ist insbesondere in den Fällen wichtig, in denen die Mietenbremse grundsätzlich nicht gilt (kein Gebiet mit ausgewiesener Wohnungsnot) oder wenn – wie bei der Indexmiete – die Vergleichsmiete bei Miete.
Da die Ausnahmen zur Mietenbremse im Übrigen entfallen, ergibt sich dann folgende klare Regelungsstruktur: Der Vermieter darf unter keinen Umständen eine Miete fordern, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % übersteigt. Überschreitet er sogar diese Grenze, gilt jegliche Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete als rechtswidrig, egal ob sie durch eine Wiedervermietung oder durch eine Mieterhöhung erreicht wurde. Die Pflicht zur Herausgabe an den Mieter oder zur Abführung sämtlicher Beträge, die die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigen, vermeidet den bisher durch das Gesetz gegebenen Anreiz, die 20 %-Marge auszureizen.
4. Reform des Rechts zur Ermittlung der Vergleichsmiete

Qualifizierten Mietspiegeln droht wegen der Auseinandersetzungen über deren Erstellung ein Bedeutungsverlust. Dem kann durch Festlegung der Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels in einer Satzung oder Rechtsverordnung begegnet werden. Dabei sollte die Vermutungswirkung qualifizierter Mietspiegel gestärkt und der Bedeutung eines Sachverständigengutachtens gleichgestellt werden.
Die ortsübliche Vergleichsmiete spielt derzeit sowohl bei der Grundmieterhöhung als auch bei der Mietpreisbremse eine wichtige Rolle. Die Miete darf nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. Bei Neuvermietung darf der Vermieter keine Miete verlangen, die mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. In der Praxis wird die ortsübliche Vergleichsmiete über die Mietspiegel abgebildet. Aus diesem Grunde rücken diese in das Zentrum der Auseinandersetzung.

a. Einbeziehung aller Mieten in die Ermittlung der Vergleichsmiete

Derzeit werden bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nur die Mieten einbezogen, die in den letzten vier Jahren vereinbart oder verändert worden sind.
Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich – von der Grundidee her – um die Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es sind daher nicht nur die in jüngerer Zeit neu vereinbarten Mieten zu berücksichtigen, sondern auch die unveränderten Bestandsmieten, die offenbar von diesen Vermietern als auskömmlich und nicht unangemessen angesehen werden. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind Änderungskündigungen ausgeschlossen. Die Vermieter dürfen nicht kündigen, um einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wird ihnen das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappungsgrenze von 15 bzw. 20 % bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen. Das kann nicht die Neuvermietungsmiete sein, denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen würde. Dann hätte man sich dieses Verbot schlicht sparen können.
Daher ist die ortsübliche Vergleichsmiete nicht nur die bei Neuvermietung erzielbare Miete, sondern die Miete, die für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermieter soll das bekommen, was die anderen Vermieter – im Schnitt – auch an Miete erhalten. In dieser ortsüblichen Vergleichsmiete müssen allerdings auch wirklich alle Mieten enthalten sein, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten.
Nach aktueller Gesetzeslage sollen hingegen bei der Ermittlung der Vergleichsmiete nur diejenigen Mieten eine Rolle spielen, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Die Mieten, die also schon lange nicht erhöht worden sind, finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Eine inhaltliche Rechtfertigung dafür gibt es jedoch nicht. Diese systemwidrige Beschränkung wird seit Jahren immer wieder von der Mieterseite kritisiert. Das BMJV hatte in der letzten Legislaturperiode einen Vorschlag zur Reform der Vergleichsmiete erarbeitet und empfohlen, den Zeitraum zumindest von 4 auf 10 Jahre zu erhöhen. Konsequent ist es jedoch, alle Mieten einzubeziehen. Dies sollte auch so geregelt werden.

b. Stärkung des qualifizierten Mietspiegels
aa. Die Rechtslage
Die ortsübliche Vergleichsmiete – Orientierung für Mieterhöhung und Mietenbremse – wird in der Praxis entweder durch Sachverständigengutachten oder durch einen Mietspiegel ermittelt. Zwar kann der Vermieter sein Mieterhöhungsverlangen auch mit Vergleichswohnungen oder einer Auskunft aus einer Mietdatenbank begründen. Für den Beweis der ortsüblichen Vergleichsmiete im Prozess ist jedoch entweder ein Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten heranzuziehen.
Man unterscheidet weiter zwischen einem sog. einfachen und einem qualifizierten Mietspiegel. Während der einfache Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete ist, die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist und alle zwei Jahre an die Marktentwicklung angepasst werden muss, setzt ein qualifizierter Mietspiegel gem. § 558 d BGB zudem voraus, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von den Gemeinden oder von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt wurde.
Gem. § 558 d Absatz 3 BGB wird vermutet, dass bei Einhaltung des Verfahrens zur Erstellung des qualifizierten Mietspiegels die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Durch diese Vermutungswirkung erlangt der qualifizierte Mietspiegel große praktische Bedeutung, da mit ihm die ortsübliche Vergleichsmiete anwenderfreundlich und rechtsverbindlich ermittelt werden kann. In der Vergangenheit konnte der qualifizierte Mietspiegel so seine streitbefriedende Funktion erfüllen.
Über 97 % der mit einem Mietspiegel begründeten Mieterhöhungsverlangen wurden bislang außergerichtlich erledigt(8) – eine ansehnliche Quote. Doch kann die Vermutungswirkung angegriffen werden. Auch wenn ein Mietspiegel als qualifizierter Mietspiegel erstellt und seitens der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden ist, obliegt dem Gericht die Überprüfung, ob die Anforderungen des § 558 d Absatz 1 BGB eingehalten wurden, sofern dies von einer Vertragspartei bestritten wurde (BGH Urteil vom 21.11.2012 – VIII ZR 46/12). Dabei muss die Partei, die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in Abrede stellt, im Rahmen des Möglichen substantiierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringen. Gelingt dieser substantiierte Angriff, führt dies zu einer asymmetrischen Beweislastverteilung. Denn nun muss derjenige, der sich auf einen qualifizierten Mietspiegel beruft (in der Regel der Mieter), die Qualifiziertheit vollumfänglich beweisen.
Dieser Beweis kann faktisch nur durch ein Sachverständigengutachten geführt werden, was zu einer erheblichen Kostensteigerung im gerichtlichen Verfahren führt. Dieses unberechenbare Prozesskostenrisiko verursacht eine große Verunsicherung auf Seiten der Mieter, die daher die gerichtliche Auseinandersetzung über eine unberechtigte Mieterhöhung zunehmend scheuen. Hinzu kommt die fatale Folge, dass die mit viel Aufwand und hohen Kosten für die Gemeinden aufgestellten Mietspiegel ihre Vermutungswirkung verlieren und dann die Vergleichsmieten mittels einfacher Sachverständigengutachten ermittelt werden, die sich oft nur auf einige wenige vergleichbare Wohnungen stützen, teilweise in handwerklich schlechter Qualität erarbeitet und dann zur Ermittlung der Vergleichsmiete herangezogen werden. Ein höchst unbefriedigendes Ergebnis.

bb. Die Kritik
Spätestens seit gegen den Widerstand der Wohnungswirtschaft die Mietpreisbremse eingeführt wurde, nehmen die Angriffe vor allem großer Wohnungsunternehmen auf die Mietspiegel zu. Versucht wird, Mietspiegeln die Eigenschaft als qualifizierte Mietspiegel abzusprechen, um auf diese Weise an den Beschränkungen der ortsüblichen Vergleichsmiete vorbei größere Mieterhöhungspotentiale realisieren zu können. Allein die Zahl der veröffentlichten Berliner Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema füllt mittlerweile ganze Bände. Dadurch wird der Berliner Mietspiegel in seiner Bedeutung zunehmend geschwächt, so dass die Gefahr besteht, dass zukünftig für die Begründung von Mieterhöhung auf andere Begründungsmittel zurückgegriffen wird.
Um die Bedeutung qualifizierter Mietspiegel wieder zu stärken, müssen zum Einen Maßstäbe definiert werden, deren Einhaltung unstrittig zur Eigenschaft „qualifizierter Mietspiegel“ führen. Zum Anderen ist die Bedeutung qualifizierter Mietspiegel hervorzuheben, indem ihre Beweisfunktion gestärkt wird.

cc. Der Entwurf
Hier muss eine Reform ansetzen. Dies hat das BMJV mit seinem Vorschlag vom April 2016 auch versucht. Dieser an sich begrüßenswerte Versuch ging allerdings nicht weitgehend genug. Eine wirksame Regelung sollte folgende Elemente enthalten.

(a) Definition der wissenschaftlichen Grundsätze

Die wissenschaftlichen Grundsätze waren immer wieder Streitpunkt zwischen Juristen, Statistikern und Verbandsvertretern. Im Sinne eines transparenten Verfahrens und einer praktikablen Entscheidungshilfe für die Prüfung, ob die wissenschaftlichen Grundsätze eingehalten worden sind, bedürfen insbesondere folgende Punkte einer genaueren Definition:
Größe der Stichprobe: Es werden unterschiedlichste Ansichten zu der Frage vertreten, welche Anzahl an Daten für eine repräsentative Stichprobe erforderlich sind. Die sicherste Methode wäre eine Vollerhebung, die auf Grund des Kostenaufwands in der Praxis ausscheidet. Doch sollte ggf. eine Mindestanzahl an Datensätzen (ggf. im Verhältnis zur Einwohnerzahl) definiert werden. In engem Zusammenhang mit der Repräsentativität der Stichprobe steht auch das Antwortverhalten der befragten Teilnehmer, die zu einem geringen Rücklauf führt und somit ebenfalls Kritik an der Datenerhebung laut werden lässt. Diesem Problem wäre über eine Verpflichtung zur Beantwortung (wie bei den Zensusbefragungen) zu begegnen.
Diskutiert wird auch, Daten bei Abschluss eines Mietvertrages an eine zentrale Stelle zu melden, um auf diese Weise einen Datenpool zu generieren, aus dem Daten für Erhebungen zu Mietspiegeln gezogen werden könnten
Extremwertbereinigung: Es gibt verschiedene Verfahren der Extremwertbereinigung (box-plot-Methode, Interquartilsabstand etc.). Erwägenswert wäre, ein oder zwei Methoden zu bestimmen, bei deren Anwendung die Einhaltung der wissenschaftlichen Grundsätze legaldefiniert wird. Bei wissenschaftlichem Fortschritt (etwaige weitere oder feinere Methoden), könnte dieser geprüft und dann ggf. in der Verordnung aufgenommen werden.
Spanne: Die Spanne bildet den Rahmen für die erhobenen Mietwerte, die die ortsüblichen Mieten darstellen. Die Größe der Spanne kann damit einen spürbaren Effekt auf die im Mietspiegel dargestellten Daten haben. Die Spanne wird nicht gesetzlich definiert, sondern politisch gesetzt. Während die Vermietervertreter eine möglichst große Spanne favorisieren bzw. eine Spanne für entbehrlich halten, sind aus Sicht der Mietervertreter Spannen unabdingbar, um vereinzelt überhöhte Mieten aus der Darstellung der ortsüblichen Vergleichsmieten auszuklammern, da sie mit der Üblichkeit der Miethöhe nichts zu tun haben. Es bedarf somit einer Klarstellung, dass es trotz Extremwertbereinigung einer Spannenbildung bedarf. Darüber hinaus sollte die Spanne definiert werden.(9)
Mittelwert: Beim Mittelwert werden zwei Methoden diskutiert: Der Median oder das arithmetische Mittel. Der Median ist der Wert, der an der mittleren (zentralen) Stelle steht, wenn man die Werte der Größe nach sortiert. Das arithmetische Mittel ist derjenige Mittelwert, der als Quotient aus der Summe der betrachteten Zahlen und ihrer Anzahl berechnet ist. Im Rahmen der Definition der wissenschaftlichen Grundsätze sollte eine Festlegung auf den Median als Mittelwert erfolgen. Die Definition sollte – wie vom BMJV 2016 vorgeschlagen – über eine Rechtsverordnung geschehen. Die gesetzliche Grundlage und die Rechtsfolgen müssen ins BGB aufgenommen und dort ausgestaltet werden.

(b) Beweisfragen
Die ortsübliche Vergleichsmiete kann über einen Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten bewiesen werden. Der qualifizierte Mietspiegel – von den Gemeinden nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt und von der Behörde oder den Verbänden anerkannt – gilt als überlegenes Beweismittel. Es wird vermutet, dass die im so aufgestellten Mietspiegel abgebildeten Mieten die ortsübliche Vergleichsmiete tatsächlich wiedergeben.
Wie bereits dargestellt, sehen sich gerade in der jüngsten Vergangenheit die Mietspiegel immer wieder juristischen Angriffen ausgesetzt. In Berlin sollen die letzten Mietspiegel nicht qualifiziert sein, da sie nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden sein sollen. Ob nun ein Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt wurde, wird derzeit bei einem qualifizierten Angriff derjenigen Partei, für die die Mietspiegelwerte ungünstig sind (i.d.R. für die Vermieter), im Rahmen einer Beweisaufnahme vom Gericht entschieden, das über die ortsübliche Vergleichsmiete im konkreten Einzelfall zu befinden hat. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze nicht eingehalten sind, verliert der Mietspiegel seine Qualifizierung. Die Vermutung, dass die Mietspiegelwerte die ortsübliche Miete abbilden, entfällt dann. Dies führt dann dazu, dass die Vergleichsmiete entweder über ein teures Sachverständigengutachten ermittelt oder der Mietspiegel als Schätzgrundlage verwandt wird. Ob letzteres die Beurteilung durch den BGH besteht, bleibt abzuwarten. Wenn man sich allerdings überlegt, mit welchen Kosten und mit welchem Aufwand die Mietspiegel erstellt werden und welche Datenmengen darin verarbeitet werden, wird schnell klar, dass allein aufgrund der weitaus breiteren Datengrundlage die im Wege der Mietspiegelerstellung ermittelte ortsübliche Miete weit bessere Ergebnisse abliefern muss, als Sachverständigengutachten, die sich in der Regel auf eine Datengrundlage von Wohnungen im einstelligen Bereich beschränken.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, neben der oben bereits dargestellten Definition der wissenschaftlichen Grundsätze die Beweisregel in Bezug auf den Mietspiegel zu verbessern. Wir schlagen daher vorher, eine gestufte Beweisvermutung einzuführen. Es soll grundsätzlich dabei bleiben, dass ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellter Mietspiegel, der von den Interessenverbänden (Vermieter und Mieter) oder der Behörde anerkannt wurde, die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt. Darüber hinaus sollte gesetzlich vermutet werden, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, wenn die Interessenverbände und die Behörde den Mietspiegel anerkennen.
Die Beweisvermutung führt gem. § 292 ZPO dazu, dass die unter Beweis gestellte Tatsache (hier also die ortsübliche Vergleichsmiete oder die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze) als bewiesen gilt. Es sei denn, dass der Beweisgegner (i.d.R. der Vermieter) im Einzelfall das Gegenteil beweist. Gerade wenn sowohl Interessenvertreter der Vermieter als auch der Mieter den Mietspiegel anerkennen, kann man davon ausgehen, dass nicht nur die ermittelten Mieten, sondern auch die Aufstellung des Mietspiegels selber ordnungsgemäß erfolgt sind. Ein Gegenbeweis bleibt aber möglich.
Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, den nach Landesrecht für die Aufstellung der Mietspiegel zuständigen Behörden die Möglichkeit einzuräumen, Mietspiegel als lokale Norm für verbindlich zu erklären. Der Behörde soll möglich sein, den Mietspiegel als Satzung bzw. Rechtsverordnung zu erlassen, sofern nach ihrer Prüfung die Regeln bei der Aufstellung eingehalten wurden und die Interessenverbände zugestimmt haben. In diesem Fall würde das Zivilgericht, das über die ortsübliche Miete zu befinden hat, inzident prüfen, ob der Mietspiegel ordnungsgemäß aufgestellt worden ist. In Bundesländern, die über eine Verordnung nach § 47 VwGO verfügen, könnte zudem eine Normkontrolle angestrengt werden. Die doppelte Beweisvermutung und die Möglichkeit durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden die Mietspiegel für verbindlich zu erklären, sollen für mehr Sicherheit im Streit über die richtige Miethöhe sorgen.
II. Regelungen zur Modernisierung der Mietsache
Der Gesetzentwurf nimmt die seit Jahren bestehende Forderung nach einer Senkung der Modernisierungsumlage in § 559 BGB auf. Mieterhöhungen durch Modernisierungsmaßnahmen gibt es bereits seit den 1950-er Jahren. Sie bedurften aufgrund der damals weitgehend geltenden Mietpreisbindung der Zustimmung der Behörden und bewegten sich zwischen 6 und 15 %. Sie sollten zunächst dazu dienen, die Wohnungen, die zum Teil noch Etagentoiletten und keine Bäder aufwiesen, mit einem höheren Wohnkomfort auszustatten. Zutreffend weist die Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfes darauf hin, dass es 1974 zur Einführung des Miethöhegesetzes und damit zunächst zu einer Modernisierungsumlage von 14 % kam, die 1978 auf 11 % gesenkt wurde. Diesen Werten lag 1974 ein durchschnittlicher Zinssatz für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke von 10,44 Prozent zugrunde, der sich 1978 bereits auf 6,39 Prozent abgesenkt hatte. Aus einer Absenkung der Kreditzinsen von ca. 4 % folgte eine Absenkung der Modernisierungsumlage um 3 %.
Die Begründung des Gesetzesentwurfes weist darauf hin, dass seit 1978 der Umlagesatz konstant geblieben ist, obwohl das Zinsniveau so stark gesunken ist, dass im Januar 2018 der Zinssatz für nicht besicherte Wohnungsbaukredite an private Haushalte nur noch 1,65 % betrug.
Das Bundesministerium für Justiz hat erkannt, dass die Modernisierungsmieterhöhung dem Vermieter die Möglichkeit bietet, die Mieten ohne eine Begrenzung nach oben zu erhöhen. Der Vergleich mit den dargestellten Zinssätzen für Spareinlagen zeigt, dass sich hier für den Vermieter eine Gelegenheit bietet, eine Rendite zu erwirtschaften, die ihresgleichen sucht. Insbesondere in der Kombination mit der Umwandlung von Häusern in Wohnungseigentum und dem Verkauf dieser Wohnungen steigt diese Rendite in schwindelerregende Höhen. Wir haben in unserer Broschüre "Preistreiber Modernisierung"(10) einige Beispiele angeführt, in denen die Mieten um bis zu 233 % nach Abschluss der Maßnahmen steigen sollte. Es ist nicht verwunderlich, dass es sich hierbei um Häuser handelt, in denen mehr als 90 % der Mieter bereits vor Beendigung der Baumaßnahmen ausgezogen sind.
Die diesbezüglich von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zum Schutz der Mieter vor Verdrängung aus ihren Wohnungen, insbesondere auch zum Schutz von Familien vor Verdrängung aus ihrem gewohnten Wohnumfeld sind nicht einmal halbherzig zu nennen und werden ihr Ziel daher nicht erreichen.
1. Absenkung der Modernisierungsumlage
Wie bereits geschildert, sind die Zinssätze für Hypothekarkredite bzw. Wohnungsbaukredite enorm gesunken, von 10,44 % im Jahr 1974 auf 1,65 % im Januar 2018. Der Logik der Begründung des Gesetzesentwurfs folgend, müsste sich die Modernisierungsumlage von 14 % im Jahr 1974 auf 5 % im Jahr 2018 absenken. Das sieht der Gesetzesentwurf jedoch nicht vor. Geplant ist es, die Modernisierungsumlage gem. § 559 BGB lediglich auf 8 %, und das nur in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt und nur befristet für 5 Jahre abzusenken.
Die geplante Regelung geht nicht weit genug.
Sie sichert den Vermietern weiterhin eine Rendite, die weit über dem dargestellten Zinssatz für Spareinlagen von zur Zeit 0,17 % liegt und das einseitig zu Lasten der Mieter. Insbesondere die sog. energetischen Modernisierungsmaßnahmen, wie Fassadendämmung, der Einbau einer neuen Heizanlage oder neuer Fenster, die in der Regel nicht mit einer Wohnwerterhöhung einhergehen, sondern dem Klimaschutz dienen, erfolgen zu Lasten der Mieter. Sie müssen ein Vielfaches der Kosten der eingesparten Energie an Mieterhöhung zahlen. Im Gegensatz dazu sichern sich Vermieter eine satte Rendite, während Mieter, die diese Mehrkosten nicht zahlen können, die Wohnung aufgeben müssen.
Der Härteeinwand schützt die Mieter hier nur unzureichend. Vielfach verweigern Vermieter mit dem Argument, es handle sich um für sie nicht zu vertretende Maßnahmen, die ihnen die Energieeinsparung vorschreiben, den Mietern die Anerkennung ihres Härteeinwandes und lehnen eine Reduzierung der Mieterhöhung ab. Mieter tragen hier, wenn sie gegen die Ablehnung ihrer Härteeinwände durch die Vermieter vorgehen wollen, dass volle Prozessrisiko. Trotz Geltung der Mietrechtsänderungen seit 2013 hat sich zu dieser Frage keine höchstrichterliche Rechtsprechung herausgebildet. Auch der Gesetzgeber versäumt es mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wieder, hier Klarheit zu schaffen. Die in dem Referentenentwurf von 2016 geplante Abschaffung der Ausnahmetatbestände für den Härteeinwand fehlt in dem nun vorgelegten Gesetzentwurf. Mieter, die die Modernisierungsumlage nicht zahlen können und nach einem mehrmonatigen Rechtsstreit nicht obsiegen, verlieren häufig auf diesem Weg ihre Wohnung, wenn die Summe der nicht gezahlten Modernisierungsumlagen eine Monatsmiete übersteigt und der Vermieter das Mietverhältnis inzwischen fristgerecht gekündigt hat. Eine Abwendungsbefugnis der Mieter nicht nur für fristlose, sondern auch für fristgerechte Kündigungen wegen Zahlungsverzuges sieht auch dieser Gesetzesentwurf weiterhin nicht vor, obwohl dass nicht nur von zahlreichen Interessenverbänden der Mieter sondern auch von mehreren Bundesländern in Bundesratsinitiativen immer wieder gefordert wird.
Die vorgesehene Beschränkung der Reduzierung der Modernisierungsumlage auf Gebiete mit besonders angespannten Wohnungsmarkt ist gleichfalls abzulehnen. Die Absenkung der Kreditzinsen im Bereich des Wohnungsbaus wirkt ohne Einschränkung bundesweit. Es ist unverständlich, warum Mieter in weniger angespannten Wohnungsmarktlagen mehr zur Rendite ihres Vermieters beitragen sollen als in angespannten Lagen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, wann aus diesen weniger angespannten Lagen, solche mit mehr Anspannung werden. Es dürfte gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG verstoßen, wenn Mieter in weniger angespannten Wohnungsmarktlagen für eine Investition ihres Vermieters eine höhere Mieterhöhung zahlen müssen, als Mieter in angespannten Lagen für die gleiche Investition.
Keine nachvollziehbare Begründung enthält der Gesetzesentwurf für die Befristung der Absenkung der Modernisierungsumlage auf 5 Jahre. Die Möglichkeit einer Evaluierung der Regelung ist auch ohne eine solche Befristung möglich.

2. Begrenzung auf 3 €/m² in 6 Jahren
Wie die vom Arbeitskreis Mietrecht des RAV gesammelten Beispiele zeigen, führen meist schon die energetischen Modernisierungsmaßnahmen wie Fassadendämmung, Fensteraustausch und Heizungsmodernisierung zu Mieterhöhungen zwischen 2 und 4 €/m².(11) Wird darüber hinaus ein Balkon an die Wohnung und ein Fahrstuhl an das Gebäude angebaut, sind das weitere 3 €/m². Insofern ist eine Kappungsgrenze generell zu begrüßen.
Der Ansatz, eine Kappungsgrenze unabhängig von der Ausgangsmiete festzusetzen, trägt jedoch nicht dazu bei, die Mieter vor einer Verdrängung durch Modernisierungsmaßnahmen zu schützen. Dem könnte nur eine Bindung an die ortsübliche Vergleichsmiete Rechnung tragen. Vermieter sind nicht daran gehindert, Wohnungen oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu vermieten. Selbst wenn sie sich an die Begrenzung durch die sog Mietpreisbremse halten, ist ihnen eine Neuvermietung 10 % oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt. Mieter die vor der Geltung der sog. Mietpreisbremse eine Wohnung angemietet haben oder deren Vermieter das Gesetz nicht einhält, zahlen meist noch eine viel höhere Miete. Für viele stellt diese Miete bereits eine Belastung mit weit mehr als 30 % ihres Haushaltsnettoeinkommens dar. Eine weitere Erhöhung der Miete gem. § 558 BGB ist in diesen Fällen ausgeschlossen, da die Miete bereits über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Daher sollten auch weitere Mieterhöhungen gem. § 559 BGB ausgeschlossen bleiben.
Der Gesetzesentwurf von 2016 sah einen Zeitraum für die Begrenzung der Mieterhöhung auf 3 €/m² für einen Zeitraum von 8 Jahren vor. Obwohl sich die Bedingungen für Mieter zwischenzeitlich erheblich verschlechtert haben und die Mieten im Durchschnitt weiter gestiegen sind, wird von dem ursprünglichen Entwurf zuungunsten der Mieter abgewichen. Eine Begründung dazu erfolgt nicht.

3. Vereinfachtes Umlageverfahren

Wie bereits der Entwurf aus dem Jahr 2016 sieht auch der vorliegende Entwurf die Einführung eines vereinfachten Umlageverfahrens vor. Sie soll bei Modernisierungen bis 10.000 € gelten. Es erfolgt ein pauschaler Abzug von 30 % Instandsetzungskosten. Dem Mieter soll hier kein (sozialer) Härteeinwand zustehen. Zinsvergünstigungen (§ 559 b BGB) müssen nicht berücksichtigt werden. In den nächsten fünf Jahren darf durch den Vermieter keine Mieterhöhung nach § 559 BGB geltend gemacht werden, wenn er die Grenze von Aufwendungen in Höhe von 10.000 € ausgeschöpft hat.
Die Pauschalisierung des Instandsetzungsanteils ohne Möglichkeit des Nachweises höherer Instandsetzungskosten ist abzulehnen. Wie das in der Gesetzesbegründung aufgeführte Beispiel des Fensteraustausches zeigt, sind Maßnahmen denkbar, bei denen die durch die Modernisierung ersparten Instandsetzungskosten die Modernisierungskosten übersteigen. Das trifft nicht nur auf den Fensteraustausch, sondern häufig auch bei Modernisierung der Heizungsanlage oder der Fassaden zu. Eine Pauschalisierung auf 30 % ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Instandhaltungszustand ist abzulehnen, da es Mieter in Gebäuden und Wohnungen mit langem Instandsetzungsstau benachteiligt und deren Vermieter unangemessen bevorteilt, ja deren unterlassene Instandsetzung sogar belohnt.
Abzulehnen ist, dass bei dieser Art der Modernisierungsumlage kein Härteeinwand möglich sein soll. Es wird darauf hingewiesen, dass in den Gebieten mit angespannten Wohnungsmarkt der Anteil der Wohnkosten vom Haushaltsnettoeinkommen jedes Jahr steigt. Viele Mieter sind hier bereits an ihrer äußersten Belastungsgrenze angelangt. Das trifft in besonderem Maße auf Rentnerhaushalte zu. Mieter, die Leistungen nach SGB II oder XII erhalten, schöpfen oft die von den Kommunen aufgestellten Angemessenheitskriterien aus und zahlen bereits von ihrem lediglich das Existenzminimum sicherstellenden Regelsatz einen Anteil der Wohnkosten. Eine weitere Belastung mit Mietkosten würde eine weitere Unterschreitung des Existenzminimums bedeuten.
Während der Gesetzesentwurf von 2016 noch eine Umlage von lediglich 50 % der Kosten nach Abzug der Instandsetzungspauschale vorsah, was eine maximale Erhöhung um 33,33 € pro Monat bedeutet hätte (10.000 € - 3.000 € : 2 x 11 % : 12 Monate), ermöglich das nun vorgesehene vereinfachte Verfahren dem Vermieter eine Umlage von 64,17 €/Monat. (10.000 € - 3.000 € x 11 % :12 Monate)

4. Schadensersatzregelungen
Die in der Einführung der § 559 d BGB zu erkennende Absicht des Referentenentwurfes, den Vermieter, dem es weniger um die Modernisierung an sich sondern vielmehr um eine Beendigung des Mietverhältnisses geht, in die Haftung zu nehmen, ist zu begrüßen.
Bereits seit den 1990-er Jahren ist insbesondere im Zusammenhang mit der Umwandlung von Gebäudeeigentum in Wohnungseigentum zu beobachten, dass diese mit erheblichen Modernisierungsmaßnahmen einhergehen. Häufig sind das neben den energetischen Maßnahmen wie Fassadendämmung, Fensteraustausch und Heizungserneuerung auch kostenintensive Maßnahmen wie Fahrstuhlanbau und Balkonanbau. Nicht selten werden hier in den Modernisierungsankündigungen überhöhte Preise angegeben, die zu Modernisierungsumlagen von 4 bis 5 €/m² in einigen Fällen sogar bis zu 12 €/m² führten. Eher sehr seltener wurden zunächst angekündigte Modernisierungsmaßnahmen später nicht durchgeführt. Daher taugt unseres Erachtens das Regelbeispiel in Absatz 2 der Vorschrift nicht. Ein solches ist nach unserer Erfahrung eher darin zu sehen, dass Modernisierungsumlagen auf der Grundlage von Baukosten angegeben werden, die unangemessen und angesichts der marktüblichen Preise überhöht sind.
Bereits jetzt ist vielen Mietern z.B. in Fällen des vorgetäuschten Eigenbedarfs ein Schadensersatzanspruch dadurch verwehrt, dass sie sich, weil sie höhere Mietpreise nicht zahlen können, mit Ersatzwohnungen begnügen müssen, die erheblich kleiner, dafür aber nicht teurer sind. Auf diese Art und Weise entsteht ihnen zwar eine Einbuße an Wohnkomfort, aber kein finanzieller Schaden. Der Schaden besteht vielmehr in der Verringerung der Wohnfläche Der ist jedoch i.S.d. § 252 BGB nicht zu beziffern. Daher ist damit zu rechnen, dass Vermieter, die möglichen Schadensersatzansprüche in ihre Kalkulation „einpreisen“ werden. Wohl wissend, dass deren Voraussetzungen in der Durchsetzung nur sehr schwer durch die Mieter zu beweisen sein werden. Neben der Schadenshöhe trifft das vor allem auch auf die Beweispflicht des Mieters hinsichtlich der „Absicht“ des Vermieters zu. Worauf die Begründung des Gesetzesentwurfes richtig hinweist, stellt die Absicht eine innere subjektive Tatsache dar, deren Beweis daher nur sehr schwer und nur anhand von Indizien gelingen wird.
Daher ist nicht damit zu rechnen, dass diese Vorschrift zu Anwendung kommen wird und Vermieter von dem Ziel, zum Zwecke höherer Rendite Mietverhältnisse zu beenden, abhalten wird.

5. Was fehlt?

6. Fazit: Die einzige Alternative ist die Abschaffung des § 559 BGB!

Wie oben schon ausgeführt, können die Investitionen des Vermieters in seine Immobilie können im Rahmen des Vergleichsmietensystems letztlich vollständig refinanziert werden. Die Mietspiegel weisen zum Teil erhebliche Zuschläge für wohnwertverbessernde Maßnahmen aus, mit denen entsprechende Erhöhungen gerechtfertigt werden können. In Berlin etwa steigt die ortsübliche Vergleichsmiete im Altbau bei Modernisierung, da ein modernes Bad mit Handtuchheizkörper und wandhängendem WC mit in der Wand eingelassenen Spülkasten, ein Aufzug, Wärmschutzverglasung, eine moderne Küchenausstattung, eine gedämmte Fassade und niedrige Energieverbrauchskoeffizienten, sowie ein aufwändig gestaltetes Wohnumfeld wohnwerterhöhende Merkmale darstellen, mit denen der Vermieter die Miete bis an den Oberwert des Mietspiegels erhöhen kann. Allein dies dürfte ausreichen, betroffenen Vermietern eine ausreichende Rendite zu sichern.
Letztlich aber steht hinter der Auseinandersetzung um Alternativen zum derzeitigen System der Kostenumlage die Frage, wer die Kosten der Energiewende im Wohnungsbestand tragen soll. Derzeit sind die vom Vermieter vorfinanzierten Modernisierungskosten fast ausschließlich von den Mietern zu stemmen. Diese einseitige Belastung widerspricht aber der Vorstellung von der Energiewende als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe. Sollen also die Kosten gerecht verteilt werden, steht der Staat in der Pflicht. So muss die öffentliche Hand energetische Sanierungsmaßnahmen künftig noch in viel stärkerem Maße als bisher durch Förderprogramme unterstützen oder anderweitig subventionieren. Solche Überlegungen setzen jedoch voraus, dass sich der Gesetzgeber seiner sozialen Verantwortung bewusst wird, die Kosten der Energiewende gerecht zu verteilen. Dies gilt aber auch für die Maßnahmen, die lediglich zur Wohnwertverbesserung beitragen.
III. Reform des Kündigungsrechts

Leider fehlt im Vergleich zum Entwurf der großen Koalition im Jahre 2016 gänzlich eine Reform des Kündigungsrechts. In der Praxis spielen Kündigungen eine immer größere Rolle. Hier kann man nicht nur recht unliebsame Mieter loswerden. Vielmehr kann man mit einer Neuvermietung in den Ballungszentren höhere Mieten generieren. Hier bedarf es eines verbesserten Schutzes.
Über Jahrzehnte gab es einen relativ ausgewogenen Kündigungsschutz für Mieter. Mit der Zuständigkeit des BGH in wohnungsmietrechtlichen Revisionssachen ab dem 01.01.2002 hat sich die Sachlage geändert: Der Bundesgerichtshof kann nun auch in Einzelfällen entscheiden. Er kann Berufungsurteile überprüfen, sofern der Beschwerdewert von derzeit 20.000 € überschritten oder das Landgericht als Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Seither gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen, in denen der BGH dem Räumungsverlangen der Vermieter stattgegeben und den notwendigen Kündigungsschutz deutlich eingeschränkt hat.
1. Schonfristzahlung

Beispielhaft sei hier auf das Verfahren VIII ZR 6/04 verwiesen. Hier stellte sich dem BGH die Frage, ob die in § 569 Absatz 3 Nr. 2 BGB geregelte sog. Schonfristzahlung nur für die fristlose Kündigung oder auch für die ordentliche Kündigung gilt. Diese Regelung gestattet dem Mieter, durch Nachzahlung aller rückständigen Mieten eine Räumung nach fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzuges abzuwenden.
Der BGH hat sich mit Hinblick auf die gesetzessystematische Stellung und auch im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes in seinem Urteil vom 16.02.2005 dagegen entschieden, dies auch auf die ordentliche (fristgemäße) Kündigung anzuwenden. Wenn der Vermieter also neben einer fristlosen auch eine fristgerechte Kündigung ausspricht – was heute die Regel ist –, nutzt die Nachzahlung nichts mehr. Der Mieter hat dann nur noch das Recht, die drei- bis neunmonatige Kündigungsfrist abzuwohnen. In der Praxis ist die Schonfristzahlung, die im Übrigen modifiziert seit 1923 galt, abgeschafft. Ob der Mieter nun sofort (da fristlos gekündigt) oder nach drei sechs oder neun Monate ausziehen muss, ist irrelevant. Eine Entscheidung über den Räumungsanspruch des Vermieters erfolgt in der Regel nach vier bis sechs Monaten. Zu dieser Zeit sind zumindest die kürzeren ordentlichen Kündigungsfristen abgelaufen.
Nun muss man wissen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Schonfristzahlung an anderer Stelle aufgegriffen hat: Er hat Menschen mit geringerem Einkommen oder in prekären sozialen Situationen die Möglichkeit gegeben, die Mietschulden auf Darlehensbasis von den Sozialleistungsbehörden zu erhalten, um damit die Obdachlosigkeit des Mieters zu verhindern. Ein entsprechender Anspruch auf Kostenübernahme wurde in § 22 SGB II aufgenommen. Gleichzeitig wurden die Gerichte verpflichtet, die Sozialleistungsbehörden in jedem einzelnen Fall von einer Räumungsklage zu unterrichten.
Die Briefe vom Gericht an die Sozialleistungsbehörden gibt es zwar immer noch, allerdings werden seit der Entscheidung des BGH vom 16.02.2005 die rückständigen Mieten nur noch selten übernommen. Denn die Sozialleistungsbehörden machen die Zusage des Vermieters, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird und er auf die Kündigung verzichtet, zur Voraussetzung einer Kostenübernahme. Gerade in den Ballungsgebieten haben Vermieter daran aber regelmäßig nur sehr wenig Interesse. Dies ist ein Beispiel, wie der BGH letztlich den Willen des Gesetzgebers auf den Kopf stellt. Der Gesetzgeber hat es ihm allerdings mit einer unzureichenden und immerhin 30 Jahre lang mit Abänderungen geltenden handwerklich unsauberen Regelung leicht gemacht.
Hier muss der Gesetzgeber endlich(12) tätig werden und – wie bereits im Vorschlag des BMJV vom 2016 – die Heilungswirkung der Schonfristzahlung auf die fristlose Kündigung ausweiten und die alte Rechtspraxis wiederherstellen.
2. Schutz vor Kündigungen im Miethöheverfahren

Genauso verhält es sich mit dem Kündigungsschutz im Miethöheverfahren. Wenn der Mieter sich gegen Mieterhöhungen nach § 559 oder § 560 BGB (Modernisierungsumlage oder Betriebskostenerhöhung) wehrt, dürfen Vermieter wegen der insofern aufgelaufenen streitigen Mietrückstände während eines entsprechenden Rechtsstreits gem. § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB nicht kündigen können. Dieser Schutz soll zwei Monate nach rechtskräftigen Abschluss des entsprechenden Rechtsstreits enden. Gleiches gilt bisher schon für Mieterhöhungen nach §§ 558ff. BGB. Die Instanzgerichte hatten diese Regelung Jahrzehnte dahingehend ausgelegt. Allein der BGH sah es anders (u.a. Urteil vom 18.07.2012 - VIII ZR 1/11). Ähnlich wie bei der Schonfristzahlungsregelung soll der Mieter hier nur vor einer außerordentlichen Kündigung aber nicht vor einer ordentlichen Kündigung geschützt sein. So kann der Mieter schon vor der Klärung, ob einer Mieterhöhung berechtigt ist oder nicht, gekündigt werden. Die Berechtigung der Mieterhöhung kann dann im Räumungsrechtstreit geklärt werden. Damit nimmt man dem Mieter wesentliche Rechte. Ihm ist zu raten, stets der Forderung des Vermieters nachzukommen und die Sache dann später im separaten Verfahren klären zu lassen, um nicht sein Mietverhältnis zu gefährden. Verbraucherschutz ist sicherlich etwas anderes. Hier bedarf es ebenfalls einer Harmonisierung des Kündigungsrechts. Der Schutz muss sowohl für die außerordentliche wie für die ordentliche Kündigung gelten. Auch dies sah der Vorgängergesetzesentwurf von 2016 vor.
3. Kündigungsrelevanter Mietrückstand
Der BGH hat auch entschieden, dass der Vermieter bereits bei einem Mietrückstand von weniger als zwei Monatsmieten ordentlich kündigen kann und hat damit ebenfalls einen Meilenstein gesetzt. Bereits das preußische allgemeine Landrecht von 1794 sah den kündigungsrelevanten Mietrückstand bei zwei Monatsmieten.
Der BGH lässt nun die fristgerechte Kündigung schon bei einem Mietrückstand von einer Monatsmiete plus einem Cent zu (Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12). Auch hier argumentiert er mit der Unterschiedlichkeit von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. In § 543 BGB, der für die außerordentliche Kündigung gilt ist zwar ein Mietrückstand von (regelmäßig) zwei Monatsmieten erforderlich. Für eine ordentliche Kündigung kann weniger reichen. Auch hier bedarf es einer gesetzgeberischen Richtigstellung. Nur ein Mietrückstand von mehr als zwei Monatsmieten soll eine Kündigung nach sich ziehen können. Dies sah der Vorgängergesetzesentwurf von 2016 ebenfalls vor.
4. Weiterer Reformbedarf

Im Rahmen des Kündigungsschutzes wichtig, auch die übrigen Auswüchse der Rechtsprechung zu korrigieren.

a. Eigenbedarfskündigung

In den letzten Jahren wurde gerade das Recht der Eigenbedarfskündigung erheblich zu Lasten der Mieter erweitert. Es reicht schon, wenn der Vermieter angibt, die Wohnung als Zweitwohnung nutzen zu wollen (LG Berlin WuM 2013, 741) oder angibt, diese für sein Au-Pair-Mädchen zu benötigen (BGH Urteil vom 11.03.2009 – VIII ZR 127/08)(13). Die Interessen der Mieter sind – obwohl auch ihr Recht an der Wohnung Verfassungsrang hat – immer nachrangig. Dies muss dringend geändert werden. Der Personenkreis, für die der Vermieter die Wohnung des Mieters beanspruchen darf, muss auf enge Familienangehörige wie Eltern, Kinder und Geschwister begrenzt werden. Gleichzeitig müssen Interessen der Mieter, die ja keinerlei Verschulden an der Kündigung trifft, mit denen ihrer Vermieter auf eine Stufe gestellt werden. Eine Kündigung sollte es allenfalls dann geben, wenn die Interessen der Vermieter an der Erlangung der Wohnung die der Mieter am Verbleib überwiegen.

b. Kündigung wegen Vertragsverstößen
Zunehmend werden Vertragsverstöße selbst dann als Grund für eine Kündigung genommen, wenn deren Inhalt streitig ist. So riskiert der Mieter (BGH Urteil vom 15.04.2015 - VIII ZR 281/13) seine Wohnung, wenn er eine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme nicht duldet und den Handwerkern den Zutritt zur Wohnung verwehrt. Ob der Mieter tatsächlich verpflichtet war, Zutritt zu gewähren oder nicht, wird dann im Rahmen des Räumungsrechtsstreits geklärt. Ein Unding angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten in gerichtlichen Modernisierungsduldungsverfahren. Auch eine „nur“ wegen der angedrohten Kündigung geduldete Modernisierung hat später zwingend die Modernisierungsmieterhöhung zur Folge. Selbst dann, wenn sich später herausstellt, dass die strittige Modernisierungsankündigung fehlerhaft war. Wenn der Mieter bei einer Nichtduldung gleich eine Kündigung riskiert, wird er sich dreimal überlegen, ob er seine Rechte wahrnimmt oder nicht. Daher wäre es z. B. sinnvoll, ebenso wie bei der Mieterhöhung, den Streit über Duldungspflichten als Anlass für eine Kündigung auszuschließen.
Im Übrigen verweisen wir auf den Gesetzesvorschlag nebst Begründung, den das Netzwerk Mieten und Wohnen erstellt hat.(14) Stellungnahme als PDF Anlagen:
Reform des Miethöherechts Normen
Darstellung der Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Eigenbedarf Berlin, 10.08.2018

(1) Tatsächlich wurden im Jahre 2016 278.000 Wohnungen und im Jahre 2015 248.000 Wohnungen fertig gestellt. Hiervon waren im Jahre 2016 nur 53.000 Mietwohnungen und im Jahre 2015 46.000 Wohnungen. Hiervon sind aber in beiden Jahren nur 40.000 Sozialwohnungen fertig gestellt worden. Dies reicht noch nicht einmal aus, den jährlichen Schwund von 50.000 Sozialwohnungen zu kompensieren.
https://www.mieterbund.de/presse/pressemeldung-detailansicht/article/40480-deutschland-2017-1-million-wohnungen-fehlen-mieten-steigen-ungebremst.html
(2) Siehe hierzu http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/mieten-in-sozialwohnungen-kaum-guenstige-angebote-auf-freiem-markt-a-1067873.html
(3) vgl. Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 2018, S. 18
(4) u.a. Bohner, Ordnungswidrige Mietpreisüberhöhung, 2. Aufl. S. 7
(5) Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. III 46
(6) u.a. Derleder WuM 2013, 383, 386
(7) instruktiv hierzu Derleder, a.a.O., 391)
(8) u.a. Emmert in Handbuch des Mietrechts § 12 Rn. 97
(9) Die Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung enthalten die Aussage, dass eine 2/3-Spanne als „üblich angesehen“ wird (S. 28).
(10) Erreichbar unter https://bit.ly/2M60SnN
(11) siehe oben Fußnote 9
(12) vgl. nur Artz, Von Reformen und Reförmchen NJW 2015, 1573, 1577
(13) Zur Entwicklung der Rechtsprechung zum Eigenbedarf verweisen wir auf unsere beigefügte Ausarbeitung.
(14) Anzusteuern unter http://www.netzwerk-mieten-wohnen.de/content/mietrecht-neu-denken]]>
Mietrecht (doublet)
news-565 Fri, 29 Jun 2018 10:30:00 +0200 Bundesweites Treffen der alternativen Mietervereine /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundesweites-treffen-der-alternativen-mietervereine-565 Gemeinsame Pressemitteilung, 29.6.2018 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz zur Änderung des Mietrechts. Neue Regelungen sieht der von Bundesjustizministerin Katarina Barley vorgelegte Referentenentwurf unter anderem bei der Mietpreisbremse und der Modernisierungsmieterhöhung vor. Der Entwurf wurde bereits anderen Ressorts zur Abstimmung zugeleitet. Große Kritik gab es von Seiten der alternativen Mietervereine an der geplanten Änderung des § 559 BGB, die nach Auffassung aller Beteiligten nicht weit genug geht. Insbesondere die Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 Prozent auf 8 Prozent wird angesichts stark gestiegener Baukosten keine Entlastung für Mieterinnen und Mieter bringen. »Die auf 3 €/qm in sechs Jahren gekappte Modernisierungsmieterhöhung bleibt für viele Mieterinnen und Mieter eine nicht leistbare Belastung«, kommentiert Jürgen Lutz vom Verein Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V. Die alternativen Mietervereine halten ihre Forderung nach Abschaffung der Modernisierungsmieterhöhung gemäß § 559 BGB aufrecht. Bei Verbesserung des Ausstattungsstandards einer Wohnung bietet das deutsche Mietrecht auch ohne §559 BGB die Möglichkeit Modernisierungszuschüsse durch Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete modernisierter Wohnungen auf die Miete umzulegen (Mieterhöhung nach §558 BGB). Dieses Vergleichsmietensystem soll Mieterinnen und Mieter vor exorbitanten Mieterhöhungen schützen. »Modernisierungsmieterhöhungen gehen aber in der Praxis weit über diese ortsübliche Vergleichsmiete hinaus und bilden daher eine systemfremde Ausnahme im Vergleichsmietensystem. Das führt zur Verdrängung von Mieterinnen und Mietern«, erläutert Henrik Solf vom RAV.  Die Kosten von Modernisierungen nicht länger den Mieterinnen und Mietern aufzubürden, würde die Mietpreisspirale der größeren Städte und Ballungszentren zumindest dämpfen. Auch die Korrekturen an den Regelungen der Mietpreisbremse im Referentenentwurf sind halbherzig. Vermieter sollen künftig verpflichtet sein, einem Mieter vor Abschluss des Mietvertrages unaufgefordert Auskunft über die zuvor für die Wohnung vereinbarte Miete zu erteilen. Zudem soll es für Mieter künftig einfacher sein, Verstöße gegen die Mietpreisbremse zu rügen. »Die grundlegenden Konstruktionsfehler der Mietpreisbremse werden vom geplanten Mietrechtsanpassungsgesetz nicht korrigiert«, kritisiert Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin vom Verein Mieter helfen Mietern Hamburg. Die bisherigen Ausnahmeregelungen (umfassende Modernisierung, Neubau, Bestandsschutz für überhöhte Vormieten), die zur praktischen Bedeutungslosigkeit der Mietpreisbremse führten, bleiben zudem völlig unberührt. Pressekontakt: Conny Petzold (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V., conny.petzold@mhm-ffm.de, 069-283548) Diese Pressemitteilung wird herausgegeben von/vomPM der alternativen Mietervereine und AK-MietR im RAV als PDF]]> Mietrecht (doublet) news-564 Wed, 27 Jun 2018 12:30:00 +0200 Nein zum neuen Polizeigesetz NRW!<br >Kein Angriff auf unsere Freiheit und Grundrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nein-zum-neuen-polizeigesetz-nrw-br-kein-angriff-auf-unsere-freiheit-und-grundrechte-564 Pressemitteilung Nr. 6 vom 27. Juni 2018 Die NRW-Landesregierung plant eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll das Gesetz ohne Diskussion verabschiedet werden. Diese Verschärfung hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und Gewaltenteilung aus. Ein breites Bündnis in NRW ruft zu einer Demonstration gegen diesen Angriff der Landesregierung am 7. Juli auf – so auch der RAV.

Das neue Polizeigesetz will Menschen auch ohne konkreten Verdacht anhalten und durchsuchen können, bis zu einen Monat in Präventivgewahrsam nehmen oder mit Hausarrest zu belegen. Die Polizei soll Smartphones hacken dürfen, um Kommunikationsdienste wie WhatsApp mitzulesen – nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch in deren sozialem Umfeld. Zudem wird auch die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausgeweitet.

Kern des neuen Polizeigesetzes ist die Einführung des diffusen Rechtsbegriffes einer ›drohenden Gefahr‹. Durch die ›drohende Gefahr‹, also die bloße Vermutung über eine vermutliche Gefahr, wird die Polizeitätigkeit vorverlagert in einen Bereich, in dem noch nichts droht, schon gar nicht eine ›konkrete Gefahr‹.

Betroffen von diesen Grundrechtseingriffen sind nach diesen Plänen potentiell Alle. Es reicht schon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Klar ist aber auch: Manche wird es früher und härter treffen als andere – nämlich diejenigen, die bereits besonderes Ziel polizeilicher Eingriffe sind. Der im Polizeigesetz vorgesehene Ausbau ›strategischer Fahndungen‹ wird racial profiling-Kontrollen intensivieren. Auch Wohnungslose, psychisch Kranke, politisch Aktive, Streikende, Fußballfans und viele weitere werden das verstärkt zu spüren bekommen.

2017 hatte Deutschland die niedrigste Kriminalitätsrate seit einem Vierteljahrhundert. Trotzdem werden derzeit in mehreren Bundesländern die Polizeigesetze verschärft, weil den Landesregierungen der Zeitpunkt günstig erscheint. Vage Terrorängste und ein diffuses Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung werden als Rechtfertigung vorgeschoben. Das ist letztlich der Weg in den Polizei- und Überwachungsstaat!

Wir sagen deshalb – wie in vielen anderen Bundesländern auch – NEIN zum neuen Polizeigesetz in NRW; NEIN zum massiven Eingriff in die Grundrechte von Millionen von Menschen und NEIN zu massenhafter Überwachung unter dem Deckmäntelchen von Sicherheit und Ordnung!

Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV, Tel. 030.417 235 55 Pressemitteilung als PDF]]>
Polizeirecht (doublet)
news-563 Wed, 27 Jun 2018 10:20:00 +0200 EU-Gipfel: Breites Bündnis fordert von Bundesregierung, Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa zu übernehmen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/eu-gipfel-breites-buendnis-fordert-von-bundesregierung-verantwortung-fuer-den-fluechtlingsschutz-in-deutschland-und-europa-zu-uebernehmen-563 Gemeinsame Pressemitteilung vom 27.06.2018 Vor einer massiven Einschränkung des Flüchtlingsschutzes in Europa warnt ein Bündnis von Flüchtlingshilfe-, Menschenrechts- und Wohlfahrtsorganisationen im Vorfeld des EU-Gipfels zur gemeinsamen Asylpolitik. Die 17 Unterzeichnerorganisationen der "Berliner Erklärung zum Flüchtlingsschutz", darunter PRO ASYL, Der Paritätische Gesamtverband, amnesty international und die Seenotrettungsorganisationen SOS Mediterranée und Sea-Watch, appellieren an die deutsche Bundesregierung, Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa zu übernehmen und fordern eine asylpolitische Kurskorrektur.

Unter der Überschrift "Verfolgte Menschen brauchen Schutz – auch in Europa" sprechen sich die Organisationen in der aktuellen Debatte konsequent gegen die Zurückweisung von schutzsuchenden Menschen an nationalen oder europäischen Grenzen aus. Der Zugang zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren müsse gewährleistet sein. Vorschläge, Schutzsuchende in nordafrikanische Staaten und damit vor Europas Grenzen "aus- bzw. zwischenzulagern" und nur gezielt einige Menschen im Rahmen besonderer Programme aufzunehmen, seien keine akzeptable Lösung. "Das individuelle Recht auf Asyl kann nicht durch die Aufnahme einiger weniger Ausgewählter ersetzt werden", heißt es in der Erklärung.

Die Organisation eint die große Sorge, "dass die aktuelle deutsche wie europäische Asylpolitik nicht mehr primär dem Schutz der Flüchtlinge als vielmehr dem Schutz der Grenzen dient." Trotz anhaltender Konflikte in Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Südsudan, Myanmar oder Somalia und weltweit steigender Flüchtlingszahlen, fänden schon jetzt immer weniger Flüchtlinge in Europa und Deutschland Schutz. Am Umgang mit Flüchtlingen zeige sich jedoch, wie verlässlich das Versprechen Europas sei, die Menschenrechte einzuhalten, heißt es in der Erklärung. Die Bundesregierung müsse klar Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa übernehmen. Die "solidarische Aufnahme von Schutzsuchenden in der EU statt nationaler Abschottung" seien das Gebot der Stunde.

Insbesondere angesichts der dramatisch zugespitzten Situation im Mittelmeer warnt das Bündnis vor einer "Erosion der Menschenrechte" und fordert die Europäische Union auf, endlich wirksame Schritte einzuleiten, um Menschen aus Seenot zu retten: "Wir fordern die Rettung von Menschen in Seenot im Mittelmer und ihre Ausschiffung in den nächsten europäischen Hafen." Zivile Seenotrettungsorganisationen dürften nicht an ihrer Arbeit gehindert werden. "Das Recht auf Leben gilt auch auf Hoher See."

Mitzeichnende Organisationen:

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Berliner Erklärung zum Flüchtlingsschutz

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Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet) Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
news-562 Sat, 16 Jun 2018 16:27:00 +0200 StN zum Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-entwurf-eines-gesetzes-ueber-die-versammlungsfreiheit-im-freistaat-sachsen-562 Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, 11.06.2018 RA Raik Höfler in Zusammenarbeit mit dem RAV zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen

0. Vorbemerkung

Ich bedanke mich für die Gelegenheit zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen Stellung zu nehmen.

In der Stellungnahme wird nur auf ausgewählte, nach Auffassung des Unterzeichners problematische Regelungen eingegangen.

Da sich der vorliegende Gesetzentwurf an dem Gesetz zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein vom 18.06.2015 (Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein(1)) orientiert, nimmt die vorliegende Stellungnahme auf die Ausführungen in der Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. vom 07.08.2013 zu dem Gesetzesentwurf der Fraktion der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag zum Entwurf eines Gesetzes zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein(2) Bezug, soweit die Regelungen übereinstimmen.

I. Allgemeines

1. Grundrechtlicher Rahmen

Gem. Art. 8 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.(3) Art. 23 Abs. 1 SächsVerf erweitert dieses Grundrecht auf alle Menschen unabhängig ihrer Nationalität.

Das Bundesverfassungsgericht befasste sich erstmalig intensiv in dem Beschluss vom 14.05.1985(4) mit dem Grundrecht gem. Art. 8 GG und führt – bis heute maßgebend – aus:

"Diese Freiheit ist in Art. 8 GG gewährleistet, der Versammlungen und Aufzüge - im Unterschied zu bloßen Ansammlungen oder Volksbelustigungen - als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung schützt. Dieser Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen. Es gehören auch solche mit Demonstrationscharakter dazu, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. [...]

2. Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugute kommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art. und Inhalt der Veranstaltung und untersagt zugleich staatlichen Zwang, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben. Schon in diesem Sinne gebührt dem Grundrecht in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang; das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers. In ihrer Geltung für politische Veranstaltungen verkörpert die Freiheitsgarantie aber zugleich eine Grundentscheidung, die in ihrer Bedeutung über den Schutz gegen staatliche Eingriffe in die ungehinderte Persönlichkeitsentfaltung hinausreicht. ...

a) In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die sich bislang mit der Versammlungsfreiheit noch nicht befasst hat, wird die Meinungsfreiheit seit langem zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gezählt. Sie gilt als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist; denn sie erst ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung und den Kampf der Meinungen als Lebenselement dieser Staatsform (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; 12, 113 [125]; 20, 56 [97]; 42, 163 [169]). Wird die Versammlungsfreiheit als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe verstanden, kann für sie nichts grundsätzlich anderes gelten."

Art. 8 GG ist damit in erster Linie als ein Abwehrrecht gegen den Staat ausgestaltet.(5) Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen einer besonderen Rechtfertigung.
Gem. Art. 8 Abs. 2 GG, Art. 23 Abs. 2 SächsVerf ist das Grundrecht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes einschränkbar. Einschränkungen für Versammlungen in geschlossenen Räumen sind auf Grund des fehlenden Gesetzesvorbehalts nur als Konkretisierungen der sich aus dem Grundgesetz selbst ergebenden Einschränkungen zulässig.(6)

Zunächst gehörte das Versammlungsrecht zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit ergaben sich aus dem Gesetz über Versammlungen und Aufzüge aus dem Jahr 1953 in der jeweils geltenden Fassung.

Zum 01.09.2006 ist die Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder übergegangen.

Mit Gesetz vom 20.01.2010 wurde in Sachsen das SächsVersG erlassen, welches mit Urteil vom 19.04.2011 seitens des SächsVerfGH(7) aus formalen Gründen für verfassungswidrig erklärt wurde.

Mit Gesetz vom 25.01.2012 hat der Gesetzgeber das 2. Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen erlassen, welches derzeit – nach einer Novellierung der Normen zu Bild- und Tonaufnahmen im Jahr 2013 – gilt. Dieses Gesetz übernahm das Bundesgesetz weitgehend wortgleich und integrierte lediglich landespolitische Debatten insbesondere rund um den 13. Februar 1945.(8)

Mit dem nunmehr vorgelegten Gesetzentwurf wird erkennbar der Versuch unternommen die Versammlungsfreiheit zu stärken und veraltete Regelungen an aktuelle Entwicklungen sowohl im Tatsächlichen als auch im Rechtlichen anzupassen.
2. Zur Struktur des Gesetzes

Die Struktur des Gesetzentwurfs ist zu begrüßen. Entsprechend allgemeiner Gesetzessystematik werden die allgemeinen, für alle Versammlungen anwendbaren Bestimmungen „vor die Klammer“ gezogen. Hiernach folgen der praktischen Bedeutung entsprechend zunächst die Regelungen zu Versammlungen unter freiem Himmel in Abschnitt 2 und sodann in Abschnitt 3 die Versammlungen in geschlossenen Räumen. Innerhalb der jeweiligen Abschnitte erfolgt eine Gliederung nach dem zeitlichen Ablauf. Abschnitt 4 (Strafvorschriften, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung und Kosten) und Abschnitt 5 (Schlussbestimmungen) gelten sodann wieder für alle Versammlungen.
II. Zu den einzelnen Normen 1. Versammlungsleitung, § 5

Nach der bisherigen Regelung in § 6 Abs. 1 SächsVersG musste jede Versammlung einen Leiter haben. Diese Norm wurde in dem vorliegenden Entwurf richtigerweise gestrichen.

Allerdings suggeriert § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 des Entwurfs(9) weiterhin, dass ein Versammlungsleiter stets notwendig ist. Hiervon geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs aus.(10) Bereits in der zitierten Brokdorf-Entscheidung(11) stellte das BVerfG indes fest, dass die Regelung über eine Versammlungsleitung veraltet und mit aktuellen demonstrativen Erscheinungsformen nicht vereinbar ist.

Zudem erweckt die Norm den falschen Eindruck, dass Versammlungen ohne Leitung nicht zulässig seien.

Schon im bisherigen Recht und auch nach der Neufassung ist aber von Gesetzes wegen eine Versammlungsleitung nicht stets notwendig.(12) So verfügen Eil- und Spontanversammlungen regelmäßig nicht über einen Leiter und müssen dies auch nicht(13).

Gleichwohl wird die Tatsache, dass in Eil-/Spontanversammlungen keine Leitung existiert, in der Praxis oftmals als Vorwand dafür benutzt, Versammlungen aufzulösen. Eine andere Problematik besteht darin, dass eine Delegierte oder ein Delegierter, die sich bereit erklären (z.B. für ein Bündnis, eine Initiative oder sonstigen Vorbereitungskreis) als „Ansprechpartner*in“ für Kooperationsgespräche zur Verfügung zu stehen, regelmäßig ungewollt und mit den entsprechenden Haftungsrisiken in die Rolle der Leiterin oder des Leiters gedrängt werden.

§ 5 Abs. 1 ist daher so zu fassen, dass klar wird, dass es auch Versammlungen ohne Leitungen gibt. Denkbar wäre zum Beispiel, Absatz 1 Satz 4 zu streichen und Absatz Satz 1 zu formulieren wie folgt: „Gibt es einen Veranstalter oder eine Veranstalterin der Versammlung, kann dieser oder kann diese die Versammlungsleitung selbst übernehmen oder einer anderen Person übertragen.“

2. Uniformverbot, § 8

§ 8 Abs. 2 des Entwurfes enthält – wie bereits das Versammlungsgesetz des Bundes in § 3 VersG und § 3 SächsVersG – ein Uniformverbot und ein Verbot von Uniformteilen.(14)

Weiter ist es nach dem Gesetzesentwurf untersagt „uniformähnliche Kleidungsstücke“ zu tragen. Die bisherige Regelung in § 3 Abs. 1 SächsVersG, wonach (neben dem Verbot von Uniformen und Uniformteilen) das Tragen „gleichartiger Kleidungsstücke“ verboten ist, ist in dem Gesetzesentwurf nicht mehr enthalten. Allerdings ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „uniformähnlichen Kleidungstücke“ gegenüber der bisherigen Regelung kein Gewinn. Dies zumal der Gesetzentwurf eine Reihe weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe benennt, wonach das Verbot dann bestehen soll, wenn infolge des „äußeren Erscheinungsbildes“ oder „durch ein paramilitärisches Auftreten“ „Gewaltbereitschaft vermittelt“ und dadurch auf „Dritte einschüchternd eingewirkt“ wird.

Die Regelung ist abzulehnen.

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt eine Form der Kommunikation mit anderen, das Sich-Versammeln. Es schützt die Betätigungen der Versammlungsbeteiligten sowohl für das Zustandebringen und Durchführen einer Versammlung als auch die mit der Versammlung verbundenen Betätigungen, soweit sie im Rahmen der verfassungsunmittelbaren Gewährleistungsschranken der Friedlichkeit und Waffenlosigkeit bleiben. Geschützt sind auch die im Rahmen einer Versammlung erfolgenden Aktivitäten, die unmittelbar Aufmerksamkeit bei Dritten herbeiführen sollen. Die Versammlungsfreiheit gewährleistet also nicht nur das Sich-Versammeln als solches, sondern auch die im Rahmen einer Versammlung möglichen kollektiven Betätigungen und damit die Demonstrationsfreiheit. Als Freiheitsrecht wird grundsätzlich auch das „Wie“ der Meinungskundgabe geschützt. Einheitliche Kleidung kann selbst eine demonstrative Aussage beinhalten.(15)

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu zunächst klargestellt, dass die einschüchternde Massenhaftigkeit einer Versammlung allein unproblematisch ist.(16)

Auch bei „militanten“ bzw. den Eindruck der Gewaltbereitschaft vermittelnden Versammlungen im Sinne von § 8 Abs. 2 VersG ist somit der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet. Diese Versammlungen sind keineswegs a priori unfriedlich im Sinne von Art. 8 GG. Sofern also eine Versammlung die wesentlichen Merkmale einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG aufweist, mithin auch (noch) friedlich ist, wird in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG durch die Regelung in § 8 Abs. 2 des Gesetzentwurfs dadurch verfassungswidrig eingegriffen, als der „Eindruck der Gewaltbereitschaft“ offensichtlich mit „Unfriedlichkeit“ gleichgesetzt wird. Dies ist mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut in Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar, da dieser ausschließlich die Unfriedlichkeit und Versammlung mit Waffen als nicht mit dem Grundrechtsschutz versehen vorsieht.

In dem Beschluss vom 27.04.1982(17) führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass das Verbot „gleichartiger Kleidungsstücke“ verfassungsrechtlich (nur dann) nicht zu beanstanden ist, wenn damit Umgehungsformen des öffentlichen Uniformtragens unterbunden werden sollen. Es hat gefordert, dass erkennbar Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppen beispielsweise durch Abzeichen oder Auftreten mit militärischem Gebaren vorliegen müssen. Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass auch das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Verbots jeglicher uniformierter Bekleidung teilt.(18)

Der Gesetzentwurf richtet sich jedoch nicht allein gegen Umgehungsformen betreffend das Uniformverbot im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, sondern gegen „uniformähnliche Kleidungsstücke“. Neben einem paramilitärischen Auftreten genügt ein äußeres Erscheinungsbild, welches Gewaltbereitschaft vermittelt und mit welchem auf Dritte einschüchternd eingewirkt wird.(19)

In § 8 Abs. 2 des Entwurfs wird damit eine unklare und unbestimmte Rechtslage geschaffen, die es Versammlungsbehörden und der Polizei gem. § 8 Abs. 3 des Entwurfs mittels Anordnung ermöglicht die „vom Verbot erfassten Gegenstände ... oder Verhaltensweisen“ zu bezeichnen. D.h. die zuständige Behörde erhält die Deutungshoheit, wann welche uniformähnliche Kleidungsstücke wegen des äußeren Erscheinungsbildes auf Dritte einschüchternd wirken und welche Verhaltensweisen ein „paramilitärisches Auftreten“ darstellen. Es kann mithin auf Grund des subjektiven Empfindens der Mitarbeiter*innen der zuständigen Behörde ein Katalog verbotener Gegenstände und Verhaltensweisen erstellt werden, mit welchem vermeintlich auf Dritte einschüchternd eingewirkt wird.

Die Vorschrift verstößt sowohl gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, wie auch gegen den Gesetzesvorbehalt in Art. 8 Abs. 2 GG, da der Gesetzgeber wesentliche Differenzierungsmerkmale zur Auslegung eines zu unbestimmten Gesetzes nahezu vollständig in die Hände der Behörden gibt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 des Entwurfs bzw. entsprechende Anordnungen der zuständigen Behörde einen Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 24 Abs. 1 Nr. 7 des Entwurfs darstellen soll und nach § 14 Abs. 1 und Abs. 2 des Entwurfs Identitätsfeststellung, Durchsuchung und Sicherstellung der in etwaigen Anordnungen benannter Gegenstände bereits auf dem Weg zu einer Versammlung erfolgen können, ohne das die oder der Betroffene von der Anordnung überhaupt Kenntnis erlangen konnte.
3. Verbot von „Ersatzversammlungen“, § 12 Abs. 7
  

Die Regelung in § 12 Abs. 7 des Entwurfs ist zu unbestimmt und nicht erforderlich.

Handelt es sich um eine mit der aufgelösten identische Versammlung ist sie aufgelöst. Handelt es sich um eine andere Versammlung, unterliegt diese wiederum dem Schutz des Art. 8 GG und kann nur unter den Voraussetzungen des Versammlungsgesetzes aufgelöst werden.
4. Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit von Personen, § 13 Abs. 1

§ 13 Abs. 1 ermächtigt die Versammlungsbehörde, im Vorfeld einer Versammlung einer Person die Teilnahme oder die Anwesenheit in einer Versammlung zu untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Das Versammlungsgesetz des Bundes enthält keine vergleichbare Regelung. Die Notwendigkeit einer derartigen Eingriffsermächtigung bereits vor Beginn der Versammlung gegen einzelne Teilnehmer und Teilnehmerinnen vorzugehen ist auch nicht ersichtlich. Überdies wird die erforderliche Prognoseentscheidung bezogen auf einzelne Personen zwangsläufig von einer noch größeren Unsicherheit geprägt sein als dies bereits für Prognoseentscheidungen bezogen auf die Versammlung als solche der Fall ist. Es steht daher zu befürchten, dass die Regelung dazu führen wird, Personen ohne hinreichende Grundlage das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschneiden.

Da die Untersagung nach dem Wortlaut der Norm nur unmittelbar vor Beginn der Versammlung erfolgen kann, besteht die Gefahr, dass effektiver Rechtsschutz gegen eine entsprechende Verfügung nicht erreicht werden kann. Wenn beispielsweise auf dem Weg zu einer Versammlung oder direkt am Versammlungsort ein Verbot gem. § 13 Abs. 1 des Entwurfs verfügt wird, ist der oder dem Betroffenen die Teilnahme an der Versammlung faktisch verwehrt. Rechtsschutz kann erst nachträglich im Wege einer Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage erlangt werden.  Das Grundrecht auf Meinungskundgabe im Rahmen einer Versammlung könnte ausgehöhlt werden.

Die Regelung ist daher abzulehnen.
5. Durchsuchung und Identitätsfeststellung, § 14

Nach § 14 Abs. 1 des Entwurfs dürfen Personen und mitgeführte Sachen durchsucht werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Waffen, Uniformen, uniformähnliche Kleidungsstücke, Vermummungsgegenstände oder Schutzausrüstungen mit sich führen. „Tatsächliche Anhaltspunkte“ liegen vor und führen nach dem Legalitätsprinzip zum Einsetzen der Strafverfolgung, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.(20) Die Regelung betrifft damit sogenannte Vorkontrollen. Diese sind bereits nach dem allgemeinen Polizeirecht zulässig.(21) Ein Bedürfnis zur Aufnahme der Norm ist nicht erkennbar.

Weitergehend ermächtigt § 14 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs zur Durchführungen von Identitätsfeststellungen und weiteren polizei- und ordnungsrechtlichen oder strafprozessualen Maßnahmen auf dem Weg zum Ort der Versammlung, am Ort der Versammlung selbst und im Bereich des Aufzugs, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Verstoß gegen das Uniform- oder Vermummungsverbot vorliegen. Das heißt, Demonstrationsteilnehmer*innen müssen jederzeit auf Grund der „kriminalistischen Erfahrungen“ einzelner Polizeibeamter damit rechnen, dass ihre Personalien festgestellt werden. Dies ist ebenso wie die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen – hierzu sogleich – geeignet, Bürger*innen von ihrer Grundrechtsausübung abzuhalten. Wer vor oder während einer Demonstration jederzeit damit rechnen muss, dass er gegenüber einer staatlichen Institution seine Identität offenlegen muss, ohne zu wissen, ob beispielsweise Anwesenheitslisten betreffend der Teilnahme an einer Versammlung erstellt werden, wird unter Umständen von einer Grundrechtsausübung Abstand nehmen.

Es wird hiermit zudem ohne Not eine Öffnungsklausel für sämtliche polizeirechtliche und strafprozessuale Maßnahmen geschaffen, welche in der Lage ist, den Schutzbereich des Art. 8 GG und darüber hinaus das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auszuhöhlen. Die bisherige sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen(22) wird aufgehoben.

§ 14 des Entwurfs ist damit abzulehnen.

Soweit zur Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt wird, mit dieser Norm solle sichergestellt werden, dass die Kontrollen nicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten genutzt werden, so ist dies unverständlich. Bei den in § 14 Abs. 2 des Entwurfs benannten Verstößen gegen §§ 8 oder 16 des Entwurfs handelt es sich gem. § 24Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 des Entwurfs um Ordnungswidrigkeiten.  
6. Bild- und Tonübertragungen, § 15

Die Regelungen zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen sowie die entsprechenden Aufzeichnungen begegnen ebenso durchgreifenden Bedenken wie die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen, denn sie tragen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die damit einhergehenden Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung.

§ 15 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 des Entwurfs regeln zunächst allgemein die Befugnis der Polizei, personenbezogene Daten von Versammlungsteilnehmer*innen zu erheben und zu verarbeiten, um von diesen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit (bzw. für die Friedlichkeit der Versammlung) abzuwehren. Satz 2 stellt klar, dass die Maßnahme auch durchgeführt werden darf, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen sind.

Da dies regelmäßig der Fall sein dürfte, läuft die Regelung im Ergebnis darauf hinaus, dass eine Vielzahl von (unvermeidbar betroffenen) friedlichen Demonstrant*innen eines Aufzugs videografiert und damit als Nicht-Störer in Anspruch genommen werden können, wenn sich eine einzige Person als Störerin im Demonstrationszug befindet. Die Regelung greift daher in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung ein, weil jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer in einer solchen Situation damit rechnen muss, dass sowohl seine Teilnahme als solche, wie auch seine optischen oder akustischen Beiträge übertragen, festgehalten und ausgewertet werden. Ob der Polizei tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass von einer teilnehmenden Person erhebliche Gefahren ausgehen, lässt sich für die nicht störenden Versammlungsteilnehmer*innen in der Regel nicht beurteilen. Tangiert ist aber auch das Recht des Veranstalters/ der Veranstalterin, da von einer Bildübertragung und -aufzeichnung handgreiflich abschreckende Wirkungen auf potentielle Teilnehmer*innen ausgehen.

Soweit § 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs vorsehen, dass die Aufnahmen offen vorzunehmen sind, so ändert dies an der Eingriffsqualität nichts. Es besteht gleichwohl die Gefahr, dass eine Vielzahl friedlicher Demonstrant*innen auf Grund einer vermeintlichen – in der Praxis oft nur behaupteten -  erheblichen Gefahr videografiert werden. Der offene Einsatz von Videotechnik ist ebenso geeignet, Personen von der Teilnahme an Versammlungen abzuhalten. Die offene Beobachtung durch Kameras – einschließlich Bildübertragung in den Monitorraum – stellt angesichts der mit ihr verbundenen Möglichkeiten sowohl eine neue Qualität als auch eine andere Quantität der Kontrolle dar. Sie ermöglicht beinahe mühelos – zumindest potentiell – eine lückenlose Überwachung „rund um die Uhr“ und bietet zudem zahlreiche besondere technische Möglichkeiten der Bearbeitung (z.B. Vergrößerungen durch „Heranzoomen“, Standbilder, unmittelbarer Übergang zur Aufzeichnung). Überdies weiß der Einzelne im Falle offener Videoüberwachung nicht, ob die Kamera aktuell auf ihn gerichtet ist, ob sein Bild aufgezeichnet wird, wie lange die Bilder ggfls. gespeichert werden und für welche Stellen die Daten zugänglich sind. Gerade die Unsicherheit darüber ob und wie ein bestimmtes Verhalten behördlich registriert wird, kann einen Anpassungsdruck erzeugen und Bürger*innen von der Ausübung ihrer Grundrechte abhalten; wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen notiert und als Information gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird häufig versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.(23)

Soweit die Versammlungsleitung gem. § 15 Abs. 3 des Entwurfs unverzüglich über die Anfertigung von Aufzeichnungen in Kenntnis zu setzen ist, so ist auch dieses Korrektiv nicht geeignet, den Eingriff in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Geboten wäre zumindest, vor einer derartigen Maßnahme den oder die Veranstalter*in und die Teilnehmer*innen zu informieren und Gelegenheit zu geben, die vermeintliche Gefahrenlage abzuwenden. Erst wenn die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist, kann eine Inanspruchnahme der friedlichen Demonstrant*innen als sog. Nichtstörer*innen überhaupt in Betracht kommen.

Ebenso wenig sind die Regelungen in § 15 Abs. 4 (Löschungspflichten) und § 15 Abs. 5 (Dokumentationspflichten) geeignet, den Eingriff zu rechtfertigen. Wenn aus Angst vor staatlicher Kontrolle und Überwachung auf die Ausübung von Grundrechten verzichtet wird, laufen nachträgliche Kontrollmöglichkeiten und Löschungsansprüche ins Leere.

Abzulehnen sind darüber hinaus auch die in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Anfertigung von sog. Übersichtsaufnahmen.

Übersichtsaufnahmen stellen nach inzwischen wohl allgemeiner Auffassung einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, insbesondere auch weil sie eine Identifizierung von Versammlungsteilnehmer*innen ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufzeichnungen nicht besteht.(24) Die Bezeichnung „Übersichtsaufnahme“ verharmlost daher aus grundrechtlicher Sicht die Eingriffsintensität, denn diese ist – jedenfalls solange keine besonderen technischen Vorkehrungen getroffen werden können – keineswegs anders zu bewerten als andere optische oder akustische Überwachungsmaßnahmen. In Folge dessen lassen sich auch keine geringeren Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen derartiger Eingriffe rechtfertigen.(25)

Demgegenüber ermächtigt der Entwurf die Polizei zur Anfertigung sog. Übersichtsaufnahmen von Versammlungen und ihrem Umfeld unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Gefahr, wenn dies "wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit" im Einzelfall geboten ist. Diese tatbestandlichen Einschränkungen sind nicht geeignet, die Eingriffe in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der "Größe der Versammlung"(26) und der "Unübersichtlichkeit"(27) überlassen zunächst der Polizei die Entscheidung, ob sog. Übersichtaufnahmen „erforderlich“ sind. Angesichts des erheblichen Eingriffs in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist dies nicht akzeptabel. Rechtsschutz gegen unter Umständen rechtswidrig durchgeführte Übersichtsaufnahmen kann in der Regel erst nachträglich erlangt werden.

Soweit der Entwurf auch hinsichtlich der Übersichtsaufnahmen eine polizeiliche Informations- und Dokumentationspflicht über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen statuiert, ist dies zwar grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings werden damit die aufgezeigten Bedenken ebenso wenig ausgeräumt wie im Rahmen der Regelung nach § 15 Abs. 1 des Entwurfs. Das Wissen darüber, DASS Übersichtsaufnahmen angefertigt werden, reduziert die Eingriffsqualität und damit die Rechtfertigungspflicht für den Eingriff in Grundrechte nicht. Dokumentationspflichten können dazu dienen nachträglichen Rechtsschutz effektiver wahrnehmen zu können, beseitigen den Eingriff vor Ort indes nicht.

Soweit dem gegenüber der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin(28) die landesrechtliche Ermächtigung zur Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Berlin als mit der Verfassung von Berlin vereinbar erklärt, so ist dem nicht zu folgen.(29)

Das Urteil des Berliner VerfGH ist widersprüchlich. Während zunächst zutreffend festgestellt wird, dass die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen geeignet ist, Versammlungsteilnehmer*innen von ihrer Grundrechtsausübung abzuhalten, behauptet das Gericht sodann ohne Beleg(30), dass der Umstand der offenen Überwachung und die Tatsache, dass Versammlungsteilnehmer*innen die Regelungen zur Anfertigung von Übersichtsaufnahmen kennen, zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffs führen. Das Gericht verkennt damit die Schwere des Grundrechtseingriffs.(31)

Soweit der Berliner VerfGH hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe „Größe und Unübersichtlichkeit“ der Versammlung auf möglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz abstellt, so kann auch dies nicht zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs dienen. Mit nachträglichem Rechtsschutz kann zwar die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilichen Handelns erreicht werden. In der konkreten Situation vor Ort ist diese Möglichkeit indes wenig hilfreich. In der Praxis ist der rechtswidrige Einsatz von Videotechnik leider die Regel.(32) Verfassungsrechtliche Erwägungen sind den Polizeibeamten vor Ort oft gleichgültig. Rechtswidriges Verhalten wird geleugnet(33) oder unter Hinweis auf Befehle fortgesetzt und die Betroffenen auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen. Effektiver Grundrechtsschutz im Sinne der Gewährleistung der Versammlungsfreiheit kann so nicht erreicht werden.
7. Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot, § 16

§ 16 des Entwurfes normiert in Anlehnung an den Musterentwurf ein sog. Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot. Bereits in Bezug auf das inhaltlich vergleichbare Schutzwaffen- und Vermummungsverbot in § 17a VersG und § 17 SächsVersG ist von Vertreter*innen der Rechtswissenschaft ausdrücklich auf die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift hingewiesen worden.(34)

Die den bestehenden Normen zu Recht vorgeworfenen Mängel hinsichtlich der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit gelten damit entsprechend auch für die im Entwurf vorgesehene Regelung. Dies gilt nicht nur für das unbestimmte Verbot von Gegenständen, die als "Schutzausrüstung geeignet" und "den Umständen nach" darauf gerichtet sind, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren, sondern insbesondere auch für das Maskierungs- und Vermummungsverbot. Welche Gegenstände "zur Identitätsverschleierung geeignet" und "den Umständen nach" darauf gerichtet sind, die Feststellung der Identität zu verhindern, bleibt völlig im Vagen. Es ist nicht erkennbar, bei welchem Wetter ein Schal, ein Rollkragenpullover oder eine Sonnenbrille als Witterungs- oder Sonnenschutz sozialadäquat ist und wann ein Vermummungsgegenstand.(35)

Auch erkennt bereits die Begründung des Musterentwurfs ausdrücklich an, dass es legitime Gründe dafür geben kann, aus Furcht vor Sanktionen von Arbeitgeber*innen oder vor staatlicher Erfassung der durch die Teilnahme an einer Versammlung ausgedrückten Haltung anonym bleiben zu wollen.(36) Das Vermummungsverbot steht insoweit im Zusammenhang mit der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen. Wer befürchten muss, nicht anonym an Kundgebungen teilzunehmen steht vor der Wahl sein Grundrecht nicht auszuüben oder identitätsverschleiernde Maßnahmen zu ergreifen.

Zuzustimmen ist der Begründung des Gesetzentwurfs dahingehend, als dass nach der nunmehrigen Formulierung eine Vermummung zum Schutz vor dem politischen Gegner nicht unter § 16 des Entwurfs fällt(37), sondern nur die Identitätsverschleierung zum Zweck der Strafverfolgung. Da jedoch bereits das Mitsichführen – und nicht das Verwenden in einer konkreten Situation – verboten ist, obliegt es der vor Ort nicht zu widerlegenden Prognose des Polizeivollzugsdienstes, zu welchem Zweck die Gegenstände mitgeführt werden. Die Einschränkung auf eine bestimmte Zweckrichtung ist mithin nicht geeignet, der Norm zur Verfassungsmäßigkeit zu verhelfen.
 
Zudem übersieht der Gesetzentwurf, dass Maskierungen oft bestimmte versammlungsimmanente Inhalte, etwa durch das Tragen von Masken aus Pappmaché, durch Papiermasken (wie etwa die in Zusammenhang mit der Gruppe Anonymous bekannt gewordene Guy-Fawkes-Masken) oder geschlossene Ganzkörperanzüge aus Papier (etwa bei Anti-AKW-Demonstrationen) verkörpern.(38)

Versammlungsteilnehmer*innen werden damit weiterhin befürchten müssen, von gefahrenabwehrrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen betroffen zu werden. Die aus „den Umständen“ durch die Polizei abgeleitete Zielrichtung ist nicht geeignet, einer extensiven Anwendung des Maskierungs- und Vermummungsverbots entgegenzuwirken. Das legitime und auch grundrechtlich geschützte Interesse vieler Versammlungsteilnehmer*innen an Anonymität oder Maskerade droht daher letztlich leer zu laufen.

Hinsichtlich der in § 16 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehenen Anordnungsbefugnis ist auf die Ausführungen zu § 8 Abs. 3 des Entwurfs zu verweisen.

Das normierte Vermummungsverbot ist damit abzulehnen.(39)
8. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

8.1. § 23 Abs. 2 des Entwurfs – Mitführen von Gegenständen nach einer Versammlung
Die Strafbarkeit des Mitführens von Waffen oder sonstigen Gegenständen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs „im Anschluss an eine Versammlung“ ist weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt.

8.2. § 24 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs – Aufruf zu vollziehbar verbotenen Versammlungen
Dieser Tatbestand ist in der jetzigen Fassung zu weit. Nach dem Wortlaut würde auch ein Aufrufen unter den Tatbestand fallen, das stattfindet, während gegen das Verbot noch gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen wird.

8.3. § 24 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs – Sanktionierung von Blockaden

Mit der Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs soll die Teilnahme an Blockaden und anderen Aktivitäten, die andere Versammlungen stören, mit einer Geldbuße zu ahnden sein.

Der Entwurf richtet sich gegen eine Form des zivilen Ungehorsams, der in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert ist und in der Vergangenheit nicht zuletzt auch von vielen Parteien einschließlich der SPD und der Grünen aktiv mitgetragen und mitgestaltet wurde. Er zielt darauf ab, das sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen entwickelte zivilgesellschaftliche Engagement gegen Neo-Nazi-Veranstaltungen zu sanktionieren. Dies obwohl auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1995(40) grundsätzlich das Mittel der (Sitz-)Blockade als Mittel der politischen Meinungs- und Demonstrationsfreiheit anerkannt hat, sofern der Ort, an dem die Blockade stattfindet, symbolisch für das politische Ziel steht.

Das ist bei Zufahrtswegen und Strecken von Nazi-Versammlungen selbstverständlich der Fall. Wer äußern möchte, dass den Nazis die Straße eben gerade nicht gehört und thematisieren will, dass sie ihre Propaganda und ihre Drohungen nicht dort verbreiten sollen, wo zum Beispiel von ihnen gefährdete Personen wohnen oder gefährdete Einrichtungen residieren, wird genau dort stehen bzw. sitzen und demonstrieren.

Eine Sanktionierung ist zudem nicht das richtige Mittel, um dem Konflikt zwischen Demonstrationen mit gegensätzlichen Zielrichtungen beizukommen. Hier muss in jedem konkreten Fall von Demonstrationen, die bürgerschaftlichen Widerspruch hervorrufen, auf andere Mittel in der kommunalen Entscheidungsebene oder in der polizeilichen Praxis gesetzt werden.

Die Vorschrift des Gesetzentwurfs nivelliert die Unterschiede zwischen friedlichem Protest und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Personen mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Es steht daher zu befürchten, dass das polizeiliche Vorgehen gegen den friedlichen Protestierenden härter und repressiver wird.
Dann ist damit zu rechnen, dass insgesamt die Gefahr der gewalttätigen Auseinandersetzungen steigt. Denn dass mit dem geplanten Gesetz auch denjenigen, die Gewaltfreiheit propagieren, eine Bestrafung angedroht wird, wenn sie auf der Straße sitzen, kann dazu führen, dass die gesetzlichen Grenzen an Akzeptanz verlieren und vermehrt Konflikte mit der staatlichen Gewalt auftreten. 8.4. § 24 Abs. 1 Nr. 7 – Sanktionierung des Verstoßes gegen das Uniformverbot gem. § 8 Abs. 2 des Entwurfs
Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm ist auch eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen.

8.5. § 24 Abs. 1 Nr. 8 – Sanktionierung des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot gem. § 16 des Entwurfs
Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm ist auch diese Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen.

8.6. § 24 Abs. 1 Nr. 9 – Sanktionierung des Verstoßes gegen die Untersagung der Teilnahme gem. § 13 Abs. 1 des Entwurfs
Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs. 1 des Entwurfs ist auch diese Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen. Leipzig, den 11.06.2018

RA Raik Höfler Fußnoten
(1) Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 2015, S. 135 ff.
(2) Siehe Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/1564 und http://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Stellungnahmen/130814_StN_RAV_GE_Versammlungsgesetz_in_SH.pdf
(3) Europarechtskonform gilt dieses Grundrecht für alle EU-Bürger*innen.
(4) Az.: 1 BvR 233, 341/81 – bekannt als sog. Brokdorf-Entscheidung
(5) vgl. Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, § 1 Rn 92  
(6) vgl. Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, Vor § 5 Rn 2  
(7) vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 19.04.2011, Az.: Vf. 74-II-10
(8) Aden in Vorgänge 2016, 7, 11
(9) diese Regelungen entsprechen den bisherigen § 6 Abs. 2 und Abs. 3 SächsVersG
(10) vgl. Seite 27 und Seite 28 des Entwurfs
(11) BVerfGE 69, 315, 358
(12) vgl. zur sog. leiterlosen Versammlung: Kniesel/Poscher in HB d. PolR, 4.Auflage 2007, Kap. J Rn 212 m.w.N.  
(13) vgl. Elzermann, Kommentar zum SächsVersG, 1.Auflage 2016, § 14 Rn 21
(14) vgl. zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 3 VersG umfassend und zutreffend: Ott/Wächtler/Heinhold, Kommentar zum VersG, 7.Auflage 2010, § 3 Rn 2 ff. ; Kniesel/Poscher in HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 294
(15) Kniesel/Poscher in HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 295
(16) BVerfGE, 69, 315(353)).
(17) Az.: 1 BvR 1138/81
(18) Ott/Wächtler/Heinhold, Kommentar zum VersG, 7.Auflage 2010, § 3 Rn 3
(19) entgegen der Gesetzesbegründung sind damit auch weiterhin zivile Kleidungsstücke potentiell von dem Verbot umfasst
(20) vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/ Schmitt, Kommentar zur StPO, 57.Auflage 2014, § 152 Rn 4
(21) vgl. Kniesl/Poscher, HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 37
(22) vgl. Kniesl/Poscher, HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 23
(23) vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10.07.2003, Az.: Vf. 43-II-00 unter Hinweis auf BVerfGE 65, 1 ff.
(24) BVerfG Beschluss vom 17.2.2009, Az.: 1 BvR 2492/08, Rn 130
(25) ebenso im Rahmen der vorläufigen teilweisen Außerkraftsetzung des BayVersG: BVerfG Beschluss vom 17.2.2009, Az.: 1 BvR 2492/08, Rn 134
(26) nach VG Göttingen, Urteil vom 11.12.2013, Az.: 1 A 283/12 soll eine Teilnehmerzahl von 50-60 Personen die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen noch nicht erforderlich machen
(27) diese soll nach Ullrich/ Weiner/Brüggemann – zitiert nach Elzermann, SächsVersG, § 20 Rn 6 bereits bei einer Teilnehmer von unter 50 möglich sein
(28) Urteil vom 11.04.2014Az.: 129/13
(29) Ebenso: Neskovic/Uhlig, NVwZ 2014, 335 ff., dies. NVwZ 2014, 1317 ff., Heinrich, Vorgänge 2014, 83 ff.
(30) vgl. hierzu: Arzt/Ullrich, Vorgänge 2016, 46 (54)
(31) Ebenso das Sondervotum des Richters Starostik
(32) ebenso die Erfahrungen von Arzt/ Ullrich, Vorgänge 2016, 46 (55)
(33) vgl. beispielsweise den, dem Urteil des VG Leipzig vom 17.06.2016, Az.: 1 K 222/13 zu Grunde liegenden Sachverhalt
(34) vgl. hierzu ausführlich Ott/Wächtler/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, § 17a Rn 1 ff; differenziert dagegen Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, § 17a Rn 4 ff
(35) vgl. Kretschmer,, Ein Blick in das Versammlungsstrafrecht, NStZ 2015, 504 (507)
(36) Arbeitskreis Versammlungsrecht, ME VersG, S. 78
(37) vgl. hierzu: Elzermann, Kommentar zum SächsVersG, § 17 Rn 16 ff m.w.N.
(38) vgl. Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, § 17a Rn 7 ; Dürig-Friedl in Versammlungsrecht 2016, § 17a Rn 24
(39) ebenso: Roos/ Bula, Das Versammlungsrecht in der praktischen Anwendung, 2.Auflage 2009, Rn 503 ff. ; Anden, Vorgänge 2016, 7, 15
(40) Beschluss vom 10.01.1995, Az.: 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 und nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011, Az.: 1 BvR 388/05 StN als PDF]]>
Versammlungsfreiheit
news-559 Wed, 13 Jun 2018 15:13:00 +0200 Mietpreisbremse verfassungsgemäß! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-verfassungsgemaess-559 Pressemitteilung Nr. 5 vom 13.6.2018 Die 65. Zivilkammer des Landgerichts Berlin hat die Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse bestätigt und widerspricht damit in ihrem ausführlich begründeten Urteil vom 25. April 2018 (Az. 65 S 238/17) ausdrücklich der 67. Kammer des Berliner Landgerichts, die die Mietpreisbremse mit ihrem Beschluss vom 7. Dezember 2017 (Az. 67 S 218/17) dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hatte, weil sie sie für verfassungswidrig hielt.

Auch das Vorgehen der 63. Zivilkammer des Landgerichts Berlin, die per Beschluss vom 23.01.2018 (Az. 63 S 156/17) einen Rechtsstreit über die Mietpreisbremse bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aussetzte, hält die 65. Zivilkammer für falsch und erläutert dies ausführlich.

In ihrem Urteil befand die 65. Zivilkammer zudem, dass die Mietpreisbremse auch für die vorliegende Konstellation des Austausches der Hauptmieter eines Mietvertrags anwendbar sei. Der Austausch der Hauptmieter eines Mietvertrags bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Erhöhung der Miete sei ein unzulässiges Umgehungsgeschäft.
Konkret ging es darum, dass die Vermieterin die Kündigung der ausziehenden Hauptmieterin einer von mehreren jungen Leuten bewohnten Wohnung zur Bedingung für einen Vertragsabschluss mit den bisherigen Untermietern machte. Nach der Kündigung der Hauptmieterin bestand die Vermieterin jedoch plötzlich darauf, noch in der verbleibenden Mietzeit eine Vertragsänderung zu vereinbaren, laut der die Untermieter zu Hauptmietern werden würden, die bisherige Hauptmieterin aus dem Vertrag ausscheiden und die Miete für die 58m² große Wohnung um über 300,- EUR steigen sollte. Andernfalls wollte sie keinen Vertrag mit den Untermietern abschließen.
Es ging der Vermieterin also offensichtlich darum, die bei einem neuen Vertragsabschluss anwendbare Mietpreisbremse zu umgehen.

Das Landgericht sah darin ein unzulässiges Umgehungsgeschäft.

Rechtsanwalt Max Althoff erklärt dazu für den ›Arbeitskreis Mietrecht‹ im RAV: »Mit dieser Entscheidung bestätigt die 65. Zivilkammer des Landgerichts Berlin unsere Rechtsauffassung in Sachen Mietpreisbremse«.

Kontakt für weitere Informationen zum Urteil:
RA Max Althoff, Tel. 030.342 24 42
althoff@ra-charlottenburg.de
Zum Hintergrund der Urteile s. RAV-InfoBrief #115
https://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-115-2018/ein-aktueller-kampf-ums-wohnen/ Mietpreisbremse verfassungsgemäß! (PM als PDF)]]>
Mietrecht (doublet)
news-558 Wed, 13 Jun 2018 13:37:00 +0200 Einladung zum Berliner RAV-Regionaltreffen 3/2018 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-rav-regionaltreffen-3-2018-558 Mittwoch 13.6.2018 um 19 h Das sogenannte „Schmücker-Verfahren“ Stadtteilzentrums Familiengarten, Oranienstr. 34 (Hinterhof), 10999 Berlin (U-Bahnhof Kottbusser Tor oder Moritzplatz, M29 Oranienstr./Adalbertstr.)
(Achtung: diesmal im Familiengarten und nicht wie üblich in der KuB!) Bei diesem 3. Berliner RAV-Regionaltreffen wird es um das sogenannte „Schmücker-Verfahren“ gehen. Dieses Strafverfahren gilt als besonders spektakuläres Beispiel eines Prozesses, der von Anfang an von Geheimdiensten gesteuert worden ist. Es hat die bundesdeutsche Justiz über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren beschäftigt. Nach einem Überblick über dieses Verfahren durch Rechtsanwalt Ulrich v. Klinggräff besteht die Möglichkeit, mit einem der damaligen Verteidiger, Philipp Heinisch, ins Gespräch zu kommen. Wir freuen uns auf zahlreiches Kommen.   Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.]]>
RAV-Historie
news-548 Tue, 22 May 2018 15:33:00 +0200 Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-staerkung-des-rechts-des-angeklagten-auf-anwesenheit-in-der-verhandlung-548 Stellungnahme des RAV zum Referentenentwurf, 22.5.18
Verfasser: Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Bremen.

A. Allgemeine Anmerkungen

Der Entwurf diene „im Wesentlichen [so die allgemeine Begründung – s. dazu u. B. – auf S. 5] der Umsetzung der Richtlinie EU 2016/343“ vom 9.3.2016 über die „Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren“ – bereits der Name des geplanten Gesetzes „zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ lässt erkennen, dass jene Richtlinie im Wesentlichen, oder doch jedenfalls in einem ganz wesentlichen Punkt nicht umgesetzt werden soll: Eine „Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung“ ist nicht beabsichtigt, obwohl Schwerpunkt der gerade auch insoweit durchaus lesenswerten Richtlinie.(1) Dazu heißt es in dem vorliegenden BMJV-Entwurf zunächst lapidar (a.a.O.), da das deutsche Recht „den Vorgaben der Richtlinie weitgehend“ bereits entspreche, seien zur Umsetzung der Richtlinie „nur punktuelle Änderungen erforderlich“; soll wohl heißen: Kein Handlungs- resp. Regelungsbedarf in puncto Unschuldsvermutung – eine ‚steile‘ These!

Vor dem Hintergrund der „weitgehenden“ normativen Abstinenz des nationalen Strafprozess- und -verfassungsrechts zur Unschuldsvermutung erweist es sich als beklagenswertes Versäumnis, dass die durch die EU-Richtlinie 2016/343 unterbreitete Steilvorlage zur rechtspolitischen Nachbesserung vom BMJV ignoriert wird. Weder das deutsche Grundgesetz noch die deutsche Strafprozessordnung erwähnen die Unschuldsvermutung auch nur. Man mag es als Verneigung gegenüber der überragenden Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) werten, dass allenthalben auf deren Art. 6 Abs. 2 verwiesen wird, wenn es gilt, die Unschuldsvermutung in ihrer ebenso überragenden Bedeutung als Grundpfeiler des Strafverfahrens(rechts) zu benennen und rechtlich zu verorten. Wenn im Übrigen aber lediglich das allgemeine „Rechtsstaatsprinzip“ als Rechtsgrundlage herhalten kann, wird bereits deutlich, dass es damit nicht getan ist – dass es aber auch mit Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht getan ist (ohne dessen Bedeutung schmälern zu wollen), lassen nicht nur die Artt. 47 und 48 der EU-Grundrechte-Charta erkennen (die im deutschen Prozessrecht bisher freilich nicht gelten), sondern gerade auch die vorliegende EU-Richtlinie 2016/343 in ihren Artt. 3 bis 7.

Soweit es in dem vorliegenden Entwurf (unter A. II. 2. b, a.a.O. S. 10/11) demgegenüber heißt, der Grundsatz der Unschuldsvermutung sei im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert, genieße damit „Verfassungsrang“ und sei „zusätzlich auf der Ebene einfachen Bundesrechts“ kodifiziert, womit ‚nur‘ Art. 6 Abs. 2 EMRK gemeint ist, wird das Manko einmal mehr deutlich. Die Abstinenz des vorgelegten Entwurfs in puncto Unschuldsvermutung ist selbst dann nicht akzeptabel, wenn man der Auffassung folgen will, die in den Artt. 3 bis 7 der EU-Richtlinie 2016/343 verankerten Konkretisierungen und Präzisionen zur Unschuldsvermutung seien im deutschen Recht „weitgehend“ bereits verwirklicht (RefE S. 11 ff.). Denn einerseits gilt dies eben – wie dargelegt – „weitgehend“ nur im Recht in seiner richterlichen Ausgestaltung und gerade nicht im positiven Recht der einschlägigen Gesetze, und andererseits gilt dies eben allenfalls „weitgehend“, aber nicht umfassend: Es kann keine Rede davon sein, im deutschen (nicht nur Strafprozess-) Recht und in der deutschen (nicht nur Straf-) Justiz gebe es keine Probleme mit der Unschuldsvermutung, die nicht der Mühe wert gewesen wären, sie auf Veranlassung der EU-Richtlinie legislativ in Angriff zu nehmen.(2)

So aber hat man sich darauf beschränkt, die Richtlinie nur „zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ umzusetzen, und das einerseits auch nur punktuell (s.u. B. und C.) und andererseits – einem verbreiteten deutschen Strafprozessverständnis entsprechend – zugleich zur ‚Stärkung‘ der Pflicht des Angeklagten auf Anwesenheit, wobei zuzugestehen ist, dass auch die Richtlinie selbst vor allem Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht, also Abwesenheitsverfahren reglementiert. Die dagegen vorgebrachte Kritik(3) bleibt berechtigt: Eine Richtlinie, die wahrhaftig die „Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ fokussierte, wäre ggf. Anlass gewesen bzw,. hätte Anlass sein müssen, die in der deutschen StPO zahlreich verankerten Möglichkeiten der Abwesenheitsverhandlung auf den Prüfstand zu stellen. Da die Richtlinie letztlich aber vor allem auf eine ‚Stärkung des Rechts der Strafverfolgungsbehörden zu Abwesenheitsverhandlungen‘ hinausläuft, mag man geneigt sein, dem BMJV insoweit keinen Vorwurf zu machen. Gleichwohl bzw. so oder so: eine vertane Chance!

Auch der Aufforderung der Richtlinie in Erwägung 42, dafür Sorge zu tragen, dass gerade in puncto Anwesenheitsrecht „die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen“ berücksichtigt werden müssen, also von Personen, die „aufgrund ihres Alters, ihrer geistigen oder körperlichen Verfassung oder aufgrund irgendeiner möglichen Behinderung nicht in der Lage sind, einem Strafverfahren zu folgen oder daran teilzunehmen“ (wobei in Erwägung 43 „Kinder“ – im internationalen Sprachgebrauch incl. Jugendliche – noch gesondert Erwähnung finden), widmet der RefE keine Zeile.(4)

Des Weiteren ist – selbst vor dem Hintergrund ablaufender Wahlperioden und ‚holpriger‘ Wege zur Regierungsbildung – zu kritisieren, dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie bereits am 1.4.2018 abgelaufen war, also noch bevor auch nur ein RefE vorgelegt wurde. In Anbetracht der hyperaktiven bis hektischen Gesetzgebungstätigkeiten gerade des BMJV in den letzten zwei Jahren, das Gesetzesvorhaben bisweilen binnen weniger Monate bis zur Verabschiedung trieb, ist es nicht nachzuvollziehen, dass die seit dem 9.3.2016 vorliegende (und bereits seit Jahren diskutierte, also absehbare) Richtlinie zwei Jahre ‚brach‘ lag: Eine rechtspolitisch bedenkliche Prioritätensetzung.
Wenn schließlich das beabsichtigte Gesetz (in Art. 1 Nr. 1 und 5 – insoweit ist die Fußnote auf S. 3 unzutreffend – sowie Art. 2 und 3) auch noch dafür herhalten soll, ‚en passant‘ Versäumnisse eines anderen Gesetzgebungsvorhabens (hier: zur elektronischen Akte) zu korrigieren, so schmälert dies den hochtrabenden Anspruch der Umsetzung einer so wichtigen EU-Richtlinie 2016/343 einmal mehr.

B. Weitere Anmerkungen zur Allgemeinen Entwurfsbegründung

Im Zentrum des Entwurfs steht § 350 StPO, mit dem ein „vollwertiges Anwesenheitsrecht des Angeklagten auch in der Revisionshauptverhandlung gewährleistet“ werden soll (S. 6 und Art. 1 Nr. 7), was zu einigen Folgeänderungen führt (Nrn. 2, 3, 8). Daneben treten Detailänderungen zur Abwesenheitsverhandlung gem. § 231 Abs. 2 (Nr.  4) bzw. § 329 StPO (Nr. 6).

Soweit im BMJV im Übrigen in puncto „Anwesenheitsrecht“ (genauer: in puncto „Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht“, also: Abwesenheitsverhandlungen) aufgrund der Richtlinie „kein Anpassungsbedarf“ gesehen wird (S. 6 ff.), so wirft dies einerseits ein entsprechendes Licht auf die gerade auch insoweit zu Recht kritisiert Richtlinie (s.o.), andererseits ist z.B. durchaus fraglich, ob das deutsche Strafprozessrecht den Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie (Recht auf eine neue Verhandlung) durchweg gerecht wird. Auch sonst wäre eine kritischere Bestandsaufnahme der negativ beeindruckenden Liste „weiterer Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht“ – auch in rechtsvergleichender Perspektive – angezeigt (die hier zunächst nicht geleistet werden kann).

Dass – so der vorliegende Entwurf – die Richtlinie „zweitens [Vorgaben] zum Recht des Angeklagten auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung“ enthält (S. 5), ist mindestens missverständlich, wenn nicht irreführend: Die Richtlinie spricht durchweg von „Verdächtigen oder beschuldigten Personen“. In der Erwägung 11 heißt es insoweit explizit, sie gelte „für natürliche Personen …, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in einem Strafverfahren sind. Sie sollte ab dem Zeitpunkt gelten, in dem eine Person verdächtigt oder beschuldigt wird, eine Straftat oder eine mutmaßliche Straftat begangen zu haben, und somit schon bevor diese Peron von den zuständigen Behörden … darüber unterrichtet wird, dass sie Verdächtiger oder beschuldigte Person ist“; sie soll „in allen Abschnitten des Strafverfahren … Anwendung finden“. Dass dies auf den Aspekt der „Unschuldsvermutung“ beschränkt sein sollte, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen, vielmehr heißt es in der Erwägung 33 explizit: „Das Recht von Verdächtigen und beschuldigten Personen, in der Verhandlung anwesend zu sein, beruht auf diesem Recht“, womit das Recht auf ein faires Verfahren gemeint ist. Auch den Artt. 8 und 9 der Richtlinie ist nicht zu entnehmen, dass es nur um „Hauptverhandlungen“ gehen sollte: Vielmehr wird unterschieden zwischen „Verhandlungen“ (Art. 8 Abs. 1) und solchen, „die zu einer Entscheidung über die Schuld oder Unschuld“ führen kann (Abs. 2). Die Fokussierung des RefE auf „Angeklagte“ einerseits und (Haupt-)Verhandlungen andererseits schöpft die Richtlinie auch insoweit nicht aus.

C. Zu den Einzelregelungen

Die EU-Richtlinie will das Anwesenheitsrecht des Angeklagten insgesamt (Art. 8 Abs. 1), insb. aber auch dadurch stärken, dass Ausnahmen hiervon, m.a.W. also die Möglichkeiten zur Abwesenheitsverhandlung (Art. 8 Abs. 2) stärker reglementiert und implizit legitimiert werden, indem der Betroffene entweder „rechtzeitig über die Verhandlung und über die Folgen des Nichterscheinens unterrichtet“ (a.a.O. lit. a) oder von einem „bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten“ wird (lit. b). Dem folgt der vorliegende RefE durchaus überzeugend, auch wenn der Spagat zwischen Anwesenheitsrecht und -pflicht letztlich nicht durchweg gelingt bzw. zu ‚Verrenkungen‘ führt (s.u. 2.).

1. Anwesenheitsrecht in der Revisionshauptverhandlung

Dass der „Angeklagte, der nicht auf freiem Fuße ist“ (also zumeist in U-Haft bzw. einstweiliger Unterbringung oder in anderer Sache im Straf- bzw. Maßregelvollzug), „keinen Anspruch auf Anwesenheit“ in der Revisionshauptverhandlung hat (§ 350 Abs. 2 S. 2 StPO), ist häufig genug kritisiert worden und offenkundig auch mit der EU-Richtlinie 2016/343 nicht vereinbar; insoweit ist Änderungsbedarf also angezeigt (vgl. auch Beukelmann NJW-Spezial 2018, 312), wenn nicht ohnehin überfällig. Dies gilt ungeachtet dessen, dass Revisionshauptverhandlungen insb. dann so ‚gut‘ wie nie stattfinden, wenn ‚nur‘ der Angeklagte Revision eingelegt hat (arg. § 349 Abs. 2 StPO); aber gerade auch in staatsanwaltlichen Revisionen zum Nachteil des Angeklagten muss dem Inhaftierten die Anwesenheit gestattet sein (und demnach auch durch Vorführung ermöglicht werden), damit er sein Recht auf rechtliches Gehör (§ 351 Abs. 2 S. 1 StPO) und auf das „letzte Wort“ (S. 2) wahrnehmen kann.

Insoweit ist die geplante Neufassung zunächst einmal dahingehend zu begrüßen, dass § 350 Abs. 2 S. 2 StPO schlicht entfällt – dass im Übrigen daran festgehalten wird, im Revisionsverfahren auch gegen Angeklagte zu verhandeln, die nicht anwesend sind, soll nunmehr durch eine Neufassung dieses Satzes bestärkt werden, wonach die Hauptverhandlung, „wenn nicht die Mitwirkung des Verteidigers notwendig ist, auch durchgeführt werden [kann], wenn weder der Angeklagte noch ein Verteidiger anwesend ist“. Ungeachtet der Frage, wann in einer Revisionshauptverhandlung legitimierweise die Notwendigkeit der Verteidigung überhaupt verneint werden kann (s.u.), irritiert hier weiterhin die abrupte Abkehr vom Dogma der Anwesenheitspflicht (s.u. 2.), so wie es letztlich nur schwer hinnehmbar ist, eine Revisionshauptverhandlung zu Lasten des Angeklagten ohne ihn und seine Verteidigung durchzuführen.

Dass der bisherige § 350 Abs. 3 StPO infolge der o.g. Streichung des Abs. 2 S. 2 entfallen soll, ist zunächst einmal konsequent. Wenn ein neuer Abs. 1 S. 2 hingegen lediglich in puncto Ladung darauf Bezug nimmt, dass „die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig“ sein kann, so fragt sich, woraus dies dann im Einzelfall folgt resp. ob im Übrigen § 140 StPO vollumfänglich Anwendung finden soll (vgl. auch Beukelmann a.a.O.). Von Letzterem geht jedenfalls – durchaus bemerkenswert – die RefE-Begr. (a.a.O. S. 22) aus: Einerseits wird zu Recht darauf hingewiesen, mit dem geplanten Fortfall des § 350 Abs. 3 StPO verliere die (ohnehin nicht unumstrittene) Auffassung, die Beiordnung aus dem Hauptverfahren ende vor der Revisionshauptverhandlung, ihre Berechtigung; andererseits werde „die Notwendigkeit einer Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung – insbesondere am Maßstab des § 140 Abs. 2 StPO – stets zu prüfen“ sein (a.a.O.). So weit, so gut, nur dass jene Notwendigkeit nicht nur stets zu „prüfen“, sondern in Anbetracht der „Schwierigkeit der Sach- und [insb.] Rechtslage“ im Revisionsverfahren stets zu bejahen sein wird – klarer wäre es, direkt in § 350 StPO für jeden Fall einer Revisionshauptverhandlung die Notwendigkeit der Verteidigung gesetzlich festzuschreiben.(5)

Die vorgesehenen Änderungen führen – auch insoweit der Richtlinie im Ansatz folgend – zu Folgeänderungen:
2. Abwesenheitsverhandlung gem. § 231 Abs. 2 StPO

In Anknüpfung an Art. 8 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie soll § 231 Abs. 2 StPO, der eine Abwesenheitsverhandlung für den Fall, dass der Angeklagte „über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet“, zulässt, dahingehend ergänzt werden, dass der Angeklagte „in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann“.

Eine solche Ergänzung ist im Grunde zu befürworten; dass es damit getan ist, erscheint aber – insb. bei längerem Zeitablauf zwischen Ladung und dem Zeitpunkt „über die Anklage schon vernommen“ – fraglich, zumal offenbar von der Ladung i.S.d. § 216 Abs. 1 StPO die Rede ist (unklar RefE-Begr. S. 19: „ordnungsgemäße Ladung – sei es zur Hauptverhandlung oder zum Fortsetzungstermin“), weshalb sich übrigens die Frage stellt, warum die Änderung nicht dort, sondern in § 231 Abs. 2 StPO verortet werden soll.

Gem. Nr. 137 Abs. 1 RiStBV erfolgt die Ladung zur Fortsetzungsverhandlung (um solche Fälle wird es in aller Regel gehen) mündlich am Ende des vorhergehenden Verhandlungstages, bisher unter Hinweis an den Angeklagten auf die Anwesenheitspflicht gem. §§ 230, 231 StPO. Diese Belehrung wäre genau der richtige Ort und Zeitpunkt, den Angeklagten auch auf die Möglichkeit des § 231 Abs. 2 StPO hinzuweisen. Warum diese Belehrung offenbar dennoch in die schriftliche Ladung gem. § 216 Abs. 1 StPO vorverlagert werden soll, versucht der RefE unter Verweis auf eine vermeintliche Gefährdung des Grundsatzes des Anwesenheitspflicht zu rechtfertigen:

Würde der Angeklagte am Ende eines Verhandlungstages (und nachdem er „über die Anklage schon vernommen“ ist) ordnungsgemäß darauf hingewiesen, das Gericht halte „seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich“, könne er dies dahingehend missverstehen, er brauche nicht mehr zu kommen (RefE-Begr. aaO). Soweit das BMJV insoweit auf BGHSt 46, 81 (= StV 2003, 145 m. krit. Anm. Gollwitzer = JR 2001, 337 m. krit. Anm. Keiser) verweist, greift dies einerseits schon deshalb zu kurz, weil der 3. Strafsenat zur Begründung gerade auch darauf hingewiesen hatte, dass in § 231 Abs. 2 StPO eine solche Belehrung nicht vorgeschrieben sei (sic), und andererseits gab es seinerzeit eben auch die vorliegende EU-Richtlinie noch nicht; die Begründung des BGH überzeugte letztlich nicht mehr (ähnlich Keiser a.a.O.; diff. Gollwitzer a.a.O.) als die Begründung der Gegenansicht durch das OLG Düsseldorf (NJW 1970, 1889 f.).

Das Ganze ist nicht ehrlich und hält selbst unter den in § 231 Abs. 2 StPO genannten Voraussetzungen (s.o.) an dem Dogma fest, der Angeklagte sei durchgehend zur Anwesenheit verpflichtet – obwohl doch das Gericht ohne ihn weiter verhandeln und demgemäß auch von den Zwangsmaßnahmen gem. §§ 230 Abs. 2, 231 Abs. 1 S. 2 StPO keinen Gebrauch machen dürfte. Der Gesetzgeber soll dazu stehen, dass er hier eine entscheidende Weiche von der Anwesenheitspflicht zum Anwesenheitsrecht gestellt hat – und dies auch in der Art und Weise und dem Zeitpunkt der Belehrung zum Ausdruck bringen! Es ist übrigens auch unschlüssig, den Angeklagten zukünftig in der Ladung gem. § 216 Abs. 1 StPO über die Möglichkeit des § 231 Abs. 2 StPO zu belehren, in der Erwartung – so darf unterstellt werden – er liest und versteht dies, zugleich aber in der Hoffnung – so muss unterstellt werden – er versteht die Belehrung falsch, nämlich dahingehend, er bleibe gleichwohl zur Anwesenheit verpflichtet!?

3. Abwesenheitsberufungsverhandlung (§ 329 StPO)

Die Neuregelung der Abwesenheitsverhandlung im Berufungsverfahren durch Gesetz v. 17.7.2015 (wobei § 329 Abs. 7 allerdings auch vorher schon als Abs. 3 wortgleich galt) soll aus Anlass der EU-Richtlinie zu Recht eine Ergänzung bzw. Klarstellung dahingehend erfahren, dass der Angeklagte – wie jetzt bereits üblich (aber nicht vorgeschrieben, insb. auch nicht in § 35a StPO), worauf auch der RefE verweist (a.a.O. S. 20) – über sein Recht auf Wiedereinsetzung nach Zustellung des in seiner Abwesenheit ergangenen Berufungsurteils gem. § 329 Abs. 7 StPO zu belehren ist. Dem ist nichts hinzuzufügen; da es um eine Klarstellung geht, wäre allerdings zu erwägen, zugleich die entsprechende Geltung des § 47 StPO – ähnlich § 356a S. 4 StPO (bzw. S. 5 n.F., s.o.) – zu klären.

4. Folgeregelungen zur „elektronischen Akte“

Soweit der Entwurf in §§ 32a Abs. 4 Nr. 3 und 251 Abs. 1 Nr. 4 StPO einerseits sowie in § 110a Abs. 3 S. 1 StVollzG und Art. (gemeint §) 110a Abs. 3 S. 1 OWiG andererseits (hier jew. für die ab 2025 geltende Fassung) Korrekturen bzw. Ergänzungen zum „Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte“ vorsieht, bedarf es vorliegend keiner Anmerkung (abgesehen davon, dass es sicher nicht die letzte einschlägige Korrektur/Ergänzung ist, die in den kommenden Jahren in diesem oder jenem Gesetz angebracht werden muss). Fußnoten
(1) Dass sie sowohl in der langjährigen Entstehungsphase (vgl. zum sog. „Grünbuch Unschuldsvermutung“ von 2006 Ahlbrecht StV 2016, 261 m.w.N.) als auch in ihrer Endfassung – in Anbetracht ihres Kompromisscharakters (s. auch Wildt AnwBl 2016 M6) letztlich nicht überraschend – nicht frei von durchaus berechtigter Kritik geblieben ist, mag hier dahinstehen (vgl. nur die BRAK-Stellungnahme 24/2014 v. Juni 2014 S. 3 ff., Schünemann StV 2016, 178 ff., Ahlbrecht a.a.O. S. 262 f. und Brodowski ZIS 2017, 18).
(2) S. nur die von Beukelmann NJW-Spezial 2018, 312 (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) genannten Beispiele, vgl. auch Ahlbrecht StV 2016, 257 ff. m.w.N.; eine eingehendere Diskussion der Ausführungen des RefE auf den S. 11-15 kann hier zunächst nicht geleistet werden.
(3) Z.B. von Seiten der BRAK (a.a.O.), vorab aber bereits von Seiten des EP-Rechtsausschusses (PE529.831v03-00 v. 8.4.2014): „… bedauerlich, dass die Mindestvorschriften, die mit dieser Richtlinie festgelegt werden sollen, erheblich zu wünschen übrig lassen und in manchen Fällen sogar alles andere als akzeptabel … Auffassung, dass kein Gerichtsurteil in Abwesenheit verhängt werden darf …“, vgl. auch Schünmemann a.a.O. S. 180.
(4) Wenn sich der RefE auf S. 8 ausgerechnet im Zusammenhang mit § 247 S. 3 StPO auf die Erwägung 42 beruft, so dürfte darin ein gravierendes Missverständnis liegen; ausf. dazu Pollähne, Behindertenrechte im Strafprozess – Faire Verfahren für Menschen mit Behinderungen? in: Aichele (Hg.) Das Menschenrecht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht, 2013, 166 ff.
(5) Dass sich die Auffassung des ehem. Vors. des 2. Strafsenats (NJW 2014, 3527 m. zust. Anm. Meyer-Mews) gegen die h.M. durchsetzen wird, wonach eine Verteidigung in Revisionshauptverhandlung nur notwendig sei bei „schwerwiegenden Fällen“ und/oder einer „besonders schwierigen“ Rechtslage (a.a.O. m.w.N.), steht bisher dahin. StN als PDF]]>
Strafprozessrecht (doublet)
news-547 Fri, 11 May 2018 10:09:00 +0200 Bayerische Verhältnisse?<br />Eine kritische Betrachtung der geplanten Änderungen im NRW-Polizeigesetz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bayerische-verhaeltnisse-br-eine-kritische-betrachtung-der-geplanten-aenderungen-im-nrw-polizeigesetz-547 Informationsveranstaltung am 15.5.18, Düsseldorf Referent: Jasper Prigge, Rechtsanwalt aus Düsseldorf und Mitglied der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, berichtet über die geplanten Gesetzesänderungen, was diese für die Grundrechte aller Bürger*innen bedeuten würden - und was wir jetzt noch tun können, um das zu ändern. Zeit: Dienstag, 15.5.2018, 19:30 h
Ort: Buchhandlung Bibabuze, Aachener Str. 1 in Düsseldorf Der Eintritt ist frei Veranstalter:
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ, NRW)
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Strafverteidiger Vereinigung-NRW e.V.
Buchhandlung BiBaBuZe Einladung als PDF]]>
Polizeirecht (doublet)
news-535 Mon, 07 May 2018 12:59:00 +0200 Frontal-Angriff auf den Rechtsstaat<br />Alexander Dobrindt (CSU) gegen das Grundrecht auf Rechtsschutz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/frontal-angriff-auf-den-rechtsstaat-br-alexander-dobrindt-csu-gegen-das-grundrecht-auf-rechtsschutz-535 Pressemitteilung Nr. 4 vom 7.5.2018 Bild am Sonntag: »Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird«. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, so Dobrindt, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.
Weder in dem konkreten Fall, noch grundsätzlich geht es bei Asylsuchenden um ›Kriminelle‹, noch handelt es sich bei medizinischer Versorgung und Diagnostik (Stichwort ›Gefälligkeitsgutachten‹) oder bei der Rechtsvertretung von Geflüchteten um eine ›Industrie‹. Für alle mit dem Rechtsstaat in Konflikt befindlichen Personen gilt:

Die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit von Behördenentscheidungen ist ein zentrales Element des Rechtsstaats und gerade aus diesem Grunde in Art. 19 Abs. 4 GG als Grundrecht jedes Menschen formuliert. Die Aufgabe der Anwaltschaft ist es, den Einzelnen zur Wahrung seiner Grundrechte gegen den Staat zu schützen. Damit wird der Rechtsstaat nicht sabotiert, sondern verteidigt. Fakt ist: Unangekündigte Direktabschiebungen – die Betroffenen werden meist mitten in der Nacht aus den Heimen geholt, ihnen wird sodann über mehrere Stunden ohne richterlichen Beschluss die Freiheit entzogen – bedeuten für den Abzuschiebenden sowie alle übrigen Bewohnerinnen und Bewohner des Heims massive Stresszustände und lösen oft existenzielle Ängste aus. Im Jahr 2017 gab es allein am Flughafen Frankfurt/Main 18 Fälle von Selbstverletzungen oder Suiziden im dortigen Transitgewahrsam.
Oft steht zum Zeitpunkt der Abschiebung noch gar nicht endgültig fest, ob diese rechtmäßig durchgeführt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn noch Rechtsmittel gegen die Abschiebung anhängig sind oder aber noch eingelegt werden sollen.
Fakt ist: Dobrindt argumentiert rassistisch. Ohne jeden Skrupel diskreditiert er Geflüchtete zunächst in ideologisch-moralischer Hinsicht, um ihnen sodann das Recht auf Rechte gänzlich abzusprechen. Er legt damit die Axt an einen zentralen rechtsstaatlichen Grundpfeiler, die Rechtsweggarantie, und diffamiert zugleich gezielt die Anwaltschaft in ihrer Arbeit für die Durchsetzung der Rechte von Geflüchteten. Machte man sich seine Terminologie zu eigen, dann wäre Dobrindt beides: ›Gefährder‹ und ›Verfassungsfeind‹; er macht sich zum Vorreiter eines Rechtsverständnisses, das Nicht-Deutsche ausschließen will. »Das, was Dobrindt hier in völkisch-nationalistischer Rhetorik fordert, ist nichts Anderes als staatlich angeordneter Verfassungsbruch. Eine ganze Gruppe von Menschen soll außerhalb des Rechts gestellt werden – Anwältinnen und Anwälte, die die gerichtliche Überprüfung behördlicher Eingriffe betreiben, werden diffamiert – das ist der Aufruf zum Feindrecht«, so die stellvertretende Vorsitzende des RAV, Rechtsanwältin Franziska Nedelmann. »Wir werden diese Menschen selbstverständlich weiterhin vertreten und unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel versuchen, ihre Rechte zu wahren«. Dobrindts Angriffe gegen die Anwaltschaft mögen dem Buhlen um Wähler am rechten Rand geschuldet sein. Sie offenbaren sein vorkonstitutionelles Staatsverständnis jenseits verfassungsrechtlich-demokratischer Standards. Für den RAV liegt die Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens in der Schaffung von Massenunterbringungen, gesellschaftlicher Isolierung, Entrechtlichung von Menschengruppen durch die Einrichtung sog. ›Ankerzentren‹, der Entkernung des Asyl- und Aufenthaltsrechts sowie der verantwortungslosen Hetze von Teilen der Politik. Die engagierte und konsequente Verteidigung der Grundrechte Einzelner, die selbstverständlich auch bei der Frage einer Ausweisung oder Abschiebung Berücksichtigung finden müssen, soll durch gezielte politische Interventionen wie die von Dobrindt diskreditiert und perspektivisch abgeschafft werden. Hiergegen gilt es sich zur Wehr zu setzen. Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV: 030.417 235 55. PM als PDF]]>
Grundrechte
news-542 Tue, 24 Apr 2018 13:44:00 +0200 Drohende Gefahr in Bayern – Demo gegen das PAG am 10. Mai 2018 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/drohende-gefahr-in-bayern-demo-gegen-das-pag-am-10-mai-2018-542 Der RAV ruft als Teil des Bündnisses(1) gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) zur Teilnahme an der Großkundgebung & Demonstration am 10. Mai 2018 in München auf. Aufruf: »Trotz der vehementen Kritik halten CSU und die CSU-Staatsregierung an ihren Plänen fest, wollen die nächsten Änderungen und Verschärfungen nun schnell mit ihrer Mehrheit im Landtag beschließen. Andere Bundesländer planen ähnliche Polizeigesetze nach dem Vorbild Bayerns. Deshalb müssen wir in Bayern ein lautes und wahrnehmbares Zeichen gegen den Überwachungsstaat und eine allmächtige Polizei setzen«. NO -PAG - 10. Mai 2018 ab 13.00 Uhr auf dem Marienplatz in München (1) Mitglieder des Bündnis NoPag Weiteres u.a. auch: Kommentar in der Süddeutschen Zeitung von Prof. Dr. Tobias Singelnstein (Mitglied im RAV): http://www.sueddeutsche.de/politik/gastkommentar-innere-unsicherheit-1.3943397 RAV-Aufruf als PDF]]> Polizeirecht (doublet) news-541 Tue, 17 Apr 2018 09:48:00 +0200 Kein Schlusswort<br />Der NSU-Prozess und der Stand der Aufklärung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-schlusswort-br-der-nsu-prozess-und-der-stand-der-aufklaerung-541 Podiumsgespräch, Dienstag 8. Mai 2018 um 19 h, Akademie der Künste, Berlin Mit İmran Ayata, Antonia v.d. Behrens, Sebastian Scharmer, Katrin Röggla, Heike Kleffner Podiumsdiskussion am Dienstag, den 8. Mai 2018 um 19 Uhr
Im Großen Saal der Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin

„Rückhaltlose Aufklärung“ hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angehörigen der Mordopfer und Verletzten der rassistischen Mord­ und Anschlagsserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) versprochen. Zum Abschluss des Prozesses am Oberlandesgericht München gegen fünf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des NSU ziehen der Schriftsteller İmran Ayata und die Nebenklagevertreter*innen Antonia von der Behrens sowie Sebastian Scharmer im Gespräch mit der Schriftstellerin Katrin Röggla und der Journalistin Heike Kleffner eine kritische Bilanz der bisherigen juristischen und parlamentarischen Aufarbeitung im NSU­Komplex.

Mit einer Einleitung durch Rechtsanwalt und Buchautor Wolfgang Kaleck.

Teilnehmer*innen:

İmran Ayata, Schriftsteller, Initiative Freundeskreis #FreeDeniz.
Antonia von der Behrens, Nebenklagevertreterin eines Sohnes des am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık.
Sebastian Scharmer, Nebenklagevertreter der Tochter des am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU er mordeten Mehmet Kubaşık.
Katrin Röggla, Schriftstellerin.
Heike Kleffner, Journalistin.

Einleitung durch Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Eine Veranstaltung von NSU Watch www.nsu-watch.info und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

Plakat und Buchcover (PDF)

V.i.S.d.P: NSU Watch, c/o apabiz e.V., Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin

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NSU-Prozess
news-540 Wed, 11 Apr 2018 09:28:00 +0200 ›Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsam-gegen-verdraengung-und-mietenwahnsinn-540 Pressemitteilung Nr. 3 (und Aufruf) 11.4.18 Demonstration am Samstag, 14. April in Berlin
Der ›Arbeitskreis Mietrecht‹ im RAV, eine seit 2013 bestehende Arbeitsgruppe aus Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die ausschließlich die Mieterseite vertritt, ruft gemeinsam mit dem Bundesvorstand des RAV zur Teilnahme an der Demonstration ›Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn‹ auf. [http://mietenwahnsinn.info/] Die Kolleginnen und Kollegen des RAV sowie Befreundete treffen sich um 14:00 Uhr unter dem Banner ›Wohnen ist Menschenrecht‹. Dort stehen auch Kolleginnen und Kollegen für Presse-Interviews zur Verfügung. »Wir erleben in unserer täglichen Arbeit, wie Mieterinnen und Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt werden«, so RAV-Mitglied Carola Handwerg vom ›AK Mietrecht‹. »Verdrängung durch Modernisierungen, Mieterhöhungen, Kündigungen aufgrund kleinster Vertragsverletzungen oder wegen angeblich mangelnder wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten, durch tatsächlichen oder vorgeschobenen Eigenbedarf«. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat jede Bundesregierung sich entweder um die Belange von Mieterinnen und Mieter nicht gekümmert oder aber die Rechte von Mieterinnen und Mietern systematisch abgebaut. Implizites oder gar explizites Ziel ist dabei zugleich gewesen, das ›Mieterland Deutschland‹ – immerhin sind noch 54 Prozent aller Wohnungen Mietwohnungen – im neoliberalen Geist zu diskreditieren. »Wahr ist aber auch: Mieterinnen und Mieter eignen sich Fachwissen an, sie organisieren Hausversammlungen, die Begleitung von Prozessterminen oder die Anwesenheit von Vielen bei Wohnungsbesichtigungen durch Vermieter oder Kaufinteressenten«, so Rechtsanwältin Carola Handwerg. »Sie haben sich wissenschaftliche Expertise angeeignet – von der so genannten energetischen Sanierung über baurechtliche Fragen bis hin zum Umgang mit der Politik«, betont Handwerg, »und dieses enorme Wissen, dass sich Mieterinnen und Mieter in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten aneignen, beeindrucken uns Anwältinnen und Anwälte enorm«. Die im RAV organisierten Anwältinnen und Anwälte wehren sich gemeinsam gegen die nicht enden wollenden Versuche, Mieterinnen und Mieter aus Profitgier aus ihren Wohnungen vertreiben zu wollen – auch deshalb ruft der RAV zur Demonstrationsteilnahme auf. Pressemitteilung als PDF]]>
Mietrecht (doublet)
news-537 Fri, 23 Mar 2018 12:51:00 +0100 Einladung zum Berliner RAV-Regionaltreffen 2/2018 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-rav-regionaltreffen-2-2018-537 Donnerstag, 19.4.18 um 19 h „Strafrecht als Mittel zur politischen Intervention“ „Strafrecht als Mittel zur politischen Intervention“
austauschen. Nicht nur die permanenten Verschärfungen und Erweiterungen des Strafrechts und die Erweiterungen des polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsinstrumentariums stehen seit der Gründung des RAV in ständiger Kritik, sondern auch das Strafrecht an sich. Die Forderung nach „Abschaffung des Strafrechts“ wird bestimmt von nicht wenigen Mitgliedern des RAV geteilt. Trotzdem gehört auch der Einsatz des Strafrechts zum Instrumentarium des RAV und (teilweise) zur Skandalisierung gesellschaftlicher Missstände und Machtverhältnisse. Sei es in der Nebenklage zur Thematisierung rassistischer Motivationen und deren Ignorieren durch die Ermittlungsbehörden, durch Strafanzeigen wegen der Begehung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder rechtswidriger Polizeigewalt, dem Begrüßen der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches oder der Forderung nach einer Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Debatte darum ist so alt wie kontrovers. Wir wollen diese Diskussion auf unserem nächsten Regionaltreffen noch mal auffrischen und uns der Frage widmen, ob und inwieweit das Strafrecht als Instrument politischer Intervention taugt, welche Gefahren (Stichwort: „Legitimierung des staatlichen Strafanspruches“) damit verbunden sind oder ob wir einfach pragmatisch damit umgehen müssen. Tobias Singelnstein wird dazu ein kurzes Input geben. Wir freuen uns auf zahlreiches Kommen.   Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen. ACHTUNG: Alle weiteren Regionaltreffen für 2018 mussten aus Raumgründen um einen Tag (auf Donnerstag) verschoben werden: 02/2018 am 19. April
03/2018 am 14. Juni
04/2018 am 20. September
05/2018 am 8. November Euer Vorbereitungsteam]]>
RAV-Historie
news-536 Fri, 09 Mar 2018 10:52:00 +0100 Bürgerrechtsorganisationen kritisieren Verbot von Newroz-Veranstaltungen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechtsorganisationen-kritisieren-verbot-von-newroz-veranstaltungen-536 Pressemitteilung, 9.3.2018
Der Dachverband kurdischer Vereine in Deutschland NAV-DEM hatte für den 17. März 2018 eine Versammlung zum kurdischen Neujahrsfest Newroz in Hannover angemeldet. Im Rahmen der Newroz-Feier sollte auch die Situation im kurdisch besiedelten Kanton Afrin in Nordsyrien thematisiert werden. Die Stadt Hannover hatte angekündigt, diese Versammlung zu verbieten, weil sie angeblich der Propaganda der PKK diene. NAV-DEM hat daraufhin seine Anmeldung zurückgezogen. Eine von einem Bündnis aus Abgeordneten, linken Gruppen und migrantischen Organisationen danach angemeldete Versammlung, die sich unter anderem gegen das angekündigte Verbot der Newroz-Versammlung richten sollte, soll nun auch von der Stadt Hannover verboten werden. Die Versammlungsbehörde behauptet, es handele sich bei der Bündnisdemo um eine reine Ersatzveranstaltung.

Die unterzeichnenden Bürgerrechtsorganisationen verurteilen diesen massiven und ungerechtfertigten Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Newroz-Feiern und Newroz-Versammlungen sind zentrale Veranstaltungen für die kurdische Bevölkerung. Sie konnten bisher jedes Jahr stattfinden – auch in Hannover. Die jetzige Verbotspraxis hat nichts mit einer angeblich neuen Erkenntnislage zu tun, sondern ist Ausdruck eines verschärften Vorgehens der Behörden gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland. Damit reagieren die deutschen Behörden auf ständige Forderungen aus der Türkei, gegen die kurdische Bewegung stärker vorzugehen.

Während deutsche Waffen beim völkerrechtswidrigen Angriff auf Nordsyrien eingesetzt werden, beschränken die deutschen Behörden die dagegen gerichteten Proteste; sie machen sich mit dieser Verletzung von Grundrechten zum verlängerten Arm der Erdo?an-Türkei“, kritisiert Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, die stellvertretende Vorsitzende des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

Die Unterzeichner rufen zu Protesten gegen die Verbote auf.
Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV:
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Tel 030.417 235 55 | Fax 030.417 235 57
kontakt@rav.de PDF: Bürgerrechtsorganisationen kritisieren Verbot von Newroz-Veranstaltungen]]>
Demonstrationsfreiheit (doublet)
news-532 Mon, 29 Jan 2018 10:46:00 +0100 Einladung zum Berliner RAV-Regionaltreffen 6/2017 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-rav-regionaltreffen-6-2017-532 Mittwoch, den 07.02.2018 um 19 h „Jahresrückblick und -vorschau“ news-531 Fri, 12 Jan 2018 19:32:00 +0100 RAV verurteilt Öffentlichkeitsfahndung nach den Nürnberger Abschiebeprotesten vom 31. Mai 2017 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-verurteilt-oeffentlichkeitsfahndung-nach-den-nuernberger-abschiebeprotesten-vom-31-mai-2017-531 Pressemitteilung Nr. 2 vom 12. Januar 2018 Mit einer Pressemitteilung vom 11. Januar 2018 hat die Nürnberger Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit den Protesten von Berufsschülerinnen und -schülern gegen die geplante Abschiebung eines jungen afghanischen Mitschülers von Ende Mai 2017 begonnen. Die damaligen Proteste und das harte Vorgehen der Polizei, die Pfefferspray, Schlagstöcke und Hunde gegen die Jugendlichen eingesetzt hatte, führten bundesweit zu Empörung; auch Oberbürgermeister Maly kritisierte den Polizeieinsatz damals scharf. Insgesamt lösten die Proteste eine Diskussion zur derzeitigen Abschiebepraxis aus. Hintergrund der Fahndung ist ein angeblicher Wurf einer 0,5 l Weichplastikflasche. Dabei soll ein Polizist leicht verletzt worden sein, er blieb allerdings dienstfähig. Auf den veröffentlichten Fotos wird kein Flaschenwurf gezeigt, sondern lediglich drei Bilder einer jungen Frau in einer Menschenmenge. »Eine Öffentlichkeitsfahndung ist ein erheblicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person«, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal vom RAV. Eine zeitlich unbegrenzte und irreversible öffentliche Internet-Fahndung stellt eine massive Vorverurteilung dar. »So ein ›digitaler Pranger‹ kann zu drastischen persönlichen Einschnitten führen, ohne dass ein Rechtsverstoß überhaupt geklärt ist«, so Ziyal. Es ist erst wenige Wochen her, dass die Hamburger Polizei unter großer medialer Begleitung eine Öffentlichkeitsfahndung gegen 100 Personen mit Fotos einleitete, die sie bei den Protesten gegen den G20-Gipfel aufgenommen haben will. Insbesondere Hamburger Boulevardmedien hatten die Fahndungsbilder weiterverbreitet und mit teilweise reißerischen Kommentaren (›Krawall-Barbie‹) versehen. Schon im Hamburger Fall kritisierten Juristinnen und Juristen, Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen die Maßnahme und wiesen auf die Prangerwirkung hin. Heribert Prantl schrieb in der Süddeutschen Zeitung: »Es handelt sich um die umfassende Aufforderung an die Bevölkerung, Hilfssheriff zur spielen. Es handelt sich um die Aufforderung, eine Vielzahl von Menschen zu jagen, deren Tat oder Tatbeitrag völlig ungeklärt ist«. Offenkundig will die Staatsschutz-Abteilung der Nürnberger Polizei nun im Windschatten der Hamburger Öffentlichkeitsfahndung die Ausweitung dieser Fahndungsmethode durchsetzen. »Die angeordnete Öffentlichkeitsfahndung steht in keinem Verhältnis zu der damit einhergehenden Persönlichkeitsrechtsverletzung der betroffenen Person. Das Gesetz schreibt für das Veröffentlichen von Bildern Beschuldigter vor, dass das Gewicht der Straftat so groß sein muss, dass der intensive Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angemessen ist. Dies ist hier ganz offensichtlich nicht der Fall, so dass eine eklatante Missachtung der Unschuldsvermutung vorliegt«, so RAV-Anwalt Ziyal. »Wenn nach protestierenden Schülerinnen per Zeitungs- und Internetfoto gefahndet wird, weil sie möglicherweise eine Plastikflasche geworfen hat, dann fehlt dem Verfolgungseifer der Polizei jegliches Gefühl für Verhältnismäßigkeit«, so Ziyal weiter. Offensichtlich unternimmt die Nürnberger Polizei mit ihrem Vorgehen auch den Versuch, ihren damaligen völlig unverhältnismäßigen und eskalierenden Einsatz in Vergessenheit geraten zu lassen. Unter Preisgabe zentraler Beschuldigtenrechte will sie den Spieß nun umdrehen und ihr gewalttätiges Vorgehen gegen Demonstrierende sowie Schülerinnen und Schüler nachträglich rechtfertigen. Nicht zum ersten Mal entsteht so der Eindruck, dass die Polizei gegen vermeintliche Linke jedes Augenmaß verliert. Die Vergangenheit zeigt leider, dass dieses Vorgehen, sobald es einmal gegen bestimmte Beschuldigtengruppen etabliert ist, zum normalen Ermittlungswerkzeug gegen alle Bürgerinnen und Bürger wird. Kontakt: Rechtsanwalt Yunus Ziyal über die RAV-Geschäftsstelle.

2018-01-12-RAV verurteilt Öffentlichkeitsfahndung in Nürnb.pdf
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Migration & Asyl (doublet)
news-530 Tue, 09 Jan 2018 19:12:00 +0100 „Verfassungsbruch durch Hamburger Senat und Polizei beim G20-Gipfel“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsbruch-durch-hamburger-senat-und-polizei-beim-g20-gipfel-530 Pressemitteilung Nr. 1 vom 9. Januar 2018 Demonstrierende verklagen die Freie und Hansestadt Hamburg wegen Einschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit im Zuge der Proteste gegen das G20-Treffen im Juli 2017. Hamburger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wollen durch das Verwaltungsgericht Hamburg anhand von Einzelfällen exemplarisch feststellen lassen, dass Versammlungsverbote und Polizeieinsätze gegen Demonstrierende rechtswidrig waren. Der G20-Gipfel war kein »Festival der Demokratie«, wie Innensenator Andy Grote im Vorwege behauptete. Stattdessen wurde der Ausnahmezustand zelebriert, in dem die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger außer Kraft gesetzt wurden. Alles begann mit der Auseinandersetzung um die geplanten Protestcamps, in denen mehrere Tausend Menschen übernachten sollten, um gegen das G20-Treffen zu protestieren. Mehrtägige Veranstaltungen mit mehrtägigem Protestgeschehen benötigen Beherbergung der Demonstrierenden. Die geplanten Protestcamps waren selbst Teil des geplanten friedlichen Protestes. Schon früh stellte der Hamburger Senat klar, dass er solche Camps nicht zulassen würde. Dieses Verbot wurde von der Versammlungsbehörde und der Polizei mit allen Mitteln durchgesetzt, begleitet von einer Strategie der Diffamierung und Kriminalisierung friedlicher Versammlungen. Dabei wurde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vollständig missachtet. Höhepunkt der Rechtsbrüche war dann der Polizeieinsatz gegen das ›Antikapitalistische Camp‹ in Entenwerder unter Verstoß gegen zuvor ergangene Gerichtsentscheidungen. Auch das Camp im Hamburger Volkspark wurde durch Verzögerung, zahllose Auflagen und Schikanen in seiner Durchführung behindert. Letztlich konnte kein Protestcamp in der ursprünglich geplanten Form stattfinden. Das repressive Vorgehen gegen die Camps fand seine Fortführung im polizeilichen Vorgehen gegen eine Vielzahl von Versammlungen, die sich gegen das G20-Treffen richteten. Beispielhaft war der Polizeieinsatz am 7. Juli 2017 an der Straßenkreuzung Sechslingspforte/ Ackermann-/ Ekhofstraße. Gegen friedliche Versammlungsteilnehmende wurde Pfefferspray eingesetzt, sie wurden geschlagen und getreten sowie erheblich verletzt. Betroffene und deren anwaltliche Vertretung werden auf einer Pressekonferenz über ihre Erfahrungen, Einschätzungen und über die Ziele der Klagen vor dem Verwaltungsgericht berichten. Donnerstag, 11. Januar 2018, 11.00 Uhr
Fabrique im Gängeviertel

Seminarraum (4. Stock), Zugang Speckstraße, 20355 Hamburg Einladende:
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Attac Deutschland e.V. Kontakte:
Camp Entenwerder: Rechtsanwalt Martin Klingner, 040.4396001
Camp Altona: Rechtsanwältin Ulrike Donat, 040.39806130
Polizeieinsatz, 7. Juli 2017: Rechtsanwalt Dieter Magsam, 040.3252220 Pressemitteilung Nr. 1 vom 9. Januar 2018:
Einladung zur Pressekonferenz am 11. Januar 2018
Verfassungsbruch durch Hamburger Senat und Polizei beim G20-Gipfel (PDF)
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OSZE / G20-Gipfel 2017 Demonstrationsfreiheit (doublet)
news-528 Wed, 06 Dec 2017 21:26:00 +0100 Verteidigt das Demonstrationsrecht! Zu den bundesweiten Durchsuchungen der Polizei Hamburg – SoKo ›Schwarzer Block‹ am 5. Dezember 2017 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verteidigt-das-demonstrationsrecht-zu-den-bundesweiten-durchsuchungen-der-polizei-hamburg-soko-schwarzer-block-am-5-dezember-2017-528 Pressemitteilung Nr. 6 vom 6. Dezember 2017 Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung […] behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner […] Grundrechte verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl«. Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Mitglied des Bundesvorstands des RAV und während G20-Gipfels Pressesprecherin des Anwaltlichen Notdienstes erklärt dazu: »Wem an dem Erhalt der Demokratie liegt, sollte durch die Erfahrungen während des G20-Gipfels gewarnt sein. Im Juli herrschte in Hamburg polizeilicher Ausnahmezustand mit einer flächendeckenden Aushebelung von Grundrechten für Gipfelgegner. Die Eskalationsstrategie eines Herrn Dudde war provokant, die Folgen bedacht und offenbar gewollt. Die nun erfolgte pauschale Ächtung von Demonstranten als ›Mob‹ ist maßlos. Und der wiederholte Ruf nach dem harten Staat hat bisher nur zu weniger Demokratie, nicht aber Lösungen geführt«. Kontakt: Rechtsanwältin Gabriele Heinecke ist über die Geschäftsstelle (030.417 235 55) zu erreichen.]]> Demonstrationsfreiheit (doublet) OSZE / G20-Gipfel 2017 news-525 Thu, 30 Nov 2017 13:52:00 +0100 Für die Streichung des § 219a StGB – Für das Recht von Frauen, über legale Abtreibungsangebote von Ärzt*innen informiert zu werden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-die-streichung-des-219a-stgb-fuer-das-recht-von-frauen-ueber-legale-abtreibungsangebote-von-aerzt-innen-informiert-zu-werden-525 Appell von Juristinnen und Juristen Unterstützer*innen: Jurist*innen die sich dem Appell anschließen wollen : bitte mit Name, Anschrift, Berufsbezeichnung an mail@vdj.de .

Appell für die Streichung des § 219a StGB_rav_vdj_ilmr.pdf]]>
Bürger- und Menschenrechte (doublet)
news-524 Thu, 26 Oct 2017 10:13:00 +0200 Einladung zum 5. Berliner RAV-Regionaltreffen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-5-berliner-rav-regionaltreffen-524 am Mittwoch den 13.12.2017 um 19 Uhr Vortrag und Diskussion: Paradoxien der Zeugenschaft. Jüdische Überlebende in bundesdeutschen NS-Prozessen zum Vernichtungslager Sobibor 1949-1989 Ort:

KuB - Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.

Oranienstr. 159, Erdgeschoss, 10969 Berlin

Anfahrt: U8 U-Bahnhof Moritzplatz, Bus M29 Moritzplatz

Anlässlich des jüngst gescheiterten Auschwitz-Prozesses in Neubrandenburg (siehe etwa: https://www.welt.de/politik/deutschland/article165913979/Neubrandenburger-Auschwitzprozess-macht-Rechtsgeschichte.html)  haben wir die Wissenschaftlerin Dagi Knellessen eingeladen, aus ihren Forschungen zu der juristischen Aufarbeitungsgeschichte der NS-Massenverbrechen nach 1945 zu berichten. Ihr Vortrag behandelt den Umgang mit jüdischen Überlebenden in bundesdeutschen NS-Prozessen zum Vernichtungslager Sobibor in den Jahren 1949-1989. Anschließend kann ausgiebig diskutiert werden.

Zwischen 1949 und 1989 fanden in der Bundesrepublik fünf NS-Prozesse statt, die ausschließlich die Verbrechen in Sobibor – einem der drei NS-Vernichtungslager der Aktion Reinhard – zum Gegenstand hatten. Circa 50 Jüdinnen und Juden, die das Lager durch den Aufstand der Häftlinge am 14. Oktober 1943 überlebt hatten, traten in diesen Prozessen als Zeugen auf. Da nach 1945 kein Tatort und kaum Täterdokumente existierten und sie die einzigen nicht-tatbeteiligten Zeugen eines spurenlosen NS-Verbrechens waren, rückten sie als Hauptbelastungszeugen gegen die NS-Täter in eine exponierte wie prekäre Position. Im Gesamtbild von vierzig Jahren zeigt sich, dass die jüdischen Zeugen mit einer Justiz konfrontiert waren, die ihnen mit extrem unterschiedlicher, ja konträrer Grundhaltung entgegentrat und sie zunehmend vor paradoxe Anforderungen gestellt waren.

Dagi Knellessen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Simon-Dubnow-Institut, Leipzig, arbeitet seit 2015 an einem Forschungsprojekt zur Zeugenschaft von jüdischen Überlebenden in bundesdeutschen Sobibor-Verfahren in der Zeit von 1949-1989. Als Mitarbeiterin des Fritz Bauer Instituts, Frankfurt am Main (2000-2005) und als Freie Wissenschaftlerin in Berlin (2005-2015) hat sie sich im Schwerpunkt mit der juristischen Aufarbeitungsgeschichte der NS-Massenverbrechen nach 1945 und der allgemeinen wie juridischen Zeugenschaft von NS-Verfolgten und jüdischen Überlebenden beschäftigt.

Wie immer gilt:

Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.

Wir freuen uns!

Euer Vorbereitungsteam

Regionalgruppe Berlin - Einladung 5. Treffen.pdf

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news-521 Thu, 19 Oct 2017 09:06:00 +0200 Mietpreisbremse verfassungsgemäß! Gericht bestätigt Anwendbarkeit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-verfassungsgemaess-gericht-bestaetigt-anwendbarkeit-521 Pressemitteilung Nr. 5 vom 18. Oktober 2017 20171018_PM des RAV zu Mietpreisbremsen-Anwendbarkeit.pdf  ]]> Mietrecht (doublet) news-517 Mon, 25 Sep 2017 17:50:00 +0200 AED-EDL-Resolution zum katalonischen Referendum am 1. Oktober 2017 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aed-edl-resolution-zum-katalonischen-referendum-am-1-oktober-2017-517 Resolution vom 21. September 2017 Die europäische Dachorganisation des RAV, die AED-EDL (Avocats Européens Démocrates - European Democratic Lawyers), hat die nachfolgende Resolution zu der besorgniserregenden Situation in Katalonien kurz vor dem für das am 1. Oktober geplante Referendum über die Unabhängigkeit verabschiedet. In den letzten Tagen wurden mehr und mehr Grundfreiheiten außer Kraft gesetzt. Die spanische Zentralregierung hat die para-militärische Guardia Civil eingesetzt. Etliche Durchsuchungen fanden in den letzten Tagen statt, 700 Bürgermeister*innen sind als Beschuldigte vorgeladen worden wegen Ungehorsams und Amtsmissbrauchs; 14 Menschen, darunter hohe Regierungsmitglieder der katalonischen Regierung,  sind festgenommen worden, 1,5 Millionen Wahlplakate und 45000 Briefe an Wahlhelfer wurden beschlagnahmt. Mit der Resolution spricht sich die AED-EDL für die Einhaltung demokratischer Rechte aus. AED-EDL Resolution vom 21.9.2017 The Bureau of the Association “AVOCATS EUROPEANS DEMOCRATES” (AED) -created 30 years ago and which has brought together associations and unions of European lawyers committed to the defense of the rights of people- has met in Berlin and notes with concern some of the reactions of the Spanish administrative and judicial authorities against the decision of the political authorities and the citizens of Catalonia to celebrate on the 1st of October a referendum on self-determination approved by a law of the Catalonian Parliament and organized by its government. The reaction of the Spanish government has been to challenge its validity, while the Spanish Constitutional Court suspended the law. Regardless of the debate on the legal validity and the political value that may result from such a referendum, provisionally suspended by a court of constitutional guarantees, and regardless of the debate if the suspension of the referendum automatically means to prevent violently its effective celebration, in these days we are witnessing restrictions on the fundamental rights of the citizenship, often without judicial intervention, such as the freedom of expression, the freedom of information, the right of assembly, the secret and integrity of communications and the right to the natural judge predetermined by the law, going far beyond measures characteristic of a state of emergency. Thus, the public mail service, without judicial authorization, has withheld correspondence for its content; public initiatives to discuss the referendum have been suspended; citizens have been identified and detained for the only reason of publicly defending their political ideas; print material has been seized, together with the red carnations, which were distributed to emphasize the peaceful character of the Catalonian proposal for political change. More than 700 Catalan mayors have been summoned by the Public Prosecutor’s Office, who has opened criminal proceedings against Catalonian Parliamentarians, as well as all the Catalan Government in full. Printing presses haven been registered without previous judicial order and the media has issued coercive police warnings. These are signs of the democratic weakness of the Spanish State and are part of a repressive strategy that denies politics as an instrument of change. The AED considers this corresponds to an undemocratic violation of fundamental rights and demands the Spanish State to reinstate these political and civil rights immediately. Read on: http://www.aeud.org/2017/09/on-the-catalonian-referendum/]]> Repression in Europa (doublet) news-518 Thu, 21 Sep 2017 11:41:00 +0200 RAV hält Mietpreisbremse für verfassungskonform und übt Kritik an Entscheidung des Landgerichts Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-haelt-mietpreisbremse-fuer-verfassungskonform-und-uebt-kritik-an-entscheidung-des-landgerichts-berlin-518 Presseerklärung vom 21.09.2017
  • Die Mietenbremse benachteilige die Vermieter in den betroffenen Regionen. Darüber hinaus stelle sie Vermieter etwa in München wegen des abweichenden Preisgefüges besser als Vermieter in Berlin. Dies ist falsch. Der Gleichheitssatz verlangt, Gleiches gleich zu behandeln und Ungleiches ungleich. Dabei hat der Gesetzgeber alle relevanten Aspekte zu erwägen. Tatsächlich aber hat das Landgericht in seiner Entscheidung allein die Vermieterinteressen berücksichtigt. Dies reicht so aber kaum aus. Der Gesetzgeber wollte Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen. Dieser Aspekt fehlt in dem Beschluss ebenso wie der Umstand, dass auch die Allgemeinheit, insbesondere der Steuerzahler, über die Mietenbremse geschützt werden soll. Schon jetzt gibt die öffentliche Hand über 17 Milliarden für Mietunterstützungen aus. Ungleich ist nicht nur das Mietenniveau in München und Berlin, sondern auch das Einkommensgefüge in beiden Städten. Regionen, in denen die Bevölkerung nicht ausreichend mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen versorgt werden können, unterscheiden sich von Gegenden mit einem entspannten Wohnungsmarkt, diese unterschiedlichen Teilmärkte müssen auch unterschiedlich behandelt werden. Dabei ist die ortsübliche Vergleichsmiete gleicher Maßstab für alle.

  • Das Landgericht bemängelt zudem, dass die schon vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse vereinbarte höhere Miete weiterhin zulässig sei. Bescheidene Vermieter würden so benachteiligt. Tatsächlich wurde diese Regelung aus Gründen des Vertrauensschutzes aufgenommen. Der Vermieter, der vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse höher vermietet hatte, durfte darauf vertrauen, dass er dies auch in Zukunft tun konnte.

  • Bei der gesamten Diskussion über die Begrenzung der Mieten ist zu berücksichtigen, dass eine Begrenzung der Mieten in Deutschland Tradition hat. Seit Einführung der Friedensmiete 1917 war die Miethöhe mehr oder weniger durchgehend begrenzt. Bis Anfang der 60-er Jahre – in Westberlin bis Ende der 80-er Jahre – galt sogar noch ein restriktiveres Mietpreisrecht. Die Zulässigkeit derartiger Begrenzungen stand jedoch nie in Frage. Sie trugen wesentlich zur Beseitigung der Wohnungsnot in den 20-er Jahren und nach dem 2. Weltkrieg bei. Seit 1954 gilt in angespannten Wohnungsmärken eine Mietbegrenzung auf 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete – auch für Neubauwohnungen. Diese Regel ist mittlerweile nur deshalb praktisch bedeutungslos, weil der BGH 2004 die Anforderungen derart angezogen hat, dass sich ein preisrechtlicher Verstoß in der Praxis nicht mehr beweisen lässt. Eine Mietpreisbremse ist sinnvoll, die aktuelle geht jedoch nicht weit genug, hierzu verweisen wir auf unser bereits kannten Kritik im Gesetzgebungsverfahren: bit.ly/2yr6vlT Kontakt: Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Mehringdamm 50, 10961 Berlin, Tel: 030-780 96 66 20  Rechtsanwalt Henrik Solf, Marienburger Str. 3, 10407 Berlin, Tel: 030-442 93 86

    20170921 Presseerklärung des RAV zum Hinweisbeschluss des LG Berlin zur Mietenbremse.pdf]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-516 Wed, 20 Sep 2017 16:11:00 +0200 Türkei: Lasst unsere Kolleg*innen frei! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkei-lasst-unsere-kolleg-innen-frei-516 Protestkundgebung vor der Botschaft der Türkei in Berlin, Donnerstag, 21.09.2017, 14 Uhr Protestkundgebung vor der Botschaft der Türkei in Berlin
    Donnerstag, 21.09.2017, 14 Uhr
    Tiergartenstraße 19-21
    10785 Berlin Lasst unsere Kolleg*innen frei!!! - weitere 16 Mitglieder der ÇHD (Progressive Lawyers Association) wurden in der Türkei verhaftet: Barkın Timtik, Ebru Timtik, Süleyman Gökten, Ezgi Çakır, Ahmet Mandacı, Yağmur Ereren, Aytaç Ünsal, Didem Baydar, Ünsal, Ayşegül Çağatay, Engin Gökoğlu, Behiç Aşçı, Aycan Çiçek, Şükriye Erden, Özgür Yılmaz, Zehra Özdemir, Naciye Demir Diese 16 Kolleg*innen sind derzeit in Ankara, Istanbul und Diyarbakır inhaftiert.  Wir sind insbesondere sehr besorgt über die Situation der Anwält*innen Barkın Timtik, Engin Gökoglu und Özgür Yılmaz. Wir befürchten, dass sie (erneut) Folter ausgesetzt sind. Der Präsident von ÇHD, Selçuk, und Betül Kozağaçlı wurden nicht verhaftet, aber wir wurden darüber informiert, dass ihre anwaltlichen Tätigkeiten eingeschränkt sowie ihre Telefone und Computer beschlagnahmt wurden. Am frühen Morgen des 12. September fand eine neue Polizeioperation statt, die in der Festnahme von 16 Anwälten gipfelte. Diese Anwälte sind Mitglieder der "Volksrechtskanzlei" (People's Law Office) und haben die Aktivist*innen Nuriye Gülmen und Semih Özakça vertreten, die sich derzeit im Hungerstreik befinden, nachdem sie aus ihrer Lehrtätigkeit entlassen wurden. Ihr Prozess findet/fand am 14. September statt. Wie uns mitgeteilt wurde, beträgt die Zahl der Anwält*innen, die in der Türkei strafrechtlich verfolgt werden, nach dieser letzten Welle von Razzien gegen Anwält*innen 1343. 524 von ihnen wurden seit dem Putschversuch im Juli 2016 verhaftet. Wir fordern die türkische Regierung nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass die 16 oben genannten Anwält*innen unverzüglich freigelassen werden, weil wir davon überzeugt sind, dass sie ausschließlich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Anwält*innen in Gewahrsam genommen wurden. Wir fordern alle erforderlichen Maßnahmen, um die physische und psychische Integrität der Rechtsanwält*innen in der Türkei sowie ihre Möglichkeit zur Ausübung ihrer beruflichen Pflichten ohne Angst vor Repressalien, Behinderung, Einschüchterung oder Belästigung zu gewährleisten. Wir bringen unsere Besorgnis über die Lage in der Türkei zum Ausdruck, wo das Regime von Präsident Erdogan die Anwält*innen schikaniert und sie von den Tribunalen verfolgt, die als Waffe der Repression eingesetzt werden. Die Anwälte scheinen wegen der Ausübung ihrer Pflichten als Verteidiger der Anwälte bereinigt zu sein. Die AED* und alle beteiligten Organisationen möchten abschließend ihre Besorgnis über die Lage der Menschenrechtsverteidiger*innen in der Türkei zum Ausdruck bringen und betont die gebührende Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Wir sind sehr besorgt über die Situation der verfolgten Anwält*innen. Berlin, Madrid, Paris, Amsterdam, Barcelona, 13./21. September 2017. Kontakt:
    Rechtsanwältin Gilda Schönberg Tel: 0177-6919890
    Lasst unsere Kolleg_Innen frei! - Kungebung von Anwält_Innen vor türkischer Botschaft_21.09.17.pdf]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-519 Wed, 20 Sep 2017 16:10:00 +0200 Türkiye'de tutuklanan, ÇHD üyesi 16 meslektaşımızı serbest bırakın! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkiyede-tutuklanan-chd-ueyesi-16-meslektasimizi-serbest-birakin-519 Protestkundgebung vor der Botschaft der Türkei in Berlin, Donnerstag, 21.09.2017, 14 Uhr www.aeud.org https://www.facebook.com/aed.edl1987/]]> Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) news-515 Fri, 18 Aug 2017 15:23:00 +0200 16. September 2017: 30 YEARS OF ACTIVISM /publikationen/mitteilungen/mitteilung/16-september-2017-30-years-of-activism-515 Lawyers in Europe and the Crisis of Fundamental Rights // Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Europa und die Krise der Grundrechte 30 YEARS OF ACTIVISM" ein, die die Vereinigung der Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA/ European Democratic Lawyers, AED-EDL) gemeinsam mit dem RAV und in Kooperation mit dem akj-berlin sowie der Vereinigung Berliner Strafverteidiger durchführt. Über eine Weiterverbreitung in Ihren / euren Verteilern freuen wir uns! Die Vereinigung der ›Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte‹ feiert ihr 30-jähriges Bestehen zur Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte. Diese Föderation europäischer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist weiterhin dem Ziel einer unabhängigen Advokatur verpflichtet – unabhängig von jedweder Macht, sei sie politischer, sozialer oder ökonomischer Natur. Viel hat sich in den vergangenen 30 Jahren seit 1987 verändert. Damals hatte es zunächst den Anschein, als wäre die Europäische Union in der Lage, einen gemeinsamen Raum zu gestalten, der durch die Herausbildung eines demokratischen, modernen und humanen europäischen Rechts charakterisiert sein könnte. 30 Jahre später kommen wir nun zusammen, um diese Veränderungen in Europa ebenso zu diskutieren, wie Strategien zur Verteidigung der Grundrechte und die Perspektiven der Solidarität mit unseren Kolleginnen und Kollegen weltweit.  30 YEARS OF ACTIVISM Lawyers in Europe and the Crisis of Fundamental Rights
    Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Europa und die Krise der Grundrechte
    Berlin EDA Conference, 16 September 2017, 10.00am –  6.00pm Humboldt Universität zu Berlin
    Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
    Geschwister-Scholl-Straße 3
    10117 Berlin
    Conference languages are English and French. Simultaneous translation will be provided.
    Konferenzsprachen sind Englisch und Französisch, eine Simultanübersetzung steht zur Verfügung.
    No participation fee / Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenfrei. Registration required / zwecks besserer Planung Anmeldung bitte bis zum 08.09.17 an die Geschäftsstelle des RAV, E-Mail: kontakt@rav.de Einladung/Invitation "30 YEARS OF ACTIVISM. Lawyers in Europe and the Crisis of Fundamental Rights // Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Europa und die Krise der Grundrechte" (PDF)   Program 10.15am Welcome & Introduction Pascale Taelman (France), August Gil Matamala (Catalunya) Welcome: Berenice Böhlo (RAV, Germany) 11.00am Keynote Speech Dr. Dana Schmalz (Germany), Researcher Max-Planck-Institute Moderation: Volker Eick (RAV, Germany) 12.30pm Lunch Break 1.45pm Panel I Fighting for Social Rights and Legal Strategies. Lawyers between austerity policy and social movements Input: Dr. Carolina Alves Vestena (Germany/Brazil) Participants: Florian Borg (France), Anne Maesschalk (Belgium), Gianluca Vitale (Italy) Moderation: Ilka Quirling (RAV, Germany) 3.45pm Coffee Break 4.00pm Panel II Defence of the Defence. International Lawyer Solidarity Participants: Ceren Uysal (Turkey), NN (Spain, tbc), Phon van den Biesen (The Netherlands) Moderation: NN (RAV, Germany) 5.30pm Conclusion Robert Sabata Gripekoven (Catalunya), Harry Ladis (Greece) 6.00pm End of Conference 8.00pm Informal Get Together / Umtrunk BETAHAUS, Prinzessinnenstraße 19-20, 10969 Berlin]]>
    news-514 Thu, 03 Aug 2017 14:26:00 +0200 Bericht zur Prozessbeobachtung in Istanbul am 6. Juli 2017 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-zur-prozessbeobachtung-in-istanbul-am-6-juli-2017-514 Fortsetzung der Hauptverhandlung gegen 46 Anwält*innen, sog. KCK-Anwaltsverfahren Das Verfahren Seit Juli 2012 beobachtet eine internationale Delegation von Anwaltsvereinigungen (aus Deutschland: RAV, Vereinigung Berliner Strafverteidiger, DAV, Berliner Anwaltskammer) das Verfahren gegen 46 meist kurdische Anwält*innen, denen aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit für Abdullah Öcalan die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (KCK) vorgeworfen wird. Im November 2011 fand eine Türkei-weit angelegte Repressionswelle statt, in dessen Zuge die Kolleg*innen festgenommen wurden. Einige von ihnen befanden sich knapp 2 ½ Jahre in Untersuchungshaft. Das Strafverfahren wird seit nunmehr 5 Jahren gegen die Kolleg*innen geführt, weitere Verfahren gegen die Verteidiger*innen der hier angeklagten Kolleg*innen schlossen sich an, vgl. hierzu letztmaliger Bericht vom 5. Juli 2016 (http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfolgung-von-verteidigerinnen-und-verteidigern-in-der-tuerkei-nimmt-kein-endebr-anwaeltinnen-und-anwaelte-weiter-in-untersuchungshaft-493/ ). Am 6. Juli 2017 wurde der Prozess vor der 19. großen Strafkammer im Istanbuler Gerichtsgebäude Cağlayan fortgesetzt. Die internationale Beobachtungsdelegation bestand aus: 2 Vertretern der Italienischen Anwaltskammer, 3 Kolleg*innen unterschiedlicher Kammern aus Frankreich, 2 Kollg*innen der holländischen Vereinigung „Lawyers for Lawyers“ und 4 Kolleg*innen aus Deutschland (RA’in Gilda Schönberg für die Vereinigung Berliner Strafverteidiger, RA Thomas Schmidt für die EHDL, RA Bilinç Isparta als Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter der Berliner Anwaltskammer und RA’in Franziska Nedelmann für den RAV). Das Çağlayan - Gerichtsgebäude Schon bei der Anfahrt zum Gerichtsgebäude, dem Çağlayan, sind Änderungen zu bemerken: Das Taxi fuhr uns nicht mehr bis vor den Haupteingang des 9-stöckigen Gerichtsgebäudes, sondern wir wurden an der Zufahrtsstraße gebeten auszusteigen. Vor dem Eingang war ein größeres Polizeiaufgebot festzustellen, das sich dort offensichtlich dauerhaft eingerichtet hat: Mehrere Wasserwerfer und unterschiedlichste Einsatzfahrzeuge belegten den Platz. Auch angesichts der Tatsache, dass in der Nacht zuvor in Istanbul die Direktorin der türkischen Amnesty Sektion und neun weitere Menschenrechtsaktivist*innen, darunter auch der deutsche Staatsangehörige Peter Steudtner, mit dem Vorwurf festgenommen worden waren, Mitglieder einer bewaffneten terroristischen Vereinigung zu sein und zugleich Spionage betrieben zu haben, löste dieses Setting deutliches Unbehagen aus. Vor Beginn der Hauptverhandlung hatten wir Gelegenheit, die wöchentlich (!) stattfindende Demonstration der Rechtsanwält*innen im Cağlayan mitzuerleben: Mehr als 50 Kolleg*innen (u.a. der stellvertretende Vorsitzende der Istanbuler Anwaltskammer) versammelten sich im und vor dem Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes, um dort insbesondere für die Freilassung der drei inhaftierten Rechtsanwälte der oppositionellen Tageszeitung Cumhuriyet einzutreten. Es blieb alles friedlich. Allerdings berichtete uns ein Kollege, dass bei einer der letzten derartigen Demonstrationen die Bereitschaftspolizei auf Befehl des Oberstaatsanwalts eingeschritten sei und dabei Kollegen mit Nasen- und Beinbrüchen verletzt worden seien.

    Absurdes Theater: Hauptverhandlung Die Hauptverhandlung selbst war eine skurrile Vorstellung, sie glich dem absurden Theater weitaus mehr als einer Strafverhandlung. Neben der Delegation waren sechs der Angeklagten und ca. 12 Verteidiger*innen anwesend. Die Delegation wurde von dem Vorsitzenden Richter Elitaş (der bis dato noch nicht in diesem Verfahren tätig war) begrüßt. Er wies darauf hin, dass wir zwar als Delegation selbst kein eigenes Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung hätten; da jedoch nach der türkischen Verfassung die Verfahren öffentlich geführt würden, sei es ihm eine „große Ehre“, uns als „liebe Freunde“ und „Kollegen“ willkommen zu heißen. Man schlage ein prozessökonomisches Vorgehen vor, das jedoch keinesfalls die Verteidigungsrechte beschneiden solle. Es sei jedoch so, dass heute die Technik ausgefallen, der eigentlich Vorsitzende Richter im Urlaub sei und auch der zuständige Staatsanwalt heute nicht habe kommen können, insofern sei es auch im Hinblick darauf, dass noch beizuziehende Akten fehlten, sinnvoll sich zu vertagen. Die Verfahrensbeteiligten sollten sich dann darauf einstellen, dass die Plädoyers gehalten werden, da das Gericht die Angelegenheit für entscheidungsreif hielte.

    Wie bitte? Entscheidungsreife? Die Beweisaufnahme hat in diesem Verfahren noch nicht einmal begonnen, was die Verteidigung auch sofort rügte. Auch ist schon seit einigen Verhandlungstagen, insbesondere seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016, die Beiziehung weiterer Akten ein wichtiges Thema. Denn sowohl der ursprünglich in diesem Verfahren tätigte Ermittlungsrichter und spätere Vorsitzende Richter Mehmet Ekinci, als auch der vormals zuständige Staatsanwalt und mehrere Ermittlungsbeamte befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (FETÖ - dt. „Fethullahistische Terrororganisation“)), also der sog. Gülen-Bewegung, vorgeworfen. Zu klären ist, inwieweit auch dieses gesamte Strafverfahren gegen unsere Kolleg*innen Teil der jetzt erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe gegen die damals Verantwortlichen ist. Ganz konkret geht es um die Frage, ob nachweislich Beweismittel gefälscht und Recht gebrochen wurde, um die Haftbefehle und die Anklage gegen die 46 Betroffenen zu rechtfertigen. Mithin eine nicht ganz nebensächliche Frage. Wenn nun das Gericht einerseits mitteilt, man wolle unbedingt die diesbezüglichen Akten beiziehen, gleichzeitig jedoch deutlich macht, dass man das Verfahren in der Sache bereits jetzt für entscheidungsreif hält, dann könnte man aus Verteidigungssicht gerade noch auf die Idee kommen, dass das Gericht ohnehin einen Freispruch in Erwägung zieht. Hier ist das Gegenteil der Fall, strafprozessuale Erwägungen fehl am Platze. Das Gericht lässt sich ganz offensichtlich von politischen Interessen leiten: Man will sich für den heutigen Tag nicht festlegen, sendet aber ein eindeutiges Verurteilungssignal aus, um die betroffene Anwaltschaft weiter einzuschüchtern. Denn die Verteidigung und auch die Angeklagten selbst rügten unverzüglich, dass bei den beigezogenen Akten (gegen Richter, Staatanwalt und Ermittlungsbeamte) gerade die Aktenteile fehlten, die sich mit den hier zu verhandelnden Anklagevorwürfen beschäftigten1. Dieses Detail schien das Gericht offenbar nicht zu interessieren, da es gleichzeitig die Entscheidungsreife der Sache verkündete. Mit gerichtlicher Sachaufklärung hat dies nichts zu tun. Die Hauptverhandlung war nach gut 15 Minuten beendet – fortgesetzt wird am 5. Dezember 2017. Hintergrundgespräche Wir konnten am 4. Juli 2017 mit einem Kollegen aus Istanbul, der in dem sog. ‚KCK-Anwaltsverfahren‘ verteidigt, ein ausführliches Gespräch führen. Dies hat Einblick in erschreckende Entwicklungen gegeben. Untersuchungskommissionen erhalten Entscheidungsbefugnis mit Bindungswirkung Die AKP-Mehrheit hat ein Gesetz verabschiedet, das eine ausdrückliche Durchbrechung der Gewaltenteilung statuiert: Verwaltungsinterne Untersuchungskommissionen, die auch innerhalb der Justiz ermitteln, können ihr Untersuchungsergebnis mit Bindungswirkung für die Staatsanwaltschaft ausstatten. Dies bedeutet, dass die Exekutive direkten Einfluss auf die Erhebung von Anklagen oder aber auf die Einstellung von Ermittlungsverfahren nehmen kann. Auch können Richter*innen nach unliebsamen Entscheidungen unmittelbar versetzt werden. Dies geschieht derzeit regelmäßig.

    Auswirkungen der Massenentlassungen in der Richterschaft Durch die massenhafte Entlassung von politisch unliebsamen Richter*innen ist in der Justiz ein deutlich spürbares Vakuum in der Rechtsanwendung entstanden. Viele der jungen, politisch genehmen neu eingestellten Richter*innen verfügen mitnichten über eine ausreichende Ausbildung, um Verfahren angemessen zu führen. So berichtete der Kollege beispielsweise, dass ein junger Richter auf einen Befangenheitsantrag damit reagierte, die Protokollkraft zu fragen, ob es zur Bearbeitung dieses Vorgangs eine Formblattvorlage gäbe. Inzwischen werden neue Richter*innen auch aus den Reihen der Anwaltschaft rekrutiert. Hierbei werden insbesondere diejenigen angesprochen, die der AKP und MHP nahe stehen.

    Einschränkung der Verteidigungsrechte Auch das Ausmaß der durch Notstandsdekrete verfügten Einschränkungen von Beschuldigten und Verteidigungsrechten (vgl. dazu http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-113-2017/hayir-diyor/) richtet sich ausschließlich nach politischen Interessen. In den Anwaltsbesuchstrakten der Gefängnisse wird entschieden, ob und unter welchen Umständen Anwaltsbesuche stattfinden. Handelt es sich um Untersuchungsgefangene, denen vorgeworfen wird, Mitglieder oder Unterstützer*innen der FETÖ zu sein, wird ein Anwaltsbesuch nur 1 Mal wöchentlich und nur mit Überwachung genehmigt. Auch die inhaftierten Politiker*innen der oppositionellen HDP oder Betroffene des Verfahrens gegen die oppositionelle Tageszeitung ‚Cumhuriyet‘ können lediglich überwachten Anwaltsbesuch empfangen, der teilweise auch in Bild und Ton aufgenommen wird. Allgemein ist es derzeit so, dass der Verteidigung Akteneinsicht erst nach Zulassung der Anklage gewährt wird. Die Möglichkeit der Stellungnahme zur Anklageschrift (bspw. der Antrag auf Nichtzulassung der Anklage) ist bereits im Jahr 2005 gesetzlich abgeschafft worden.

    FETÖ-Verfahren Nach Einschätzung unseres Kollegen befinden sich derzeit ca. 50.000 Personen mit dem Vorwurf, Mitglieder oder Unterstützer der FETÖ zu sein, in Untersuchungshaft oder sind haftverschont. Vermutlich hat ein großer Teil keinerlei Verbindungen zu FETÖ. Viele von ihnen haben keine Verteidiger*innen. Die Kolleg*innen, die in diesen – meist als Massenverfahren geführten – Prozessen verteidigen, begeben sich unmittelbar in die Gefahr, selbst der Mitgliedschaft beschuldigt zu werden. Dies wirkt sich auch bei den verlangten Verteidigungshonoraren aus. Viele beantragen im Falle ihrer Beiordnung als Pflichtverteidiger*innen ihre Entpflichtung, was in der Regel von den Gerichten genehmigt wird. Wiederum andere Kolleg*innen weigern sich auch aus politischen Gründen, Verteidigungen in den Massenverfahren zu übernehmen, da die Gülen-Bewegung durch ihren direkten Einfluss auf die Strafverfolgungsbehörden einen maßgeblichen Anteil an der Kriminalisierung insbesondere der linken oppositionellen Bewegungen in den letzten Jahren habe. Faktisch bedeutet dies, dass ein großer Anteil der Inhaftierten nicht verteidigt ist. Folter/Verschleppungen Es besteht die Befürchtung, dass insbesondere bei den FETÖ-Gefangenen systematische Folter stattfinden könnte und zwar vor allem in Form der sexualisierten Folter. Eine zuverlässige Informationsgewinnung ist seitens der Anwaltschaft und der Menschenrechtsvereine angesichts der erheblichen Repression und der politischen Verflechtungen jedoch ausgesprochen schwierig. Unser Kollege berichtete von einer Ärztin aus der Türkei, die kürzlich in der Schweiz um Asyl nachgesucht hat, nachdem sie bei einem inhaftierten hochrangigen Militär in der Türkei Verletzungen nach sexualisierter Folter festgestellt und attestiert hat. Auch gibt es derzeit Berichte über mindestens 13 Personen, die seit dem Putschversuch im Juli 2016 verschleppt wurden und teilweise bis heute unauffindbar sind (vgl. taz.gazete, 4. Juli 2017 „die Verschwundenen“, https://gazete.taz.de/article/?article=!5426431). Fazit Eine Gewaltenteilung und damit eine unabhängige Justiz existiert nicht mehr. Die Gerichtsverfahren stellen sich vielmehr als Exekutivmaßnahmen im Mantel der Justiz dar. Nicht nur unsere Kolleg*innen sind damit der Willkür der Erdoğan- Regierung hilflos ausgesetzt. Die Bundesregierung hat hierzu- vermutlich auch wegen des sog. Flüchtlingsdeals - lange geschwiegen. Immer noch wird in Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) davon ausgegangen, dass es jedenfalls bis zum Putschversuch am 15.7.2017 rechtmäßige Verfahren gegeben habe und Asylgesuche von Flüchtlingen, die sich wegen angeblicher Vorwürfe vor dem Putsch zu verantworten hatten werden regelmäßig abgelehnt. Die nunmehr 5 Jahre andauernde Beobachtung hat gezeigt, dass bereits seit vielen Jahren der Zustand der türkischen Justiz desolat ist und von fairen Verfahren nicht die Rede sein kann. Rechtsanwältin Franziska Nedelmann (RAV Vorstand) 12.07.2017 1 Zur Information: Das bekannte Ergenekon-Verfahren, das in den Jahren 2007 – 2013 gegen hunderte Angehörige von Militär, Politik, Journalisten und Anwälte geführt und mit hohen Verurteilungen wegen angeblicher Putschvorbereitungen endete, ist im April 2016 vom Berufungsgericht aufgehoben worden. Es seien durch die Strafverfolgungsorgane Beweismittel gefälscht worden, so dass Berufungsgericht zur Begründung. Als Urheber wurde die Gülen-Bewegung genannt. Dem hingegen wurde in einem weiteren ‚KCK-Verfahren‘, das seit Jahren in Diyarbakir gegen hunderte Politiker*innen und andere wegen angeblicher Mitgliedschaft in der KCK geführt wurde (auch von einer Justiz, die von Anhängern der Gülen-Bewegung durchsetzt war), nicht eingestellt, sondern es endete mit zum Teil sehr hohen Haftstrafen.

    PDF Version: Bericht_Prozessbeobachtung_KCK_06_07_17.pdf]]>
    KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)
    news-513 Wed, 26 Jul 2017 11:49:00 +0200 Ist der Mieterschutz am Ende? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ist-der-mieterschutz-am-ende-513 Mietenpolitische Diskussion zur Bundestagswahl. Mittwoch, 06.09.2017, 19:30 Uhr Wohnraum wird immer teurer Für die Aushöhlung des Kündigungs- schutzes sind nicht nur lasche Bundesge- setze, sondern auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der letzten Dekade verantwortlich. Reformvorschlä- ge zur Stärkung von Mieterinnen- und Mieterrechten vor Kündigungen lagen schon zum Beginn der 17. Legislaturperi- ode des Bundestages auf dem Tisch. Verabschiedet wurden sie nicht. Wir fragen in Hinblick auf die Bundestagswahl: Welche mietenpolitische - Agenda haben sich die Parteien zum Kündi- gungsschutz für die kommende Legislaturperiode gesetzt?
    Wo sieht Ihre Partei den größten Handlungsbedarf?
    Und welche Maßnahmen sind durchsetzbar? Mittwoch | 06.09.2017 | 19:30 Uhr Ort:
    Stadtteilzentrum Familiengarten, Aile Bahçesi, Oranienstr. 34, (Innenhof), 10999 Berlin Caren Lay MdB (Die Linke)
    Dr. Klaus Mindrup MdB (SPD)
    Christian Gräff MdA (CDU)
    Katrin Schmidberger MdA (B90/Die Grünen)  
    Veranstalter: Arbeitskreis "Mietrecht neu denken" des Netzwerks Mieten und Wohnen und
    Arbeitskreis Mietrecht im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

    6-9-2017-Ist der Mieterschutz am Ende?.pdf
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    Mietrecht (doublet)
    news-512 Fri, 14 Jul 2017 11:55:00 +0200 Bilanz der G20-Proteste: ›Feindbild Demonstrant‹(1) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bilanz-der-g20-proteste-feindbild-demonstrant-1-512 Pressemitteilung Nr. 3 vom 14. Juli 2017 Während der G20-Proteste in der vergangenen Woche haben staatliche Stellen systematisch Grundrechte verletzt und rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt. Eine erste Bilanz offenbart mit einigen Tagen Abstand in der Summe, die weitgehende Missachtung von Bürger*innenrechten bei gleichzeitiger Dominanz repressiven polizeilichen Handelns. Es bedarf daher einer rückhaltlosen und genauen Aufklärung aller Sachverhalte. Wir stellen hierzu fest:


    1. Die legitimen Proteste gegen den G20-Gipfel wurden von der Polizei von Beginn an erheblich eingeschränkt und behindert – im Rahmen des rechtlich Möglichen und weit darüber hinaus: weitreichendes Demonstrationsverbot im Stadtgebiet, Verhinderung von Camps zum Übernachten, massive Schikanen bei An- und Abreise der Demonstrant*innen, gewaltsame Auflösung der Versammlung ›Welcome to Hell‹ unter offensichtlicher Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

    2. Im Rahmen dessen hat sich die Polizei über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt und so faktisch die Gewaltenteilung aufgehoben. Wir müssen von einer weitgehenden Verselbstständigung der Exekutive sprechen.

    3. Anwält*innen wurden bei ihrer Arbeit innerhalb und außerhalb der Gefangenensammelstelle behindert. Sie wurden oftmals nicht zu Beistandsuchenden vorgelassen und sogar körperlich angegriffen. Zeitweise fand eine Gleichsetzung der Anwält*innenschaft mit dem ›Feindbild Demonstrant‹ statt und Anwält*innen wurde unterstellt, Straftaten zu fördern. Ein derartiger Generalverdacht gegen die Anwält*innenschaft ist nicht hinnehmbar.

    4. Die Arbeit von Journalist*innen, die ebenfalls der Kontrolle der Exekutive dient, wurde ganz erheblich behindert. Mehrere Dutzend Journalist*innen verloren ihre Akkreditierung für den Gipfel aufgrund von Geheimdienstinformationen, deren Herkunft nach wie vor ungeklärt ist. Es besteht der Verdacht, dass nicht genehme Journalist*innen von der Berichterstattung ausgeschlossen werden sollten. Parallel dazu wurden während des Protestgeschehens zahllose Berichterstatter*innen von der Polizei unter Druck gesetzt oder gar angegriffen, wie Darstellungen von Betroffenen und Bildaufnahmen belegen.

    5. Während des polizeilichen Vorgehens gegen die G20-Proteste hat es eine Vielzahl rechtswidriger und damit strafbarer Übergriffe von Polizeibeamt*innen auf Protestierende, Journalist*innen und andere Bürger*innen gegeben. Auch hierzu liegen uns viele Berichte von Zeug*innen und Betroffenen sowie Bildaufnahmen vor. Sie belegen das Vorgehen einer sich offensichtlich im rechtsfreien Raum wähnenden Exekutive, das zu einem kaum vorstellbaren Ausmaß rechtswidriger Polizeigewalt geführt hat.

    6. Während der Proteste hat die Polizei ihr Vorgehen teilweise mit nicht haltbaren Sachverhaltsschilderungen und Gefahrenprognosen begründet, die sich vielfach im Nachhinein als falsch herausgestellt haben. Eine Richtigstellung dieser Sachverhalte durch die Polizei steht in den meisten Fällen aus.


    Gleichzeitig ist es unerträglich, wie Politik und Polizei im Nachhinein mit dem Geschehen umgehen: Statt einer offenen und selbstkritischen Aufarbeitung des schon im Grundsatz autoritär-repressiven Vorgehens gegen die Proteste und der Gewaltexzesse mancher Polizeieinheiten, findet reflexartig eine bedingungslose Verteidigung und gar Glorifizierung der Polizeiarbeit statt. Die vollständige Abwesenheit einer Fehlerkultur bestätigt nicht nur die Polizist*innen in ihrem rechtswidrigen und strafbaren Vorgehen. Das nun faktisch bestehende Verbot, Kritik an der Polizei zu üben, die als Exekutivinstanz das Gewaltmonopol ausübt, setzt auch einen zentralen Grundsatz des Rechtsstaats außer Kraft: Wer besondere Befugnisse zum Gewalteinsatz hat, muss durch die Gesellschaft und die anderen Gewalten permanent und intensiv kontrolliert sein. Alles andere ist der Weg in den Obrigkeitsstaat.


    »Die Politik befeuert ein Gesellschaftsbild, mit dem ganze Personengruppen außerhalb der Rechtsordnung gestellt werden, und bestreitet damit die Geltung der Grundrechte für alle. Wir nennen das Feindstrafrecht«, so Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin und Stellvertretende Vorsitzende des RAV.


    Wir fordern eine rückhaltlose Aufklärung des autoritär-repressiven Vorgehens, das die G20-Proteste massiv eingeschränkt hat. Und wir fordern ebenso die Aufklärung der zahllosen Übergriffe der Polizei auf Protestierende, Journalist*innen und Bürger*innen.


    Kontakt: Rechtsanwalt Dr. Peer Stollestolle@dka-kanzlei.de


    Pressemitteilungen Anwaltlicher Notdienst zum G20 in Hamburg:
    https://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/de/presse

    20170714_Pressemitteilung des RAV_Bilanz der G20 Proteste - Feindbild Demonstrant

    (1)

    Der Begriff wurde anlässlich des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm geprägt, vgl. den vom RAV/Legal Team herausgegebenen Sammelband ›Feindbild Demonstrant. Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes‹ (http://www.rav.de/projekte/legal-team-g8-gipfel/). Auch dort kam es zu Polizeigewalt gegenüber Demonstrant*innen.

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    OSZE / G20-Gipfel 2017
    news-511 Tue, 04 Jul 2017 11:20:00 +0200 Hamburger Polizei greift freie Advokatur an /publikationen/mitteilungen/mitteilung/hamburger-polizei-greift-freie-advokatur-an-511 Pressemitteilung, 04.07.17 Hamburger Polizei greift freie Advokatur an
    Mitgliedschaft in bürgerrechtlichem Anwältinnen- und Anwälteverein als ›Gefahr‹? Die Hamburger Polizei greift im Rahmen der rechtlichen Auseinandersetzungen um die Proteste gegen den G20-Gipfel die freie Advokatur und damit ein tragendes Prinzip des Rechtsstaates an. In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertritt die Behörde die Auffassung, die Mitgliedschaft von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen im RAV sei Indiz für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.  Die Polizei hat per Allgemeinverfügung in weiten Teilen der Hansestadt Versammlungen untersagt. Vier ehemalige Jura-Studierende aus Hamburg – früher Mitglieder in der Initiative Hamburger aktive Jura-Student_innen (HAJ) – klagen derzeit gegen das von der Hamburger Polizei erlassene Verbot von Demonstrationen am 7./8. Juli 2017.  Gegen diesen Eilantrag geht nun die Polizei mit einem Angriff auf die freie Anwaltschaft vor: Am 3. Juli 2017 hat die Behörde eine schriftliche Gefahrenprognose vorgelegt, bei der sie ausführt, die Antragstellenden und die genannte Studierendengruppe seien mit dem ›Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein‹ (RAV e.V.) verbunden. Außerdem seien die im Verfahren mandatierten Rechtsanwält_innen Mitglieder im RAV. Daher sei davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Personen an Spontanversammlungen teilnehmen werde, so dass auch die Gefahr faktischer Blockaden bestehe.  Zum ›Beleg‹ sind diesem Schriftsatz u.a. die Ankündigung einer Veranstaltung angefügt, auf der – organisiert vom RAV und dem HAJ/KSJ – über den »Kampf gegen die Straflosigkeit von Völkerrechtsverbrechen« informiert wurde, sowie Auszüge aus dem RAV-Anwaltsverzeichnis mit den Daten der die Antragsteller vertretenden Rechtsanwält_innen.  Die freie Anwaltswahl ist ein zentrales rechtsstaatliches Prinzip. Mit ihrer Argumentation unterteilt die Hamburger Polizeiführung Rechtsanwält_innen in ›genehme‹ und ›gefährliche‹. Die Wahl des Anwalts wird so zur Gefahrenprognose herangezogen. Hierdurch werden Grundregeln des Rechtsschutzes außer Kraft gesetzt.  Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV, erklärt dazu: »Das Vorgehen der Hamburger Polizei stellt grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats in Frage. Rechtsanwält_innen und renommierte Anwaltsvereine als Gefahr zu definieren, offenbart ein fehlendes Verständnis von rechtsstaatlichen Grundsätzen und für die Aufgabe und Funktion der Anwaltschaft. Die Argumentation der Hamburger Polizeiführung schließt sich nahtlos an die Missachtung des Gewaltenteilungsprinzips in den vergangenen Tagen an, als sich die Hamburger Polizei über gerichtliche Entscheidungen schlicht hinweggesetzt hat«.  Das Vorgehen der Polizei hat auch deshalb besondere Brisanz, weil unter dem Dach des RAV der Anwaltliche Notdienst während der G20-Proteste organisiert ist. »Der sowieso schon bei polizeilichen Großeinsätzen extrem eingeschränkte Rechtsschutz droht in Hamburg vollends außer Kraft gesetzt zu werden. Es ist zu befürchten, dass die Hamburger Polizeiführung eine Vertretung durch den Anwaltlichen Notdienst in den Gefangenensammelstellen verhindern will«, so Rechtsanwältin Britta Eder aus Hamburg, die einen der Antragsteller vertritt.  Der RAV ruft alle Demokrat_innen auf, sich an den Protesten und für die Stärkung der Bürgerrechte zu beteiligen. Es darf nicht sein, dass die Stadt Hamburg und die Bundesregierung rechtsstaatliche Grundsätze über Bord werfen und einen faktischen Ausnahmezustand schaffen, um ausländische Staats- und Regierungschefs – darunter Vertreter verschiedener autoritärer Regime – zu hofieren.  Kontaktmöglichkeiten
    Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle (Berlin): 030.4467 9216
    Rechtsanwältin Britta Eder (Hamburg): 0176.2216 9938  Aus unserem Selbstverständnis: Der RAV ist eine politische Anwaltsorganisation. Er versteht sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung und arbeitet auf nationaler wie auf internationaler Ebene mit zahlreichen Verbänden sowie mit Gruppen der Neuen Sozialen Bewegungen zusammen. Er nimmt Einfluss auf rechtspolitische Entwicklungen u.a. durch Beteiligungen an der öffentlichen und fachöffentlichen Diskussion, Stellungnahmen gegenüber der Legislative sowie dem Bundesverfassungsgericht oder Unterstützung von Legal Teams bei demonstrativen Großereignissen. Pressemitteilung als PDF]]>
    Freie Advokatur (doublet) OSZE / G20-Gipfel 2017
    news-510 Mon, 03 Jul 2017 16:46:00 +0200 Anwaltlicher Notdienst zum G20-Gipfel in Hamburg – Pressemitteilungen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-zum-g20-gipfel-in-hamburg-pressemitteilungen-510 Zur Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren in der Zeit der zu erwartenden Proteste rund um den G20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 haben Rechtsanwält*innen zusammen mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. Der Notdienst ist in enger Kooperation mit dem Hamburger Ermittlungsausschuss (EA), der Roten Hilfe e.V. und weiteren Antirepressionsgruppen eingerichtet worden.
    170714 PM AND G20 Hamburger Gefangenensammelstelle - Rechte von in Gewahrsam Genommenen und Rechtsanwälten systematisch verletzt

    170709 PM AND G20 Weiterhin erhebliche Behinderungen der anwaltlichen Tätigkeiten in der GeSa Harburg.pdf

    170709 PM AND G20 Festival der Grundrechtsverletzungen.pdf

    170708 PM AND G20 Massive Behinderung anwaltlicher Arbeit durch Polizei und Justiz in Hamburg.pdf

    170708 PM AND G20 Erneute Rechtsbrüche.pdf

    170707 PM AND G20 Körperlicher Angriff auf Anwalt in der GESA.pdf

    170706 PM AND G20 - Fake News.pdf

    170703 PM AND G20 Zugang zum Amtsgericht Neuland verwehrt.pdf 170703 PM AND G20 Ärztliche Schweigepflichten Polizei.pdf 170702 PM AND G20 Forderung Ablösung Dudde.pdf 170628 PM AND G20 Ziviler Ungehorsam.pdf https://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/de Ermittlungsausschuss Hamburg: +49 - (0)40 – 432 78 778

    Spenden:
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Sparkasse Hannover
    IBAN:  DE 53 2505 0180 0000 1263 14
    BIC: SPKHDE2H
    Verwendungszweck: Rechtshilfefond, Anwaltsnotdienst]]>
    OSZE / G20-Gipfel 2017
    news-508 Tue, 25 Apr 2017 20:13:00 +0200 Kundgebung gegen geplante Strafrechtsverschärfung zum Schutz von Polizist*innen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-gegen-geplante-strafrechtsverschaerfung-zum-schutz-von-polizist-innen-508 Pressemitteilung, 25.4.2017 Bürgerrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen - rufen für Donnerstag, den 27. April 2017, um 18 Uhr zu einer Kundgebung gegen die geplante Strafrechtsverschärfung für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte vor dem Bundestag (Platz der Republik) auf.  Die geplante Gesetzesänderung sieht für tätliche Angriffe auf Polizist*innen und andere Vollstreckungsbeamte künftig eine Mindeststrafe von 3 Monaten Haft vor. Wir lehnen diese Gesetzesänderung als völlig unverhältnismäßig ab. Der von den Gerichten äußerst weit definierte Begriff des „tätlichen Angriffs“ ist in der Praxis schnell erfüllt. So könnte bereits ein einfaches Schubsen künftig zu einer Haftstrafe führen. Verletzungsfolgen oder -absichten sind hierfür nicht erforderlich. Diese Gesetzesverschärfung ist nicht nur drakonisch und grundlos, sie zeigt auch eine autoritäre Staatsauffassung seitens der Bundesregierung und Regierungsfraktionen. Auch führt sie zur erleichterten Kriminalisierung von Demonstrationsteilnehmer*innen, etwa bei engen Einschließungen oder bei Gerangel an Polizeiketten, und bei Aktionen zivilen Ungehorsams beim Wegtragen.  Zudem verstößt es gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Angriffe auf Vollstreckungsbeamt*innen künftig deutlich stärker sanktioniert werden sollen, als solche, die sich gegen Bürger*innen richten. Eine solche Privilegierung ist grundlos, denn die für alle Bürger*innen geltenden Strafnormen der Nötigung und Körperverletzung schützen auch Polizist*innen und andere Amtsträger*innen. Eine steigende Gewalt gegenüber Polizist*innen – welche die Strafrechtsverschärfung rechtfertigen soll - lässt sich hingegen nicht nachhaltig nachweisen. Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zählt lediglich das polizeiliche Anzeigeverhalten, nicht hingegen rechtskräftig abgeurteilte Straftaten.   Die Strafrechtsverschärfung macht uns insbesondere auch deshalb Sorge, weil sie die Aufklärung rechtswidriger Polizeigewalt weiter erschwert. Seit Jahren weisen Bürgerrechtsorganisationen auf das Problem häufig folgenlos bleibender rechtswidriger Polizeigewalt hin. Die geringe Anzeigequote gegen rechtswidrig agierende Polizist*innen beruht unter anderem darauf, dass Opfer regelmäßig mit einer Gegenanzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überzogen werden. Die Strafrechtsverschärfung für dieses Delikt, trägt nun die Gefahr in sich, dass Opfer von Polizeigewalt künftig noch häufiger von Anzeigen absehen werden.   Für eine aktive Zivilgesellschaft und gelebte Demokratie brauchen wir eine Gesetzeslage, die nicht vor Beteiligung an Versammlungen abschreckt. Vielmehr bedarf es unabhängiger Kontrollinstanzen gegen Polizeigewalt. Anerkennung polizeilicher Arbeit darf nicht durch ein Sonderrecht für die Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols zum Ausdruck kommen.   ·         Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen ·         Humanistische Union e.V. ·         Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. ·         linksjugend ['solid] Brandenburg ·         linksjugend ['solid] Berlin ·         Kampagne „Nein zum Polizeistaat“ ·         Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. ·         SJD - Die Falken, Landesverband Brandenburg ·         Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
    Pressemitteilung Kundgebung Polizeischutz (PDF)   Weiterführende Informationen: Gemeinsame* Stellungnahme zum Gesetzentwurf Drs. 18/11161:
    www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-drs-1811161-520/ Kann und soll das Strafrecht Polizist*innen schützen?:
    http://www.grundrechtekomitee.de/node/841  Online-Kampagne zum Unterzeichnen: https://weact.campact.de/petitions/nein-zum-polizeistaat-stoppt-die-anderungen-der-ss113-und-ss114stgb-2?source=twitter-share-email-button&time=1490858106]]>
    news-507 Thu, 20 Apr 2017 12:52:00 +0200 Kein Ausnahmezustand in Hamburg während des G20-Gipfels! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-ausnahmezustand-in-hamburg-waehrend-des-g20-gipfels-507 Presseinformation zum Offenen Brief von fünf Bürgerrechtsorganisationen Offener Brief an die Hamburgische Bürgerschaft-G20-Gipfel_BürgerrechtsOrgas (PDF)
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    news-506 Sun, 02 Apr 2017 16:42:00 +0200 Wieder ein Gipfel der Repression? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wieder-ein-gipfel-der-repression-506 Veranstaltung zur Sicherheitsarchitektur beim G20-Gipfel in Hamburg Referenten
    Andreas Blechschmidt (Rote Flora, Hamburg)
    Rechtsanwalt Christian Woldmann (RAV, Anwaltlicher Notdienst Hamburg) Zeit und Ort
    Freitag, 28. April 2017, 20.00 Uhr
    Theaterspielraum im Bethanien/Südflügel, Mariannenstraße 2B, Berlin-Kreuzberg
    Anfahrt
    U1/8 Kottbusser Tor
    Bus 140, Haltestelle Adalbertstr./Waldemarstr.
    Bus M29, Haltestelle Oranienstr./Adalbertstr.
    Von der Waldemarstraße aus den Fußweg in das Parkgelände zwischen Spielplatz und Nr. 57 geradewegs auf die Terrasse zu. Aufgang 2 B, Parterre
    (Zugang zum Südflügel s. Graphik im Flyer, pdf) Veranstalter
    Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)]]>
    OSZE / G20-Gipfel 2017 Innere Sicherheit (doublet)
    news-504 Sun, 26 Mar 2017 08:54:00 +0200 Resolution zur Lage in der Türkei<br />Türkiye'nin durumuna yönelik alınan karar /publikationen/mitteilungen/mitteilung/resolution-zur-lage-in-der-tuerkei-br-tuerkiyenin-durumuna-yoenelik-alinan-karar-504 Resolution zur Lage in der Türkei, Strafverteidigertag 26.3.2017 Türkçe olarak aşağida  ||  Auf türkisch unten  || Turkish see below (PDF) Die hier im folgenden dokumentierte Resolution wurde am Sonntag, den 26.3.2017, vom RAV beim 41.  Strafverteidigertags in Bremen eingebracht und dort ohne Gegenstimmen mit 2 Enthaltungen verabschiedet: Resolution zur Lage in der Türkei verabschiedet durch das Plenum des 41. Strafverteidigertages am Sonntag, 26. März 2017 Mit dem für den 16. April 2017 geplanten Referendum steuert die AKP-regierte Türkei auf eine Autokratie zu, die allein auf Staatspräsident Erdoğan zugeschnitten ist: An die Stelle der parlamentarischen Demokratie soll nun ein ›Präsidialsystem‹ à la AKP treten, in dem sich die Legislative, Exekutive und Judikative nicht mehr gegenseitig kontrollieren, sondern einem (all)mächtigen Staatspräsidenten unterstehen. Rechtsexperten der Venedig-Kommission des Europarates warnten Ende Februar 2017 ausdrücklich vor der Durchführung des Referendums, zumal angesichts des seit Juli 2016 geltenden Ausnahmezustandes sämtliche Kontrollsysteme fehlten, um einen demokratischen Rahmen für die Abstimmung zu schaffen. In der Türkei herrscht ein Klima der Angst, in den kurdischen Gebieten herrscht Krieg. Regierungspolitiker der AKP bedienen sich öffentlich der Symbolik der rechtsextremen ›Grauen Wölfe‹ und bedrohen, verbieten und verhaften die Vertreter*innen der demokratischen Opposition unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 wurden mehr als 47.000 Personen inhaftiert. Abgeordnete, Bürgermeister*innen, Richter*innen, Staatsanwält*innen, Rechtsanwält*innen, Journalist*innen, Gewerkschafter*innen sitzen zu Tausenden allein wegen ihrer Berufsausübung in Untersuchungshaft. Über 128.000 Menschen wurden entlassen, Medien geschlossen, Vereine – darunter auch diverse Anwaltsvereinigungen – verboten. Die Rechte der Beschuldigten wurden per Notstandsdekret massiv eingeschränkt. Kontakte zur anwaltlichen Vertretung sind für Festgenommene und Gefangene erst nach fünf Tagen möglich und können überwacht werden. Akteneinsicht wird meist nicht gewährt. Offensichtlich rechtswidrige und allein von der gewünschten politischen Diktion geprägte Anklagen und Verurteilungen stehen auf der Tagesordnung. Eine unabhängige Justiz existiert nicht mehr. Derzeit befinden sich ca. 300 Rechtsanwältinnen in Haft, insgesamt wird gegen über 700 Anwält*innen strafrechtlich ermittelt (Stand: 16. Februar 2017 ›Arrested Lawyers Initiative‹). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Strafverteidigertags erklären sich solidarisch mit den inhaftierten und den für die Demokratie und Freiheitsrechte kämpfenden Kolleginnen und Kollegen in der Türkei und fordern


    Auch in Deutschland dürfen sich Exekutive, Legislative und Judikative keinesfalls zum verlängerten Arm dieser rechtsstaatswidrigen Praktiken machen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Strafverteidigertages fordern weiter:


    Resolution zur Lage in der Türkei (PDF) Resolution zur Lage in der Türkei (türkische Fassung, PDF)]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-503 Tue, 21 Mar 2017 08:50:00 +0100 RAV kritisiert Gesetzentwurf: »Kein Sondergesetz für Polizeibeamte« /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kritisiert-gesetzentwurf-kein-sondergesetz-fuer-polizeibeamte-503 Pressemitteilung, 21.3.2017 Stellungnahme scharfe Kritik an dem Gesetzesentwurf und wendet sich zusammen mit weiteren Anwaltsverbänden und Bürgerrechtsorganisationen persönlich an die Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages: »Kein Sondergesetz für Polizeibeamte – Stimmen Sie mit Nein«, heißt es in dem Schreiben. Der RAV kritisiert den geplanten § 114 StGB als überflüssig und gefährlich. »Wenn der Staat den Schutz seiner Beamten höher stellt als den der Bürger, wird das Grundgesetz auf den Kopf gestellt«, so der RAV-Vorsitzende Dr. Peer Stolle. »Das Gesetz ist nicht erforderlich und sieht eine völlig unverhältnismäßige Strafdrohung auch für Bagatellhandlungen vor«.
    Mit der geplanten Norm würde ein folgenloser Schubser gegen einen Polizisten härter bestraft, als ein gezielter Faustschlag gegen einen Menschen ohne Uniform – auch wenn dieser Verletzungen davonträgt. Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzentwurfs weisen zudem darauf hin, dass es eine ›ständige‹ oder ›dramatische‹ Zunahme von Gewalt gegen Polizeikräfte schlicht nicht gibt. »Es handelt sich um bloße Behauptungen der Polizeigewerkschaften. Tatsächlich zeigen die Fallzahlen der PKS das Gegenteil«, so die Stellvertretende RAV-Vorstandsvorsitzende Franziska Nedelmann. Bundesweit gehen die Fallzahlen für ›Widerstand gegen die Staatsgewalt‹ seit 2008 deutlich zurück. Letztendlich geht es bei dem Gesetz ausschließlich darum, Begehrlichkeiten der Polizeigewerkschaften zu befriedigen. Zuvor hatten bereits der Deutsche Richterbund und der Deutsche Anwaltsverein den Gesetzentwurf deutlich kritisiert. Auch der Rechtsausschuss des Bundesrats beurteilt den Entwurf als widersprüchlich und bemängelt seine Unverhältnismäßigkeit. In dem Appell der Bürgerrechtsorganisationen werden die Abgeordneten des Rechtsausschusses aufgefordert, in eine sachliche Debatte einzusteigen und sich ernsthaft mit der Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ sowie den Ursachen für eskalierende Konfliktsituationen bei Polizeieinsätzen zu beschäftigen. Kontakt: Rechtsanwalt Marco Noli, München (Telefon 089.50059130) [Bitte beachten Sie auch die Anlagen zu dieser Pressemitteilung]]]>
    Polizeirecht (doublet) Innere Sicherheit (doublet)
    news-502 Tue, 21 Mar 2017 08:25:00 +0100 Gemeinsame* Stellungnahme zum Gesetzentwurf Drs. 18/11161 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-drs-18-11161-502 Stellungnahme, 20.3.2017 1. Geplante Neuregelung §§ 113, 114 StGB-E Der Entwurf sieht eine Erhöhung der Mindeststrafe (auf mindestens 3 Monate Freiheitsstrafe) bei »tätlichen Angriffen« gegen Vollstreckungsbeamte vor. Auf den Bezug zu einer Vollstreckungshandlung soll es nicht mehr ankommen. Weitere Berufsgruppen sollen Vollstreckungsbeamten gleichstehen. Eine Unterschreitung der Mindeststrafe in sog. minderschweren Fällen ist nicht vorgesehen. Besonders schwere Fälle, die zu einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe führen, werden dahingehend ausgeweitet, dass bereits das Mitführen eines gefährlichen Gegenstandes ohne Verwendungsabsicht genügen soll. 2. Kritik aus der Justiz und vom Rechtsausschuss des Bundesrats Sämtliche zur Stellungnahme aufgeforderten Berufsverbände der Richter/-innen, Staatsanwälte/-innen und Rechtsanwälte/-innen – namentlich der Deutsche Richterbund,(1) die Neue Richtervereinigung (NRV)(2) und der Deutsche Anwaltsverein (DAV)(3) – sowie zahlreiche Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschafter haben den Gesetzentwurf deutlich kritisiert und als ungeeignet und nicht erforderlich abgelehnt.
    Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat den Entwurf kritisiert und dem Plenum eine Stellungnahme empfohlen, die u.a. die nachfolgenden Probleme adressiert:(4) Die Neuregelung führe zu Wertungswidersprüchen. Die neuen Regeln zum tätlichen Angriff seien unstimmig, weil hierdurch eine Personengruppe privilegiert werde. Ein Regelungsbedürfnis bestehe ohnehin nicht. Aufgrund des Missverhältnisses fordert der Rechtsausschuss die Einführung eines minderschweren Falls. Die Ausweitung des besonders schweren Falls überdehne die Strafbarkeit in unverhältnismäßiger Weise. Es seien praktische Probleme zu befürchten, denn erfahrungsgemäß sei die Abgrenzung eines gefährlichen von einem sonstigen Werkzeug schwierig. Dies gelte ebenfalls für den Nachweis von Vorsatz beim des bloßen Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes, da Widerstandshandlungen oftmals aus einer Affektsituation erwachsen. 3. Sonderstrafrecht zum Schutz von Polizeibeamten/-innen Durch das geplante Gesetz würde der Schutzzweck des Widerstands-Tatbestandes geändert. Der ›tätliche Angriff‹ soll aus dem bisherigen § 113 Abs. 1 StGB (Widerstand) herausgenommen und ein neuer Tatbestand §114 StGB-E (Tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte) geschaffen werden. Es soll nicht mehr auf einen Bezug zu einer Diensthandlung ankommen. Geschütztes Rechtsgut wäre dann nicht mehr die staatliche Vollstreckungsmaßnahme, sondern die individuellen Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit) der handelnden Person.
    Tätliche Angriffe gegen Menschen sind bereits jetzt nach den allgemeinen Strafgesetzen strafbar, sei es als Nötigung (z.B. Schubsen) oder als versuchte oder vollendete Körperverletzung. Laut dem Gesetzentwurf soll nunmehr bei einem Angriff auf die körperliche Unversehrtheit eines Menschen beim Strafrahmen danach unterschieden werden, welcher Berufsgruppe die Person angehört. Eine derartige Sonderbehandlung verstößt gegen Art. 3 GG. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung gibt es nicht.
    Ein ›tätlicher Angriff‹ nach § 114 StGB-E ist eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung. Zur körperlichen Verletzung muss es nicht kommen, auch nicht zu einer Schmerzzufügung. Eine solche braucht auch nicht gewollt sein,(5) ein Anrempeln würde demnach genügen. Das geplante Sonderrecht für Polizeibeamte/-innen würde in der Konsequenz in der strafrechtlichen Praxis dazu führen, dass ein Schubser – ohne jegliche Verletzungsfolge – gegen eine/-n Polizeibeamten/-in mit einer höheren Strafandrohung versehen wäre, als ein Faustschlag ins Gesicht mit Verletzungsfolge gegen eine andere, nicht-polizeiliche Person. Der Schubser gegen den/die Polizeibeamten/-in würde sogar zu mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe führen. Würde sich dabei zufällig noch ein Brotzeitmesser im Rucksack befinden, ohne Absicht dieses einzusetzen, betrüge die Mindeststrafe nach der Neuregelung sechs Monate Freiheitsstrafe. Dieselbe Mindeststrafe übrigens, wie beim sexuellen Missbrauch von Kindern.
    Eine derartige Sonderbehandlung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG). Die eklatanten Wertungswidersprüche, insbesondere der Verzicht auf einen ›minderschweren Fall‹ bei geringer Schuld, widersprechen dem Schuldprinzip und damit auch dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). 4. Reine Symbolpolitik Das geplante Gesetz ist weder geeignet, mehr Schutz durch höhere Strafdrohungen zu erreichen, noch erforderlich. Das vorhandene Strafrecht reicht aus, um die strafwürdigen Verhaltensweisen schuldangemessen zu sanktionieren. Erst 2011 wurde durch eine Gesetzesänderung der Strafrahmen für ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ erhöht, ohne dass in der Folge die Auswirkungen der Verschärfung evaluiert worden wären. Strafbarkeitslücken bestehen nicht. Es handelt sich um reine Symbolpolitik.
    Mit dem Gesetz soll nach verschiedenen Begründungen die »gesellschaftliche Wertschätzung« für Polizeibeamte/-innen erhöht werden.(6) Dabei trägt diese Symbolik (»Signal des Staates«,(7) »Zeichen setzen«) dadurch obrigkeitsstaatliche Züge, dass als Mittel das Strafrecht gewählt wird. Das Strafgesetzbuch ist kein Kurznachrichten-Kanal, auf dem ›Signale‹ gesendet werden. Der Gesetzgeber ist vielmehr nur dann befugt ein Strafgesetz einzuführen, wenn dies zum Schutz eines Rechtsguts tatsächlich erforderlich ist. 5. Gesetzgeberische Unkultur Das Gesetzgebungsverfahren wurde in einem höchst fragwürdigen Tempo durchgeführt – ohne größere sachliche und gesellschaftliche Debatte. Bei der Frage nach Anlass und Grund des Gesetzes verweist die Bundesregierung auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die vier Jahre alt ist. Dort heißt es wörtlich: »Wir verbessern den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkräften bei gewalttätigen Übergriffen«.(8) Von einer Änderung des Strafgesetzbuches ist dort keine Rede. Die SPD lehnte eine Änderung des Strafgesetzbuches zunächst (zu Recht) strikt ab; nun tritt sie im völligen Gegensatz dazu als Verfechterin eines Sonderstrafrechts zum Schutz von Polizeibeamten/-innen auf. Das Gesetz soll nun am Ende der Legislaturperiode – im laufenden Wahlkampf und hektisch kurz vor der Sommerpause – von der großen Koalition und gegen den Widerstand der gesamten Opposition verabschiedet werden.
    Der Referentenentwurf des BMJV stammt vom 23. Dezember 2016, also von kurz vor Weihnachten. Einige Berufsverbände aus der Justiz erhielten (über die Weihnachtsfeiertage) sehr kurze Fristen zur Stellungnahme. Die Stellungnahmen fielen allesamt ablehnend aus (vgl. oben Ziff. 2). Der Referentenentwurf wurde von der Bundesregierung unverändert am 8. Februar 2017 als Gesetzentwurf (Drs. 18/11161) beschlossen und am 14. Februar 2017 vorgelegt. Die 1. Lesung im Bundestag fand bereits am 17. Februar 2017 statt. Obwohl es konkrete Bedenken und Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundesrats gab (vgl. oben Ziff. 2),(9) war der Gesetzentwurf dem Bundesrat im Plenum am 10. März 2017 eine ›Debatte‹ von 4,46 Minuten wert (bestehend aus einem Redebeitrag eines Mitarbeiters des BMJV und der Abstimmung),10 um gegen das Gesetz mehrheitlich »keine Einwände« zu erheben. Der Gesetzentwurf soll nun am 22. März 2017 im Rechtsausschuss des Bundestages behandelt werden. Bereits am 30. März 2017 soll das Gesetz in Zweiter und Dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden. Sozusagen ein ›3-Monats-Gesetz‹. 6. Gesetzesbegründung höchst fragwürdig Ausweislich der Gesetzesbegründung der Bundesregierung soll mit der Verschärfung des Strafgesetzes nicht etwa eine Erhöhung der Sicherheit erreicht, sondern »Anerkennung und Respekt« für gefährliche Einsätze, für Schichtdienst, Arbeit an Wochenenden und für Überstunden von Polizeikräften ausgedrückt werden.(11) Ob die Verschärfung des Strafgesetzes überhaupt zu einer Stärkung des Schutzes führen kann, ist für die Bundesregierung ebenfalls ungewiss. Im Gesetzentwurf selbst heißt es dazu, dass eine »profunde Abschätzung« über Folgen und Wirkungen des Gesetzes »nicht möglich« sei.(12) Es geht also gar nicht darum, Polizeibeamtinnen und -beamte besser zu ›schützen‹, sondern darum, sie – rein symbolisch – zu ›schätzen‹. Der Entwurf wird von der Bundesregierung damit begründet, Polizeibeamte/-innen hätten die Gesetzesverschärfung »verdient«, das sei die Regierung ihnen »schuldig«.(13) Letztendlich geht es bei dem Gesetz ausschließlich darum, die Begehrlichkeiten der Polizeigewerkschaften zu befriedigen. 7. Desinformationskampagne der Polizeigewerkschaften Für eine angeblich ›ständige‹ und ›dramatische‹ Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte/-innen gibt es keine objektiven, belastbaren Belege. Bei der angeblichen ›Zunahme der Gewalt‹ handelt es sich schlicht um eine Behauptung der Polizeigewerkschaften. Vermeintliche ›Berichte‹ zu polizeiinternen Befragungen, die vor allem durch suggestive Fragestellungen auffallen, können zunehmende Gewalt ebenso wenig belegen, wie die tendenziös kommentierten »Lagebilder« der Innenministerien.(14)
    Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist ebenfalls kein zuverlässiges Analyseinstrument, weil sie nur das polizeiliche Anzeigeverhalten wiedergibt. Übertriebene Zahlen sind daher systemimmanent, weil nicht erfasst wird, wenn ein Verfahren eingestellt wurde oder mit einem Freispruch endete und sich der Vorwurf nicht bestätigt hat. Aber nicht einmal aus der PKS ergibt sich die behauptete ›Zunahme‹.(15) Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Fall-Zahlen des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ sind seit 2008 rückläufig. Im Jahr 2013 gab es z.B. bundesweit einen Rückgang der Fallzahlen von 8,5 Prozent und im 5-Jahresvergleich, ebenfalls bundesweit, sogar einen Rückgang von 24 Prozent. Das einzige, was zugenommen hat, ist die Dramatisierung durch die Polizeigewerkschaften. 8. Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ Die Desinformationskampagne der Polizeigewerkschaften zeichnet darüber hinaus das völlig unzutreffende Bild, dass es in hohem Maße völlig anlasslose Angriffe auf Polizeibeamte/-innen gäbe, als würden ständig Bürger/-innen ohne jeglichen Bezug zu einer Vollstreckungsmaßnahme Polizeibeamte/-innen angreifen. Dies ist völlig realitätsfern. Tatsächlich geht in den allermeisten Fällen von Konflikten zwischen Bürger/-innen und der Polizei eine polizeiliche Zwangsmaßnahme (Festnahme, Durchsuchung etc.) voraus, die dann in eine Konfliktsituation mit Eskalationsgeschehen mündet. Die Bürger/-innen sind in den allermeisten Fällen nicht autonom in Kontakt mit der Polizei getreten, sondern werden durch ein Eingreifen der Polizei erst in den Kontakt gebracht. In der Realität handelt es sich hier meist auf beiden Seiten um eine Stresssituation, wobei das Interaktionsgeschehen und wechselseitige Emotionen den Konflikt hochschaukeln.
    Die Bürger/-innen treten dabei nicht einer unbewaffneten schutzlosen Person gegenüber, sondern in der Regel geschützten, bewaffneten und ausgebildeten Polizist/-innen. Neben Schusswaffen führen diese Tonfa-Schlagstock und Pfefferspray mit sich. Sie tragen Einsatzanzüge mit Schutzprotektoren und häufig auch Helme mit Visier.
    Die Deutungshoheit über solche Situationen liegt schon jetzt bei der Polizei. Wann die Schwelle zum Widerstand überschritten ist, entscheiden zunächst allein die – selbst betroffenen – Beamt/-innen, die die Anzeige erstatten. Beim Delikt ›Widerstand‹ liegt die reale Handlung meist im Bagatellbereich, die tatbestandliche Schwelle des § 113 StGB ist relativ schnell erreicht, etwa durch Sperren bei einer Festnahme, Schieben, Arm-Versteifen, Körperdrehung, ›Stemmen gegen die Laufrichtung‹, Muskeln anspannen, Schubsen etc. Die Polizeibeamt/-innen sind in diesen Situationen meist die einzigen Beweismittel, vermeintliches Opfer und Zeuge zugleich. Die sonst in solchen Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen angewendeten Grundsätze, z.B. die besonders kritische Würdigung von Belastungsaussagen beim Fehlen ›neutraler‹ Zeugen, kommen meist nicht zur Anwendung – der Polizeibeamte gilt in den Augen vieler Staatsanwaltschaften und Gerichte als per se objektiv. Diese Deutungsmacht ist vor allem dann problematisch, wenn den Polizeibeamt/-innen ein eigenes Fehlverhalten (z.B. ungerechtfertigte Gewalt gegen Bürger/-innen) vorgeworfen wird. Hier kann das zu der Tendenz führen, eigenes Fehlverhalten zu rechtfertigen oder zu vertuschen und einer Anzeige wegen ›Körperverletzung im Amt‹ durch eine eigene Anzeige wegen ›Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte‹ zuvorzukommen.(16) 9. Empfehlungen Das Gesetz ist als ungeeignet und verfassungswidrig abzulehnen. Der § 113 StGB (Widerstand) wurde ursprünglich geschaffen, um staatliche Vollstreckungsmaßnahmen und damit das staatliche Gewaltmonopol zu schützen, nicht um den ausführenden ›Staatsdiener‹ zu schützen. Sonst hätte man diesen Tatbestand nicht benötigt, weil der Individualschutz der handelnden Personen durch andere Tatbestände, nämlich Nötigung und Körperverletzung, bereits ausreichend gewährleistet ist. Da der Bürger sich zumeist nicht freiwillig in Konfliktsituationen mit Polizeibeamten und -beamtinnen begibt, wurde dieser besonderen Lage im Rahmen des § 113 StGB Rechnung getragen: durch eine geringere Höchststrafe und erweiterte Irrtumsregeln bei ungerechtfertigten Polizeieinsätzen. Dieses Ziel einer Privilegierung des Bürgers verkehrt der Gesetzentwurf in sein Gegenteil.
    Es gäbe viele sinnvolle Maßnahmen, wollte man Konfliktlagen zwischen Bürger/innen und Polizei vorbeugen und entschärfen. Insbesondere wäre es wichtig, unabhängige Forschung darüber zu fördern, was zur Eskalation in Konfliktsituationen zwischen Polizeibeamten/-innen und Bürgern/-innen führt und sich wirklich ernsthaft und sachlich mit der Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand‹ auseinanderzusetzen. Um Respekt zu verbessern, ist martialisches Auftreten polizeilicher Kampfeinheiten und der unverhältnismäßige Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock kontraproduktiv. Zudem sollte überprüft werden, wo die polizeiliche Schulung und Ausbildung für Stress- und Konfliktsituationen, deeskalierendes Verhalten und eine menschenrechtskonforme und bürgerfreundliche Polizeiarbeit verbessert werden können. In allererster Linie wird eine transparente und bürgerfreundliche Polizei Respekt erzeugen. Hierzu gehört auch das Tragen individueller Kennzeichnung, insbesondere bei geschlossenen Einheiten, was auf Bundesebene und in manchen Bundesländern noch immer abgelehnt wird. 20.03.2017 Rechtsanwalt Marco Noli, München / RAV e.V. ________ *Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Humanistische Union e.V.
    Internationale Liga für Menschenrechte
    Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Stellungnahme vom 20.3.2017 als PDF   1( )Vgl. http://www.drb.de/stellungnahmen/2017/schutz-von-vollstreckungsbeamten.html. Der Deutsche Richterbund ist der größte Berufsverband der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland.
    (2) Vgl. https://www.neuerichter.de/details/artikel/article/grundsaetzliche-stellungnahme-zum-gesetz-zur-aenderung-des-strafgesetzbuches-507.html.
    (3) Vgl. https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-5-17-staerkung-des-schutzes-von-vollstreckungsbeamten-und-rettungskraeften.
    (4) Vgl. http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0101-0200/126-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
    (5) Vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 113 Rn. 27.
    (6) Vgl. MdB Dr. Volker Ullrich, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21951 D.
    (7) Vgl. MdB Dr. Jan-Marco Luczak, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, Zwischenruf, S. 21939 C.
    (8) Vgl. S. 146 des Koalitionsvertrages der 18. Legislaturperiode vom 16.12.2013.
    (9) Vgl. Empfehlungen der Ausschüsse vom 27.02.2017, http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0101-0200/126-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
    (10) TOP 41 der 954. Sitzung am 10.03.2017.
    (11) Vgl. MdB Dr. Stephan Harbarth, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21941 C.
    (12) Vgl. Ziff. VI.2. der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11161, S. 11.
    (13) Vgl. BMJV Heiko Maas, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21938 B.
    (14) Laut ›Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte 2011‹ aus Bayern sind 40 % der ›Gewalt‹ Beleidigungen, nur 30 % betreffen überhaupt Körperverletzungen, die Mehrheit der Fälle fällt im Privatbereich an, Demonstrationen: 8 %, Fußball: 3 %. Laut ›Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte 2012‹ aus NRW gab es 15 schwerverletzte Beamte (bei 4,1 Mio. Polizeieinsätzen); Gewalt gegen Polizeibeamte kommt in einem von tausend Einsätzen vor.
    (15) Vgl. Singelnstein/Puschke, NJW 2011, 3473.
    (16) In der Polizeiwissenschaft wird für dieses bekannte Phänomen der Begriff ›Widerstandsbeamter‹ verwendet.]]>
    Innere Sicherheit (doublet) Polizeirecht (doublet)
    news-500 Tue, 24 Jan 2017 11:38:00 +0100 Tag der verfolgten Anwält*innen, 24.1.17 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-verfolgten-anwaelt-innen-24-1-17-500 Pressemitteilung, 24.1.17 Solidarität mit den Anwält*innen in China

    Seit 2010 werden jedes Jahr am oder um den 24. Januar Proteste vor Botschaften in Solidarität mit Anwältinnen und Anwälten organisiert, die bedroht, angegriffen oder sogar getötet werden, weil sie in Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung Menschenrechte verteidigen.
    Heute werden europaweit und in außereuropäischen Ländern Anwält*innen vor den Botschaften Chinas protestieren. Den Botschafter*innen wird eine Petition zugunsten der chinesischen Anwält*innen überreicht.

    In Berlin ruft der RAV, die Vereinigung Berliner Strafverteidiger, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und die Berliner Rechtsanwaltskammer auf, sich zu versammeln:

    Dienstag, den 24. Januar 2017, 15:00 Uhr
    Botschaft der Volksrepublik China, Brückenstraße 10, 10179 Berlin
    Anwält*innen sind zur Teilnahme in Robe aufgerufen.

    In China werden seit Jahren die Rechte von Beschuldigten und deren Zugang zu anwaltlicher Vertretung immer weiter eingeschränkt. Die Anwält*innen selbst werden durch administrative, legale und nicht-legale Maßnahmen in ihrer freien Berufsausübung behindert. Kolleg*innen, die sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen oder in als politisch sensibel eingestuften Verfahren verteidigen, laufen Gefahr, im Rahmen der jährlich durchgeführten Überprüfungen ihre Zulassung zu verlieren.

    Die Kriminalisierung von Rechtsanwält*innen allein aufgrund der Wahrnehmung der ihnen in ihrem Beruf zukommenden Aufgaben widerspricht jedoch international anerkannten menschenrechtlichen Standards, so etwa auch der Erklärung über das Recht und die Verantwortlichkeit von Individuen, Gruppen und der Zivilgesellschaft zur Förderung und zum Schutz allgemein anerkannter Menschenrechte und Grundfreiheiten. 

    Am 09. Juli 2015 (sogn. "709 Crackdown") begann eine drastische Repressionswelle gegen Menschenrechtsanwält*innen und-aktivist*innen, in deren Verlauf mittlerweile mehr als 300 Menschen verhaftet wurden. Selbst gewählte anwaltliche Verteidigung wurde ihnen verwehrt, einige wurden bereits verurteilt, einige warten seit über einem Jahr in Untersuchungshaft auf die Anklageerhebung. Der Kollege Jiang Tianyong ist seit dem 21.11.2016 verschwunden. Amnesty International beobachtet diesen Fall ebenfalls. 

    Detaillierte Informationen über die allgemeine Situation von Anwält*innen und konkrete Schicksale von Kolleg*innen findet sich in einer Petition, die dem Botschafter übergeben werden soll.

    Ansprechpartner:
    * Hans Gaasbeek, Rechtsanwalt in Haarlem und Direktor der niederländischen Stiftung DAY OF THE ENDANGERED LAWYER
    FON 0031.23.531.8657, MOBIL 0031.65.205.5043, hgaasbeek@gaasbeekengaasbeek.nl

    Der TAG DER BEDROHTEN ANWÄLTIN / TAG DES BEDROHTEN ANWALTS ist eine Initiative von Europäische Demokratische Anwält*innen (EDL), www.aeud.org  | Stiftung DAY OF THE ENDANGERED LAWYER (Niederlande)

    PM als Download

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    Tag des bedrohten Anwalts Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-499 Wed, 18 Jan 2017 10:22:00 +0100 Mietpreise:<br />Modernisierungskosten sind Preistreiber Nr. 1 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreise-br-modernisierungskosten-sind-preistreiber-nr-1-499 Pressemitteilung, 18.01.2017 Informationspapier zu dem Preistreiber Nr. 1 im Mietrecht vorgelegt: Den Modernisierungkosten (http://bit.ly/2jvDKA3) Anhand konkreter Fallbeispiele aus Berlin weisen die Mietrechtsanwältinnen und -anwälte Mietpreissteigerungen von 52 bis zu 224 Prozent aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen nach. Der Grund hierfür ist die aktuelle Rechtlage, nach der Mieterinnen und Mieter mit 11 Prozent der vorfinanzierten Modernisierungskosten der Vermieterinnen und Vermieter belastet werden können. Härteeinwände finden nur in Ausnahmefällen Beachtung. Die sichtbare Folge: Alteingesessene Mieterinnen und Mieter werden in vielen Teilen Berlins aus den Innenstadtlagen verdrängt, weil die Mieten ins Unbezahlbare steigen. Der RAV: »Die derzeitige Rechtslage führt dazu, dass die Kosten der Energiewende auf den Rücken der Mieterinnen und Mieter ausgetragen werden. Die Energiewende ist aber eine gesamtstaatliche Aufgabe.« Daher fordert der RAV: »Die Regelung zur Modernisierungsumlage (§ 559 BGB) ist ersatzlos zu streichen. Investitionen von Vermieterinnen und Vermietern werden über die bestehenden Instrumente des Vergleichsmietensystems bereits jetzt ausreichend refinanziert. Die Politik auf Bundes- und Landesebene ist in der Verantwortung, der Verdrängung der Bevölkerung aus ihren Wohnungen und Bezirken einen Riegel vorzuschieben. Die Abschaffung von § 559 BGB ist hierfür ein wichtiger und längst überfälliger Schritt«. PM als Download]]> Mietrecht (doublet) news-497 Thu, 12 Jan 2017 11:05:00 +0100 Preistreiber Modernisierung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/preistreiber-modernisierung-497 Broschüre über die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen für Mieterinnen und Mieter Mietrechtsbroschüre durch den Arbeitskreis Mietrecht im RAV im November 2016. Aus dem Inhalt: I. Zur Geschichte der Modernierungsumlage im Wohnungsietrecht

    II. Die aktuelle Rechtslage III. KritikDownload der Broschüre als PDF >>>  ]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-496 Tue, 06 Dec 2016 12:00:00 +0100 Anwaltlicher Notdienst für den OSZE /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-fuer-den-osze-496 Pressemitteilung, 5.12.2016 presse@anwaltlicher-notdienst-rav.org zur Verfügung.
    www.anwaltlicher-notdienst-rav.org Pressemitteilung als PDF]]>
    OSZE / G20-Gipfel 2017
    news-495 Tue, 22 Nov 2016 09:44:00 +0100 Was passiert in den Berliner Knästen? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/was-passiert-in-den-berliner-knaesten-495 15.12.2016: Podiumsgespräch zur Situation in den Berliner Strafvollzugsanstalten Podium:
    - Von den aktuellen Skandalen in der JVA-Tegel berichtet Oliver Rast (Gefangenengewerkschaft)
    - Dieter Wurm (Ex-Expilator) spricht über die Situation der Sicherungsverwahrten und den Alltag in der JVA-Tegel
    - Rechtsanwalt Dr. Olaf Heischel ist Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirats.
    Moderation: Fabian Kunow (Helle Panke e. V.) Termin:
    Donnerstag, 15. Dezember 2016, 19:00 bis 21:00 Uhr in Berlin Veranstaltungsort:
    Rosa-Luxemburgstiftung
    Seminarraum 1
    Franz-Mehring-Platz 1
    10243 Berlin Eintritt:
    2,00 Euro; ermäßigt 1,00 Euro Eine Kooperationsveranstaltung von Helle Panke e. V., dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) und der RLS. ]]>
    news-493 Sun, 13 Nov 2016 19:18:00 +0100 Keine Filmvorführung in November/Dezember /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-filmvorfuehrung-in-november-dezember-493 Filmreihe von RAV & NSU-Watch
    Zur Rückschau auf die Reihe in 2016
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    news-494 Sun, 13 Nov 2016 10:30:00 +0100 Türkische Regierung verbietet Anwaltsvereinigungen und lässt Rechtsanwält*innen festnehmen<br />Die Erdoğan-Türkei ist kein Rechtsstaat – es gibt keine Demokratie /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkische-regierung-verbietet-anwaltsvereinigungen-und-laesst-rechtsanwaelt-innen-festnehmen-br-die-erdogan-tuerkei-ist-kein-rechtsstaat-es-gibt-keine-demokratie-494 Gemeinsame Pressemitteilung verschiedener Anwaltsvereinigungen, 13.11.2016; Türkçe olarak aşağida Türkçe olarak aşağida  ||  Auf türkisch unten  || Turkish see below Am 11. November 2016 hat das türkische Innenministerium im Zuge des Ausnahmezustandes 370 Organisationen und Vereinigungen in der Türkei verboten. Es hat u.a. ein 3-monatiges Betätigungsverbot gegen die fortschrittliche Anwaltsvereinigung ÇHD (Çağdaş Hukukçular Derneği), die Anwaltsvereinigung für die Freiheit ÖHD (Özgürlükçü Hukukçular Derneği) und die mesopotamische Anwaltsvereinigung MHD (Mezopotamya Hukukçular Derneği) verhängt und deren Geschäftsräume versiegeln lassen. Zudem wurden mehrere Rechtsanwält*innen unter massiver Gewaltanwendung festgenommen. Die Regierung beruft sich dabei auf Art. 11 des Ausnahmegesetzes und wirft den Organisationen vor, die nationale Sicherheit zu gefährden. Das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich handelt es sich bei ÇHD, ÖHD und MHD um anwaltliche Vereinigungen, die sich seit Jahrzehnten für die Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten in der Türkei einsetzen. ÇHD und ÖHD sind Mitglieder der ‚Europäischen Vereinigung von Jurist*innen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt' (EJDM/ELDH1). Die ÇHD ist zudem, wie der RAV, Mitglied des Dachverbandes der europäischen demokratischen Anwält*innen (EDA/AED2). Im Jahre 2014 wurde der ÇHD darüber hinaus von der Freiburger Kant-Stiftung der Kant-Weltbürger-Preis3 und von der VDJ der Hans-Litten-Preis4 für ihr Engagement für Menschenrechte und Demokratie verliehen. Sie setzen sich für die Rechte von Minderheiten, die Bekämpfung von Folter und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ein, nicht zuletzt durch erfolgreiche Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die türkische Regierung verletzt mit diesen rechtswidrigen Angriffen auf ÇHD, ÖHD und MHD in schamloser Weise das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit und die Grundprinzipien der freien Advokatur, wie sie von den Vereinten Nationen im Jahr 1990 als "Basic Principles on the Role of Lawyers" verabschiedet worden sind. Wenn Rechtsanwält*innen aus Angst vor Verfolgung nicht für die Interessen ihrer Mandant*innen eintreten können, kann von der Existenz eines Rechtsstaats keine Rede sein. Erdoğan  betreibt die endgültige Zerschlagung der oppositionellen Zivilgesellschaft in der Türkei. Wir verurteilen diese rechtswidrigen Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen auf das Schärfste und fordern die unverzügliche Freilassung aller inhaftierten Rechtsanwält*innen und die unverzügliche Beendigung des Ausnahmezustandes und der damit einhergehenden Repressionen. Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 hat die türkische Regierung systematisch Rechtsstaat und Demokratie abgeschafft. Mit der Entlassung tausender Richter*innen und Staatsanwält*innn, Staatsbediensteten, Lehrer*innen und Akademiker*innen, der Schließung freier Medien und der Verhaftung tausender Menschen – darunter auch Parlamentsabgeordnete - unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung macht die Erdoğan-Regierung eines klar: Es geht nicht um die Sicherung, sondern um die Abschaffung der Demokratie. Rechtstaatliche Verfahren sind nicht mehr möglich. Beschuldigte werden zum Objekt der Verfahren. Dies sei nur beispielhaft anhand einiger Veränderungen dargestellt, die durch die Dekrete der Regierung nach Verhängung des Ausnahmezustands in Bezug auf die Rechte der Verteidigung Gesetzeskraft erhielten:Dort, wo die Bevölkerung durch Massensuspendierungen, Strafverfolgung, Inhaftierung, Folter und Entrechtung eingeschüchtert und mundtot gemacht wird, ist jeder Demokratie die Grundlage entzogen. Dort, wo Rechtsanwält*innen ihre Arbeit nicht ausüben dürfen, ist der Rechtsstaat Vergangenheit. Die Bundesregierung kann vor dieser Entwicklung die Augen nicht verschließen. Unsere Solidarität gilt allen, die in der Türkei für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit eintreten. Kontakt:
    Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Tel. +49-(0)30-54716772 Pressemitteilung von1 http://www.eldh.eu/de/start/
    2 http://www.aeud.org/
    3 http://www.kantstiftung.de/index.php?page=pressemitteilung-2014
    4 www.vdj.de/aktivitaeten/hans-litten-preis/nachricht/den-hans-litten-preis-der-vdj-2014-erhaelt-rechtsanwalt-selcuk-koza-286acli-praesident-des-chd/
    5 So die Mitteilung der Istanbuler Rechtsanwaltskammer vom 02.08.2016: http://www.istanbulbarosu.org.tr/Detail_EN.asp?CatID=57&SubCatID=1&ID=11671 für die Dekrete bis zum 2.8.2016 Türkische Regierung verbietet Anwaltsvereinigungen und lässt Rechtsanwält*innen festnehmen. Die Erdoğan-Türkei ist kein Rechtsstaat – es gibt keine Demokratie (PDF) ------------------------------------- Basın Bildirisi, 13.11.2016 Türk Hükümeti hukukçu derneklerini yasaklıyor ve hukukçuları tutuklatıyor
    Erdoğan Türkiye'si bir hukuk devleti değildir – burada demokrasi yok
    Türk İçişleri Bakanlığı 11 Kasım 2016 tarihinde olağanüstü hal kapsamında Türkiye'deki 370 örgüt ve derneği yasakladı. Çağdaş Hukukçular Derneği (ÇHD), Özgürlükçü Hukukçular Derneği (ÖHD) ve Mezopotamya Hukukçular Derneği'ne (MHD) de üç aylık faaliyet yasağı koydu ve bürolarını mühürletti. Bunun yanı sıra çok sayıda avukat ağır şiddet kullanılarak tutuklandı. Hükümet bunu olağanüstü hal kanununun 11. maddesiyle gerekçelendiriyor ve bu dernekleri ulusal güvenliği tehdit etmekle suçluyor. Oysaki bunun tam tersi söz konusu: ÇHD, ÖHD ve MHD on yıllardan bu yana Türkiye'de insan ve vatandaş haklarının uygulanması için çaba gösteriyor. ÇHD ve ÖHD „Dünyada Demokrasi ve İnsan Hakları için Avrupa Hukukçular Birliği“nin (EJDM/ELDH(1)) üyeleri. ÇHD bunun yanında RAV (Cumhuriyetçi Avukatlar Derneği) gibi Avrupalı Demokrat Hukukçular Federasyonu'nun (EDA/AED[2]) üyesi. ÇHD ayrıca insan hakları ve demokrasi alanlarındaki çalışmaları nedeniyle 2014 yılında Freiburg Kant Vakfı'ndan „Kant Dünya Vatandaşlığı Ödülü“nü ve VDJ'den (Demokrat Hukukçular Derneği) „Hans Litten Ödülü“nü aldı. Bu dernekler azınlık hakları için uğraş veriyor, Türkiye'de işkence ve insan hakları ihlalleriyle savaşıyorlar.  Avrupa İnsan Hakları Mahkemesi'ne yaptıkları ve başarı kazanan başvurular bu faaliyetlerinde önemli bir rol oynuyor. Türk Hükümeti ÇHD, ÖHD ve MHD'ye yönelik bu hukuka aykırı saldırılarıyla utanmaz bir şekilde dernek özgürlüğüne yönelik temel hakları ve Birleşmiş Milletler'in 1990 yılında kabul ettiği „Avukatların Rolüne Dair Temel Prensipler“de yer aldığı şekliyle özgür avukatlığın temel prensiplerini çiğniyor. Avukatların takibat korkusuyla müvekkillerinin çıkarlarını savunamadıkları durumda bir hukuk devletinin varlığından söz edilemez. Erdoğan Türkiye'deki muhalif sivil toplumu mutlak bir şekilde yok etmeye çalışıyor. Meslektaşlarımıza yönelik bu hukuka aykırı saldırıları en ağır şekilde kınıyor ve tutuklu tüm avukatların derhal serbest bırakılmalarını, olağanüstü halin ve onun kapsamındaki baskı ve engellemelerin derhal sonlandırılmalarını talep ediyoruz. 15 Temmuz 2016'da gerçekleşen darbe girişiminin ardından olağanüstü hal kararının alınmasıyla Türk hükümeti hukuk devleti ve demokrasiyi sistematik bir şekilde ortadan kaldırdı. Binlerce hakim ve savcının, devlet görevlisinin, öğretmen ve akademisyenin görevlerinden alınması, özgür basın organlarının kapatılması ve aralarında meclis üyelerinin de bulunduğu binlerce kişinin tutuklanmasıyla Erdoğan yönetimi terörle savaş kisvesi altında şunu açıkça ortaya koyuyor: Söz konusu olan demokrasinin güvence altına alınması değil ortadan kaldırılması. Hukuki süreçlerin yerine getirilmesi artık mümkün değil. Şüpheliler davanın objesi haline getiriliyorlar. Bu durum, yönetimin olağanüstü hal kararı alınmasının ardından savunma avukatlarının haklarıyla ilgili olarak yayınladığı kararnamelerle kanun geçerliliği kazanan kimi değişikliklerle örneklenebilir:Halkın; toplu açığa alınmalar, soruşturma ve kovuşturmalar, tutuklamalar, işkenceler ve hakların elinden alınması aracılığıyla korkutulup susturulduğu bir yerde demokrasi tüm dayanaklarından yoksun bırakılmıştır. Avukatların görevlerini yerine getirmelerine izin verilmiyorsa hukuk devleti artık geçmişte kalmıştır. Alman Hükümeti bu gelişmeyi görmezden gelemez. Türkiye'de demokrasi, insan hakları ve özgürlük için mücadele veren herkesle dayanışma içindeyiz. Basın bildirisini imzalayanlar:İletişim: Avukat Franziska Nedelmann, Tel. +49-(0)30-54716772 [1]   www.eldh.eu/de/start/
    [2]   www.aeud.org
    [3]   İstanbul Barosu’nun kararnamelerle ilgili 2 Ağustos 2016 tarihli bildirisi: http://www.istanbulbarosu.org.tr/Detail_EN.asp?CatID=57&SubCatID=1&ID=11671  2 Ağustos 2016 tarihine kadar çıkarılmış olan kanun hükmünde kararnameler hakkında Basın Bildirisi (PDF)]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Freie Advokatur (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-492 Tue, 01 Nov 2016 08:39:00 +0100 Norddeutschland, der NSU und rechter Terror:<br />Eine Veranstaltung zum NSU-Komplex, Rassismus und Justiz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/norddeutschland-der-nsu-und-rechter-terror-br-eine-veranstaltung-zum-nsu-komplex-rassismus-und-justiz-492 Einladung zum Hearing am 4.11.2016 Prof. Dr. Rafael Behr (FH der Akademie der Polizei Hamburg)
    Hans-Ernst Böttcher (Präsident i.R. des Landgerichts Lübeck)
    Kemal Dogan (Ramazan Avci Initiative)
    Ayșe Güleç (Initiative 6. April / Tribunal „NSU-Komplex auflösen)
    Gabriele Heinecke (Rechtsanwältin, Hamburg)
    Alexander Hoffmann (Rechtsanwalt, Nebenklagevertreter für Betroffene des NSU-Anschlags in der Keupstraße)
    Caro Keller (NSU Watch)
    Alexander Kienzle (Rechtsanwalt, Nebenklagevertreter der Familie von Halit Yozgat)
    Kirsten Kirstein (Rechtsanwältin, Nebenklagevertreterin der Familie von Süleyman Tașköprü
    Dirk Laabs (Journalist, Autor „Heimatschutz)
    Dr. Vassilis Tsianos (Fachhochschule Kiel) Termin & Ort
    4. November 2016, 14:00 bis 21:00 h
    Gewerkschaftshaus | Besenbinderhof 57a | 20097 Hamburg Das Hearing „Norddeutschland, der NSU und rechter Terror“ rückt am 5. Jahrestag der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eine Region in den Mittelpunkt, die bei allen bisherigen Aufklärungsbemühungen im NSU-Komplex das Schlusslicht bildet. Überlebende, Nebenklagevertreter_innen der Betroffenen, Wissenschaftler_innen und unabhängige Projekte, die Betroffene rechter und rassistischer Gewalt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein unterstützen, diskutieren über Aufklärungsblockaden im NSU-Komplex, die Praxis der Strafverfolgungsbehörden, die Forderungen der Betroffenen und die Konsequenzen des rasanten Anstiegs rassistischer und rechter Gewalt im Alltag. Der Brandanschlag von Mölln, die ungesühnten Morde an zehn Bewohner_innen des Flüchtlingsheims in der Lübecker Hafenstraße 1996 und die Frage nach Unterstützer_innen des NSU-Kerntrios in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern stehen ebenso im Mittelpunkt des Hearings wie die gesellschaftlichen Diskurse, die vor Ort zu einer Entsolidarisierung mit den Betroffenen alltäglicher rechter Gewalt beitragen. „Man kann über den NSU-Komplex, und rechten Terror nicht reden, ohne die in Norddeutschland fest verankerten neonazistischen Netzwerke und institutionellen Rassismus und dessen Auswirkungen zu untersuchen“, sagt Dr. Christian Staffa , Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus“, die das Hearing unterstützt. Veranstalter:
    Evangelische Akademie zu Berlin Unterstützt durch:
    Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus
    Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg
    empower – Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
    LOBBI – Beratung für Betroffene rechter Gewalt Mecklenburg-Vorpommern
    zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e.V. Schleswig-Holstein
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
    NSU Watch Das ausführliche Programm des Hearings findet sich hier:
    www.eaberlin.de/seminars/data/2016/kul/vorsicht-ende-des-demokratischen-sektors Kontakt:
    Für den Veranstalter steht Dr. Christian Staffa für Fragen zur Verfügung
    030.203 55 – 411  |  staffa@eaberlin.de Für den RAV steht Rechtsanwalt Alexander Hoffmann für Fragen zur Verfügung
    0171.3284816  |  info@anwalthoffmann.de PE_Einladung zum Hearing (PDF)]]>
    news-487 Sun, 30 Oct 2016 10:47:00 +0100 4. Berliner Gefangentage<br />"Der Preis der Freiheit" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/4-berliner-gefangentage-br-der-preis-der-freiheit-487 Tagung 4./5. November 2016 Welchen Preis zahlt die Gesellschaft für einen – letztlich ungerechten und wirkungslosen – Strafvollzug?  Welchen Preis zahlen die Menschen, die sich als Verurteilte und als Mitarbeiter*innen in diesem Strafvollzug befinden? Zu Sinn, Bedeutung und Wirksamkeit von Behandlungsmaßnahmen im Vollzug und von Strafvollzug überhaupt diskutieren wir mit führenden führenden Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen.
    Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion sind unter anderem der Vorsitzende Richter am BGH Prof. Dr. Thomas Fischer, RA'in Ria Halbritter (Vorstand Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.) und Dr. Thomas Galli (Autor des Buchs »Die Schwere der Schuld«, in dem er den Strafvollzug als wirksames Mittel zur Resozialisierung in Zweifel zieht. Eine seiner Thesen lautet: Gefängnis ist ein Symbol dafür, dass Schuld auf gesellschaftlicher Ebene juristisch und moralisch ungerecht verteilt ist).

    Darüber hinaus diskuieren wir mit Praktiker*innen aus dem Vollzug, Vollstreckungsrichter*innen und Mitarbeiter*innen von Freien Trägern.
    Kann eine Aussage dazu getroffen werden, ob – wenn überhaupt – Maßnahmen von externen Anbietern besser wirken als vollzugsinterne? Welchen Einfluss hat die Gewährung oder Versagung von Vollzugslockerungen auf die Praxis der vorzeitigen Entlassung? Welche Rolle wird externen Beteiligten, z.B. Rechtsanwält*innen, vom Vollzug beigemessen? Sind sie ein Störfaktor oder an der Behandlung beteiligt? Referent*innen
    Marcus Behrens, Psychologe, Leiter AG Haft Man-O-Meter e.V.
    Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn, FU Berlin
    Prof. Dr. Frieder Dünkel
    Boglarka Fedorko, Projektmanagerin Transgender Europe - TGEU
    VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer
    Caroline Franklin, SenJustV Berlin
    Dr. Thomas Galli, Leiter der JVA Zeithain und Buchautor
    RA´in Lisa Grüter, Dortmund
    RA´in Ria Halbritter, Vorstand Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
    Dr. Olaf Heischel, RA und Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirates
    RA Klaus Lederer, Landesparteivorsitzender DIE LINKE Berlin
    RA Dr. Jan Oelbermann
    Detlef Stark, Teilanstaltsleiter JVA Tegel
    VRiLG Sören Volkens, Berlin
    und die Ehefrau eines Inhaftierten Moderator*innen:
    RA Lawrence Desnizza, Berlin
    RA´in Dr. Annette Linkhorst, Berlin
    RA´in Diana Blum, Berlin
    RA´in Ursula Groos, Berlin
    RA Olaf Söker, Berlin Das genaue Programm findet sich hier im Flyer Veranstalter
    Eine Veranstaltung des Arbeitskreises Strafvollzug der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und des RAV e.V. in Kooperation mit dem akj-berlin (arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der HU zu Berlin) Anmeldung und Kontakt
    Anmeldebogen
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
    Greifswalder Str. 4 | 10405 Berlin
    Telefon: 030.41723555 | Fax: -57
    kontakt@rav.de
    Teilnahmegebühr
    Für beide Tage:
    60 € : Mitglieder (RAV oder Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.)
    90 € : Nichtmitglieder
    Studierende und Referendar*innen können kostenfrei teilnehmen Überweisung bitte nach Rechnungsstellung auf das Konto der RAV
    Postbank Hannover
    IBAN: DE17 2501 0030 0009 0043 01
    BIC: PBNKDEFF

    Bei einer vollständigen Teilnahme an der Tagung wird eine Bescheinigung über 6 Stunden nach § 15 FAO ausgestellt. Dafür werden Teilnehmerlisten ausgelegt/herumgereicht, die an beiden Tagen eigenverantwortlich unterschrieben werden müssen.
    Der Tagungsbeitrag beinhaltet die Teilnahme an allen Veranstaltungen und die Tagungsgetränke.

    Tagungsorte
    Humboldt-Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Unter den Linden 6
    Juristische Fakultät, Bebelplatz 2
    Die Juristische Fakultät befindet sich im Gebäudekomplex Kommode / Altes Palais / Gouverneurshaus (Bebelplatz 2, Unter den Linden 9 und 11) am Bebelplatz gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte.
    S- und u- Bahnhof Friedrichstraße oder Bushaltestelle Staatsoper (Linien 100, 200, TXL)]]>
    news-491 Sun, 30 Oct 2016 08:33:00 +0100 Stellungnahme zum Referentenentwurf zur<br />2. Mietrechtsnovelle /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-referentenentwurf-zur-br-2-mietrechtsnovelle-491 Endlich Mieterrechte wieder stärken! I. Reform der §§ 558ff. BGB, Grundmietenerhöhung, insbesondere Vergleichsmiete Im deutschen Mietrecht spielt bei der Ermittlung der Miethöhe die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete eine große Rolle. Sie begrenzt das Recht das Recht des Vermietenden, die Miete im Bestandsmietverhältnis zu erhöhen. Seit Einführung der „Mietenbremse“ darf die Neuabschlussmiete in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, bei Neuvermietung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht um mehr als 10 % überschreiten. Die ortsübliche Vergleichsmiete hat damit eine zentrale Bedeutung im deutschen Miethöherecht. Mit dem vorliegenden Entwurf soll das geltende Recht an zwei Stellen geändert werden. Es soll die Grundlage für die Ermittlung der Vergleichsmiete selbst vergrößert und die tatsächliche Fläche bei der Berechnung der Vergleichsmiete zu Grunde gelegt werden. Darüber hinaus sind Änderungen bei den Regeln zum Mietspiegel geplant. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nach ihrem Grundverständnis diejenige Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es handelt sich also vor allem um Bestandsmieten und gerade nicht um gerade am Markt erzielbare Neuvermietungsmieten. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind sog. Änderungskündigungen ausgeschlossen: Die Mietverträge dürfen nicht (mehr) mit der Absicht gekündigt werden, einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wurde den Vermietenden das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappung von 15 bzw. 20 % bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete anzuheben. Diese Miete kann selbstverständlich nicht die aktuelle Marktmiete sein. Denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen könnte. Dann wäre dieses Kündigungsverbot jedoch schlicht unnötig. 1. Die Ortsübliche Vergleichsmiete und die Wohnfläche Von daher schließt die ortsübliche Vergleichsmiete nicht nur die bei Neuvermietung erzielbaren Mieten sondern auch die Mieten ein, die im Bestand für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermietende soll das bekommen, was die anderen – im Schnitt – auch an Miete erhalten. Darin enthalten sein müssen alle Mieten, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten. Diese eigentlich sinnvolle Idee ist jedoch derzeit zu Lasten der Mietenden geregelt. Denn bei der Ermittlung der Vergleichsmiete spielen nur die Mieten eine Rolle, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Schon lange nicht mehr veränderte Mieten finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Diese systemwidrige Beschränkung wird seit Jahren kritisiert. Die Kritik wurde nun zumindest zum Teil erhört. In dem Novellierungsvorschlag wird die in § 558 Absatz 2 genannten vier Jahre nun auf acht Jahre verdoppelt. Im Koalitionsvertrag war noch von 10 Jahren die Rede. Dies ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Konsequent und richtiger wäre jedoch die Einbeziehung aller Mieten in die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Weiterhin soll nach dem vorliegenden Novellierungsentwurf künftig bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete die tatsächliche Fläche der Wohnung zu Grunde gelegt werden. Damit wird eine jüngere Änderung der Rechtsprechung des BGH sinnvollerweise nachvollzogen. 2. Der qualifizierte Mietspiegel Geplant sind darüber hinaus gravierende Änderungen bezüglich des qualifizierten Mietspiegels. Die ortsübliche Vergleichsmiete – Orientierung für Mieterhöhung und Mietenbremse – wird in der Praxis entweder durch Sachverständigengutachten oder durch einen Mietspiegel ermittelt. Zwar kann ein Mieterhöhungsverlangen auch mit Vergleichswohnungen oder einer Auskunft aus einer Mietdatenbank begründet werden. Für den Beweis der ortsüblichen Vergleichsmiete in der gerichtlichen Auseinandersetzung ist jedoch entweder ein Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten heranzuziehen. Man unterscheidet weiter zwischen einem sog. einfachen und einem qualifizierten Mietspiegel. Ein qualifizierter Mietspiegel liegt nach aktueller Gesetzeslage gem. § 558d BGB dann vor, wenn er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von den Gemeinden oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt wurde. Der qualifizierte Mietspiegel hat große praktische Bedeutung, denn es wird gesetzlich vermutet, dass die in ihm ausgewiesenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Diese Vermutungswirkung kann zwar angegriffen werden. Eine solche Ansicht muss dann jedoch im gerichtlichen Verfahren im Einzelnen dargelegt und bewiesen werden. Dies ist in der Praxis extrem schwierig. Gerade die Mietspiegel (einfache oder qualifizierte) haben sich in der Vergangenheit als streitbefriedend erwiesen. Über 97 % der mit einem Mietspiegel begründeten Erhöhungsverlangen werden außergerichtlich erledigt – eine ansehnliche Quote (u.a. Emmert in Handbuch des Mietrechts, § 12 Rz. 97). Allerdings setzt dies eben nach derzeitiger Rechtslage voraus, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist. Gerade dies hat sich in der jüngeren Vergangenheit im Hinblick auf steigende Mieten allerdings als Streitpunkt erwiesen. So wurde dem Berliner Mietspiegel 2009 abgesprochen, nach solchen Grundsätzen erstellt worden zu sein (LG Berlin NJW 2015, 3252). Dies hat die fatale Folge, dass die mit viel Aufwand und hohen Kosten für die Gemeinden aufgestellten Mietspiegel ihre Vermutungswirkung verlieren. Die ortsübliche Vergleichsmiete muss dann im gerichtlichen Verfahren mittels eines Sachverständigengutachtens ermittelt werden. Dessen Kosten hat dann die unterlegen Mietvertragspartei zu tragen. Das damit verbundene finanzielle Risiko ist kaum kalkulierbar und kann insbesondere von nicht versicherten Mieter*innen nicht getragen werden. Zudem stützen sich solche Sachverständigengutachten oft auf nur wenige vergleichbare Wohnungen, also eine deutlich geringere Datengrundlage als jeder Mietspiegel. Alles in allem eine höchst unbefriedigende Situation. Hiervon ausgehend versucht der Gesetzgeber, die qualifizierten Mietspiegel zu stärken. Ob das mit dem jetzt vorliegenden Entwurf erreicht werden kann, muss jedoch bezweifelt werden. a. Der qualifizierte Mietspiegel verliert die Vermutungswirkung. Der qualifizierte Mietspiegel soll zukünftig die Wirkung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens haben, auf dessen Grundlage das Gericht die ortsübliche Vergleichsmiete unter entsprechender Anwendung des § 287 ZPO ermittelt. Er wird dann von einer Partei in den Prozess eingeführt. Die andere Partei kann dagegen Einwände erheben, die dann ggf. zur Befragung der an der Erstellung des Mietspiegels beteiligten Personen führt. Wenn der Mietspiegel vom Gericht als nicht genügend erachtet wird, kann sogar gem. § 412 Absatz 1 ZPO ein neues Gutachten eingeholt werden. Hier ist die Gefahr, dass der streitvermeidende Mietspiegel, geschaffen für Massenverfahren, regelmäßig selbst zum Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung wird und damit diese Verfahren weiter in die Länge gezogen werden. Es darf bezweifelt werden, dass ein Sachverständigengutachten als Gegengutachten dem qualifizierten Mietspiegel überlegen sein kann. So steht dem nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel ein breites und repräsentatives Datenmaterial zur Verfügung, wie es für eine private Begutachtung mit finanziell vertretbarem Aufwand niemals zur Verfügung stehen wird. Die Degradierung des qualifizierten Mietspiegels hat aber genau diese Wirkung. Neben der oft schon jetzt streitigen Anwendung des Mietspiegels kommt dann in den mietrechtlichen Auseinandersetzungen noch der Streit über dessen Grundlage hinzu. Dies kann kaum gemeint sein. Hinzu kommt, dass damit in der weiteren Folge die einfachen Mietspiegel an Verbindlichkeit verlieren. Diese sind von Mieter*innen und Vermieter*innen aufgestellte oder anerkannte Übersichten über die ortsübliche Vergleichsmiete. War deren rechtlicher Status bisher schon unsicher, wird nun in der Abgrenzung zum qualifizierten Mietspiegel schnell klar, dass sie in jedem Falle einem Sachverständigengutachten unterlegen sein müssen, denn als ein solches wäre nach dem vorliegenden Entwurf allenfalls der qualifizierte Mietspiegel anzusehen. Das eigentlich streitschlichtende Instrument Mietspiegel wäre im Ergebnis nicht mehr allzu viel wert. Besser wäre es hier, bei der bisherigen Vermutungsregelung des jetzigen 558d BGB zu bleiben. b. Kriterien für den qualifizierten Mietspiegel Da sich in der jüngeren Vergangenheit gerade die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze bei der Erstellung der Mietspiegel Anlass für Streit gegeben haben, bemüht sich der Entwurf hier Präzisierung und Korrektur. Gefordert ist nun der Einsatz wissenschaftlicher Erkenntnisse, wissenschaftlicher Methoden und Informationstechniken unter Berücksichtigung der sozialen und örtlichen Gegebenheiten. Die genauere Definition ist zu begrüßen. Gleiches gilt für die sich anschließende Verordnungsermächtigung, von der aber auch Gebrauch gemacht werden sollte. Ob dies allerdings zwingend vom Bundesministerium erledigen muss, sollte zumindest überdacht werden. Sachnäher wären die Landesregierungen – zumal die Mietspiegel schon jetzt im bundesweiten Vergleich erhebliche Unterschiede aufweisen. Weiter ist vorgesehen, dass bei der Auswahl sachgerechter Methoden und Informationstechniken zur Erstellung der Mietspiegel die voraussichtlich entstehenden Kosten im Verhältnis zu ihren Nutzen berücksichtigt werden können. Dies ist sicherlich eine aus fiskalischer Sicht sinnvolle Regelung. Es muss aber bezweifelt werden, dass das Kostenargument einen qualitativ minderwertig erstellten Mietspiegel wird retten können. Letztlich tangiert auch die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Grundrechte, die niemals mit Hinweis auf zu Höhe staatliche Kosten eingeschränkt werden können. Auf diese Regelung sollte daher verzichtet werden. c. Anerkennung durch öffentliche Verwaltung und Interessenverbände Darüber hinaus soll nach Anerkennung des nach § 558d Absatz 1 BGB-E erstellten Mietspiegels durch die Interessenverbände von Mietenden und Vermietenden sowie durch die zuständige Behörde vermutet wird, dass dieser tatsächlich qualifiziert ist. Dieser Vorschlag stärkt die Beteiligung der Betroffenen und deren Interessenvertretungen und ist daher zu begrüßen. Erkennen nur die Behörde oder die Interessenvertretungen den Mietspiegel an, ist dieser zwar auch qualifiziert, wenn die Voraussetzungen des § 558d Absatz 1 BGB-E vorliegen, dies muss dann – wie derzeit – aber beweisen, wer sich darauf beruft. d. Änderungen bei der Fortschreibung von Mietspiegeln Auch nach dem neuen Recht ist eine Fortschreibung des Mietspiegels alle zwei Jahre möglich. Eine Neuerstellung ist nur alle vier Jahre vorgesehen. Bei der Fortschreibung soll eine Orientierung nicht mehr am Preisindex sondern am Nettokaltmietenindex erfolgen. Das erscheint sinnvoll. II. Modernisierungsrecht 1. Nachbesserungen zum Härteeinwand Das zum 1. Mai 2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz hatte umfangreiche Änderungen der Regelungen zur Modernisierung von Mietwohnungen eingeführt. Eine der entscheidenden Änderungen war dabei die Verlagerung des Einwands finanzieller Härte von der Duldungspflicht zur Mieterhöhung und die Einführung einer Frist zur Erhebung dieses Härteeinwands. Ziel dieser Änderungen war es, weitere Anreize für Modernisierungen durch den Vermieter zu schaffen. Außerdem sollte die finanzielle Härte nicht schon in der Auseinandersetzung um die Duldung geklärt werden, sondern erst im Verfahren um die daraus resultierende Mieterhöhung geklärt werden. Diese Gesetzesänderungen haben den Druck gerade auf finanziell schwache Mieter*innen enorm erhöht. Weil die Mieter*innen zuvor nur Maßnahmen dulden mussten, deren Kostenumlage nicht zu einer Verdrängung aufgrund finanzieller Härte führte, wussten sie, dass sich für sie ein Verbleiben in der modernisierten Wohnung lohnt. Sie konnten sich auf die neue Miete einstellen. Vermieter*innen waren in der Regel bereit, Kompromisse bei der Miethöhe nach Modernisierung einzugehen, um das geplante Maßnahmenpaket umzusetzen. Es darf bezweifelt werden, ob die Absicht, die Klagen wegen der Duldungspflicht der Mieter*innen zu reduzieren, erreicht wurde. Gerade wegen der Ungewissheit über die tatsächliche Höhe der Miete nach den Modernisierungen wehren sich Mieter*innen weiterhin gegen die Durchführung umfangreicher Maßnahmen, deren angekündigte Mieterhöhung ihre finanziellen Möglichkeiten überschreiten. Ihnen bleibt oft auch keine Wahl. Denn erkennt der Vermieter nach der Durchführung der Maßnahmen den Härteeinwand nicht an, müssen Mieter*innen die Mieterhöhung (zunächst) unter Vorbehalt zahlen, um nicht in Zahlungsrückstand zu geraten und eine fristlosen oder fristgerechte Kündigung zu erhalten. Ein Verfahren zur Feststellung des Ausschlusses einer Mieterhöhung aufgrund von finanzieller Härte dauert in Berlin in der Regel mehr als sechs Monate, oftmals aber ein bis zwei Jahre. Erst dann steht fest, ob eine erklärte Mieterhöhung aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen von den Mieter*innen zu zahlen oder wegen des Härteeinwandes ausgeschlossen ist. Bis dahin sind dann längst ein bis zwei Monatsmieten Zahlungsrückstand aufgelaufen. Die Kündigung droht. Ein eventuell nachzuzahlender Erhöhungsbetrag übersteigt angesichts dieser Verfahrensdauer oft die finanziellen Möglichkeiten der betroffenen Mieter*innen, die ja aus diesem Grund den finanziellen Härteeinwand erst erhoben haben. Die Ungewissheit darüber, ob ein Härteeinwand vorliegt, wurde in den vergangenen Jahren durch die Rechtsprechung noch weiter verstärkt. Die Frage, welche Wohnungsgröße nach einem Härteeinwand noch angemessen erscheint, oder nach welcher Formel eine finanziellen Härte zu ermitteln ist oder welches der richtige Zeitpunkt zur Ermittlung der finanziellen Härte ist, werden von den Instanzgerichten sehr unterschiedlich beantwortet. Diese Rechtsunsicherheit führt im Ergebnis wieder dazu, dass Mieter*innen auf ihre Rechte verzichten und das Mietverhältnis wegen einer bevorstehenden Modernisierung kündigen. Einige dieser Ungewissheiten will der vorliegende Gesetzesentwurf endlich beseitigen. Einige der Änderungen führen jedoch auch zu einer Verschlechterung der Rechtslage von Mieter*innen im Modernisierungsprozess. a. Verlängerung der Frist Zu den Erleichterungen für Mieter*innen zählt die Verlängerung der Frist zur Geltendmachung des Härteeinwandes um einen Monat. Gleichzeitig werden die Mieter*innen nicht mehr mit dem Einwand der sozialen Härte ausgeschlossen, wenn sie diesen – trotz unwirksamer Modernisierungsankündigung – nicht bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme geltend machen. § 555d Absatz 5 Satz 2 soll daher zu Recht gestrichen werden. Allerdings sollte im Hinblick auf die überragende Bedeutung der sozialen Härte konsequenterweise dann auch § 555d Absatz 4 Satz 2 BGB gestrichen werden. b. Konkretisierung des Härteeinwandes Der Gesetzentwurf sieht diverse Konkretisierung des Härteeinwandes vor. So sollen einige der oben geschilderten Unwägbarkeiten für Mieter*innen beseitigt werden. (1)
    So soll im Regelfall nach § 559 Absatz 4 Satz 2 BGB-E eine finanzielle Härte nun anzunehmen sein, wenn die zukünftige Gesamtmiete nach Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen 40 % des Haushaltsnettoeinkommens übersteigt. In der bisherigen gerichtlichen Praxis wurde dieser Wert flexibel gehandhabt. Dabei wurde zumeist auf die durchschnittliche Belastung der Haushalte in dem Gerichtsbezirk zurückgegriffen. In Einzelfällen konnte eine Abwägung zwischen der Bedeutung der Maßnahme für die Mieter*innen, Nachbar*innen und dem Gemeinwohl auch einen höheren Anteil der Miete rechtfertigen, z.B. bei Haushalten mit mehreren überdurchschnittlichen Einkommen, bei Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit oder energetischen Maßnahmen. Die nun eingeführte Grenze von 40 % des Haushaltsnettoeinkommens wurde jedoch in keinem veröffentlichten Urteil erreicht. U.E. bedarf es einer Absenkung dieser Grenze auf 30 % oder gegebenenfalls einer Staffelung für die unterschiedlichen Einkommens- und Haushaltsgrößen. Es macht einen Unterschied, ob die Miete von einer allein erziehenden Person mit zwei Kindern und einem Monatseinkommen von 2.000 Euro oder von einem kinderlosen Paar mit einem gemeinsamen Monatseinkommen von 6.000 Euro aufgebracht werden muss. Es ist zu befürchten, dass die Festschreibung des Regelfalls von 40 % zu keiner Akzeptanz eines darunterliegenden Anteils durch Gerichte und Vermieter*innen führen wird. Für Mieter*innen mit niedrigem Einkommen wird der Weg durch die Instanzen, um eine Mieterhöhung abzuwenden, finanziell und zeitlich abschreckend wirken, wenn die Aussicht auf einen Erfolg im Sinne eines geringeren Prozentsatzes wegen der Formulierung des Gesetzes eher gering ist. Für Bezieher*innen von Transferleistungen ist diese Formel sowieso nicht anwendbar. Es ist daher zu befürchten, dass sich die Zahl der Transferleistungsempfänger*innen bei einem so hohen Ansatz des Härtefalls vergrößern wird. (2)
    Der Gesetzentwurf sieht zugleich auch eine Erweiterung des zu berücksichtigenden Einkommens von „Mieter*innen“ auf „Mieter*innen und andere zum Haushalt gehörige Personen“ vor. Das dürfte dann nunmehr auch die zur Untermiete wohnende Lebensgefährtin sein, bei der bisher nur die Untermiete als Einnahme berücksichtigt wurde. Faktisch höhlt das den Härteeinwand aus. Nur wer Mieter*in ist, ist Vertragspartner*in und dauerhafter Nutzer*in der Wohnung, während die Haushaltsangehörigen jederzeit wechseln und ausziehen können. Eine Mieterin liefe etwa dann Gefahr, die Wohnung beim Auszug des Partners zu verlieren, wenn bei der Prüfung der finanziellen Härte nach Modernisierung auch dessen Einkommen berücksichtigt wird. (3)
    Bei der Festlegung der prozentualen Höhe der Miete nach Modernisierung im Vergleich zum Haushaltsnettoeinkommen handelt sich nur um eine Orientierung, einen sog. Regelfall. Ungelöst bleiben weitere Probleme, wie der Einfluss der Wohnungsgröße, die Höhe des Anteils der Miete am Einkommen bei Abschluss des Mietvertrages oder die Rolle von Vermögen – etwa wenn daraus der Lebensunterhalt bestritten wird u.a. (4)
    Der vorliegende Entwurf will auch den Zeitpunkt für die Einkommensberechnung regeln. Vorgesehen ist, dass dies der Termin sein soll, an dem die Gründe für die Härteeinwände spätestens vorgebracht werden müssen, soweit die Mieter*innen ausreichend darüber belehrt worden sind. Eine nachträgliche Einkommensverschlechterung wäre also unbeachtlich. Auch das stellt eine Verschlechterung zu der schon jetzt sehr ungünstigen Rechtslage dar. Bislang wird in der Rechtsprechung des Amts- und Landgerichte überwiegend vertreten, dass es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Mieterhöhung ankommen soll. Dafür spricht, dass der Härteeinwand auch nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden kann, wenn sich die Verhältnisse der Mieter*innen verändern, z.B. eine Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Frist eingetreten ist und daher ohne Verschulden nicht rechtzeitig geltend gemacht werden konnte. Nur für den Fall, dass die Mieterhöhung 10 % des angekündigten Betrages übersteigt oder die Maßnahmen nicht ordnungsgemäß gem. § 555c BGB angekündigt wurden, soll der Zeitpunkt der Mieterhöhungserklärung maßgeblich sein. (5)
    Die Aufhebung des Ausschlusses des Härteeinwand bei Maßnahmen, die nur den allgemein üblichen Zustand herstellen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Das ist sinnvoll und überfällig. Unverständlich ist aber, warum nicht auch die Einschränkung gestrichen wurde, dass der Härtefall bei einer vom Vermieter nicht zu vertretenden Maßnahme entfällt. Die Mieter*innen haben für die Verpflichtung des Vermieters zur Durchführungen der Maßnahmen nicht zu vertreten, dies ist das klassische Risiko des Hauseigentümers. Die Einschränkung muss daher ebenfalls komplett gestrichen werden. 2. Modernisierungsumlage Die Modernisierungsumlage soll nach dem Referentenentwurf auf 8 % reduziert, die Erhöhungsmöglichkeit auf 3 Euro pro Quadratmeter in 8 Jahren begrenzt und gleichzeitig ein Wirtschaftlichkeitsgebot eingeführt werden. Neben der normalen Modernisierungsumlage soll zudem eine vereinfachte Umlage für kleinere Maßnahmen (Gesamtvolumen bis zu 10.000 Euro) eingeführt. a. Absenkung der Modernisierungsumlage Die Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 % auf 8 % ist im Ergebnis wenig hilfreich. Die Umlage ist immer noch zu hoch und gehört grundsätzlich abgeschafft. Auch die neue Regelung führt weiterhin zu erheblichen Mietsteigerungen und damit zur Vertreibung der alteingesessenen Mieterschaft. Sie bevorzugt weiterhin einseitig die Vermietenden, denn für diese lohnt sich die Modernisierung weiterhin in erheblichem Maße. Die Belastungen verbleiben allein bei den Mieter*innen – auch wenn es grundsätzlich die Möglichkeit gibt, eine (finanzielle) Härte einzuwenden. Die Modernisierung von Wohnraum wertet die Immobilie erheblich auf. Im Falle eines Verkaufs kann aufgrund der besseren Ausstattung ein höherer Preis erzielt werden. Durch die Verbesserung der Ausstattung steigt gleichzeitig die ortsübliche Vergleichsmiete. Schon über Grundmietenerhöhungen gemäß §§ 558ff. BGB könnten Investitionen in die Wertsteigerung des Objekts refinanziert werden. Aber auch nach der angestrebten neuen Regelung besteht weiterhin die Möglichkeit, 8 % der Baukosten jährlich auf die Miete zu schlagen und so neben Wertsteigerung und Grundmietenerhöhung noch eine volle Refinanzierung zu erhalten. Diese bleibt dann auch über die Zeit der Amortisation hinaus bestehen. Deswegen hilft auch die Begrenzung der Modernisierungsmieterhöhung auf 3 Euro pro Quadratmeter in 8 Jahren kaum. Damit könnten – so die Begründung zum Referentenentwurf – ohnehin die Standardmodernisierungen ohne weiteres abgedeckt werden. Diese Regelung ändert also nichts an der grundsätzlichen Privilegierung der Vermietenden. Zumal eine Mietsteigerung von 3 Euro pro Quadratmeter immer noch erheblich ist und damit zu den ober dargestellten Effekten führt. Es bleibt also dabei, § 559 BGB ist innerhalb der Regelungen des sozialen Mietrechts systemfremd. Dort stellt die ortsübliche Vergleichsmiete das Maß für eine Mieterhöhung dar. Die Modernisierungsumlage zielt nicht auf die Vergleichsmiete für eine mit spezifischen Merkmalen ausgestattete Wohnung, sondern auf die Refinanzierung der Investitionskosten der Modernisierungsmaßnahmen durch die Mieter*innen. Wir verweisen dazu auf unsere umfassende Stellungnahme zum § 559 BGB: „Modernisierungsmieterhöhung Preistreiber Nr. 1 - § 559 abschaffen, jetzt!“. b. Wirtschaftlichkeitsgrundsatz Durch den Satz „Dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.“ soll nun das Wirtschaftlichkeitsgebot für Modernisierungsmieterhöhungen eingeführt werden. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist im Mietrecht in erster Linie aus dem Betriebskostenrecht bekannt und besagt, dass Kosten für bestimmte Arbeiten bzw. Leistungen nicht ungerechtfertigt über dem üblichen Marktpreis liegen dürfen. Es soll das Prinzip „ordentlicher Geschäftsführung“ gelten. Im Betriebskostenrecht soll so verhindert werden, dass gegenüber Mieter*innen Leistungen abgerechnet werden, die auch deutlich günstiger zu haben wären. Im Modernisierungsrecht erscheint die Einführung eines Wirtschaftlichkeitsgebotes aber zweifelhaft. Wenn ein*e Vermieter*in es für attraktiv hält, Edelhölzer für die neuen Fenster zu verwenden oder andere Modernisierungen mit hochwertigen Materialien oder Konstruktionen vorzunehmen, so ist das nicht zwingend unwirtschaftlich. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz erfordert gerade nicht den generellen Verzicht auf bestimmte Anschaffungen (so sind im Betriebskostenrecht auch Terrorversicherungen als auf die Mieterschaft umlegbar angesehen worden). Erwartet wird nur die Orientierung an üblichen Marktpreisen. Luxusmodernisierungen werden also nicht verhindert, solange die entsprechenden Ausgaben nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Leistung stehen. Das dies nicht der Fall sein darf, ist aber bereits heute Rechtslage. Ausdrücklich für die Aufnahme des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit in das Modernisierungsrecht spricht allerdings, dass es der BGH gegen das Schrifttum und die Rechtsprechung der Instanzengerichte bislang ablehnte, dass es bei energetischen Modernisierungen die Mieterhöhung in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosteneinsparungen stehen müssen. Er verwies dabei darauf, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz bislang vom Gesetzgeber nicht ins Gesetz aufgenommen worden sei (BGH Urteil vom 03.03.2004 - VIII ZR 149/03). Insofern könnte der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz dazu führen, dass in Zukunft zumindest eine Verhältnismäßigkeit zwischen den Kosten der energetischen Modernisierung und den dadurch einzusparenden Energiekosten gewahrt wird. Allerdings führte der BGH jedoch bereits in dem benannten Urteil zum Wirtschaftlichkeitsgrundsatz aus:
    „Jedoch wäre auch eine Begrenzung nach wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien Zweifeln unterworfen. So wird die tatsächliche Heizkostenersparnis von Umständen wie der Lage der Wohnung, Lüftungsverhalten und Wärmebedarf der Bewohner, aber auch von äußeren Temperaturbedingungen und insbesondere im Falle ansteigender Energiepreise (...) so stark beeinflusst, dass sich die Modernisierung langfristig auch für den einzelnen Mieter als 'rentabel', jedenfalls aber als nicht unverhältnismäßig darstellen kann." Da der BGH also bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung Zweifel an der Tauglichkeit des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes im Bereich der energetischen Modernisierung äußerte, wäre es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber sich damit im Gesetzestext auseinandersetzte. Sonst stellt sich nach Einführung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes im Modernisierungsrecht womöglich heraus, dass der BGH diesen Grundsatz im Bereich der energetischen Modernisierung für nicht oder nur eingeschränkt anwendbar hält. Leider trifft der Referentenentwurf nicht einmal in seiner Begründung konkretere Aussagen zum Grund der Aufnahme Wirtschaftlichkeitsgebots. Mit der Aufnahme dieses Grundsatzes solle lediglich gewährleistet werden, dass künftig nur noch solche Kosten ansatzfähig sind, „die ein Vermieter vernünftigerweise auch dann veranlasst hätte, wenn er sie (bei Eigennutzung der Wohnung) selbst hätte tragen müssen." Ob diese Überlegung jedoch bereits ausreicht, um zu einer Verhältnismäßigkeit von Modernisierungskosten und Kosteneinsparung bei der Energie zu kommen, ist fraglich. So fallen z. B. positive Umwelteffekte, die mit der Energieeinsparung verbunden sind und gerade auch Zweck dieser Maßnahmen sein sollen, neben etwaigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ins Gewicht. Angesichts dessen ist unsicher, ob es für den Mieter*innenschutz ausreicht, wenn Gerichte abwägen, wie sich Vermietende hypothetisch verhalten würde, wenn sie anstelle des Mieters die Kosten tragen müsste. Eine ausdrückliche Festschreibung der Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit zwischen den Kosten der Modernisierung und den dadurch bedingten Kosteneinsparungen ist daher unbedingt erforderlich (so etwa noch LG Köln ZMR 1998, 562) und sollte auch zusätzlich zum Wirtschaftlichkeitsgrundsatz oder diesen konkretisierend ins Gesetz aufgenommen werden. 3. Vereinfachtes Modernisierungsverfahren Der Entwurf zur 2. Mietrechtsnovelle plant erstmals die Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Erhöhung der Miete nach Modernisierung. Der Entwurf begründet den Bedarf an einer solchen Regelung in § 559c BGB-E mit der angeblichen Überforderung von Kleinvermietern durch das übliche Erhöhungsverfahren. Der Vermieter soll sich dieses Verfahrens bedienen bedürfen, wenn die Gesamtinvestition 10.0000 Euro nicht überschreitet. Die ersparten und zu berücksichtigenden Instandsetzungskosten werden pauschal auf 50 % der Gesamtinvestition festgesetzt. Damit können tatsächlich maximal Kosten von 5.000 Euro auf die Miete umgelegt werden. Dies entspricht bei einer Kostenumlage von 8 % jährlich 33,33 Euro monatlich. Gleichzeitig soll die Kappungsgrenze aus § 559 Absatz 3a BGB-E – maximal 3,00 Euro/m² in acht Jahren – nicht gelten. Die Modernisierungsmieterhöhungen der letzten fünf Jahre sollen jedoch auf die 10.000 Euro angerechnet werden. Im vereinfachten Erhöhungsverfahren soll ein Härteeinwand des Mieters gemäß § 559 Absatz 4 BGB-E soll ausgeschlossen sein. Grundsätzlich sprechen schon erhebliche Bedenken dagegen, überhaupt an der Mieterhöhung gemäß §§ 559ff. BGB festzuhalten (s.o.). Jedoch ist die Behauptung in der Begründung zum Entwurf, Kleinvermieter seien mit dem Mieterhöhungsverfahren nach § 559 BGB überfordert, schlicht falsch. Sie findet in der mietrechtlichen Praxis keinen Beleg. Tatsächlich enthält § 559c BGB-E nur zwei Vereinfachungen für den Vermieter: die Pauschalisierung ersparter Instandsetzungskosten auf 50 % der Gesamtinvestition und den Verzicht auf die Berücksichtigung des Zinsvorteils zinsverbilligter oder zinsloser Darlehen. Letzteres dürfte angesichts der aktuell extrem niedrigen Kreditzinsen kaum ins Gewicht fallen. Der damit verbundene tatsächliche Vorteil für Vermieter hält sich in Grenzen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH können Mieterhöhungen nach §§ 559ff. BGB schon jetzt den Instandsetzungsanteil als nicht weiter begründete Pauschale ausweisen (BGH Urteil vom 17.12.2014 - VIII ZR 89/13). Ob diese Pauschale korrekt ermittelt wurde, sei eine Frage der materiellen Begründetheit und nötigenfalls im gerichtlichen Verfahren zu klären. Damit ist die vereinfachte Mieterhöhung nach § 559c BGB-E nicht nur wegen der geringen Erhöhungsbeträge lediglich für singuläre Modernisierungen in kleinen Wohnungen mit hohem Instandsetzungsanteil interessant. Es liegt auf der Hand, dass dies kaum Kleinvermieter betreffen wird. Auf dieses Erhöhungsmodell werden wohl eher Betreiber von Appartementanlagen für Studierende zurückgreifen. Diese müssen dann auch die zeitlichen Einschränkungen dieser Erhöhungen kaum fürchten. Diese überschaubaren Vorteile für die Vermieter werden durch unverhältnismäßige Nachteile für die Mieter erkauft. Da gerade die Mieter solcher Kleinstwohnungen regelmäßig nur über ein geringes Einkommen verfügen, wäre der Härteeinwand auch bei solch geringen Beträgen wie hier von besonderer Bedeutung. Zudem wird den betroffenen Mieter*innen der Härteeinwand abgeschnitten, wenn die Vermieter*in vom normalen Verfahren nach § 559 BGB in ein vereinfachtes Verfahren nach § 559c BGB wechselt. III. Kündigungsrecht Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Änderungen zum Kündigungsrecht sind mit einer Ausnahme richtig und überfällig. Es werden drei besonders skandalöse Urteile des BGH korrigiert. Allerdings sollte auch darüber hinaus der Kündigungsschutz wieder gestärkt und die restriktive Rechtsprechung des BGH zur Wohnungskündigung gestärkt werden. Der Abbau des Schutzes vor Kündigungen wegen Zahlungsverzuges ist sicherlich besonders augenfällig. Zudem werden die Möglichkeiten für Eigenbedarfskündigungen immer stärker ausgeweitet. Schließlich sollen mittlerweile selbst kleinere Vertragsverstöße regelmäßig eine Kündigung rechtfertigen. Dies liegt hier weniger an einem gesetzlichen Abbau von Kündigungsrechten, sondern vielmehr an einer zunehmend restriktiven höchstrichterlichen Rechtsprechung, die immer wieder Gesetzeslücken aufzeigt und gesetzgeberische Ungenauigkeiten ausnutzt, um das Kündigungsrecht zu Lasten der Mieter*innen abzuändern. 1. Schutz bei Mieterhöhungen Wenn gegen Mieterhöhungen nach § 559 oder § 560 BGB (Modernisierungsumlage oder Betriebskostenerhöhung) schriftlich Einwände vorgebracht werden, sollen Vermieter*innen wegen der insofern aufgelaufenen streitigen Mietrückstände nun gem. § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB-E nicht mehr kündigen können. Dieser Schutz soll zwei Monate nach rechtskräftigen Abschluss des entsprechenden Rechtsstreits enden. Gleiches gilt bisher schon für Mieterhöhungen nach §§ 558ff. BGB. Die Instanzgerichte hatten die alte Regelung vorher auch im Sinne der neuen Regel verstanden und ausgelegt. Allein der BGH sah es anders (u.a. Urteil vom 18.07.2012 - VIII ZR 1/11), weshalb die Änderung auch dringend nötig und inhaltlich nicht zu beanstanden ist. 2. (Teil-)Harmonisierung fristgerechte und fristlose Kündigung Mit dem vorgelegten Entwurf sollen ferner Schutzrechte für Mieter*innen, die bisher nur für die fristlose Kündigung geregelt sind, auch auf die fristgerechte Kündigung  ausgedehnt werden. Dazu soll eine neuer Absatz 3 in § 573 BGB einfügt werden. Damit soll in folgenden Fällen die alte Rechtspraxis vor Eingreifen des BGH wiederhergestellt werden. a. Schonfristzahlung Die Schonfristzahlung nach § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB soll nach dem Entwurf zur 2. Mietrechtsnovelle auch wieder die ordentliche Kündigung unwirksam machen. Damit stellt das Gesetz die Rechtspraxis vor dem Urteil des BGH vom 16.02.2005 (VIII ZR 6/04) wieder her. Bereits seit 1923 (!) war es Mieter*innen möglich gewesen, eine Kündigung wegen Mietrückstandes zu heilen, indem die ausstehenden Mieten innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist nachgezahlt wurden. Parallel wurde bedürftigen Mieter*innen im Sozialrecht der Anspruch eingeräumt, von den Sozialleistungsbehörden  insoweit eine Kostenübernahme zur Abwendung des Wohnungsverlustes auf Darlehensbasis zu verlangen. Bei Eingang der Räumungsklage bei Gericht muss es die zuständige Behörde auf die Kündigung hinweisen, um den Erhalt der Wohnung über die Nachzahlung der rückständigen Mieten vorzubereiten. Der BGH hat in der oben angesprochenen Entscheidung allerdings bestimmt, dass diese Nachzahlung zwar die fristlose Kündigung, aber nicht die fristgerechte Kündigung unwirksam macht. Damit wurden die Regelung zur Schonfristzahlung und die sozialrechtlichen Hilfen obsolet. Denn inzwischen wird von Vermieterseite faktisch immer fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Daher ist es dringend nötig, dass der Gesetzgeber hier eingreift und die alte Rechtslage wieder herstellt. b. Kündigungsrelevanter Mietrückstand Weiter soll die Höhe des Zahlungsrückstandes, der zur fristgerechten Kündigung berechtigt, an die Beträge zur fristlosen Kündigung angeglichen werden. Damit wäre die Entscheidung des BGH, fristgerechte Kündigung schon bei einem Mietrückstand von einer Monatsmiete plus einem Cent zu erlauben, endlich gegenstandslos (Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12). c. Kündigung wegen Nichtzahlung der Kaution Mit der Aufnahme der Nichtzahlung der Kaution in den Katalog der Kündigungsgründe wird die ordentliche Kündigung auch insofern der außerordentlichen Kündigung angeglichen. Die vorgeschlagenen Regelungen sind sicherlich sinnvoll. Einfacher und zielführender wäre es jedoch, das Nebeneinander von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung wegen Vertragsverstößen zu beenden. Lange Zeit sahen gerade die Untergerichte keinen Unterschied bei den rechtlichen Voraussetzungen dieser beiden Kündigungsmöglichkeiten. Ein solcher Unterschied könnte zwar rechtspolitisch möglicherweise sinnvoll sein, wäre dogmatisch aber nur schwer zu begründen. Wenn ein Vertragsverstoß gravierend genug ist, um das Mietverhältnis sofort zu beenden, dann wird das erst recht durch eine ordentliche Kündigung (§ 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB) möglich sein. Dann wird aber auch klar, dass es auch weniger gravierende Vertragsverstöße geben muss, die nur zu einer ordentlichen Kündigung berechtigten. Denn offenbar gibt es ein Stufenverhältnis zwischen beiden Kündigungsarten. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, ordentliche Kündigungen wegen weniger erheblichen Vertragsverstößen zu begründen. Das „Erst-Recht"-Argument macht dies möglich. Aus diesem Grunde ist  es hier sinnvoller, die ordentliche Kündigung wegen Vertragsverstoßes ganz zu streichen. Vermieter*innen hätten immer noch die Möglichkeit, das Wohnungsmietverhältnis bei gravierenden Vertragsverstößen zu kündigen – aber eben nur in den im  § 543 BGB (ggf. in Verbindung mit § 569 BGB) geregelten Fällen. Gleichzeitig wäre Vermieter*innen daran gehindert, unerhebliche Konflikte mit ihren Mieter*innen über eine Kündigung zu lösen, wie das derzeit häufig der Fall ist. d. Weiterer Reformbedarf Die Reformvorschläge zur Kündigung sind richtig, gehen aber noch nicht weit genug. Jede Reform adelt die Rechtsprechung für die Bereiche, die sie nicht verändert. Deswegen ist es gerade im Rahmen des Kündigungsschutzes wichtig, auch die übrigen Auswüchse der Rechtsprechung zu korrigieren. (1)
    In den letzten Jahren wurde gerade das Recht der Eigenbedarfskündigung erheblich zu Lasten der Mieter*innen erweitert. Es reicht schon, wenn der Vermieter angibt, die Wohnung als Zweitwohnung nutzen zu wollen (LG Berlin WuM 2013, 741) oder angibt, diese für sein Au-Pair-Mädchen zu benötigen (BGH Urteil vom 11.03.2009 – VIII ZR 127/08). Die Interessen der Mieter*innen sind – obwohl auch ihr Recht an der Wohnung Verfassungsrang hat – immer nachrangig. Dies muss dringend geändert werden. Der Personenkreis, für die der Vermieter die Wohnung des Mieters beanspruchen darf, muss auf enge Familienangehörige wie Eltern, Kinder und Geschwister begrenzt werden. Gleichzeitig müssen Interessen der Mieter*innen, die ja keinerlei Verschulden an der Kündigung trifft, mit denen ihrer Vermieter*innen auf eine Stufe gestellt werden. Eine Kündigung sollte es allenfalls dann geben, wenn die Interessen der Vermieter*in an der Erlangung der Wohnung die der Mieter*in am Verbleib überwiegen. (2)
    Zunehmend werden Vertragsverstöße selbst dann als Grund für eine Kündigung genommen, wenn deren Inhalt streitig ist. So riskiert der Mieter (BGH Urteil vom 15.04.2015 - VIII ZR 281/13) seine Wohnung, wenn er eine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme nicht duldet und den Handwerkern den Zutritt zur Wohnung verwehrt. Ob der Mieter tatsächlich verpflichtet war, Zutritt zu gewähren oder nicht, wird dann im Rahmen des Räumungsrechtsstreits geklärt. Ein Unding angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten in gerichtlichen Modernisierungsduldungsverfahren. Auch eine „nur" wegen der angedrohten Kündigung geduldete Modernisierung hat später zwingend die Modernisierungsmieterhöhung zur Folge. Selbst dann, wenn sich später herausstellt, dass die strittige Modernisierungsankündigung fehlerhaft war.  Wenn der Mieter bei einer Nichtduldung gleich eine Kündigung riskiert, wird er sich dreimal überlegen, ob er seine Rechte wahrnimmt oder nicht. Daher wäre es z. B. sinnvoll, ebenso wie bei der Mieterhöhung, den Streit über Duldungspflichten als Anlass für eine Kündigung auszuschließen. AK-Mietrecht im RAV (PDF) Stellungnahme zum Referentenentwurf  zur 2. Mietrechtsnovelle
    (PDF) PowerPointFolien zur RAV-Veranstaltung am 12.10.2016 in Berlin (Zur VA: http://bit.ly/2e0jrnf)
    Zum "Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Novellierung mietrechtlicher Vorschriften":
    https://www.grundeigentum-verlag.de/download/referentenentwurf_mietrechtsnovelle_2.pdf]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-490 Sat, 22 Oct 2016 18:00:00 +0200 Bündnis gegen das Bayerische Ausgrenzungsgesetz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/buendnis-gegen-das-bayerische-ausgrenzungsgesetz-490 Stellungnahme Hiergegen hat sich ein breites „Bündnis gegen das Bayerische Ausgrenzungsgesetz“ aus Gewerkschaftern, Ausländer- und Flüchtlingsvereinen, Parteiorganisationen und vielen Individuen formiert. Auch der RAV macht mit. Während das Bundesintegrationsgesetz nichts anderes als ein „Asylpaket IV“ ist, das bestehende Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, des Asylgesetzes und des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Sozialgesetze detailliert ändert – und oft verschärft –, enthält das Bayerische Integrationsgesetz kaum konkrete Regelungen, sondern skizziert ein Gesellschaftsbild nach dem sich die Detailregelungen in anderen Gesetzen zu orientieren haben. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Begriff der „Leitkultur“, die „zu wahren und zu schützen ... Zweck dieses Gesetzes“ ist. Der Begriff ist im Gesetz nicht definiert, sondern als „identitätsbildende Prägung unseres Landes“ umschrieben. So verpflichtet die Präambel einerseits auf das „errungene gesamteuropäische Erbe und das Ziel eines gemeinsamen europäischen Weges“ und betont gleichzeitig: „ganz Bayern ist geformt von gewachsenem Brauchtum, von Sitten und Traditionen“. Hieraus wird nicht nur die Verpflichtung des Einzelnen zur Wahrung des Rechts, sondern auch „zur Loyalität gegenüber Volk“, Verfassung, Staat und Gesetzen abgeleitet. Ausdrücklich ist festgehalten, dass umgekehrt „alle Staatsgewalt an die Stimme des Volkes“ gebunden sei. Damit skizziert die Präambel ein vom individualistischen Grundgesetz abweichendes Gesellschaftsbild: Nicht die Würde des Einzelnen (Art. 1 Abs. 1 GG) und die freie Entfaltung der individuellen Persönlichkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1 GG) sind Grundlage dieses Staatsverständnisses, sondern die Verpflichtung des Einzelnen „zur Loyalität gegenüber Volk, Verfassung, Staat und Gesetzen“ und die „Bindung aller Staatsgewalt an die Stimme des Volkes“. Das Individuum verliert seinen unbedingten Wert und wird zum Teil eines Ganzen, zu einem Teil, der seine besondere Würde dadurch erhält, dass er eben Teil eines Ganzen ist – von der alten und neuen Rechten als „Volksgemeinschaft“ tituliert. Entsprechend formuliert Art. 1 BayIntG nicht nur das Integrationsziel, den Migrantinnen und Migranten Hilfe und Unterstützung für das Leben in dem zunächst fremden und unbekannten Land anzubieten, sondern zugleich die Integrationspflicht „auf die im Rahmen ihres Gastrechts unabdingbare Achtung der Leitkultur“. Der Staat soll Migrantinnen und Migranten durch geeignete Angebote in dem ihnen abverlangten Bemühen, sich mit den der heimischen Bevölkerung vorherrschenden Umgangsformen, Sitten und Gebräuchen vertraut zu machen, unterstützen, etwa in der Vorgabe, nach einem dreijährigen Aufenthalt in Deutschland mindestens Deutsch auf dem Niveau A2 zu beherrschen; auch sind „migrationsbedingte Erwägungen" ausdrücklich als ein zu berücksichtigendes Kriterium bei Ermessensentscheidungen hervorgehoben. Den Trägern von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen ist im Rahmen ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags die Förderung der in Art. 1 genannten Integrationsziele – „unabdingbare Achtung der Leitkultur“ – auferlegt, ebenso der bayerischen Wirtschaft (Art. 9) und Rundfunk und Medien (Art. 1 0). Art. 13 und 14 erweitern nicht nur den Adressatenkreis, weil sie sich an „jedermann“, also auch an Deutsche richten, sondern auch die Zielsetzung.
    Art. 13 ermöglicht den Erlass einer Verpflichtung zur Teilnahme an einem „Grundkurs über die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung". Betroffen sind alle, die durch „demonstrative Regelverstöße, Verunglimpfen oder sonst durch nach außen gerichtetes Verhalten beharrlich zum Ausdruck" bringen, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung und einzelne genannte Verfassungswerte oder das staatliche Gewaltmonopol ablehnen. Ebenso kann die bußgeldbewehrte Teilnahmeverpflichtung gegenüber demjenigen ausgesprochen werden kann, der durch wiederholte schwerwiegende Regelverstöße oder sonst durch ein offenkundig rechtswidriges Verhalten erkennen lässt, dass ihm die Rechts- und Werteordnung in ihren Grundsätzen unbekannt oder gleichgültig ist". Die hierfür zuständigen Sicherheitsbehörden werden zur Meinungsund Sittenpolizei, die die Gegner umerzieht.
    Art. 14 sanktioniert mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € die Aufforderung zur Missachtung der verfassungsmäßigen Ordnung in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften (Nr. 1) und die Postulierung einer damit nicht zu vereinbarenden anderen Rechtsordnung, die Unterwerfung anderer Personen unter eine solche Rechtsordnung (Nr. 2) oder den Versuch, eine solche Ordnung oder aus ihr abgeleitete Einzelakte zu vollziehen oder zu vollstrecken (Nr. 3). Die Norm richtet sich nach der Begründung gegen die Tätigkeit einer sog. Scharia-Polizei und Scharia-Gerichten. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist verletzt. Im Schulrecht wird der Grundsatz aufgestellt, „Schulrecht folgt dem Asylrecht" (Begründung zu Art. 17a), weshalb von der Schulpflicht diejenigen ausgenommen werden, die in einer besonderen Aufnahmeeinrichtung im Sinne von § 30a AsylG leben. Da die reguläre Aufenthaltspflicht in diesen Einrichtungen regelmäßig sechs Monate beträgt und für manche – unter anderem Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten – unbegrenzt anhält, liegt hierin eine eklatante Verletzung des Kindeswohls. Flüchtlingsunterkünfte werden als gefahrgeneigte Orte definiert, in denen die Polizei ohne Anlass Personenkontrollen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 2c PAG) und Hausdurchsuchungen (Art. 23 Abs. 3 Nr. 3 PAG) vornehmen darf. Gemeinden und Landkreise werden ermächtigt, die Zulassung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bibliotheken etc. von einer vorherigen Belehrung und dem ausdrücklichen Anerkenntnis der bestehenden Vorschriften abhängig zu machen (Art. 21 Abs. 5 S. 2 GO; Art. 15 Abs. 5 S. 2 LKrO). Für den Fall, dass die CSU ihr Vorhaben umsetzt, wird eine Verfassungsbeschwerde erwogen. Was heute Bayern plant, könnte schon morgen im ganzen Bundesgebiet auf der Agenda stehen. Hubert Heinhold, RA
    München Stellungnahme als PDF Weitere Informationen hier]]>
    Migration & Asyl (doublet)
    news-489 Tue, 18 Oct 2016 13:53:00 +0200 Münchner Kommunistenverfahren: Verdacht auf Weiterleitung von Verteidigerpost an türkische Behörden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/muenchner-kommunistenverfahren-verdacht-auf-weiterleitung-von-verteidigerpost-an-tuerkische-behoerden-489 Pressemitteilung, 18.10.2016 Bürgerrechtsorganisationen fordern die Gewährleistung des absoluten Schutzes von Verteidigerpost. In dem derzeit vor dem OLG München stattfindenden Strafverfahren gegen zehn kurdisch- und türkischstämmige Angeklagte, denen gem. § 129 b StGB die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, weil sie Mitglieder der TKP/ML (Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten) sein sollen, ist der Schutz der Verteidigerkommunikation und damit das Mandatsgeheimnis nicht gewährleistet.
    Wie die Verteidigung jetzt aufgedeckt hat, ist Verteidigerpost zur Fertigung von Übersetzungen für den Kontrollrichter in die Türkei versandt worden. Dies stellt einen gravierenden und nicht akzeptablen Eingriff in die fundamentalen Rechte von Verteidigung und Angeklagten dar. Zum Hintergrund: Die Verteidigung in sogenannten „Terrorismus-Verfahren“ unterliegt ohnehin schon gravierenden Einschränkungen. Gem. § 148 Abs. 2 StPO soll bei Beschuldigten, gegen die – wie hier – der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer (ausländischen) terroristischen Vereinigung gem. §§ 129a, 129b StGB erhoben wird, die Kontrolle der Verteidigerpost durch einen Kontrollrichter angeordnet werden. Verteidiger und ihre Mandanten sind dann bei Gesprächen nicht nur durch eine Glasscheibe getrennt. Darüber hinaus wird auch sämtlicher Schriftverkehr zwischen Beschuldigten und Verteidiger durch einen sogenannten Kontrollrichter gelesen und kontrolliert, d. h. die grundsätzlich absolut geschützte schriftliche Kommunikation zwischen Verteidigung und Mandanten wird einer ständigen inhaltlichen Kontrolle unterzogen. Diese, nach unserer Ansicht schon grundsätzlich nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbarende Einschränkung von Verteidigungsrechten ist erst recht nicht hinzunehmen, wenn durch die Anordnung eines Kontrollrichters die Verschwiegenheit und Vertraulichkeit derjenigen, die mit der Kontrolle der Post beauftragt werden, nicht gewährleistet wird. Dies ist offensichtlich in dem Münchener Kommunistenverfahren der Fall:
    Wie durch Nachforschungen der Verteidigung bekannt wurde, ist die in der Regel türkischsprachige Verteidigerpost durch den Kontrollrichter an Übersetzungsbüros weitergeleitet worden, ohne dass in jedem Fall die Vertraulichkeit und Verschwiegenheit der beauftragten Übersetzer sichergestellt worden ist. So wurden mit der Übersetzung u. a. unvereidigte, also nicht zur Verschwiegenheit verpflichtete, Dolmetscher beauftragt. Teilweise sollen in den Übersetzungsbüros auch Kopien der Schriftstücke aufbewahrt worden sein. Besonders erschreckend ist der Umstand, dass offensichtlich von den beauftragten Dolmetscherbüros die Post in die Türkei an dortige (besonders billige) Übersetzungsbüros weitergeleitet worden ist. Damit besteht die Gefahr, dass dem türkischen Staat und seinen Sicherheitsbehörden der Zugriff auf streng vertrauliche Verteidigerunterlagen in einem politisch hochbrisanten Verfahren in der Bundesrepublik ermöglicht wird. Eine Weiterleitung an deutsche Strafverfolgungsbehörden ist dann auch nicht mehr ausgeschlossen Wir sehen daher die Gefahr, dass die Durchführung eines fairen Verfahrens nicht (mehr) gewährleistet ist. Diese Praxis zeigt, dass die Gefahren, die mit der Anordnung eines Kontrollrichters für die Rechte von Verteidigern und Angeklagten verbunden sind, sehr hoch sind. Die Möglichkeit der Anordnung eines Kontrollrichters ist ein Relikt aus den Zeiten der RAF-Prozesse, als Verteidigern immer wieder vorgeworfen wurde, ihre Rechte für die Kommunikation zwischen den Inhaftierten und der RAF zu missbrauchen;¸ dieses Relikt sollte nach unserer Auffassung aus der Strafprozessordnung gestrichen werden. Kontakt
    Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Mitglied im Vorstand des RAV
    Immanuelkirchstraße 3-4 | 10405 Berlin
    Tel +49 (0)30 44679216 |  stolle@dka-kanzlei.de Pressemitteilung (PDF)]]>
    news-486 Tue, 27 Sep 2016 09:02:00 +0200 Endlich Mieterrechte wieder stärken! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/endlich-mieterrechte-wieder-staerken-486 Veranstaltung am 12.10.2016 in Berlin a) Absenkung der Modernisierungsumlage von 11% auf 8%
    b) Novellierung des Härteeinwandes
    c) Einführung eines vereinfachten Modernisierungsmieterhöhungsverfahrens mit einer Höhenbegrenzung 2. Wiederherstellung des vom Bundesgerichtshof stark beschnittenen Kündigungsschutzes bei Zahlungsverzug 3. Änderungen zu den Regelungen zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete
    a) Neukonzipierung des Mietspiegels
    b) Änderungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu Gunsten der Mieter Dieser Entwurf steckt jedoch seit Monaten fest und wird nicht mehr weiterverfolgt. bit.ly/2cHOTqI

    Aus Sicht des RAV enthält der Gesetzesentwurf einige gute Ansätze zur Lösung zumindest einiger drängender Missstände. Allerdings wird ein Teil der geplanten Regelungen das Ziel, Mieter zu schützen, wieder einmal verfehlen. Der Entwurf enthält sogar Vorschläge, die dieses gesetzgeberische Ziel in ihr Gegenteil verkehren, zur Verunsicherung von Mietern und Vermietern beitragen und Mieterrechte sogar abbauen werden. Wir werden den Gesetzesentwurf vorstellen und einer kritischen Bestandsaufnahme unterziehen Termin        Mittwoch den 12. Oktober 2016, um 19:30 Uhr | Eintritt frei
    Ort               Familiengarten-Stadtteilzentrum des Kotti e.V. | Oranienstraße 34
                         Hinterhof | 10999 Berlin Veranstalter
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) | AK-Mietrecht
    Greifswalderstr. 4 | 10405 Berlin | www.rav.de Einladung (pdf)]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-485 Tue, 13 Sep 2016 17:32:00 +0200 CETA & TTIP STOPPEN!<br />Für einen gerechten Welthandel! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ceta-ttip-stoppen-br-fuer-einen-gerechten-welthandel-485 Dezentrale Demonstrationen am 17. September 2016 http://ttip-demo.de/home/ In Berlin wird es wieder einen Jurist*innenblock geben, der sich um 11:45 h am Haus des Lehrers (Ecke Otto-Braun-Str/ Karl-Marx-Allee) trifft. Zu erkennen an dem hellblauen RAV-Transparent „Offene Grenzen statt grenzenloser Profite“ und dem gemeinsamen Transparent von Juristenorganisationen „Juristinnen und Juristen fordern: Nein zu CETA, TTIP und TISA!“]]> Globale Gerechtigkeit (doublet) news-484 Fri, 09 Sep 2016 16:02:00 +0200 Keine Filmveranstaltung am 15.9.16 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-filmveranstaltung-am-15-9-16-484 Filmreihe von RAV und NSU-Watch ›No Fire Zone - The Killing Fields of Sri Lanka am 15.9.2016 in Berlin muss leider aus Krankheitsgründen ausfallen. Nächster Termin zum Vormerken: 20.10.2016 mit Holiday Camp von Thorsten Winsel, US/DE 2002 um 19:30h in der B-Lage. Das gesamte Programm findet sich hier]]> news-483 Fri, 19 Aug 2016 11:03:00 +0200 Wege zu bezahlbarem Wohnen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wege-zu-bezahlbarem-wohnen-483 2. Mieten & Wohnen Konferenz, 16./17.9.16 in Berlin http://www.netzwerk-mieten-wohnen.de/content/einladung-zur-2-konferenz-des-netzwerks-mieten-wohnen-wege-zu-bezahlbarem-wohnen Der RAV ist Mitglied des Netzwerkes.]]> Mietrecht (doublet) news-480 Wed, 17 Aug 2016 14:19:00 +0200 Abgedämmt und dann verdrängt ... /publikationen/mitteilungen/mitteilung/abgedaemmt-und-dann-verdraengt-480 Veranstaltung am 21.9.16 in Berlin, Helle Panke Verdrängung von MieterInnen durch Energetische Modernisierung am Beispiel Pankow Im Jahr 2013 wurde bei der Mietrechtsreform unter der schwarz-gelben Bundesregierung die Energetische Sanierung als Modernisierungsmaßnahme im § 559 BGB eingeführt.
    Die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen im Wohnraum können und werden in den meisten Fallen zu 11% pro Jahr auf die MieterInnen umgelegt. Diese Modernisierungsumlage ist in § 559 BGB geregelt. Eine Modernisierungsmieterhöhung kann der Vermieter verlangen bei baulichen Veränderungen in der Wohnung, die den Wohnwert (z. B. einen Balkon) erhöhen oder eine nachhaltige Energieeinsparung bewirken. Ob sich die Energieeinsparung für die MieterInnen rechnet, ist egal. Auch nach der Finanzierung der Baumaßnahme kann der Vermieter die höhere Miete weiter kassieren.
    Ein Rechenbeispiel: Modernisierungskosten = 1000 Euro. 1000 Euro x 11:100:12=9,17 Euro pro Monat. Nach 10 Jahren also 9,17x12x10 hat der Vermieter 1100,40 Euro eingenommen und den Wert seiner Immobilie auf Kosten des Mieters erhöht. Bei einer Erhöhung des Wohnwerts hat der Mieter noch etwas direkt davon, bei einer energetischen Sanierung in der Regel nicht, da die Baukosten oft die Energieeinsparungen bei weitem übertreffen.
    Die energetische Sanierung kommt vor allem bei noch günstigen Mietwohnungen zum Einsatz. Sie ist zu einem Werkzeug geworden, um BestandsmieterInnen aus ihren Mietwohnungen zu verdrängen. Das führt auch zu einem generellen Anstieg des Mietspiegels.
    Noch gibt es aufgrund der Kürze der Zeit keine allgemeinen Zahlen, wie viele MieterInnen nach energetischer Sanierung ihre Wohnungen verlassen mussten, weil sie sich die neue Miete nicht mehr leisten konnten.

    Stadtsoziologe Christoph Schiebe hat die "Verdrängung von Bestandsmieter*innen durch Modernisierungsumlage" in Pankow untersucht. Er wird von seiner Forschungsarbeit berichten und zu welchen Ergebnissen er gekommen ist. Rechtsanwältin Carola Handwerg gehört dem AK Mietrecht im „Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.“ (RAV) an. Der RAV fordert die Streichung des § 559 BGB, welche die Modernisierungsumlage regelt. Moderation: Fabian Kunow Diese Abendveranstaltung ist eine Kooperation von Helle Panke e. V. - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) Kosten: 2,00 Euro; ermäßigt 1,00 Euro Veranstaltungsort:
    Helle Panke
    Kopenhagener Str. 9
    10437 Berlin ---
    "Verdrängung von Bestandsmieter*innen durch Modernisierungsumlage"
    Abstract Gentrifizierung bestimmt als sozialräumlicher Prozess die stadtpolitischen und akademischen Debatten. Bislang sind die Aufwertung von Altbauten und der Austausch der Bewohner*innen durch Menschen mit höherem Einkommen als Folge von energetischen Modernisierungen nahezu unerforscht. Als klimapolitische Antwort auf die globale Erwärmung ist die Dämmung und energetische Aufrüstung von Mietshäusern durch die elfprozentige Umlage auf Mieter*innen in der Kritik, die Verdrängung von Bestandsmieter*innen und die Neuvermietung zu forcieren. Basierend auf Daten von über 250 Mietparteien in Pankow und 12 Interviews mit betroffenen Mieter*innen konnte nun erstmals umfänglich analysiert werden, dass die energetische Modernisierung von Altbauten ein hohes Verdrängungspotenzial birgt. Im Zentrum der Forschungsarbeit steht die Frage, welche Faktoren im Modernisierungsprozess zur Verdrängung von Bestandsmieter*innen führen. Am Beispiel eines Pankower Altbaus wird der Zerfall der Hausgemeinschaft über einen Zeitraum von zwei Jahren nachgezeichnet. Die Veranstaltung adressiert die Frage, inwiefern die energetische Modernisierung der Gentrifizierung in Altbauquartieren zuträglich ist. Über den Autor Christoph Schiebe, geboren 1991, begann im Jahr 2011 ein Bachelorstudim in Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein stadtsoziologischer Fokus liegt in der Analyse von Gentrifizierung, Segregation und urbanen Politiken. Zur Analyse von Wohnungslosigkeit und Verdrängung im post-sowjetischen Europa studierte er ein Semester an der ELTE Universität in Budapest. Es folgte ein Bachelorstudium der Stadt- und Regionalplanung an der Technischen Universität Berlin mit akademischen Schwerpunkt im Wohnungswesen, Sozialplanung und Städtebau. Seit 2015 ist er Student im Master Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und studiert aktuell am Graduate Center der City University in New York, wo er an einem Doktorandenprogramm in Politikwissenschaften dank eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdiensts teilnimmt. Er forscht momentan zu Gentrifizierung, Ethnizität und die Finanzialisierung von Wohnen in New York und Berlin.]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-481 Wed, 03 Aug 2016 13:14:00 +0200 Kein Deal mit der Türkei über Menschenrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-deal-mit-der-tuerkei-u-ber-menschenrechte-481 Gemeinsame Presseerklärung von Jurist*innen- und Bürgerrechtsorganisationen vom 03.08.2016 - sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die willkürlichen und politisch motivierten Verhaftungen, Entlassungen oder Suspendierungen sofort aufgehoben werden;
    - vom Präsidenten der Türkei und seiner Regierung mit Nachdruck zu verlangen, dass der Rechtsstaat und die Demokratie in der Türkei umgehend wieder hergestellt werden;
    - die Konsultationsgespräche mit Vertreter*innen des türkischen Geheimdienstes auszusetzen;
    - die Wiederherstellung der richterlichen Unabhängigkeit und der freien Berufsausübung von Rechtsanwält*innen, Staatsanwält*innen und die Freiheit der Medien in der Türkei einzufordern. Sie erklären dazu: Das Vorgehen der türkischen Staatsführung in den vergangenen zwei Wochen nach dem versuchten Militärputsch stellt eine massive Verletzung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen dar: Mit der Entlassung von über 70.000 Staatsbediensteten, unter ihnen tausende Richter*innen und Staatsanwält*innen, von denen über 2000 festgenommen wurden, setzt sich in rasantem Tempo eine Entwicklung fort, die wir bereits seit Jahren beobachten: Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung werden politisch missliebige, oder die eigene Machtposition gefährdende Gruppen, Rechtsanwält*innen, Journalist*innen, Akademiker*innen, Politiker*innen und Gewerkschafter*innen und nun auch Richter*innen, Staatsanwält*innen und Lehrer*innen strafrechtlich verfolgt und ihrer Ämter enthoben. Festgenommene werden öffentlich zur Schau gestellt, teilweise mit deutlichen Folterspuren, eine Lynchjustiz wird gebilligt und über die Wiedereinführung der Todesstrafe wird ernsthaft nachgedacht. Anwält*innen erhalten keinen Zugang zu den Gefängnissen und ihren Mandant*innen.1 Als das türkische Verfassungsgericht Ende Februar 2016 die angeordnete Untersuchungshaft gegen zwei Journalisten aufhob, die die staatliche Unterstützung militanter Islamisten in Syrien öffentlich gemacht hatten, drohte der türkische Präsident Erdoğan bereits den Richter*innen: „Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich der Entscheidung nicht, ich respektiere sie auch nicht“2. Dieser Drohung hat er jetzt Taten folgen lassen. Die Entlassungen von fast einem Viertel der gesamten Richterschaft – die offenbar bereits vor dem Putschversuch des 15. Juli 2016 vorbereitet wurden – hebt die Unabhängigkeit der Justiz auf. Die Gewaltenteilung ist mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nun auch rechtlich nicht mehr gewährleistet. Die Türkei als demokratischer Rechtsstaat existiert seit dem 16. Juli 2016 nicht einmal mehr als potemkinsches Dorf. Am 21. Juli 2016 verkündete die türkische Regierung, nicht mehr an die EMRK gebunden zu sein3. Dass die Türkei - die sich faktisch schon unter formaler Anerkennung der EMRK systematisch über die Garantien der Menschenrechtskonvention hinwegsetzte - diese nunmehr suspendiert, lässt das Schlimmste befürchten. Es zeigt aber vor allem, dass die türkische Regierung den türkischen Staat auch nicht als eine die Menschenwürde achtende Grundordnung versteht. Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen vielmehr den seit Jahren von der AKP offensiv betriebenen Umbau der Türkei nach einem Programm, welches auf religiöse Intoleranz und die gewaltsame Durchsetzung ihrer Interessen gründet. Wir als Jurist*innen- und Bürgerrechtsorganisationen versuchen, unter den gegebenen Umständen die Zusammenarbeit mit unseren demokratischen und fortschrittlichen Schwesterorganisationen in der Türkei fortzusetzen; und wir werden uns weiterhin uneingeschränkt für die Unabhängigkeit der Justiz und der Anwaltschaft in der Türkei einsetzen. ------- Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, Bundesfachausschuss Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Ver.di, Humanistische Union, IALANA, Internationale Liga für Menschenrechte, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Neue Richtervereinigung e.V., Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Darüber hinaus fordern RAV, VDJ, Internationale Liga für Menschenrechte, IALANA, Komitee für Grundrechte und Demokratie und Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen: - anzuerkennen, dass es sich bei der Türkei nicht um einen sicheren Drittstaat für Flüchtlinge handelt,
    - darauf hinzuwirken, den „Flüchtlingsdeal“ der EU mit der Türkei vor diesem Hintergrund aufzukündigen,
    - von Verfolgung bedrohten Gruppen in der Türkei in Deutschland Schutz zu gewähren,
    - die Konsultationsgespräche mit Vertretern des türkischen Geheimdienstes und den polizeilichen Datenaustausch mit der Türkei auszusetzen und
    - die Unabhängigkeit von Justiz, Anwaltschaft und Rechtspflege in der Türkei offen einzufordern. Fußnoten:
    (1) http://www.amnesty.de/2016/7/18/tuerkei-nach-dem-putsch-menschenrechte-ernsthaft-gefahr?destination=startseite
    (2) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei-lange-haftstrafen-fuer-regierungskritike-journalisten-14219395.html
    (3) SZ, Nach Putschversuch Türkei will Europäische Menschenrechtskonvention teilweise aussetzen: http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-putschversuch-festnahmen-in-der-tuerkei-zehntausende-entlassungen-inhaftierte- ohne-rechte-1.3085149 Gemeinsame Presseerklärung (PDF)
    Weitergehende Forderungen (PDF) RAV-Redebeitrag (PDF) zur Kundgebung am 3.8.16 vor dem Bundeskanzleramt NRV-Redebeitrag (PDF) zur Kundgebung am 3.8.16 vor dem Bundeskanzleramt ASJ-Redebeitrag (PDF) zur Kundgebung am 3.8.16 vor dem Bundeskanzleramt]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-479 Tue, 02 Aug 2016 13:00:00 +0200 Menschenrechtsverletzungen in der Türkei: Gemeinsame Kundgebung von Richter*innen, Anwält*innen, Staatsanwält*innen und Bürgerrechtler*innen vor dem Bundeskanzleramt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtsverletzungen-in-der-tuerkei-gemeinsame-kundgebung-von-richter-innen-anwaelt-innen-staatsanwaelt-innen-und-buergerrechtler-innen-vor-dem-bundeskanzleramt-479 Presse-Einladung Datum: 03.08.2016
    Uhrzeit: 14 - 15:30 Uhr
    Ort: Bundeskanzleramt - Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin Anlässlich der Kundgebung werden Erklärungen verlesen, die die aktuelle Situation der verschiedenen verfolgten, suspendierten und verhafteten (Berufs-)Gruppen wie Rechtsanwält*innen, Richter*innen, Staatsanwält*innen, Journalist*innen, Akademiker*innen und Gewerkschafter*innen verdeutlichen. Interviewpartner aus den jeweiligen Berufsgruppen werden Ihnen zum Gespräch zur Verfügung stehen. Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei darf es keinen Deal mit der türkischen Regierung über Menschenrechte – auch nicht mit den Menschenrechten von Flüchtlingen – geben. Die zehn Organisationen fordern die Bundesregierung in einer gemeinsamen Erklärung u.a. dazu auf:Kontakt:
    Ursula Groos - Geschäftsführerin des Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
    Haus der Demokratie und Menschenrechte - Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin Menschenrechtsverletzungen in der Türkei PDF Version]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-478 Tue, 05 Jul 2016 16:06:00 +0200 Report<br />KCK-trial against 46 lawyers, 28th of june 2016 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/report-br-kck-trial-against-46-lawyers-28th-of-june-2016-478 Gemeinsame Erklärung der Internationalen Prozessbeobachtungsdelegation vom 28.06.2016 Report/ KCK-trial against 46 lawyers, 28th of june 2016
    19. chamber of ›ağir ceza mahkemesi‹

    During a 90 minutes session the lawyers claimed the following applications: The court accepted the first two demands. Conclusions: One of the most important principles of criminal procedure is the right of the accused to have an independant judge that remains the same during all the procedure from the hearing to the judgment. Today again the court ignored this principle and refused to repeat the proof recording. This court wants to decide the case without having taken any evidence itself. There were though two encouring aspects for the local collegues:
    The court accepted its obligation to wait for the constitutional decision and to take it into account for the final judgement.
    The courts decided to accept the inclusion of the files of the procedures against judges and procurators. This is very important and could be read even as a positive step concerning the transparency of this trial. It should be remarked that the prosecutor was not ready to hold his final speech. This might be interpreted in a way that the court wanted to avoid a final decision today. We remain vigilant and mobilized. Istanbul, 2016-6-28 Conseil national des Barreaux (France)
    Observatoire International des Avocat en danger (OIAD, France)
    Conférence de bâtonniers du Grand Ouest (France)
    Défense sans frontières - avocats solidaires DSF-AS (France)
    Institut de droit de l'homme de Grenoble (IDH, France)
    Institut de droit de l'homme de Montepellier (France)
    Lawyers for lawyers (NL)
    European Lawyer Association for Democracy and Human Rights (ELDM - Barbara Spinelli, Bologna, Italia)
    DAV (Deutscher Anwaltverein, Deutschland)
    RAV (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Deutschland)
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. (Deutschland)
    Weitere Hintergrundinformationen:
    Prozessbeobachtungsberichte vom 22. und 28.6.2016  durcht RAV und Vereinigung Berliner Strafverteidiger]]>
    KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-477 Tue, 05 Jul 2016 15:23:00 +0200 Strafverfolgung von Verteidigerinnen und Verteidigern in der Türkei nimmt kein Ende<br />Anwältinnen und Anwälte weiter in Untersuchungshaft /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfolgung-von-verteidigerinnen-und-verteidigern-in-der-tuerkei-nimmt-kein-ende-br-anwaeltinnen-und-anwaelte-weiter-in-untersuchungshaft-477 Prozessbeobachtungen in der Türkei, Juni 2016 1. Verhaftungswelle 2011 (sog. ›KCK-Anwaltsverfahren‹) Die Kolleginnen und Kollegen sind im November 2011 festgenommen worden und befanden sich teilweise über 2 ½ Jahre in Untersuchungshaft. Das Verfahren dauert an. Allen Angeklagten wird vorgeworfen, im Rahmen ihrer Haftbesuche bei Abdullah Öcalan, der sich seit 1999 in Isolationshaft auf der Insel Imralı befindet, Kommunikationsstrukturen zwischen Öcalan und der KCK aufgebaut und unterhalten zu haben. Dass dieser Vorwurf unhaltbar ist, belegt bereits der Umstand, dass sämtliche Haftbesuche der Verteidiger*innen bei Öcalan vollständig überwacht und die Verteidiger*innen stets mehrfach durchsucht wurden. Mit einer derartigen Massenverhaftung wird 2011 ein spürbares Loch in die Reihe der engagierten – und gerade auch in den kurdischen Gebieten der Türkei tätigen – Rechtsanwält*innen gerissen. Dies führte gerade bei jungen Kolleginnen und Kollegen dazu, dass sie – oft direkt aus der Uni kommend – ins kalte Wasser der Verteidigung in politischen Verfahren springen mussten. In dieser Zeit gründete sich die Anwaltsvereinigung ÖHD (›Özgürlükçü Hukukçular Derneği‹ – Juristenvereinigung für die Freiheit), um die Arbeit und die Interessen der beteiligten Anwaltschaft vertreten zu können. 2. Verhaftungswelle 2013 (CHD-Verfahren) Im Januar 2013 gab es eine weitere Verhaftungswelle, bei der nochmals 9 Kolleg*innen inhaftiert wurden. Auch hier wird den Anwält*innen vorgeworfen, sich im Rahmen ihrer Verteidigungstätigkeit mitgliedschaftlich in einer terroristischen Vereinigung zu betätigen. Bei den Festgenommenen handelt es sich ausschließlich um Mitglieder des Fortschrittlichen Anwaltsvereins (ÇHD), der sich unter anderem in der Verteidigung für die Kolleg*innen im sog. ›KCK-Anwaltsverfahren‹ sehr engagiert hatte. Auch dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, sondern wird im Oktober 2016 in Istanbul fortgesetzt. Die Kolleg*innen befinden sich inzwischen nicht mehr in Untersuchungshaft. Ermordung des kurdischen Rechtsanwalts Tahir Elçi im November 2015 Am 28. November 2015 wurde der kurdische Rechtsanwalt Tahir Elçi in Diyarbakır auf offener Straße erschossen, als er mit anderen Anwält*innen zusammen eine Pressekonferenz abhielt. Elçi war Vorsitzender der Rechtsanwaltskammer in Diyarbakır und hatte in diesem Rahmen nicht nur die Verteidigung im ›KCK-Anwaltsverfahren‹ unterstützt, sondern sich sein Leben lang beruflich für die Durchsetzung der Rechte der Kurd*innen engagiert. Wer für seinen Tod verantwortlich ist, ist bis heute nicht geklärt. Zügige und umfassende Ermittlungen und vor allem Beweissicherungen sind von den Ermittlungsbehörden nicht durchgeführt worden. 3. Verhaftungswelle (ÖHD-TUAD-Verfahren) Eine weitere groß angelegte Aktion der türkischen Sicherheitsbehörden fand am 16. März 2016 statt: Neun kurdische Rechtsanwält*innen der Anwaltsvereinigung für die Freiheit ‹ÖHD‹ wurden festgenommen sowie weitere drei Anwälte und 39 Privatpersonen beschuldigt, sich mitgliedschaftlich für die PKK zu betätigen. Alle betroffenen Anwält*innen sind in der Verteidigung der Kolleg*innen im KCK-Anwaltsverfahren tätig. Ayşe Acinikli, Rechtsanwältin, und Ramazan Demir, Rechtsanwalt, befinden sich nach wie vor in Untersuchungshaft(3). Im April 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen insgesamt 50 Personen. Ihnen wird Mitgliedschaft und teilweise auch Propaganda für die PKK vorgeworfen. Worum geht es? Die Anwält*innen des ÖHD haben in Zusammenarbeit mit dem ›Verein der Familien der Gefangenen‹ TUAD (Tutuklu Aileleri Derneği) versucht, die medizinische Versorgung der Gefangenen sicherzustellen und einen Zugang zu den Gefangenen zu ermöglichen, um deren Interessen vertreten zu können. Dies ist angesichts der Inhaftierungspraxis in der Türkei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da die Gefangenen nicht etwa in der Nähe ihres Wohnortes ihre Haftstrafen antreten, sondern teilweise in hunderten von Kilometern entfernten Hochsicherheitsgefängnissen einsitzen. Da die Familien der Gefangenen oft kaum über finanzielle Mittel verfügen, müssen Besuche häufig über Anwält*innen vor Ort organisiert werden. Die Betreuung der überwiegend kurdischen Gefangenen wird den Angeklagten nun zum Vorwurf gemacht: Sie hätten sich durch ihre Unterstützung der Gefangenen gleichzeitig mitgliedschaftlich in der PKK betätigt. Prozessauftakt am 22. Juni 2016 – Verhandlung hinter verschlossenen Türen Zum Verfahrensauftakt hatte sich eine internationale Beobachtungsdelegation eingefunden, die aus ca. 40 Rechtsanwält*innen bestand, die insbesondere die Anwaltskammern aus Frankreich, Italien, Österreich und berufsständische Vereinigungen aus den Niederlanden (Lawyers for Lawyers), Schweden (International Commission of Jurists), Europa (European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights) und Deutschland (Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V. und Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V.) vertraten. Auch der ÇHD, der ÖHD und einige Rechtsanwaltskammern aus der Türkei entsandten Vertreter*innen zum Verfahren. Ausgesprochen befremdlich war es für die internationale Delegation, dass gerade die Rechtsanwaltskammer Istanbul dem Verfahren nicht nur fern blieb, sondern es der Verteidigung sogar untersagte, auf Kurdisch verfasste Aufrufe zur Prozessbeobachtung in den Räumen der Anwaltskammer aufzuhängen. Wir legen das als deutliches Zeichen dafür aus, dass die fehlende Solidarität mit den kurdischen Kolleg*innen nationalistisch begründet ist. Der Verhandlungssaal war Dank der erheblichen Unterstützung durch die Familien der Angeklagten und der kurdischen Kolleg*innen bis auf den letzten Platz gefüllt.(4) Die insgesamt acht inhaftierten Angeklagten (von ihnen zwei Anwält*innen) wurden vorgeführt, weitere zwei Angeklagte wurden per Videokonferenz zugeschaltet. Es waren nicht alle Angeklagten erschienen, weil von vornherein klar war, dass es an diesem Verhandlungstag ausschließlich um die Haftfragen gehen würde. Mit Beginn der Verhandlung wurde auf Anweisung des Vorsitzenden die Tür zum Saal von innen verschlossen. Als dies durch die Verteidigung unter Hinweis auf den Öffentlichkeitsgrundsatz gerügt wurde und der Saalwachtmeister sich anschickte, wieder aufzuschließen, befahl ihm der Vorsitzende unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen, dies zu unterlassen. Dies stellt eine grundlegende Verletzung der türkischen StPO dar. Da ein inländischer Rechtsschutz offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben würde, kündigte die Verteidigung auch gleich die Beschwerde beim EGMR an, das einzige Gericht, das derzeit noch den Versuch unternimmt, die Judikative und die Exekutive in der Türkei zur Einhaltung ihrer eigenen Rechtsordnung zu zwingen. Von der Verteidigung wurden die wesentlichen Rechtsmängel dieses Verfahrens benannt und beantragt, das Verfahren einzustellen sowie die Inhaftierten unverzüglich zu entlassen. Folgende Punkte waren dabei maßgeblich: 1) Kriminalisierung anwaltlicher Tätigkeit
    Den angeklagten Rechtsanwält*innen des ÖHD wird vorgeworfen, sie hätten in ihrer beruflichen Eigenschaft Kontakt mit den Gefangenen aufgenommen und diese zum Aufbau einer Kommunikationsstruktur mit der PKK ausgenutzt. Beweise dafür, dass Informationen an die PKK geflossen sind, finden sich in der Akte allerdings nicht. Stattdessen finden sich hier Anträge und Beschwerden, die die Kolleg*innen im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen in den kurdischen Gebieten gestellt haben. So enthält die Akte auch die Entscheidung des EGMR, in der die Türkei unter Hinweis auf ihre eigene Verfassung angewiesen wurde, die medizinische Versorgung der im Januar 2016 in Cizre eingeschlossenen Menschen zu gewährleisten.
    Die Verbreitung dieser Entscheidung via Twitter durch einen der Angeklagten wird in der Anklage als Herabwürdigung der Türkei und als Propaganda für die PKK gewertet.
    Eine Verfolgungsermächtigung, die strafprozessual eine wesentliche Voraussetzung für die Einleitung von Strafverfahren gegen Anwalt*innen in der Türkei ist, wurde seitens der Ermittlungsbehörden vom türkischen Justizministerium gar nicht erst eingeholt. 2) Kriminalisierung der menschenrechtlichen Arbeit des Vereins TUAD
    Der ›Verein der Familien der Gefangenen‹ (TUAD) wurde 2003 zur Unterstützung der Gefangenen und ihrer Familien gegründet. Hier organisieren sich die betroffenen Familien selbst, um die grundlegende Unterstützung ihrer Angehörigen in den Gefängnissen zu ermöglichen. Es geht vorwiegend um die unzureichende medizinische Versorgung der Gefangenen. So werden schwere Krankheiten seitens der Gefängnisärzte gar nicht erst diagnostiziert, um eine Behandlung zu verhindern. Auch hat sich die gesundheitliche Situation der Gefangenen mit den neuen Sicherheitsgesetzen, die den Wärtern den Gebrauch von Gas und Knüppel erlauben, erheblich verschlechtert. Den angeklagten kurdischen Mitgliedern des Vereins wird ohne jeglichen Nachweis vorgeworfen, durch die Organisation rechtlicher und humanitärer Hilfe und die Veröffentlichung der Menschenrechtsverletzungen gegenüber den kurdischen Gefangenen als Arm der PKK zu agieren. 3) Rechtswidrige Erhebung von Beweisen
    Von den Ermittlungsbehörden wurden Überwachungskameras in den für die Verteidiger*innen vorgesehenen Sprechzellen der Gefängnisse und in den Vereinsräumen von TUAD installiert und für das Verfahren ausgewertet. Das hier von der Verteidigung im Rahmen des Einstellungsantrags geltend gemachte Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot wurde vom Gericht ohne Begründung abgelehnt. Die Ausführungen der Verteidigung, dass die Vertraulichkeit des Gesprächs zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine rechtsstaatliche Notwendigkeit darstellt, fanden kein Gehör. 4) Politisches Verfahren
    Vor allem die Angeklagten machten Ausführungen zum ausschließlich politischen Charakter dieses Verfahrens. Sie stellten die Notwendigkeit ihrer eigenen Arbeit – ob anwaltlich oder humanitär – dar und nutzten die (hier eingeschränkte) Öffentlichkeit der Verhandlung, um auf die massiven Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen und in den kurdischen Gebieten hinzuweisen:
    Auf die Anklagebank gehören die, die in Cizre und den anderen Orten gemordet haben, nicht wir. Aber da Sie uns (Rechtsanwält*innen; Anm. der Unterzeichner) nicht vernichten können, greifen Sie uns immer härter und aggressiver an‹, so Rechtsanwältin Ay?e Acinikli vor Gericht. ›Die Staatsanwaltschaft interessiert sich nicht für diese Menschenrechtsverletzungen, diese Morde. Die Staatsanwaltschaft interessiert sich nur dafür, dass wir diese als solche benennen. Gleichzeitig weiß die Staatsanwaltschaft, dass kein Mensch sie für diese rechtswidrige Anklageschrift zur Rechenschaft ziehen wird in diesem Rechtssystem, das keinen Boden mehr hat. Niemand kontrolliert die Staatsanwaltschaft. Und Sie lassen diese Anklage auch noch zu. Wir sind stolz darauf, dass wir all das gemacht haben, was in der Anklage zusammengetragen wurde, wir haben uns immer verfassungsgemäß verhalten‹, führte Rechtsanwalt Ramazan Demir weiter aus. Zu dem Vorwurf, er habe durch seine Arbeit dem Ansehen der Türkei geschadet: ›Das Ansehen des Staates kann nur dann beschädigt werden, wenn es überhaupt noch ein Ansehen gibt.‹ Nach fünfstündiger Verhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft unter Hinweis darauf, dass die bisherige Untersuchungshaft ihren Zweck erfüllt habe, die Aufhebung der 8 noch bestehenden Haftbefehle.
    Das Gericht zog sich eine halbe Stunde zur Beratung zurück und verkündete dann – ohne ein Wort der Begründung – die Aufhebung der Haftbefehle gegen zwei Mitglieder des TUAD. Die Haftbefehle gegen die beiden inhaftierten Rechtsanwält*innen wurden nicht aufgehoben. Warum und vor allem auf welcher Grundlage die weiteren 6 Inhaftierten Angeklagten in Haft bleiben müssen, war auch für die Verteidigung, die fest mit der Freilassung aller gerechnet hatte, vollkommen unklar. Das Verfahren soll am 7. September 2016 fortgesetzt werden. 28. Juni 2016: Fortsetzung im KCK-Anwaltsverfahren
    (14. Hauptverhandlungstag vor der 19. Kammer des Gerichts für schwere Straftaten, Istanbul) Auf den ersten Blick erschien dieser Hauptverhandlungstag, an dem eine internationale Delegation von Anwaltsorganisationen aus Schweden, Frankreich, Holland, Italien und Deutschland teilnahm, wie ein schlechtes Beispiel von Verfahrensverschleppung durch die Kammer. Die Staatsanwaltschaft wurde angefragt, ob die Bereitschaft zum Plädoyer bestünde, woraufhin diese lapidar mitteilte, in Anbetracht des Prozessumfangs nicht vorbereitet zu sein (!).
    Die Prozesserklärungen der Anwält*innen der Angeklagten beinhalteten bereits vorgetragene, aber bisher zu Unrecht abgelehnte bzw. nicht berücksichtigte Anträge. Es wurden seitens der Verteidigung folgende drei Anträge gestellt: 1. Das Gericht solle weitere Schritte zurückstellen, bis das Verfassungsgericht in dem Parallelverfahren gegen Journalist*innen darüber entscheidet, ob die Grundsätze des gesetzlichen Richters und der Unmittelbarkeit verletzt sind, wenn eine Gerichtsbesetzung verändert wird, ohne dass der Prozess von vorne beginnt. Hier verwiesen die Anwält*innen darauf, dass das Verfassungsgericht bereits entschieden habe und das schriftliche Urteil in Kürze erwartet werde. 2. Neubeginn der Beweisaufnahme, da zum einen die Umstrukturierung der Gerichte dies erforderlich mache, zum anderen sowieso bisher keine wirkliche Beweisaufnahme stattgefunden habe. 3. Beiziehung konkret mit Aktenzeichen benannter Akten der Verfahren gegen mehrere Staatsanwälte und Richter wegen Amtsmissbrauchs und Beweismanipulation; darunter insbesondere auch gegen Mehmet Ekinci, der der Vorsitzende Richter des ursprünglichen Spruchkörpers war und gleichzeitig unter Verstoß gegen zwingendes Prozessrecht auch als Ermittlungsrichter in diesem Verfahren agierte. Die Beiziehung werde ergeben, dass diese Funktionsträger in ihrer beruflichen Tätigkeit unrechtmäßig Beweise produzierten oder erlangten. Entsprechend könnten die durch sie in diesem Verfahren vorgebrachten Beweismittel nicht gegen die Angeklagten verwandt werden. Das Gericht gab den Anträgen 1 und 3 statt. Dies bedeutet eine Bewegung im Verfahren. Entsprechend war die anwaltliche Vertretung der Angeklagten erleichtert und erfreut über das Ergebnis. Aus welchem Grund sich die Staatsanwaltschaft regelrecht ‹weigerte‹ zu plädieren und warum erstmals Anträgen der Verteidigung nachgegangen wurde, blieb allerdings unklar. Ganz offensichtlich wollte man in der derzeitigen politischen Situation kein Urteil fällen. Das Gericht setzte den Fortsetzungstermin auf den 14.11.2016 9.30 Uhr fest. Fazit Seit Jahren zeigt sich eine massive Zuspitzung des Angriffs auf die freie Advokatur in der Türkei. Ein Angriff auf die Anwaltschaft ist immer ein direkter Angriff auf den Rechtsstaat. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung soll die Anwaltschaft in der Türkei von der Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgabe, nämlich der Verteidigung der Rechte des Einzelnen gegen den Staat, abgehalten werden. Dabei zeigt sich die Justiz zunehmend als willfährige Vollstreckerin der rechtsstaatswidrigen Politik Erdoğans. Mit der Macht des Faktischen, also mit der rechtswidrigen Verfolgung und Inhaftierung von Rechtsanwält*innen soll dieser Pfeiler der Demokratie eingeschüchtert und ausgeschaltet werden. Hierbei lässt die Justiz der Exekutive weitestgehend freie Hand. Denn auch weite Teile der Justiz stehen unter dem direkten politischen Einfluss der Regierung. Mit der Reform des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte, der mit der Ernennung, Versetzung und Suspendierung von Richter*innen und Staatsanwält*innen betraut ist, hat Erdoğans AKP die politische Oberhand über die Justiz erlangt. Allein im Juni 2016 wurden rund 8.700 Versetzungen politisch unliebsamer Richter*innen und Staatsanwält*innen vorgenommen. Ein aktueller Gesetzesentwurf der AKP sieht zudem die vollständige Auswechslung der Richterschaft an den Obersten Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichten vor. Die Türkei hat sich damit bereits vom Grundsatz der Gewaltenteilung verabschiedet. Unsere Kolleginnen und Kollegen bedürfen dringend einer internationalen und aktiven Unterstützung.
    Der Angriff auf sie ist ein Angriff auf die freie Advokatur, den wir nicht schweigend zulassen dürfen.
    Die Delegation verurteilt diese rechtswidrigen Verfahren und Inhaftierungen aufs Schärfste und fordert die unverzügliche Freilassung der Inhaftierten. Berlin, den 4. Juli 2016 (1) Ramazan Demir, Ayşe Acinikli, İrfan Arasan, Hüseyin Boğatekin, Şefik Çelik, Adem Çalışci, Tamer Doğan, Mustafa Rüzgar, Ayşe Başar, Sinan Zincir, Raziye Öztürk und Ruşen Mahmutoğlu
    (2) vgl. dazu im Überblick: Infobrief #109, 2014, http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-109-2014/wir-spielen-gerechtigkeit-1/
    (3) Nach den ersten Festnahmen am 16.03.2016 wurden alle betroffenen Rechtsanwält*innen nach wenigen Tagen freigelassen. Gegen die genannten zwei Kolleg*innen erging jedoch erneut Haftbefehl; sie stellten sich am 6. April 2016 und sind seitdem durchgängig in Untersuchungshaft.
    (4) Vor dem Saal waren noch zahlreiche weitere Zuschauer, die keinen Einlass mehr fanden. s.a.: Gemeinsame Erklärung der Internationalen Prozessbeobachtungsdelegation vom 28.06.2016 Berichte und Erklärung als PDF]]>
    KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-475 Fri, 17 Jun 2016 11:50:00 +0200 Der türkische Staat ist kein geeignetes Schutzobjekt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-tuerkische-staat-ist-kein-geeignetes-schutzobjekt-475 Pressemitteilung, 16.6.16  „Der türkische Staat ist kein geeignetes Schutzobjekt“ Am 17. Juni 2016 beginnt vor dem Oberlandesgericht München der größte Staatsschutzprozess in Deutschland seit Ende der 1980er Jahre. Angeklagt sind zehn türkische und kurdische Kommunist_innen, denen vorgeworfen wird, das sogenannte Auslandskomitee der maoistischen TKP/ML (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) gebildet zu haben. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b StGB vorgeworfen, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren Haft vorsieht.
    Die 1972 in der Türkei gegründete TKP/ML ist laut Angaben des Verfassungsschutzes in Deutschland nur politisch aktiv. Laut der Anklageschrift soll sie dort auch eine bewaffnete Organisation – die TIKKO – unterhalten, der diverse Anschläge, unter anderem gegen Angehörige der Polizei und des türkischen Militärs, vorgeworfen werden. Sie ist weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten verboten und auf keiner der nationalen und internationalen Terror-Listen - außer in der Türkei - als Organisation aufgeführt.
    Wie auch beim § 129 a StGB (Mitgliedschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung) bedarf es beim § 129b StGB nicht der Begehung konkreter Straftaten, um deswegen angeklagt zu werden. Eine mitgliedschaftliche Betätigung für die Organisation reicht aus. Auch den hier Angeklagten wird keine konkrete Straftat vorgeworfen. Für die strafrechtliche Verfolgung einer ausländischen Organisation gemäß § 129b StGB bedarf es einer sogenannten Verfolgungsermächtigung, die durch das Bundesministerium für Justiz erteilt wird – ähnlich wie es beim Verfahren gegen Jan Böhmermann der Fall war. Nach der Gesetzesbegründung sollen bei der Entscheidung, ob eine Verfolgungsermächtigung erteilt wird oder nicht, die außenpolitischen Interessen Deutschlands berücksichtigt werden. Das Ministerium soll dabei weiter in Betracht ziehen, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet und insgesamt als verwerflich anzusehen sind. Nach unserer Ansicht ist der türkische Staat in seiner derzeitigen Verfassung keine die Würde des Menschen achtende staatliche Ordnung. Es ist bekannt, dass die Republik Türkei seit mehreren Jahren in vielfältiger Art und Weise die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt, u. a. durch die Lieferung von Waffen, durch unentgeltliche Behandlung verletzter IS-Kämpfer, durch Zurverfügungstellen türkischen Staatsgebietes für Angriffe des IS auf die kurdischen Gebiete in Syrien sowie durch bis in das Jahr 2016 andauernde Geschäftsbeziehungen. Diese Unterstützung stellt einen Verstoß gegen Völkerrecht dar, u. a. gegen bindende Resolutionen des UN-Sicherheitsrates.  Gleichzeitig hat der türkische Staat im letzten Jahr die Angriffe gegen kurdische Städte und Dörfer intensiviert, die zu immensen Zerstörungen und zu vielen Hunderten von Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt haben. Journalisten, die kritisch berichten, werden zu langjährigen  Haftstrafen verurteilt, wie auch andere Kritiker_innen, denen Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan vorgeworfen wird. Vor einigen Wochen wurde die Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten des türkischen Parlamentes aufgehoben, wodurch vor allem die Parlamentarier der prokurdischen und linken Partei HDP betroffen sind, die nun mit einer Strafverfolgung zu rechnen haben. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Grundlagen für eine Verfolgung von türkischen und kurdischen Organisationen in Deutschland als nicht gegeben an. Während in Deutschland fast täglich von Nazis und Rassist_innen Anschläge auf unbewohnte und bewohnte Flüchtlingsunterkünfte, die in den meisten Fällen unaufgeklärt bleiben, verübt werden, führt die Bundesanwaltschaft mit einem enormen Aufwand ein Verfahren gegen die zehn Angeklagten. Gleichzeitig werden derzeit so viele Verfahren gegen Kurden geführt, denen vorgeworfen wird, Kader der PKK zu sein, wie schon seit Jahren nicht mehr.
    Die deutsche Strafjustiz macht sich damit zum Erfüllungsgehilfen von Erdogan und der AKP. Solange der türkische Staat permanent und systematisch nationales und internationales Recht bricht und die Menschenrechte mit Füßen tritt ist die türkische Staatsräson kein Schutzobjekt des deutschen Strafrechts. Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle | kontakt@rav.de Der türkische Staat ist kein geeignetes Schutzobjekt; PM als PDF]]>
    news-474 Tue, 07 Jun 2016 07:49:00 +0200 WELCOME TO STAY /publikationen/mitteilungen/mitteilung/welcome-to-stay-474 Zusammenkunft der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität, der Migration und des Antirassismus 10.-12. Juni in Leipzig

    Summit of the welcome, migration, solidarity and anti-racist movements
    Rassemblement des mouvements issus de l‘accueil, de la migration, de la solidarité et de l‘antiracisme

    Die wenigen Monate seit dem „summer of migration“ haben unsere Gesellschaft verändert. Die Kraft der Migration hat Grenzen überwunden. Nun werden die Mauern um die Festung Europa wieder geschlossen, das Sterben an den Außengrenzen geht weiter. Rassistische Gewalt und rechte Wahlerfolge erreichen erschreckende Ausmaße. Aber gleichzeitig gibt es unzählige Erfahrungen der Begegnung, der Solidarität und des gemeinsamen Widerstands.

    Vor diesem Hintergrund laden wir ein zu einer Zusammenkunft unserer Bewegungen, zu drei Tagen des Austauschs und der Diskussion. Wir wünschen uns, dass Menschen aus den vielen Willkommensinitiativen, Solidaritätsgruppen, Selbstorganisationen von Geflüchteten, aus den antirassistischen und antifaschistischen Gruppen und Netzwerken und aus den zivilgesellschaftlichen Organisationen nach Leipzig kommen.

    Für alle weiteren Informationen rund um die Tagung verweisen wir hiermit auf die Seite von Welcome2Stay
    und wünschen allen ein gutes und weiterführendes Treffen.

    Die Zeitung zur Tagung als Download

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    Geflüchtetenlager Migration & Asyl (doublet)
    news-453 Wed, 11 May 2016 11:12:00 +0200 ›Miners shot down‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/miners-shot-down-453 Filmvorführung, 19.5.2016 ›Miners shot down‹ von Rehad Desai (Dokumentarfilm, ZA 2014, 86 min),

    19. Mai 2016 um 19:30 in der "B-Lage", Mareschstr. 1, Berlin-Neukölln zeigen.
    Anfahrt: S41/42 Sonnenallee; U7 Neukölln/Karl-Marx-Str.; Bus M41 Mareschstr. August 2012: Am siebten Tag eines Minenarbeiterstreiks eskaliert die Polizeigewalt zum „Massaker von Marikana“: 34 Arbeiter sterben, viele mehr werden verletzt. Rehad Desai begleitete den Streik von Tag eins und stellt Filmaufzeichnungen der Vorfälle, Interviews mit Streikführern und Rechtsanwälten sowie Aufnahmen der anschließenden Untersuchungskommission gegenüber. Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=pkK_T_vz7cY Die komplette Filmreihe von RAV & NSU-Watch kann hier aufgerufen werden.
    Oder als Flyer (PDF) hier. Der Eintritt ist frei, über Spenden freuen wir uns. Die Filmabende sollen der Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen dienen und einen zwanglosen politischen Austausch – jenseits üblicher Podiumsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Arbeitstreffen – unter unseren Mitgliedern, FreundInnen und Interessierten anregen. ]]>
    news-451 Wed, 20 Apr 2016 10:27:00 +0200 BKA-Gesetz verfassungswidrig /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bka-gesetz-verfassungswidrig-451 Pressemitteilung, Berlin 20.4.2016 Gegen diese Vorschriften aus dem Jahre 2008 wenden sich neben vielen anderen auch die früheren oder amtierenden RAV-Vorstände und Rechtsanwälte Andrea Würdinger (Berlin), Wolf Dieter Reinhardt (Hamburg) und Martin Lemke (Hamburg) mit Verfassungsbeschwerden. Sie rügen unter anderem, dass die mit der seinerzeitigen Gesetzesnovelle weitreichende und sachlich nicht notwendige Eingriffe in die Vertraulichkeit des anwaltlichen Mandats möglich gemacht wurden und damit Hand an die freie Advokatur als verfassungsrechtlich unverfügbarer Grundfeste des Rechtsstaats gelegt wurde. Sie wandten sich ferner gegen eine Vielzahl von Eingriffsbefugnissen, die nicht durch trennscharfe und streng an den Erfordernissen der Bekämpfung konkreter Gefahren für hochrangige Rechtsgüter orientierte Regeln begrenzt wurden. Das heute verkündete Urteil erklärt die im Jahre 2008 mit großem politischen Aufwand und gegen vehemente Kritik aus der Zivilgesellschaft erlassenen Vorschriften in weiten Teilen für verfassungswidrig. Dazu erklärt der RAV-Vorsitzende Rechtsanwalt Martin Heiming (Heidelberg): „Jetzt steht fest, dass der Gesetzgeber sehenden Auges die besonderen Befugnisse des BKA bei der präventiven Terrorismusbekämpfung außerhalb der Verfassung angesiedelt hat. Das Urteil vom heutigen Tage war vorhersehbar und reiht sich ein in eine Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen die exzessive Sicherheitsgesetzgebung der letzten Jahre korrigiert werden musste.“  Die Beschwerdeführer aus den Reihen des RAV-Vorstands erwarten nun, dass auch ihre Verfassungsbeschwerden (Geschäftszeichen: 1 BvR 1141/09) in Kürze Erfolg haben wird. Eine Zusammenfassung der wesentlichen verfassungsrechtlichen Beanstandungen finden Sie unter folgendem Link: http://www.rav.de/projekte/bka-gesetz/ PM als PDF]]> Verfassungsbeschwerde BKA-Gesetz news-450 Wed, 13 Apr 2016 12:14:00 +0200 Bericht der Delegation nach Diyarbakır /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-der-delegation-nach-diyarbakir-450 21 to 24 January 2016 I. IntroductionIn the course of these meetings, the delegation received reports and testimonies about the dramatic situation inside but also outside the curfew zones. II. Preliminary Remarks and Limitations of the Fact-Finding Mission However, the delegation strongly underscores that basic fundamental human rights are non-disposable and indivisible rights to which both civilians and fighters are entitled.
    III. Personal Observations by the Members of the Delegation and Testimonies and Reports Received by Witnesses and Interlocutors The delegation had no access to the area under curfew. However, the lawyers could walk on the main street that separates Sur’s curfew area from the special security area. They could also see helicopters and fighter jets over Sur, as well as armoured vehicles, including a tank, at the entrance of the curfew zone. They could see the metal fence that prevents citizens living in Sur leaving the area and people from outside entering.
    Moreover, from outside the curfew area they could hear machine guns and artillery inside the curfew zone.
    Human rights defenders and centres of documentation can only gather information through telephone contact with people inside the area or from reports of people who have left the respective towns or districts. In addition, (social) media contributes to the collection of information. Only for the (short) periods when the curfew is lifted outsiders can access the area. Independent investigations and comprehensive documentations are impossible. 1. The Curfew Imposed on Various Districts in Diyarbakır 2. Police and Military ViolenceThe so-called Turkish security forces are responsible for large-scale house destruction in the Sur district of Diyarbakır and the Cizre and Silopi districts of Şırnak, the İdil district of Şırnak, Nusaybin district of Mardin and Yüksekova district of Hakkari. In many cases, houses were destroyed by the military because it knew or suspected Kurdish resistance forces were inside.Between 16 August 2015 and 10 January 2016, numerous military operations were undertaken in urban and rural areas across Kurdistan; Şemdinli town, Lice town and the Dersım province in particular. The use of artillery caused fires in rural parts of these towns, burning down thousands of acres of forestland and destroying many gardens and village houses (Ecological Damage Report prepared by Union of South Eastern Region Municipalities (GABB)). Between 12 September 2015 and 10 January 2016, in the rural areas of 11 provinces, the security forces bombarded and destroyed 13 cemeteries, home to PKK members who lost their lives at various points in the protracted war on Kurdistan. Mosques and djemevi (religious places) attached to the cemeteries have also been destroyed on the pretext that they served as arsenal storage sites for the PKK. Each time local people stood, watching, as human shields to prevent the destruction. UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) has included the Sur District of Diyarbakır in its list of World Heritage sites. Helicopter bombs and heavy artillery are now destroying the city walls, houses, mosques and churches bearing thousands of years of history. Kurşunlu Mosque has been bombarded by an airstrike, Paşa Hammam burned down and Surp Giragos Armenian Church and Armenian Catholic Church heavily damaged.  3. Credibility of Witnesses  Since all interlocutors whom the delegation met confirmed the reports and testimonies about the curfews, its characteristics and its impact on the civilians, they had no doubt about the credibility of the witnesses. In addition, reports of journalists and photographs from the curfew areas showed the same situation.  IV. Legal Conclusions Related to the Curfews
    1. The Imposition of the Curfews under Turkish Law The respective governors/deputy governors ordered curfews based on Article 11 (c) of the provincial Administration Law No. 5442.(19)
    The governor shall have the duty, inter alias, to secure peace and security, personal immunity, safety of private property, public well-being and the authority of preventive law enforcement.
    A curfew is not specifically mentioned in this article. However, even if curfews were a legitimate way to secure peace, security and public order, the length and means through which they are implemented need to be proportionate and must not affect basic fundamental rights, such as the right to life, access to medical services, food and drinkable water. This applies for both fighters and civilians.
    Thus, the long-lasting curfews, like 24/7 in Diyarbakır for more than two months where everybody in the area is cut off from basic needs, are unlawful. In addition, the means that special police forces and the military use for securing peace and security are weapons of war. In densely populated areas the use of helicopter bombs, heavy artillery, shells, howitzers, mines, mortars, machine guns, tear gas, snipers, airstrikes, tanks and thousands of combat troops necessarily affects the civilian population and is therefore unlawful. The delegation notes that Turkish law explicitly allows for imposing “a limited full curfew” but only if a state of emergency is declared. Turkish law states as follows: Article 11 of ACT NO. 2935 STATE OF EMERGENCY LAW
    Measures to be taken in the Case of Violence
    Whenever a state of emergency is declared in accordance with Article 3 (1)(b) to protect general security, security and public order and to prevent the spread of acts of violence, in addition to the measures taken in accordance with Article 9, the following measures may be taken:a) Imposition of a limited or full curfew; Article 3/l of Act 1402 Martial Law l) to impose restrictions on the movement of people; to impose curfews; and, as and when necessary, to introduce appropriate civil defence measures. The delegation submits for consideration that the Council of Ministers did not declare a state of emergency and martial law. Therefore, the imposed curfews have no legal basis. Further, the curfew restricts or/and suspends fundamental basic rights and freedoms. The Constitution allows for such restriction only through law and in times of war, mobilization, martial law, or state of emergency. The Constitution of the Republic of Turkey provides: Article 13 of the Constitution of the Republic of Turkey
    II. Restriction of Fundamental Rights and Freedoms
    Fundamental rights and freedoms may be restricted only by law and in conformity with the reasons mentioned in the relevant articles of the Constitution without infringing upon their essence. These restrictions shall not be in conflict with the letter and spirit of the Constitution and the requirements of the democratic order of the society and the secular Republic and the principle of proportionality. Article 15 of the Constitution of the Republic of Turkey
    I. Suspension of the Exercise of Fundamental Rights and Freedoms
    In times of war, mobilization, martial law, or state of emergency, the exercise of fundamental rights and freedoms can be partially or entirely suspended, or measures may be taken, to the extent required by the exigencies of the situation, which derogate the guarantees embodied in the Constitution, provided that obligations under international law are not violated.
    Even under the circumstances indicated in the first paragraph, the individual’s right to life, and the integrity of his or her material and spiritual entity shall be inviolable except where death occurs through lawful act of warfare; no one may be compelled to reveal his or her religion, conscience, thought or opinion, nor be accused on account of them; offences and penalties may not be made retroactive, nor may anyone be held guilty until so proven by a court judgment.
    The delegation observes that the restrictions and suspension of basic fundamental rights and freedoms in the curfew zones and the neighbouring security zones have no legal basis and are not in accordance with the provisions of the Constitution, which is higher in rank than the Law on Provisional Administration, which the governors used as legal basis.
    Therefore, the rights violations caused through the declaration and implementation of curfews are unconstitutional.
    However, even if the imposed curfews are a legitimate measure that governors may take to secure security and public order, they lack proportionality by length and means of implementation and violate the fundamental rights of the population. They violate the Constitution, which allows for restrictions and suspension of fundamental rights and freedoms only in times of war, mobilization, martial law or state of emergency. Conclusion The curfews have no legal basis. Even if the curfews were/are legal as a measure to secure security and public order, they disproportionally affect the (civilian) population by length (24/7) over 53(20) days and are therefore unlawful.
    The characteristics (manner of enforcement, prevention of medical care, lack of sufficient and clean water, lack of electric energy) of the curfews’ making are absolutely disproportionate.
    The destruction of houses by the military to “neutralize” suspected fighters is not authorized by any law.
    2. Relevant Articles of the European Convention on Human Rights (ECHR) and of Turkish Law Concerning the Impact of the Curfew and the Violence of the Military and the Police Article 2 ECHR Right to Life 1. Everyone’s right to life shall be protected by law. No one shall be deprived of his life intentionally save in the execution of a sentence of a court following his conviction of a crime for which this penalty is provided by law. 2. Deprivation of life shall not be regarded as inflicted in contravention of this Article when it results from the use of force, which is no more than absolutely necessary:
    (a) in defence of any person from unlawful violence;
    (b) in order to effect a lawful arrest or to prevent the escape of a person lawfully detained;
    (c) in action lawfully taken for the purpose of quelling a riot or insurrection. 
    Article 2 of the ECHR, which safeguards the right to life and sets out the circumstances when deprivation of life may be justified, ranks as one of the most fundamental provisions in the Convention, from which no derogation is permitted. Together with Article 3 (which prohibits torture and inhuman and degrading treatment or punishment), it also enshrines one of the basic values of the democratic societies making up the Council of Europe.(21)
    A state has to refrain from intentional and unlawful taking of lives and is only allowed to use lethal force if it is “absolutely necessary”. If lethal force is used, it has to be proportional.
    As a positive obligation, a state has to protect the lives of those within its jurisdiction. As a procedural obligation, a state has to investigate violations properly, including cases involving state agents or bodies, to ensure their accountability for deaths occurring under their responsibility.  Article 17 of the Turkish Constitution on Personal Inviolability, Corporeal and Spiritual Existence of the Individual  Everyone has the right to life and the right to protect and improve his/her corporeal and spiritual existence.
    The corporeal integrity of the individual shall not be violated except under medical necessity and in cases prescribed by law; and shall not be subjected to scientific or medical experiments without his/her consent. No one shall be subjected to torture or mal-treatment; no one shall be subjected to penalties or treatment incompatible with human dignity.
      Article 17 of the Turkish Constitution guarantees the right to life and protects the physical and mental wellbeing.  There is strong evidence that Article 2 of the ECHR and Article 17 of the Turkish Constitution have been violated by the following acts:
    (a) Killing of civilians and of unarmed fighters
    The delegation received information from the interviewees and human rights organizations that the special police forces and the military conducted a special offensive in the areas under curfew. The state forces use heavy weapons of war, killing and injuring people who were present in these zones.(23)  Since 11 December 2015, the form of the curfews and the size of the area they cover has changed. The government and state officials have issued more aggressive statements. An increasing number of military and special police forces are deployed and demonstrate the intenseness of the offensive.
    According to witness statements(24), out of 310 civilians killed in the curfew areas between 11 December 2015 and 18 March 2016, at least 180 lost their lives while they were within the boundaries of their homes. Fifty-three were killed due to open fire or being hit by a missile and 18 lost their lives due to the stress of curfews on their health. Moreover, 137 were in Cizre District, and 35 of these occurred from firearms.  (b) Preventing the access of health services
    According to the limited information that TIHV (Türkiye İnsan Hakları Vakfı) could obtain from the press and online videos, at least 76 civilians have lost their lives since 11 December 2015 through not being able to reach to ambulances and hospitals because the security forces prevented doctors and nurses entering the area. Within the last weeks, the European Court of Human Rights approved at least three decisions on interim measures for wounded Hüseyin Paksoy (16), Serhat Altun (23), Orhan Tunç in Cizre, Cihan Karaman and Helin Öncü. However, three of them lost their lives. The interim measures ordered by the ECtHR were not implemented by the Turkish state. Medical personnel protest in front of the town hall every day in Diyarbakir because they are not allowed to provide medical services in the curfew areas.  (c) Preventing access to food and drinking water
    The delegation received information that people living in the curfew areas have no access to food and often not to drinking water. Shops are closed. Business is turned down. Blocking access to food and drinking water endangers people, makes them sick and vulnerable and puts their lives at risk.  (d) Destruction of electricity supplies and power cuts
    The delegation took note that in the curfew zones electricity is limited and prevents people from heating their homes during the cold winter, which puts also their lives at risk.  Article 8 ECHR Right to Respect for Private and Family Life  1. Everyone has the right to respect for his private and family life, his home and his correspondence.
    2. There shall be no interference by a public authority with the exercise of this right except such as is in accordance with the law and is necessary in a democratic society in the interests of national security, public safety or the economic well-being of the country, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, or for the protection of the rights and freedoms of others.
    On 30 September 2011, the ECtHR issued a judgment in the case of Girard vs France(25) and recognized a new right under Article 8 – the right to bury one’s relatives.
    This judgment deals with: returning the body to relatives, organizing and attending a funeral, and treatment of samples taken from the body for investigation purposes.  The Turkish Constitution protects the privacy of private and family life.  Article 20 Turkish Constitution Everyone has the right to demand respect for his/her private and family life. Privacy of private or family life shall not be violated.  Article 20 of the Turkish Constitution is similar to Article 8 of the ECHR. It is suggested that this article also encompasses the right to bury family members and relatives.
    There is strong evidence that the Turkish government violated Article 8 of the ECHR and Article 20 of the Turkish Constitution by changing the respective regulation26 and burying corpses without the attendance of the dead person’s relatives.  There have been many reports from Sur and other curfew areas that families were prevented from burying their children and other relatives, whose corpses lay on the street for many days. The delegation met families, mainly women, who went on hunger strike to obtain permission to bury their children.
    A local lawyer reported that the corpse of 56 year-old Taybet Inan, who was shot by a sniper, lay in the street for seven days because her family could not collect the body.  Article 10 ECHR Freedom of Expression 1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers. This Article shall not prevent States from requiring the licensing of broadcasting, television or cinema enterprises.
    2. The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, may be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and impartiality of the judiciary.
      Article 26 of the Turkish Constitution Freedom of Expression and Dissemination of Thought Everyone has the right to express and disseminate his/her thoughts and opinions by speech, in writing or in pictures or through other media, individually or collectively. This freedom includes the liberty of receiving or imparting information or ideas without interference by official authorities. This provision shall not preclude subjecting transmission by radio, television, cinema, or similar means to a system of licensing.  Both the Turkish Constitution and the ECHR protect the right to and freedom of expression. In particular, Turkey has a long record of violations of the freedom of expression. There are several spectacular cases of violations of Article 10 ECHR and Article 26 of the Turkish Constitution, which concern the curfews and brutal violence used by the army and the police. Shortly before he was murdered, the President of the Diyarbakır Bar Association, Tahir Elçi, became a victim of this oppression of any opposition to the government. He was accused of praising PKK, because he said in an interview with CNN Türk “The PKK is not a terrorist organization. Rather, it is an armed political organization that has great local support.” For letting him say this, the TV station was fined TL 700,000 (approximately € 211,000).
    Tahir Elçi was later arrested for these remarks but was released the next day, awaiting trial. However, he was placed under judicial supervision and banned from travelling overseas after being referred to court for his arrest on charges of spreading terrorist propaganda. The indictment, prepared by the Bakırköy Public Prosecutor's Office and sent to the Bakırköy Second High Criminal Court, sought a prison sentence of between one-and-a-half and seven-and-a-half years.  Another spectacular violation occurred after the statement signed by over 1,400 academics and researchers from Turkey and abroad titled “We will not be a party to this crime”. 1,128 academics from 89 universities in Turkey, later joined by hundreds of additional signatories, and over 355 academics and researchers from abroad including figures such as Noam Chomsky, Judith Butler, Etienne Balibar and David Harvey signed a text calling on state of Turkey to end state violence and prepare negotiation conditions.(27)
    The Istanbul prosecutors launched an investigation, with Turkish academics facing accusations ranging from “terrorist propaganda” and “inciting people to hatred, violence and breaking the law” to “insulting Turkish institutions and the Turkish Republic,” the official Anatolia news agency(28) said. After having made a statement at a press conference on 10 March 2016, four academics were arrested under the accusation of "making the propaganda of terrorist organization". During the press conference, they talked about the recent situation of harassment against academics and insisted that they stand behind the petition. The prosecutor submitted the indictment to the court and the first trial will be held on 22 April 2016.
    Turkish prosecutors in Istanbul have taken up the case, with all Turkish signatories of the petition under investigation. If convicted, they face between one and five years in prison. According to a report prepared by academics Kerem Altıparmak and Yaman Akdeniz, who are best known for filing a petition with the Constitutional Court in March 2014 against government bans on YouTube and Twitter, some academics are facing arbitrary investigations in their universities for their acts, which are not a crime according to Turkish laws.  In an earlier case in 2014, Yaman Akdeniz, a professor of law at ?stanbul Bilgi University, and Kerem Altıparmak, an assistant professor at Ankara University's faculty of political sciences, challenged a decision by the Ankara Criminal Court of First Instance in May 2008 that ordered a ban on YouTube for videos insulting the memory of Mustafa Kemal Atatürk, the founder of the Turkish Republic.
    The ECtHR ruled on 1 December 2015 that the decision by the Turkish authorities to block access to YouTube was in violation of Article 10 of the European Convention on Human Rights (ECHR), which enshrines the right to freedom of expression.  Article 11 ECHR Freedom of Assembly and Association  1. Everyone has the right to freedom of peaceful assembly and to freedom of association with others, including the right to form and to join trade unions for the protection of his interests.
    2. No restrictions shall be placed on the exercise of these rights other than such as are prescribed by law and are necessary in a democratic society in the interests of national security or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals or for the protection of the rights and freedoms of others. This Article shall not prevent the imposition of lawful restrictions on the exercise of these rights by members of the armed forces, of the police or of the administration of the State.
      Article 34 Turkish Constitution Everyone has the right to hold unarmed and peaceful meetings and demonstration marches without prior permission.  The Turkish government also has a long record of violations of the freedom of assembly. The violent attacks on demonstrators on Taksim in 2013 are not forgotten.  There is strong evidence that the Turkish government violated Article 11 ECHR and Article 34 of the Turkish Constitution.  Since the curfews started in Diyarbakır and Sirnac, protests have been violently oppressed and sometimes become very dangerous for participants.(29) In general, demonstrators risk being teargassed.(30) In December 2015, the police killed two demonstrators in Diyarbakır. In February 2016, state forces killed a 16-year-old boy who was demonstrating against the curfew in Diyarbakır.(31)
    The delegation received information that peaceful gatherings and protests against curfews were either prohibited or, if they took place, attacked by state forces. In addition, eight people (six close to Sur district, one in Nusaybin and one in Silvan) were killed by the arbitrary shooting of security forces during peaceful protests against the curfews in streets and squares close to curfew zones, yet where no operation was ongoing or any curfews were declared.(32)  Right to Free Movement  Article 2 of Protocol no. 4 added to the European Convention of Human Rights (which Turkey signed on 19 October 1992, but never ratified) states as follows: Freedom of movement
    1. Everyone lawfully within the territory of a State shall, within that territory, have the right to liberty of movement and freedom to choose his residence. 2. Everyone shall be free to leave any country, including his own. 3. No restrictions shall be placed on the exercise of these rights other than such as are in accordance with law and are necessary in a democratic society in the interests of national security or public safety, for the maintenance of public order, for the prevention of crime, for the protection of health or morals, or for the protection of the rights and freedoms of others. 4. The rights set forth in paragraph 1 may also be subject, in particular areas, to restrictions imposed in accordance with law and justified by the public interest in a democratic society. In addition, Article 23 of the Turkish Constitution provides as follows:
    Article 23 Freedom of Residence and Movement
    Everyone has the freedom of residence and movement. Freedom of residence may be restricted by law for the purpose of preventing crimes, promoting social and economic development, achieving sound and orderly urbanization, and protecting public property. Freedom of movement may be restricted by law for the purpose of investigation and prosecution of an offence, and prevention of crimes. (As amended on October 3, 2001; Act No. 4709, and as amended on September 12, 2010; Act No. 5982) A citizen’s freedom to leave the country may be restricted only by the decision of a judge based on a criminal investigation or prosecution. Citizens shall not be deported, or deprived of their right of entry into the homeland.  There is consistent evidence that these articles have been systematically violated. The human rights organizations with whom the delegation met reported that people residing in the areas under curfew have suffered heavy restrictions of their right to free movement since the beginning of the curfew: The delegation observed, most of the time, that people are unable to even leave their houses and circulate freely within the area under curfew. Movement can take place only in rare and specific moments when the curfew is lifted and, even then, people have no guarantee of being able to return to their houses. Curfew is often re-imposed without sufficient notice. When people miss the information and are still in the streets once the curfew is imposed again or they do not reach their houses or shelter on time, they are killed or at risk of being killed.
    In general, violations of curfew and prohibition of free movement expose people to the risk of being shot and/or arrested.
    Ability to freely exit and re-enter the curfew area is also heavily restricted: this only possible in the rare moments when the curfew is lifted and the military authorities have the power to decide whether a person demanding to leave receives permission. Re-entering might prove impossible once a resident has left the area. In general, the delegation notes that access to the areas under curfew is more heavily prevented than leaving them. This might be part of the governmental plan to “clean”, demolish and rebuild the areas.(33) It is estimated that around 22,000 people have been able to leave the Sur district in Diyarbakir, abandoning their families, houses, property and businesses, to seek refuge outside the areas under curfew.
    Severe restrictions to the right of free movement are also imposed on the residents of the so-called buffer areas (districts neighbouring those under curfew, declared as security zones): exit from and entrance to those areas is subject to document control. The military may refuse entry, exit and transit, depending on the security situation.
    The right to free movement of the population living outside the areas under curfew is also restricted. The military may close the curfew zones’ neighbouring areas with fences, armoured cars and tanks and make them inaccessible for the entire population.
    The described restrictions on the right to free movement lack any sort of adequate justification under paragraph 2 and 4 of Article 2 of Protocol 4 to the ECHR or under article 23 of the Turkish Constitution of which the latter requires that any restriction on the freedom of movement is provided for by law.
    A curfew is a measure that limits the freedom of movement of the population or of some groups at a certain time of the day and for a limited period.(34) In light of such definition, a curfew amounts to a restriction of the right to free movement, as those allowed by Article 2 of Protocol 4 to the ECHR and by Article 23 of the Turkish Constitution. The European Court of Human Rights has often ruled that the length and severity of the restriction are relevant factors in deciding whether a restriction on freedom of movement is legitimate (see, e.g., Austin and Others vs the United Kingdom, 15 March 2012, Applications nos. 39692/09, 40713/09 and 41008/09, case no 39692/09). The measures imposed by the Turkish government on the population residing in the areas under “curfew” are of such duration in time and constitute such a severe limitation of the right to free movement, which is actually made void. They are not restrictions to the right of free movement, but amount to a deprivation of that right. Such restrictions are not lawful under the European Convention of Human Rights and its added protocols nor under the Turkish Constitution.  Right to Housing Although not explicitly included in the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR) of 1950, the right to housing is enshrined in numerous concrete legal norms, which are relevant in the fight against homelessness and housing exclusion:  Article 2: right to life
    Article 3: prohibition of torture or inhuman or degrading…treatment
    Article 8: right to respect for private and family life
    Article 1 Protocol 1: protection of property
      Article 35 Turkish Constitution Right to Property
    Everyone has the right to own and inherit property.  Article 57 Turkish Constitution Right to Housing
    The State shall take measures to meet the need for housing within the framework of a plan that takes into account the characteristics of cities and environmental conditions, and also support community housing projects.  Many international treaties recognize the right to housing explicitly. The most important is certainly Article 25 of the Universal Declaration of Human Rights: it recognizes the right to housing as part of the right to an adequate standard of living.
    It states that: “Everyone has the right to a standard of living adequate for the health and well-being of himself and of his family, including food, clothing, housing, medical care and necessary social services, and the right to security in the event of unemployment, sickness, disability, widowhood, old age or other lack of livelihood in circumstances beyond his control”.
    The right to housing is not explicitly mentioned in the European Convention for Human Rights, but it is framed by the case law of the ECtHR, from two different rights of the ECHR: Article 8 protecting the right to private and family life, and Article 1 Protocol 1, protecting the right to property.
    At its most basic, Article 8 includes a right to have one’s home protected from attacks by the state and its agents. Thus, in the case of Akdivar and Others vs Turkey (1 April 1998, Case No 99/1995/605/693) about inhabitants of a village suspected to be a PKK base, the court found it established that the security forces were responsible for the burning of the applicants’ houses and the loss of their homes, which forced them to abandon the village and move elsewhere. As there was no doubt that the deliberate burning of their homes and contents constituted a serious interference with the right to respect for their family lives and homes under Article 8 and no justification for these interferences was offered by the government, the court concluded that there had been a violation of Article 8.
    In the curfew areas, the residents are deprived of their right to housing. The delegation received many reports of destructions of houses. Photographs and descriptions from victims demonstrate that massive, widespread and systematic destructions of buildings took place and continue to take place through bombing and the use of bulldozers. The destroyed houses were the living places of civilians. The areas look like a battlefield of an intensive war.
    As mentioned above(35), the demolishing of houses and the “cleaning” of the areas under curfew are part of the governmental plan to destroy the areas.
    The delegation concludes that the deliberate and unjustified destruction of houses of civilians form a violation of Article 8 of the ECHR and Article 1 Protocol 1 to the ECHR and Article 35 and 57 of the Turkish Constitution. Right to Education Article 2 of the First Protocol of 20 March 1952 to the European Convention on Human Rights states as follows:
    No person shall be denied the right to education. In the exercise of any functions which it assumes in relation to education and to teaching, the State shall respect the right of parents to ensure such education and teaching in conformity with their own religious and philosophical convictions”.
    The wider meaning of education has been recognized in Article 1(a) of UNESCO's 1974 ‘Recommendation concerning Education’. The article states that education implies “the entire process of social life by means of which individuals and social groups learn to develop consciously within, and for the benefit of, the national and international communities, the whole of their personal capabilities, attitudes, aptitudes and knowledge.
    The delegation notes that the European Court of Human Rights has defined education in its case law in a narrow sense as "teaching or instructions... in particular to the transmission of knowledge and to intellectual development" and in a wider sense as "the whole process whereby, in any society, adults endeavour to transmit their beliefs, culture and other values to the young.”(36)  Article 42 Turkish Constitution Right and Duty of Education No one shall be deprived of the right of education. The scope of the right to education shall be defined and regulated by law. Education shall be conducted along the lines of the principles and reforms of Atatürk, based on contemporary scientific and educational principles, under the supervision and control of the State. Educational institutions contravening these principles shall not be established.
    The freedom of education does not relieve the individual from loyalty to the Constitution.
    Primary education is compulsory for all citizens of both sexes and is free of charge in state schools.
    The principles governing the functioning of private primary and secondary schools shall be regulated by law in keeping with the standards set for the state schools. 
    In the curfew areas, schools and any other institutions and bodies of transmission of intellectual and spiritual knowledge and development are closed and thus the population is prevented from attending. In addition, even if they were open, the population in the curfew areas is often not allowed to leave their houses during daytime.
    Thus, the delegation concludes that the implementation of the curfew forms the violation of the right to education, Article 2 of the First Protocol to the European Convention of Human Rights and of Article 42 of the Turkish Constitution. 3. Crimes as a Result of Violent Acts Committed by the Police or/and the Army  The listed violations may amount to the following crimes:
    - Article 77 of the Turkish Penal Code: Offences against humanity
    (1) Execution of any one of the following acts systematically under a plan against a sector of a community for political, philosophical, racial or religious reasons creates the legal consequence of offenses against humanity.
               a) Voluntary manslaughter
               b) To act with the intension of giving injury to another person
               c) Torturing, infliction of severe suffering, or forcing a person to live as a slave
               d) To restrict freedom
               (…)
               f) Sexual harassment, child molestation
               (…)  The violations caused by the curfews are directed against the civilian and mainly Kurdish population in the east and south-east of Turkey for political reasons.
    The concept of ‘systematic’ may be defined as thoroughly organized and following a regular pattern on the basis of a common policy involving substantial public or private resources. There is no requirement that this policy must be adopted formally as the policy of a state. There must, however, be some kind of preconceived plan or policy.(37) However, it has been clarified that the existence of a policy or plan may be evidentially relevant, in that it may be useful in establishing that the attack was directed against a civilian population and was widespread or systematic, but that the existence of such a plan is not a separate legal element of the crime.(38)  The delegation submits that there is strong evidence that the Turkish authorities who order(ed) and implement(ed) the curfews may have committed offences against humanity pursuant to Article 77 of the Turkish Penal Code.
    Further, the committed crimes amount to a collective punishment(39) against all inhabitants of the areas under curfew and the security zones. Civilians are to be protected under all circumstances.  The delegation concludes that further investigations must be conducted to hold those accountable for the crimes committed. V. Demands 
    Fußnoten
    (1) See ‘Turkish Kurds go home to war-ravaged city of Diyarbakır as curfew lifted’, by Norma Costello, 19 March 2016, at http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/turkish-kurds-go-home-to-war-ravaged-city-of-diyarbakir-as-curfew-lifted-a6941941.html.
    (2) See the fact sheet of the Human Rights Foundation of Turkey (TIHV) at http://en.tihv.org.tr/fact-sheet-on-declared-curfews-between-august-16th-2015-and-march-18th-2016-and-civilians-who-lost-their-lives/.
    (3) Quoted by Seyhmus Cakan in the article ‘Clashes in southeast Turkey kill seven, new curfews declared’, 14 December 2015, at http://uk.reuters.com/article/uk-turkey-kurds-idUKKBN0TX18O20151214.
    (4) Ibid.
    (5) See Reuters articles: ‘25 killed; Erdoǧan vows to annihilate Kurd militants’, 18 December 2015, at http://www.arabnews.com/middle-east/news/852031 and ‘Erdoǧan vows to eliminate Islamic State and PKK’, 19 December 2015, at http://www.reuters.com/video/2015/12/20/erdogan-vows-to-eliminate-islamic-state?videoId=366748701.
    (6) Article by Serkan Demirtaş ‘Turkey to make defense at ECHR over curfews in southeast’, 9 January 2016, at http://www.hurriyetdailynews.com/turkey-to-make-defense-at-echr-over-curfews-in-southeast-.aspx?PageID=238&NID=93614&NewsCatID=510.
    (7) See for example the case of 16 year-old Rozem Cukur (Sarya), who was killed in January 2016 when she entered the street without knowing the curfew had been re-imposed. The delegation met with the mother of Sarya who said she been told about the death by the media.
    (8) See the article: ‘Police intervention in Protests against Curfews’, 21 December 2015, at http://bianet.org/english/human-rights/170365-police-intervention-in-protests-against-curfews.
    (9) It is unclear whether she was stripped naked before being killed or after.
    (10) See the Report of the Bar Association Diyarbakir (fn 9) at pp. 36-40.
    (11) ECHR 054 (2016), dated 5 February 2016 at http://www.humanrightseurope.org/2016/02/court-response-to-curfew-measures-in-south-eastern-turkey/.
    (12) See Orhan Kamil Cengiz, ‘Curfew questions’, in: Today’s Zaman, 7 January 2016 at http://www.todayszaman.com/columnist/orhan-kemal-cengi-z/curfew-questions_409049.html.
    (13) For example: Öncü vs Turkey, Application no. 4817, 21 January 2016.
    (14) See http://www.humanrightseurope.org/2016/02/court-response-to-curfew-measures-in-south-eastern-turkey/.
    (15) See Press Release of the Constitutional Court, dated 29 January 2016, at http://www.constitutionalcourt.gov.tr/inlinepages/press/PressReleasesofJudgments/detail/21.html#.
    (16) See at http://www.hurriyetdailynews.com/109-women-killed-in-southeast-in-2015-rights-group.aspx?pageID=238&nID=94846&NewsCatID=339
    (17) See: http://www.globalresearch.ca/west-largely-silent-about-erdogans-war-on-kurds/5499214 and the report of the Bar Association Diyarbakir at pp. 6, 12-13 in: ‘Curfew in Cizre- A Survey report’ at http://www.diyarbakirbarosu.org.tr/filemanager/cizre%20raporu%20ingilizce%20%281%29.pdf.
    (18) See the report of the Free Women’s Congress, Report on the Conflict Process, Political Situation, and women in Kurdistan, dated 18 January 2016.
    (19) See for example the announcement of the Governor in Şırnak on 4 September 2015, in ‘Curfew in Cizre- A Survey report’ by the Bar Association Diyarbakir, at p. 30, http://www.diyarbakirbarosu.org.tr/filemanager/cizre%20raporu%20ingilizce%20%281%29.pdf.
    (20) Calculated until the end of the delegation, i.e., 24 January 2016.
    (21) Makaratzis v. Greece, judgment of the Grand Chamber of 20 December2004, § 56.
    (22) In the case of armed fighters, state forces have the obligation to apply the necessity principle and may use lethal force only if it is proportional.
    (23)vAccording to the information of TIHV Documentation Centre, from the first curfew on 16 August 2015 until 18 March 2016, at least 310 civilians have been killed, 29 of whom had been over the age of 60, with 72 children and 62 women, at http://en.tihv.org.tr/fact-sheet-on-declared-curfews-between-august-16th-2015-and-march-18th-2016-and-civilians-who-lost-their-lives/.
    The total number of people killed is unknown. The Turkish state claims that over 600 ‘terrorists’ have been killed.
    (24) Ibid.
    (25) Girard v. France, requête no 22590/04 (in French) at http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=001-105388.
    (26) See in detail at p. 6 of this report.
    (27) The full statement can be found at http://bianet.org/english/human-rights/170978-academics-we-will-not-be-a-party-to-this-crime.
    (28) See article in The Guardian: http://www.theguardian.com/world/2016/jan/14/turkish-prosecutors-investigate-academics-criticised-erdogan-petition.
    (29) See article at http://www.theguardian.com/world/2015/dec/14/seven-people-killed-in-turkey-amid-protests-against-curfews.
    (30) See article at https://www.rt.com/news/326411-turkey-cannon-protest-diyarbakir/.
    (31) See article dated 9 February 2016 at http://kurdishquestion.com/index.php/kurdistan/north-kurdistan/16-year-old-kurdish-boy-killed-by-state-forces-in-diyarbakir/1440-16-year-old-kurdish-boy-killed-by-state-forces-in-diyarbakir.html.
    (32) See fact sheet of the Turkish Human Rights Foundation (TIHV), dated 6 February 2016, at http://en.tihv.org.tr/recent-fact-sheet-on-curfews-in-turkey-between-the-dates-16-august-2015-5-february-2016/.
    (33) See the articles “The destruction of Sur: is this historic district a target for gentrification?” at http://www.theguardian.com/cities/2016/feb/09/destruction-sur-turkey-historic-district-gentrification-kurdish and ”Erdogan’s plan for the Kurds: Destroy, Rebuild Pacify” at http://www.telesurtv.net/english/opinion/Erdogans-Plan-for-the-Kurds-Destroy-Rebuild-Pacify-20160303-0031.html.
    (34) See legal definition at http://legal-dictionary.thefreedictionary.com/curfew.
    (35) See footnote 33 at p.22 of this report.
    (36) Beiter, Klaus Dieter (2005). The Protection of the Right to Education by International Law. The Hague: Martinus Nijhoff. p. 19.
    (37) Akayesu, (Trial Chamber), 2 September 1998, para. 580.
    (38) Semanza, (Trial Chamber), 15 May 2003, para. 329.
    (39) See Press Release of Amnesty International, dated 21 January 2016, at https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/01/turkey-onslaught-on-kurdish-areas-putting-tens-of-thousands-of-lives-at-risk/  Bericht als PDF]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-449 Tue, 05 Apr 2016 14:25:00 +0200 ›Die Angst wegschmeissen‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-angst-wegschmeissen-449 Filmvorführung, 14.4.2016 ›Die Angst wegschmeissen‹ von Bruno Schellhagen (IT/DE 2015, 80 min), den wir am 14. April 2016 um 19:30 in der "B-Lage", Mareschstr. 1, Berlin-Neukölln zeigen.
    Anfahrt: S41/42 Sonnenallee; U7 Neukölln/Karl-Marx-Str.; Bus M41 Mareschstr. Bruno Schellhagen (Regie) aus Berlin und Kendra Briken (Soziologin) aus Glasgow, werden anwesend sein und  für Gespräche im Anschluss der Filmvorführung zur Verfügung stehen. "Seit 2008 ist Norditalien Schauplatz ungewöhnlicher Ereignisse. Unternehmen, Politik und Medien nutzen den Kriseneinbruch, um die ohnehin schon bröckelnden Arbeiter_innenrechte weiter auszuhöhlen; auf der anderen Seite formiert sich jedoch gerade am untersten Ende der Lohnskala ein lebendiger und schlagkräftiger Widerstand.
    Ausgerechnet den prekären und größtenteils migrantischen Arbeiter_innen in der Logistikbranche gelingt es, sich durch solidarische und effektive Organisierung aus ihrer Isolation und ihren erniedrigenden Arbeitsverhältnissen herauszukämpfen. Ein Kampf, der nicht nur ihre Arbeitsbedingungen, sondern ihr ganzes Leben verändert." Trailer: http://de.labournet.tv/die-angst-wegschmeissen-trailer Die komplette Filmreihe von RAV & NSU-Watch kann hier aufgerufen werden.
    Oder als Flyer (PDF) hier. Der Eintritt ist frei, über Spenden freuen wir uns.]]>
    news-448 Mon, 21 Mar 2016 06:41:00 +0100 RA Hakan Bakırcıoğlu, Nebenklagevertreter der Familie von Hrant Dink im Gespräch /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ra-hakan-bakircioglu-nebenklagevertreter-der-familie-von-hrant-dink-im-gespraech-448 Fachgespräch am 7.4.2016 in Berlin Einladung zum Fachgespräch am 7. April 2016 um 19:30 h in Berlin* mit Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoğlu, Nebenklagevertreter der Familie von Hrant Dink, dem am 19. Februar 2007 in Istanbul ermordeten armenischenstämmigen Journalisten Acht Jahre hat es gedauert, bis schließlich im Dezember 2015 sechsundzwanzig Polizeibeamte angeklagt worden sind, Hrant Dink nicht geschützt zu haben, obwohl den Sicherheitsbehörden die Mordpläne gegen ihn bekannt waren. Der juristische Vorwurf lautet: Mord durch Unterlassen.
    Der Istanbuler Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoğlu wird im Gespräch mit der Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren, Rechtsanwältin Antonia von der Behrens (RAV), berichten, wie es möglich war, dass aus dem fanatisch-nationalistischen „Einzeltäter“ über die Jahre ein Netz von Mitwissern in den Sicherheitsbehörden nachgewiesen werden konnte. Nur durch akribische Arbeit, die die Strukturen und Arbeitsweisen der vor und nach dem Mord mit Hrant Dinks Fall befassten Behörden aufdeckte, konnte es gelingen, die offizielle Einzeltäter-Version zu widerlegen und nachzuweisen, dass die Behörden durch Unterdrücken, Vernichten und Fälschen von Dokumenten ihre Beteiligung versuchten zu verschleiern. Die Hauptverhandlung gegen die 26 Polizeibeamten wird am 19. April 2016 in Istanbul beginnen. Hintergrund Hrant Dink, der armenischstämmige Istanbuler Journalist, wurde am 19. Februar 2007 ermordet. Bereits einen Tag nach seinem Tod war der Täter „ermittelt“: Ogün Samast, ein damals jugendlicher Nationalist aus der Schwarzmeerstadt Trabzon. Er hatte Dink vor dem Redaktionsgebäude der Zeitung Agos aufgelauert und ihn aus nationalistischen und rassistischen Motiven erschossen.
    Die Familie Dink, ihre Anwälte und kritische Teile der Öffentlichkeit äußerten Zweifel an der Einzeltäterthese: Die Tat war zu gut geplant gewesen und der Täter von den Polizeibeamten für seine Tat gefeiert worden. Dem Mord vorausgegangen war eine beispiellose Hetzkampagne gegen Hrant Dink, in der er von den Medien als „Feind der Türken“ beschimpft und von der Justiz mit Strafverfahren überzogen worden war. Eines seiner „Vergehen“ war, das Grundverständnis der türkischen Republik mit der Feststellung angegriffen zu haben, die Stieftochter von Atatürk sei Armenierin – und keine Türkin - gewesen.
    Während der Haupttäter Samast und seine unmittelbaren Helfer zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, kämpften die Anwälte der Familie Dink dafür, die Mitwisserschaft und Planung des Mordes durch die Sicherheitsbehörden aufzuklären. Hinweise auf diese Verstrickung waren ein Polizeiinformant, der sich als agent provocateur betätigte, weitere V-Leute im Umfeld des Täters und das Vernichten und Fälschen von Dokumenten durch die Sicherheitsbehörden.
    Im Dezember 2015 errangen die Familie und ihre Anwälte einen großen Erfolg: 26 zum Teil hochrangige Polizeibeamte wurden von der Staatsanwaltschaft Istanbul angeklagt. Sie hätten von der Planung des Mordes gewusst und hätten Hrant Dink nicht geschützt.
    Die Hauptverhandlung in dem Strafverfahren gegen diese 26 Polizeibeamten wird am 19. April 2016 in Istanbul beginnen. Auf der Anklagbank werden unter anderem der Präsident des polizeilichen Nachrichtendienstes und die ehemaligen Polizeipräsidenten von Istanbul und Trabzon sitzen. Die Anklage gegen so viele hochrangige Polizisten wegen Mordes durch Unterlassen an einer Privatperson ist ein einmaliger Vorgang in der Türkei. Dies war nur möglich, weil die Familie Dink und ihre Anwälte jahrelang mit erheblichen Einsatz und akribischer Arbeit für die Aufklärung gekämpft haben und Teile der Öffentlichkeit und kritische Journalisten hinter ihnen standen. Der Istanbuler Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoğlu vertritt die Familie Dink seit Beginn des Verfahrens und hat über all die Jahre die Aufklärung und das Verfahren gegen die Polizeibeamten vorangetrieben. Er wird über den Stand des Verfahrens berichten, darüber, wie es möglich war, Beweise für die Mitwisserschaft der angeklagten Polizeibeamten zusammenzutragen und welche Rolle ein agent provocateur, ein Polizeispitzel, gespielt hat. Ebenfalls wird er darüber sprechen, welche Leerstellen es in der Aufklärung gibt, dass zum Beispiel bis heute nicht bekannt ist, ob und ggf. welche Organisation hinter den Taten steht.
    Die Erfahrungen aus dem Hrant Dink Verfahren weisen auch über die türkischen Verhältnisse hinaus. Sie werfen die Frage auf, was die Bedingungen für die Aufklärung von Verbrechen mit staatlicher Verstrickung sind. Das Fachgespräch richtet sich an Jurist*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und die interessierte Öffentlichkeit.
    Die in türkischer Sprache erfolgenden Beiträge werden konsekutiv ins Deutsche übersetzt. Veranstalter
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
    amnesty international (ai) *Ort
    Haus der Demokratie und Menschenrechte
    Robert-Havemann-Saal
    Greifswalder Str. 4
    10405 Berlin Zeit
    7. April 2016 um 19.30 Uhr Einladung (PDF)]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-443 Fri, 18 Mar 2016 07:04:00 +0100 Brief an den türkischen Justizminister /publikationen/mitteilungen/mitteilung/brief-an-den-tuerkischen-justizminister-443 Berlin, 17. März 2016 Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Freie Advokatur (doublet) KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet) news-445 Tue, 01 Mar 2016 05:42:00 +0100 § 559 BGB abschaffen jetzt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/559-bgb-abschaffen-jetzt-445 Positionspapier Mietrecht, Feb. 2016 § 559 BGB abschaffen jetzt! § 559 BGB ist systemfremd Im Mietrecht stellt die ortsübliche Vergleichsmiete den Maßstab für die Möglichkeit einer Mieterhöhung dar.  Die Modernisierungsumlage in § 559 BGB ist im Mietrecht systemfremd, da sie nicht auf die Vergleichsmiete für eine mit spezifischen Merkmalen ausgestattete Wohnung abzielt, sondern auf die Investitionskosten einer Modernisierungsmaßnahme.  Der Vermieter kann mit der Modernisierung zudem den ursprünglich vereinbarten Vertragsgegenstand verändern. Diese Änderung kann sich der Vermieter auch noch bezahlen lassen. Diese Benachteiligung ist auch nicht durch die Gebrauchsvorteile aufgehoben, die der Mieter hierdurch erhält. Denn diese sind aufgezwungen, an Gestaltung und Durchführung ist er nicht beteiligt. Er muss danach nur zahlen. Der Anreiz für den Vermieter, eine kostenintensive Modernisierung durchzuführen, kann so hoch sein, dass die Frage der  Notwendigkeit gar nicht gestellt wird.
    Hohe Mieterhöhung – geringe Leistung

    Die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen können und werden in den meisten Fällen zu 11 Prozent pro Jahr auf die Mieter umgelegt. Dabei stehen oft Leistungen des Mieters und Gegenleistungen des Vermieters in einem krassen Gegensatz zu einander. Damit zahlen allein Mieterinnen und Mieter die Aufwertung - und das auf ewig, denn die Mieterhöhung erfolgt zeitlich unbegrenzt. Bleibt noch Spielraum, kann der Vermieter zudem die Miete bis zur Vergleichsmiete anheben. Zudem wirkt jede Modernisierung für das Gebäude selbst wertsteigernd. Damit nützt die Modernisierung letztendlich fast ausschließlich dem Vermieter, denn die Gebrauchsvorteile stehen häufig in keinem Verhältnis zur Mieterhöhung. Gerade bei einer energetischen Gebäudesanierung übersteigt die Mietsteigerung über die Mieterhöhung nach § 559 BGB die Einsparung der Heizenergie um ein Vielfaches. Unsere am Ende dieses Positionspapieres aufgeführten Beispiele zeigen dies eindrücklich.
    Die Absenkung der Modernisierungsumlagen, wie im Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vorgesehen, verringert das Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen zu Gunsten der Mieterschaft nur unzureichend.
    Eine möglicherweise erforderliche energetische Gebäudesanierung geht so ausschließlich zu Lasten der Mieterinnen und Mieter, die diese letztlich allein finanzieren und darüber hinaus dem Vermieter zu einem üppigen Gewinn verhelfen.
    Energiewende mit § 559 BGB: Ineffizient und ungerecht

    Die Modernisierungsumlage ist nur an die Baukosten gekoppelt. Je höher diese sind, desto mehr kann der Vermieter die Miete nachher erhöhen. § 559 BGB setzt damit gar keinen Anreiz, effiziente Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen, da Energieersparnis und Kosten in keinem Verhältnis zueinander stehen müssen. Eine Einsparung von Heizenergie im einstelligen Prozentbereich reicht aus, um die gesamten Kosten der sehr teuren Maßnahmen auf den Mieter umzulegen. Kann er beim Badezimmer oder Balkon noch Gebrauchsvorteile für sich sehen, für die er dann zahlt, ist dies bei der energetischen Sanierung oft nicht mehr der Fall. Für die Erreichung der politischen Ziele der Energiewende ist §559 BGB daher ein ineffizientes Instrument.
    Ein selbstnutzender Eigentümer würde vergleichbare Investitionsentscheidungen zudem ganz anders bewerten und Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen. Vermieter können jedoch die Kostenseite auf die Mieter abwälzen und daher ineffiziente Modernisierungen durchführen. Die Kosten der Energiewende im Gebäudebereich sind damit ungleich zu Lasten der Mieter verteilt.
    Dies ist nicht gerecht und fördert nicht die Akzeptanz der Energiewende in der Mieterschaft, die in Deutschland immer noch die Mehrheit der Bevölkerung ausmacht. Daran ändert auch die Einführung eines Wirtschaftlichkeitsgebotes nichts, wie sie im Eckpunktepapier skizziert ist. Die aus dem Betriebskostenrecht bekannte Regelung verhindert lediglich, dass der Vermieter eine von ihm auszuwählende Leistung zu teuer einkauft. Wichtiger wäre es aber in diesem Falle, die Art der Modernisierungsmaßnahme selbst einer Kontrolle in Bezug auf Kosten und Nutzen zu unterziehen, um die Umlage auf die eingesparten Energiekosten zu begrenzen.
    Modernisierung als Mietpreistreiber

    Vielerorts werden Modernisierungen dafür eingesetzt, Mieten massiv in die Höhe zu treiben und noch billigen Wohnraum dem Markt zu entziehen. Denn im Gegensatz zu der regelmäßigen Grundmietenerhöhung ist bei der Mieterhöhung nach Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen bisher keine Begrenzung vorgesehen.
    Die Modernisierungsmieterhöhung wird dabei nicht nur so lange gezahlt bis die Modernisierungskosten amortisiert sind, sondern die Modernisierungsumlage wird dauerhaft auf die Miete aufgeschlagen. Der Vermieter hat –  je nach Finanzierungskosten – die Baukosten über die Mieterhöhung nach § 559 BGB nach ca. 10 bis 12 Jahren drin. Danach macht er reinen Gewinn. Nach gut 20 Jahren hat er sich die Baukosten vom Mieter dann schon zweimal zahlen lassen.
    Die im Eckpunktepapier vorgeschlagene Regelung, dass die Miete in einem Zeitraum von acht Jahren und nicht mehr als 50%, maximal 4 €/m² steigen dürfe, hilft hier nicht, da weiterhin sehr hohe Mieterhöhungen bei Modernisierungen erlaubt wären, die sich viele Mieter nicht leisten können.
    Für die ausziehenden Mieter gibt es dabei kaum Alternativen, da bekanntlich die Neubauten, die gerade von der Wohnungswirtschaft als alleiniges Allheilmittel gepriesen werden, für einen erschwinglichen Preis nicht vermietet werden können. Als unterstes Mietniveau bei Neubauten werden Mieten von mehr als 8,00 Euro nettokalt gehandelt. Soviel zahlt kein Jobcenter. Aber auch für viele Normalverdiener ist so ein Preis nicht tragbar.
    Härteeinwand schützt Mieter unzureichend

    Befürworter des § 559 BGB verweisen gerne auf den Härteeinwand im Mietrecht, der für einen ausreichenden Mieterschutz sorgen würde. Dieser schützt den Mieter jedoch nur höchst unzureichend.
    Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll derjenige, der die Modernisierungsumlage nicht zahlen kann, einen Härteeinwand darlegen. Es gibt zunächst keine klaren Vorgaben, ab wann der Mieter diesen Einwand erfolgreich erheben kann. Es kommt – so BGH – immer auf den konkreten Einzelfall an. So wird ihm trotz Härteeinwand nichts anderes übrig bleiben, als zunächst erst einmal die nach § 559 BGB erhöhte Miete zu zahlen, will er nicht den Verlust der Wohnung riskieren. Sammelt sich nämlich wegen der nicht gezahlten Mieterhöhung ein Mietrückstand an, der eine Monatsmiete übersteigt, kann der Vermieter kündigen. Dann wird die Berechtigung des Härteeinwandes letztlich im Räumungsverfahren geklärt. Für den Mieter keine erbauliche Perspektive. Dem Mieter nutzt dann auch ein schnelles vorsorgliches Ausgleichen des Mietkontos nichts, denn diese Zahlung hat auf die ordentliche Kündigung keinen Einfluss. Kann der Mieter aufgrund seiner sozialen Situation die höhere Miete nicht zahlen, muss er darauf hoffen, dass der Vermieter seinen Härtegrund anerkennt. Andernfalls hat er nicht nur den Prozess, sondern auch die Wohnung verloren.
    Verschärft wird dies derzeit noch dadurch, dass sich nach geltender Rechtslage derjenige Mieter auf eine soziale Härte nicht berufen kann, dessen Wohnung nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt werden soll. Wohnt der Mieter billig mit Kohleofen, kann er sich gegen den Heizungseinbau und die damit verbundene Mieterhöhung selbst dann nicht wehren, wenn er es nicht zahlen kann. Mögen derzeit nur die Zentralheizung oder der erstmaligen Badeinbau sicher allgemein üblich sein, beginnen die Gerichte zum Teil schon, den Einbau von Isolierglasfenstern oder den Anbau eines Balkons als allgemein üblich anzusehen. Nach und nach werden Maßnahmen, die früher noch als aufwendig und luxuriös gegolten haben, zu allgemein üblichen und führen damit zur Verdrängung der alt eingesessenen Mieterschaft. Dieses Problem hat das BMJ gesehen und plant die Einschränkung des Härteeinwandes abzuschaffen. Dies wird ausdrücklich begrüßt.
    Allerdings gibt es noch eine zweite  Einschränkung des Härteeinwandes: Der Vermieter kann die Mieterhöhungen trotz sozialer Härte auch dann durchsetzen, wenn er zur Modernisierungsmaßnahme vom Staat verpflichtet wurde. Kann sich der Mieter auf die Härte aus den vorgenannten Gründen nicht berufen, muss er ausziehen. Auch diese Einschränkung muss abgeschafft werden.
    Im Ergebnis müssen wir feststellen, dass die Verbesserungen bei der Härtefallregelung die geschilderten Grundprobleme des § 559 BGB in der Breite nicht beheben können.

    Wohngeld und Kosten der Unterkunft helfen nicht

    Auch staatliche Leistungen können Mieterhöhungen durch freifinanzierte Modernisierungen nicht auffangen. Das Jobcenter zahlt den Mietern nur eine angemessene Miete. Diese orientieren sich in der Regel an den Vergleichsmieten in einfacher Wohnlage und liegen beispielsweise in Berlin für eine Person bei ca. 420,00 € warm. Damit kann man eine modernisierte Wohnung nicht mehr zahlen. Einige Städte zahlen Zuschläge für wärmegedämmte Wohnungen, da im Gegenzug Heizkosten erspart werden. Diese Zuschläge sind aber in den meisten Fällen zu gering, um die tatsächlichen Mieterhöhungen abzufedern.
    Das Wohngeld ist so gering bemessen und steht zudem nur einem sehr kleinen Personenkreis zur Verfügung, so dass hier keine Linderung zu erwarten ist. Modernisierungen ermöglichen höhere Vergleichsmiete

    Eine Modernisierung wertet nicht nur das Gebäude selber auf, sondern erhöht die Vergleichsmiete und schafft damit dem Vermieter die Möglichkeit, die Nettokaltmiete zu erhöhen. Eine Modernisierungsumlage wie sie § 559 BGB vorsieht, ist daher gar nicht notwendig. Positionspapier als PDF
    Unterzeichner/innen
    Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e. V.
    Brückstraße 58, 44787 Bochum
    Tel: 0234/961140
    E-Mail: info@mvbo.de

    Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.
    Kampstr. 4, 44137 Dortmund
    Tel: 0231/55765636
    E-Mail: tobias.scholz@mieterverein-dortmund.de

    Mieter/innen-Schutzverein Münster und Umgebung e.V.
    Achtermannstr. 10, 48143 Münster
    Tel: 0251/511759
    E-Mail: msv@muenster.de

    Mieter helfen Mietern, Hamburger Mieterverein e.V.
    Bartelsstraße 30, 20357 Hamburg
    Tel: 040/4313940
    E-Mail: info@mhmhamburg.de

    Mieter helfen Mietern Bremen e.V.
    Doventorsteinweg 45, 28195 Bremen
    Tel: 0421/1653789
    E-Mail: mhm-bremen@freenet.de

    Mieter helfen Mietern, Nürnberger MieterInnengemeinschaft e.V.
    Kirchenweg 61, 90419 Nürnberg
    Tel: 0911/397077
    E-Mail: mhm.nbg@web.de

    Mietergemeinschaft Essen e.V.
    Herwarthstr. 42, 45138 Essen
    Tel: 0201/7491920
    E-Mail: info@mietergemeinschaft.com

    Der Mieterladen e.V.
    Elisenstr. 45, 30451 Hannover
    Tel: 0511/456226
    E-Mail: info@mieterladen.eu

    Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V.
    Große Friedberger Str. 16, 60313 Frankfurt am Main
    Tel: 069/283548
    E-Mail: post@mhm-ffm.de

    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) e.V.
    Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
    Tel: 030/41723555
    E-Mail: kontakt@rav.de]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-444 Wed, 24 Feb 2016 13:16:00 +0100 StN zum GE zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (Drucksache 18/7537) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-ge-zur-erleichterten-ausweisung-von-straffaelligen-auslaendern-und-zum-erweiterten-ausschluss-der-fluechtlingsanerkennung-bei-straffaelligen-asylbewerbern-drucksache-18-7537-444 Stellungnahme zur Anhörung 22.2.2016 I. Zu A. Und B. Problem, Ziel und Lösung Problem sei der Aufenthalt von Schutz suchenden oder sich aus anderen Gründen in Deutschland aufhaltenden Ausländern, die Straftaten von erheblichem Ausmaß begehen, weil dies den gesellschaftlichen Frieden und die Akzeptanz für die Aufnahme von Schutzbedürftigen sowie für die legale Zuwanderung gefährden könne.
    Dem will der Gesetzesentwurf mit einer Verschärfung der Ausweisungsbestimmungen und einer Erweiterung der Ausschlusstatbestände bei der Flüchtlingsanerkennung begegnen.
    Aus Sicht des RAV werden weder die beabsichtigen Änderungen im Ausweisungsrecht noch die Erweiterung der Ausschlusstatbestände bei der Flüchtlingsanerkennung zur Problemlösung beitragen können. Straffällig gewordene Migranten können theoretisch zwar ausgewiesen werden können und Schutzsuchenden die Flüchtlingsanerkennung versagt werden, diese Maßnahmen werden aber in aller Regel nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führen.
    Denn Migranten, die hier aufgrund von Verfolgungstatbeständen des § 60 Abs. 1 AufenthG um Schutz nachsuchen, dürfen in aller Regel aufgrund der Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK auch dann nicht abgeschoben werden, wenn sie ausgewiesen wurden oder ihnen die Flüchtlingsanerkennung versagt wurde.
    Damit dürfte das Gesetz genau das Gegenteil dessen erreichen, was ausweislich der Gesetzesbegründung sein Ziel ist. Es werden wieder Personengruppen geschaffen, die hier auf lange Sicht aufhältlich sein werden, ohne dass ihnen die Integration, für die ein Aufenthaltstitel der erste Schritt ist, ermöglicht wird. Dass dies dem gesellschaftlichen Frieden und der Akzeptanz für die Aufnahme von Schutzbedürftigen sowie für die legale Zuwanderung dienen kann, erschließt sich uns nicht. Eher ist zu befürchten, dass durch die Neuregelung in erster Linie langjährig hier lebende Migranten, sog. faktische Inländer betroffen werden. II. Zum Entwurf im Einzelnen 1.) Verschärfung des Ausweisungsrechts Hier ist zunächst aus Sicht der Rechtspraktiker vorab zu bemerken, dass das Ausweisungsrecht durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenhaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 umfassend reformiert wurde. Diese Reform trat am 01. Januar 2016 in Kraft. Aus Sicht des RAV dürfte bereits diese Reform zu einer Erleichterung von Ausweisungen durch die Ausländerbehörden führen. Für eine weitere Verschärfung gibt es daher keinen Bedarf. a) Nr. 1 Einführung der „rechtstreuen Verhaltens“ als Abwägungskriterium in § 53 Abs.2 Ein „rechtstreues Verhalten“ kann nicht zu einem Ausweisungsinteresse führen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist auf der Tatbestandsseite denklogisch immer mit einem vorangegangenen nicht rechtstreuen Verhalten des Betroffenen verbunden. Dies zeigt der Katalog der in § 54 AufenthG aufgeführten Ausweisungsinteressen. Das Kriterium des rechtstreuen Verhaltens wird daher bereits jetzt im Rahmen des Ausweisungsinteresses ausreichend berücksichtigt. Die Aufnahme in § 53 Abs. 2 ist daher unnötig und wird im Rahmen der Güterabwägung zu einer doppelten negativen Bewertung des Ausweisungsinteresses gegenüber dem Bleibeinteresse führen. Der Begriff ist zu weit gefasst und unbestimmt. Offensichtlich sollen ausweislich der Gesetzesbegründung nicht nur strafrechtliche Verurteilungen, sondern ganz allgemein straf- oder ordnungsrechtlich relevantes Verhalten negativ auswirken können. Da hierunter bereits sogar fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeiten fallen können, sehen wir hier einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. b) § 54 Abs. 1 (Änderung § 54 Abs.1 Nr.1 und neuer § 54 Abs.  1 Nr. 1a AufenthG) Die Mindestgrenze der Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von „mehr als“ 2 Jahren in § 54 Abs. 1 Nr. 1 schloss die Begründung eines besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresses bei Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe nach dieser Vorschrift aus.  Nunmehr soll nach § 54 Abs.1 bereits eine Verurteilung von „mindestens“ 2 Jahren ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründen. Aus unserer Sicht ist die erleichterte Aufnahme von BewährungsstrafenBei bestimmten, in § 54 Abs. 1 Nr. 1a des Entwurfs aufgeführten Straftaten soll künftig bereits die Verurteilung zu einer Freiheits-  oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründen. Bei erstmaliger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren ist die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung nicht selten. Hier gilt also das oben zur Aufnahme von Verurteilungen zu einer Bewährungsstrafe entsprechend.
    Hinzu kommt, dass die besondere Qualifizierung bestimmter Straftatbestände und Begehungsweisen bedenklich erscheinen. Im Rahmen der qualifizierten Tatbestände ist hier insbesondere die Aufnahme der Straftaten gegen das Eigentum und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu  nennen, im Rahmen der Begehungsweisen die Aufnahmen „mit List“ und der „serienmäßigen Begehung von Straftaten gegen das Eigentum“.
    Die erleichterte Aufnahme der Verurteilung wegen Straftaten gegen das Eigentum bzw. des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in den Katalog der ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründenden Tatbestände ist aus unserer Sicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren.
    Für die Begehungsweisen „mit List“ und „serienmäßige Begehung von Straftaten gegen das Eigentum“ fehlen Legaldefinitionen; nach der strafrechtlichen Judikatur ist „List“ nicht zwingend mit einem positiven Tun verbunden, sogar eine Straftat durch Unterlassen kann „mit List“ begangen worden sein. Auch hier dürfte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt sein. Gleiches gilt für die „serienmäßige Begehung von Straftaten gegen das Eigentum“. Mangels eines entsprechenden Tatbestands wird es keine Verurteilungen wegen serienmäßiger Begehung bspw. eines Diebstahls geben. Wie viele Einzelfälle zur Annahme einer „serienmäßigen Begehung“ vorliegen müssen, ist vollkommen unklar. Da in diesen Fällen weder Gewalt und List vorliegen müssen, verstößt auch die Tatbestandsalternative gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. c) § 54 Abs.2 Nr. 1a Zur Problematik der erweiterten Berücksichtigung auch von Verurteilungen zu einer Bewährungsstrafe und der Einführung bestimmter Straftatbestände und bestimmter Begehungsweisen sei auf die obigen Ausführungen zum besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresse verwiesen. Beim neuen § 54 Abs. 2 Nr. 1a ist zudem besonders problematisch, dassBedeutete schon Aufnahme der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, als schwer wiegendes Ausweisungsinteresse in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im derzeit geltendem Recht eine erhebliche Verschärfung gegenüber der bis 31.12.2015 bestehenden Rechtslage („Ist-Ausweisung“ nach § 53 Abs. 2 Nr.2 a.F. bei Verurteilung wegen bestimmter Straftatbestände zu einer Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren und „Regelausweisung“ nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 a.F.  bei Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren jeweils ohne Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung), ist die nunmehr vorgesehene Änderung  eine völlige Abkehr von dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden Erziehungsgedanken und schon deshalb gänzlich abzulehnen.
    2.) Ausweitung der Regelungen zum Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung und zur Erweiterung der Möglichkeit der Abschiebung politisch Verfolgter in den Verfolgerstaat Die Einführung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG sowie die korrespondierenden Änderungen im AsylG verstoßen gegen höherrangiges Recht. Sie sind europa- und völkerrechtswidrig (Art. 33 Abs. 2 GK, Art. 21 RL 2011/95 EU, Art. 3 EMRK). Soweit mit dem neuen § 60 Abs. 8 Satz 3 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch die Abschiebung Asylberechtigter ermöglicht wird, ist auch ein Verstoß gegen Art. 16a Abs.1 GG, und damit eine Verfassungswidrigkeit gegeben. § 60 Abs.1 AufenthG setzt die Vorgaben des in Artt. 33 Abs. 1 GK, 21 Abs. 1 RL 2011/95 EU geregelten Zurückweisungsverbots politisch Verfolgter (Refoulement-Verbot) um. Ausnahmen von diesem Verbot sind in Artt. 33 Abs.2 GK, 14 Abs. 4, 21 Abs. 2 RL 2011/95 EU geregelt. Hiernach muss der Flüchtling aus schwerwiegenden bzw. stichhaltigen Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen sein, in dem er sich befindet, oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates darstellen, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde. Diese Ausnahmen sind nach allgemeiner Auffassung sehr restriktiv auszulegen.
    Dem ist der Gesetzgeber in § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG insoweit nachgekommen als er für den Ausschluss der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG eine Mindeststrafe von 3 Jahren festgesetzt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. Januar 2013, 10 C 17.12, den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift ebenfalls ausdrücklich betont und hervorgehoben, dass der Ausnahmetatbestand nur vorliegt, wenn zum einen eine Verurteilung zur einer mindestens dreijährigen (Einzel-)Freiheitsstrafe und zudem die Feststellung einer Gefahr für die Allgemeinheit gegeben ist. Das Gericht geht dabei ausführlich auf die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 2 GK und des § 60 Abs.8 Satz 1 AufenthG ein. Hiernach sind gerade Fälle, in denen das Gericht im Bereich der unteren und mittleren Kriminalität geblieben ist, selbst wenn die Verurteilung wegen eines mit hoher Strafdrohung bewehrten Vergehens oder eines Verbrechens erfolgte, nicht von dem Ausnahmetatbestand erfasst.. Mit der im Änderungsentwurf beabsichtigten Herabsetzung der Mindeststrafe, der damit verbundenen Einbeziehung von Bewährungsstrafen und der Gesamtstrafenbildung in den Ausnahmetatbestand wird die untere Grenze für die Möglichkeit eines Ausschlusses von der Flüchtlingsanerkennung in einen Bereich verschoben, der bereits die durch eine Mehrzahl von Taten der mittleren Kriminalität ausgelösten Gefahren erfasst und sich damit gerade nicht auf Fälle besonders schwerer Vergehen bzw. Verbrechen beschränkt. Bedenken ergeben sich auch durch die Aufnahme von Straftaten gegen das Eigentum und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte als besonders schwere Vergehen im Sinne der Ausnahmetatbestände. Beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kommt hinzu, dass das in § 113 StGB geschützte Rechtsgut in erster Linie die „Autorität staatlicher Vollstreckungsakte“ und nicht die Allgemeinheit ist. Berlin, 22. Februar 2016 Andreas Günzler StN als PDF Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Drucksache 18/7537)]]>
    Migration & Asyl (doublet)
    news-442 Wed, 17 Feb 2016 11:05:00 +0100 Berliner Erklärung<br />Faire Asylverfahren statt Ausverkauf rechtsstaatlicher Prinzipien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/berliner-erklaerung-br-faire-asylverfahren-statt-ausverkauf-rechtsstaatlicher-prinzipien-442 Berliner Erklärung Dieser Gesetzesentwurf stellt einen traurigen Höhepunkt in einer verheerenden Rechtsentwicklung dar und ist endgültig nicht mehr rechtsstaatlich zu verantworten. Fundamentaler Angriff auf die Rechtskultur, massive Entrechtung unserer Mandantinnen und Mandanten Das Asylpaket I vom Herbst letzten Jahres und das nun zur Verabschiedung anstehende Asylpaket II sind ein fundamentaler Angriff auf die Rechtskultur dieses Landes. Anhörungsrechte im parlamentarischen Verfahren werden bis zur Unkenntlichkeit verkürzt. Eine sachliche Auseinandersetzung und Diskussion wird unmöglich. Bereits Ende Februar soll das Gesetz verabschiedet werden.
    Weder das Asylpaket I noch das Asylpaket II führen zu einer Beschleunigung der Asylverfahren, ihrem angeblichen Hauptzweck. Dabei wäre eine Beschleunigung des Asylverfahrens dringend notwendig. Beide Asylpakete beschränken sich im Wesentlichen auf Symbolpolitik. Eine Symbolpolitik, die allerdings verheerende Auswirkungen hat. Das Asylpaket I hatte Ende 2015 die gerade erst Anfang 2015 erheblich gelockerte Residenzpflicht wieder massiv ausgeweitet. Es folgte die Wiedereinführung des Sachleistungsprinzips. Bereits in den 1990iger Jahren wurde versucht, über Leistungskürzungen und Sachleistung statt Geldleistung Flüchtlinge zur Rückkehr zu nötigen. Das sogenannte „Aushungern“ funktionierte schon damals nicht und ist absolut unwürdig! Es fliehen Menschen vor lebensbedrohlichen Lagen, sie gehen nicht in diese Situationen zurück, weil man an ihren Leistungen spart. Die teilweise Wiedereinführung der Residenzpflicht und die Kürzungen von Sozialleistungen werden zu unzähligen Rechtsstreitigkeiten führen, von denen wir dachten, dass sie endgültig der Vergangenheit angehören würden. Künftig werden wir jede einzelne Verlassenserlaubnis, jede einzelne Windel und auch jeden Arztbesuch unserer Mandanten per Gericht durchsetzen müssen. Der aktuelle Gesetzesentwurf verstößt sehenden Auges gegen verbindliche internationale Verträge und gegen höherrangiges europäisches Recht und führt zu massiver Entrechtung unserer Mandantinnen und Mandanten.
    Noch zum 01.08.2015 in Kraft getretene Verbesserungen wie z.B. im Familiennachzug, nämlich die überfällige Angleichung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten an den Familiennachzug zu Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, werden nun nicht nur rückgängig gemacht, sondern noch massiv verschärft. Die wesentlichen Inhalte des Gesetzes sind: 1. "beschleunigte Asylverfahren". Für dieses neu eingeführte Verfahren ist eine Prüfungs- Rechtsmittel- und gerichtliche Entscheidungsfrist von jeweils nur einer Woche vorgesehen. Die Anhörungen sollen direkt in der Aufnahmeeinrichtung stattfinden.
    Anwaltliche Vertretung wird auf Grund der Kürze der Fristen und vor allem der praktischen Unmöglichkeit die Aufnahmeeinrichtung überhaupt zu verlassen und Anwälte zu kontaktieren, in der Regel nicht gegeben sein. Zugleich werden die Gruppen, die von diesem beschleunigten Verfahren betroffen sind, willkürlich ausgeweitet und betreffen potentiell jeden Flüchtling, egal ob er aus Syrien, Eritrea oder Somalia kommt.
    Das BVerfG hat festgestellt, dass das Asylrecht in besonderer Weise ein verfahrensabhängiges Recht ist. Ein entsprechend dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz gestaltetes beschleunigtes Asylverfahren nimmt den Betroffenen ihr Recht auf ein faires und unabhängiges Verfahren und ist zu streichen. 2. „Abschiebung trotz erheblicher Gesundheitsgefahren“. Fachärztliche Atteste, die Mandanten vorlegen und die nachvollziehbar anhand gerichtlich vorgegebener Kriterien schwerste Gesundheitsgefährdungen belegen, sollen per Gesetz unbeachtlich sein u.a. mit der Begründung, sie seien „zu spät“ vorgelegt worden.
    Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat 2015 festgestellt, dass mindestens die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland psychisch krank ist. Meistens leiden sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (40 bis 50 Prozent) oder unter einer Depression (50 Prozent). Beide Erkrankungen kommen häufig gemeinsam vor. Flüchtlinge, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Auch bei Flüchtlingskindern in Deutschland sind Erkrankungen aufgrund traumatischer Erlebnisse besonders häufig. Jedes fünfte von ihnen ist an einer PTBS erkrankt.(1) In ihrer Stellungnahme stellt die Bundespsychotherapeutenkammer fest: „Die geplanten Regelungen diskriminieren gezielt psychisch kranke Menschen.“(2)
    Flüchtlinge stehen vor vielen Hürden, bis es ihnen gelingt, die richtigen Ärzte/Therapeuten gefunden und das Sozialamt von einer Kostenübernahme überzeugt zu haben. Dies gilt insbesondere, als sie in den „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ oft isoliert sind und keinen raschen Zugang zu Informationen haben. Anerkannte Therapieeinrichtungen für Flüchtlinge verfügen oft über Wartezeiten von mehreren Monaten. Zusätzliche Fristen im Gesetz einzubauen, ist vor diesem Hintergrund perfide.
    Die Berücksichtigung von krankheitsbedingten Gefahren und der Gefahr des Suizids sowie die Verpflichtung des Schutzes von Leib und Leben auch der Geflüchteten folgt unmittelbar aus der Verfassung (Art 2 Abs. 2 GG). Dieses Schutzgebot darf nicht durch unhaltbare Verfahrensregeln ausgehöhlt werden.
    Die Regelung ist zu streichen; lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen sind stets in fairen Verfahren zu berücksichtigen. 3. „Aussetzung Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre“. Dies entbehrt jeglichen sachlichen Grundes, ist unmenschlich und offensichtlich rechtswidrig. Menschen, die nachweislich wegen Lebensgefahr nicht in ihre Heimat zurück können, wird das Leben mit ihrer Kernfamilie verweigert. Da der Bundesregierung bekannt ist, dass Schutzberechtigten der Nachzug der Familie nicht dauerhaft verweigert werden kann, soll der Nachzug für zwei Jahre „ausgesetzt“ werden. Dies allein hat desintegrierende Wirkung. Es ist nicht nachvollziehbar, dass politisch über die soziale Sprengkraft diskutiert wird, die angeblich von alleinstehenden Flüchtlingen ausgehen soll und man gleichzeitig diesen Personen die Möglichkeit, mit der Kernfamilie zusammen zu leben, erst geben will, wenn sie zwei Jahre allein gelebt haben. Begründet wird dies mit der Begrenzung des Zuzugs. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass es sich hier um reine Symbolpolitik handelt, die für die Betroffenen katastrophale Auswirkungen hat und direkt zu mehr Klagen bei den Verwaltungsgerichten führen wird. 1708 Afghanen hat das Bundesamt 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, 325 haben den subsidiären Schutz erhalten. 14.510 Iraker erhielten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, 289 den subsidiären Schutzstatus. Insgesamt stehen 137.136 Personen mit Flüchtlingseigenschaft 1707 Personen mit subsidiärem Schutzstatus gegenüber.(3) Die Regelung stellt nicht nur keine Asylverfahrensbeschleunigung dar, sie ist integrationspolitischer Unsinn und ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Art. 6 des Grundgesetzes, Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der UN-Kinderrechtskonvention. Darüber hinaus ist auf folgendes hinzuweisen: Die mit einer gemeinsamen Presseerklärung des BMI und des BMJV vom 12.01.2016 angekündigte Ausweitung der Ausweisungsmöglichkeiten durch fast uferlose Ausdehnung des Ausweisungsinteresses ist unverhältnismäßig, zur Gefahrenabwehr nicht notwendig und wird in der Praxis verheerende integrationspolitisch absolut unerwünschte und kontraproduktive Ergebnisse haben. Der Bundesregierung ist bekannt, dass im Bereich des Flüchtlingsrechtes die Ausweisung eben nicht zur Abschiebung führt, wenn im Herkunftsstaat die Gefahr von menschenrechtswidriger Behandlung, von Folter oder Gefahren für Leib und Leben bestehen. Die Absicht, Frauen und Männer gut vor sexuellen Übergriffen zu schützen, begrüßen wir. Mit dieser Begründung das Ausweisungsrecht zu verschärfen, ist ineffektiv, integrationspolitisch verfehlt und populistisch.
    Insgesamt ist der Gesetzesentwurf ein entschieden abzulehnender Versuch, immer mehr Sondervorschriften, Sonderbehandlungen und auch Rechtsausschlüsse für willkürlich gewählte Flüchtlingsgruppen zu etablieren.
    Der Ausschuss Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltsvereins hat ausführlich die bestehenden Umsetzungsdefizite in Hinblick auf geltendes europäisches Recht in Deutschland dokumentiert.(4) Wir fordern die Bundesregierung auf, die Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie, der Europäischen Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie internationaler Menschenrechtsabkommen einzuhalten und umzusetzen. Dies bedeutet insbesondere: Wir haben uns als Anwältinnen und Anwälte schon im Dezember 2015 veranlasst gesehen, eine Kundgebung vor der SPD Zentrale am Oberanger in München abzuhalten. Wir haben für unsere Aktion breite Unterstützung erhalten, insbesondere von verschiedenen Therapeuten- und Ärzteorganisationen, IPPNW, Refugio München e.V., Pro Asyl u.a. Nunmehr werden in der Zeit vom 15.02 bis 18.02.2016 Protestkundgebungen gegen das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz von Anwältinnen und Anwälten u.a. in Hamburg, Köln, München, Bremen und Berlin stattfinden. Erklärung als PDF Unterzeichner*innen Rechtsanwalt Thomas Moritz
    Rechtsanwältin Annette Jansen
    Rechtsanwältin Magdalena Holtkötter
    Rechtsanwältin Julia Kraft
    Rechtsanwältin Imeke der Weldige
    Rechtsanwältin Berenice Böhlo
    Rechtsanwalt a.D. Conrad Zimmer
    Rechtsanwältin Franziska Nedelmann
    Rechtsanwältin Barbara Wessel
    Rechtsanwältin Dr. Kati Lang
    Rechtsanwältin Silke Studzinsky
    Rechtsanwältin Inken Stern
    Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried
    Rechtsanwalt Federico Traine
    Rechtsanwalt Felix Isensee
    Rechtsanwältin Gisela Seidler
    Rechtsanwältin Dr. Dominique Schimmel
    Rechtsanwalt Markus Prottung
    Rechtsanwältin Anne Kling
    Rechtsanwalt Bilal Alkatout
    Rechtsanwalt Dr. Eckart Wähner
    Rechtsanwalt Andreas Günzler
    Rechtsanwalt Lukas Theune
    Rechtsanwältin Marie Ellersiek
    Rechtsanwalt Philipp Rusche
    Rechtsanwältin Christina Herrig
    Rechtsanwältin Barbara Dubick
    Rechtsanwalt Oliver Wolf
    Rechtsanwalt Peter Fahlbusch
    Rechtsanwalt Ulrich Lerche
    Rechtsanwalt Ünal Zeran
    Rechtsanwalt Christoph von Planta
    Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff
    Rechtsanwalt Paulo Dias
    Rechtsanwältin Beate Böhler
    Rechtsanwältin Sylvia Pfaff-Hofmann
    Rechtsanwältin Felicitas Köhler
    Rechtsanwältin Regina Götz
    Rechtsanwältin Undine Weyers
    Rechtsanwältin Tonja Salomon
    Rechtsanwalt Reinhard Jäger
    Rechtsanwältin Nizaqete Bislimi
    Rechtsanwalt Reiner Hartdorf
    Rechtsanwältin Sonia Garbers
    Rechtsanwalt Dr. Mark Swatek
    Rechtsanwältin Lena Stehle
    Rechtsanwalt Harald Schandl
    Rechtsanwältin Katrin Albers
    Rechtsanwalt Mahmoud Achour
    ass. -jur  Jutta Hermanns
    Rechtsanwalt Gunther Christ
    Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf
    Rechtsanwalt Rüdiger Jung
    Rechtsanwältin Caroline von Wedel-Parlow
    Rechtsanwältin Anna Münzner
    Rechtsanwältin Annette Fölster
    Rechtsanwältin Christina Clemm
    Rechtsanwältin Ilka Quirling
    Rechtsanwältin Amparo Pardo Ayala
    Rechtsanwältin Anya Lean
    Rechtsanwältin Inga Schulz
    Rechtsanwältin Ingvild Geyer-Stadie
    Rechtsanwältin Katharina Fröbel
    Rechtsanwältin Ulrike Birzer
    Rechtsanwalt Ralph Monneck
    Rechtsanwältin Johanna Künne
    Rechtsanwältin Canan Balcin
    Rechtsanwalt Dieter Hummel
    Rechtsanwalt Sebastian Scharmer
    Rechtsanwältin Stephanie Dufner
    Rechtsanwältin Laura Aulmann
    Rechtsanwalt Johannes Schulz-Schottler
    Rechtsanwältin Simone Rapp
    Rechtsanwalt Björn Cziersky-Reis
    Rechtsanwalt Daniel Schmidt-Blümel
    Rechtsanwalt Ralf Fischer
    Rechtsanwalt Steven Jefferys
    Rechtsanwalt Dr. Sven-U. Burkhardt
    Rechtsanwalt Florian Haas
    Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert
    Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser
    Rechtsanwalt Christian Zimmer
    Rechtsanwältin Martina Zünkler
    Rechtsanwältin Dr. Esther Weizsäcker
    Rechtsanwalt Mersad Smajic
    Rechtsanwalt Dr. Karsten Seifert
    Rechtsanwältin Susanne Lange
    Rechtsanwältin Esther Kleideiter
    Rechtsanwältin Susanne Schröder
    Rechtsanwältin Wiebke Wildvang
    Rechtsanwalt Lutz Weber
    Rechtsanwalt Volker Gerloff
    Rechtsanwältin Nadine Arndt
    Rechtsanwalt Franz Fertmann
    Rechtsanwalt Florian van Bracht
    Rechtsanwältin Silke Hoffmann
    Rechtsanwältin Franziska Drohsel
    Rechtsanwalt Max Stanko
    Rechtsanwältin Franziska Minne
    Rechtsanwältin Gilda Schönberg
    Rechtsanwalt Heinz Paul
    Rechtsanwalt Marin Lemke
    Rechtsanwältin Eva Steffen
    Rechtsanwalt a.D. Klaus Walliczek
    Rechtsanwältin Berthe Obermanns
    Rechtsanwältin Frauke Roßmann
    Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski
    Rechtsanwältin Sigrun Krause
    Rechtsanwalt Sven Sommerfeldt
    Rechtsanwalt Thomas Krautzig
    Rechtsanwältin Csilla Iványi
    Rechtsanwalt Michael De Saavedra-Mai
    Rechtsanwalt Max Althoff
    Rechtsanwältin Franziska Dams
    Rechtsanwältin Ronska Verena Grimm
    Rechtsanwältin Stephanie Otrakci
    Rechtsanwalt Dr. Jonathan Burmeister
    Rechtsanwalt Yunus Ziyal
    Rechtsanwalt Alexander Wagner
    Rechtsanwalt Gunther Specht
    Rechtsanwalt Reinhold Waber
    Rechtsanwalt Arne Timmermann
    Rechtsanwältin Anke Thiesing-Rieck
    Rechtsanwältin Anette Schmidt
    Rechtsanwältin Katrin Inga Kirstein
    Rechtsanwältin Petra Dervishaj
    Rechtsanwältin Marion Pein
    Rechtsanwalt Bernd Vetter
    Rechtsanwältin Ursula Groos
    Rechtsanwalt Mirco Beth
    Rechtsanwältin Stephanie Karlos
    Rechtsanwältin Tina Wienecke
    Rechtsanwältin Kirsten Striegler
    Rechtsanwältin Fenna Busmann
    Rechtsanwalt Udo Sürer
    Rechtsanwältin Claudia Reichel
    Rechtsanwältin Anne-Kathrin Krug
    Rechtsanwältin Anna Vahjen
    Rechtsanwalt Florian Riechey
    Rechtsanwältin Ursula Mende
    Rechtsanwältin Eva Dworschak
    Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann
    Rechtsanwalt Dr. Olaf Heischel
    Rechtsanwalt Einar Aufurth
    Rechtsanwalt Nils Spörkel
    Rechtsanwältin Oda Jentsch
    Abogado Inigo Valdenebro
    Rechtsanwältin Kerstin Müller
    Rechtsanwalt Sven Hasse
    Rechtsanwalt Jens Hoffmann
    Rechtsanwalt Thorsten Müller
    Rechtsanwalt H. Eberhard Schultz
    Rechtsanwalt Claus Förster
    Rechtsanwalt und Notar Joachim Musch
    Rechtsanwalt Klaus Schank
    Rechtsanwalt Daniel Werner
    Rechtsanwalt Steffen Ahrens
    Rechtsanwalt Gerd Flint
    Rechtsanwalt Karsten Lüthke
    Rechtsanwalt Rolf Stahmann
    Dieter Krause, ver.di Rechtssekretär i.R.
    Rechtsanwalt Michael Sack
    Rechtsanwalt Heiko Habbe
    Rechtsanwältin Anna Magdalena Busl
    Rechtsanwalt Joachim Schröder
    Rechtsanwalt Dr. Sven-U. Burkhardt
    Dipl.Psych. Michaela M. Müller
    Ernst-Ludwig Iskenius, Arzt, ehem. Ärztl. Leiter d. Behandlungszentrum Refugio
    Sabine Will, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie
    Anna-Sophia Grün, Psychologin, Psychotherapeutin in Ausbildung
    Rechtsanwältin Petra Haubner
    Rechtsanwalt Hannes Honecker
    Rechtsanwalt Joachim Krempin
    Medical Support Outside the System (MSOS)
    Berliner Arbeitskreis Gesundheit und Menschenrechte

    Rechtsanwältin Birgit Landgraf
    Rechtsanwältin Maria Kalin
    Dr. med. Elisabeth Heyn, Ärztin (Allgemeinmedizin)
    Dipl.-Psych. Candida Klinzing
    Rechtsanwältin Dr. Kirsten Jansen
    Rechtsanwalt Ole Weidmann, Berlin
    Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, Dresden
    Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, Jena
    Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen
    Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, Göttingen
    Rechtsanwalt Maik Elster, Jena
    Rechtsanwalt Thomas Jennissen
    Annelie Jaschinski, Ass.Jur., Rechtsschutzsekretärin DGB Rechtsschutz GmbH
    Dr.med. Patrick Ingiliz
    INTER HOMINES, Empowerment und Therapie mit politisch Verfolgten e.V.
    Rechtsanwältin Insa Graefe
    Medibüro Berlin, Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen
    Rechtsanwalt Benjamin Hersch
    Rechtsanwältin Ko Watari
    Rechtsanwalt Eberhard Kunz
    Rechtsanwältin Sunna Keles
    STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative
    Rechtsanwalt Ahmed Abed
    Rechtsanwältin Ilka Feyerabend
    Rechtsanwältin Yasmin Abraham
    Dr. Günter Rexilius, Psychol. Psychotherapeut
    Claudius Loga, Facharzt für Allgemeinmedizin
    Dipl.-Psych. Adriane Wachholz-Abiodun, Psychologische Psychotherapeutin
    Prof. Dr. Jörg Arnold, Rechtsanwalt
    Stefan Gräbner, Rechtsanwalt
    Dr. Dilip D. Maitra, Rechtsanwalt
    Stephanie Hujo, Rechtsanwältin
    Dorine Bourger, Psychologische Psychotherapeutin
    Dr. Dilip D. Maitra, Rechtsanwalt
    GLAD e.V. Organisationen * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
    www.rav.de
    * Neue Richtervereinigung (NRV)
    www.neuerichter.de/startseite.html
    * Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)
    www.ippnw.de
    * arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der HU zu Berlin (akj-berlin)
    http://akj.rewi.hu-berlin.de/
    * Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.  (VDJ)
    www.vdj.de/vdj/
    * XENION, Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
    www.xenion.org  Berlin, 17. Februar 2016 Fußnoten (1)  http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/mindestens-d.html
    (2)  http://www.bptk.de/uploads/media/20160203_2016-02-01_STN_BPtK_Einfuehrung_beschleunigter_Asylverfahren.pdf
    (3)  https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/201512-statistik-anlage-asyl-geschaeftsbericht.pdf?__blob=publicationFile
    (4)  http://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-48-15-initiativstellungnahme-zur-umsetzung-der-verfahrensrichtlinie]]>
    Migration & Asyl (doublet)
    news-441 Wed, 17 Feb 2016 10:13:00 +0100 Faire Asylverfahren statt Ausverkauf rechtsstaatlicher Prinzipien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/faire-asylverfahren-statt-ausverkauf-rechtsstaatlicher-prinzipien-441 Pressemitteilung, 17.02.2016 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte protestieren gegen die geplante weitere rechtswidrige Asylrechtsverschärfung Am Donnerstag, den 18.02.2016 um 13.00 Uhr werden in der Kirchstraße 7 vor dem Verwaltungsgericht Berlin Anwältinnen und Anwälte sowie Vertreter anderer Berufsgruppen gegen die Annahme des sogenannten „Asylpakets" protestieren. Wir werden an diesem Ort anwaltlicher Tätigkeit eine Kundgebung abhalten, die unser Entsetzen und unsere Verweigerung ausdrückt, das euphemistisch bezeichnete „Asylpaket" stillschweigend entgegenzunehmen. Gleichzeitig laden wir alle Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichts Berlin ein, an der Kundgebung teilzunehmen. Deutschlandweit werden zur gleichen Zeit weitere Proteste der genannten Berufsgruppen stattfinden. Auch ist bereits ein Protestschreiben von weit über 100 Anwältinnen und Anwälten, Vereinigungen von Rechtsanwält*innen, Richter*innen und Mediziner*innen unterzeichnet und an die Fraktionen des Bundestages übersandt worden (vgl. Anhang. Erklärung der Berliner Rechtsanwält*innen). Am Freitag, den 19.02.2016 wird der Bundestag mit der ersten Lesung zur Verabschiedung weiterer ungerechtfertigter und sachfremd begründeter Gesetze beginnen. In den zum Teil verfassungswidrigen Gesetzesvorhaben werden  international gesicherte Rechte von akut Geflüchteten und deren Familienangehörigen beschnitten. Auch  seit Jahrzehnten in Deutschland aufhältige Menschen sind betroffen. Rechtsstaatliche Mindeststandards werden über Bord geworfen. Der Zugang zu Rechtsschutz soll abgeschnitten bis verweigert werden. Es wird dadurch eine Handlungsfähigkeit vorgetäuscht, die durch die geplanten Gesetze eher vereitelt als ermöglicht wird. Europarechtliche Normen und internationale Abkommen werden ignoriert. Das Wohl der Geflüchteten hat die Regierung dabei nicht im Auge. Das Ziel des Gesetzes ist eine beschleunigte Abschiebung von Geflüchteten, denen der Weg zu einem fairen Verfahren im Einzelfall und einem angemessenem Rechtsschutz abgeschnitten werden soll. Dabei sieht das Gesetz auch die Abschiebung lebensbedrohlich Erkrankter vor. Internationale und europarechtlich gesicherte medizinische wie juristische Standards werden damit missachtet. „Wenn Geflüchtete aufgrund der erfolgten und geplanten Gesetzesverschärfungen nicht den ihnen zustehenden Schutz in Europa erhalten, ist dies nicht nur ein Versagen des Rechtsstaats, sondern eine staatlich geförderte, akute Gefährdung von Menschenleben“, so Rechtsanwältin Berenice Böhlo. Wir fordern die Fraktionen des Bundestages auf, gegen die geplanten Gesetzesverschärfungen zu stimmen. Für Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwältinnen Imeke de Weldige und Berenice Böhlo in Berlin unter der jew. Kanzleinummer (de Weldige 030.259357-60 | Böhlo 030.259357-70) oder die Geschäftsstelle des RAV unter 030.417235-55 zur Verfügung. Pressemitteilung als PDF Berliner Erklärung als PDF]]> Migration & Asyl (doublet) news-440 Tue, 16 Feb 2016 12:01:00 +0100 Asylpaket II: Annahme verweigert! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/asylpaket-ii-annahme-verweigert-440 Aufruf zur Kundgebung am Donnerstag, den 18.02.2016 um 13.00 Uhr
    vor dem Verwaltungsgericht in der Kirchstraße die Annahme des sogenannten „Asylpakets“ zu verweigern. Wir werden unser Entsetzen und unsere Verweigerung, das euphemistisch bezeichnete „Asylpaket“ stillschweigend entgegenzunehmen, zum Ausdruck bringen. Deutschlandweit werden zur gleichen Zeit weitere Proteste der genannten Berufsgruppen stattfinden. Am Freitag, den 19.02.2016 wird der Bundestag mit der ersten Lesung zur Verabschiedung weiterer ungerechtfertigter und sachfremd begründeter Gesetze beginnen. In den zum Teil verfassungswidrigen Gesetzesvorhaben werden international gesicherte Rechte von akut Geflüchteten und deren Familienangehörigen beschnitten. Auch seit Jahrzehnten in Deutschland aufhältige Menschen sind betroffen. Rechtsstaatliche Mindeststandards werden über Bord geworfen. Der Zugang zu Rechtsschutz soll abgeschnitten bis verweigert werden. Es wird eine Handlungsfähigkeit vorgetäuscht, die durch die geplanten Gesetze eher vereitelt als ermöglicht wird. Europarechtliche Normen und internationale Abkommen werden ignoriert. Das Wohl der Geflüchteten hat die Regierung dabei nicht im Blick. Das Ziel des Gesetzes ist eine beschleunigte Abschiebung von Geflüchteten, denen der Weg zu einem fairen Verfahren im Einzelfall und einem angemessenem Rechtsschutz abgeschnitten werden soll. Dabei sieht das Gesetz auch die Abschiebung lebensbedrohlich Erkrankter vor. Internationale und europarechtlich gesicherte medizinische wie juristische Standards werden missachtet. Das Gesetz stellt einen Angriff auf den Rechtsstaat dar. Es betrifft nicht nur die Geflüchteten. Es geht alle etwas an. Kommt zahlreich! Gern in Robe.
    Kundgebung: Vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Kirchstraße 7), 18.02.2016 13.OO Uhr ! Es wird bundesweite Protestaktionen von Anwält*innen, Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen geben. Anwaltliche Protestaktionen finden an folgenden Orten statt: - Köln, 18.02.2016 um 12 Uhr Kundgebung vor der SPD Zentrale, Magnusstraße 18;
    - München, 18.02.2016 von 13.00 Uhr bis ca. 14.00 Uhr Kundgebung vor der SPD, Oberanger 38;
    - Hamburg, 18.02.2016 um 13:00 Uhr Kundgebung am Rathausvorplatz mit anschließender Pressekonferenz;
    - Berlin, 18.02.2016 um 13:00 Uhr Kundgebung am Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstr. 7;
    - Bremen, 18.02.2016 um 11:30 Uhr vor dem Parteibüro der SPD in der Obernstr. 39 ********************* Weitere Stellungnahmen: Stellungnahme und Presseerklärung der Bundesärztekammer zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" [PDF]:
    http://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/baek-aerzten-ausreichend-zeit-fuer-untersuchung-von-asylbegehrenden-geben/  Stellungnahmen und Aufruf zum Protest von PRO ASYL: Den Aufruf "Asylpaket II stoppen - Keine Einschränkung von fairen Asylverfahren" findet Ihr hier:
    https://www.proasyl.de/de/home/asylpaket-ii-stoppen/ Stellungnahme des Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge:
    http://www.b-umf.de/images/20160202_Stellungnahme_des_Bundesfachverband_unbegleitete_minderj%C3%A4hrige_Fl%C3%BCchtlinge_zum_Entwurf_eines_Gesetzes_zur_Einf%C3%BChrung_beschleunigter_Asylverfahren.pdf Offener Brief von 218 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus ganz Deutschland an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas:
    http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/tl_files/Downloads/Offener%20Brief%20an%20Heiko%20Maas_Asylpaket%20II.pdf Stellungnahme der Bundespsychotherapeutenkammer:
    http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/psychisch-kr-14.html Stellungnahmen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR):
    http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuell/news/meldung/article/pressemitteilung-zentrale-regelungen-im-asylpaket-ii-sind-menschenrechtswidrig-institut-legt-stel/ http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuell/news/meldung/article/pressemitteilung-institut-lehnt-einordnung-von-algerien-marokko-und-tunesien-als-sichere-herkunfts/ Stellungnahme Deutscher Anwaltsverein:
    http://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-4-16-zum-gesetzentwurf-der-bundesregierung-zur-einfuehrung-beschleunigter-asylverfahren-33981 Gemeinsame Stellungnahme von Caritas und Diakonie zur Klassifizierung von Marokko, Algerien und Tunesien als "sichere Herkunftsstaaten":
    http://www.caritas.de/fuerprofis/presse/pressemeldungen/caritas-kritisiert-ausweitung-sicherer-h http://www.diakonie.de/entwurf-eines-gesetzes-zur-bestimmung-sicherer-herkunftslaender-16893.html Die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. positioniert sich zu den Paradoxien des Asylpaket II anhand der Quantenmechanik:
    http://www.ggua.de/Einzelansicht.40+M5e9c04c6657.0.html Stellungnahme des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein:
    http://www.frsh.de/artikel/zustimmung-zum-asylpaket-ii-und-gesetzentwurf-sicherer-maghreb-verweigern/ ]]>
    Migration & Asyl (doublet)
    news-438 Fri, 22 Jan 2016 09:00:00 +0100 European Lawyers Delegation visits Diyarbakir /publikationen/mitteilungen/mitteilung/european-lawyers-delegation-visits-diyarbakir-438 Pressemitteilung von ELDH und EDL, 20.1.2016 http://www.aeud.org/) und European Democratic Lawyers (http://www.eldh.eu/). Ein Mitglied des RAV ist Teil der Delegation von Anwältinnen und Anwälten nach Diyarbakır. **** A delegation of European lawyers will visit Diyarbakir from 21st to 24th January 2016. The 13 participants come from Belgium, Germany, Italy, and Austria. Two European lawyers’ organisations are supporting this initiative, the European Association of Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH) and the European Democratic Lawyers (EDL) and also the “Unione delle Camere Penali Italiane” ELDH and EDL are gravely concerned about the deterioration of human rights in the region which has escalated since the Turkish government stopped the peace negotiations with the Kurdish Workers Party PKK. For many weeks now a curfew has been imposed upon several towns in the region of Diyarbakir and ??rnak and upon a great part of the centre of Diyarbakir. The Turkish government boasts that it has killed several hundred PKK fighters. It fails to mention the civilians who have also died, in particular due to the use of heavy weapons by the Turkish army inside densely populated areas of several towns. On 28th November 2015 the President of the Diyarbakir Bar Association was killed on the street when he gave a press conference asking for a peaceful solution of the conflict. In press releases ELDH and EDL condemned the murder of Tahir Elçi and demanded an international independent investigation into the circumstances. The former judge of the European Court of Human Rights (ECtHR), Riza Türmen, who is now a CHP Member of Parliament, stated that the long-term military curfew constitutes a violation of state responsibility. Several victims of the curfew have complained to the ECtHR demanding an end to the military operations and the lifting of the curfew. Nevertheless the court ruled on 13th January 2016 that the evidence at its disposal was not sufficient for it to order interim measures. However the court asked the applicants to keep it informed of any further developments. Lastly, given the gravity of the situation, the Court indicated to the Government “to take any necessary steps to ensure that physically vulnerable individuals can have access to treatment if they so request”. The European lawyers visiting Diyarbakir are going to investigate
    The members of the delegation will talk to representatives of HDP, the Diyarbakir Bar Association, the Diyarbakir Chamber of Medicine, the Human Rights Association of Diyarbakir, a women’s association, the family of Tahir Elçi, the families of victims. They will also talk to a lawyer who represents victims of the curfew in Diyarbakir before the European Court of Human Rights. After their visit the lawyers will publish a report. For more information, contact
    Thomas Schmidt (lawyer), ELDH Secretary General
    Platanenstrasse 13, 40233 Düsseldorf
    thomas.schmidt@eldh.eu , 0049 – 172 – 68 10 888 Pressemitteilung als PDF]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-437 Fri, 22 Jan 2016 02:55:00 +0100 Verteidigung, statt Ausverkauf der Menschenrechte<br />Schutz für Geflüchtete und Stärkung der Zivilgesellschaft in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verteidigung-statt-ausverkauf-der-menschenrechte-br-schutz-fuer-gefluechtete-und-staerkung-der-zivilgesellschaft-in-der-tuerkei-437 Pressemitteilung, 22.1.2016 Gegen eine Abschottungspolitik Hand in Hand mit der Erdoǧan-Türkei Verurteilte die Bundesregierung 2013 die Türkei noch aufs Schärfste wegen der Menschenrechtsverletzungen während der ›Gezi-Proteste‹, wird die Türkei nun zum begehrten Partner für die Ausgrenzung von Schutzsuchenden. Neben einer Zahlung von 3 Milliarden Euro für eine angeblich angemessene Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten in der Türkei, soll großzügige Unterstützung bei der Verriegelung der europäischen Außengrenzen geleistet werden. Dabei weiß die Bundesregierung:  
    Indem die Bundesregierung hiervor die Augen verschließt, macht sie sich für diese gezielten Menschenrechtsverletzungen mit verantwortlich. Gegen die Anerkennung der Türkei als ›sicheres Herkunftsland‹ Aber nicht nur das. Die Bundesregierung stellt Erdoǧan auch in Aussicht, die Türkei zukünftig als sog. ›sicheres Herkunftsland‹ bestimmen zu wollen. Dies würde bedeuten, dass etwa auch kurdische Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in der Türkei faktisch keine Möglichkeit auf eine Asylanerkennung in Deutschland mehr hätten. So entledigt sich Deutschland nicht nur der Verantwortung für die syrischen Flüchtlinge, sondern schließt gleich weitere verfolgte Gruppen vom Zugang zum Asyl in Deutschland aus. Dabei weiß die Bundesregierung: »Für ein Land wie Deutschland, das sich international damit rühmt, eine humane Flüchtlingspolitik betreiben zu wollen, verbietet sich ein solch schmutziger Deal auf Kosten der Menschenrechte«, so Rechtsanwältin Wessel vom RAV. Wir fordern eine glaubwürdige und nachhaltige Politik. Dies ist nur gewährleistet, wenn die Bundesregierung die globalen Menschenrechte achtet und sich an grundgesetzlich verankerte Rechte und Wertentscheidungen hält. Wir fordern die Bundesregierung auf,Bei Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwältinnen Wessel und Nedelmann über die Geschäftsstelle des RAV zur Verfügung. Tel. +49 (0)3 41723555 (1) Amnesty International, „Europe´s Gatekeeper. Unlawful detention and deportation of refugees from Turkey“, Bericht vom 16. Dezember 2015, einzusehen unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur44/3022/2015/en/ (2) Demokratisches Türkeiforum unter Bezugnahme auf die Türkische Menschenrechtsstiftung THIV, Bericht vom 08.01.16, einzusehen unter: http://www.tuerkeiforum.net/Todesopfer_bei_Ausgangssperren_zwischen_dem_25._Dezember_2015_und_dem_8._Januar_2016 (3) Jahresbericht 2015 des IHD, einzusehen unter: http://en.ihd.org.tr/index.php/2016/01/11/assessment-of-year-2015-for-turkey-peace-and-democracy-manifesto/ und Bericht des dem. Türkeiforums aus Januar 16, einzusehen unter: http://www.tuerkeiforum.net/Meldungen_im_Januar_2016#Initiativen_zur_Beendigung_der_Gewalt   Die Pressemitteilung als PDF]]>
    Migration & Asyl (doublet)
    news-436 Tue, 19 Jan 2016 12:09:00 +0100 Tag der bedrohten Anwältin<br />Tag des bedrohten Anwalts<br />22. Januar 2016 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-br-tag-des-bedrohten-anwalts-br-22-januar-2016-436 Pressemitteilung, 19.1.2016 Solidarität mit den Anwältinnen und Anwälten, Richterinnen und Richtern sowie anderen juristischen Berufen in Honduras Seit 2010 werden jedes Jahr am oder um den 24. Januar Proteste vor Botschaften in Solidarität mit Anwältinnen und Anwälten organisiert, die bedroht, angegriffen oder sogar getötet werden, weil sie in Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung Menschenrechte verteidigen oder arme Menschen, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter oder Bäuerinnen und Bauern vertreten. Am 22. Januar 2016 werden europaweit und in außereuropäischen Ländern Anwältinnen und Anwälte und Mitglieder anderer juristischer Berufe vor den Botschaften Honduras protestieren. Den Botschaftern wird eine Petition zugunsten der honduranischen Anwälte und anderer juristischer Berufe überreicht. Freitag, den 22. Januar 2016, 14:00 Uhr
    Botschaft der Republik Honduras
    Cuxhavener Straße 14
    10555 Berlin

    Anwältinnen und Anwälte sind zur Teilnahme in Robe aufgerufen. Mit den Protesten soll auf die andauernde Welle von Gewaltverbrechen gegen Anwältinnen und Anwälte sowie Vertreter anderer juristischer Berufe in Honduras aufmerksam gemacht werden. Deren Lage in Honduras ist verzweifelt. Allein zwischen 2010 und 2015 hat die Inter-Amerikanische Menschenrechtskommission (IAHRC) 91 Morde an Anwältinnen und Anwälten registriert. 91 Morde an Anwältinnen und Anwälten Die Gewalt betrifft jedoch nicht nur Anwältinnen und Anwälte sowie andere juristische Berufe. Große Teile der honduranischen Bevölkerungen leiden unter gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die das gesamte öffentliche Leben in Honduras belasten. Die Hauptgründe für diese massive Gewalt sind Armut, Arbeitslosigkeit, Drogenhandel, Frauenfeindlichkeit und schwere Defizite bei der Aufklärung und Verfolgung dieser Verbrechen. Die Gewaltverbrechen werden nicht nur von Banden verübt, wie die honduranische Regierung erklärt, sondern gehen auch von einflussreichen Personen im Staatsapparat und bei den Sicherheitskräften aus oder werden von diesen gedeckt. Anwältinnen und Anwälte, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter, die mit solchen Gewaltdelikten befasst sind, gehen ein hohes Risiko ein, selber Opfer von Gewalttaten zu werden. Korruption innerhalb von Staatsanwaltschaft und Justiz Neben organisatorischen Mängeln bei der Strafverfolgung und der Einschüchterung von allen Verfahrensbeteiligten ist auch weit verbreitete Korruption innerhalb von Staatsanwaltschaft und Justiz für die weitverbreitete Straflosigkeit verantwortlich. Die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter wird nicht garantiert. Stattdessen erfolgen Eingriffe in die Rechtsprechung. Restriktive Gesetze machen es den Gerichten schwer, ihre Unabhängigkeit zu bewahren und die Funktionsfähigkeit des Rechts zu gewährleisten. Richterinnen und Richter, die gegen den Staatsstreich von 2009 protestierten, wurden illegal entlassen, so der Inter-Amerikanische Menschenrechtsgerichtshof Ende 2015. Gerade die Eingriffe in den Justizapparat haben das gesamte Justizwesen weiter geschwächt. Diese Lage wurde von verschiedenen UN-Einrichtungen bestätigt: in Sonderberichten, durch die Mechanismen der Menschenrechtsverträge und durch den Menschenrechtsrat. Laut dem ›Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung‹ (UNDOC) hatte Honduras in 2013 die höchste Mordrate der Welt. Auch Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) bestätigen das. HRW kommentiert: »Honduras leidet unter ungezügelten Verbrechen und Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen. [...] Richter sind Einschüchterungen und politischer Einmischung ausgesetzt«. Todesdrohungen und Morde an Richtern und Staatsanwälten Die IAHRC erhielt zudem Berichte über die Ermordung und Einschüchterung von Richterinnen und Richtern in Honduras, darunter über die Ermordung der Strafrichterin Mireya Efigenia Mendoza Pena, die auch Stellvertretende Sekretärin der ›Vereinigung der Richter für Demokratie‹ war, einer Organisation, die Richterinnen und Richter in Honduras verteidigt. Nach öffentlich zugänglichen Informationen haben 2014 wenigstens 20 Richterinnen und Richter Todesdrohungen erhalten, so die Vereinigung. Wenigstens drei Richter wurden in den letzten zwei Jahren ermordet. Der UN-Sonderberichterstatter zur Situation von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern hat Berichte erhalten, wonach Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – insbesondere wenn sie für Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen zuständig sind – Todesdrohungen erhalten haben oder ermordet wurden. Staatsanwaltschaften und Gerichte, die mit Verbrechen befasst waren, in die Sicherheitskräfte verstrickt waren, standen unter politischem Druck durch hochrangige Staatsbedienstete und sogar aus dem Büro des Generalstaatsanwalts. Professor Bill Bowring, Rechtsanwalt und Präsident der ›Europäischen Vereinigung von Jurist*innen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt‹ (EJDM), sowie internationaler Sekretär der ›Haldane Society of Socialist Lawyers‹ erklärte: »Rechtsanwälten, Staatsanwälten und Richtern in Honduras muss es möglich sein, ihre gesetzlichen Verpflichtungen ohne Einschüchterung ausüben zu können. Der nötige Schutz muss staatlicherseits gewährleistet werden, insbesondere wenn aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ihr Leben gefährdet ist«.  Die Anwältin Florence de la Pradelle, Koordinatorin der Kommission ›Verteidigung der Verteidigung der Europäischen Demokratischen Anwält*innen‹ (EDA) sagte: »Ich unterstütze die Initiative, die Öffentlichkeit auf den Verfall der Menschenrechte im honduranischen Staat aufmerksam zu machen und hierbei insbesondere die Angriffe gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie gegen  Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger«. Ansprechpartner:Der TAG DER BEDROHTEN ANWÄLTIN / TAG DES BEDROHTEN ANWALTS ist eine Initiative von Europäische Demokratische Anwält*innen (EDL), www.aeud.org  | Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM), www.ejdm.eu | Stiftung DAY OF THE ENDANGERED LAWYER (Niederlande) Die Initiative wird unterstützt durch Honduran Association of Judges for Democracy | Colegio de Abogados de Honduras (CAH) | Die Fachgruppe Internationales der Neuen Richtervereinigung (NRV) | Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) | The European Bar Human Rights Institute (IDHAE) | Die niederländische Organisation LAWYERS FOR LAWYERS | Die Internationale Vereinigung Demokratischer Jurist*innen (IVDJ) | International Association of People's Lawyers (IAPL) | Die Union Internationale des Avocats (UIA) Pressemitteilung als Download Día del Abogado Amenazado - 22 de enero de 2016. En solidaridad con los abogados hondureños, jueces y otros profesionales del derecho. Petición (es) Day of the Endangered Lawyer – 22nd January 2016. In solidarity with Honduran lawyers, judges and other law professionals. Petition (eng) Bericht über Honduras zum TAG DER BEDROHTEN ANWÄLTIN / DES BEDROHTEN ANWALTS Report of THE ASSOCIATION OF JUDGES FOR DEMOCRACY (ASOCIACION DE JUECES POR LA DEMOCRACIA - AJD) HONDURAS, 2014]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Freie Advokatur (doublet)
    news-435 Sat, 12 Dec 2015 06:53:00 +0100 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ 2016 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmreihe-von-rav-und-nsu-watch-2016-435 ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ ›Der Marsch‹ Do. 14. Januar 2016, 19:30 Uhr
    Ort: Narr-Bar*
    David Wheatley, UK 1990, 93 min
    Hauptpersonen sind eine Entwicklungskommissarin der Europäischen Gemeinschaft und der Nordafrikaner Isa El-Mahdi, der einen Marsch von Flüchtlingen aus afrikanischen Flüchtlingslagern nach Europa organisiert. Dort werden sie auf schwer bewaffnete europäische Soldaten stoßen – der Jubel der Geflüchteten verhallt auf der Stelle.
    Gast: tbc. ::::::::::::::::: ›The Land Between Do. 25. Februar 2016, 20:00 Uhr
    Ort: B-Lage*
    erstmalig mit warmer Verpflegung vorab (ab 19 h gegen Spende) David Fedele, AUS 2014, 78 min
    Eindringliche Einblicke in das versteckte und disparate Leben von Migrantinnen und Migranten in den Bergregionen des nördlichen Marokko. Für die meisten besteht ihr Traum darin, Europa mit einem Sprung über die hoch militarisierte Barriere nach Melilla, der spanischen Enklave an der afrikanischen Küste zu erreichen. ::::::::::::::::: ›SIMURG‹ ----> DIE FILMVORFÜHRUNG MUSS LEIDER AUSFALLEN <----
    Ort: Narr-Bar
    Ruhi Karadag, TK 2012, 109 min
    Der Dokumentarflm begleitet sechs ehemalige politische Häftlinge, die sich 1996 an einem Hungerstreik gegen die Einführung der Typ-F Isolationszellen in der Türkei beteiligten. Der Widerstand der Gefangenen gegen die Pläne der Regierung wurde 2002 durch das sogenannte Todesfasten fortgesetzt und kostete 122 Menschenleben.
    ::::::::::::::::: ›Die Angst wegschmeissen‹ Do. 14. April 2016, 19:30 Uhr
    Ort: B-Lage
    Bruno Schellhagen, IT/DE 2015, 80 min
    Seit 2008 ist Norditalien Schauplatz ungewöhnlicher Ereignisse. Unternehmen, Politik und Medien nutzen den Kriseneinbruch, um die ohnehin schon bröckelnden Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern weiter auszuhöhlen. Doch am untersten Ende der Lohnskala formiert sich ein lebendiger und schlagkräftiger Widerstand.
    Gäste: Bruno Schellhagen (Regie), Berlin/Kendra Briken (Soziologin), Glasgow. ::::::::::::::::: ›Miners Shot Down‹ Do. 19. Mai 2016, 19:30 Uhr
    Ort: B-Lage
    Rehad Desai, ZA 2014, 52 min
    Am 16. August 2012 wurden 34 Bergleute einer Platin-Mine in Marikana bei Rustenburg von der Polizei Schnellfeuergewehren bei einem ›wilden‹ Streik erschossen und 78 Streikende verletzt. Der Film dokumentiert den Streik und rekonstruiert den Kampf gegen das Unternehmen Lonmin, die vom ANC geführte Regierung und ihre eigene Gewerkschaft.
    Gast: tbc. ::::::::::::::::: ›The Truth Lies in Rostock‹ Do. 2., 9., 16., 23. oder 30. Juni 2016, 19:30 Uhr
    Ort: about blank, tbc
    Mark Saunders, DE/UK 1993, 78 min
    Die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992 gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus waren die bisher massivsten rassistisch motivierten Angriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte.
    Gäste: tbc. ::::::::::::::::: ----> DIE FILMVORFÜHRUNG MUSS LEIDER AUSFALLEN <---- ›No Fire Zone – the killing fields of sri lanka‹ Do. 15. September 2016, 19:30 Uhr
    Ort: Narr-Bar
    Callum Macrae, LK/UK 2013, 93 min
    Der Dokumentarfilm beschreibt die Periode von September 2008 bis zum Bürgerkriegsende 2009, in der vermutlich mehr als 40.000 Tamilinnen und Tamilen durch Bomben, Granaten und extralegale Hinrichtungen des Sri Lankanischen Militärs umgebracht wurden. Der Film basiert u.a. auf mit Videokamera und Smartphone gefertigten Aufnahmen der Opfer sowie der Täter – und ist daher sehr brutal.
    Gast: tbc. ::::::::::::::::: ›Holiday Camp‹ Do. 20. Oktober 2016, 19:30 Uhr
    Ort: B-Lage
    Thorsten Winsel, AUS/DE 2002, 48 min
    Der Film beschreibt den Ausbruchsversuch aus dem australischen Flüchtlingsgefängnis ›Woomera‹ Ostern 2002 – nach Monaten des Protests und Hungerstreiks. 53 Inhaftierten gelingt, unterstützt von Hunderten entsetzter Australier, die Flucht. Untersucht wird die australische Migrationspolitik vor dem Hintergrund von 200 Jahren Kolonialismus, der Enteignung der Ureinwohner, Genozid und der Einkerkerung von Geflüchteten. Gast: Thorsten Winsel (Regisseur), Berlin. ::::::::::::::::: ›RevisionDo. 17. November 2016, 19:30 Uhr
    Ort: Narr-Bar
    Merle Körger/Philip Scheffner, DE 2012, 110 min
    Am 29. Juni 1992 wurden in einem Getreidefeld in Mecklenburg-Vorpommern zwei tote rumänische Staatsbürger gefunden, die beim Versuch, die EU-Grenze zu überschreiten, von Jägern erschossen wurden. Diese gaben an, die Zwei mit Wildschweinen verwechselt zu haben. In dem Prozess 1996 wurden alle Beteiligten frei gesprochen.
    Gäste: Merle Körger & Philip Scheffner (beide: Regie), Berlin. ::::::::::::::::: ›Nacht Grenze MorgenDo. 8. Dezember 2016, 19:30 Uhr
    Ort: B-Lage
    Tuna Kaptan/Felicitas Sonvilla, DE 2013, 30 min
    Zwei junge Männer, der eine Syrer, der andere Palästinenser, schleusen Flüchtlinge auf europäischen Boden. Während die Grenze zur Türkei noch löchrig ist, rüsten die Griechen auf, mit deutscher Unterstützung. Wärmebilder, Zäune, Patrouillen. Warten im Hotel. Warten auf die Nacht. Die Jungs packen, brechen auf. Manchmal schaffen sie es, mal auch nicht.
    Gast: tbc. **************** Veranstaltungsorte* Die B-Lage befindet sich in der Mareschstraße 1 in Berlin-Neukölln (S41/42 Sonnenallee/U7 Karl-Marx-Straße).
    Die Narr-Bar befindet sich in der Böckhstraße 24 in Berlin-Kreuzberg (U8 Schönleinstraße). Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten werden. Filmreihe als PDF]]>
    news-434 Wed, 09 Dec 2015 08:36:00 +0100 Mord an Rechtsanwalt Tahir Elçi in Diyarbakır<br />Protestkundgebung vor türkischer Botschaft am 10. Dezember /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mord-an-rechtsanwalt-tahir-elci-in-diyarbakir-br-protestkundgebung-vor-tuerkischer-botschaft-am-10-dezember-434 Pressemitteilung vom 9.12.15 RAV ruft auf zur Protestkundgebung Die Rechtsanwaltskammer von Diyarbakır (Diyarbakır Barosu) weist darauf hin, dass zurzeit alle vorliegenden Erkenntnisse auf die Polizei als Täter deuten. Die Einrichtung einer Untersuchungskommission hat die Regierung in Ankara am 30. November abgelehnt. Die Diyarbakır Barosu fordert daher unter anderemDiese Forderungen unserer Kolleginnen und Kollegen unterstützen wir mit Nachdruck!
    Botschaft der Republik Türkei Tiergartenstraße 19-21, 10785 Berlin Donnerstag, 10. Dezember 2015 um 12.30 Uhr
    Aufruf gemeinsam mit:
    Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK-Berlin)
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
    Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (ELDH)
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) Die Erklärung, die anläßlich dieser Protestaktion vor der Türkischen Botschaft verlesen wurde findet sich hier (Pressemitteilung vom 9.12.15 als PDF)]]>
    Freie Advokatur (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-433 Sat, 05 Dec 2015 16:48:00 +0100 Massiver staatlicher Rechtsbruch am LAGeSo<br />Anwältinnen und Anwälte stellen Strafantrag gegen Czaja und Allert /publikationen/mitteilungen/mitteilung/massiver-staatlicher-rechtsbruch-am-lageso-br-anwaeltinnen-und-anwaelte-stellen-strafantrag-gegen-czaja-und-allert-433 Gemeinsame Pressemitteilung von RAV und VDJ, 7.12.2015 Chaotische, undurchschaubare Strukturen am LAGeSo Diese Zustände liegen in der Verantwortung von Sozialsenator Czaja und dem Präsidenten des LAGeSo, Allert – und sie sind hausgemacht. RAV und VDJ unterstützen daher das Anliegen der Kolleginnen und Kollegen, mit der Strafanzeige die politisch und bürokratisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Zugleich fordern RAV und VDJ, dass die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten nicht von der vorherigen Registrierung abhängig gemacht werden darf, wenn diese nicht reibungslos durchgeführt wird. »Zustände wie in Berlin sind bundesweit einzigartig. In keinem anderen Bundesland versagen Politik und Verwaltung so systematisch wie hier«, so Rechtsanwältin Christina Clemm, Vorstandsmitglied im RAV. Verletzungen und Erkrankungen, Hunger und Obdachlosigkeit von Geflüchteten werden in Berlin zum Regelfall. Schwere Verletzungen und Erkrankungen Geflüchteter »Sozialsenator Czaja nimmt schwere Verletzungen und Erkrankungen von Geflüchteten bewusst in Kauf. Unvorstellbar, was geschehen würde, wenn es das einzigartige Engagement der Initiative ›Moabit hilft‹ nicht gäbe«, betont RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff. RAV und VDJ unterstützen die Kolleginnen und Kollegen und erwarten, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die Vorfälle aufklärt und die Schuldigen zur Verantwortung zieht. Informationen zum Hintergrund der Strafanzeigen gegen Sozialsenator Czaja und LAGeSo-Präsidenten Allert geben sowohl Rechtsanwältin Christina Clemm unter 030 622 01748 als auch Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff unter 030 252 93336. Die Pressemitteilung als PDF]]> Migration & Asyl (doublet) news-432 Mon, 30 Nov 2015 15:55:00 +0100 Wir trauern um unseren Kollegen<br />Tahir Elçi<br />erschossen am 28. November 2015 in Diyarbakır /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-trauern-um-unseren-kollegen-br-tahir-elci-br-erschossen-am-28-november-2015-in-diyarbakir-432 We, the undersigned, lawyers organizations from all over the world would like to pay our condolences to his family and colleagues with whom he worked on human rights issues and pay tribute to his determined work to protect the rights of others and promote respect for the rule of law. Am 10.12.2015 ist - auch anläßlich des Tag der Menschenrechte - diese Anzeige in der TAZ erschienen. Am 2.12.2015 ist diese Traueranzeige in den türkischen Tageszeitungen Gündem und Cumhuriyet erschienen.  Der englische Text entspricht dem Inhalt dieser Anzeige. Am 28.11.2015 hat der RAV gemeinsam mit der Berliner Strafverteidigervereinigung eine Solidaritätserklärung nach Diyarbakır geschickt. Diese findet sich hier.


    ]]>
    news-430 Tue, 10 Nov 2015 07:48:00 +0100 10.11.2015 | 11:00 Uhr | Pressegespräch vor dem LAGeSo /publikationen/mitteilungen/mitteilung/10-11-2015-11-00-uhr-pressegespraech-vor-dem-lageso-430 PK, 10.11.15 RAin Anya Lean, RAV
    Julius Becker, RAV
    Markus Steiger, Bündnis für bedingungsloses Bleiberecht
    NN, Moabit hilft e.V.]]>
    news-429 Mon, 09 Nov 2015 17:45:00 +0100 Katastrophale Zustände vor dem Berliner LAGeSo /publikationen/mitteilungen/mitteilung/katastrophale-zustaende-vor-dem-berliner-lageso-429 Pressemitteilung vom 9.11.2015 rechtsberatunglageso.blogsport.eu/ oder rechtsberatung@riseup.net Pressemitteilung als PDF Ein Pressegespräch wird am 10.11.15 um 11 Uhr vor dem LAGeSo durchgeführt - herzliche Einladung!]]> Migration & Asyl (doublet) news-428 Thu, 15 Oct 2015 07:46:00 +0200 Die Würde des Menschen gilt für Alle<br />Nein zur erneuten Asylrechtsverschärfung!<br />Nicht in unserem Namen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-wuerde-des-menschen-gilt-fuer-alle-br-nein-zur-erneuten-asylrechtsverschaerfung-br-nicht-in-unserem-namen-428 Protestaktion vor dem Bundestag - Verlängerung der Zwangsunterbringung in Erstaufnahmelagern bis zu 6 Monaten bei gleichzeitigem Arbeitsverbot für alle.
    - Flüchtlinge aus "sicheren Herkunftsländern" sollen für die gesamte Dauer des Verfahrens in diesen Lagern leben müssen und auch als "Geduldete" nicht arbeiten dürfen.
    - Absenkung von Sozialleistungen für Ausreisepflichtige unter das vom Verfassungsgericht definierte menschenwürdige Existenzminimum.
    - Generelle Stärkung des sogenannten „Sachleistungsprinzips“
    - Einstufung von Staaten wie bspw. des Kosovo, in dem fünftausend KFOR-Soldaten stationiert sind, als sicheres Herkunftsland um, ohne gründliche Prüfung der politischen Umstände, Menschen aus den Ländern des Balkans schnell in eine gefährliche Zukunft Abschieben zu können.
    - Erschwerter Zugang zu Härtefallkommissionen und die gesetzliche Vorgabe zur Abschiebung ohne Ankündigung Dies ist bereits die zweite Asylrechtsverschärfung dieses Jahres. Stand bei der letzten Verschärfung im Juli die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge durch die Ausweitung von Haftmöglichkeiten und Einreisesperren im Vordergrund, geht es jetzt darum, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ein solches Vorgehen ist schäbig und steht im Gegensatz zu den Prinzipen einer solidarischen Gesellschaft, wie wir sie wollen. Die Würde des Menschen ist nicht einschränkbar! Dies wird nicht der letzte Angriff auf das Grundrecht auf Asyl bleiben. Weitere einschneidende Maßnahmen, wie die Einführung von Asyl-Schnellverfahren direkt an den Grenzen, befinden sich bereits in der Vorbereitung. Begleitet wird das ganze durch eine Diskussion über „gute“ und „schlechte“ Geflüchtete: für die Guten Integration, für die Schlechten Haft und Abschiebung. Genau hier finden Nazis und Pegida Anschlussmöglichkeiten. Mit Willkommenskultur hat das alles nichts zu tun. Im Gegenteil: Es steht dem Engagement von vielen Menschen in den letzten Wochen und Monaten diametral gegenüber! Wir fordern die Abgeordneten dazu auf, sich dieser verlogenen Doppelmoral zu verweigern und dieser rassistischen Gesetzgebung nicht zuzustimmen. Am 15.10.2015, von 9.30 bis 11.30 findet unser Protest auf der Wiese vor dem Bundestag statt. Lasst uns dort zeigen, dass diese dramatische Verschärfung des politischen Drucks auf Flüchtlinge und Menschen in Not nicht ohne Widerspruch bleiben wird! Lasst und gemeinsam auf Schildern, Pappen und Plakaten den Verantwortlichen vor Augen führen, dass diese Politik nicht in unserem Namen geschieht! „Asylrechtsverschärfung? – nicht in meinem Namen!“ - „Angriffe auf die Existenz von Flüchtlingen? - Nicht in meinem Namen!“ „Unverantwortliche Ausweitung der 'Sicheren Herkunftsländer'? - Nicht in meinem Namen!“ „Menschenwürde nicht mehr für alle? - Nicht in meinem Namen! Bringt eigene Schilder und Pappen mit oder malt diese vor Ort! #nicht_in_meinem_namen !  Um 17 Uhr findet eine weitere Demonstration gegen die Asylrechtsverschärfung statt: https://www.facebook.com/events/893049840776471/ ++++++++++ english version ++++++++++ Call for participation in english: Human dignity applies to everybody – No to restrictions to the right of asylum!
    Not in our name! On October 15th 2015 the German parliament is to adopt the “Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz” (law to expedite asylum proceedings). One day later this law is to pass the Federal Assembly and come into force on November 1st. This will result in a massive deterioration of living conditions for refugees in Germany:  - Forced placement of refugees from the western balkans in reception camps until they are deported.Prolongation of forced placement in reception camps for up to six months and simultaneous prohibition of work for everybody whose application for asylum was rejected and who is only permitted to remain until being deported.
    - People obligated to leave only receive social benefits that are reduced to way under the subsistence minimum that is in line with human dignity as defined by the constitutional court.
    - General intensification of the “principle of benefit in kind” (Sachleistungsprinzip).
    - Classification of countries, like for example the Kosovo, where 5000 KFOR-soldiers are stationed, as safe countries of origin, so that people from the Balkan states can be deported faster, without thorough assessment of the political circumstances.
    - Impeded access to Hardship Commissions and the statutory condition for deportation without notice.This is already the second restriction to the right of asylum in this year.

    The last restriction in July limited the freedom of movement of refugees by extending the grounds for imprisonment and establishing entry bans, now the aim is to make their lives as miserable as possible.These methods are despicable and are a contradiction of the principles of the solidary society we envision. Human dignity cannot be restricted! This won’t be the last attack on the basic right to asylum. Further drastic measures, like the implementation of accelerated asylum procedures directly at the border, are already in planning. All this is accompanied by a discussion about “good” and “bad” refugees: Integration for the “good ones”, imprisonment and deportation for the “bad ones”. And this is where Nazis and Pegida can connect. This has nothing to do with “Willkommenskultur” (welcome culture). On the contrary: It is diametrically opposed to the dedicated commitment of many people in the last weeks and months. We urge the members of parliament to reject these dishonest double standards and vote against this racist legislation. On October 15th from 9:30 to 11:30 am we will show our protest on the lawn in front of the Parliament (Bundestag). Let’s show them that this dramatic political pressure on refugees and people in need will not remain without objection! Let us together, on signs, posters and banners, show the people responsible that these politics are not in our name! “Restriction to the right of asylum? Not in my name!” “Attacks on the livelihood of refugees? Not in my name!” “Irresponsible extension of “safe countries of origin”? Not in my name!” “Human dignity not for everybody anymore? Not in my name!”Bring your own signs and banners or paint them on site. At 5 PM there is another demonstration against the restrictions to the right of asylum: https://www.facebook.com/events/893049840776471/ Aufruf unterstützt von/ This call is supported by: Karsten Melang, Flüchtlingsrat Thüringen
    Udine Zachlot, Flüchtlingsrat Thüringen
    Christine Hoffmann, Pax Christi
    Heike Behrens, Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
    Christoph Kleine, Interventionistische Linke
    Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie
    Tom Strohschneider, Tageszeitung, Neues Deutschland
    Jan Duschek, Bundesjugendsekretär ver.di
    Romin Khan, Referent für Migrationspolitik ver.di
    Ali Al Dailami, Mitglied Parteivorstand DIE LINKE
    Mürvet Ötztürk, MdL Hessen,
    Erdogan Kaya, Vorsitzende des Bundesmigrationsausschusses ver.di
    Colin Turner, Freiwillige HelferInnen München
    Ernes Erko Kalač, Flüchlingsbeauftragter des Zentralrats der Muslime in Deutschland
    Peer Stolle, Republikanischer Anwältinnen– und Anwälte Verein e.V. (RAV)
    Prof. Dr. Klaus J. Bade, Migrationsforscher Berlin
    Jürgen Hölzinger, Menschenrechtsausschuss der Ärztekammer Berlin
    Heiko Kauffmann, Mitbegründer von PRO ASYL, Aachener Friedenspreis-Träger 2001
    Claire Deery, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Niedersachsen e.V.
    Volker Maria Hügel, Vorstandsmitglied der bundes-weiten AG für Flüchtlinge PRO ASYL
    Prof. Dr. Albert Scherr, Komitee für Grundrechte und Demokratie
    Jonas Berhe, Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD)
    Sabine Will, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutin
    Iddo Beth-Hallahmi, Salaam-Shalom Initiative Berlin
    Shermin Langhoff, Indendantin des Maxim Gorki Theaters Berlin
    Ludwig Haugk, Chefdramaturg des Maxim Gorki Theaters Berlin
    Christian Jakob, Journalist
    Andrea Iman Reimann, Deutschsprachiger Muslimkreis Berlin]]>
    news-414 Fri, 04 Sep 2015 11:24:00 +0200 Aufruf zur Demonstration<br />NEIN zu TTIP, CETA und TISA /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufruf-zur-demonstration-br-nein-zu-ttip-ceta-und-tisa-414 Pressemitteilung vom 1.9.15 Dieses Verfahren ist undemokratisch. In CETA und TTIP sind außerstaatliche Schiedsgerichte vorgesehen, die verbindlich über Ansprüche von Investoren über Schadensersatzansprüche gegen Staaten entscheiden. Schiedsgerichte sind nicht an das Grundgesetz oder europäisches Recht gebunden, ihre Entscheidungen sind selbst dann verbindlich, wenn sie gegen das Grundgesetz oder europäisches Recht verstoßen (Beispiel Mikula vs. Rumänien). Die Gefahr von Schadensersatzansprüchen gefährdet die Entscheidungsfreiheit des demokratischen gewählten Gesetzgebers. Schiedsgerichte dienen einzig den Interessen der Investoren und können nur von ihnen in Anspruch genommen werden. Organisationen wie Gewerkschaften oder Umweltverbände haben weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene die Möglichkeit von Investoren die Einhaltung von sozialen und arbeitsrechtlichen Schutznormen, von Bestimmungen des Gesundheitsschutzes oder des Umweltschutzes zu erzwingen und für eingetretene Schäden für die betroffenen Bürger Ersatzleistungen vor nationalen oder internationalen Gerichten oder Schiedsgerichten durchzusetzen. Die ausgleichende Funktion des Rechts im sozialen Rechtsstaat wird reduziert auf einen reinen Investorenschutz. Die "Freihandels- und Investitionsschutzabkommen" und die in ihnen enthaltenen marktbezogenen Regulierungsbegrenzungen gelten zeitlich unbegrenzt und können nur einvernehmlich (was kaum möglich sein wird) gekündigt werden. Der demokratische Prozess muss für die Zukunft offenbleiben, damit bei anderen Mehrheiten andere Entscheidungen getroffen werden können (BVerfG-Urteil vom 12.9.2012 zu ESM). Die praktische Unumkehrbarkeit der geplanten Abkommen ist ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Wir fordern deshalbDiesen Forderungen sollten wir durch eine breite Teilnahme an der Großdemonstration am Samstag, dem 10. Oktober 2015 um 12:00 Uhr am Berliner Hauptbahnhof Nachdruck verleihen. Aufruf/PM als PDF hier]]> news-417 Fri, 28 Aug 2015 14:42:00 +0200 Filmvorführung ›Wadim‹ am 17.9.2015 in Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-wadim-am-17-9-2015-in-berlin-417 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ ›WADIM‹ Dokumentarfilm von Carsten Rau und Hauke Wendler Filmvorführung in Anwesenheit des Rechtsanwalts Markus Prottung aus Hamburg, der die Familie seinerzeit anwaltlich vertreten und begleitet hat. RA Prottung wird im Anschluss an die Filmvorführung für Fragen zur Verfügung stehen. Donnerstag 17.9.15 | 19:30 h
    Mosaik-Raum* | Oranienstr. 34 | Berlin-Kreuzberg
    Eintritt frei.
    Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. Der 90-minütige Dokumentarfilm 'WADIM' setzt das Mosaik eines kurzen Lebens zusammen, das für 87.000 andere Menschen steht, die heute mit einer Duldung in Deutschland leben. Über Fotos und Videos aus dem Familienbesitz sowie über Interviews mit Wadims Eltern, Freunden, seiner Jugendliebe und anderen Zeitzeugen zeigt er, wie Wadims Familie zerbricht und sich der Junge verändert: Von einem fröhlichen Kind, das ein Gymnasium besucht und Fagott spielt, hin zu einem Getriebenen, der sein Zuhause verliert, in einem lettischen Obdachlosenheim landet und am Ende den eigenen Sorgen und Ängsten nicht mehr standhält.
    Der Film zeigt eindringlich, wie Menschen kämpfen müssen, um in diesem Land einen Platz für sich zu finden. Ein halbes Jahr lang begleiten die Autoren Wadims Eltern, die in teils beklemmender Offenheit von ihren Hoffnungen, Träumen und ihrem Scheitern berichten. Dabei hinterfragt der Dokumentarfilm 'WADIM' auch das starre Gerüst von Aufenthaltsrecht und Bürokratie, in dem der Einzelne nichts zählt. Er stößt beim Zuschauer Gedanken an, die angesichts der Integrationsdebatte in Deutschland hochaktuell sind: Wo gehört ein Mensch hin? Was ist Heimat? Und darf man sie jemandem per Gesetz wegnehmen? Trailer: http://www.wadim-der-film.de/trailer.html *Mosaik-Raum, Oranienstr. 34, Berlin-Kreuzberg
    (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem "Familiengarten")
    U1/U8 Kottbusser Tor, Bus 29 Die Filmabende sollen der Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen dienen und einen zwanglosen politischen Austausch – jenseits üblicher Podiumsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Arbeitstreffen – unter unseren Mitgliedern, FreundInnen und Interessierten anregen. Rückblick auf die bisherige Filmreihe, die in 2016 weitergeführt werden wird.]]>
    Migration & Asyl (doublet)
    news-416 Wed, 26 Aug 2015 09:39:00 +0200 Zeltstadt Dresden: Das Land muss seinen Pflichten nachkommen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zeltstadt-dresden-das-land-muss-seinen-pflichten-nachkommen-416 Gemeinsame Presseerklärung, 30.07.15 Gemeinsame Presseerklärung von Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, dem Kulturbüro Sachsen e.V., RAA Sachsen e.V., des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), des Netzwerks Asyl, Migration und Flucht (NAMF), Medinetz Dresden und der Initiative „Wilkommen in Löbtau“ vom 30.07.2015 Zeltstadt Dresden: Das Land muss seinen Pflichten nachkommen Die steigenden Zahlen von Geflüchteten sind seit langem Realität und bedürfen umfassender Konzepte. Davon ist beim Thema Asyl in Sachsen- zu Lasten der Geflüchteten - nichts erkennbar. Rechtsanwältin Dr. Kati Lang vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) erklärt: „Der Freistaat Sachsen verletzt mit der Unterbringung von Flüchtlingen, in dem in Dresden errichteten Zeltlager Grund- und Menschenrechte. Die Gewährleistung von medizinischer Versorgung, menschenwürdiger Unterbringung, Schutz gegen rassistische Angriffe sowie hygienischen Standards ist staatliche Pflicht. Mit der Errichtung eines solchen Zeltlagers handeln die verantwortlichen Behörden entgegen dem geltenden Recht. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Standards wie der unverzüglichen Registrierung der Asylanträge, menschenwürdiger Unterbringung und Versorgung muss unverzüglich hergestellt werden.“ „Geflüchtete in diesem gesellschaftlichen Klima in Zelten unterzubringen, macht sie in höchstem Maße angreifbar für rassistische Gewalt. Zudem halten wir diese Form der Unterbringung von zum Teil traumatisierten Menschen für inakzeptabel.“ kritisiert Kathrin Bastet von Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen. Das „Medinetz Dresden“ kritisiert: „Die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge in der Zeltstadt ist unzureichend. Das Dresdner Rote Kreuz ist sehr engagiert, eine ärztliche Versorgung durch das DRK ist jedoch nicht möglich. Engagierte Dresdner ÄrztInnen versuchen diese durch das Innenministerium verantwortete Versorgungslücke durch freiwillige Arbeit im Zeltlager aufzufangen. Diese Notlösungen können eine regelmäßige, fachlich kompetente ärztliche Versorgung nicht ersetzen. Unbedingt notwendig ist hier die Einrichtung einer regelmäßigen, zunächst täglich stattfindenden allgemeinärztlichen und pädiatrischen Sprechstunde in der auch kompetente DolmetscherInnen zur Verfügung stehen. Innenminister Ulbig muss sich dringend um funktionierende Strukturen kümmern!“ Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen e.V. fordert: „Es braucht durch die politisch Verantwortlichen eine verbindliche, klar terminierte und öffentlich kommunizierte Information darüber, bis wann das als Erstaufnahmeeinrichtung fungierende Zeltlager aufrechterhalten wird. Diese Interimslösung kann und darf kein dauerhafter Zustand für die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Sachsen sein.“ Stefan Stein vom „Netzwerk Asyl Migration Flucht Dresden“ (NAMF) sagt: „Der Freistaat darf sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen und sich bei der ausreichenden Versorgung der Geflüchteten auf die Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft verlassen. Diese erkennbar große Hilfsbereitschaft ist zweifelsohne eine positive Entwicklung- kann aber nicht die planerischen Versäumnisse, schlechte Kommunikation und Ignoranz der politisch Verantwortlichen, insbesondere des Sächsischen Innenministeriums, auffangen.“ Frederik Kuschewski von der Initiative „Willkommen in Löbtau“ betont: „Es muss grundsätzlich gewährleistet werden, dass nicht-staatliche Hilfs-und Beratungsangebote freien Zugang zu den Geflüchteten haben und diese professionell über ihre Rechte im Asylverfahren informiert werden.“ Robert Kusche, Geschäftsführer des Bereichs Opferberatung des RAA Sachsen e.V. hat wiederholt betont: „Flüchtlinge bedürfen des besonderen Schutzes durch den Staat. Insbesondere, weil es in Sachsen ein nicht unerhebliches Potential an Menschen gibt, die vor rassistisch motivierter Gewalt, Brandstiftung und Hetze nicht zurückschrecken. Ereignisse der letzten Monate machen dies erschreckend deutlich.“]]> news-415 Tue, 18 Aug 2015 08:27:00 +0200 StN_RefE_Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-refe-unterbringung-in-einem-psychiatrischen-krankenhaus-gem-63-stgb-415 Stellungnahme vom 27.7.15 A. Einleitung Die Unterbringung gem. § 63 StGB ist seit längerem dringend reformbedürftig, sowohl in der justiziellen und forensisch-psychiatrischen Praxis (in puncto Anordnung, Vollstreckung und Vollzug) als auch hinsichtlich der dafür erforderlichen Rechtsgrundlagen. Der Verfasser dieser Stellungnahme hat die Entwicklung des psychiatrischen Maßregelvollzuges in einem erst kürzlich erschienen Beitrag für die „Neue Kriminalpolitik“ (1/2015 S. 25-47) nachgezeichnet: Darin wird der Reformstau beschrieben und die „Forensische Psychiatrie“ als Behandlungsfall charakterisiert; außerdem werden die überfälligen Reformforderungen im Lichte der aktuellen Reformvorschläge diskutiert (aaO S. 36 ff.), wobei insb. auch auf das Eckpunktepapier des BMJ vom Juli 2013 und den Abschlussbericht der Bund-Länder-AG vom Dezember 2014 eingegangen wird. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hierauf vollinhaltlich Bezug genommen (hier als PDF) und im Folgenden ausschließlich auf Details der geplanten Einzelregelungen (s.u. B. zum StGB und C. zur StPO)(1) sowie auf den Entwurf zu § 67 Abs. 6 StGB-neu (der in den bisherigen Entwürfen noch nicht enthalten war) eingegangen (s.u. D.). B. zu den StGB-Einzelregelungen (§§ 63, 67d) I. zur Neufassung des § 63 StGB 1. § 63 S. 1 StGB nF Der Versuch, bereits die Anordnungsvoraussetzungen einzugrenzen, ist grundsätzlich zu begrüßen, der Vorschlag geht jedoch nicht weit genug. Die drohenden Taten, die die unbefristete (und deshalb potenziell lebenslange) Freiheitsentziehung in der forensischen Psychiatrie legitimieren sollen, auf solche zu reduzieren, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird", bleibt in zweierlei Hinsicht hinter dem Ziel zurück, die Zahl der Unterbringungsanordnungen deutlich zu reduzieren. Einerseits ist die hiermit konstruierte (wenn auch bereits dem geltenden Recht immanente) "Gefahr der Gefährdung" zu kritisieren: Als Maßnahme der Gefahrenabwehr kann eine solche freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung ihre Legitimation allenfalls daraus ableiten, zu erwartende Taten zu verhindern, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt" werden. Werden potenzielle ‚Opfer‘ lediglich "gefährdet", ohne dass bereits die Gefahr besteht, sie würden seelisch oder körperlich auch "erheblich geschädigt", so kann der Schutz vor einer solchen Gefährdung das mit der Freiheitsentziehung durch den Betroffenen erbrachte Sonderopfer nicht aufwiegen. Eine solche „Gefahr der Gefährdung“ ist auch kriminalprognostisch derart vage, dass sie nicht geeignet erscheint, die forensisch-psychiatrische Freiheitsentziehung zu legitimieren. Andererseits ist die Gefahr, dass „wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird", auch dann keine hinreichende Legitimation, wenn „schwerer" wirtschaftlicher Schaden droht. Es ist kein Zufall, dass sich der für § 63 StGB-E vorgeschlagene Maßstab (s.o.) von dem des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB für die Sicherungsverwahrung abhebt, der auf einen „Hang zu erheblichen Straftaten" abstellt, „namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt" werden. Einmal abgesehen von sonstigen Probleme in der Gleichstellung der gem. § 63 StGB einer- und § 66 StGB andererseits Untergebrachten (s. auch u. II. 2.), ist der genannte Unterschied aber weder nachvollziehbar noch legitimierbar und birgt die Gefahr der Diskriminierung (s.u. 3 a). 2. § 63 S. 2 nF Das Problem, dass eine tatbestandliche Reduzierung auf der Ebene der „zu erwartenden Taten" nicht ausreicht, um Unterbringungsanordnungen zu verhindern, die sich im Hinblick auf die „begangenen Tat(en)" als unverhältnismäßig erweisen, wurde erkannt, aber nur halbherzig gelöst: Dass eine Anordnung bei Taten, die im Hinblick auf den neuen S. 1 (s.o.) zukünftig nicht mehr als erheblich gelten, zulässig sein soll, „wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird", verschiebt das Verhältnismäßigkeitsproblem auf die Prognoseebene, wo es – wie die Erfahrung zeigt – nicht gut aufgehoben ist. Zwar wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet, so dass die Unterbringungsanordnung in den genannten Fällen die Ausnahme sein soll, was zunächst einmal zu begrüßen ist, es besteht jedoch auch weiterhin die Gefahr, dass es im Hinblick auf die Anlasstat(en) zu unverhältnismäßigen Unterbringungsanordnungen kommt, denen man mit § 62 StGB alleine nur schwer beikommen wird. In Anbetracht der notorischen kriminalprognostischen Unsicherheiten ist das Gebot der Stunde, solange an unbefristeten kriminalrechtlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr festgehalten wird, die Stärkung materieller Rechtssicherheit, u.a. durch Verschärfung der Anordnungsvoraussetzungen (dazu Pollähne in: Pollähne/Rode (Hg.), Probleme unbefristeter Freiheitsentziehungen, 2010, 98 ff. sowie ders., Kriminalprognostik, 2011, 299 ff.): Hat der Betroffene m.a.W. keine „erheblichen" rechtswidrigen Taten begangen, hat die Unterbringung zu unterbleiben. 3. was fehlt?! a) Die Unterbringung gem. § 63 StGB ist – zumal mit der Bezugnahme auf die §§ 20, 21 StGB – im Hinblick insb. auf die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) grundsätzlich infrage zu stellen. Das liegt nicht nur an der Unbestimmtheit der §§ 20, 21 StGB (ausf. dazu Schiemann, in: Pollähne/Lange-Joest (Hg.), Verbrechen, Rechtfertigungen, Wahnsysteme, 2014, 101 ff. m.w.N.), sondern auch an der in ihnen angelegten Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, zu denen die meisten der Betroffenen i.S.d. UN-BRK zu rechnen sind. Außerdem ist in § 63 StGB die Gefahr angelegt, Freiheitsentziehungen zu begründen, die mit Art. 14 UN-BRK nicht vereinbar sind (ausf. dazu Tolmein in: Pollähne/ Lange-Joest (Hg.), Forensische Psychiatrie – selbst ein Behandlungsfall? 2015, 79 ff. m.w.N., vgl. auch Pollähne in Aichele (Hg.) Das Menschenrecht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht, 2013, 173 und 193). Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich der RefE zu dieser Problematik noch nicht einmal ansatzweise äußert. b) Systemimmanent ist zu kritisieren, dass der RefE daran festhält, die Unterbringung (bei Vorliegen der jew. Voraussetzungen) ausschließlich „in einem psychiatrischen Krankenhaus" vorzusehen: Einerseits wären durchaus andere Institutionen des psycho-sozialen Versorgungssystems denkbar, um dem angestrebten Zweck – nicht zuletzt i.S.d. Subsidiaritätsprinzips – gerecht zu werden; andererseits hätte es nahegelegen, die neuen Diskussionen um den Ausbau der sozialtherapeutischen Anstalt (ehedem. § 65 StGB) resp. deren Renaissance als Maßregel aufzugreifen, wie dies in § 63 Abs. 2 StGB i.d.F. von 1969 bereits einmal vorgesehen war. c) Nach der Ersetzung des ehem. § 42e StGB aF durch § 63 wurde längere Zeit die Auffassung vertreten, die Geltung des Subsidiaritätsprinzips bereits auf der Anordnungsebene (ehedem hervorgehoben durch das Kriterium der „Erforderlichkeit") sei durch den seinerzeit neuen § 67b StGB (s.u. III. 2.) suspendiert worden; eine Auffassung, die bereits damals verfassungsrechtlich nicht haltbar war. In Rechtsprechung und Literatur ist die Geltung des Subsidiaritätsprinzips auf der Anordnungsebene allerdings nachwievor umstritten, so dass eine legislative Klarstellung (des verfassungsrechtlich Selbstverständlichen) dringend angezeigt erscheint. Da das Missverständnis auch durch § 62 StGB mitbegründet wird, könnte sich eine Klarstellung des Umfangs der im Maßregelrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzipien (insb. Geeignetheit und Erforderlichkeit, und nicht ‚nur‘ Verhältnismäßigkeit i.e.S.) anbieten. Will man an Unterschieden zwischen einzelnen Maßregeln festhalten, böte sich eine Ergänzung in § 63 StGB an, die das Kriterium der Erforderlichkeit der (freiheitsentziehenden) Unterbringung wieder explizit zum Ausdruck bringt (so wie dies auch in § 126a Abs. 1 StPO der Fall ist). II. zur Neufassung des § 67d 1. § 67d Abs. 2 nF In § 67d Abs. 2 S. 1 StGB das Wörtchen „erheblichen" einzufügen, bedarf keiner weiteren Anmerkung, handelt es sich doch im Hinblick auf die völlig einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass allenfalls weitere „erhebliche rechtswidrige Taten“ die Fortdauer der Unterbringung (ebenso wie ihre Anordnung) rechtfertigen können, nur um eine redaktionelle Klarstellung.  Mindestens so wichtig wäre hingegen die Klarstellung gewesen, dass sich jene Erheblichkeit an der Neufassung des § 63 S. 1 StGB-E zu orientieren hat (ungeachtet der Neuregelung in Abs. 6, s.u.). 2. § 67d Abs. 6 nF Für das Reformvorhaben, unverhältnismäßigen Freiheitsentziehungen in der forensischen Psychiatrie gem. § 63 StGB vorzubeugen, erlangt diese Neuregelung eine Schlüsselrolle – für (zu) viele Betroffene im wahrsten Sinne des Wortes! Auch hier gilt (wie bei § 63 StGB-E, s.o. I.) jedoch: Das Vorhaben ist im Ansatz zu begrüßen, bleibt aber auf halber Strecke stehen. Zu fordern wäre eine absolute Befristung der Maßregel, die diesen Namen verdient, der RefE bietet demgegenüber nur eine relative Befristung, und die auch nur „in der Regel": - Dauere die Unterbringung sechs Jahre, sei ihre Fortdauer „in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden." Damit fällt der RefE – ohne nachvollziehbaren Grund – erheblich hinter die Vorschläge des Eckpunktepapiers von 2013 zurück, das eine Staffelung von 4 bzw. 8 Jahren vorsah. Um die Brisanz zu erkennen, muss die Regelung umgekehrt gelesen werden: Obwohl nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder (auch 'nur') in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden, könnte er in Ausnahmefällen länger als sechs Jahre (bis max. 10 Jahre, s.u.) untergebracht werden. - Sind sogar zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, soll die für die Sicherungsverwahrung in § 67d Abs. 3 S. 1 StGB vorgesehene Regel „entsprechend" gelten: Danach wäre auch die Unterbringung nach § 63 StGB für „erledigt" zu erklären, „wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche [rechtswidrige Taten] begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". Darin liegt einerseits eine zu begrüßende kriminalprognostische Beweislastumkehr; andererseits ist die Zehnjahresgrenze hier ebenso problematisch wie bei der Sicherungsverwahrung. III. was noch fehlt! 1. § 67 Abs. 4 (bzw. 6 nF) StGB Von den zahlreichen Anrechnungsproblemen beim Nebeneinander von Strafe und Maßregel aus einem Verfahren(2) (zu verfahrensfremden Strafen s.u. D.) wird eines durch die geplante Neufassung des § 67d Abs. 6 StGB (s.o. II. 2.) eher noch verschärft, was der RefE offenbar übersehen hat: Wird eine Maßregel nach §§ 63, 21 StGB infolge Unverhältnismäßigkeit für erledigt erklärt, bleibt von der Begleitstrafe gem. § 67 Abs. 4 StGB ein Strafdrittel über, dessen Vollstreckung in der Regel mangels günstige Prognose nicht gem. § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Betroffene muss deshalb nach Beendigung einer unverhältnismäßig langen Freiheitsentziehung noch ein (mehr oder weniger langes, je nach Urteil) Strafdrittel verbüßen.(3) Ihn auf das Gnadenrecht zu verweisen, sollte eines Rechtsstaats unwürdig sein. Da es eine ‚Erledigung‘ der Strafe aus Gründen der (hier: erst recht) Unverhältnismäßigkeit von Gesetzes wegen nicht gibt, ist der Gesetzgeber gefordert, dieser Absurdität ein Ende zu bereiten! 2. § 67b StGB Für die Verhinderung potenziell unverhältnismäßiger Freiheitsentziehungen in der forensischen Psychiatrie gem. § 63 StGB spielt § 67b StGB – jenseits der verstärkten Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bereits auf der Anordnungsebene (s.o. I. 3. c) – eine wesentliche Rolle, die es legislativ(4) zu stärken gilt: Einerseits verstärkt die Forderung „besonderer Umstände" (ähnlich § 56 Abs. 2 StGB) die Wahrnehmung der Vorschrift als Ausnahme-Regelung, was nicht sachgerecht ist: Wenn „die Erwartung [zu] rechtfertigen“ ist, dass der „Zweck der Maßregel" (Besserung und Sicherung) auch durch deren Anordnung mit gleichzeitiger Aussetzung zur Bewährung „erreicht werden kann", dann bedarf es keiner „besonderen Umstände", um dieses Vorgehen zu legitimieren. Andererseits ist das Festklammern an der Zweijahresgrenze (§ 67b Abs. 1 S. 2 in Anlehnung an § 56 Abs. 2 StGB) im Hinblick auf ggf. verhängte Begleitstrafen sachwidrig, abgesehen von der darin liegenden Diskriminierung derer, die gem. § 63 StGB i.V.m. § 21 StGB untergebracht wurden im Vergleich mit denjenigen, deren Unterbringung i.V.m. § 20 StGB erfolgte. Selbstverständlich kann sich die Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregel des § 63 StGB auch bei längeren Begleitstrafen als nicht erforderlich und deshalb als unverhältnismäßig erweisen: Sollte die Gefahr bestehen, dass sich der Verurteilte in Anbetracht längerer Begleitstrafen der Vollstreckung entzieht, wären schon die tatbestandlichen  Voraussetzungen der Aussetzung nicht gegeben; der Konflikt mit den §§ 56, 57 StGB (die freilich ihrerseits reformbedürftig sind, gerade auch im Hinblick auf die Zweijahresgrenzen) könnte durch eine Anrechnungsregelung ausgeräumt werden. 3. § 67e StGB Dass die noch im Eckpunktepapier 2013 vorgesehene wichtige Neuregelung der Überprüfungsfristen in § 67e StGB (im Sinne ihrer gestaffelten Verkürzung) vollständig entfallen ist, befremdet. Zur Verhinderung übermäßig langer Unterbringungszeiten braucht es – im Rahmen des Konzepts prozeduraler Rechtssicherheit (BVerfGE 109, 130 und 117, 71) – kürzerer Prüfungszeiträume, als es die derzeitigen lediglich jährlichen Überprüfungen gewährleisten. Man versetze sich einmal in die Situation eines Untergebrachten, der am Ende der StVK-Anhörung vom Vorsitzenden hört, man sehe sich dann in einem Jahr wieder: Gerade in der forensischen Psychiatrie sollte man sich nicht damit beruhigen, der Untergebrachte könne ja jederzeit einen Antrag auf Überprüfung stellen. C. zu den StPO-Einzelregelungen (§ 463)
    I. zu § 463 Abs. 4 StPO nF
    1. § 463 Abs. 4 S. 1 StPO nF
    Eine „Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist", bevor die StVK über die Fortdauer der Vollstreckung entscheidet, ist bereits jetzt eine pure Selbstverständlichkeit und bedürfte eigentlich keiner Vergesetzlichung. Dass es sich dabei immer um eine „gutachterliche Stellungnahme" handelt, erscheint fraglich: Soweit der Regelungsvorschlag als Appell zu begreifen ist, diese Stellungnahmen fachlich aufzuwerten, wäre dies zu begrüßen, auch wenn dem Missverständnis vorzubeugen ist, jene Stellungnahmen mit (echten) Gutachten zu verwechseln. In diesem Zusammenhang ist die Schweigepflicht gem. § 203 StGB ein ungelöstes Problem (vgl. nur Waider und Tolmein in: Pollähne/Rode (Hg.) Schweigepflicht und Datenschutz, 2010, 99 ff. und 123 ff.), das die psychiatrische und justizielle Praxis vor ebenso schwierige Entscheidungen stellt, wie den Betroffenen selbst und seine Verteidigung. Hier besteht legislativer Klärungsbedarf. 2. § 463 Abs. 4 S. 2 bis 5 StPO nF Im Rahmen eines Konzepts prozeduraler Rechtssicherheit erhalten externe Begutachtungen eine zentrale Rolle (vgl. BVerfG aaO). Insoweit ist zu begrüßen, dass solche Gutachten nicht erst – wie bisher – nach fünf Jahren, sondern bereits nach jeweils drei Jahren (wie bereits jetzt in Teilen des Landes-Maßregelvollzugsrechts) und „ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren [sogar] nach jeweils zwei Jahren" eingeholt werden sollen. Es darf jedoch (ohne dass auf Anhieb ersichtlich wäre, wie dies legislativ 'einzufangen' ist) nicht übersehen werden, dass externe Gutachten kein 'Allheilmittel' zur Eindämmung unverhältnismäßiger Freiheitsentziehungen in der forensischen Psychiatrie sind und dass sie sich in nicht wenigen Fällen gar als kontraproduktiv erweisen: Umso mehr negative externe Gutachten der Untergebrachte ansammelt, um so unwahrscheinlicher, dass er jemals auf Bewährung entlassen wird; stattdessen muss er auf Unverhältnismäßigkeit hoffen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die in § 463 Abs. 4 S. 3 StPO-E vorgesehene Klarstellung, wonach der externe Gutachter auch nicht „das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben" darf, über das Ziel hinausgeschossen: Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen es nicht nur sachgerecht sondern auch den Interessen des Betroffenen förderlich wäre, den oder die letzte Gutachter/in nach drei Jahren erneut zu beauftragen; dem Untergebrachten dann einen neuen Sachverständigen aufzuzwingen, ist abwegig. Ähnliches gilt für den – ebenfalls 'gut gemeinten' – neuen Satz 4, demzufolge der Sachverständige, „der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, … auch nicht in dem Verfahren beauftragt gewesen sein [darf], in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist." Es gibt durchaus Einweisungsgutachten, die deutlich zurückhaltender sind, als die nachfolgenden „sachverständigen" Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung. Weshalb jener Gutachter – allemal mit (anwaltlich beratener) Zustimmung des Untergebrachten – nicht erneut dazu gehört werden sollte, ob er sich z.B. das, was sich seit dem Urteil im Maßregelvollzug tat, so vorgestellt hat, erschließt sich nicht. Mit der Begutachtung sollen – so der Entwurf in Satz 5 – nur „ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen." Das ist ein hehres Ziel und mehr kann in einer Strafprozess-Ordnung wohl auch nicht geregelt werden. Worin die „forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung" besteht und wie sie zertifiziert wird, um der Justiziabilität offen zu stehen, muss wohl andernorts geregelt und gewährleistet werden. Die Veränderungen der gutachterlichen Landschaft verdienen allerdings verstärkt Beachtung: Immer häufiger werden von den Gerichten z.B. niedergelassene Gutachter hinzugezogen, deren klinische und therapeutische Erfahrung mehr und mehr verblasst; sie befinden über Diagnosen, Prognosen und Behandlungsaussichten weitgehend vom Schreibtisch aus. Ungeachtet dessen sei angemerkt, dass nicht 'nur' die psychologischen Sachverständigen auch über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen sollten, sondern umgekehrt die ärztlichen Sachverständigen auch über – um im Duktus zu bleiben – „forensisch-psychologische" Sachkunde und Erfahrung. Darüber hinaus wird sowohl die forensisch-psychiatrische wie -psychologische Sachkunde und Erfahrung nicht ohne kriminologisches Zusatzwissen auskommen: Die geplante gesetzliche Fassung betont – gerade auch in kriminalprognostischer Hinsicht – zu einseitig die medizinische Dimension. 3. § 463 Abs. 4 S. 8 StPO nF Die Änderung in dem neuen Satz 8 (ehedem Satz 5) dient lediglich der Klarstellung, dass bei der „Überprüfung der Unterbringung, bei der nach S. 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll", eine Verteidigung notwendig ist. Dem Missverständnis, dass es zukünftig nicht mehr um „das Verfahren" geht, sondern 'nur' noch um „die Überprüfung", wird durch das Wörtchen „soll" nur unzureichend entgegengewirkt: Es muss klar sein, dass die Beiordnung bereits für das Verfahren der Auswahl des Gutachters notwendig ist; mehr noch: Bereits die Entscheidung, ob von der in der soll-Vorschrift angelegten Ausnahmeoption (Verzicht auf externe Begutachtung) Gebrauch gemacht wird, bedarf der Mitwirkung eines Verteidigers. II. zu § 463 Abs. 6 nF Die Änderung in Satz 1 ist lediglich redaktioneller Natur (Einbeziehung des neuen § 67 Abs. 6 StGB); und dass der Verurteilte „in den Fällen des § 67d Abs. 6 StGB … mündlich zu hören“ ist (Satz 2 nF), sollte schon bisher selbstverständlich gewesen sein, die Klarstellung kann aber nicht schaden. III. was fehlt !? 1. Einige Vollstreckungsgerichte halten daran fest, dass nicht bei jeder Überprüfung der § 63-Unterbringung gem. § 67e StGB ein Fall notwendiger Verteidigung analog § 140 Abs. 2 StPO gegeben sei: Der Gesetzgeber ist dringend aufgefordert, dies klarzustellen. 2. Beschwerden der StA gegen freiheitsentziehungsbeendende StVK-Entscheidungen haben von Gesetzes wegen – also automatisch – aufschiebende Wirkung (§§ 454 Abs. 3 S. 2 sowie 462 Abs. 3 S. 2 StPO); § 307 StPO gilt insoweit nicht. Mit Art. 104 Abs. 2 GG ist dies nicht in Einklang zu bringen, ermöglicht es doch dem Exekutivorgan StA die Möglichkeit, gegen das Gericht die Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen.(5) Dies muss dringend korrigiert werden. D. zu Neureglung des StGB § 67 Abs. 6 Die in § 67 Abs. 6 StGB (etwas unsystematisch platzierte) Neuregelung dient der Umsetzung der Härtefall-Entscheidung des BVerfG (E 130, 372) zur Anrechnung des Maßregelvollzugs auf sog. verfahrensfremde Strafen (und gilt insoweit sowohl für Unterbringungen nach § 63 StGB als auch nach § 64 StGB). Das ist zunächst einmal grundsätzlich zu begrüßen. Bei der Frage, ob die Nichtanrechnung (und damit ggf. der vollständige Vollzug jener Strafe) eine „unbillige Härte" wäre, sollen „insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren" Berücksichtigung finden. Damit orientiert sich der RefE sehr eng am BVerfG, in puncto „Verhalten im Vollstreckungsverfahren" zu eng wegen des damit verbundenen disziplinarischen Einschlags. Die Anrechnung soll ausgeschlossen werden, wenn „die der verfahrensfremden Strafe zugrundeliegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist". Abgesehen davon, dass dies in der Praxis nur äußerst selten vorkommt, versteht sich keineswegs von selbst, dass in jenen Fällen keine „unbillige Härte" gegeben sein kann. Berlin, den 27. Juli 2015 Fußnoten (1) Zu § 13 EGStPO ist eine eingehendere Stellungnahme nicht veranlasst: Dass die Neuregelungen (nach gewissen Übergangsfristen) auch für sog. Altfälle gelten müssen, versteht sich selbst. (2) Da die Unterbringung nach § 64 StGB nicht explizit Gegenstand dieses RefE ist, sei die Kritik an der durch das 23. StrÄndG 1986 eingeführten sog. „limitierten“ Vikariierung in § 67 Abs. 4 StGB (exempl. NK-StGB/Pollähne, § 67 Rn. 7 m.w.N.) nur in Erinnerung gerufen. (3) Vgl. LG Leipzig R&P 2012, 55 einerseits und BVerfG StV 2013, 217 andererseits. (4) Für einen Ausbau der forensischen Ambulanzen auch insoweit: Hahn in: Pollähne/Lange-Joest (Hg.) Forensische Psychiatrie – selbst ein Behandlungsfall? 2015, 125 ff. (5) Ausf. dazu der Beitrag des Verf.: „Wider die aufschiebende Wirkung staatsanwaltschaftlicher Beschwerden gegen StVK-Entscheidungen“ (zum Abdruck in R&P 2015 angenommen). Stellungnahme als PDF]]>
    news-413 Thu, 09 Jul 2015 08:51:00 +0200 Gesetzesänderungsentwurf_Öffentliche Sicherheit und Ordnung_Sachsen-Anhalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesaenderungsentwurf-oeffentliche-sicherheit-und-ordnung-sachsen-anhalt-413 Stellungnahme vom 12.6.15 Präventive Telefonüberwachung Zu kritisieren ist in Bezug auf diese Änderungen zunächst, dass entgegen den bereits mit der Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen Anhalt (Drucks. 6/1253) anlässlich der Anhörung im Ausschuss für Inneres und Sport am 12. Dezember 2012 erhobenen Bedenken auch die Einführung des präventivpolizeilichen Abhörens und Aufzeichnens von Telekommunikationsinhalten und -umständen nur in Bezug auf die so genannten Nicht-Störer eingeschränkt wird. Aus der Erfahrung der im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist dem entgegen aber weiterhin zu betonen, dass neben den strafprozessualen Befugnissen kein weiterer Bedarf an entsprechenden Eingriffsgrundlagen besteht. Die polizeiliche Erhebung von telekommunikativen Inhalts- und Verbindungsdaten, auch per IMSI-Catcher, sowie die entsprechenden Auskunftsansprüche gegenüber Diensteanbietern, auch bezüglich online gespeicherter Kommunikationsinhalte wie E-Mails  stellen eine massive Vorverlagerung von Eingriffsbefugnissen zu Lasten des Grundrechts auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) dar, für die keine Notwendigkeit dargelegt ist. Erst recht gilt das für auch in der neuen Fassung des § 17 b Abs. 3 Nr. 2 SOG LSA im jetzigen Gesetzentwurf die weiterhin mögliche Betroffenheit einer eine Vielzahl von Nicht-Störern betrifft, zum Beispiel Personen, die für solche angenommenen „Störer“ Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder deren Anschluss sogar ohne ihr Wissen von solchen „Störern“ benutzt wird. Aus Sicht des RAV mangelt es hier an der Erforderlichkeit einer präventiv-polizeilichen Regelung neben den Kompetenzen, die die Strafprozessordnung einräumt. Unzureichende Vorkehrungen sieht der neue Gesetzentwurf auch dafür vor, dass der Richtervorbehalt ausreichend Beachtung findet. Körperliche Untersuchung von Personen bei angenommener Infektionsgefahr Dasselbe gilt für die Neuregelung der körperliche Untersuchung von Personen bei angenommener Infektionsgefahr, wo nun ebenfalls ein Richtervorbehalt gelten soll. Es bleibt jedoch zu kritisieren, dass die Vorgaben des Gesetzes, wann eine Untersuchung angeordnet werden darf, von nur juristisch und nicht medizinisch ausgebildeten Personen gar nicht adäquat überprüft werden können. Dass Fehleinschätzungen aufgrund mangelnder Fachkenntnis durchaus realistisch sind, zeigte sich bei der Anhörung im Ausschuss für Inneres und Sport am 12. Dezember 2012 als ein polizeilicher Vertreter äußerte, dass nach einem Transport einer HIV-positiven Person grundsätzlich der Dienstwagen desinfiziert werden müsse, um eine Infektion zu vermeiden. Es wird – wie bereits in der Stellungnahme zum letzten Änderungsgesetz angeregt, eine eine Vorgabe mit aufzunehmen, dass der Arzt oder die Ärztin, der/die mit der Durchführung betraut wird, zunächst überprüfen muss, ob nach dem Vortrag der anordnenden Stelle im konkreten Fall aus medizinischer Sicht überhaupt die Gefahr einer Übertragung besteht, und die Untersuchung nur dann durchführen darf, wenn er/sie das schriftlich bestätigt. Videoaufzeichnung bei polizeilichen Kontrollen Auch in Bezug auf die im Wortlaut an die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts angepasste Regelung zur Erlaubnis, polizeiliche Kontrollen zu filmen (§ 16 Abs. 3 SOG LSA), bleibt festzuhalten, dass aus anwaltlicher Sicht kein Erfordernis für eine entsprechende Regelung besteht, denn eine gesteigerte Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten – die der ursprüngliche Gesetzentwurf zur Begründung anführte – ist empirisch nicht belegt. Hinzu kommt, dass – wie bereits zum früheren Gesetzentwurf ausgeführt zweifelhaft ist, ob diese Maßnahme überhaupt der Eigensicherung dienen kann, da der Einsatz einer Kamera während Kontrollen ein eigenes Konfliktpotential mit sich bringt. Berlin, 12. Juni 2015 Stellungnahme als PDF]]> news-407 Wed, 10 Jun 2015 15:17:00 +0200 Filmvorführung ›Judgment in Hungary‹ am 18.6. in Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-judgment-in-hungary-am-18-6-in-berlin-407 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ ›JUDGMENT IN HUNGARY‹ E. Hajdú | HU/NL | 2013 |108 min. | OmeU Donnerstag 18.6.15 | 19:30 h
    Mosaik-Raum* | Oranienstr. 34 | Berlin-Kreuzberg
    Regisseurin und Produzent werden anwesend sein.
    Eintritt frei.
    Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. 2008 und 2009 überfielen Neo-Faschisten in Ungarn mehrere Roma-Dörfer. Sechs Menschen starben, darunter ein fünfjähriges Kind. Gegen vier Verdächtige wurde Anklage erhoben. Der Film dokumentiert den Prozess, der zweieinhalb Jahre dauerte. Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=BGDt6HRZYtk *Mosaik-Raum, Oranienstr. 34, Berlin-Kreuzberg
    (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem "Familiengarten")
    U1/U8 Kottbusser Tor, Bus 29 Die Filmabende sollen der Auseinandersetzung mit diesen Themen dienen und einen zwanglosen politischen Austausch – jenseits üblicher Podiumsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Arbeitstreffen – unter unseren Mitgliedern, FreundInnen und Interessierten anregen. In Zusammenarbeit mit dem ›Mosaik-Raum‹ und der ›Narr-Bar‹ wollen wir mit der Reihe zudem für die – ebenfalls von RAV und NSU Watch mitorganisierte – Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ mobilisieren, diese finden jeweils am nachfolgenden Freitag in Berlin statt.

    Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹  (hier als PDF) *** Dazu: 19.6.15 um 19:30 h in der Jüdischen Akademie, Berlin
    ›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe
    Urteil in Ungarn | Podiumsdiskussion
    Mit Esther Hajdú, Regisseurin,
    Magdalena Marsovszky, Kulturwissenschaftlerin
    Carsten Ilius, Rechtsanwalt, Berlin http://test.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/urteil-in-ungarn-416/]]>
    Insight NSU
    news-411 Wed, 10 Jun 2015 15:17:00 +0200 Mit schweren Geschützen gegen die Istanbuler Gezi-Proteste /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mit-schweren-geschuetzen-gegen-die-istanbuler-gezi-proteste-411 Das Strafverfahren gegen den Fußballfanclub Çarşı wegen Putschversuchs Donnerstag, 18. Juni 2015 um 19.30 Uhr Werkstatt der Kulturen
    Wissmannstraße 32
    12049 Berlin
    In Istanbul wird am 26. Juni 2015 nach nur drei Prozesstagen eines der wichtigsten Verfahren wegen der Gezi- Proteste im Jahr 2013 zu Ende gehen. Angeklagt als „terroristische Gruppierung“ ist Çarşı, eine seit 1983 bestehende Gruppe von Anhängern des Istanbuler Fußballvereins Beşiktaş. Den 35 Angeklagten wird u.a. vorgeworfen, während der Gezi- Prostest einen Putschversuch unternommen zu haben. Es drohen Strafen von bis zu 49 Jahren. Tatsächlich ist Çarşı seit Jahren auch außerhalb des Fußballstadions gesellschaftlich aktiv gewesen, zum Beispiel bei dem Erdbeben in Van oder dem Grubenunglück in Soma, bei Aktionen gegen Atomkraft oder Kinderarbeit – so dann auch bei den Protesten im Jahr 2013, die am Taksim-Platz ihren Ausgang nahmen. Unter der Vielzahl von Strafverfahren gegen die Gezi-Demonstraten, wiegen die Vorwürfe gegen Çarşı am schwersten und erscheinen offensichtlich als politisch motiviert. Weder die Ermittlungen, noch die Anklage oder das Verfahren genügten bisher rechtstaatlichen Grundsätzen. Allerdings erscheint nach der letzten Verhandlung ein Freispruch möglich, ob dies auch nach den Parlamentswahlen in der Türkei am 7. Juni 2015 noch so sein wird, ist jedoch fraglich. Von den Gezi-Protesten und insbesondere dem Verfahren gegen Çarşı wird einer der Verteidiger der Angeklagten, Avukat Inan Kaya aus Istanbul, sowie Rechtsanwältin Anna Luczak , die den Prozess in Istanbul beobachtet hat, berichten. Die Generalsekretärin von Amnesty International, Selmin Çalışkan, wird in die Veranstaltung einführen. Eine Veranstaltung von RAV und AI Einladung (PDF)]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-403 Wed, 10 Jun 2015 15:14:00 +0200 Urteil in Ungarn /publikationen/mitteilungen/mitteilung/urteil-in-ungarn-403 ›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe; 19.6.2015 in Berlin Zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und NSU Watch entwickelte der RAV eine Veranstaltungsreihe zum strukturellen Rassismus in Europa vor dem Hintergrund des NSU-Prozesses in München (vgl. dazu unten den Hintergrund).

    Fünfte Veranstaltung:

    19. Juni 2015, 19.30 Uhr
    Jüdische Akademie Berlin
    Lindenstr. 9-14
    10969 Berlin
    (U1 /U8 Hallesches Tor, Bus M29 und M41)

    Urteil in Ungarn

    Mit
    Eszter Hajdú, Regisseurin
    Magdalena Marsovszky, Kulturwissenschaftlerin
    Carsten Ilius, Rechtsanwalt

    Moderation: Volker Eick (RAV)

    In den Jahren 2008 und 2009 überfallen Rechtsextremisten im Norden Ungarns mehrere Roma-Dörfer. Sie ermordeten sechs Menschen, darunter ein fünfjähriges Kind. Mit Prozessbeginn gegen vier Neofaschisten im Jahr 2010 wird deutlich, wie weit der Rassismus gegen Roma in der ungarischen Gesellschaft verbreitet ist und wie selbst ermittelnde Beamte mit den Tätern sympathisierten. Deutlich wird auch, Polizei und Militärgeheimdienst sind involviert. Eszter Hajdú hat den zweieinhalbjährigen Prozess in einem Dokumentarfilm verarbeitet. Der Film wird in Auszügen gezeigt, anschließend diskutieren Eszter Hajdú, die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky sowie der Rechtsanwalt und Nebenklagevertreter im NSU-Prozess Carsten Ilius über Parallelen und Unterschiede beider Verfahren. Eine Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹, organisiert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), von NSU Watch und der Rosa Luxemburg-Stiftung. Kofinanziert von der Heinrich Böll- und Holtfort-Stiftung.
    Englischsprachige Veranstaltung mit Simultanübersetzung. Eintritt frei. Anmeldung unter Tel. 030.25993488 oder reservierung@jmberlin.de Urteil in Ungarn (Flyer PDF) ***
    Dazu: In der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ zeigen wir bereits einen Tag vorher, am 18. Juni 2015 um 19:30 Uhr, den Film ›Judgment in Hungary‹ im Mosaikraum in voller Länge (Regisseurin und Produzent werden anwesend sein). Eintritt frei. Der Mosaik­Raum befndet sich in der Oranienstraße 34 (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem ›Familiengarten‹) in Berlin­Kreuzberg (U1/U8 Kottbusser Tor). Filmreihe (PDF) :::: ›Insight NSU‹
    Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
    Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). :::: Rückblick: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/ Die zweite Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Daniel Holder fand am 23.1.2015 in Berlin statt
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-391/ Die dritte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoǧlu fand am 19.3.2015 Berlin statt
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mord-in-istanbul-wegen-beleidigung-des-tuerkentums-398/page1/ Die vierte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Thanasis Kampagiannis fand am 24.4.2015 Berlin statt
    test.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-395/ ]]>
    Insight NSU
    news-412 Wed, 10 Jun 2015 15:11:00 +0200 2. Menschenrechtssalon – Es sind Kinder! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/2-menschenrechtssalon-es-sind-kinder-412 Veranstaltung in Hamburg, 24.6.15 Unsere Gäste:
    Immo Rekow, Amtsvormund
    Viola Horvathova, Sozialarbeiterin bei der Rom und Cinti Union e.V., Hamburg
    Niels Espenhorst, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), Autor der UNICEF-Studie zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland
    Cornelia Reher, Therapeutische Leitung Flüchtlingskinderambulanz des UKE
    Simone Schachtschneider, Koordinatorin für die IV-Klassen an der Stadtteilschule am Hafen
    Rolf Becker, Schauspieler, Herausgeber des Buches „Integration durch Bildung“ Moderation: Michail Paweletz, Fernsehjournalist Wir laden Sie herzlich am 24.6.2015 um 18.30 Uhr
    ins Museum für Völkerkunde | Rothenbaumchaussee 63 | 20148 Hamburg ein.
    Im Anschluss haben Sie Gelegenheit zum Austausch. Musik: Rolf Thomsen
    Wein und Snacks: Weingut Schlick und Restaurant Christos Anmeldung:
    bis zum 12.6.2015 per E-Mail an info@fluchtpunkt-hamburg.de Auf Nachfrage können Sie einen Nachweis für diese Fortbildungsveranstaltung erhalten. Kooperationspartner:
    IDA EHRE Kulturverein e.V.
    Diakonisches Werk Hamburg-West/Südholstein
    Museum für Völkerkunde
    RAV – Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V. Einladung (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet) Migration & Asyl (doublet)
    news-410 Thu, 04 Jun 2015 08:00:00 +0200 Geschichte wiederholt sich immer zweimal, als Tragödie und als Farce<br />2007 Heiligendamm - 2015 Schloss Elmau /publikationen/mitteilungen/mitteilung/geschichte-wiederholt-sich-immer-zweimal-als-tragoedie-und-als-farce-br-2007-heiligendamm-2015-schloss-elmau-410 Pressemitteilung vom 3.6.15 »Von den ca. 1.600 Ermittlungsverfahren, die wegen der Proteste im Juni 2007 eingeleitet worden waren, waren am 15.11.2007 bereits 1.086 eingestellt. Von 176 Verfahren, die bis Ende Mai 2008 gerichtsanhängig waren, führten 84 Fälle zu einem Urteil: eine Urteilsrate von rund fünf Prozent«. »Von den gut 1.000 Freiheitsentziehungen im Juni 2007 waren 586 Gegenstand gerichtlicher Überprüfungsverfahren. Lediglich 158 von der Polizei gestellte Anträge auf Gewahrsamsverlängerung wurden angenommen. Gegen 102 genehmigte Gewahrsamsverlängerungen wurde Beschwerde eingelegt, in 45 Fällen wurden die Gefangenen danach entlassen, lediglich 15mal ein Gewahrsam bestätigt«.iEin Fazit aus Heiligendamm: Menschenrechtsverstöße Kaum ein Ermittlungsverfahren führte zu einer Anklage, gerichtlich überprüfte Ingewahrsamnahmen führten zu Freilassungen, Schadensersatzklagen hatten Erfolg. »Die Polizei sollte aus solchen Statistiken lernen«, so Verina Speckin, Rechtsanwältin und Mitglied des RAV und Legal Teams in Elmau, »sonst ist es wieder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der, wie in seiner Heiligendamm-Entscheidung von 2011, im Nachhinein Menschenrechtsverstöße der Polizei feststellt«. Der Gerichtshof hatte vier Jahre nach Heiligendamm geurteilt, dass G8-Freiheitsentziehungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen – und Berlin zu Geldstrafen verurteilt.ii Die Stimmungsmache etwa des DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt spricht gegen jeden Lernprozess: Man werde gegen gewaltbereite Personen »konsequent und mit niedriger Einschreitschwelle vorgehen«, lässt der sich zitieren.iii »Mein Eindruck ist, ein Ereignis wie der G7-Gipfel wird gern genutzt, um Bürgerrechte einzuschränken«, so Speckin. »Dabei muss sich der Rechtsstaat gerade in diesen besonderen Situationen als Rechtsstaat bewähren«. Kontakt: RAV-Geschäftsstelle 030-417 235 55; kontakt@rav.de Fußnoten:
    i Vgl. Prozessbeobachtungsgruppe Rostock, http://rotehilfegreifswald.blogsport.de/2008/06/05/g8-auswertung-der-bisherigen-g8-verfahren-durch-die-prozessbeobachtungsgruppe-rostock/ sowie die Zahlen in Neue Justiz, 12/07: 529ff. ii 2007 mussten zwei junge Männern sechs Tage im Gefängnis verbringen, weil die Polizei zwei Transparente (›Freedom for all Prisoners‹/Freiheit für alle Gefangenen und ›Free all now‹/Befreit alle jetzt) als Aufforderung zur Gefangenenbefreiung bewertete, vgl. EGMR, 01.12.2011 (8080/08, 8577/08), http://www.bmj.de/SharedDocs/EGMR/DE/20110201_8080_08_8577_08.html. iii VGl. http://web.de/magazine/politik/g7-gipfel/g7-gipfel-schloss-elmau-schlimmste-befuerchten-30674156. Pressemitteilung vom 3.6.2015 als PDF]]>
    news-409 Sun, 24 May 2015 09:10:00 +0200 Modernisierungsmieterhöhung Preistreiber Nr. 1<br />§ 559 abschaffen, jetzt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/modernisierungsmieterhoehung-preistreiber-nr-1-br-559-abschaffen-jetzt-409 Veranstaltung, 15.6.15 15. Juni 2015, 20.00 Uhr.
    Familiengarten, Oranienstraße 34, Hinterhaus, 10999 Berlin
    (U1/U8 Kottbusser Tor, Bus M29) Energetische Gebäudesanierung, altersgerechtes Wohnen, Fußbodenheizung, schicke Bäder...
    In den letzten Jahren wird der Gebäudebestand in begehrten Zentren immer aufwändiger und häufiger saniert. Energie soll eingespart, dem demographischen Wandel durch entsprechende Sanierung begegnet und die Nachfrage solventer Kaufinteressierter nach hochwertigem Wohnraum befriedigt werden. Einiges davon kann sinnvoll und notwendig sein, führt jedoch häufig zur Verdrängung der jetzigen Mieter. Die Kosten dieser Modernisierungen werden zu 11 Prozent pro Jahr auf die Mieter umgelegt. Damit zahlen vor allem Mieterinnen und Mieter die Aufwertung und das auf ewig, denn die Mieterhöhung erfolgt zeitlich unbegrenzt. Bleibt noch Spielraum, kann der Vermieter zudem die Miete bis zur Vergleichsmiete anheben. Damit nützt die Modernisierung letztendlich fast ausschließlich dem Vermieter, denn die Gebrauchsvorteile stehen häufig in keinem Verhältnis zur Mieterhöhung, vor allem mit Blick auf das Verhältnis von Einkommen zur neuen Miethöhe. Insbesondere für die energetische Modernisierung ist bekannt, dass sich die Mieterhöhung durch die erzielbare Energieeinsparung regelmäßig nicht auffangen lässt. Modernisieren, um zu vertreiben Tatsächlich werden Modernisierungen inzwischen gezielt dazu einsetzt, die Bestandsmieten in die Höhe zu schrauben und so Bestandsmieter aus ihren Wohnungen und damit meist auch aus ihren Kiezen zu vertreiben. Zudem schaffen derartige Investitionen keine einzige neue Wohnung, sondern vernichten dringend benötigten günstigen Wohnraum. Mieterhöhungen nach Modernisierung sind in § 559 BGB geregelt. Danach kann der Vermieter gegen den Willen der Mieterinnen und Mieter den Vertrag ändern, was heute in der Regel für die meisten Mieterinnen und Mieter die Beendigung des Mietvertrages bedeutet. Wir fordern daher, diese Vorschrift abzuschaffen. Die Mieterhöhungsmöglichkeiten im Rahmen des Vergleichsmietensystems reichen aus, um dem Vermieter eine angemessen Rendite für die von ihm vermieteten Immobilien zu ermöglichen. Energiewende und eine alternde Gesellschaft sind gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, für die nicht ausschließlich Mieterinnen und Mieter zahlen dürfen, nur weil sie Wohnungen gemietet haben. Im Rahmen der Veranstaltung wollen wir die Auswirkungen der modernisierungsbedingten Mieterhöhungen auf den Wohnungsmarkt anhand der historischen Entwicklung der diesbezüglichen rechtlichen Vorschriften erläutern und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
    Ebenfalls werden wir an die aktuelle Kampagne zum Mietenvolksentscheid anknüpfen, insbesondere, wie die Kampagnenziele im Einklang stehen mit unserer Forderung nach einer Abschaffung des § 559 BGB. Flyer (PDF) Einladung/PM kurz (PDF)]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-404 Sun, 24 May 2015 07:50:00 +0200 Filmvorführung ›Mietrebellen‹ am 28.5.2015 in Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-mietrebellen-am-28-5-2015-in-berlin-404 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹
    MIETREBELLEN – Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt Dokumentarfilm von Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers
    D 2014 | 78 min. | OmeU Donnerstag 28.6.15 | 19:30 h
    Narr Bar | Böckhstr. 24 | Berlin-Kreuzberg

    (U8 Schönleinstr.) Matthias Coers und mindestens ein Mitglied des Arbeitskreises Mietrecht im RAV wird anwesend sein.
    Eintritt frei.
    Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. BERLIN  In den letzten Jahren hat sich die Hauptstadt rasant verändert. Wohnungen, die lange als unattraktiv galten, werden von Anlegern als sichere Geldanlagen genutzt. Massenhafte Umwandlungen in Eigentumswohnungen und Mietsteigerungen in bisher unbekanntem Ausmaß werden alltäglich. Die sichtbaren Mieterproteste in der schillernden Metropole Berlin sind eine Reaktion auf die zunehmend mangelhafte Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum.  Der Film ist ein Kaleidoskop der Mieterkämpfe in Berlin gegen die Verdrängung aus den nachbarschaftlichen Lebenszusammenhängen. Eine Besetzung des Berliner Rathauses, das Camp am Kottbusser Tor, der organisierte Widerstand gegen Zwangsräumungen und der Kampf von Rentnern um ihre altersgerechten Wohnungen und eine Freizeitstätte symbolisieren den neuen Aufbruch der urbanen Protestbewegung. Der Trailer zum Film:
    http://youtu.be/skL40QXMd1A Ein kurzer Infotrailer zum Film:
    http://youtu.be/Rygcs6XvreM Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ hier: (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-408 Sun, 24 May 2015 07:46:00 +0200 Warten auf Godot<br />Oder eher auf Erdoǧan? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/warten-auf-godot-br-oder-eher-auf-erdo-an-408 11. Hauptverhandlungstag im KCK-Verfahren am 6. Mai 2015 Eines dieser Massenverfahren richtet sich gegen 46 AnwältInnen sowie vier Nichtjuristen, die mit einem der Anwaltsbüros in Verbindung stehen. Den KollegInnen wird formal der Verstoß gegen Art. 314 Abs. 1 und Abs. 2 tStGB vor­geworfen, also die Mitgliedschaft bzw. Führungsposition in einer militärisch bewaffneten Organisation. Tatsächlich ist Gegenstand des Vorwurfs ihre originäre anwaltliche Tätigkeit, insbesondere im Rahmen der Verteidigung und Haftbetreuung von Abdullah Öcalan, den fast alle in der Haft besucht hatten. Das Verfahren basiert auf koordinierten Razzien gegen Anwaltsbüros in der gesamten Türkei und einer Massenfestnahme von 36 Anwältinnen und Anwälten am 22. November 2011. *** Rechtsanwältin Gül Pinar (DAV), Mitglied der Prozessbeobachtungsgruppe, berichtet vom 11. Verhandlungstag im KCK-Anwälte-Verfahren in Istanbul. Wir danken für ihren Bericht, den wir hier veröffentlichen dürfen: Warten auf Godot
    Oder eher auf Erdoǧan?
    Der in Istanbul gegen 41 Kollegen und Kolleginnen geführte Strafverfahren, besser bekannt unter dem Namen KCK-Prozess, wurde am 6.05.2015 nach 6-monatiger Verhandlungspause heute für zwei Stunden weitergeführt. Der Gang des heutigen Prozesstages ist ohne die Kenntnis der politischen Situation in der Türkei nicht nachvollziehbar. Heute konnten wir quasi Augenzeugen von dem werden, was es bedeutet, wenn die Justiz ihre Unabhängigkeit verloren hat. Zur Erinnerung: die Kollegen waren am 22. November 2011 verhaftet worden, die Hauptverhandlung begann am 16. Juli 2012. Am 6. März 2014 wurde per Gesetzesänderung die Zuständigkeit von Sonderkammern für politische Verfahren und somit die Kammer, die zum Zeitpunkt der Anklageerhebung zuständig war, abgeschafft. Das führte nicht zur Einstellung des Verfahrens, sondern zur Verweisung an eine ordentliche Strafkammer. Allerdings wurden die Kollegen mit der Abschaffung der Sondergerichte von der Haft verschont. Seit dem hat es mit dem heutigen Tag zwei Verhandlungstermine gegeben. Hauptziel der Verteidigung ist an den beiden Verhandlungstagen Folgendes: a) Sofortige Freispruch! Laut § 5271 TR Strafprozessordnung kann ein sofortiger Freispruch ohne Beweisaufnahme beantragt werden, wenn eine Bestrafung offensichtlich nicht angebracht oder wünschenswert ist oder der Fall an sich von Gesetzeswegen abgelehnt werden muss. b) Die Vorlage des Falles zum Verfassungsgericht Die Sondergerichte wurden im Rahmen der Änderung der Anti-Terrorgesetzgebung verabschiedet. Dabei sah die Änderung, die Abschaffung der Sondergerichtsbarkeit vor. Allerdings besagt Nr. 6526 der TK-Strafprozessordnung, dass das dann neu zuständig Gericht ab dem Punkt des Verfahrens weitermachen darf, an dem das letzte Gericht aufgehört hat, also ohne Wiederholung der Beweisaufnahme. Das widerspricht sogar der übrigen Strafprozessordnung, die auch Regelungen über die Dauerhafte Anwesenheit gleicher Gerichtspersonen enthält. Geschweige der Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters, der auch im türkischen Recht verankert ist. c) Überprüfung der vermeintlichen Beweise der Anklage auf die Gesetzesmäßigkeit ihrer Erhebung Sondergerichte, Sonderdezernate der Staatsanwaltschaft und Sonderabteilungen der Polizei wurden abgeschafft, weil Ihnen illegale Ermittlungsmethoden vorgeworfen wurden. Dies, weil diese Beamten Ermittlungen in Korruptionsfällen geführt haben. Gegen etliche Polizeibeamte der Sonderabteilung wurden Ermittlungsverfahren wegen Beweismanipulation eingeleitet. Einige dieser Beamte waren auch Ermittler in dem Verfahren gegen unsere Kollegen. Am heutigen Verhandlungstag sollte es also auch um die Überprüfung von erhobenen Beweisen gehen, deren Erhebungspersonen unter dem öffentlichen Verdacht der Beweismanipulation stehen. Das Gericht hatte zwischen den Verhandlungstagen bereits schriftlich die Vorlage des Falles zum Verfassungsgericht wegen „mangelnder Ernsthaftigkeit“ des Antrages abgelehnt. Heute sollte es wieder darum gehen, die obigen Punkte zu forcieren. Und wurde praktisch nicht verhandelt. Der Verteidigung wurde Gelegenheit gegeben, Gegenvorstellung zur Entscheidung des Gerichtes vorzutragen. Das Gericht nahm die Erklärungen höflich entgegen und verkündete, man werde jetzt wieder unterbrechen und am 22. Oktober 2015 wieder verhandeln. Die Vertagung wurde nicht begründet. Über die Vertagung waren nur wir - die internationalen Beobachter - überrascht. Die türkischen Kollegen hatten damit gerechnet, denn in der letzten Woche wurden in der Türkei zwei Richter verhaftet, gegen zwei weitere Richter und vier Staatsanwälte ergingen Haftbefehle. Der Vorwurf lautet Landesverrat und Mitgliedschaft in einer staatsgefährdenden Organisation. Richter Metin Özcelik und Mustafa Baser hatten eine Haftentlassung der wegen Korruption ermittelnden und deswegen verhafteten 60 Polizeibeamten beschlossen. Noch am Tag der Verkündung der Beschlüsse wurden Haftbefehle erlassen. Metin Özcelik wurde im Justizpalast verhaftet. Mustafa Baser wurde bislang nicht in seiner Wohnung aufgefunden. Gestern wurden der ehemalige Generalstaatsanwalt von Adana und drei weitere Staatsanwälte verhaftet. Ihnen wird Landesverrat und Mitgliedschaft in einer staatsgefährdenden Organisation vorgeworfen. Die Juristen hatten es gewagt, illegale Waffentransporte nach Syrien zu stoppen. Bei dieser gesellschaftlichen Situation, heißt es wohl für alle Beteiligten, abwarten, einfrieren, bloß nichts entscheiden, was nicht genehm sein könnte. Die Justiz kapituliert, steckt den Kopf in den Sand und wartet. Worauf denn nur?]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-402 Wed, 25 Mar 2015 15:14:00 +0100 Filmvorführung ›The Cleaners‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-the-cleaners-402 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ The Cleaners
    Donnerstag 23.4.15 | 19:30 h
    Mosaik-Raum* | Oranienstr. 34 | 10999 Berlin-Kreuzberg

    (U1/U8 Kottbusser Tor) Der Regisseur Konstantinos Georgousis wird anwesend sein.
    Eintritt frei.
    Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. UK, 2012, 36 min.
    Einen Monat lang begleitet der Regisseur Mitglieder der griechischen rechtsextremen Partei ›Goldene Morgenröte‹ im Wahlkampf in einem Athener Stadtteil. Er legt dabei ernüchternd und schockierend offen, wie diese Funktionäre denken, agieren und welche Unterstützung sie aus der Athener Bevölkerung erhalten. *Mosaik-Raum, Oranienstr. 34, Berlin-Kreuzberg (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem "Familiengarten") Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹
    hier: (PDF) --- Dazu: 24.4.15 in der Urania, Berlin
    ›Insight NSU‹
    Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland
    Mit Thanasis Kampagiannis, Rechtsanwalt, Athen
    und Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt, Kiel
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-395/ Flyer (PDF)]]>
    news-388 Tue, 10 Mar 2015 17:04:00 +0100 MY RIGHT IS YOUR RIGHT! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/my-right-is-your-right-388 Aufruf zur Großdemonstration, 21.3.15
    Kontakt: info@myrightisyourright.de
    www.myrightisyourright.de
    www.facebook.com/MyRightIsYourRight
    Unterzeichner*innen:
    *andere zustände ermöglichen
    African Refugees Union
    AfricAvenir International
    afrique-europe-interact
    AK "Marginalisierte-gestern und heute“
    AK UniWatch
    akademie der autodidakten
    Aktionsbündnis gegen Dublin (Berlin)
    Aktionsgruppe M-Straße
    Allmende Berlin e.V. - Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur
    Antirassistische Initiative e.V.
    Ballhaus Naunynstrasse
    Barnimer Kampagne "Light me Amadeu", Eberswalde
    BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für MigrantInnen und Flüchtlinge
    Berlin Postkolonial
    Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
    Berliner VVN-BdA e.V.
    Bewohner_innen der Ohlauer-Schule
    Blockupy Plattform Berlin
    borderline europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
    Bündnis gegen Rassismus
    Bündnis Neukölln – Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt
    Corasol (Contre le Racisme Show Solidarity)
    Dan Thy Nguyen (Freier Regisseur, Schauspieler und Sänger)
    Deutsches Theater
    FelS - Für eine linke Strömung (organisiert in der iL - Interventionistische Linke)
    Flüchtlingsrat Berlin
    Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V.
    Frauenkreise Berlin
    GEW Berlin
    GLADT e.V.
    glokal e.V.
    GRIPS Theater
    HAU Hebbel am Ufer
    Initiativkreis Olympia Verhindern!
    Interkulturelle Frauenzentrum S.U.S.I.
    International Women Space
    JugendtheaterBüro Berlin
    Kampagne "Zusammen handeln! Gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung!"
    KommMit – für Migranten und Flüchtlinge e.V.
    korientation – Netzwerk für asiatisch-deutsche Perspektiven
    KuB Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.
    KuDePo e.V.
    KulTür auf!
    LaCasa (Hellersdorf)
    Lesbenberatung Berlin
    LesMigraS
    Lucía Muriel (Diplompsychologin)
    Maxim Gorki Theater
    Medibüro Berlin
    MEPa e.V. – Migration, Entwicklung und Partizipation
    Migrationsrat Berlin-Brandenburg
    moveGLOBAL e.V.
    NaturFreunde Berlin
    Netzwerk gegen antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit (NARI)
    NIO – Nachbarschaftsinitiative Ohlauer
    Noya Berlin
    Radikale Linke Berlin
    ReachOut
    Refugee Club Impulse
    Refugee Schulstreik Berlin
    Refugee Strike Berlin
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Salaam-Schalom Initiative
    SAVVY Contemporary
    Sharon Dodua Otoo (Mutter, Aktivistin, Autorin und Herausgeberin)
    SissiFM – Feministisches Stadtmagazin
    Studio Я
    Suite42
    Theater an der Parkaue
    Theater Expedition Metropolis Theater Strahl
    Total Plural e.V.
    ver.di, Bezirk Berlin
    Verband für interkulturelle Arbeit (VIA), Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V.
    wildwasser selbsthilfe & beratung
    Women in Exile
    xart splitta e.V.
    XENION e.V. Demonstrationsaufruf dt. (PDF) ------------------------------------------------- english MY RIGHT IS YOUR RIGHT! Large Demonstration for the Global Day against Racism 21. March 2015 | 1:00 pm | Spreewaldplatz, Berlin-Kreuzberg We are calling on everyone on the Global Day Against Racism: We want to raise our voices against racism, Antiromaism, Islamophobia, anti-Semitism, and against the inhumane asylum policies of Germany and Europe. While German enterprises like Heckler & Koch are exporting weapons to regions of crisis, people are dying in the Mediterranean while attempting to flee armed conflicts and war. While European governments are deciding on economic agreements outside of the EU that propel exploitation and poverty, people are being denied immigration into Europe. The new walls in and around Europe signify a continuation of European colonialism. Via racial profiling, police, authorities and institutions are continuing within the EU what the border patrol agency Frontex does at the external borders. The outrage over such inhumane policies is what we want to bring collectively and loudly to the streets on 21. March 2015 for the Global Day Against Racism. For more than two years now refugees and supporters in Berlin have been publicly and visibly fighting against the institutional racism in Germany and Europe. We stand in solidarity with the self-organized refugee protests in Berlin. The demands of the refugees are the complete abolition of the Residenzpflicht and residence restrictions, an end to placing people in Lagers as well as all deportations. The right of abode, education, work possibilities, and the right to live where one desires belong to everyone! End the politically supported social isolation of refugees! The German government is now planning a massive intensification of the right of residence with a law that would restructure the right of abode (Bleiberecht) and when the right of residence terminates: Among other things, the amount of detention pending deportation will be massively expanded, and the right of abode settlement will be thrown out of the window with the instruments of suspending people’s rights of residence and canceling return trips to Germany. This law will presumably be passed in Summer 2015. Instead of tightening and intensifying these laws, we demand immediate amendments: These include accommodation, places to live, the services of ALG and healthcare for all refugees. We demand unrestricted access to the work market. Refugees, who, for example, have found a room or bed in a WG or another place should have their accommodation costs reimbursed to them by the national bureau of social health (LaGeSo). Children and youth should be immediately allowed enrollment in kindergartens and schools. The right to work without having to wait to see if any other EU citizen can be substituted for the job must be implemented. LaGeSo must therefore be responsible for providing refugees with BVG tickets in Berlin so that they can move throughout the city. Racial profiling in public and particularly during local and regional traveling by the national police, Berlin police, the Deutsche Bahn and BVG staff must cease immediately. My Right Is Your Right! is a campaign comprised of creative artists, activists, lawyers, refugees, church officials, unionists, clubs, neighborhood initiatives, and individuals. What connects us all is the wish for a stronger political intervention in Berliner refugee policies, which is only possible with a union of various forces. Our campaign wants to establish space for empowerment in order to heighten the visibility of the struggle against various forms of discrimination because refugees are especially often subject to manifold discrimination. We want to collectively initiate a political change. That is why we are taking to the streets on March 21st! Come to the demonstration on March 21st! Contact: info@myrightisyourright.de
    www.myrightisyourright.de
    www.facebook.com/MyRightIsYourRight
    Signers: *andere zustände ermöglichen
    African Refugees Union
    AfricAvenir International
    afrique-europe-interact
    AK "Marginalisierte-gestern und heute“
    AK UniWatch
    akademie der autodidakten
    Aktionsbündnis gegen Dublin (Berlin)
    Aktionsgruppe M-Straße
    Allmende Berlin e.V. - Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur
    Antirassistische Initiative e.V.
    Ballhaus Naunynstrasse
    Barnimer Kampagne "Light me Amadeu", Eberswalde
    BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für MigrantInnen und Flüchtlinge
    Berlin Postkolonial
    Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
    Berliner VVN-BdA e.V.
    Bewohner_innen der Ohlauer-Schule
    Blockupy Plattform Berlin
    borderline europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
    Bündnis gegen Rassismus
    Bündnis Neukölln – Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt
    Corasol (Contre le Racisme Show Solidarity)
    Dan Thy Nguyen (Freier Regisseur, Schauspieler und Sänger)
    Deutsches Theater
    FelS - Für eine linke Strömung (organisiert in der iL - Interventionistische Linke)
    Flüchtlingsrat Berlin
    Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V.
    Frauenkreise Berlin
    GEW Berlin
    GLADT e.V.
    glokal e.V.
    GRIPS Theater
    HAU Hebbel am Ufer
    Initiativkreis Olympia Verhindern!
    Interkulturelle Frauenzentrum S.U.S.I.
    International Women Space
    JugendtheaterBüro Berlin
    Kampagne "Zusammen handeln! Gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung!"
    KommMit – für Migranten und Flüchtlinge e.V.
    korientation – Netzwerk für asiatisch-deutsche Perspektiven
    KuB Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.
    KuDePo e.V.
    KulTür auf!
    LaCasa (Hellersdorf)
    Lesbenberatung Berlin
    LesMigraS
    Lucía Muriel (Diplompsychologin)
    Maxim Gorki Theater
    Medibüro Berlin
    MEPa e.V. – Migration, Entwicklung und Partizipation
    Migrationsrat Berlin-Brandenburg
    moveGLOBAL e.V.
    NaturFreunde Berlin
    Netzwerk gegen antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit (NARI)
    NIO – Nachbarschaftsinitiative Ohlauer
    Noya Berlin
    Radikale Linke Berlin
    ReachOut
    Refugee Club Impulse
    Refugee Schulstreik Berlin
    Refugee Strike Berlin
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Salaam-Schalom Initiative
    SAVVY Contemporary
    Sharon Dodua Otoo (Mutter, Aktivistin, Autorin und Herausgeberin)
    SissiFM – Feministisches Stadtmagazin
    Studio Я
    Suite42
    Theater an der Parkaue
    Theater Expedition Metropolis
    Theater Strahl
    Total Plural e.V.
    ver.di, Bezirk Berlin
    Verband für interkulturelle Arbeit (VIA), Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V.
    wildwasser selbsthilfe & beratung
    Women in Exile
    xart splitta e.V.
    XENION e.V. Call for Demonstration_engl (PDF)    ]]>
    news-389 Sat, 07 Mar 2015 17:17:00 +0100 Kampagne_My Right Is Your Right! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kampagne-my-right-is-your-right-389 Pressekonferenz am 18.3.15 presse@myrightisyourright.de
    www.myrightisyourright.de
    facebook.com/MyRightIsYourRight
    Refugee Office, Waldemarstr. 46, 10999 Berlin Die Kampagne besteht aus:
    African Refugees Union | AfricAvenir International | akademie der autodidakten | Ballhaus Naunynstrasse | Berlin Postkolonial | Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag | Berliner VVN-BdA e.V. | Bewohner_innen der Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) | borderline europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V. | Bündnis gegen Rassismus | Deutsches Theater | Expedition Metropolis e.V. | Flüchtlingsrat Berlin | GLADT e.V. | GRIPS Theater | International Women Space | JugendtheaterBüro Berlin | KuB Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. | KulTür auf! | Lesbenberatung Berlin | LesMigraS | Maxim Gorki Theater | Migrationsrat Berlin-Brandenburg | NIO - Nachbarschaftsinitiative Ohlauer | ReachOut | Refugee Club Impulse | Refugee Strike Berlin | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Studio Я | Suite42 | Theater an der Parkaue | ver.di, Bezirk Berlin | Women in Exile | XENION e.V. und viele mehr Kampagne/Bündnis Your Right is My Right! My Right is Your Right! (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet) Migration & Asyl (doublet)
    news-383 Mon, 02 Mar 2015 17:03:00 +0100 Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland /publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-383 ›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe 24. April 2015, 19.30 Uhr
    Urania
    An der Urania 17
    10787 Berlin Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland Mit
    Thanasis Kampagiannis, Rechtsanwalt, Athen
    und
    Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt, Kiel Derzeit bereitet die griechische Justiz ein Verfahren gegen die neofaschistische Partei ›Chrysi Avgi‹ (Goldene Morgenröte) vor. Insgesamt 70 Parteimitgliedern wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben, um mit Überfällen, Schutzgelderpressungen und Morden ihre politischen Ziele zu erreichen. Offensichtlich gab es auch in Griechenland eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und Neofaschisten. Mit dem Athener Rechtsanwalt und Nebenklagevertreter Thanasis Kampagiannis diskutiert der Kieler Rechtsanwalt und NSU-Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann (RAV) über das Verfahren in München und den Prozess in Athen. Moderation: Annika Eckel (Koordinierungsstelle Lichtenberg).

    Eine Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹, organisiert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), von NSU Watch, und der Rosa Luxemburg-Stiftung. Kofinanziert von der Heinrich Böll- und Holtfort-Stiftung.
    Englischsprachige Veranstaltung mit Simultanübersetzung.
    Eintritt frei bei Anmeldung unter veranstaltung@rav.de
    Bei Nichtanmeldung muss leider ein Eintritt von 6 Euro erhoben werden. *** ›Insight NSU‹
    Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
    Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). :::: Rück- und Ausblick: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
    www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/ Die zweite Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Daniel Holder fand am 23.1.2015 in Berlin statt
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-391/ Die dritte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoǧlu wird am 19.3.2015 um 19:30 Uhr im Thyatrom, Alte Jakobstraße 12 in Berlin stattfinden:
    Mord in Istanbul wegen ›Beleidigung des Türkentums‹?
    ]]>
    Insight NSU
    news-384 Tue, 17 Feb 2015 15:00:00 +0100 Filmvorführung_Can't be silent /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-cant-be-silent-384 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹
    Can't be silent
    Donnerstag 26.2.15 | 19:30
    Narr Bar | Böckhstr. 24 | 10967 Berlin-Kreuzberg

    (U8 Schönleinstr.) Die Regisseurin Julia Oelkers wird anwesend sein.
    Der Eintritt ist frei.
    Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. D, 2013, 87 min.
    Als „Strom und Wasser“ sind Musiker mit Weltklasseformat auf Tour. Heinz Ratz und die Refugees versuchen sich von ihren verordneten Plätzen zu lösen – durch die so simple wie machtvolle Geste, die eigene Stimme zu erheben.
    http://youtu.be/HoWG_ucoOOA Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ hier: (PDF)

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    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-387 Tue, 17 Feb 2015 08:28:00 +0100 Mord in Istanbul wegen «Beleidigung des Türkentums»? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mord-in-istanbul-wegen-beleidigung-des-tuerkentums-387 ›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe 19. März 2015, 19.30 Uhr
    Tiyatrom
    Alte Jakobstr. 12
    10179 Berlin

    Mord in Istanbul wegen «Beleidigung des Türkentums»?

    Mit
    Hakan Bakırcıoǧlu, Rechtsanwalt, Istanbul
    und
    Carsten Ilius, Rechtsanwalt, Berlin Hrant Dink war ein armenischstämmiger türkischer Journalist, der am 19. Januar 2007 von türkischen Faschisten ermordet wurde. Er war Gründer und Herausgeber der zweisprachigen armenischen Wochenzeitung «Agos». Für seine Forderung nach einem offenen gesellschaftlichen Umgang mit dem Völkermord an den Armenier_innen im Jahr 1915 wurde er seit langem von nationalistischen Kreisen bedroht und mit Strafverfahren wegen «Beleidigung des Türkentums» überzogen. Der Mordprozess dauert an. Zugleich haben die Anwälte der Familie Dink Strafantrag gegen führende Polizei- und Geheimdienstoffiziere wegen Unterstützung bzw. Duldung des Mordes gestellt.

    Hakan Bakırcıoǧlu wird über das Strafverfahren sowie die Rolle staatlicher Sicherheits- und Geheimdienstbehörden bei dem Mord berichten. Er ist Rechtsanwalt in Istanbul und vertritt im Verfahren gegen die Mörder Dinks dessen Familie. Vor seinem Besuch in Berlin wird er den NSU-Prozess in München besuchen und diesen im Hinblick auf die staatliche Verwicklung in beiden Fällen kommentieren.

    Carsten Ilius, Rechtsanwalt von Elif Kubaşık, der Witwe des am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, wird Vergleiche zum NSU-Prozess ziehen.

    Moderation: Özge Pinar Sarp, NSU-Watch.

    Eine Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹, organisiert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), von NSU Watch und der Rosa Luxemburg-Stiftung.
    Gefördert von Heinrich-Böll-Stiftung, Holtfort-Stiftung und Türkischer Bund Berlin Eintritt frei  Die komplette Veranstaltung als Filmdokumentation HIER ::::::::::: Hrant Dink Ermeni kökenli bir Türk gazeteciydi, 19 Ocak 2007 tarihinde Türk faşistleri tarafından öldürüldü. İki dilde yayınlanan haftalık Ermeni gazetesi «Agos»un kurucusu ve yayıncısıydı. Ermenilerin 1915 senesinde katledilmesinin toplumda açık açık konuşulduğu bir biçim talep ettiği için uzun bir süreden beri ulusalcı çevreler tarafından tehdit edilmekteydi ve «Türklüğü aşağılamış» olmaktan dolayı kendisine dava açılmıştı. Cinayet davası hâlâ sürmekte. Aynı zamanda Dink ailesinin avukatları üst düzey polis ve istihbarat çalışanlarına cinayeti destelemek ve bazı şeylere müsamaha göstermek nedeniyle suç duyurusunda bulundular. Avukat Hakan Bakırcıoğlu, söz konusu ceza davası ve devletin güvenlik birimleri ile istihbarat kurumlarının cinayetteki rolü hakkında bilgi verecek.

    BAKIRCIOĞLU İstanbul’da çalışan bir avukattır ve cinayetleri işleyen katillere karşı açılan bu davada Dink  ilesini temsil etmektedir. Bakırcıoğlu, Berlin’deki ziyaretinden önce Münih’teki NSU davasına izleyici olarak katılacak ve her iki davada da devletin işin içine karıştığı boyutları yorumlayacaktır.

    CARSTEN ILIUS, 4 Nisan 2006 yılında Dortmund’da NSU tarafından öldürülen Mehmet Kubaşık’ın dul kalan eşinin avukatıdır; söz konusu cinayet ile NSU davası arasındaki benzerlikleri gösterecektir.

    NSU-watch’tan ÖZGE PINAR Sarp bu toplantının sunumunu üstlenecektir. *** Mord in Istanbul wegen «Beleidigung des Türkentums»?_Flyer (PDF) ›Insight NSU‹
    Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
    Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). :::: Rück- und Ausblick: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/ Die zweite Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Daniel Holder fand am 23.1.2015 in Berlin statt
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-391/ Die vierte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Thanasis Kampagiannis, Rechtsanwalt in Athen und Axel Hoffmann, Rechtsanwalt in Kiel wird am 24.4.2015 in der Urania in Berlin stattfinden:
    Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-395/
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    Insight NSU
    news-386 Tue, 10 Feb 2015 14:46:00 +0100 Daimler Bremen schüchtert Beschäftigte ein<br />RAV und VDJ fordern Rücknahme der Abmahnungen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/daimler-bremen-schuechtert-beschaeftigte-ein-br-rav-und-vdj-fordern-ruecknahme-der-abmahnungen-386 Pressemitteilung, 10.2.15 PDF]]> news-385 Tue, 27 Jan 2015 12:07:00 +0100 StN_Gesetzentwurf zur Abschaffung von Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenz- und "Gefahrengebieten" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-gesetzentwurf-zur-abschaffung-von-anhalte-und-sichtkontrollen-in-grenz-und-gefahrengebieten-385 Stellungnahme, 23.1.2015 I. § 180 Abs. 3 LVwG: Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Die in § 180 Abs. 3 LVwG vorgesehenen Kontrollen betreffen allesamt Personen, die durch ihr Verhalten keinerlei Anlass für solche Maßnahmen gegeben haben. Gleichzeitig erlaubt die Norm einen recht intensiven Eingriff in Grundrechte dieser Personen. Schon die Anhaltung und – von der Durchsuchung nur schwer abgrenzbare(2) – Inaugenscheinnahme von Fahrzeugen an sich ist ein recht intensiver Eingriff, darüber hinaus ist über § 202 Nr. 2, Abs. 2 LVwG, § 206 Nr. 1 LVwG jedenfalls in den Fällen, in denen deren Notwendigkeit zur Fremd- oder Eigensicherung begründet werden kann, die Befugnis zur vollständigen Durchsuchung der Person und ihrer Sachen und ggf. sogar zu ihrer Verbringung auf die Dienststelle eröffnet.(3) Gleichzeitig lässt § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG die Ausweisung von Orten als „Gefahrgebiete“ über einen ganz erheblichen Zeitraum zu.(4) 1. § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG Daraus folgen insbesondere für § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG bestimmte verfassungsrechtliche Anforderungen, die diese Norm allesamt nicht erfüllt. Auf diese Anforderungen ist nicht nur in der Gesetzesbegründung, sondern auch in den Stellungnahmen in der 16. Legislaturperiode(5) sowie den bisher vorliegenden Stellungnahmen in diesem Gesetzgebungsverfahren(6) vielfach eingegangen worden, deswegen seien sie an dieser Stelle nur noch einmal kurz angerissen: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (hier: der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.e.S.) verlangt „dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen darf.“(7) Dies gilt insbesondere bei Eingriffen, die nicht durch das Verhalten der betroffenen Person begründet sind, umso mehr, wenn sie eine große Streubreite besitzen,(8) und noch einmal umso mehr, wenn es sich um ohnehin schon intensive Eingriffe handelt.(9) Denn: „Der Freiheitsanspruch des Einzelnen verlangt, dass er von polizeilichen Maßnahmen verschont bleibt, die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsguts oder eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind. […] Ebenso wie im Rechtsstaat nicht jedermann als potentieller Verbrecher behandelt werden darf […], darf im Polizeirecht die Unterscheidung zwischen Störern und Nichtstörern nicht nivelliert werden […].“(10) Daher sind intensive verdachtslose Eingriffe mit großer Streubreite – auch wenn sie dem Schutz hochrangiger Verfassungsgüter dienen – „nur dann angemessen, wenn der Gesetzgeber rechtsstaatliche Anforderungen dadurch wahrt, dass er den Eingriff erst von der Schwelle einer hinreichend konkreten Gefahr für die bedrohten Rechtsgüter an vorsieht.“(11) Diesem Erfordernis wird § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG, der letztlich nur eine schriftliche Anordnung der Maßnahme basierend auf „Tatsachen, insbesondere dokumentierte[n] polizeiliche[n] Lageerkenntnisse[n]“ voraussetzt, von vornherein nicht gerecht. Eingriffsbefugnisse, die gar nicht an das Verhalten der Person anknüpfen, sondern eine sog. Ortshaftung vorsehen, sind zudem verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn sie eine eindeutige örtliche oder zeitliche Begrenzung aufweisen.(12) § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG enthält keine Bestimmung der möglichen örtlichen Ausdehnung eines Gefahrengebietes, in der Praxis haben Gebiete etwa eine ganze kreisfreie Stadt, einen ganzen Landkreis oder jeweils die südlichen Teile von zwei Landkreisen umfasst.(13) In zeitlicher Hinsicht verlangt die Norm alle 28 Tage Verlängerungsentscheidungen, nach 84 Tagen durch das Gericht – eine ernsthafte zeitliche Beschränkung stellt dies ebenfalls nicht dar, wie insbesondere das fast fünf Jahre geltende Gefahrengebiet im gesamten Stadtgebiet Neumünsters(14) zeigt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert weiter, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme selbst regelt und nicht allein der Exekutive überlässt: „Will der Gesetzgeber eine derartig intensive verhaltensunabhängige Eingriffsmöglichkeit mit einem weiten, grundsätzlich unbeschränkten Ortsbezug für den öffentlichen Raum schaffen, so muss dies an ein rechtsstaatliches Verfahren geknüpft werden, das die Ausweisung von Gefahrengebieten in nachvollziehbarer und transparenter Weise dokumentiert und klare prozedurale Handlungsvorgaben für die ausweisende Stelle setzt. Nur so lässt sich auch aus Sicht der betroffenen Personen eine für sie nachvollziehbare Inanspruchnahme bei der anlasslosen Identitätsfeststellung herstellen. Dies gilt zunächst für die konkreten Publizitätsanforderungen der als Gefahrengebiet ausgewiesenen Örtlichkeiten und die zeitliche Geltung der Beschränkungen, aber auch für die nähere Rechtsform, in der die Polizei in die Rechte Betroffener in einem derartigen Gebiet eingreifen darf. Ferner gilt dies für die Anordnungszuständigkeit der Maßnahmen sowie für das begleitende Monitoring, die Dokumentation der Lageerkenntnisse und die Anforderungen an die spätere Aufhebung eines ausgewiesenen Gebietes. Verwaltungsvorschriften, die den Ablauf und die verfahrensmäßigen Vorgaben für die Ausweisung eines Gefahrengebietes allein dienstintern regeln, reichen jedenfalls für derartige grundrechtsrelevante Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen für eine unbegrenzte Anzahl Betroffener nicht aus.“(15) § 180 Abs. 3 LVwG dagegen fordert allein eine schriftliche Anordnung auf Basis von „Tatsachen, insbesondere dokumentierte[n] polizeiliche[n] Lageerkenntnisse[n],“ und überlässt alles weitere der Praxis der Exekutive. Weiter erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass jedenfalls eine rudimentäre Verknüpfung durchzuführender Einzelmaßnahmen mit den Gefahren erfolgt, die bekämpft werden sollen: „So darf von Kontrollen in Gefahrengebieten nicht jede beliebige Person erfasst werden, die sich im öffentlichen Raum bewegt, sondern die Kontrolle soll sich vorab an einer lageabhängigen Zielgruppe orientieren […]. Ausdrücklich soll hier der polizeiliche Fokus auf gewaltbereite Personengruppen beschränkt werden […]. Danach muss eine Ausweisung von Gefahrengebieten bereits vorab eine relevante Gruppe von Zielpersonen benennen, die aufgrund der Ausweisung des Gefahrengebietes in den Fokus polizeilicher Maßnahmen zu nehmen sind.“(16) Auch eine solche Eingrenzung setzt § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG nicht voraus. Hinzu kommt ein Transparenzgebot: Gerade weil Kontrollen im Gefahrengebiet jede Person ohne Rücksichtnahme auf ihr konkretes Verhalten treffen kann, müssen die von Gefahrengebieten betroffenen Personen wenigstens vorab über die Einrichtung solcher Gebiete informiert werden, damit sie ihr Verhalten wenigstens insoweit daran ausrichten können – sei es, indem sie das Gefahrengebiet nicht betreten, sei es auch nur dadurch, dass sie bestimmte Gegenstände, deren Entdeckung im Rahmen einer Inaugenscheinnahme ihnen z.B. peinlich wäre, nicht mit sich führen.(17) (Eine solche Informationspflicht würde im übrigen auch verdeutlichen, dass es tatsächlich um die Verhinderung zu befürchtender Straftaten und nicht um die Aufklärung begangener Straftaten geht – denn nur für letztere ist eine Geheimhaltung erforderlich). All dies gilt erst recht bei „örtlich und zeitlich wesentlich erweiterten Ausweisungen.“(18) Ein solches Transparenzgebot folgt im Übrigen auch aus der grundgesetzlichen Rechtsschutzgarantie – diese fordert, dass z.B. eine Person, die in einem Gefahrengebiet wohnt, sich bereits gegen dessen Einrichtung wehren kann und nicht erst gegen konkrete, auf die Existenz des Gefahrengebietes gestützte Maßnahmen. Dies ist aber nachvollziehbarerweise nur möglich, wenn die Person von der Existenz des Gefahrengebietes Kenntnis hat.(19) Im Gegensatz zu diesen Anforderungen fordert § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG keinerlei Veröffentlichung der Ausweisungsentscheidung. Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten mag, wenn der Anlass für die Einrichtung eines Gefahrengebietes allgemeinbekannt ist, mag im Einzelnen strittig sein.(20) Aus der bisherigen Praxis zur Einrichtung von Gefahrengebieten ergibt sich aber, dass selbst diese Voraussetzung in den allerwenigsten Fällen erfüllt wäre.(21) § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG entspricht damit nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an nicht verhaltensgebundene polizeirechtliche Grundrechtseingriffe. Daran ändert auch das Erfordernis einer gerichtlichen Anordnung der Verlängerung über 84 Tage hinaus nichts – dies schon deshalb, weil den Gerichten ebenso wie der Polizei keinerlei konkrete Maßstäbe für ihre Verlängerungsentscheidung an die Hand gegeben werden.
    2. Hinsichtlich des § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG zu Anhalte- und Sichtkontrollen im Grenzgebiet – das im Übrigen große Teile des Landgebiets von Schleswig-Holstein erfasst – ist zudem sehr fraglich, ob diese Norm mit europarechtlichen Vorgaben zur Abschaffung von Grenzkontrollen in Einklang steht. Art. 67 Abs. 2 des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährt Freizügigkeit im gesamten Gemeinschaftsgebiet: die Europäische Union „stellt sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden.“ Das Nähere regelt die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), die insoweit 2006 das Schengener Durchführungsübereinkommen ersetzt hat. Ihr Art. 20 bestimmt als Grundsatz: „Die Binnengrenzen dürfen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden.“ Art. 21 bestimmt – abschließend –, welche Kontrollen im Grenzgebiet zulässig bleiben. Als Ausnahmevorschrift ist er eng auszulegen.22 Einschlägig ist hier allein lit. a, wonach zulässig bleibt „die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen       i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
    ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
    iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
          iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden.“ Zur Auslegung dieser Norm hat der EuGH im Sommer 2010 im Zusammenhang mit Art. 78-2 der französischen Strafprozessordnung (Code de Procédure Pénale, CPP) Stellung genommen. Art. 78-2 CPP lässt in einem Korridor 20 km diesseits der Grenze sowie in einem separat definierten ähnlichen Korridor an Bahnhöfen, in Zügen, auf Autobahnen usw. Identitätsfeststellungen zu, „um die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf den Besitz, das Mitführen und das Vorzeigen von Urkunden und Bescheinigungen zu überprüfen.“(23) Der EuGH stellte zwar fest, dass Identitätsfeststellungen nach dieser Norm nicht dasselbe Ziel hätten wie Grenzübertrittskontrollen(24) und dass auch die bloße Tatsache, dass die Kontrollen in Grenznähe stattfänden, nicht automatisch zur Feststellung einer gleichen Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen führe  (wobei allerdings die gesonderte Regelung für die Reichweite in Zügen usw. ein Indiz für eine solche gleiche Wirkung darstellte).(25) Nichtsdestotrotz erklärte der Gerichtshof die Norm für europarechtswidrig: denn eine Norm, die die Befugnis zur Kontrolle im Grenzgebiet und unabhängig vom Verhalten von Personen aufstelle, müsse „den erforderlichen Rahmen für die diesen Behörden eingeräumte Befugnis vorgeben, um insbesondere das Ermessen zu lenken, über das sie bei der tatsächlichen Handhabung der Befugnis verfügen. Dieser Rahmen muss gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, wie insbesondere aus den in Art. 21 Buchst. a Satz 2 der Verordnung Nr. 562/2006 genannten Umständen hervorgeht.“ Da Art. 78-2 CCP diese Voraussetzungen nicht erfüllte, war er mit Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 21 der Verordnung 562/2006 nicht vereinbar.(26) Ob nun § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG den durch den Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen genügt, ist sehr zweifelhaft: Einziges Tatbestandsmerkmal neben der geographischen Vorgabe ist der Zweck der „vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität von erheblicher Bedeutung“; weitere Vorgaben, gerade auch für die Ermessensausübung, macht die Norm nicht. Als „erforderlicher Rahmen“ i.S. des EuGH-Urteils dürfte dies nicht ausreichen. Die Norm dürfte daher europarechtswidrig sein.(27)
    II. § 180 Abs. 3 LVwG: Rechtspolitische Kritik In rechtspolitischer Hinsicht ist zunächst einmal jede Reform kritisch zu sehen, die sich von dem gefahrenabwehrrechtlichen Grundsatz entfernt, wonach grundrechtseinschränkende Maßnahmen zum einen eine möglichst konkrete Gefahr für ein Rechtsgut voraussetzen und zum anderen an das Verhalten der betreffenden Person anknüpfen müssen, entfernt. Nicht jede gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme, die gerade noch verfassungskonform ist, ist deswegen auch eine zu unterstützende Maßnahme. An der allgemeinen Stoßrichtung der Reform in der 16. Legislaturperiode, die sich in vielerlei Hinsicht von solchen klassischen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen entfernt hat, ohne dass irgend ein Grund hierfür erkennbar gewesen wäre, ist bereits damals erhebliche Kritik geübt worden, an die hier noch einmal erinnert werden soll.(28) Insofern ist es zu begrüßen, wenn zumindest ein Teil der damals beschlossenen Gesetzesverschärfungen zurückgenommen wird. Hinzu kommt, dass natürlich eine Norm, die selbst keinerlei einschränkende Tatbestandsvoraussetzungen enthält, in der Praxis nicht unterschiedslos und im Sinne einer echten Stichprobe auf alle Menschen angewandt werden wird.(29) Vielmehr müssen die BeamtInnen vor Ort eine Vorauswahl treffen, welche Menschen sie einer konkreten Kontrolle unterziehen – ohne dass ihnen das Gesetz oder die Einrichtungsanordnung insoweit eine Hilfestellung geben. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass die Norm in diskriminierender Art und Weise angewandt werden – und zwar ohne dass den einzelnen BeamtInnen insoweit eine rassistische Einstellung vorzuwerfen wäre. Aus diesem Grund empfiehlt ja auch die European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) des Europarates den Staaten, „[d]as Erfordernis vernünftig begründeten Verdachts einzuführen, dem zufolge die mit Kontrolle, Überwachung und Ermittlungen zusammenhängenden Befugnisse der Polizei nur auf Grund von Verdachtsmomente wahrgenommen werden dürfen, die auf objektiven Kriterien beruhen.“(30) Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte ist bei einer Betrachtung von § 22 Abs. 1a BPolG, der ebenfalls verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet betrifft, zu dem Schluss gekommen, dass die voraussetzungslose Ausgestaltung der Norm in der Praxis zu diskriminierenden Kontrollen anhand von Kriterien wie der Hautfarbe führt.(31) Auch das DIMR empfiehlt dem Gesetzgeber, „sämtliche Gesetzesbestimmungen, die entsprechende oder ähnliche Ermächtigungen enthalten, nach denen die Polizei ohne konkreten Anlass Personenkontrollen zum Zweck der Migrationskontrolle vornehmen kann, einer grund- und menschenrechtlichen Überprüfung [zu] unterziehen.“(32) Dies gilt auch für andere Normen mit gleicher Normstruktur – wie eben auch § 180 Abs. 3 LVwG –, auch wenn diese nicht explizit der Migrationskontrolle dienen.
    III. § 181 LVwG Auch an die Eingriffsbefugnis des § 181 Abs. 1 S. 2, Nr. 1 lit. a LVwG sind die oben (I.) dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen anzustellen, betrifft doch auch diese Norm sowohl von ihrem Wortlaut als auch in der Praxis (auch) Personen, die durch ihr Verhalten keinerlei Anlass für die Maßnahme gegeben haben.(33) Dies gilt umso mehr, als zwar die Norm selbst nur die Befugnis zur Identitätsfeststellung einräumt, die Ermächtigung zur Identitätsfeststellung aber ohne weitere Voraussetzungen auch die zur Durchsuchung der Person und der mitgeführten Sachen nach sich zieht (§ 202 Abs. 1 Nr. 3 und § 206 Nr. 1 LVwG). Vor diesem Hintergrund ist die im Gesetzesentwurf vorgesehene Formulierung, die eine Anwendung auf Orte möglicher Bagatellstraftaten (etwa: des Besitzes kleiner Mengen von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum) ausschließt, als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausdrücklich zu begrüßen.
    IV. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf Der RAV teilt aus den vorgenannten Gründen die Auffassung des Entwurfs, dass die Befugnis zu Anhalte- und Sichtkontrollen gem. § 180 Abs. 3 LVwG insgesamt abgeschafft werden sollte und die Befugnis zur Identitätsfeststellung nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 lit. a LVwG auf einen entsprechenden Verdacht von Straftaten erheblicher Bedeutung beschränkt werden sollte. Als Alternative zu einer Streichung des § 180 Abs. 3 LVwG dürfte es auch möglich sein, die Norm durch Beschränkung ihres Anwendungsbereichs und durch Einführung präziser Vorgaben zu Anordnungsvoraussetzungen, Form, Begründung und Veröffentlichung der Anordnungsentscheidung usw. dergestalt zu reformieren, dass sie insgesamt als noch verfassungs- und europarechtskonform anzusehen wäre. Angesichts der Tatsache, dass die Norm aber nicht nur aus verfassungs- und europarechtlichen, sondern auch aus rechtspolitischen Gründen grundlegend zu kritisieren ist (s.o. II.), spricht sich der RAV eindeutig für ihre ersatzlose Streichung aus. Berlin/Kiel, 23. Januar 2015 (1) Vgl. die Stellungnahmen des Schleswig-Holsteinischen Anwalt- und Notarverbandes, Umdruck 16/484, S. 5, des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz, Umdruck 16/745, S. 6 f., von RA Dr. Burkhard Hirsch, Umdruck 16/819, S. 3-4, des Deutschen Anwaltvereins, Umdruck 16/826, S. 2, der Schleswig-Holsteinischen Strafverteidigervereinigung, Umdruck 16/831, S. 2 f., des Verbandes der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter Schleswig-Holstein e.V., Umdruck 16/833, S. 3, der Neuen Richtervereinigung, Umdruck 16/862, S. 2 sowie des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Umdruck 16/973, S. 2 sowie das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, Umdruck 16/1530, S. 10 ff.
    (2) Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012, 5 K 1236/11, Rn. 164 ff.
    (3) Solche Folgemaßnahmen sind bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung, insb. anhand des Verhältnismäßigkeitsgebots, mit in den Blick zu nehmen, vgl. Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.10.1999, LVerfG 2/98, S. 20 f.
    (4) So wurde etwa das gesamte Stadtgebiet von Neumünster über einen Zeitraum von knapp 5 Jahren als Gefahrengebiet behandelt, vgl. Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Breyer, Drs. 18/1895, Anl. 1.
    (5) S.o. Fn. 1.
    (6)Vgl. die Stellungnahmen des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Umdruck 18/3834, S. 2, von RA Dr. Burkhard Hirsch, Umdruck 18/3842, S. 3-5, sowie – etwas abgeschwächt – von der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung, Fachbereich Polizei, Umdruck 18/3893, S. 4-6.
    (7) BVerfG, Urteil vom 04.04.2006, 1 BvR 518/02, Rn. 105.
    (8) Ebda., Rn. 134 ff.
    (9) Vgl. ebda, Rn. 111.
    (10) LVerfG Mecklenburg-Vorpommern (Fn. 3), S. 22.
    (11) BVerfG (Fn. 7), Rn. 142.
    (12) LVerfG Mecklenburg-Vorpommern (Fn. 3), S. 23.
    (13) Antwort der Landesregierung (Fn. 4), Anl. 1.
    (14) Ebda.
    (15) Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (DSB HH), Datenschutzrechtliche Bewertung des polizeilichen Gefahrengebiets im Bezirk Altona vom 4.-13.1.2014, 02.04.2014, S. 11.
    (16) Ebda, S. 13.
    (17) Ebda, S. 10.
    (18) Ebda, S. 11.
    (19) Ebda, S. 11.
    (20) Vgl. einerseits ebda, S. 10; andererseits VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012, 5 K 1236/11, Rn. 94.
    (21) Vgl. Antwort der Landesregierung (Fn. 4), Anl. 1.
    (22) EuGH, verb. Rs. C-188/10 und C-189/10, Melki u. Abdeli, Stellungnahme des Generalanwaltes J. Mazák vom 07.06.2010, Rn. 42.
    (23) EuGH, verb. Rs. C-188/10 und C-189/10, Melki u. Abdeli, Urteil vom 22.06.2010, Rn. 15.
    (24) Ebda, Rn. 71.
    (25) Ebda, Rn. 72.
    (26) Ebda, Rn. 74. Ähnlich auch die Stellungnahme des Generalanwaltes (Fn. 22), Rn. 51-55.
    (27) Dass sich ähnliche Kontrollbefugnisse wie aus § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG auch aus § 2 BPolG ergeben (vgl. die Stellungnahme von RA Dr. Burkhard Hirsch, Umdruck 18/3842), steht dem nicht entgegen – denn der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber kann natürlich nur für die Einhaltung europarechtlicher Vorgaben durch seine eigene Gesetze verantwortlich gemacht werden, für diese aber unabhängig davon, ob möglicherweise auch der Bundesgesetzgeber europarechtliche Vorgaben nicht beachtet hat.
    (28) Vgl.  nur die Stellungnahmen des Schleswig-Holsteinischen Anwalt- und Notarverbandes, Umdruck 16/484, S. 3-4, der der Neuen Richtervereinigung, Umdruck 16/862, sowie der Schleswig-Holsteinischen Strafverteidigervereinigung, Umdruck 16/831, S. 2 f.
    (29) So ja auch ausdrücklich die Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei, Umdruck 18/3895, S. 2.
    (30) ECRI, Allgemeine politische Empfehlung Nr. 11 – Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit, Rn. 3.
    (31) Deutsches Institut für Menschenrechte, „Racial Profiling“ – Menschenrechtswidrige Personenkontrollen nach § 22 Abs. 1 a Bundespolizeigesetz – Empfehlungen an den Gesetzgeber, Gerichte und Polizei, 2013.
    (32) Ebda, S. 33.
    (33) Vgl. Antwort der Landesregierung (Fn. 4), Anl. 2, wonach u.a. BesucherInnen einer Kampfsportveranstaltung oder Personen, die schlicht in der Nähe des Ortes einer Brandstiftung aufhältig waren, kontrolliert wurden.

      *****
    Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung von Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenz- und „Gefahrengebieten“ (PDF)  ]]>
    news-382 Wed, 14 Jan 2015 17:41:00 +0100 Filmvorführung_Hidden Agenda /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-hidden-agenda-382 Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ Mittwoch 21.1.15 um 19:30 im Mosaik-Raum

    HIDDEN AGENDA von Ken Loach, UK, 1990, 108 min.

    Ein amerikanischer Anwalt wird im nordirischen Bürgerkrieg ermordet. Alles deutet auf unsaubere Machenschaften in der britischen Regierung hin.

    Der Mosaik-Raum befindet sich in der Oranienstraße 34 (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem ›Familiengarten‹) in Berlin-Kreuzberg (U1/U8 Kottbusser Tor). Der Eintritt ist frei.

    Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs.

    Wir bitten auch zu beachten, dass zwei Tage später, am 23.1.15 die 2. Veranstaltung aus der Reihe "Insight NSU" stattfindet:
    ›Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen‹ mit Daniel Holder http://bit.ly/1IwVVIN (verkürzter Link)
    Auch dazu laden wir herzlich ein. Filmreihe (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-381 Wed, 14 Jan 2015 17:33:00 +0100 Tag der verfolgten Anwältin / des verfolgten Anwalts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-verfolgten-anwaeltin-des-verfolgten-anwalts-381 Aufruf zur Kundgebung am 23.1.15 Der RAV ruft auf zur Teilnahme an der Kundgebung anlässlich des Tages des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin

    am Freitag, den 23.01.2014 um 14 Uhr
    vor der Botschaft der Republik der Philippinen, Uhlandstraße 97 in Berlin
    und
    vor dem Honorarkonsulat in der Gildehofstraße 2 in 45127 Essen

    Im Rahmen der Kundgebung wollen wir eine gemeinsame Petition (siehe Anhang) von europäischen Anwaltsorganisationen verlesen und an die Botschafterin der Philippinen übergeben. Der RAV ist Mitglied der EDA.

    Alle Anwältinnen und Anwälte werden gebeten, in Robe zu erscheinen.

    Seit einigen Jahren rufen Anwaltsvereine in Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin zu begehen. An jedem 24. Januar eines Jahres wird in vielen europäischen Städten (*s. unten) zeitgleich mit Protestkundgebungen vor den jeweiligen Botschaften auf Kolleg_innen aufmerksam gemacht, die bei der Ausübung ihres Berufes besonders gefährdet sind oder dabei behindert werden. Nachdem in den Jahren zuvor auf die Situation von Rechtsanwält_innen im Iran, in der Türkei, im Baskenland und in Kolumbien aufmerksam gemacht worden ist, soll in diesem Jahr die Situation der philippinischen Kolleg_innen Mittelpunkt stehen.

    41 Anwält*innen wurden seit 2001 getötet. 9 von ihnen waren direkt mit Angelegenheiten von Menschenrechtsverletzungen betraut. Darüber hinaus wurden 57 Anwält*innen bedroht, belästigt, eingeschüchtert, überwacht, diffamiert oder auf andere Weise angegriffen. 18 Richter*innen wurden seit 2001 ermordet. Soweit die Täter bekannt sind, handelte es sich in 65 % der Fälle um Militärangehörige und in 20 % um Polizisten. In mehr als der Hälfte der Fälle sind die Täter der Angriffe bis heute nicht bekannt.

    Unter den Anwält*innen, die in der jüngsten Zeit getötet wurden befinden sich: Rudolfo Felicio, Noel D. Archival, John Mark Espera, Ian Vela Cruz, Jubian Achas, Sulpicio Landicho, Lazaro Gayo, Christobal Fernandez.

    (s.a. Basic Report on the human rights lawyers under continuing threat in the Philippines http://bit.ly/1yjaTha)

    Für die bedrohten Anwält*innen und ihre Familien, für die Opfer von Mordanschlägen und anderen Angriffen kann es nicht hingenommen werden, dass der Staat nicht seiner rechtsstaatlichen, menschenrechtlichen und ethischen Verpflichtung nachkommt und alle notwendigen Schritte unternimmt.

    Der RAV fordert u.a. gemeinsam mit EDA, ELDH, IDHAE, CCBE dem VDJ und der RAK-Berlin

    Wir fordern weiterhin eine internationale unabhängige Untersuchung der oben aufgezählten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen mit dem Ziel, die dafür Verantwortlichen gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen.

    ***

    Der Tag des verfolgten Anwalts ist ein Projekt, das 2010 von der Kommission ›Verteidigung der Verteidigung‹ der EDA (AED–EDL) gestartet wurde. Ziel ist, an dem Jahrestag internationale Aufmerksamkeit für die weltweiten Bedrohungen, Verfolgungen und Tötungen von Anwältinnen und Anwälten zu erreichen. Anwältinnen und Anwälte werden auf Grund ihrer Berufsausübung verfolgt. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam mit der ELDH geführt. Die Teilnahme weiterer Anwältinnen und Anwälte sowie Menschenrechtsorganisationen ist willkommen. 

    Wir freuen uns auf Ihr zahlreiches Kommen und über Ihre Unterstützung!

    Petition (PDF)
    Basic Text, Hintergrundinfos (PDF)

    * In folgenden Städten wird es am 23.1.15 zu Kundgebungen oder anderen Protestveranstaltungen kommen (Stand 22.1.15):

    Austria: Vienna
    Belgium: Brussels
    England: London
    France: Paris, Montpellier
    Germany: Berlin, Essen
    Greece: Athens
    Italy: Rome, Milano
    The Netherlands: Amsterdam, The Hague
    The Philippines: Manila
    Spain: Barcelona, Bilbao, Madrid
    Switzerland: Bern
    Turkey: Adana, Alanya, Ankara, Antalya, Bursa, İzmir, Istanbul

    ]]>
    Tag des bedrohten Anwalts Freie Advokatur (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-380 Wed, 03 Dec 2014 11:52:00 +0100 EU-Initiative ›Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte‹ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/eu-initiative-kennzeichnungspflicht-fuer-polizeikraefte-380 Unterstützungsaufruf Kolleginnen und Kollegen,
    Befreundete sowie Genossinnen und Genossen, gemeinsam mit allen Mitgliedsorganisationen der EDA (Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte) haben wir in den vergangenen Wochen Fakten zum Stand der Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte in Europa zusammengetragen. Auf dieser Grundlage haben wir unter der Adresse http://www.police-identification-europe.org/ diese Daten in sieben Sprachen zusammengetragen sowie eine entsprechende Petition an die Organe der Europäischen Union (EU) verfasst – und bitten Euch hiermit um zweierlei: (a) Bitte zeichnet die Petition online
    und
    (b) verbreitet sie entsprechend weiter. Auch wenn es nicht das Ziel der Petitionskampagne ist, auch nur annähernd einen repräsentativen Kreis im Unterschriftenkreis zu verfassen, meinen wir doch, dass es gut, wichtig und richtig ist, die Kampagne möglichst breit zu tragen (English version below). Wir sammeln die Unterschriften europaweit bis Ende Februar 2015 und werden dann entsprechend die auf der Website genannten Gremien der EU anschreiben und zum Handeln auffordern. Mit Dank und solidarischen Grüßen, im Namen der EDA, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, im November 2014 *** ENGLISH version Please, support the EU initiative ›Police Identification for all Police Forces within the EU‹ Dear Madam, dear Sir,
    Colleagues, friends and comrades, Together with all member organizations of EDA (European Democratic Lawyers) we collected facts about the obligations for police forces within the European Union (EU) to wear identification labels during duty. Based on those findings we created the website http://www.police-identification-europe.org/ in seven languages and wrote a respective petition to be rendered to the respective political EU entities – and we are asking you to support us on two matters: (a) Please, sign the petition online
    and
    (b) Disseminate the details of the initiative, respectively. Even though it is not the aim of the petition campaign to reach each and everybody, or to be representative, we nevertheless believe, it would be good, important and proper to support the campaign as broadly as possible. We started to collect online signatures last week all over Europe, and will do so until the end of February 2015. We will, then, contact the respective EU entities, pass our demands and call for immediate action. Thanking you in solidarity, on behalf of EDA, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, November 2014]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-379 Sat, 29 Nov 2014 08:51:00 +0100 Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-379 ›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe 23. Januar 2015, 19.30 Uhr
    Taz-Café
    Rudi-Dutschke-Str. 23
    10969 Berlin Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen Mit
    Daniel Holder, stellvertretender Direktor des «Commitee on the Administration of Justice» Belfast
    und
    Dr. Peer Stolle, Nebenklagevertreter der Familie des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubaşık Moderation: Prof. Juliane Karakayali Während des Nordirlandkonflikts haben Polizei und Geheimdienste immer wieder Informanten in paramilitärische Gruppen eingeschleust und deren Verwicklung in schwere Straftaten – auch Mord – gesteuert, erleichtert oder toleriert. Seit dem Karfreitagsabkommen ist die Zusammenarbeit von Sicherheitskräften und protestantischen Paramilitärs immer wieder Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Daniel Holder ist stellvertretender Direktor des «Commitee on the Administration of Justice» (CAJ) in Belfast, das sich dafür einsetzt, dass die Regierung ihrer Verantwortung für die Umsetzung internationaler Menschenrechte in Nordirland nachkommt. Daniel Holder wird zwei Tage den NSU-Prozess in München beobachten und anschließend in Berlin vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Nordirland das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden und Neonazis im Fall des NSU-Komplexes kommentieren. Einladungskarte >> (PDF) Die komplette Veranstaltung als Filmdokumentation findet sich HIER *** ›Insight NSU‹
    Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
    Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). Soundcloud :::: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
    www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/    ]]>
    Insight NSU
    news-378 Fri, 28 Nov 2014 07:02:00 +0100 Die Mietenbremse der Großen Koalition ist kein effektives Mittel zur Bekämpfung der Mietenexplosion /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-mietenbremse-der-grossen-koalition-ist-kein-effektives-mittel-zur-bekaempfung-der-mietenexplosion-378 Pressemitteilung vom 28.11.14
  • die deutschlandweite ausnahmslose Einführung einer Mietenbremse;
  • Die ausführliche Stellungnahme des Arbeitskreises finden Sie unter
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-im-mietrechtsnovellierungsgesetz-389/ Kontakt
    RAV-Geschäftsstelle Tel. 030.417 235-55 PM_Mietenbremse der Großen Koalition ist kein effektives Mittel zur Bekämpfung der Mietenexplosion (PDF)]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-377 Wed, 26 Nov 2014 12:10:00 +0100 Mietpreisbremse im Mietrechtsnovellierungsgesetz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-im-mietrechtsnovellierungsgesetz-377 Aktualisierte Stellungnahme, 26.11.2014 Mietpreisbremse im Mietrechtsnovellierungsgesetz A. Einleitung Der Grundgedanke, den Mietpreisanstieg durch eine Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung auf 10% über der Vergleichsmiete zu entschleunigen, ist zu begrüßen. Dies wäre ein Instrument (von mehreren), um dem gegenwärtigen Trend entgegen zu wirken, dass immer mehr Mieter einen immer größeren Anteil ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete ausgeben müssen, darunter viele Empfänger von Leitungen nach SGB II oder XII, die einen Teil ihres Regelsatzes für die Kosten der Unterkunft aufwenden müssen. Diese Entwicklung führt zu einer weiteren Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung.
    Die Rechtspraxis hat mit einer Mietpreisbegrenzung bei Wiedervermietung im Übrigen bereits Erfahrungen machen können. Von 1917 bis Mitte der 60 Jahre galten im Deutschen Reich und später in der Bundesrepublik Regelungen zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete, in Westberlin sogar bis 1987. Es handelt sich also durchaus um ein bewährtes Instrument, um einer Verarmung großer Teile der Mieterschaft entgegen zu wirken. In den neuen Ländern war die Miethöhe bei Neuvermietung bis 1997 beschränkt. Der vorliegende Entwurf wird diesem Anspruch jedoch nicht gerecht.
    Ein erstes Hemmnis ist die zeitlich begrenzte Geltung des Gesetzes bis zum 31.12.2020. Ist der Zeitraum ohnehin zu kurz bemessen, wird er durch den erforderlichen Erlass von Rechtsverordnungen durch die Bundesländer noch weiter verkürzt werden. Die vielen gesetzlichen Ausnahmen stellen die Wirksamkeit des Gesetzes in Frage. Auch die Anforderungen an die Mieter, ihre durch die Mietenbremse erworbenen Rechte durchzusetzen, sind erheblich. Letztlich nützt die Mietenbremse den Personen nichts, die Transferleistungen erhalten oder über ein geringes Einkommen verfügen, denn diese können sich eine Wohnung, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, nicht leisten, da ihnen eine  Miete in dieser Höhe  als Kosten der Unterkunft durch das Amt nicht erstattet wird.  Die geplanten Regelungen verkennen die Wichtigkeit des Mietspiegels für die Rechtspraxis. Bereits in der jüngeren Vergangenheit sieht sich dieser immer stärkeren Angriffen auf seine Gültigkeit ausgesetzt. Aus Sicht der Mietrechtspraxis ist diese Entwicklung extrem bedauerliche, da der Mietspiegel als praktisches Instrument zur Ermittlung der Vergleichsmiete unerlässlich ist und tendenziell gestärkt statt geschwächt werden sollte. Um den Schutz der Mieter gerade in Ballungszentren vor einer Mietpreisüberhöhung sicher zu gewähren, muss § 5 WiStG revitalisiert werden. Diese Vorschrift verbietet es dem Vermieter in Gebieten mit einer Mangellage eine Miete zu verlangen, die 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
    B. Eingangsstatement 1. Bedingungen für ein Inkrafttreten der Mietpreisbremse hemmen die schnelle Umsetzung – deutschlandweite Einführung erforderlich Die Mietenbremse gilt nicht automatisch. Vielmehr müssen die Länder die Gebiete festlegen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Diese Regionalisierung steht in einer Reihe von Mieterschutzvorschriften, mit denen man versucht, den unterschiedlichen Bedingungen auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt gerecht zu werden. Allerdings wurden die Voraussetzungen für das Erlass der Rechtsverordnung im Vergleich zum Referentenentwurf erheblich verschärft, die Anforderungen sind sehr viel strenger als bei den Ermächtigungsnormen im Rahmen der Kappungsgrenzenverordnung und der Verordnung nach § 577 a BGB. So wird von den Landesregierungen wird eine Begründung für die Festlegung der entsprechenden Gebiete verlangt. Außerdem kann eine Ausweisung nur erfolgen, wenn gleichzeitig für diese Gebiete Konzepte zur Bekämpfung der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt vorgelegt werden. Dies läuft praktisch darauf hinaus, dass die Einführung der Mietenbremse von einer staatlichen Wohnungsbauförderung in diesen Gebieten abhängt. Der finanzielle und organisatorische Aufwand für die entsprechenden Kommunen wird einer schnellen Umsetzung der Mietenbremse im Wege stehen. Da das Gesetz zeitlich auch noch auf sechs Jahre begrenzt wird, wird aus der Mietenbremse ein Mietenbremschen. Schon der Erlass der Kappungsgrenzenverordnung (Reduzierung der Mieterhöhung von 20 % auf 15 %) hat in den Flächenländern über ein Jahr gedauert und das obwohl es der Verordnungsgeber mit der Ausweisung noch recht einfach hatte. Der RAV ist der Meinung, dass die Mietenbremse deutschlandweit eingeführt werden muss. Die unterschiedlichen Bedingungen auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt werden trotzdem Beachtung finden. Faktisch wird sich die Mietenbremse nur in den Gebieten auswirken, in denen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum gefährdet ist. In den Gebieten, in denen der Wohnungsmarkt entspannt ist, wird sich eine Wiedervermietungsmiete über Grenze des Mietenspiegels ohnehin nicht erzielen lassen. Eine deutschlandweite Geltung würde im Übrigen erheblich mehr Rechtssicherheit schaffen. Sollte man aber eine Regionalisierung einführen, ist es aus Sicht der Rechtspraxis wenigstens erforderlich sich an den bekannten Ermächtigungsgrundlagen zu orientieren, um jedenfalls auf eine gefestigte Rechtsprechung zurückgreifen zu können. Die jetzigen verschärften Anforderungen an die Rechtsverordnung macht hingegen deutlich, dass der Gesetzgeber die Geltung der Mietenbremse in deutlich weniger Gebieten wünscht als bei der reduzierten Kappungsgrenze.  2. Die Mietenbremse nützt den ärmeren Mietern wenig – Kappung auf Vormietermiete statt Vergleichsmiete Die Grenze für die bei der Wiedervermietung vereinbarte Miete wird bei 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete gezogen. Dies ist aber gerade für ärmere Mieter zu viel. Menschen, die von Transferleistungen leben, erhalten vom Amt nur solche Wohnungen finanziert, deren Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt. Bei Wiedervermietung von Wohnungen, die aufgrund ihrer „alten Mietverträge“ noch sehr billig waren, weit unter der Vergleichsmiete lagen und damit gerade auch für ärmere Mieter bezahlbar waren, werden erheblich teurer. Um das zu verhindern, sollte man die Mieten bei Wiedervermietung auf 15 % über der Vormietermiete kappen. 3. Der qualifizierte Mietspiegel muss gestärkt werden Die Mietenbremse knüpft an die Vergleichsmiete an. Diese wird gerade in den Ballungszentren und in den großen Gemeinden, die am stärksten von der Wohnungsnot betroffen sind, in den qualifizierten Mietspiegeln abgebildet. Die über die Mietspiegel ermittelten Mieten dürfen bei Wiedervermietung nicht um mehr als 10 % überschritten werden. Die qualifizierten Mietspiegel erhalten - wissenschaftlich aufgestellt – gerade durch die Aushandlung zwischen Vermieter – Mieterverbänden und der zuständigen Kommune eine hohe Legitimität. Dennoch wurden in den letzten Jahren wiederholt Mietspiegel dadurch gekippt, dass die wissenschaftliche Aufstellung angezweifelt wurde; mit der Folge, dass die Vergleichsmiete dann durch einen Sachverständigen ermittelt wird, der nur ein kleinen Bruchteil der Daten zur Verfügung hat, die Grundlage des angegriffenen Mietspiegels waren. Ohne einen Mietspiegel lässt sich mit vertretbarem Aufwand die Vergleichsmiete nicht ermitteln, die Mietenbremse würde insofern ins Leere laufen. Von daher muss der qualifizierte Mietspiegel gestärkt werden. Die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze, nach denen der Mietspiegel aufgestellt werden soll, müssen durch formale einfach überprüfbare Richtlinien ersetzt werden, deren Einhaltung leicht überprüft werden kann. Zugleich sollte der Mietspiegel die Qualität einer öffentlichen Urkunde erhalten, der ihn als Beweismittel weniger angreifbar macht. 4. Die vielen Ausnahmen zur Mietenbremse entwerten den gewünschten Mieterschutz Die Mietenbremse soll für den gesamten nach dem 01.10.2014 errichteten Neubau nicht gelten und beschränkt damit die Geltung der Regelung erheblich. Mag man bei der Neuvermietung noch auf die fehlende Anknüpfungspunkte für die Überprüfung der Mietpreisüberhöhung verweisen, geht dies nicht für die Wiedervermietung. Denn hier gibt es bereits Daten, die die Ermittlung einer Vergleichsmiete ermöglichen. Außerdem kann der Vermieter, der vor der Wiedervermietung die Wohnung modernisiert hat, den potentiellen Modernisierungszuschlag zur Vergleichsmiete vor der Modernisierung hinzuziehen und die Wohnung dann 10% über der insoweit ermittelten  Miete  auf dem Wohnungsmarkt anbieten. Damit zeigt der Gesetzgeber den Vermietern galant auf, wie sie die Mietenbremse umgehen können. Wer die optimale Rendite erzielen möchte, wird die Wohnung vor Weitervermietung zunächst erst einmal modernisieren, um eine bessere Rendite zu erzielen und damit nicht nur legal die Mietenbremse umgehen, sondern auch dringend benötigten Wohnraum für die Zeit der Baumaßnahmen nicht auf dem Markt anbieten. Wenn der Vermieter sich dann sogar für eine umfassende Modernisierung entscheidet, kann er die Mietenbremse ganz umgehen. In diesem Falle gelten nämlich die Regelungen zur Begrenzung der Miethöhe überhaupt nicht. . Die tatsächlichen Aufwendungen für die Modernisierung wird der einziehende Mieter zudem kaum überprüfen könne, erst recht nicht die Frage ersparter Instandsetzungsaufwendungen. Während der Bestandsmieter sich auf eine soziale Härte gegenüber einer Mieterhöhung gem. § 559 BGB berufen kann, ist das dem neuen Mieter verwehrt. Daher wird diese Reglung die ortsüblichen Vergleichsmieten weiter steigen lassen. Außerdem wird der gierige Vermieter privilegiert. Hat er bereits von dem Vormieter eine überhöhte Miete verlangt, kann er diese – ohne Abschläge – selbst dann weiter verlangen, wenn diese die Grenze von 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigt. 5. Es wird für den Mieter nicht einfach, seine Rechte auf die Mietenbremse geltend zu machen Erstaunlicherweise hat sich der Gesetzgeber einige Gedanken darum gemacht, wie der vorschriftswidrig handelnde Vermieter vor Rückerstattungsansprüchen des Mieters geschützt werden kann: Der Mieter kann die wegen Verstoß des Vermieters gegen die Mietbremse zu viel gezahlten Mietanteile erst für Zeiträume zurückverlangen, ab denen der Mieter gegenüber dem Vermieter eine Rüge (mit Angaben der Gründe) ausgesprochen hat. Um Rückforderungsansprüche geltend zu machen, muss er ggf. zunächst Auskunftsansprüche gegen seinen Vermieter geltend machen, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Diese qualifizierte Rüge ist nicht nur sehr streitträchtig, da hier abzuwarten ist, welche Anforderungen die Gerichte an den Vortrag der Mieter stellen. Diese formalen Hürden führen zudem dazu, den juristisch nicht vorgebildeten Mieter von der Ausübung seiner Rechte abzuhalten. Der Gesetzgeber bricht damit mit der Rechtssystematik des grundsätzlich verbraucherfreundlich ausgestalteten Wohnraummietrechts. Hiernach bedarf der Mieter beispielsweise keiner besonderen Erklärungen, um sein Minderungsrecht auszuüben, für den Wohnraummietprozess benötigt der Mieter in der ersten Instanz nie einen Anwalt. 6. Reaktivierung des § 5 WiStG Über Jahrzehnte ermöglichte in Wohnlagen mit einer Unterversorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen die preisrechtliche Vorschrift aus dem Wirtschaftsstrafrecht eine effektive Kontrolle der Miethöhe und den Schutz der Mieter vor überhöhten Mietzinsforderungen. Hiernach muss der Vermieter mit einem Bußgeld rechnen, wenn er von dem Mieter eine Miete verlangt, die 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Der Mieter hat das Recht, die Miete zurück verlangen, die diese sog. Wesentlichkeitsgrenze überschritt. Leider wurde die inzwischen 60 Jahre alte Vorschrift in den letzten 15 Jahren durch den Bundesgerichtshof in seiner Gültigkeit erheblich beschränkt und die Anforderungen an den Mieter zur Darlegung der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt und seiner Ausnutzung durch den Vermieter derartig hochgeschraubt, dass diese Vorschrift in der Praxis kaum mehr eine Rolle spielt. Dies gilt es zu ändern und durch das Streichen des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“ in § 5 II WiStG, die Vorschrift wieder für eine Preiskontrolle zu aktivieren. Diese Idee hatte der Hamburger Senat vor zwei Jahren bereits in den Bundesrat eingebracht, ohne dass hierfür Mehrheiten gefunden werden konnten. Die Reaktivierung tut Not und zwar nicht nur für den Fall, dass die Mietenbremse so verabschiedet wird, wie sie derzeit von der Bundesregierung geplant ist. In diesem Falle würde sie insbesondere die Härten, die durch die Ausnahmeregelungen (z.B. Modernisierung) hervorgerufen werden, glätten. Aber auch bei einer lückenlosen bundesweiten Geltung der Mietenbremse ist § 5 WiStG unerlässlich. Sie schützt den Mieter bei bestehenden Mietverhältnissen vor unangemessenen Modernisierungsmieterhöhungen. Außerdem ermöglicht die Bußgeldvorschrift Ermittlungen der Miethöhe durch die zuständigen Behörden gerade auch in den Gegenden, in denen es keinen Mietspiegel gibt.
    C. Gutachten I. Grundsatz 1.    Einleitung Der Versuch, die Mietsteigerung über eine Mietenbremse zu begrenzen, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Gerade in Ballungszentren steigen die Mieten exorbitant an. Angemessener Wohnraum zu bezahlbaren Bedingungen ist besonders in den begehrten (Innenstadt)Lagen für Menschen mit mittlerem Einkommen kaum noch vorhanden. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wirkt sich nicht nur negativ auf die Attraktivität der betroffenen Städte als Wohn- und Wirtschaftsstandort aus; er macht sich infolge steigender Unterkunftskosten für die Transferleistungsempfänger auch unmittelbar in den städtischen Haushalten bemerkbar. Schon derzeit liegen die Mittel, die für Wohngeld und Kosten der Unterkunft aus öffentlichen Haushalten bereitgestellt und ausgegeben werden, bei 15,5 Milliarden Euro pro Jahr (Positionspapier des Deutschen Städtetages zur Bekämpfung von Wohnraummangel und steigenden Mieten in den Städten, 2014). Zudem kommt es durch die allgemeine Mietpreisentwicklung zu Verdrängungseffekten und damit zu einer räumlichen Konzentration von einkommensschwachen Haushalten in bestimmten Wohnlagen. Dies kann subjektiv zu einem Erleben von Ausgrenzung führen. Objektiv führt es nicht nur zu einer Verschärfung der sozialen Situation, sondern wirkt sich auch nachteilig auf andere Bereiche, insbesondere auf den Arbeitsmarkt, aber auch den Verkehr aus. Derzeit werden mehr als die Hälfte (54%) der 36 Millionen bewohnten Wohnungen in der Bundesrepublik gemietet. Dabei liegt die Mietquote in den Ballungszentren zum Teil wesentlich höher (z.B. in Berlin bei etwa 85 %, in Hamburg bei 77%). Im Jahr 2011 gaben die Haushalte durchschnittlich knapp ein Viertel ihres Nettoeinkommens für die Miete aus. In vielen Ballungszentren ist es jedoch deutlich mehr. Für eine Wohnung im unteren Preissegment zahlen nach einer Modellrechnung arme Familien in Frankfurt am Main durchschnittlich 52% ihres Haushaltseinkommens. Wohnen ist damit das teuerste Konsumgut. In der Tendenz gilt dabei: Je niedriger das Einkommen, desto höher die relative Einkommensbelastung. So ist zum Beispiel in Hessen die Wohnkostenbelastung von Geringverdienern (weniger als 1.000 Euro/Monat) rund doppelt so hoch wie beim hessischen Durchschnittsverdiener und mehr als dreimal so hoch wie bei den sogenannten Hochverdienern (4.000 bis 5.000 Euro/Monat). Die Unterschiede bestätigen sich in der Betrachtung von Familien: Alleinerziehende wendeten 2011 38,7% ihres Einkommens für das Wohnen auf, armutsgefährdete Alleinerziehende 52,3%. Bei Familien (2 Erwachsene und 2 Kinder) machte der Anteil für die Wohnkosten im Jahr 2011 24,4% des verfügbaren Einkommens aus, bei armen Familien lag der Anteil fast 20 Prozentpunkte höher bei 42,9%. Die Belastung mit Wohnkosten ist in manchen Regionen so groß, dass nach Abzug der Mietleistung das verbleibende Einkommen unter dem SGB II-Regelsatz (ohne Leistung für die Kosten der Unterkunft) liegt (Zahlen und Daten aus einer bundesweiten Analyse im Auftrag der Bertelsmann Stiftung „Wohnungsangebot für arme Familien in Großstädten). Bemerkenswert ist aber insofern, dass die steigende Belastung durch Wohnkosten längst „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist und längst nicht mehr nur armutsgefährdete Haushalte betrifft. Auch für Durchschnittsverdiener (Haushalte bis hin zu einem Einkommen von 3.600,00 €) hat sich der Anteil der Ausgaben für den Bereich Wohnen deutlich erhöht (Studie Pestel, Wohnungsbau in Deutschland).Insgesamt haben sich beim Wohnen auch die kalten und warmen Betriebskosten erheblich erhöht. Fast jeder fünfte Haushalt ist finanziell stark durch Wohnkosten belastet (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2013). Die Ursachen für die steigenden Mieten liegen an den Engpässen auf dem Wohnungsmarkt, bedingt durch den rückläufigen Wohnungsbau der letzten Jahre und die gleichzeitig steigende Zahl von Haushalten, sowie an der Binnenwanderung innerhalb der BRD, zunächst in die Wachstumsregionen, und von dort in das Umland, wo es noch bezahlbaren Wohnraum gibt. Untersuchungen zeigen, dass die Verteilung bezahlbarer Wohnungen auf ein Stadtgebiet – insbesondere in den Ballungszentren –regional sehr unterschiedlich ausfällt. In München etwa ist für ärmere Familien geeigneter bezahlbarer Wohnraum auf sehr wenige Wohnquartiere begrenzt. Dies führt zu objektiver Konzentration einkommensarmer Haushalte mit allen nachteiligen sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Festzuhalten bleibt, dass geeigneter und bezahlbarer Wohnraum für Gering- und Durchschnittsverdiener in bestimmten Wohnlagen kaum noch zu erlangen ist. Die geplante Mietenbremse schafft keinen neuen Wohnraum! Das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum muss – neben einer Mietpreisbremse – weiter engagiert von der Politik angegangen werden. Dessen ungeachtet wird die Mietpreisbremse – durch ihre Koppelung an den Mietenspiegel mit einem Zuschlag von 10% – denjenigen Menschen nichts nützen, die voll oder zum Teil Transferleistungen in Form von Arbeitslosengeld II (ALG II) bzw. Grundsicherung erhalten. Dennoch muss es – neben anderen Maßnahmen – eine Mietpreisbremse geben, um den weiteren Anstieg der Wiedervermietungsmieten einzudämmen. Entscheidend ist, dass die mit dem vorgelegten Referentenentwurf vorgeschlagene Mietpreisbremse, unzureichend ist und auf Grund zu vieler Ausnahmen einen weiteren Anstieg der Wiedervermietungsmieten nicht wird verhindern können. Hierauf wird noch an späterer Stelle eingegangen. Eine wirkungsvolle Mietenbegrenzung ist notwendig. Jeder Mensch ist auf Wohnraum angewiesen. Offensichtlich konnten und können jedoch die Marktmechanismen eine Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Wohnraum zu sozial vertretbaren Mieten nicht gewährleisten. Sie dürfen bei lebenswichtigen und nur begrenzt vorhandenen Gütern schlicht kein Maßstab sein! Hier allein auf Marktmechanismen zu setzen, greift zu kurz. Die Nachfrage nach einem lebenswichtigen Gut ist zwingend immer groß , so dass das derjenige, der über das zugleich nur limitiert vorhandene Angebot verfügt, gerade wegen dessen Begrenztheit und Unentbehrlichkeit beliebige Preise fordern kann, jedenfalls in den Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Schon jetzt subventioniert der Staat über Transferleistungen den Wohnungsmarkt. Gerade die Kommunen pumpen über die Kosten der Unterkunft hohe Summen an Steuergeldern in die Geldbeutel der Eigentümer und Vermieter. Schon jetzt werden rund 19 Mrd. Euro jährlich an Unterkunftskosten vom Staat entrichtet, der Hauptteil fällt hier auf die Kosten der Unterkunft, 2010 waren dies immerhin 13,8 Milliarden Euro, die im Rahmen von Arbeitslosengeld II vom Staat gezahlt worden sind (Studie Pestel, Wohnungsbau in Deutschland, 2012 ). Neben dieser hohen Subjektförderung fällt die Objektförderung, also insbesondere die Förderungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus kaum mehr ins Gewicht. Gerade der direkt oder indirekt vom Staat zur Verfügung gestellte Wohnraum nimmt immer mehr ab. Der rapide Rückgang des Sozialwohnungsbestandes trägt maßgeblich zur schwierigen Versorgungslage im preiswerten Marktsektor bei. Der Bestand an Sozialwohnungen reduzierte sich von rund 3 Millionen WE Anfang der 1990er Jahre auf aktuell nur noch rund 1,5 Millionen, was einem Anteil von etwa 6,4% am gesamten Mietwohnungsbestand entspricht. Die ehemaligen Sozialmieter konkurrieren nun ebenfalls um billigen Wohnraum. Den gibt es viel zu wenig. Hier muss der Staat daher stärker regulieren. 2.    Verfassungsrechtliche Vorgaben der Begrenzung von Wiedervermietungsmieten Vielfach wird kritisiert, dass eine Begrenzung der Miethöhe verfassungswidrig wäre. Die Rechte der Vermieter würden hierdurch über Gebühr hinaus unverhältnismäßig einschränkt. Da dies im Rahmen der Diskussion schon jetzt eine große Rolle spielt, lohnt es sich zunächst einen Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu werfen, die in diesem Zusammenhang relevant sind. Grundsätzlich bestehen nämlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Begrenzung von Wiedervermietungsmieten durch den Gesetzgeber. Durch eine solche Begrenzung wird zwar der Handlungsspielraum der Eigentümer und Vermieter beschnitten und in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG eingegriffen. Das geschieht jedoch im Hinblick auf den oben ausgeführten exorbitanten Anstieg der Mieten unter gebotener Rücksichtnahme auf die Mieterseite und entspricht damit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben zur Rechtfertigung von Einschränkungen des Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt nämlich, dass der Großteil der Bevölkerung zur Deckung seines Wohnbedarfs nicht auf Eigentum zurückgreifen kann, sondern gezwungen ist, Wohnraum zu mieten (BVerfGE 89, 1). Bereits 1974 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass im Rahmen einer Grundmietenerhöhung die Begrenzung des Mietzinses auf die „ortsübliche Vergleichsmiete“ keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das Gericht erkennt, dass der Gesetzgeber bei der Erfüllung des ihm in Art. 14 Abs.1 Satz 2 GG erteilten Auftrages, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, vor der Aufgabe steht, das Sozialmodell zu verwirklichen. Dessen normative Elemente ergeben sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und andererseits aus der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 Abs. 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 23. April 1974 – 1 BvR 6/74). Insofern ist verfassungsrechtlich schon vorausgesetzt, dass sich zwar das Privateigentum im Sinne der Verfassung in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand auszeichnet, sein Gebrauch aber ebenso dem Wohle der Allgemeinheit dienen muss, also „sozialgebunden“ ist. Erforderlich ist hierbei, dass das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht (BVerfGE 37, 132). Folglich erfährt dann die Gemeinwohlbindung des Eigentums zwar Abstufungen, das Grundeigentum ist aber prinzipiell in einem weit stärken Maß sozialgebunden, als dies bei anderen Vermögensgütern der Fall ist (BVerfGE 21, 73). Infolgedessen ist das Eigentum an Mietwohnungen noch mit einer besonderen Rücksichtspflicht verbunden, weil andere „Rechtsgenossen“ auf die Nutzung dieses Eigentumsobjektes in besonderem Maße angewiesen sind (BVerwG, NJW 1983, 2893-2895). Dies bekommt somit noch größere Bedeutung in mit ausreichendem Wohnraum unterversorgten Gebieten (BVerwGE 71, 291) und verliert letztlich seine Geltung nur dann, wenn es einen Kreis von Personen, der nach seinen Einkunftsverhältnissen in besonderem Maß auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen ist, in einem den Eingriff gestattenden Umfang nicht mehr gäbe. Etwa wenn dieser Kreis so klein geworden oder nicht mehr schutzwürdig ist, dass er die seinem Schutz korrespondierende Bindung des Grundeigentums nicht mehr rechtfertigte (BVerwG, NJW-RR 1986, 1139). Zu beachten ist weiterhin, dass das Bundesverfassungsgericht das Recht des Mieters an seiner Wohnung als Eigentumsgrundrecht i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 1GG anerkannt hat. Er begründet dies insbesondere damit, dass die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz sei und der Einzelne auf den ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfGE 89, 1). Es muss daher bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete nach den Kriterien des Gerichts den beiden Eigentumsgrundrechten der Mietvertragsparteien, auch der Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung Rechnung getragen und damit die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden (vgl. dazu auch Derleder, WuM 2013, 383). Nach den aufgezeigten Grundsätzen ist mithin auch eine Koppelung der Mietenbremse an die ortsübliche Vergleichsmiete möglich. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist ausreichend in § 558 BGB definiert, ist seit inzwischen 40 Jahren gesetzlich geregelt und war selbst wiederholt Gegenstand verfassungsrechtlicher Überprüfung, ohne dass es von dieser Seite zu durchgreifenden Beanstandungen gekommen wäre. Die Regelung sichert dem Vermieter ohnehin einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellen wird. Dass sie zugleich die Ausnutzung von Mangellagen auf dem Wohnungsmarkt verhindert und Preisspitzen abschneidet, kann schon deshalb nicht beanstandet werden, weil eine solche Nutzung des Eigentums im Hinblick auf die ausgeführte soziale Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (BVerfGE 37, 132). Wenn aber die Begrenzung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete die Rechte des Vermieters nicht verletzt, bestehen erst recht keine Bedenken gegen die Begrenzung einer Wiedervermietungsmiete auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete. In diesem Zusammenhang muss aber auch bedacht werden, dass bei der derzeitigen Regelung in § 558 Abs. 2 BGB – der Regelung über die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete – ein Teil der Bestandsmieten überhaupt keinen Eingang in die Ermittlung der Vergleichsmieten finden, solange nur die Mieten erfasst werden, die in den letzten vier Jahren vereinbart oder verändert wurden. Gerade die längeren Mietverhältnisse mit niedrigen Mieten fallen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vornherein heraus. Dieses Problem ist der Koalition offenbar bekannt. Im Koalitionsvertrag findet sich hier die Absichtserklärung diese zeitliche Begrenzung zu verändern, wohl aufzuheben. Dies muss zugleich mit Einführung der Mietenbremse geschehen. 3. Qualifizierter Mietspiegel In diesem Zusammenhang muss auch mit Besorgnis zur Kenntnis genommen werden, dass gerade die in den Ballungszentren in der Regel vorhandenen qualifizierten Mietspiegel in das Zentrum der Auseinandersetzung rücken werden. Bei den zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Überschreitung der Mietenbremse geht es um die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. In den Ballungszentren, vor allem aber in den Großstädten gibt es – mit Ausnahme von Bremen – qualifizierte Mietspiegel. Durch die Vermutung des ordnungsgemäßen Abbildes der Vergleichsmiete in diesen Mietspiegeln wird erreicht, dass die ortsübliche Vergleichsmiete in der Regel ohne kostenaufwändige Sachverständigengutachten bestimmt werden kann. Über 98% der Normierungsverfahren werden ohne Streit zu Ende gebracht. Auch dies ist ein Verdienst der Regelung zum qualifizierten Mietspiegel. Qualifiziert sind in der Regel die Mietspiegel, die nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter oder Mieter anerkannt worden sind. Die Vermieterseite wird zukünftig verstärkt diese Mietspiegel angreifen und versuchen, die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB zu erschüttern. Gerade Vermietern mit einem großen Wohnungsbestand und damit vielen Vergleichsdaten haben so gute Chancen, Zweifel daran zu säen, dass die jeweiligen Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt wurden. Mietern stehen dagegen solche Erkenntnisquellen regelmäßig nicht zur Verfügung. Der BGH hat nun in zwei Fällen für Berlin entschieden, dass der vom Vermieter vorgetragene Einwand, der konkrete qualifizierte Mietspiegel bilde die Vergleichsmiete nicht ab, nicht nur auf der Ebene der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung im Sinne des § 292 ZPO sondern auch gegen den qualifizierten Mietspiegel selber vorgebracht werden kann (BGH GE 2013, 1645 ff; BGH NJW 2013, 775). Ergibt sich im Rahmen einer Beweisaufnahme dann, dass der Mietspiegel nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, handelt es sich lediglich um einen einfachen Mietspiegel im Sinne des § 558 c BGB, der als Begründungsmittel herangezogen werden kann. Er hat lediglich Indizwirkung hinsichtlich der ortsüblichen Vergleichsmiete, mehr aber auch nicht. Erachtet das mit dem Rückforderungsanspruch konfrontierte Gericht den Angriff auf den qualifizierten Mietspiegel als ausreichend, wird über die ordnungsgemäße Erstellung des Mietspiegels ein kostspieliges Gutachten erstellt, das der Mieter nach allgemeinen Beweislastregeln zunächst vorfinanzieren muss (instruktiv Börstinghaus, Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, Vortrag Mietgerichtstag 2014). Hier kann man von einem i.d.R. fünfstelligen Betrag ausgehen, der – wegen der Begrenzung der Versicherungssumme – selbst den rechtsschutzversicherten Mieter vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen dürfte (Der Höchstbetrag der DMB-Rechtsschutzversicherung beträgt 15.000,00 €). Wenn das Gutachten dann zum Ergebnis kommt, der Mietspiegel sei aufgrund eines Fehlers nicht qualifiziert, bedarf es eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete. Dass dieses Sachverständigengutachten die ortsübliche Vergleichsmiete wesentlich schlechter wiedergibt als der qualifizierte Mietspiegel, liegt auf der Hand. Werden doch gerade in den Großstädten die Mietspiegel in mühevoller Kleinarbeit erstellt und in aufwändigen tagenden Gremien der Interessenverbände gemeinsam mit der Gemeinde abgestimmt. Dem gegenüber reicht für ein Sachverständigengutachten über die Miethöhe oft eine Auseinandersetzung mit 4 Vergleichswohnungen. Das Verfahren ist teuer und natürlich hinsichtlich seines Ausgangs unsicher. Ist unklar, ob der qualifizierte Mietspiegel überhaupt Bestand hat, wird allein dies zur Hürde, die den Mieter vor der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen abhalten kann. Dies würde den Sinn der Regelung entwerten. Hier gilt es, die qualifizierten Mietspiegel zu stärken und eine Überprüfung im Zivilverfahren zumindest dann einzuschränken, wenn ein Mietspiegel sowohl von der Gemeinde als auch von beiden Interessenverbänden (also Vermieter und Mieter) anerkannt wurde. Nach derzeitiger Rechtslage reicht die Anerkennung der Gemeinde oder der Interessenvertretung. Die Anerkennung von Staat und Interessenvertretung verleiht dem Mietspiegel eine besondere Legitimität. Es wäre in diesem Zusammenhang zu erwägen, ob durch eine einfachgesetzliche Regelung in § 558d BGB nicht die Regelungen über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden im Sinne von § 418 ZPO auf diese Mietspiegel entsprechend Anwendung finden sollten, zumindest dann, wenn der aufgestellte Mietspiegel durch einen unabhängigen Gutachter ein entsprechendes Qualitätssiegel erhält. In diesem Zusammenhang sollte erwogen werden, das auslegungsbedürftige Kriterium „anerkannte wissenschaftliche Grundsätze“ eingeschränkt zu definieren und einheitliche Richtlinien für die Erstellung der qualifizierten Mietspiegel zu schaffen. Die Aufstellung des Mietspiegels selbst ist schlichtes Verwaltungshandeln. Der Mietspiegel begründet keine Rechtsbeziehungen zu der sie ggf. mit aufstellenden Gemeinde, die ihn auf dem Verwaltungsgerichtsweg anfechtbar machen würde (OVG Münster WuM 2006, 623 für den qualifizierten Mietspiegel unter Berufung auf das BVerwG NJW 1996, 2046 für den einfachen Mietspiegel). 4. Was bewirkt die Mietenbremse? Es ist jedoch fraglich, ob die Koppelung der Wiedervermietungsbegrenzung an die ortsübliche Vergleichsmiete bezahlbaren Wohnraum erhält. Der Gesetzgeber will in § 556 e Abs. 1 EntMietNovG einen Bestandsschutz für überhöhte mit dem Vormieter vereinbarte Mieten regeln, so dass der bisher schon überteuerte Wohnraum auch weiterhin nicht zu angemessenen Preisen zu haben sein wird. Der vormals preiswerte Wohnraum, der unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete lag, kann bei der Wiedervermietung ohne Kappung auf ein Mietniveau von 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. Es greift daher die Mietenbremse nur bei der Wiedervermietung von Wohnraum, dessen Mietzins schon vorher nahe der Vergleichsmiete lag. Solche Mieterhöhungen führen letztlich zu einer weiteren Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zumal bislang die Mietverhältnisse, in denen es in den letzten vier Jahren vor der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete keine Mieterhöhung gab, bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete außer Betracht bleiben. Mietenbremse und angemessener Wohnraum in Sinne von § 22 SGB II Schwerer wiegt in diesem Zusammenhang, dass die Mietenbremse durch die Koppelung an die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich 10% keinem Mieter nützt, der von ALG II oder Grundsicherung ganz oder zum Teil lebt. Denn die angemessenen Wohnkosten, die von dem Jobcenter oder den Sozialämtern übernommen werden, liegen in der Regel höchstens bei der ortsüblichen Vergleichsmiete, in der Regel aber darunter. Da immer weniger Sozialwohnungen gebaut, aber dafür immer mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung entlassen werden, wird man für die auf diese Transferleistungen angewiesenen Personengruppen, die am stärksten von der Wohnungsnot betroffen sind, durch die vorliegende Regelung keinen bezahlbaren Wohnraum erhalten können. In Berlin orientieren sich die zu übernehmenden Wohnkosten an den einfachen Wohnlagen des Mietspiegel, differenzieren allerdings nicht nach Ausstattung der Wohnungen, sondern differenzieren hier nach Anzahl der in den Wohnungen lebenden Personen und können allein deshalb den Mietern, die auf Transferleistungen angewiesen sind, nicht helfen. Denn auch wenn er oder sie in einfacher Wohnlage eine Wohnung gefunden hat, werden die 10% Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht vom Leistungsträger übernommen. Sollte man die Mietenbremse an die ortsübliche Vergleichsmiete koppeln wollen, müsste zumindest insofern § 22 SGB II geändert werden, damit auch die Menschen von der Regelung profitieren, die auf öffentliche Leistungen zu ihren Wohnkosten angewiesen sind. 5. Koppelung der Wiedervermietungsmiete an die Miete des Vormieters Vor diesem Hintergrund kann eine effektive Mietenbremse nur über eine Koppelung an die zuletzt gezahlte Miete gelingen. Nur so lässt sich erreichen, dass bezahlbarer Wohnraum auch nach einem Wohnungswechsel erhalten bleibt. Zusätzlich sollte die Wiedervermietungsmiete an die Vergleichsmiete gekoppelt werden, um zu erreichen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nur moderat steigt. Sinnvoll ist hier tatsächlich die Begrenzung auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete, wie dies der Gesetzesvorschlag vorsieht. Die Kappungsgrenze für die Wiedervermietung sollte bei 15% über der letzten Miete liegen, orientiert an der jetzigen Regelung im Rahmen des § 558 Abs. 3 BGB. Eine derartige Kappung gab es bereits in der Zeit zwischen 1988 und 1994 in West-Berlin im Gesetz zur Verbesserung der Wohnlage. Damals betrug die Kappungsgrenze 10% bei Wiedervermietungen und galt für den Übergang vom schwarzen zum weißen Kreis. Im Zusammenspiel mit § 5 WiStrG hat es eine Mietenexplosion trotz bestehender Wohnungsnot verhindert und offenbar dazu beigetragen, dass sich der Wohnungsmarkt zumindest in Berlin in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre soweit entspannt hatte, dass das OVG Berlin Anfang der 2000-er Jahre eine Mangellage auf dem Wohnungsmarkt verneint hat (OVG Berlin GE 2002, 1128). Diese Regelung war damals nicht Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Dieser hätte sie allerdings unter Berücksichtigung der oben dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätze ohne Zweifel standgehalten. Die vormalige Regelung der Preisbindung (u.a. AMVOB) in Berlin war wiederholt Gegenstand einer höchstrichterlichen Kontrolle, ohne dass es dort zu Beanstandungen gekommen wäre (u.a. BVerwG GE 88, 685 m. w. N.). Auch ansonsten gab es jenseits der klassischen Preisbindung eine Regelung zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete. Das Mietenüberleitungsgesetz, das ebenfalls in den 90-er Jahren den Übergang von der Preisbindung bei Wohnraum im Beitrittsgebiet in das Vergleichsmietensystem nach dem Miethöhegesetz (MHG) regelte, koppelte die Wiedervermietungsmiete an die Vergleichsmiete. Die Regelung war von 1995 bis zum 30. Juni 1997 in Kraft und beschränkte die Wiedervermietungsmiete auf 15% über der zulässigen Vergleichsmiete. Allerdings wurde hier auch die konkrete Ausstattung bei der Ermittlung berücksichtigt. Die Miete konnte bei Wiedervermietung nicht erhöht werden, wenn die Wohnung über keinen ausreichenden Standard verfügte. Obwohl der Ausstattungsstand im Beitrittsgebiet schlecht und die Mieten niedrig waren, hat diese Regelung weder Wohnraum vernichtet, noch die Wohnungsnot verschärft.

    II. Verordnungsermächtigung und Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt Die Mietenbremse gilt mit Inkrafttreten nicht automatisch sondern bedarf zur Umsetzung entsprechender Rechtsverordnungen der Länder. Diese müssen festlegen, in welchen Gemeinden oder Gemeindeteilen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen besonders gefährdet ist. Hierzu gibt ihnen der Entwurf nun bis zum 31.12.2020 Zeit und schafft damit von vornherein eine generelle zeitliche Begrenzung für die Mietenbremse. Insofern wurde – offenbar auf Druck der Immobilienlobby– die Mietenbremse verwässert. Dieser Vorschlag spiegelt die Uneinigkeit der Koalitionspartner bezüglich dieses Gesetzesvorhabens wider und konterkariert die Zielsetzung des Gesetzesvorhabens. Wenn man mit der Gesetzesbegründung von der absolut richtigen Annahme ausgeht, dass eine Mietenbremse den Mietenanstieg abmildern und bezahlbaren Wohnraum erhalten soll, dann kann dies nur langfristig dämpfend wirken. Wenn man von diesem Weg überzeugt ist, dann kann man ihn nicht nach Zielerreichung verlassen. Dies gilt umso mehr als die Regelung sowie so nur regional begrenzt gelten soll. Tritt eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ein, dann würden entsprechende Verordnungen vom Landesgesetzgeber nicht mehr erlassen werden können oder automatisch außer Kraft treten. Warum dann aber die gesamte Idee einer Begrenzung der Wiedervermietungsmieten sich letztlich dadurch als falsches Instrument erweisen sollte, ist jedoch schwer zu erklären. Eine zeitlich begrenzte Geltung der Mietenbremse ist abzulehnen. Die Reglungen über die Mietenbremse sollen allerdings sowieso nicht flächendeckend gelten. Vielmehr sollen sie nur in den Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten gelten. Dies sind gem. § 556 d Abs. 2 EntMietNovG Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und dies von der Landesregierung bestimmt ist. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete für die Dauer von fünf Jahren festzulegen. Die entsprechende Ermächtigung ist bereits vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 38, 348, 357 ff zur Zweckentfremdungsverbotsverordnung) als verfassungsrechtlich ausreichend bestimmt und als mit Artikel 14 GG vereinbar angesehen worden. Die Regelung entspricht den Regelungen zur Begrenzung der Mieterhöhung in Sinne des § 558 Abs. 3 BGB sowie der zur Verlängerung der Sperrzeit. Im Vergleich zum Referentenentwurf wurden allerdings die Anforderungen an die Aufstellung der Rechtsverordnungen verschärft. Zum einen wird von dem Verordnungsgeber verlangt, dass er die Verordnung begründet und insbesondere die Tatsachen darlegt, auf die er die Annahme des angespannten Wohnungsmarktes stützt. Weiterhin muss er in der Begründung darlegen, welche Maßnahmen er ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen. Die formelle Begründungspflicht verwundert, da der Verordnungsgeber sowieso durch die Ermächtigung gezwungen wird, die Mangellage zu ermitteln. Dies ist nach der Kappungsgrenzenverordnung und nach den VOen nach § 577a BGB nicht anders, eine gerichtliche Kontrolle war dennoch gegeben. Die zu den vorgenannten Ermächtigungsgrundlagen ergangene Rechtsprechung kann genutzt werden, die Auslegung ist damit berechenbar. Die Verschärfung gegenüber dem Referentenentwurf und die gegenüber den vorgenannten Ermächtigungsnormen gestiegenen Anforderungen impliziert, dass entweder weniger Gebiete ausgewiesen werden sollen, in denen die Mietenbremse gilt oder dass den Landesverordnungsgebern bei der Feststellung der Mangellage schlicht misstraut wird. In jedem Fall werden die Hürden zur Aufstellung entsprechender Rechtsverordnungen erheblich angehoben. Gerade im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung könnte sich die Mietenbremse allein deswegen erledigen, weil die Umsetzung schlicht zu aufwendig und teuer wird. Die besondere Regelung einer Begründungspflicht ist aber auch gänzlich überflüssig. Über das Zitiergebot in Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 GG und die in ihm enthaltenen Ansätze eines Begründungszwanges hinaus treffen den Verordnungsgeber ganz allgemein den unterschiedlichsten Zwecken (u.a. Selbstkontrolle, Rechtsschutz) dienende Begründungspflichten. Sie ergeben sich aus diversen verfassungsrechtlichen Normen (z.B. Artikel 19 Abs. 4 Satz 1, 20 Absatz 3 GG) (Lücke/Mann in Sachs GG Art 80 Rz. 30). Wenn allerdings schon aufgrund allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsätze eine Begründungspflicht besteht, fragt es sich, aus welchem Grunde dann dies noch einmal explizit in der Ermächtigungsgrundlage benannt werden muss. Außerdem werden gegenüber Kappungsgrenzen VO und § 577a VO erhöhte Anforderungen an die Ermittlung von Datenmaterial gestellt. Zumindest muss man bei einer historischen Auslegung (Veränderungen des Kabinettsentwurfes gegenüber dem Referentenentwurf) genau davon ausgehen. Allerdings benötigte man schon jetzt für den Erlass der vorgenannten Verordnungen Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Mangelgebiete. Im Gegensatz zu den Stadtstaaten, in denen regelmäßig mehr Zahlenmaterial zur Verfügung steht, haben schon jetzt die Flächenstaaten Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ein gutes Jahr benötigt, um eine Kappungsgrenzen VO zu erlassen. Mit der Verschärfung der Voraussetzungen für die VO wird es weniger Gebiete geben, in denen diese gilt und es wird länger dauern, bis diese überhaupt erlassen werden. Dies umso mehr, als dass Land bzw. Kommunen gezwungen werden, Maßnahmen zur Verringerung der Wohnungsknappheit zu ergreifen. Ohne derartige insbesondere Wohnungsbauprogramme – denn nur dies kann damit gemeint sein – kann in einem Gebiet keine Mietenbremse erlassen werden. Ob sich eine Kommune oder ein Land derartige Programme leisten will oder kann, steht auf einem anderen Blatt. Damit wird die Rechtsänderung – im Gegensatz zu den Angaben in der Gesetzesbegründung – allerdings ganz erhebliche Auswirkungen im Haushalt haben, worauf Blank richtigerweise weist (WuM 2014, 641, 646). Die Einführung der Mietenbremse sollte nicht auf diese Weise blockiert werden. Zu einer regionalen Begrenzung der Anwendbarkeit der Neuregelung gibt es mehrere Kritikpunkte: Eine flächendeckende bundeseinheitliche Regelung ist daher schon aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geboten. Daneben verhindert eine flächendeckende Regelung von vorneherein, dass das Mietenniveau in derzeit noch entspannten Teilen des bundesweiten Wohnungsmarktes genauso anzieht, wie das in den letzten Jahren in den Ballungszentren geschehen ist. Die regionale Begrenzung der Regelung wird teilweise mit dem Verfassungsrecht, Artikel 14 GG, begründet. Entgegen der Annahme, eine Regelung zur Neuvermietungsbegrenzung in Gebieten mit einem Überangebot an Wohnungen könnte verfassungswidrig sein, ist eine flächendeckende Regelung jedoch mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 1986 in Bezug auf die damalige Mietpreisbindung für Altbauwohnungen in Berlin entschieden, dass es an einem öffentlichen Interesse für die Sozialbindung des Eigentums und damit einhergehende Einschränkungen des Vermieters erst dann fehle, wenn es einen Kreis von Personen, der nach seinen Einkunftsverhältnissen in besonderem Maße auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen ist, in einem den Eingriff gestattenden Umfang nicht mehr gäbe, insbesondere dieser Kreis so klein geworden oder nicht mehr schutzwürdig wäre, dass er die seinen Schutz korrespondierende Bindung des Grundeigentums nicht mehr rechtfertigte (BVerwG, Urteil v. 14.02.1986, Az.: 8 C 9/84). Hiervon kann auch in Wohnungsmärkten, die nicht notwendigerweise die Kriterien eines angespannten Wohnungsmarktes erfüllen, keine Rede sein. Auch der BGH 1979, und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht 1988, kamen zu dem Ergebnis, dass es auf die Frage, ob der Wohnungsmarkt in Berlin in der fraglichen Zeit insgesamt ausgeglichen war, oder ob die Nachfrage nach Altbauwohnungen das Angebot übersteige, nicht ankomme (BGH, Urteil v. 15.02.1979, III ZR 167/77, BVerwG, Urteil v. 15.01.1988, 8 C 40/85). Zwar würde eine bundeseinheitliche Regelung auch in Gebieten ohne Mangellage die – in derartigen Gebieten ohnehin nur theoretisch bestehende – Preisfreiheit von Eigentümern und Vermietern beschränken. Dieser Eingriff ist wegen des besonderen sozialen Bezuges von Mietwohnungen verfassungsrechtlich jedoch gerechtfertigt, siehe hierzu oben. Artikel 14 garantiert nicht, die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentum ziehen zu können, sondern eine am örtlichen Markt orientierte Miete, die regelmäßig die Wirtschaftlichkeit der Wohnung sicherstellt. Von diesen Grundsätzen ausgehend muss eine Preisbindung, wenn sie in Gebieten mit Wohnungsmangel verfassungsrechtlich zulässig ist, erst Recht in Gebieten ohne Mangellage zulässig sein, dies aus zwei Gründen: Zum Einen wird es hier nur in seltenen Fällen zu einer tatsächlichen Anwendung der Regelung und damit Kappung der Wiedervermietungsmiete kommen. In einem weitgehend ausgeglichenen Wohnungsmarkt dürfte eine Erhöhung der Miete bei Wiedervermietung um mehr als 10% nur sehr selten überhaupt vom Vermieter durchsetzbar sein. Zum Anderen würde die Regelung auch in den seltenen (Einzel)fällen, in denen sie griffe, da doch eine höhere als um 10% erhöhte Miete verlangt werden kann, zu keiner Verletzung von Artikel 14 GG führen. Denn eine um mehr als 10% erhöhte Wiedervermietungsmiete dürfte auf einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt schon weit mehr als ein überdurchschnittlicher Gewinn sein. Artikel 14 GG garantiert dem Vermieter nicht, den maximalen Ertrag aus der Immobilie zu erzielen, sondern schützt eine am örtlichen Markt orientierte Mieterzielung. Eine um mehr als 10% erhöhte Wiedervermietungsmiete ist auf einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt objektiv deutlich mehr als eine am Markt orientierte Miete. Der Eingriff in die Preisfreiheit des Vermieters wäre mithin auch in diesem Fall gerechtfertigt. Tatsächlich dürfte eine entsprechende Regelung in Gebieten ohne Mangellage jedoch kaum zur Anwendung kommen, entsprechend kann sie auch keinen Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 14 GG der dort vermietenden Eigentümer und Vermieter sein. Eine Preisbindung ist also auch in Gebieten ohne Mangellage mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Geschützt ist ein Vermieter vor dauerhaften Verlusten oder einem Substanzverlust. Was bei Leerstand zu dauerhaften Verlusten des Vermieters führen kann, ist jedoch nicht die gesetzliche Regelung, sondern die Lage auf dem Wohnungsmarkt selbst. Fazit: Die Mietenbremse muss flächendeckend gelten!
    III. Beschränkung Die Mietenbremse wird eingeschränkt durch § 556e BGB, wenn entweder der Vormieter bereits mehr gezahlt hatte, als diese die Mietenbremse zulässt, oder wenn der Vermieter in den letzten drei Jahren vor der Anmietung modernisiert hatte. 1. Vorvertragsmiete Übersteigt die letzte Miete die Grenze der Mietenbremse, kann der Vermieter diese Miete verlangen, § 556e Abs. 1 BGB. (a) Diese Regelung soll dem Vermieter eine Art Vertrauensschutz geben, belohnt allerdings vor allem den gierigen Vermieter. Derjenige Vermieter, der bereits bisher Mieten über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt hat, darf diese weiter fordern. Dies erscheint weder sachgerecht noch notwendig. Das BVerfG hat doch mehrfach klar gemacht, dass Artikel 14 GG dem Vermieter keine höchstmögliche Rendite sichern soll. Der gierige Vermieter kann eben gerade keinen grundrechtlichen Schutz für sich beanspruchen. Wenn man die Marktmiete mehr an die ortsübliche Vergleichsmiete heranführen möchte, muss man dies konsequent auch bei einer Überhöhung des Mietzinses bereits bei der Vormietermiete machen. Die mangelnde Schutzwürdigkeit wird auch deutlich im Hinblick auf § 5 WiStrG, so wie er bis zur Rechtsprechungsänderung vor 10 Jahren ausgelegt wurde. Die die Wesentlichkeitsgrenze überschreitende Miete wurde in jedem Fall gekappt, egal, ob die Miete neu vereinbart, jahrelang gezahlt oder weit über der Vergleichsmiete lag. Mit der neuen Regelung werden – auch im Hinblick auf die geplante Streichung von § 5 WiStrG – überhöhte Mieten legalisiert. Es soll die Absicht des Gesetzgebers nicht verkannt werden, dass über die Mieterhöhungsregelungen und der Koppelung einer Grundmietenerhöhung an die Vergleichsmiete auf Dauer eine Angleichung dieser Mieten an den Mietspiegel schlicht dadurch erreicht wird, dass der Vermieter diese neu vereinbarte Miete nicht erhöhen darf. Erforderlich oder gar kurzfristig effektiv ist dies allerdings nicht. (b) Zudem ist diese Regelung stark missbrauchsanfällig. Die Regelung kann durch kollusives Zusammenwirken von Vermieter und Mieter aber auch durch legales Verhalten des Vermieters umgangen werden. Dem wird nur unzureichend in § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB begegnet. Hiernach bleiben Vereinbarungen nach § 557 BGB im letzten Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses bei der Ermittlung der Vormiete unberücksichtigt. Hier hat der Gesetzgeber Absprachen im Blick, mit denen sich der Vormieter am Ende des Mietverhältnisses eine Erhöhung der Miete im Hinblick auf eine Wiedervermietung durch den Verzicht des Vermieters auf die Durchführung von Schönheitsreparaturen erkaufen will. Abgesehen davon, dass die Beweislast hier beim Mieter liegen dürfte, lässt sich dies ohne weiteres umgehen. Es werden hier nur Vereinbarungen aber nicht einseitige Mieterhöhungen nach § 558 und § 559 BGB erfasst, die eigentlich unbegründet waren, denen der Mieter jedoch zugestimmt hat.
    Wenn man den BGH richtig versteht, führt zwar eine unwirksame Mieterhöhungserklärung nach § 558 BGB zu einer Vertragsänderung im Sinne von § 557 BGB (NZM 2005, 736). Ob der BGH diese, zu etwaigen Rückforderungsansprüchen des Vermieters entwickelte Rechtsprechung auf die Fälle der Mietenbremse anwenden wird, bleibt fraglich. Möglicherweise wird er auf das kollusive Zusammenwirken des Vormieters mit dem Vermieter abstellen und die Vereinbarung des § 557 BGB nur für die Fälle einer Vereinbarung mit dem Ziel der Umgehung der Mietenbremse annehmen. Möglich erscheint allerdings es auch über folgende Argumentation das Verbot der Umgehung der Mietenbremse in diesen Fällen zu begrenzen: Der Gesetzgeber will dem Vermieter die letzte Miete garantieren. Er nimmt dabei ausdrücklich in Kauf, dass der Vermieter diese entgegen den gesetzlichen Regelungen über die Vergleichsmiete erhöht hat, denn andernfalls hätte er genau hier eine Grenze gezogen und keine Beschränkung im Sinne des § 556e Abs. 1 BGB geregelt. Dies kann so wohl nicht gemeint sein. Diese „Lücke“ muss in jedem Fall geschlossen werden. (d) In keinem Falle sind Vereinbarungen nach § 555f BGB erfasst. Über eine Modernisierungsvereinbarung kann die Mietenbremse unschwer vom Vermieter umgangen werden. Sofern die Sachverhalte nicht über § 556 e Abs. 2 oder § 556 f Nr. 2 BGB gelöst werden, besteht die Gefahr einer Miethöhevereinbarung im Wege des § 555f BGB. Der Vermieter lässt sich für eine Modernisierungsmaßnahme eine höhere Miete versprechen, als ihm nach § 559 BGB eigentlich zusteht. Im Gegenzug erhält der Mieter andere Vorteile, z.B. eine Untermietgenehmigung oder den Erlass von Schönheitsreparaturen. Wenn derartige Vereinbarungen in die Form des neuen 555f BGB gekleidet sind, werden sie nicht vor der Einschränkung erfasst und können so zur Umgehung der Mietpreisbremse genutzt werden. 2. Vorherige Modernisierung In der Gesetzesbegründung wird zu § 556e BGB ausgeführt, dass der Vermieter nach dieser Vorschrift weitestgehend so gestellt wird, als würde er die Modernisierung und die nachfolgende Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis vornehmen, auch wenn sie tatsächlich bereits vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführt wurde. Diese Herangehensweise schafft eine Ausnahme von der Idee des Schutzes der Mieter in angespannten Wohnungsmarktlagen. Sie stellt damit den gesamten Zweck des Gesetzes in Frage. Bereits jetzt sagt der Vorsitzende des Vereins Haus und Grund, Rechtsanwalt Carsten Brückner, dass den Vermietern gar nichts weiter übrig bleibe, als Wohnungen zu modernisieren, wenn sie eine Miete über der ortsüblichen Vergleichsmiete erreichen wollen. Modernisierung dient schon jetzt häufig nicht mehr dazu, den Wohnwert einer Wohnung für den Mieter zu steigern bzw. auf einen ortsüblichen und modernen Standard zu bringen. Sie ist ein Mittel zur Verdrängung von Bestandsmietern aus angespannten Wohnungsmarktlagen, die aufgrund der Länge des Mietverhältnisses noch günstige Mietpreise zahlen und daher nicht geneigt sind, ihre Wohnungen aufzugeben und umzuziehen. Modernisierung wird damit zu einem Mittel, die ortsübliche Vergleichsmiete zu steigern. Eine Notwendigkeit, diese Ausnahme von der Bindung der Wiedervermietungsmiete an die ortsübliche Vergleichsmiete zuzulassen, gibt es nicht. In den meisten Ballungsgebieten gibt es inzwischen qualifizierte Mietspiegel, die mit einer Preisspanne zwischen Ober- und Unterwert die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden. In Berlin finden sich dabei bereits Merkmale in allen fünf Merkmalgruppen, die eine hochwertig sanierte Wohnung ausmachen – so etwa das wandhängende WC, der Handtuchheizkörper, die Badewanne und von ihr getrennte zusätzliche Dusche, die Einbauküche mit Cerankochfeld, Isolierglasfenster, die zusätzliche Wärmedämmung, die barrierearme Wohnungsgestaltung, Aufzüge und das aufwändig gestaltete Wohnumfeld. Weist eine Wohnung diese Merkmale auf, so kann der Oberwert des Mietspiegels verlangt werden, der in der Regel mehr als 3 €/m² von dem Unterwert abweicht. Die Mietspiegel haben die Merkmale und ihre Wertigkeit bei der Abbildung der ortsüblichen Vergleichsmieten berücksichtigt. Dabei ist insbesondere bei den Sondermerkmalen erfasst worden, um wie viel höher die Miete einer Wohnung ist, die diese Merkmale aufweist. Dadurch, dass überproportional viele Wiedervermietungsmieten in die Datenerfassung zur Erstellung des Mietspiegels einfließen, bildet der Mietspiegel bereits ab, wie viel den Wohnungssuchenden eine Wohnung wert ist, die so umfassend modernisiert wurde. Erlaubt man nun dem Vermieter in besonders angespannten Wohnungsmarktlagen, nicht nur die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern eine gem. § 559 BGB erhöhte Miete zu verlangen, läuft dies dem Gesetzeszweck zuwider, den weiteren Anstieg der Mieten in solchen Gebiete gerade zu verhindern. Bereits jetzt werden in sehr nachgefragten Wohngegenden Wohnungen modernisiert, um höhere Mieten zu erreichen. Dadurch werden weit über den ortsüblichen Standard hinausgehende Ausstattungsmerkmale geschaffen, die sich der durchschnittliche Mieter nicht leisten kann. Dazu gehören z.B. die Anbringung eines zweiten Balkons, der Anbau eines Fahrstuhls an Häuser mit nicht mehr als vier Obergeschossen oder die Installation einer Wohnraumbelüftungsanlage. Ohne die Anwendung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit ist der Vermieter frei in der Auswahl aufwändiger Ausstattungen. So führt der Balkonanbau nicht selten zu einer Mieterhöhung weit über 100 €. Auch ein Fahrstuhlanbau hat regelmäßig eine Mieterhöhung in dieser Größenordnung unabhängig von der Wohnungsgröße zur Folge. Bei der Wärmedämmung ergeben sich Mieterhöhungen zwischen 0,30 €/m² und 2 €/m², ohne dass dem Mieter die Möglichkeit gegeben wird, den Einwand der Wirtschaftlichkeit, wie er aus dem Betriebskostenrecht bekannt ist zu erheben. Auch eine Begrenzung der Mieterhöhung bei energetischen Maßnahmen in einem Verhältnis zur tatsächlich erfolgten Energieeinsparung erfolgt weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung. Das führt in nicht wenigen Fällen dazu, dass die Mieterhöhung das 6 bis 10fache über der durch die Energieeinsparung ersparten Kosten liegt. Zwar kennt die ENEV in § 25 die Möglichkeit des Eigentümers eines Hauses, eine Ausnahmegenehmigung bei einem solchen Mietverhältnis zu beantragen, dem Mieter wird ein solches Recht jedoch nicht eingeräumt. Der (Bestands-)Mieter kann sich nur auf den Einwand der sozialen Härte berufen, soweit nicht lediglich ein ortsüblicher Ausstattungsmaßstab hergestellt wird. Diese Beschränkung ist ein Relikt aus der Vorgängervorschrift § 554 BGB. Sie sollte verhindern, dass der Mieter mit einem Härteeinwand die gesamte Modernisierungsmaßnahme stoppen konnte. Mit der Novellierung des Mietrechts im Jahre 2013 wurde aber gerade diese Möglichkeit dem Mieter genommen. Unabhängig von der sozialen Härte kann gebaut werden, erst im Rahmen der Mieterhöhung wird dies geprüft. Warum der Mieter nun dann aber auch für die allgemein üblichen Maßnahmen mehr aufbringen soll, als er kann, bleibt unklar. Vielmehr führt dies direkt in die Vertreibung aus der Wohnung. Der Einwand der sozialen Härte greift erst nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen. Es gibt keinen Weg für den Mieter, bereits bei Ankündigung der Maßnahmen festzustellen, wie hoch die Miete nach Abschluss der Baumaßnahmen sein wird. Will der diese Ungewissheit nicht hinnehmen, einschließlich des Risikos, evtl. nicht reduzierte Mieterhöhungsbeträge nachzahlen zu müssen, sucht er sich auch angesichts der oft lang andauernden, mit Schmutz- und Lärmbelästigung einhergehenden Baumaßnahmen bereits im Vorfeld eine neue Wohnung. Der neue (Nach)Mieter wird gegen die nach § 556e gebildete zulässige Miete allerdings nicht den Einwand der sozialen Härte erheben können. Für viele Vermieter wird das in besonders nachgefragten Wohngegenden ein Anreiz sein, Bestandsmieter vor der Sanierung „loszuwerden“, um einem evtl. Härteeinwand sicher aus dem Weg zu gehen. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Ohne die längst fällige Evaluierung und Überarbeitung der §§ 555 b bis d BGB im o.g. Sinn wird der neue § 556 e BGB zum Einfallstor zur Umgehung der Mietpreisbremse. Letztendlich gibt es für den neu einziehenden Mieter keine Möglichkeit, den Erhöhungsbetrag gem. § 559 BGB, der auf die ortsübliche Miete vor Modernisierung hinzugerechnet werden darf, zu überprüfen. So wird er kaum in der Lage sein, den durch die Modernisierungsmaßnahmen ersparten Instandsetzungsbedarf aufzuklären. Etwa ersparte Instandsetzungskosten an alten Fenstern, die durch neue Fenster ersetzt worden und längst auf dem Müll gelandet sind, lassen sich nicht ermitteln und werden regelmäßig von Eigentümern nicht vorher fachkundig geschätzt. Gleiches trifft auf Sanitäranlagen und Fassaden zu. Auch hierdurch wird einer Überhöhung des Umlagebetrages Tür und Tor geöffnet.
    IV. Ausnahmen Über die Beschränkung hinaus soll die Mietenbremse für den Neubau und umfassende Modernisierungen überhaupt nicht gelten. Damit würde ein bedeutender Teil des Wohnraums überhaupt nicht erfasst. 1. Neubau Es fehlen im Bundesgebiet aktuell 100.000 Wohnungen laut einer aktuellen Studie des Pestel Instituts Hannover. Andere sprechen sogar von bis zu 2,5 Millionen fehlenden Wohnungen. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass es zu wenige Wohnungen gibt und neu gebaut werden muss. Wenn diese neuen Wohnungen alle preisfrei gebaut werden können, ist nicht zu erwarten, dass diese den Menschen zur Verfügung gestellt werden können, die diese benötigen. Schon jetzt legen die Erstbezugsmieten über 8,00 Euro in Berlin, in anderen Städten noch weit drüber. In Berlin liegt diese Miete weit über der durchschnittlichen Vergleichsmiete. Gerade Mieter mit geringerem Einkommen, die es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben, fallen als Zielgruppe heraus, von den Mietern, die auf Transferleistungen angewiesen sind ganz zu schweigen. Von daher ist es nötig, auch die Neuvermietungsmieten nach oben hin zu begrenzen. Es empfiehlt sich hier die jüngsten zu ermittelnden Vergleichsmieten heranzuziehen und zur Vergleichbarkeit einen Zuschlag in Höhe des Verbraucherpreisindexes im Verhältnis des letzten Datenbestandes zur Bezugsfertigkeit zu errechnen. Die Neuvermietungsmiete sollte auf 10 % über diesem Wert festgeschrieben sein. Gleichzeitig sollte auch hier eine dem § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG vergleichbare Regelung mit aufgenommen werden, die es garantiert, dass der Vermieter vor Verlusten geschützt wird. Auch gegen eine solche gesetzliche Deckelung des Mietpreisanstiegs bei Neuvermietungen bestehen nach oben dargestellten Kriterien (s.o. I.2.) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Entscheidet ist nämlich, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG ein jeweiliger bestimmter Zweck, die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Angemessenheit des Eingriffs vorausgesetzt sind. Dies ist auch hier der Fall. Der legitime Zweck, staatlicherseits zu intervenieren, ist im Hinblick auf die zurückbleibende Einkommensentwicklung der Bevölkerung und der exorbitanten Steigerung der Mietpreise evident. Wie schon dargestellt, ist eine solche Beschränkung des Mietpreisanstiegs auch geeignet, da sie zur Erreichung des Zwecks einer Begrenzung des Mietenanstiegs dienlich, wenn nicht sogar notwendig ist. Die Erforderlichkeit setzt wiederum voraus, dass kein milderes Mittel gleicher Eignung für die Erreichung des Zwecks zur Verfügung steht, was nach bisheriger Ausführung offensichtlich nicht der Fall ist. Hinsichtlich der Angemessenheit ist letztlich also eine Güterabwägung zwischen den beeinträchtigten Grundrechten und dem durch den Eingriff verfolgten legitimen Zweck (BVerfGE 58, 137) erforderlich. Dabei darf kein beteiligtes Verfassungsgut gänzlich verdrängt werden, wenn es zu einem gerechten Ausgleich kommen soll. Einseitig bevorzugt ist die Mieterseite aber solange nicht, wie der Bezug auf die aktuelle Marktlage erhalten bleibt und die Wirtschaftlichkeit des Eigentums nicht grundlegend gefährdet wird. Die Bestandsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG für das Eigentum des Vermieters wird insofern nicht in Frage gestellt, denn verfassungsrechtlich wird nicht gewährleistet, einen höchstmöglichen Profit aus dem Eigentumsobjekt zu erzielen. Vor Verlusten wäre der Vermieter eines Neubaus auch mit der vorgeschlagenen Regelung, gerade durch die entsprechenden Zuschläge und einer Regelung, entsprechend des § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG, geschützt. Gegenüber dem Referentenentwurf wurde der seit dem 01.10.2014 erstmalig genutzte und vermietete Neubaubau komplett aus der Geltung herausgenommen. Für diese Wohnungen gilt die Mietenbremse also auch nicht bei einer späteren Wiedervermietung. Konnte man die Ausnahme für die Neuvermietungen im Hinblick auf eine fehlende Vergleichsmiete noch verstehen, verwässert die Herausnahme aller Neubauten aus der gesamten Regelung die Mietenbremse weiter und entlastet die Mieter in Gebieten, in denen Wohnungsknappheit herrscht und Neubau dringend benötigt wird, die Mieter nicht. 2. Umfassende vorherige Modernisierung In § 556 f BGB wird darüber hinaus bestimmt, dass die §§ 556d und 556e nicht anzuwenden sind auf die Wiedervermietung umfassend modernisierter Wohnungen. Dazu heißt es in der Begründung: „Nach umfassenden Modernisierungen gilt die Mietpreisbegrenzung für die unmittelbar anschließende Vermietung nicht. Die so verbesserte Wohnung steht also regelungstechnisch einem Neubau gleich. Umfassend im Sinne von Nummer 2 ist eine Modernisierung, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint.“ In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG soll dass der Fall sein, wenn die Investition etwa einem Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands erreicht. Geht man wie der BBU und das Land Berlin von Neubaukosten in Höhe von mindestens 2.000 €/m² aus, wäre eine Wiedervermietung dann nicht mehr von § 556 BGB erfasst, wenn die Modernisierungskosten ca. 700 €/m² umfassen, also eine Mieterhöhung gem. § 559 BGB von 6,40 €/m² rechtfertigen würden. Daher wird der Druck auf die Bestandsmieter, die in Wohnungen wohnen, die „nur“ zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet sind und die Angebotsmiete deutlich unterschreiten, wachsen. Vermieter, die an die Wiedervermietungsmieten der letzten drei Jahre anknüpfen wollen, modernisieren bereits jetzt, um die Mieten über das Niveau des Mietspiegels anzuheben oder aber Bestandsmieter loszuwerden und so selbst von den hohen Wiedervermietungsmieten zu profitieren. Das ist insbesondere an der zweiten Sanierungswelle im Berliner Altbezirk Prenzlauer Berg nach der gerade erst 10 bis 15 Jahre zurückliegenden ersten Welle abzusehen. Daran wird sich auch nach der geplanten Gesetzesänderung nichts ändern. Die Vermieter werden geradezu ermuntert, Geld zu investieren, um Mieten oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu erreichen. Zusammen mit der enormen Zuwachsrate bei den Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen in den Innenstädten der begehrten Wohnquartiere wird diese Praxis den Wohnungsmarkt nicht entspannen. Auf die Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte nimmt diese Regelung sowieso keine Rücksicht. Dass sich die Verordnungen der Länder und Kommunen zu den Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II an den Mittelwerten der einfachen Wohnlagen orientieren, diese aber selten in den begehrten Innenstadtlagen zu finden sind, wird zu weiterer Segregation führen. Wer jetzt nach einer bezahlbare Wohnung in der Innenstadt sucht, wird weiterhin unter dem Druck späterer Modernisierungen stehen. Diese drohen die Bestandsmiete auf ein unbezahlbares Maß zu erhöhen und erzwingen spätestens dann den Wegzug der betroffenen einkommensschwachen Mieter. Gebraucht wird daher zeitgleich mit der Mietpreisbremse eine neue Regelung zu Mieterhöhungen durch Modernisierung, die eine Instrumentalisierung zur Verdrängung wirksam ausschließt. Anderenfalls wird es auf diesem Wege zu einer massiven Umgehung der geplanten Gesetzesänderungen führen. V. Mieterrechte Im neuen § 556 g sind die Rechte der Mieter geregelt. Sie sollen gewährleisten, dass der Mieter die Miethöhe überprüfen und die überhöhte Miete zurückverlangen kann. Der Mieter hat einen umfassenden Auskunftsanspruch gegenüber dem Vermieter. Er kann die überhöhte Miete aber erst ab dem Zeitpunkt zurück verlangen, in dem er die Miethöhe qualifiziert gerügt hat. 1. Auskunftsansprüche Der Mieter hat einen Auskunftsanspruch im Sinne des § 556g Abs. 1 BGB in Bezug auf alle Tatsachen, die für die Beurteilung der zulässigen Miete erforderlich sind. Dieser Anspruch bezieht sich jedoch nicht auf allgemein zugängliche Tatsachen, wie den Mietspiegel. Bei dem Auskunftsanspruch geht es einerseits um die Baualtersklasse, um die Ausstattung der Heizungsanlage, aber vor allem bei den Ausnahme und Einschränkungstatbeständen u.a. um die Kosten der Modernisierung, oder die Vormietermiete. Über die Auskunftsansprüche soll auch die naturgemäß schlechte Beweissituation verbessert werden. Es ist davon auszugehen, dass der Vermieter sich für den Fall schadenersatzpflichtig macht, in dem er die geforderten Auskünfte nicht erteilt. Ab Verzug könnte der Mieter wohl die Rückforderung geltend machen. Sinnvoll wäre hier die ausdrückliche Regelung eines Belegeinsichtsrechtes. Der Ort der Belegeinsicht sollte geregelt und dem Mieter das Recht eingeräumt werden, sich Kopien der Unterlagen zuschicken zu lassen. Im Gegensatz zu den laufenden Betriebskostenabrechnungen ist die Überprüfung der Miethöhe ein einmaliger Vorgang. Die Hürde, den Vermieter aufsuchen zu müssen, führt bei den Betriebskostenabrechnungen oft dazu, dass diese eben nicht kontrolliert werden. Eine derartige Hürde widerspräche der gesetzgeberischen Intention der Verlangsamung des Mietpreisanstieges in den Metropolen. 2. Rügepflicht Der Gesetzgeber hat allerdings eine Rügepflicht des Mieters zur Voraussetzung einer Rückforderung der überhöhten Miete gemacht: Der Mieter kann erst ab dem Zeitpunkt zurückverlangen, in dem er dem Vermieter eine qualifizierte Rüge hinsichtlich der Miethöhe erhoben hat. Die Anforderungen an diese Rüge sind noch unklar. Keinesfalls ausreichend ist eine standardisierte Beanstandung. Vielmehr muss sich die Beanstandung mit der Miethöhe auseinandersetzen. Eine Auskunftseinholung wird wohl nicht verlangt. Wohl aber eine Auseinandersetzung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete zumindest anhand des Mietspiegels. Teilt der Vermieter Modernisierungskosten oder Vormieter mit, muss sich der Mieter auch hiermit auseinandersetzen. Hiervon wird dann letztlich abhängen, wie hoch im Einzelfall die Anforderungen an die Rüge sind. Diese Rüge wird der Mieter wohl ohne anwaltliche Hilfe kaum bewerkstelligen können. Dies widerspricht der gesetzgeberischen Tradition, die Regelungen des Wohnraummietrechts einfach zu gestalten. Durch die erstinstanzliche Zuweisung von Mietstreitigkeiten zum Amtsgericht hat der Gesetzgeber eigentlich klargemacht, dass der Mietprozess ein Parteiprozess sein soll, für den der wirtschaftlich regelmäßig schwächere Mieter auch ohne Anwalt gegen seinen Vermieter vor Gericht streiten kann. Diesem Gedanken widerspricht die Regelung zur qualifizierten Rüge. Zudem greift der Rückforderungsanspruch nach diesem Modell nie zu Beginn des Mietverhältnisses. Bevor der Mieter die qualifizierte Rüge erhoben hat, hat er regelmäßig bereits die ersten Mieten gezahlt. Hier nützt ihm auch der Ausschluss von § 814 und § 817 BGB nichts. Wenn der Mieter die Miethöhe rügt, kann der Vermieter nicht davon ausgehen, dass der Mieter für die überhöhte Miete keinen Rückforderungsanspruch geltend machen wird. In dieser Fallkonstellation wäre es also so oder so fraglich, ob die vorgenannten Vorschriften Gültigkeit erlangen können. Die Rüge ist auch überflüssig. Diese Regelungen bauen unnötig Hürden auf. Die §§ 812 ff BGB reichen völlig aus, um auch die Interessen des Vermieters zu schützen. Der Mieter, der in Kenntnis seiner fehlenden Zahlungspflicht dennoch zahlt, verdient keinen Schutz. Dies ist in §§ 814 und 817 BGB ausreichend geregelt. Diese Einschränkung ist aber auch ausreichend. Die qualifizierte Rüge nützt in dieser Fallkonstellation keinem. Die Rüge führt letztlich nicht zur Korrektur der Miete, sollte sie sich überhaupt auf ausreichende Tatsachen stützen können. Wenn der Mieter seinen Anspruch auf Rückforderung geltend macht, bedarf es sowieso der Darlegung der Tatsachen, die seinen Anspruch stützen. Ohne eine entsprechende Ermittlung wird er nicht obsiegen. Dass nun aber die Zeit dieser Ermittlungen dann bei der Rückforderung außer Betracht bleiben soll, erscheint nicht sachgerecht. Schließlich privilegiert diese Regelung den unredlichen Vermieter, der auf die späte Rüge seines Mieters spekuliert.
    VI. Staffelmiete, Indexmiete und Übergangsvorschrift Folgerichtig sind die Regelung zur Staffel und Indexmiete. Diese Regeln sind nicht zu beanstanden.
    VII. Notwendige „Reaktivierung“ des § 5 WiStrG Zu begrüßen ist, dass von der ursprünglich geplanten Streichung des § 5 WiStrG Abstand genommen wurde. Die Mietenbremse sollte ursprünglich kombiniert werden mit der Streichung von § 5 WiStrG. Dies wurde damit begründet, dass die Vorschrift im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung des BGH seit langem eine untergeordnete Rolle bei der Mietenbegrenzung spielt. Dies ist richtig, tatsächlich hat die Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren die Anforderungen gerade an den Vortrag des sich auf diese Vorschrift berufenen Mieter immer weiter verschärft. Die Mietenbremse soll kombiniert werden mit der Streichung von § 5 WiStrG Dies wird damit begründet, dass die Vorschrift im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung des BGH seit langem eine untergeordnete Rolle bei der Mietenbegrenzung spielt. Dies ist richtig, tatsächlich hat die Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren die Anforderungen gerade an den Vortrag des sich auf diese Vorschrift berufenen Mieter immer weiter verschärft. Vor dieser Änderung der Rechtsprechung war § 5 WiStrG jedoch durchaus ein effektives Mittel zur Begrenzung überhöhter Mieten, zumal es eben nicht nur zivilrechtlich, sondern auch über die Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit eine Möglichkeit für die Ordnungsbehörden bot, einzugreifen. Statt die Vorschrift zu streichen, wäre es sinnvoll, die Vorschrift zu reaktivieren, wie dies bereits über die Bundesratsinitiative des Hamburger Senats aus dem Jahre 2013 angetragen wurde. Die Streichung der wichtigsten preisrechtlichen Vorschrift für das Wohnraummietrecht ist auch das falsche Signal. Preisrechtliche Vorschriften gibt es in nahezu allen Bereichen vertraglicher Rechtsbeziehungen. Gerade in dem besonders schutzwürdigen Verhältnis Mieter–Vermieter vor dem Hintergrund der sozialen Bedeutung des Wohnraums ist ein preisrechtlicher Schutz erforderlich. 1. Historische Entwicklung und Rechtsprechung des BGH 2004/2005 Die Regelung existiert bereits seit 1954, mithin seit 60 Jahren. Der Schutz vor Mietpreisüberhöhung spielte vor allem in den Ballungszentren in den 80-er und 90-er Jahren eine große Rolle. Zu Zeiten, als die Wohnungsämter noch besser ausgestattet waren und bevor der BGH mit der Änderung seiner Rechtsprechung die Anwendbarkeit stark eingeschränkt hatte, war sie ein effektives Kontrollinstrument und diente der Verhinderung der Mietenexplosion und der Sicherung von bezahlbarem Wohnraum. Ein Verbot der Mietpreisüberhöhung ist im deutschen Recht für den nicht preisgebundenen Wohnraum in § 291 StGB und in § 5 WiStrG geregelt. Bis zum Beginn dieses Jahrtausend ließen sich die beiden Sanktionsnormen dahingehend unterscheiden, dass die strafrechtliche Norm stärker die individuelle Lage des einzelnen Mieters im Focus hatte. Wird seine Notlage ausgenutzt und steht die Leistung und die Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis (i.d.R. Miete 50% über der ortsüblichen Vergleichsmiete) ist dies strafbar. Demgegenüber hebt das Wirtschaftstrafgesetz auf die Knappheitssituation am Wohnungsmarkt ab (u.a. Bohner, Ordnungswidrige Mietpreisüberhöhung, 2. Aufl. S. 7). Bis zur Entscheidung des BGH im Jahre 2004 war klar, dass die OWi-Norm weniger den einzelnen Mieter, als vielmehr die Wohnungsmarktordnung im Interesse der Allgemeinheit vor sog. Ausreißern auf dem Mietpreissektor schützen sollte (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. III 46). Dies hat sich mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004 (NZM 2004, 381) geändert. Der BGH sieht es für die Erfüllung des § 5 WiStrG nunmehr als Voraussetzung an, dass die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete ursächlich war. Dazu müsse der Mieter darlegen und ggf. beweisen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen ist (BGH aaO.). Hierbei sei der Mieter bei der Suche auf das gesamte Stadtgebiet zu verweisen (BGH NZM 2005, 534), der Mangel müsse in den qualifizierten Teilmärkten vorliegen (BGH aaO.). Diese Auslegung des § 5 WiStrG durch den BGH, weg von der typischen Preisvorschrift, hat in der Praxis aufgrund der enormen Hürden für die Darlegung auf Mieterseite letztlich zu einer Entwertung geführt. Kaum ein Mieter wird in der Lage sein, dies substanziiert vorzutragen, zumal der BGH das Merkmal des Ausnutzens in § 5 WiStrG als das bewusste Zunutzemachen einer für den anderen Teil ungünstigen Lage ausgelegt hat (BGH aaO.). Diesen Beweis kann der Mieter so gut wie nie führen. Mit dieser Rechtsprechung gleicht der § 5 WiStrG immer stärker dem Wuchertatbestand und führt letztlich dessen Schattendasein. Diese Entscheidung des BGH reiht sich ein in eine Reihe mieterfeindlicher Auslegungen von Mietrechtsvorschriften, beispielhaft zu nennen ist hier die die Nichtanwendung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung (BGH NZM 2005, 234). 2. Folgen dieser Rechtsprechung In Ansehung dieser Rechtsprechung aber den § 5 WiStrG gänzlich abzuschaffen, ist der falsche Weg. Damit gäbe es für den preisfreien Wohnraum nur noch den Schutz über § 291 StGB und über § 138 BGB. Außerdem spielt selbst heute noch § 5 WiStrG in Regionen mit besonders eklatanter Wohnungsknappheit eine Rolle. Beispielsweise werden in Frankfurt am Main noch Verfahren bei den Wohnungsämtern zu § 5 WiStrG geführt. Diese bewegen sich immerhin jährlich im zweistelligen Bereich. Gerade über die Sanktionsdrohung in § 5 WiStrG wird die gesellschaftliche Missbilligung einer Mietpreisüberhöhung herausgestellt. Die Streichung würde dieses Verhalten legalisieren und stünde damit genau im Gegensatz zu der mit der Gesetzesinitiative zur Mietenbremse verfolgten Intention. 3. Mietenbremse und Abschaffung von § 5 WiStrG Durch die Abschaffung würde man zudem Mietern in besonderen Fallkonstellationen ihren Schutz nehmen. Das betrifft durchaus einen großen Teil der Mietverhältnisse. Damit würde die Verbesserung des Mieterschutzes, den die Gesetzesinitiative zum Ziel hat, weitgehend entwertet. 4. Reaktivierung des § 5 WiStrG Besser ist eine Reaktivierung des § 5 WiStrG durch die Streichung des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“. An diesem Tatbestandsmerkmal macht der BGH seine restriktive Rechtsprechung fest. Um der Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen sollte eine Teilgebietsbetrachtung bezüglich des Vorliegens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum durch eine entsprechende Änderung des Gesetzes ermöglicht werden. Diesbezüglich hatte der Hamburger Senat in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzesvorschlag (BR Drs. 176/139) eingebracht. Zusätzlich sollte die bereits seit Jahren bestehende Forderung aufgegriffen werden und klargestellt werden, dass im Falle der Mietpreisüberhöhung nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete und nicht – wie es die derzeitige Rechtsprechung (BGH WuM 84, 68) annimmt – die höchste gerade noch zulässige Miete gefordert werden kann (u.a. Derleder, WuM 2013, 383, 386). Denn diese Regelung privilegiert den ordnungswidrig Handelnden. Im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums schützt Artikel 14 GG nicht ein Recht des Vermieters auf höchstmögliche Rendite (instruktiv hierzu Derleder, WuM 2013, 383, 391). Wenn man die Regelung im Übrigen so belässt, garantiert § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG für den Vermieter einen ausreichenden Schutz. Kann der Vermieter nachweisen, dass die Miete zur Deckung laufenden Aufwendungen für die Mietsache nicht ausreicht, kann die Wesentlichkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 1 WiStrG sanktionslos überschritten werden. Damit sind die Interessen des Vermieters ausreichend gewahrt. Die Verbesserung des § 5 WiStrG hätte auch den großen Vorteil, dass man hier keine neue Wege gehen müsste. § 5 WiStrG war in der im letzten Jahrtausend gültigen Fassung und unter Berücksichtigung der damaligen Rechtsprechung bereits mehrfach auch verfassungsrechtlich auf dem Prüfstand, ohne dass es hier Beanstandungen gegeben hätte. Die seinerzeitige Initiative des Hamburger Senats hatte einzig und allein das Ziel, die Rechtslage vor den Entscheidungen des BGH 2004 und 2005 wiederherzustellen. Wenn man den Wohnungsmarkt vor Überhitzung schützen und bezahlbaren Wohnraum auch für ärmere Mieter erhalten will, gibt es zu diesem Weg keine Alternative. 5. Mietenbremse und verbesserter § 5 WiStrG Wenn man die Mietenbremse mit einem reformierten § 5 WiStrG kombiniert, hätte man folgenden abgestuften Schutz vor einer Mietpreisüberhöhung. Das Gesetz könnte wie folgt gefasst werden: „(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die bei Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen in einer Gemeinde oder in einem Teil der Gemeinde die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Entgelte sind dann nicht unangemessen hoch, wenn sie zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.“ Die Begrenzung der Miete auf die Vergleichsmiete bei Verstoß gegen § 5 WiStrG muss bei der Vertragsstrafe als zusätzliche Vorschrift eingeführt werden. Berlin, 26. November 2014 AK Mietrecht im RAV und für ihn
    Rechtsanwalt Andreas Günzler
    Rechtsanwältin Carola Handwerg
    Rechtsanwalt Benjamin Hersch
    Rechtsanwältin Dr. Lisa Moos
    Rechtsanwalt Benjamin Raabe
    Rechtsanwalt Henrik Solf Stellungnahme als PDF  ]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-376 Tue, 18 Nov 2014 17:39:00 +0100 Bericht Prozessbeobachtung KCK- (Anwalts-)Verfahren vom 13.11.2014 in Istanbul /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-prozessbeobachtung-kck-anwalts-verfahren-vom-13-11-2014-in-istanbul-376 Dokumentation Az.: 2014/235
    10. Hauptverhandlungstag Hintergrund für die Prozessbeobachtung November 2014: Im März 2014 trat eine (weitere) Gesetzesänderung in Kraft(1). Im Rekordtempo hatte Erdoğan, nachdem die Justiz auch ihn und einige seiner Minister wegen Korruptionsfällen ins Visier genommen hatte, ein neues Gesetz verabschieden lassen, mit dem die Sonderkammern für Staatsschutzsachen gem. Art. 10 des türkischen Antiterrorgesetzes vollends abgeschafft worden waren. Schwebende Verfahren (wie auch das hiesige) wurden anderen, ordentlichen Kammern für schwere Straftaten übergeben und die an den Sondergerichten beschäftigen Richter und Staatsanwälte binnen zehn Tagen durch den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) an für sie angemessene Kammern versetzt. Die nunmehr zuständige, neue 19. (ordentliche) Strafkammer des „Gerichts für schwere Straftaten“ in Istanbul muss jetzt also ein Verfahren fortführen, in dem seit Juli 2012 neun Hauptverhandlungstage unter Maßgabe des Antiterrorgesetzes stattgefunden haben. Im März 2014 hatte die 19. Strafkammer die letzten zehn, bis dahin noch in Untersuchungshaft befindlichen Rechtsanwälte aus der Haft entlassen. Interessant war jetzt insbesondere die Frage, wie Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung mit dieser neuen Situation rechtlich umgehen werden. Bekannt war uns bereits im Vorfeld, dass die Verteidigung in dem parallel laufenden KCK (Journalisten-)Verfahren bei Gericht beantragt hatte, das Gericht möge das Gesetz aus März 2014 (Nr. 6526) dem Verfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen. Das Gericht ist diesem Antrag/dieser Anregung gefolgt, so dass nach Auskunft der Kolleginnen und Kollegen dort damit zu rechnen sei, dass sich das Verfassungsgericht innerhalb der nächsten 5 Monate zu den Fragen, ob die nunmehr zuständigen, ordentlichen Gerichte die alten Verfahren einfach fortführen können und ob die Verfahren unter dem Anti-Terror-Gesetz nicht ohnehin per se rechtswidrig gewesen sind, äußern werde. Prozessbericht im Einzelnen: Angesetzt als Hauptverhandlungstermine waren der 13. und 14. November 2014. Die Hauptverhandlung fand am 13.11.2014 im Justizgebäudegebäude Çağlayan in Istanbul statt (Ladung zu 9:30 Uhr; Beginn ca. 10:15 Uhr). Die Internationale Beobachtungsdelegation bestand aus ca. 45 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, u.a. aus den Niederlanden, Österreich, Frankreich, England, Spanien, Italien, den USA und Deutschland. Einige der Delegationsmitglieder hatten bereits an den Tagen zuvor das Verfahren gegen den Fortschrittlichen Anwaltsverein (CHD) beobachtet. Der RAV hatte dem Gericht bereits zuvor die Beobachtung schriftlich angekündigt. Es waren für den RAV anwesend: Anne-Kathrin Krug, Benjamin Hersch, Barbara Wessel und Franziska Nedelmann. Als Übersetzerin war Elif Amberg dabei. Außerdem die Kollegin Gilda Schönberg für die Strafverteidigervereinigung Berlin und die Kollegin Gül Pinar für den DAV. Am Verhandlungstag selbst wurde dem Gericht eine Liste aller Anwältinnen und Anwälte und der Organisationen der Internationalen Beobachtungsdelegation übergeben. Darüber hinaus wurde das Verfahren am 13.11.2014 von 3 Mitgliedern der Istanbuler Anwaltskammer beobachtet. Die Delegation konnte – wie die Verteidigung – Gerichtsgebäude und Saal ohne besondere Sicherheitskontrollen betreten und nahm – angesichts ihrer Größe – nicht im Zuschauerraum Platz, sondern in dem abgetrennten Bereich für die Angeklagten, in dem  für ca. 60 Personen Platz ist. Die Strafkammer besteht aus drei Berufsrichtern, die alle zuvor mit diesem Verfahren nicht befasst waren. Der Vertreter der StA war allerdings– laut Aussage eines englischen Kollegen aus der Delegation – bereits zuvor schon einmal als Sitzungsvertreter im Verfahren gewesen. Von den angeklagten Kolleginnen und Kollegen (46) waren ca. 20 anwesend. In der Türkei besteht  keine Pflicht zum Erscheinen der Angeklagten. Von den anwesenden angeklagten Kolleginnen und Kollegen wurden zunächst erneut die Personalien aufgenommen. Es kam zu einer kurzen Diskussion darüber, ob – wie gewünscht – auch diese Angaben in kurdischer Sprache erfolgen können. Der Vorsitzende bat dann jedoch – wie es das Gesetz vorsieht – einen Dolmetscher, die Angaben aus dem Kurdischen zu übersetzen. Auch wurden alle angeklagten Kolleginnen und Kollegen gefragt, ob sie sich zur Sache einlassen wollen, was jeweils unter Hinweis darauf, dass die Verteidigung zunächst Anträge stellen werde, verneint wird.
    Dieses Verhalten des Gerichts war insofern überraschend, sollte es doch nach dem Gesetz das Verfahren weiterführen und nicht neu beginnen… Ein angeklagter Kollege gab an, dass er einen Dolmetscher für Zazaki (kurdischer Dialekt) brauche. Die Ladung eines Dolmetschers wurde beantragt (aber erst für seine spätere Einlassung). Ein anderer angeklagter Kollege ließ protokollieren, dass seine Angaben zur Sache an einem vorherigen Verhandlungstag falsch protokolliert worden seien. Er habe ausdrücklich gesagt, dass er sich auf seine Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden NICHT beziehen wolle. Diese Korrektur wurde protokolliert. Ohne, dass es durch den Vorsitzenden eine Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensgeschehens gegeben hätte, wurde die Beweisaufnahme fortgesetzt. A. Anträge der Verteidigung 1) RA Ercan Kanar Antrag, die Angeklagten freizusprechen. Begründung nahm ca. 1 Stunde in Anspruch (Antrag ist auch schriftlich vorhanden, wir werden versuchen, ihn zu bekommen).
    Im Wesentlichen fasste der Kollege die wesentlichen Verfahrensmängel im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung zusammen und legte den weiteren Schwerpunkt auf die Begründung, warum dieses Verfahren ein politisches ist, dass hier die originäre anwaltliche Tätigkeit kriminalisiert werde und damit auch eine Verletzung der UN –Grundprinzipien der „Role of Lawyers“ vorliege („stärkster Angriff auf die Verteidigung in der türkischen Geschichte“). Das Gericht hat über diesen Antrag nicht unmittelbar entschieden, sondern führte aus, dass es eine Entscheidung erst treffen werde, wenn es die Plädoyers gehört habe. 2) RA’in Several Balıkaya Antrag, die Zustimmung des Justizministeriums zum Ermittlungs- und Gerichtsverfahren einzuholen. Begründung: Zur Führung des Verfahrens gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bedarf es der Zustimmung des Justizministeriums. Ohne diese Zustimmung sei das gesamte Verfahren rechtswidrig. Die Angeklagten sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die angeklagten Taten sind Handlungen im Rahmen ihrer Berufsausübung. Daher ist die Zustimmung bereits vor den Ermittlungen einzuholen. Hauptbeweismittel der Anklage sind die Besuche der Kolleginnen und Kollegen bei Öcalan im Gefängnis auf Imrali und die Tatsache, dass alle Angeklagten ihre Besuchsanträge auf Anweisung der StA über eine bestimmte Rechtsanwaltskanzlei (das Asrın Hukuk Bürosu) gestellt hatten. Dies war aber zuvor genau eine Forderung der STA gewesen.  Nun wird in der Anklage aus diesem Umstand der Vorwurf gestrickt, das Büro habe den Führungskreis des KCK gestellt. Anwaltliche Tätigkeit werde damit zur Straftat umfunktioniert. Die bisherige Beweisaufnahme habe ergeben,
    - dass es seit 2007 zwischen dem Asrın Hukuk Bürosu, der Staatsanwaltschaft und dem Vollstreckungsgericht ein offizielles Faxsystem gegeben hat (also keine konspirativ-kriminelle Vernetzung),
    - dass eine Vertraulichkeit der Anwaltsgespräche mit Öcalan nicht gewährleistet war,
    - dass alle Anwaltsgespräche mit Öcalan auf Video und Tonband aufgezeichnet, die Anwälte vor- und nachher durchsucht  und auch ihre Notizen kopiert wurden,
    - dass der Vollstreckungsrichter die Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen der Anwaltsgespräche an die Ermittlungsbehörden für rechtmäßig erklärt hat. Nach den (inzwischen abgeschafften) Sondergesetzen wäre bei Ermittlungen gegen die Kolleginnen und Kollegen die Zustimmung des Justizministeriums erforderlich gewesen.
    Diese liegt nicht vor, ist nie eingeholt worden. Derzeit sei nur ein Spezialgesetz anwendbar, das Anwaltsgesetz. Danach sei spätestens vor der ersten Vernehmung eines Anwalts oder einer Anwältin als Beschuldigte die Zustimmung des Justizministeriums einzuholen.
    Es gebe auch bereits eine Entscheidung des Kassationsgerichts, das eine Verurteilung eines Rechtsanwalts mangels Zustimmung des Justizministeriums aufgehoben hat (Entscheidung wird zitiert). Auch die türkische Verfassung garantiere in Art. 36 den Schutz der Verteidigung. Genau, wie in den Internationalen Verträgen. Wir waren verwundert, warum die Kollegin nicht die Einstellung durch Urteil wegen eines gravierenden Verfahrensmangels beantragte… ein anderer Verteidiger wies das Gericht dann jedoch darauf hin, dass - wenn es diesen Antrag auf Einholung der Zustimmung des Justizministeriums ablehnen wolle – als logische Folge das Verfahren durch Urteil einstellen müsse. Über diesen Antrag hat das Gericht nicht unmittelbar entschieden (wie von der Verteidigung gewünscht). 3) RA Bahri Bayram Belen Antrag auf Vorlage beim Verfassungsgericht mit Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung D.h. Antrag (Anregung) an das Gericht, es möge dem Verfassungsgericht das Gesetz, mit dem die Abschaffung der Sondergerichte 2014 begründet wurde, wegen Verfassungswidrigkeit zur Entscheidung vorlegen,
    a) weil es dieses Gesetz selbst für verfassungswidrig halte oder
    b) weil ein Verfahrensbeteiligter (also die Verteidigung) ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorgetragen habe. Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ergebe sich aus 2 Punkten:
    a) kein gesetzlicher Richter,
    b) Verstoß gegen den Unmittelbarkeits- und Mündlichkeitsgrundsatz. Als Begründung werden lange (1 ½ Stunden) Ausführungen gemacht. Wesentlich ist der Umstand, dass mit der Abschaffung der Sondergerichte gleichzeitig geregelt wurde, dass das neu zuständige (ordentliche) Gericht das alte Verfahren einfach fortführen solle (also Wechsel der Richter, aber Fortführung der Beweisaufnahme). Politisch sei im Rahmen der Gesetzesänderung (Abschaffung der Sondergerichte, Sonderermittlungsbehörden, Sonderzuständigkeiten) erklärt worden (AKP), dass diese Sonderregelungen abgeschafft werden müssten, weil sämtliche Verfahren, die im Rahmen dieser Regelungen stattgefunden hätten, rechtswidrig gewesen seien (Beweise gefälscht worden seien etc.; es ging dabei natürlich um die Verfahren, die gegen die Mitglieder der AKP-Regierung seit Dezember 2013 geführt wurden). B. Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Staatsanwalt erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Anträgen.
    Er äußerte sich wie folgt:
    - Dem Angeklagten, der einen Dolmetscher für Zazaki benötige, sei dieser für seine Einlassung zur Seite zu stellen, vorher könne nicht fortgesetzt werden.
    - Ein weiterer Angeklagter werde noch gesucht, daher könne derzeit ebenfalls nicht fortgesetzt werden.
    - Die Anträge der Verteidigung zu 1) bis 3) sind abzulehnen (ohne Begründung). C. Beschlüsse des Gerichts Gericht verkündete nach ca. 10-minütiger Unterbrechung folgende Beschlüsse:
    1) Dem Antrag, einen Zazaki-Dolmetscher zu laden, wird stattgegeben.
    2) Der flüchtige Angeklagte wird weiterhin gesucht.
    3) Der Antrag der Verteidigung 2) wird abgelehnt (ohne Begründung).
    4) Der Antrag zu 3) wird abgelehnt, es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
    5) Alle noch gegen die Angeklagten bestehen Auflagen (Ausreiseverbote/Verbote, in Staatsschutzsachen zu verteidigen etc. – soweit sie noch vorlagen) werden aufgehoben.
    6) Alle bei den Angeklagten beschlagnahmten Handys und sonstige technische Geräte sind an diese herauszugeben.
    7) HV wird unterbrochen, HVT vom 14.11.14 aufgehoben und am 6./7. Mai 2015 fortgesetzt.
    8) Zum Antrag der Verteidigung zu 1) (Freispruch) wird keine Entscheidung getroffen. Ende der HV ca. 16:05 Uhr Fazit: Das Gericht selbst hat sich bisher nicht in die Karten schauen lassen.
    Zwar ist es als positives Zeichen zu bewerten, dass alle noch bestehenden Auflagen gegen die angeklagten Kolleginnen und Kollegen aufgehoben wurden.
    Gleichzeitig hat es sich zur Frage der Verfassungswidrigkeit nicht geäußert. Vielmehr ist unser Eindruck, dass es die Fortsetzung der Hauptverhandlung nur deshalb auf den 6./7. Mai 2015 festgesetzt hat, um tatsächlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in einem anderen Verfahren abzuwarten.
    Denn es gab ansonsten keinen vernünftigen Grund, den weiteren Hauptverhandlungstag am 14.11.2014 aufzuheben. Fußnote:
    (1)     Das Gesetz wurde in der Großen Nationalversammlung der Türkei (TBMM) am 21. Februar 2014 verabschiedet. Nachdem Staatspräsident Abdullah Gül am 6. März 2014 zugestimmt hatte, wurde es am gleichen Tag im Amtsblatt veröffentlicht. "TERÖRLE MÜCADELE KANUNU VE CEZA MUHAKEMESİ KANUNU İLE BAZI KANUNLARDA DEĞİŞİKLİK YAPILMASINA DAİR KANUN" ("Änderungen am Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus, der Strafprozessordnung und einigen Gesetzen") Prozessbericht (PDF)]]>
    news-375 Wed, 05 Nov 2014 09:44:00 +0100 Zur Situation von RechtsanwältInnen in Kolumbien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-situation-von-rechtsanwaeltinnen-in-kolumbien-375 Podiumsdisskussion; Erfahrungsaustausch Rechtsanwaltskammer Berlin
    Littenstraße 9, 10179 Berlin, 4.OG Die besorgniserregende Situation der kolumbianischen Rechtsanwält_innen ist in diesem Jahr bereits anlässlich des „Tag des verfolgten Anwalts“ am 24. Januar thematisiert worden. In Kolumbien werden immer noch Rechtsanwält_innen aufgrund ihrer Berufsausübung bedroht, festgenommen, attackiert oder sogar ermordet. Zwischen 1991 und 2012 sind in Kolumbien über 400 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ermordet worden. In den ersten 8 Monaten im Jahr 2013 verloren alleine im Valle del Cauca, einer Region im Westen von Kolumbien, 11 Kolleg_innen ihr Leben. Bei den betroffenen Kolleg_innen handelt es sich oftmals um Menschenrechtsverteidiger_innen, die die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverbrechen anprangern und sich für die Verfolgung und Aufklärung solcher Taten einsetzen sowie die Opfer von Menschenrechtsverletzungen bei der Durchsetzung von Wiedergutmachungsansprüchen vertreten. Um die kolumbianischen Kolleg_innen zu unterstützen, fand im August 2014 in Kolumbien die 4. Internationale Karawane der Jurist_innen statt, einer Delegation aus 70 Jurist_innen aus 12 verschiedenen Ländern. Auf der gemeinsamen Veranstaltung von RAK und RAV werden der kolumbianische Rechtsanwalt Luis Guillermo Pérez Casas und die kolumbianische Rechtsanwältin Viviana Rodríguez Peña aus ihrem beruflichen Alltag in Kolumbien und ihren Schwierigkeiten bei der Berufsausübung berichten. Rechtsanwältin Katharina Gamm aus Berlin wird die Ergebnisse des vorläufigen Berichts der diesjährigen Karawane vorstellen.Die Veranstaltung soll dem Erfahrungsaustausch zwischen Rechtsanwält_innen dienen und Raum für Überlegungen zur gegenseitigen Unterstützung bieten. Luis Guillermo Pérez Casas ist kolumbianischer Anwalt mit Spezialisierung im Bereich Menschenrechte und Strafrecht. Er ist Präsident des Anwaltskollektivs José Alvear Restrepo (Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo, CAJAR, www.colectivodeabogados.org). CAJAR, seit 25 Jahren im Einsatz für die Menschenrechte in Kolumbien, kämpft gegen die Straflosigkeit von internationalen Verbrechen, insbesondere solchen, die durch staatliche Akteure begangen wurden. Aufgrund seiner Anwaltstätigkeit ist Luis Guillermo Peréz Casas permanenten Bedrohungen ausgesetzt. Wegen dieser Verfolgungssituation lebte Luis Guillermo Pérez Casas fast zehn Jahre im Exil in Belgien, von dem er vor vier Jahren zurückkehrte. Viviana Rodríguez Peña ist kolumbianische Anwältin und seit mehreren Jahren für die NGO Sisma Mujer tätig. Die Frauenrechtsorganisation Sisma Mujer (www.sismamujer.org) setzt sich seit 15 Jahren für die Rechte der Frauen in Kolumbien ein. Im Rahmen ihrer Tätigkeit vertritt Viviana Rodriguez Peña Überlebende sexualisierter Gewalt und unterstützt sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Darüber hinaus analysiert sie die aktuelle Situation von Straflosigkeit geschlechtsspezifischer Gewalt im Rahmen der patriarchalen Gesellschaftsstrukturen innerhalb Kolumbiens, insbesondere im Kontext des Konflikts. Katharina Gamm ist Rechtsanwältin in Berlin und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV. In diesem Jahr hat sie als Mitglied der  IV. Internationale Karawane der Jurist_innen mit Unterstützung des RAV und der RAK Berlin Kolumbien besucht (http://www.colombiancaravana.org.uk/). Bernd Häusler, Rechtsanwalt in Berlin und Menschenrechtsbeauftragter der Rechtsanwaltskammer Berlin wird die Begrüßung, die Einleitung in das Thema sowie die Moderation des Abends übernehmen. Die Veranstaltung wird mit Hilfe von Dolmetscher_innen übersetzt. Einladung (PDF)]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-374 Wed, 05 Nov 2014 07:49:00 +0100 Why the NSU Case Matters: Structural Racism in Europe /publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-374 >Insight NSU< Veranstaltungsreihe
    Die erste Veranstaltung findet am Freitag, dem 14. November 2014 statt. Achtung! Es handelt sich um eine Vormittagsveranstaltung, 10:00 Uhr!

    Eingeladen ist aus Großbritannien Liz Fekete, Executive Director des Institute for Race Relations (IRR). Sie spricht zu der Frage "Why the NSU Case Matters: Structural Racism in Europe" - die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Ebenfalls eingeladen ist u.a. unser RAV-Mitglied Antonia von der Behrens, die als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren tätig ist und darüber berichten wird.
    Details: 14. November 2014, 10:00 Uhr
    Humboldt Universität zu Berlin
    Institut für Sozialwissenschaften
    Universitätsstrasse 3b
    10117 Berlin Einladungssflyer (PDF)

    «Insight NSU»
    Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe «Insight NSU» will diese Lücke schließen.
    Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei).

    Liz Fekete
    Why the NSU Case Matters: Structural Racism in Europe

    Across the EU, there is a crisis in governance, and politicians are increasingly seen as unaccountable elites removed from the fears of ordinary people in a rapidly changing and less secure globalised world. It is the far-right and anti-immigration movements that are beneftting from this crisis, argues Liz Fekete in a talk which will also focus on the growth of an un-democratic and unaccountable Security State. Taking the fght to establish the truth in the NSU case as the model for all future citizen campaigns across Europe, she will argue that only a concerted struggle against all forms of racism (popular, institutional, State) and fascist terror can guarantee Europe‘s democratic future. Before coming to Berlin, Liz Fekete, Executive Director of the IRR and head of its European Research Programme, will visit the trial in Munich for a second time.
    With Prof. Dr. Gökce Yurdakul, Head of Department Diversity and Social Confict; Antonia von der Behrens, Lawyer for the Co-Plaintiffs; Liz Fekete, Executive Director of the IRR
    Moderation: Dr. Birgit zur Nieden, Assistant Professor at the Department Diversity and Social Confict, Humboldt-Universität zu Berlin (s.a. Liz Fekete: Rechte Gewalt in Europa, Das Konzept der Anti-Extremismus schwächt den antifaschistischen Widerstand; Standpunkte 17/2014 der Rosa-Luxemburg-Stiftung) Soundcloud ************* Die nächste Veranstaltung in der Reihe "Insight NSU" findet am 23.1.2015 um 19:30 im Taz-Café, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin statt: "Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen".
    Diskussion mit Daniel Holder, Belfast Während des Nordirlandkonflikts haben Polizei und Geheimdienste immer wieder Informanten in paramilitärische Gruppen eingeschleust und deren Verwicklung in schwere Straftaten – auch Mord – gesteuert, erleichtert oder toleriert. Seit dem Karfreitagsabkommen ist die Zusammenarbeit von Sicherheitskräften und protestantischen Paramilitärs immer wieder Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Daniel Holder ist stellvertretender Direktor des «Commitee on the Administration of Justice» (CAJ) in Belfast, das sich dafür einsetzt, dass die Regierung ihrer Verantwortung für die Umsetzung internationaler Menschenrechte in Nordirland nachkommt. Daniel Holder wird zwei Tage den NSU-Prozess in München beobachten und anschließend in Berlin vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Nordirland das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden und Neonazis im Fall des NSU-Komplexes kommentieren. Moderation: Prof. Juliane Karakayali Flyer 23.1.2015 (PDF)  ]]>
    Insight NSU
    news-373 Wed, 22 Oct 2014 13:20:00 +0200 Referentenentwurf des BMJV eines Gesetzes zur Verbesserung der internationalen Rechtshilfe bei der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Sanktionen und bei der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-des-bmjv-eines-gesetzes-zur-verbesserung-der-internationalen-rechtshilfe-bei-der-vollstreckung-von-freiheitsentziehenden-sanktionen-und-bei-der-ueberwachung-von-bewaehrungsmassnahmen-373 Gemeinsame Stellungnahme von Strafverteidigervereinigungen und RAV vom 21.10.14 Rechtsanwalt Carl W. Heydenreich, Bonn
    Vorstand Strafverteidigervereinigung NRW (1) Überwachungsanordnung - Die Rahmenbeschlüsse nennen eine Umsetzungsfrist bis längstens 05. Dezember 2011 (Vollstreckung Freiheitsstrafen und Bewährungsüberwachung) bzw. 01. Dezember 2012 (Überwachungsanordnung)
    (2) So u.a. beim Rahmenbeschluss über den EU-Haftbefehl (2002/584/JI) im Achten Teil, §§ 78 ff., und über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (2005/214/JI) in Abschnitt 2 des Neunten Teils, §§ 86 ff. IRG
    (3) Auslieferung und Durchlieferung (8.Teil), Vollstreckungshilfe (9. Teil) und sonstige Rechtshilfe (10. Teil)
    (4) So bei der Überwachungsanordnung oder der Europäischen Ermittlungsanordnung
    (5) Beides Änderungen, die sicherlich begrüßenswert sind, ohne dass hierauf weiter unten nähereinzugehen sein wäre
    (6) aber auch §§ 84b Abs.2, 84g Abs. 4 IRGE
    (7) unter dem Blickwinkel der EMRK
    (8) wie auch die Überwachungsanordnung grundsätzlich solche des Verdächtigen
    (9) die in vielen anderen EU-Staaten, so den Niederlanden, längst erfolgt ist
    (10) so in § 84a Abs. 1 Nr. 3a IRGE
    (11) unter Verstoß gegen die Gliederung der Stellungnahme wird unter inhaltlichen Gesichtspunkten bereits an dieser Stelle hierzu Stellung genommen
    (12) zu dieser Problematik und dazu, dass die Vorschrift nicht weit genug reicht, weiter unten
    (13) und nicht nur den
    (14) die zwangsläufige Folge, jeweils Fälle notwendiger Beistandsleistung anzunehmen, realisiert der Referentenentwurf nicht
    (15) Darauf, dass der Verweis auf § 54a IRGE in § 84g Abs. 4 IRGE ersatzlos zu streichen ist, wurde bereits hingewiesen.
    (16) ohne hier auf §§ 84g Abs. 4, 54a IRGE einzugehen
    (17) Es erscheint bezeichnend, dass diese Problemstellung gänzlich vernachlässigt wird, wohingegen die gegenseitige Anerkennung bei der Vollstreckung von Geldstrafen oder Geldbußen bereits lange detaillierte Regelung erfahren hat. StN als PDF]]>
    news-359 Mon, 22 Sep 2014 09:06:00 +0200 Senatorin Kolat schafft Klarheit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/senatorin-kolat-schafft-klarheit-359 Pressemitteilung, 22.9.2014 ›Einigungspapier‹ wurde vom gesamten Senat verabschiedet
    Ausländerbehörde muss die Zusagen umsetzen Zahlreiche im RAV organisierte Kolleginnen und Kollegen vertreten die protestierenden Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Gerhart-Hauptmann-Schule. Sie haben dabei die Feststellung machen müssen, dass gerade diese Mandanten seitens der Berliner Ausländerbehörde schlechter behandelt werden, als dies bei Flüchtlingen in Berlin ohnehin schon der Fall ist. Und das trotz des ›Einigungspapiers‹, das explizit eine »umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren« und «Unterstützung« der Flüchtlinge vorsieht. Der RAV hat mit Presseerklärung vom 14.08.2014 darauf hingewiesen, dass »in keinem Fall ernsthaft einzelfallbezogen geprüft wurde. Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp«. Mit dieser rigiden Haltung der Ausländerbehörde werden die Verfahren so einfach beendet, die Flüchtlinge von einem Tag auf den anderen in die Obdachlosigkeit getrieben. In dem schon zynisch zu nennenden Verhalten des Innensenators wird das besonders deutlich: Er fühlt sich an das ›Einigungspapier‹ nicht gebunden, behauptet aber gleichzeitig, die Ausländerbehörde habe es angemessen umgesetzt. Antwortschreiben der Senatorin Kolat
    Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Der RAV hat daraufhin in einem Schreiben an die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen um Aufklärung dieser Vorgänge gebeten. Weiter wollte der RAV wissen, ob die Senatorin das ›Einigungspapier‹ mit  Rechtsbindungswillen unterschrieben hat. Die Senatorin Kolat antwortete dem RAV mit Schreiben vom 11. September 2014, dass sie damit beauftragt war, »für den Senat über Gespräche mit den Flüchtlingen eine Einigung zu erzielen« und weiter: »Jedes Wort im Einigungspapier wurde in Chefgesprächen zwischen Herrn Senator Henkel und mir abgestimmt«. Sie teilt zudem mit, es »besteht kein Zweifel daran, dass das Papier Rechtswirkung entfaltet«. Das Papier sei auch »im Senat ausführlich vorgestellt« worden, und es wurde im Senat zudem »Einvernehmen mit dem Einigungspapier festgestellt«. Für den Vorstand des RAV ist mithin klar, dass die Ausländerbehörde und Innensenator Henkel in klarem Widerspruch zu der erzielten Vereinbarung handeln. Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied Franziska Nedelmann erklärt hierzu, »anders kann das auch gar nicht sein, denn der Regierende Bürgermeister Wowereit, Innensenator Henkel und Senatorin Kolat haben das ›Einigungspapier‹ am 18. April 2014 gemeinsam der Öffentlichkeit als ihren Erfolg vorgestellt. Die Flüchtlinge haben ihrerseits alle Vorgaben erfüllt und die Besetzungen von Oranienplatz und Hauptmann-Schule eingestellt. Das Handeln der Ausländerbehörde widerspricht der Vereinbarung und den Aussagen der Senatorin eklatant. Der RAV-Vorstand fordert daher vom Berliner Senat, unmittelbar dafür Sorge zu tragen, dass die Verfahren in rechtskonformer Weise und im Geiste des ›Einigungspapiers‹ geführt werden. Für die bereits beendeten Verfahren bedarf es einer Wiederaufnahme«. Der RAV-Vorstandsvorsitzende und Rechtsanwalt Martin Heiming: »Mit ihrem Schreiben macht die Senatorin zugleich deutlich, dass es im öffentlichen Interesse liegt, eine Lösung für die Flüchtlinge nicht irgendwo, sondern in Berlin zu finden. Das Verhalten der Ausländerbehörde und des Innensenats ist unerträglich. Der Regierende Bürgermeister ist noch im Amt und muss hier sofort seine Richtlinienkompetenz einsetzen«. Der RAV fordert den Berliner Senat auf: Der Senat muss sofort einen Beschluss für die Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Hauptmann-Schule fassen, der folgende Mindestregelungen enthält:
    * Wiederaufnahme aller bereits als beendet erklärten Verfahren
    * Erteilung einer humanitären Duldung für alle bis zum rechtskräftigen Abschluss der Antragsverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
    * Berücksichtigung der im Einigungspapier enthaltenen Unterstützungszusagen im Rahmen der behördlichen Ermessenausübung.
    *  Das Aufenthaltsgesetz beinhaltet verschiedene Möglichkeiten, den Rechtsstatus der Personen zu Gunsten der Betroffenen zu regeln. Wir fordern, diese strikt anzuwenden. Zudem fordert der RAV: *  Die Aufhebung der Residenzpflicht bundesweit.
    *  Die Unterbringung aller Flüchtlinge und Asylbegehrenden in Wohnungen und nicht in Sammelunterkünften.
    *  Den umgehenden Zugang zu Deutschkursen, Arbeitsmarkt und Bildungseinrichtungen.
    *  Das Engagement des Berliner Senats bei der Bundesregierung für die umgehende Änderung des Europäischen Flüchtlings- und Asylrechts, besonders Dublin III, sowie die Entwicklung menschenrechtskonformer Verträge und Gesetze, die das Massensterben von Flüchtlingen beenden. Kontakt
    RAV-Geschäftsstelle Tel. 030.417 235-55 PM_Senatorin Kolat schafft Klarheit (PDF)]]>
    Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-357 Mon, 01 Sep 2014 16:24:00 +0200 Internationale Karawane der Juristen in Kolumbien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationale-karawane-der-juristen-in-kolumbien-357 Pressemitteilung, 1.9.2014 Mehr als 400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ermordet Vom 23. bis 31. August besuchte die IV. Internationale Karawane der Juristen (IV Caravana Internacional de Juristas) Kolumbien. Die Karawane bestand aus 70 Rechtsanwält_innen, Richter_innen und Jurist_innen aus 12 verschiedenen Ländern. Sie ist in sieben verschiedene Regionen in Kolumbien gereist, um sich mit Rechtsanwält_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen, Richtern_innen und verschiedenen staatlichen Institutionen zu Treffen. Anliegen der Delegation ist es, auf die schwierige Lage von Rechtsanwält_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen in Kolumbien aufmerksam zu machen. Sie werden aufgrund ihrer Berufsausübung stigmatisiert, mit dem Tode bedroht oder sogar ermordet. Zwischen 1991 und 2012 sind in Kolumbien über 400 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ermordet worden. Rechtsanwältin Katharina Gamm nahm als Repräsentantin des RAV und der Rechtsanwaltskammer Berlin an der der Karawane in der Regionalgruppe Medellin teil. Sie erklärt dazu: „Es ist bewundernswert mit welchem Engagement unsere Kolleginnen und Kollegen sich für ihre Mandantschaft einsetzen, trotz der Gefahr, der sie sich täglich ausgesetzt sehen. Ein Rechtsanwalt berichtete uns, wie er bei einem Mandantengespräch in einem Café bedroht wurde. Der kolumbianische Staat muss endlich die Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen gewährleisten.“ Ohne das Engagement von Menschenrechtsanwält_innen haben weite Teile der armen sowie der indigenen, enteigneten Bevölkerung keinen Zugang zum Recht. Opfer der Paramilitärs und von sexualisierter Gewalt bleiben schutzlos, die Täter gehen straffrei aus. Der RAV wird die Situation der Kolleg_innen in Kolumbien verfolgen und weiter darüber berichten. Am Samstag präsentierte die Karawane ihren Abschlussbericht in der Universität Incca in Bogotá. Rechtsanwältin Katharina Gamm steht für Rückfragen zur Verfügung. Kontaktaufnahme bitte über die RAV-Geschäftsstelle. PM: Internationale Karawane der Juristen in Kolumbien (PDF)]]> Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-356 Tue, 26 Aug 2014 14:58:00 +0200 Freiheit statt Angst 2014 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-statt-angst-2014-356 Aufruf zur Demonstration am 30.8.2014 Stoppt den Überwachungswahn!
    Die  grenzenlose Überwachung ist Realität. Die Snowden-Enthüllungen belegen:  Geheimdienste und Unternehmen treten unsere Rechte mit Füßen und sind dabei an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Sie dringen in die letzten und intimsten Winkel unserer Privatsphäre vor. Mit Verlaub, es reicht! Wer überwacht wird, ist nicht frei!
    Neue Überwachungsgesetze und Kontrolltechnologien zerstören unsere Freiheit und Selbstbestimmung. Demokratie lebt durch angstfreie Meinungsäußerung  und überwachungsfreie Rückzugsräume. Diese zu verteidigen liegt in der Verantwortung von uns allen! Aufstehen statt Aussitzen!
    Derweil übt sich unsere Bundesregierung in stoischer Untätigkeit. Sie ist im Begriff unsere Grundrechte aufzugeben, aber so leicht lassen wir Merkel und Co. mit ihrer Strategie des Aussitzens nicht davon kommen. Deshalb stehen  wir gemeinsam auf, um die grenzenlose Überwachung endlich zu beenden! Wir  wollen eine freie, demokratische und offene Gesellschaft. Wir wollen Solidarität statt Misstrauen. Wir wollen freie Gedanken statt Selbstzensur. Wir wollen mehr Mut und Engagement statt Ohnmacht und Resignation. Wir brauchen Freiheit statt Angst. Wir brauchen Euch! Ablauf:
    14:00 Uhr Kundgebung startet mit Musik und Redebeiträgen
    15:30 Uhr Demonstrationszug durch das Regierungsviertel
    17:30 Uhr Abschlusskundgebung mit Musik und Redebeiträgen Redner*innen:
    Annegret Falter (Whistleblower Netzwerk), Astrid Goltz (Humanistische Union), Jacob Appelbaum (IT-Sicherheitsexperte), Katharina Nocun (Campact), Matthias Spielkamp (Reporter ohne Grenzen), Peter Schaar (Bundesdatenschutzbeauftragter a.D.), Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte), Sebastian Schweda (Amnesty International), Wieland Dietrich (Freie Ärzteschaft) Das Bündnis, dem sich der RAV angeschlossen hat, findet sich hier . Alle Infos unter https://freiheitstattangst.de/]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet) Überwachung
    news-354 Thu, 14 Aug 2014 12:24:00 +0200 Henkel und Kolat verdrehen die Wirklichkeit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/henkel-und-kolat-verdrehen-die-wirklichkeit-354 Pressemitteilung, 14.8.2014 Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp Seit zwei Tagen geht es durch die Presse: Sozialsenatorin Kolat (SPD) lobt den Umgang des Landes Berlin mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz und erklärt: »Das ist ein ganz außergewöhnliches Verfahren, das Berlin hier praktiziert«.(1) Innensenator Henkel (CDU) bemängelt, die Flüchtlinge würden die »vereinbarten Regeln« nicht beachten.(2) Tatsächlich halten sich weder Senat noch Ausländerbehörde an Zusagen aus dem sogenannten ›Einigungspapier Oranienplatz‹ vom 18. März 2014. In keinem Fall wurde bisher ernsthaft einzelfallbezogen geprüft. Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp. Offensichtlich wird das ›Einigungspapier‹ von der Innenverwaltung und der Ausländerbehörde Berlin als bloße, rechtlich vollkommen unverbindliche Erklärung eingestuft. In einem Schreiben der Innenverwaltung vom 8. Juli 2014 heißt es, man wolle »nochmals« darauf hinweisen: »dass kein Abschiebestopp gem. § 60 a AufenthG durch den Senat für Inneres und Sport angeordnet wurde. Des Weiteren wurden keinerlei Zusicherungen gemacht, Duldungen in Berlin zu erteilen oder Anträgen auf Umverteilung zuzustimmen«. Festzustellen ist: Die Thematik der Flüchtlinge vom Oranienplatz berührt vielfältige Rechtsfragen. Innensenator Henkel verleugnet dies, spricht aber in der Öffentlichkeit, ebenso wie die Integrationssenatorin Kolat, vom ›Oranienplatzverfahren‹ und erzeugt damit bewusst den Anschein eines rechtlichen Verfahrens. Gleichzeitig nimmt die Ausländerbehörde Berlin die jeweils restriktivste Rechtsauslegung vor. Faktisch findet ein – rechtlich mögliches und gebotenes – Ausüben von Ermessensspielräumen in keinem Fall statt. An dem ›Verfahren‹ haben auch die Kirchen sehr deutliche Kritik geübt (http://www.rbb-online.de/politik/thema/streit-um-fluechtlingsheime/beitraege/diakonie-und-caritas-schreiben-brandbrief-zur-fluechtlingspolitik-an-senat.html).
    Ebenso haben maßgebliche Mitglieder des Landesbeirats das Vorgehen kritisiert (http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wollen-sie-fluechtlinge-schuetzen-oder-wollen-sie-es-nicht-364/).
    Auch der Flüchtlingsrat hat massive Kritik geäußert (http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe2.php?post_id=684).
    In einem Rechtsgutachten wurden die rechtlichen Verbindlichkeiten für den Senat, die sich aus dem Einigungspapier ergeben, klar aufgezeigt (unter: rav.de, http://bit.ly/1q3RFdt). Tatsächlich gibt es keinerlei Willen, eine Lösung für die Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Gerhart-Hauptmann-Schule zu finden. Es gibt kein ›Oranienplatzverfahren‹! Dies alles wegzureden, wie es insbesondere auch Senatorin Kolat jetzt tut, ist unlauter und beschämend. Die Ausländerbehörde Berlin erklärt sich in allen Fällen für nicht zuständig. Dies ist Senatorin Kolat und auch Senator Henkel bekannt. Der Rat von Senatorin Kolat an die Flüchtlinge, »einen Antrag auf humanitären Aufenthalt zu stellen«,(3) ist vor diesem Hintergrund mehr als zynisch. Das Vorsprechen der Flüchtlinge vom Oranienplatz bereitet allein die Ablehnung ihrer Anträge oder deren Abschiebung vor. Eine Beratung kann so nicht erfolgen. Senatorin Kolat sucht jetzt offensichtlich – nach langem Schweigen – den Schulterschluss zu Innensenator Henkel. Es ist offensichtlich, dass die Betroffenen nur Spielball der Politik sind und es nie ein Interesse an einer Lösung gab. Die Ausländerbehörde beteiligt sich an diesem Spiel. Sie erweckt den Eindruck, es gäbe ein Verfahren auf Grundlage eines Papiers, das sie selbst in ihrer Praxis für null und nichtig erklärt. Wenn es kein Verfahren gibt, gebietet es der politische Anstand, hierüber zumindest die Flüchtlinge und die Öffentlichkeit nicht zu täuschen. Wir fordern die Innenverwaltung auf,Wir fordern den Senat auf, sofort einen Beschluss für die Flüchtlinge vom Oranienplatz zu fassen, der folgende Mindestregelungen enthält:Kontakt:
    RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwältin Berenice Böhlo über 030.417235-55 oder 030.446792-31 (1) Vgl. taz vom 13. August 2014, S. 21.
    (2) Vgl. http://www.rbb-online.de/politik/thema/streit-um-fluechtlingsheime/beitraege/henkel-zieht-bilanz-zu-oranienplatz-fluechtlingen.html.
    (3 ) Vgl. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/kolat-raet-o-platz-fluechtlingen-zu-antrag-auf--humanitaeren-aufenthalt-,10809148,28099788.html. Pressemitteilung (PDF):
    Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp.
    Henkel und Kolat verdrehen die Wirklichkeit]]>
    news-353 Tue, 22 Jul 2014 16:55:00 +0200 Gesetz zur Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-umsetzung-der-empfehlungen-des-nsu-untersuchungsausschusses-des-deutschen-bundestages-353 Stellungnahme vom 21.7.2014 zum Stellungnahme (PDF)]]> news-352 Tue, 22 Jul 2014 10:19:00 +0200 Wollen Sie Flüchtlinge schützen – oder wollen Sie es nicht? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wollen-sie-fluechtlinge-schuetzen-oder-wollen-sie-es-nicht-352 GEMEINSAMER OFFENER BRIEF, 22.7.2014 sehr geehrte Frau Senatorin Kolat,
    sehr geehrter Herr Senator Henkel,
    sehr geehrter Herr Mazanke, Das „Einigungspapier Oranienplatz“, das nach langen Verhandlungen zwischen der Senatorin Kolat im Auftrag des Berliner Senats und Delegierten der Flüchtlinge erarbeitet wurde, ist am 18. März 2014 als „friedliche Lösung“ des Flüchtlingsprotests präsentiert worden. Doch was für eine Lösung wird hier für wen präsentiert? Die Flüchtlinge, die seit Oktober 2012 in Berlin für ihre Rechte demonstriert haben, räumten am 8. April 2014 freiwillig ihr Protestcamp am Oranienplatz. Ein Großteil der Flüchtlinge aus der Gerhart-Hauptmann-Schule zog unter massiver Polizeipräsenz Ende Juni 2014 aus der Schule aus. Die Orte des Protestes sind damit aufgegeben worden. Das ist eine Lösung: allerdings ausschließlich eine ordnungspolitische für den Berliner Senat. Eine Lösung für die Flüchtlinge, die das „Einigungspapier Oranienplatz“ betrifft, ist dagegen nicht in Sicht. Wer sind diese Flüchtlinge? Wir sprechen von über 500 Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten, die teilweise lebensgefährliche Fluchtwege hinter sich haben, um Europa zu erreichen, die massive Gewalt erlebt haben, die in ihrer großen Mehrheit aufgrund dieser Erfahrungen an schweren Traumatisierungen leiden. Und wir sprechen über Menschen, die seit fast zwei Jahren immer wieder versuchen, auf diese unhaltbaren menschenunwürdigen Zustände hinzuweisen. Während Sie, Frau Senatorin Kolat, in dem Einigungspapier formulierten, dass für die Teilnehmer/innen der „Vereinbarung Oranienplatz“ „auf Antrag eine umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten erfolgt“, „die Ausländerbehörde die Antragstellerinnen und Antragsteller beratend unterstützt“ und „die Flüchtlinge […] Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven“ erhalten, lehnen Sie, Herr Senator Henkel, jegliche Zuständigkeit für diese Menschen ab. Aus dem „Einigungspapier“ ergäbe sich keinerlei Verpflichtung zur umfassenden Einzelfallprüfung. Diese ablehnende Haltung des Innensenats setzen Sie, Herr Mazanke, entgegen den Vorgaben aus dem „Einigungspapier“ durch die momentane Praxis gegen die Flüchtlinge gewendet um: Die Anträge auf Aufenthaltserlaubnis können zwar bei der Berliner Ausländerbehörde gestellt werden, werden in Berlin aber entweder NICHT bearbeitet, oder es findet eine Würdigung der einzelnen Schicksale durch die Berliner Ausländerbehörde im Einzelfall NICHT statt. Vielmehr bekommen die Flüchtlinge teilweise schon bei ihrer ersten Vorsprache die Ablehnung ihrer Anträge in die Hand gedrückt. Selbst die Umverteilungsanträge nach Berlin werden aufgrund Ihrer pauschal verweigerten Zustimmung abgelehnt. Das Hauptanliegen der Flüchtlinge und deren Gründe, die Vereinbarung zu schließen, werden damit ignoriert. Das ist ein falsches Spiel auf dem Rücken der Betroffenen, bei dem ausschließlich der Innensenat und die Berliner Ausländerbehörde die restriktiven Spielregeln bestimmen. Die Betroffenen sind so dazu gebracht worden, den Oranienplatz und die Schule zu räumen und sich registrieren zu lassen. Sie sind damit in Vorleistung gegangen. Die versprochene Gegenleistung allerdings wird verweigert. Das ist das Gegenteil einer „Senatspolitik der ausgestreckten Hand“, und es ist vor allem kein „politischer und humanitärer Erfolg für Menschen, die viel Leid erlebt haben“, wie Sie, Herr Regierender Bürgermeister, in Ihrer Regierungserklärung vom 10. April 2014 das „Einigungspapier Oranienplatz“ bezeichnet haben. Sie, Frau Senatorin Kolat, haben in dem „Einigungspapier“ außerdem erklärt, Sie unterstützten „die Flüchtlinge, ihre politischen Forderungen in die Gremien im Land Berlin, auf die Bundesebene und nach Europa zu tragen“ und die Umsetzung des „Einigungspapiers“ begleiten zu wollen. Wo ist Ihre Stimme geblieben? Sie, Herr Bürgermeister Wowereit, haben in Ihrer zitierten Regierungserklärung erklärt, dass es „die Aufgabe von Innenverwaltung und Ausländerbehörde [ist], diese Prüfverfahren konstruktiv zu begleiten. […]. Niemand hat den Flüchtlingen Zusagen über das Ergebnis dieser Verfahren gemacht und hätte es auch nicht machen können. Sehr wohl aber Vertrauenszusagen: dass nicht pauschal geurteilt wird, sondern jedes einzelne Schicksal einzeln betrachtet wird. […]. Für diese sorgfältige Prüfung mit humanitärem Blick gibt es nun die nötige Zeit.“ Das Gegenteil aber passiert nun. Wo ist Ihre Stimme geblieben? Sie schulden den Betroffenen eine Erklärung. Wir möchten dringend mit Ihnen in einen Austausch treten über die Umsetzung des Papiers, über eine mögliche Lösung für die Menschen. Um den von Ihnen und Ihrer Kollegin, Senatorin Kolat, gegebenen Zusagen die dringend notwendigen Umsetzungen folgen zu lassen, müssen Sie von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und „Vertrauenszusagen“ damit praktisch werden lassen. Dazu suchen wir mit Ihnen das Gespräch. Das Gutachten von Prof. Dr. Fischer-Lescano, das von der Integrationsbeauftragten in Auftrag gegeben wurde, bietet dafür eine hilfreiche Grundlage. Mit freundlichen Grüßen Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | Greifswalder Str. 4 | 10405 Berlin | Tel 030.417 235 55 | Fax 030.417 235 57 | www.rav.de | kontakt@rav.de Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. | Köln  | www.grundrechtekomitee.de | Pro Asyl e.V. | Frankfurt/M. | www.proasyl.de | VDJ. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Krefeld | www.vdj.de | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Berlin | www.fluechtlingsrat-berlin.de | Yonas Endrias, Ibrahim Kanalan, Natascha Kelly (Mitglieder im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen) | Berlin | www.berlin.de/lb/intmig/beirat | Migrationsrat Berlin Brandenburg e.V. | Berlin | www.migrationsrat.de| Reach Out. Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus und Rassismus | Berlin | www.reachout.de AnsprechpartnerInnen über RAV-Geschäftsstelle (030. 4172 3555): Berenice Böhlo (Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied im RAV) und Ibrahim Kanalan (Volljurist und Mitglied im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen)  Gemeinsamer Offener Brief (PDF)]]>
    Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-351 Thu, 03 Jul 2014 16:11:00 +0200 Eine Bewegung lässt sich nicht räumen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/eine-bewegung-laesst-sich-nicht-raeumen-351 Aufruf zur Demonstration am 5.7.14 um 14h in Berlin Bleiberecht für alle! Seit eineinhalb Jahren wird die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg von Geflüchteten aus verschiedenen Ländern bewohnt. Am 24. Juni 2014 hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nun begonnen, das Gebäude zu räumen. Mit 900 teilweise schwer bewaffneten und gepanzerten Polizist_innen wurden die Bewohner_innen zu »einem freiwilligen Umzug« gezwungen. Ein Teil wurde in Unterkünfte am Rande der Stadt verfrachtet. Diejenigen, die zu dem Zeitpunkt des Zwangsumzugs gerade nicht in der Schule waren, sind nun obdachlos und werden von den Ersatzunterkünften abgewiesen. Doch damit nicht genug: Nachdem sich etwa 40 Bewohner_innen aufs Dach der Schule flüchteten und in ihrer Verzweiflung damit drohten, sich im Fall einer Räumung hinunter zu stürzen, hat die Polizei mehrere Straßenzüge rund um die Schule abgeriegelt. Friedlicher Protest wurde mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen und Geflüchtete teilweise über Stunden in Gewahrsam gehalten. Jede_r, der in den abgesperrten Bereich will, muss sich ausweisen, Anwohner_innen werden von Beamt_innen zu ihren Häusern eskortiert. In der Schule selbst werden die Besetzer_innen von der Polizei provoziert – die Strategie scheint zu sein: Psychoterror, bis das Räumungskommando kommt. Die Besatzungsstrategie der Polizei ist ein Skandal. Dank der tagelangen Präsenz von Aktivist_innen vom Oranienplatz und aus der Schule, von zahlreichen solidarischen Berliner_innen und Anwohner_innen konnte mittlerweile internationale Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt werden. Die protestierenden Geflüchteten der Schule in der Ohlauer Straße sind Teil einer politischen Bewegung mit klaren Forderungen. Residenzpflicht, die systematische Nicht-Anerkennung von Fluchtgründen und die Zwangsunterbringung in oft völlig isoliert liegenden Unterkünften machen das Leben für die oft schon in ihrem Herkunftsland traumatisierten Geflüchteten in Deutschland zur Hölle – und das über viele Jahre, oft Jahrzehnte. Wie zuvor die Besetzung des Oranienplatzes war die Aneignung der Schule 2012 kein Selbstzweck. Ziel war es, Orte zu schaffen, an denen Geflüchtete ihren politischen Kampf und ihre Forderungen nach einer menschenwürdigen Behandlung durch den deutschen Staat in die Öffentlichkeit tragen können. Bei der Räumung des Flüchtlings-Camps am Oranienplatz hat der Berliner Senat sein Wort gebrochen. Den Geflüchteten waren die Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge durch das Land Berlin, eine Duldung für sechs Monate, Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildungsprogrammen versprochen worden, wenn sie im Gegenzug den Platz „freiwillig“ verlassen. Diese Zusagen wurden nicht umgesetzt, mehr als zehn Betroffene haben mittlerweile Abschiebebescheide erhalten. Die Betroffenen in der Schule haben aus den Erfahrungen der vermeintlichen „Vereinbarung“ am Oranienplatz gelernt, weder Bezirks- noch Senatsangeboten zu trauen. Sie wissen: Was nach einem „freiwilligen Umzug“ übrig bleibt, sind Vereinzelung, Isolation und Abschiebung! In der Auseinandersetzung um den Oranienplatz und die Gerhart-Hauptmann-Schule wird die gewalttätige Durchsetzung der Festung Europa mitten in Berlin sichtbar. Eine Weltwirtschaftsordnung, die von Exportweltmeister Deutschland maßgeblich mitbestimmt wird, schafft die Konflikte, die an den Außengrenzen der EU und zur Not auch hier nun mit polizeilichen Mitteln gelöst werden sollen. Es ist an der Zeit, die Flüchtlings- und Migrationspolitik auf Bundes-, aber auch auf lokaler und Länderebene zu verändern. Der Berliner Senat könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Er hat alle notwendigen Mittel für eine demokratische, humanitäre Lösung des aktuellen Konflikts in der Hand. Wir fordern den Berliner Senat auf, die bestehenden aufenthaltsrechtlichen Spielräume zugunsten der Betroffenen zu nutzen. § 23 des Aufenthaltsgesetzes sieht vor, dass der Senat aus „humanitären Gründen“ anordnen kann, »dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird«. Wir fordern das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg auf, sich nicht einfach über die Selbstorganisierung von Geflüchteten hinwegzusetzen und Konflikte nicht mittels Polizeigewalt von oben zu »lösen«. Wir unterstützen die Forderungen der GeflüchtetenEine Bewegung lässt sich nicht räumen (Aufruf PDF)]]> Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-350 Tue, 01 Jul 2014 12:47:00 +0200 Der Senat muss seine Zusagen gegenüber den Flüchtlingen einhalten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-senat-muss-seine-zusagen-gegenueber-den-fluechtlingen-einhalten-350 Pressekonferenz am 2.7.2014 Einladung zur PRESSEKONFERENZ des RAV
    Mittwoch, 2. Juli 2014 um 10 Uhr im Gorki-Theater
    Studio Я, Hinter dem Gießhaus 2, 10117 Berlin Pressemappe (PDF) Eindrücke (JPG1)
    Eindrücke (JPG2) Der Senat muss seine Zusagen gegenüber den Flüchtlingen einhalten Der Berliner Senat hat am 18.03.2014 das „Einigungspapier Oranienplatz“ präsentiert. Darin werden die Ziele und der Protest der Flüchtlinge als notwendig und richtig anerkannt. Von allen Seiten der politisch Verantwortlichen wurde diese sogenannte Einigung begrüßt. Der Senat hat sich in den letzten Tagen dahingehend geäußert, dass nun die Flüchtlinge in der Schule in das „Einigungspapier“ einbezogen werden sollen. Eine verbindliche Erklärung gibt es hierzu, soweit ersichtlich, noch nicht. Zudem zeigen die bisherigen Erfahrungen mit der Umsetzung des „Einigungspapiers“ durch die Ausländerbehörde, dass die Innenverwaltung dem Einigungspapier keinerlei rechtliche Bedeutung zumisst und auch den dort verkündeten Abschiebestopp nicht einhalten will. Danach wird Berlin in keinem Fall eine Zuständigkeit anerkennen. Ein von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Auftrag gegebenes Gutachten zur rechtlichen Situation der Flüchtlinge vom Oranienplatz von Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Dr. Matthias Lehnert (beide Universität Bremen) bestätigt aber ausdrücklich den rechtsverbindlichen Charakter des „Einigungspapiers“ vom 18.03.2014. Hierüber und über die aktuelle Situation der Flüchtlinge wird diese Pressekonferenz informieren. Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Berenice Böhlo, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied im RAV
    Dietrich Koch, Leiter von Xenion (Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.), Verfasser fachpsychologischer Stellungnahmen für Teilnehmer der Oranienplatz-Vereinbarung
    Şhermin Langhoff, Intendantin des Gorki-Theater
    Dr. Matthias Lehnert, Mitverfasser des Rechtsgutachtens im Auftrag der Migrationsbeauftragten
    Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin
    Peter Storck/Silke Radosh-Hinder, Heilig-Kreuz-Kirche, Vertretung für die Evangelische Kirche, die die Umsetzung des Einigungspapiers begleitet Berlin, 1.7.2014 Einladung zur Pressekonferenz (PDF)]]>
    Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-349 Tue, 24 Jun 2014 14:09:00 +0200 Nach Wortbruch Räumung.<br />RAV und VDJ fordern sofortiges Ende der gewaltsamen Räumung der Hauptmann-Schule! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nach-wortbruch-raeumung-br-rav-und-vdj-fordern-sofortiges-ende-der-gewaltsamen-raeumung-der-hauptmann-schule-349 Pressemitteilung, 24.6.14, 14:02 h »Im Falle der Räumung drohen weitere Traumatisierungen. Den Bewohnerinnen und Bewohnern muss sofort ein echtes und faires Angebot unterbreitet werden.« Der VDJ-Vorsitzende Dieter Hummel erklärt, »eine gewaltsame Räumung kann keine Lösung sein. Die Menschen in der Schule brauchen eine echte Perspektive.« RAV und VDJ fordern: Keine gewaltsame Räumung! Keine Spaltung der Flüchtlinge durch Räumungsdrohung! PM_Nach Wortbruch Räumung (PDF)]]> news-348 Tue, 24 Jun 2014 10:51:00 +0200 Wortbruch gegenüber den Flüchtlingen vom Oranienplatz!<br />Auch eine Minimalzusage ist eine Zusage /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wortbruch-gegenueber-den-fluechtlingen-vom-oranienplatz-br-auch-eine-minimalzusage-ist-eine-zusage-348 Pressemitteilung, 24.6.2014 Somit ist festzuhalten, der Senat hat das Zustandekommen einer angeblichen „Einigung“ falsch dargestellt. Dennoch gilt: Mit dem „Einigungspapier“ hat der Senat zugleich die Legitimität und Berechtigung des Protests sowie der Forderungen der Flüchtlinge anerkannt. Darüber hinaus hat der Senat mit dem „Einigungspapier“ folgende rechtsverbindliche Zusagen gemacht:Tatsächlich stellt sich die Situation wie folgt dar: Die Supportteams waren in den ersten drei Monaten ausschließlich damit beschäftigt, im Rahmen ungeklärter Fragen die Unterbringung, Versorgung, Registrierung und Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge zu regeln. Verantwortlich waren Streitigkeiten innerhalb der unterschiedlichen Senatsverwaltungen, maßgeblich hat die Innenverwaltung blockiert. Die Innenverwaltung verweigert eine verbindliche Erklärung zur Zuständigkeit des Landes Berlin. Sie hat bisher keine einzige der zugesagten Umverteilungen vorgenommen. Der Berliner Innensenat betrachtet die Leute als illegal, und die Integrationsbeauftragte stellt lediglich sogenannte „Oranienplatzkarten“ aus, auf deren Rückseite vermerkt ist: „Diese Karte entfaltet keinerlei rechtliche Ansprüche“. Ein Abschiebeschutz wird nicht gewährt. Dementsprechend sind Flüchtlinge akut von Abschiebungen bedroht. Erst seit dem 11.06.2014 besteht überhaupt die Möglichkeit, zur Antragstellung in der Ausländerbehörde vorzusprechen. Seither erfolgen Vorladungen verbunden mit der Drohung, dass im Falle des Nichterscheinens das Recht auf Unterbringung und Versorgung verloren gehe. Humanitäre Gründe werden ebenso ignoriert wie psychotherapeutische Stellungnahmen zu traumatisierten Flüchtlingen. Die Innenverwaltung unterläuft so systematisch die Ziele der Vereinbarung. Vermittlungen in Deutschkurse, Praktika, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Ausgabe von Krankenscheinen sind entgegen dem „Einigungspapier“ bisher nur höchst unzureichend bis gar nicht erfolgt. Somit ist festzuhalten, der Senat macht Zusagen, seine Innenverwaltung setzt sie nicht um: Klaus Wowereit hatte in seiner Regierungserklärung „Flüchtlingspolitik in Berlin“ vom 10.04.2014 von einem „fairen“ Verfahren im Umgang mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz gesprochen.(2) Die Innenverwaltung handelt entgegengesetzt und begeht somit Wortbruch. Politisch heißt das, dass dem Berliner Innensenat das Schicksal der Flüchtlinge vollkommen gleichgültig ist. „Hinhaltetaktik und Abschiebung durch die Hintertür zeigen die Skrupellosigkeit der Innenverwaltung. Die Betroffenen werden im juristischen Niemandsland gehalten. Sie geraten in eine unzumutbare Situation, weil sie nicht wissen, ob sie nicht in den nächsten Stunden festgenommen und abgeschoben werden“, so Rechtsanwältin Böhlo, Vorstandsmitglied im RAV. Der RAV fordert: 1. Rechtlich verbindliche Bescheinigungen der Ausländerbehörde und Aushändigung an die Betroffenen mit folgendem Inhalt: Abschiebeschutz von mindestens 6 Monaten, der für die Dauer der anhängigen Verfahren entsprechend verlängert wird, die Bescheinigungsinhaber dürfen sich in Berlin aufhalten. 2. Beides hat das Land Berlin auch verbindlich gegenüber den Innenressorts der anderen Bundesländer zu erklären und durchzusetzen.  3. Unterbringung, Auszahlung von Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung sind zu gewähren. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales ist anzuweisen, allen Betroffenen entsprechende Bescheide und Krankenscheine auszuhändigen, um so Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. 4. Den Flüchtlingen vom Oranienplatz ist eine aufenthaltsrechtliche Perspektive zu eröffnen. 5. Keine Zwangsräumung der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule. Hier ist den Bewohnern ein tatsächliches Angebot zu unterbreiten, das auch eine echte aufenthaltsrechtliche Perspektive beinhaltet. Wir halten fest, bei diesen Punkten handelt es sich um Minimalforderungen. Die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik ist gescheitert. Bei dem Versuch, Schutz vor Verfolgung in Europa zu finden, kommen jedes Jahr mehrere tausend Menschen ums Leben. Der Protest der Flüchtlinge, wie er sich am Oranienplatz, in der Gehart-Hauptmann-Schule und an anderen Orten zeigt, ist berechtigt. Es hat eine grundlegende Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik zu erfolgen, die Flüchtlingen den sicheren Zugang nach Europa gewährleistet, ihre Freizügigkeit schützt und ihre sozialen und politischen Rechte umsetzt. Pressemitteilung_Wortbruch gegenüber den Flüchtlingen vom Oranienplatz (PDF) Kontakt und weitere Informationen:
    Rechtsanwältin Berenice  Böhlo: 030-446792-24 Ein von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zur rechtlichen Situation der Flüchtlinge vom Oranienplatz von Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Matthias Lehnert (Universität Bremen) bestätigt ausdrücklich den rechtsverbindlichen Charakter des „Einigungspapiers“ vom 18.03.2014.
    Gutachten Rechtliche Situation der Flüchtlinge vom Oranienplatz (PDF) Der Sozialrechtsexperte Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin kommt eindeutig zu dem Schluss, dass aus der faktischen Duldung auch sozialrechtliche Ansprüche folgen. Diese Erklärung kann hier
    http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Krankenscheine_Lampedusa.pdf
    eingesehen werden -- (1) Vgl. 19.03.14: Schein-Einigung für den Oranienplatz soll Räumung ermöglichen, http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=675. (2)Vgl. 10.04.14: „Flüchtlingspolitik in Berlin: Augenmaß, Menschlichkeit und klare Regeln“. Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zur Flüchtlingspolitik, http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2014/pressemitteilung.103226.php.    ]]>
    Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-347 Fri, 06 Jun 2014 13:29:00 +0200 Ist die Mietenbremse der Großen Koalition ein effektives Mittel zur Bekämpfung der Mietenexplosion? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ist-die-mietenbremse-der-grossen-koalition-ein-effektives-mittel-zur-bekaempfung-der-mietenexplosion-347 Veranstaltungshinweis 23.6.14 in Berlin Mosaik-Raum, Oranienstraße 34, 10999 Berlin-Kreuzberg
    Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl (über dem 'Familiengarten') Die Bundesregierung hat im März dieses Jahres einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Mietrechts vorgelegt. Kernstück ist die sog. Mietenbremse. Die Miete soll bei Wiedervermietung auf 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt sein. So hatte es bereits im Koalitionsvertrag gestanden. Aber würde das Gesetz in der jetzigen Form tatsächlich bezahlbaren Wohnraum erhalten und den Mietenanstieg bremsen? Bedenken sind angebracht, denn das Gesetz enthält viele Beschränkungen und Ausnahmen. Es soll nur zum Teil für Wohnraum zur Anwendung kommen, der in den letzten drei Jahren modernisiert wurde. Bei umfangreicher Modernisierung wird es überhaupt nicht gelten, und die VermieterInnen, die schon jetzt mehr als die Vergleichsmiete von ihren MieterInnen verlangt haben, werden dies auch zukünftig tun dürfen. Gleichzeitig werden für die MieterInnen erhebliche formale Hürden aufgebaut, ihr Recht überhaupt einfordern zu können. Zudem erhält eine Begrenzung des Entgeltes auf 10 % über der Vergleichsmiete keinen bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache Mieterinnen und Mieter. Die JobCenter übernehmen regelmäßig nur Mieten für Wohnungen, die nicht teurer sind als vergleichbare Unterkünfte in einfachen Wohnlagen. Eine Überschreitung von 10 % der Vergleichsmiete wird vom JobCenter nicht bezahlt. Schließlich soll es ein folgenschweres Geschenk an die Vermieterseite geben: Geplant ist die Abschaffung von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Hiernach ist es derzeit noch verboten, unter Ausnutzung der Notlage am Wohnungsmarkt von Mieterinnen und Mietern mehr als 20 % der Vergleichsmiete zu verlangen. Die 60 Jahre lang bußgeldbewährte Sanktionierung von Mietpreisüberhöhungen soll nun legalisiert werden. Eine sanktionierte generelle Begrenzung der Miethöhe wird es bei den zahlreichen Ausnahmen, die die Mietenbremse vorsieht, zukünftig nicht mehr geben. Ob dieser Nachteil durch die von der Bundesregierung geplante Mietenbremse letztlich aufgewogen wird, ist mehr als fraglich. Der Arbeitskreis Mietrecht im RAV hat den Gesetzesentwurf kritisch gewürdigt und stellt diesen zusammen mit Änderungsvorschlägen vor: Montag, 23. Juni 2014, 19.30 Uhr
    Mosaik-Raum, Oranienstraße 34, 10999 Berlin-Kreuzberg

    Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl (über dem 'Familiengarten') Die Stellungnahme des Arbeitskreises finden Sie auf der Internetseite des RAV unter http://bit.ly/1hQxZBF Einladung (PDF) zur Veranstaltung am 23.6.14 in Berlin]]>
    news-346 Tue, 03 Jun 2014 10:32:00 +0200 Präsentation des Grundrechte-Reports 2014 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/praesentation-des-grundrechte-reports-2014-346 Pressemitteilung 3.6.2014 heidi.borhau@fischerverlage.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Sven Lüders unter Telefon 01520 183 1627 bzw. E-Mail lueders@humanistische-union.de oder Elke Steven unter Telefon 0177 762 1303 bzw. E-Mail info@grundrechtekomitee.de. Pressemitteilung (PDF)]]> news-345 Wed, 28 May 2014 09:49:00 +0200 Interdisziplinäre Fachseminare zum Istanbul-Protokoll /publikationen/mitteilungen/mitteilung/interdisziplinaere-fachseminare-zum-istanbul-protokoll-345 Fortbildungshinweis
    Seminartermine
    Berlin: 28. - 29. Juni 2014
    Düsseldorf: 5. - 6. Juli 2014
    München: 26. - 27. Juli 2014 Weitere Infos zum Programm, den ReferentInnen und zur Anmeldung unter: http://www.mfh-bochum.de oder
    Programm (PDF)
    Flyer (PDF)]]>
    news-343 Wed, 30 Apr 2014 12:29:00 +0200 Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zum-gesetzentwurf-der-bundesregierung-die-laender-bosnien-herzegowina-serbien-und-mazedonien-zu-sicheren-herkunftslaendern-zu-erklaeren-343 Appell gegen Gesetzesentwurf – zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären – Solange das asylabwehrende, rigide Visaregime gegenüber den Staaten des vormaligen Jugoslawiens bestand – bis in die Jahre 2009/2010 –, konnten überhaupt nur wenige Flüchtlinge aus diesen Staaten um Asyl und Schutz in Deutschland nachsuchen. Sie kamen erst gar nicht über die Grenzen. Mit der Aufhebung der Visumpflicht hat sich dieses geändert. Da man jedoch diskriminierten und verarmten Roma, die nun die Gelegenheit nutzen, ihrem Elend zu entfliehen, in Deutschland keinen Schutz gewähren will, sollen die Staaten Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien kurzerhand zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden. Nach der Regierungslogik: Der Staat, aus dem viele Roma nach Deutschland migrieren, kann nur ein sicherer Herkunftsstaat sein, denn dann ist es einfacher, Roma dorthin abzuschieben. Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen lehnen die vorgeschlagene Gesetzesänderung ab, da sie den Schutzanspruch insbesondere von Roma-Flüchtlingen aus den Staaten des vormaligen Jugoslawiens menschenrechtswidrig untergräbt. Den Schutzsuchenden soll damit auferlegt werden, die generelle staatliche Vermutung zu widerlegen, dass ihr Asylgesuch „offensichtlich unbegründet“ sei, weil sie aus einem vermeintlich „sicheren Herkunftsstaat“ kommen. Die damit einhergehende Beschleunigung des Asyl- und Abschiebeverfahrens geht allein zu ihren Lasten. Faktisch wird ihnen damit die Möglichkeit einer gründlichen Prüfung des Einzelfalls genommen, die bislang in zahlreichen Fällen zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland geführt hat, obwohl bereits in der gegenwärtigen Asylpraxis Ablehnungen im Schnellverfahren üblich sind. Zudem werden mit dem Gesetzentwurf die vielfachen existenzbedrohenden Diskriminierungen und die gewalttätigen Übergriffe, denen viele Roma in den o.g. Ländern ausgesetzt sind, sowie ihre soziale Verelendung von vornherein als nicht schutzrelevant eingestuft. Die Bundesregierung gibt die Zahl derjenigen, die im Jahr 2013 aus diesen künftig zu sicheren Herkunftsstaaten transformierten Ländern Asyl-, Flüchtlings- oder subsidiären Schutz erhalten haben, mit 60 Fällen an. Hinzu kommen weitere 82 Gerichtsentscheidungen im Jahr 2013, mit denen Flüchtlingen ebenfalls ein Schutzanspruch zugesprochen wurde. Mehrere Bundesländer haben die Abschiebungen insbesondere von Roma in Länder des vormaligen Jugoslawiens zumindest über die Wintermonate ausgesetzt, weil sie von existenzbedrohlichen Gefährdungen und höchst unsicheren Rückkehrbedingungen ausgingen. Nach der regierungsamtlichen Logik bleiben diese Sachverhalte jedoch ohne Bedeutung. Betroffen von der geplanten Gesetzesänderung sind auch viele Kinder, denen in ihren Herkunftsländern schulische Bildung verweigert wird. Für sie ist eine Zukunft ohne berufliche Arbeit in den Elendsquartieren der Roma-Siedlungen vorgezeichnet. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt allein darauf ab, die unerwünschten Roma möglichst rasch wieder in ihre Herkunftsstaaten abzuschieben, in denen sie systematisch diskriminiert und in vielen sozialen Belangen massiv benachteiligt und ausgegrenzt werden. Entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung, sich für die Roma-Minderheiten einzusetzen, bleibt die existenzbedrohende Lage von Roma in Südosteuropa ohne Konsequenz. Aus menschenrechtlicher Sicht und aus tatsächlicher Übernahme von Verantwortung für den Völkermord an den Sinti und Roma ist der Gesetzesentwurf abzulehnen. Die Worte von Bundeskanzlerin Merkel zur Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma dürfen nicht folgenlos bleiben. Sie erklärte: „Menschlichkeit – das bedeutet Anteilnahme, die Fähigkeit und die Bereitschaft, auch mit den Augen des anderen zu sehen. Sie bedeutet hinzusehen und nicht wegzusehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Davon lebt jegliche Zivilisation, Kultur und Demokratie. (…) Doch reden wir nicht drumherum: Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung, unter Ablehnung. (…) Sinti und Roma müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Deshalb ist es eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben. (…)“ Der Gesetzentwurf widerspricht diesem Bekenntnis der Bundeskanzlerin eklatant. Die Bundesregierung will nicht hinsehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Statt für die Rechte der Roma jenseits aller Staatsgrenzen zu streiten, werden sie dorthin zurückgeschickt, von wo sie geflohen sind und wo sie unter Ausgrenzung und Ablehnung leiden. Köln, den 30. April 2014 Der vom  Komitee für Grundrechte und Demokratieinitiierte Appell wird von nachfolgenden Bürgerrechtsorganisationen, Rechtsanwaltsvereinen, Flüchtlingsräten, Sinti- und Roma-Verbänden, Fachanwältinnen und Fachanwälte sowie zahlreichen öffentlichen Personen unterzeichnet. Rechtsanwaltsvereine: Deutscher Anwaltverein e.V., Berlin (DAV)
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Berlin (RAV)
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., Krefeld (VDJ) Bürgerrechtsorganisationen: Humanistische Union e.V., Berlin
    Internationale Liga für Menschenrechte, Berlin
    Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
    PRO ASYL – Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V., Frankfurt a.M. Flüchtlingshilfenetzwerke und -organisationen: Aktion 3.Welt Saar
    Arbeitskreis Flüchtlinge und Asyl der IPPNW
    AK Roma-Unterstützer_innen Hamburg
    Courage gegen Rassismus e.V., Frankfurt a. M.
    Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, Freiburg
    Initiative | SCHLÜSSELMENSCH e.V., Freiburg
    Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, Berlin (JRS) Sinti- und Roma-Organisationen: Chachipe e.V.
    BundesRomaVerband, Göttingen (BRV)
    Rom e.V., Köln
    Zentralrat Deutscher Sinti und Roma e.V., Heidelberg Flüchtlingsräte: Bayerischer Flüchtlingsrat e.V.
    Flüchtlingsrat Berlin e.V.
    Flüchtlingsinitiative Bremen e.V.
    Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
    Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
    Flüchtlingsrat NRW e.V.
    Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V Fachanwältinnen und Fachanwälte: Rechtsanwältin Eva Steffen, Aachen
    Rechtsanwältin Sigrid H. Töpfer, Hamburg Weitere Organisationen: Hamburgs aktive Jurastudent_innen (HAJ)
    Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. Einzelpersonen: Prof. Dr. Klaus J. Bade, Osnabrück
    rof. Dr. Micha Brumlik, Frankfurt a. M.
    Prof. Dr. Andreas Buro, Grävenwiesbach
    Klaudia Dolk, Ev. Flüchtlingsberatung, Düsseldorf
    Dr. Ernst-Ludwig Iskenius (IPPNW), Wittstock
    Jürgen Kiefer | Verein für Sozialpsychiatrie gem. e.V., Saarlouis
    Daniel Lede Abal, MdL
    Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin
    Dr. Gisela Penteker, IPPNW
    Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin, Berlin
    Prof. Dr. Albert Scherr, Freiburg
    Prof. Dr. Nausikaa Schirilla, Freiburg
    Irmtraud-Rose Stenzel, Waldkirch im Breisgau
    Christoph Tometten, Berlin
    Dr. Waltraut Wirtgen, IPPNW, München Appell gegen Gesetzesentwurf_Keine sicheren Herkunftsländer (PDF)]]>
    news-342 Fri, 11 Apr 2014 13:28:00 +0200 StN zum GE zur Stärkung des Rechts auf Vertretung durch einen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-ge-zur-staerkung-des-rechts-auf-vertretung-durch-einen-verteidiger-in-der-berufungshauptverhandlung-342 Stellungnahme vom 10.4.2014
  • Das Recht, sich „durch einen Verteidiger … verteidigen zu lassen“, einerseits; die dem deutschen Strafprozessrecht (jedenfalls bisher) fremde Regel, sich – von Ausnahmen abgesehen – von einem Verteidiger „vertreten“ zu lassen, andererseits.
  • Der RefE hat im Wesentlichen einen akzeptablen Weg gefunden, diesen unterschiedlichen und z.T. widersprüchlichen, wenn nicht unvereinbaren Anforderungen gerecht zu werden: Der Vorschlag zur Neufassung des § 329 StPO erweist sich sowohl als konventionskonform als auch vereinbar mit geltendem Verfassungsrecht und anerkannten Strafprozessmaximen. Die Verteidigungsinteressen des Angeklagten werden ebenso gewahrt wie seine Autonomie – in Grenzen (s.u.) – anerkannt. Der Teufel steckt eher im Detail (2.); außerdem harren einige Folgeprobleme der (womöglich gar nicht durch den Gesetzgeber zu leistenden) Lösung (3.): 2. Begrüßenswert ist, dass nunmehr als Regel anerkannt werden soll, dass die Berufungsverhandlung in Abwesenheit des (rechtsmittelführenden) Angeklagten durchgeführt wird, wenn dieser sich durch einen – entsprechend explizit bevollmächtigten – anwesenden Verteidiger vertreten lässt. In Anbetracht der Reichweite einer Vertretung des Mandanten (s.u. 3.) ist es richtig, eine „schriftliche Vertretungsvollmacht“ zu fordern (§ 329 Abs. 2 S. 1 StPO-RefE). Die geplante Neufassung des § 329 Abs. 1 StPO erscheint einerseits sinnvoll, andererseits unnötig kompliziert (betr. S. 2). Bedenklich erscheint, die Berufung bei Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers wegen ungenügender Entschuldigung des abwesenden Angeklagten zu verwerfen, wenn der Verteidiger ihn „nicht weiter vertritt“ (S. 2 Ziff. 1 Alt. 2). Es erscheint nur schwer vorstellbar, dass der Verteidiger durch einseitige Aufkündigung der Vertretung die Rechtskraft des gegen den Mandanten ergangenen erstinstanzlichen Urteils herbeiführen können soll. Auseinandersetzungen im Rahmen der Wiedereinsetzung (§§ 44 ff. StPO) sind vorprogrammiert; dazu schweigt sich der RefE – von dem in § 329 Abs. 6 StPO-RefE vorgesehenen allg. Verweis auf die §§ 44, 45 StPO abgesehen (RefE S. 52) – aus. Der Verweis darauf, dies müsse sich der „vertretene“ Angeklagte (wohl i.S.d. § 85 Abs. 2 ZPO) zurechnen lassen, überzeugt nicht – wirft aber freilich ein Licht darauf, dass Detailprobleme der Vertretung im Strafprozessrecht noch der Lösung harren (s.u. 3.). Der Hinweis, die Verwerfung rechtfertige sich auch in diesem Fall daraus, dass der Angeklagte „seiner trotz Vertretungsmöglichkeit grundsätzlich fortbestehenden Pflicht zum Erscheinen ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist“ (RefE S. 46), überzeugt in zweierlei Hinsicht nicht: Erstens passt es gerade nicht zum Geist der Neuregelung i.S.d. Art. 6 EMRK, dass weiterhin von einer „grundsätzlich fortbestehenden Pflicht zum Erscheinen“ ausgegangen wird, was sich auch mit der geplanten Neuregelung des § 329 Abs. 2 StPO-RefE (s.u.) nicht vereinbaren lässt. Zweitens fehlt der Angeklagte gerade nicht „ohne genügende Entschuldigung“, wenn er einen Verteidiger mit Vertretungsvollmacht beauftragt, statt seiner zu erscheinen. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Entwurf davon ausgeht, dem Angeklagte sei es ja „unbenommen, nunmehr selbst zu erscheinen“ (a.a.O.), zumal das Gericht nicht verpflichtet sein soll, ihn darüber zu informieren, dass der Verteidiger die Vertretung nicht (mehr) wahrnimmt. Die o.g. Regel der Abwesenheitsverhandlung bei Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers wird durch die neue Regel relativiert, dass die Hauptverhandlung nur dann ohne den rechtsmittelführenden Angeklagten stattfindet, wenn nicht „besondere Gründe die Anwesenheit des Angeklagten erfordern“ (§ 329 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO-RefE). Damit wird zwar klargestellt, dass das Gericht nicht stattdessen auf die Verwerfung der Berufung ausweichen darf – welche „besonderen Gründe“ jedoch die Anwesenheit des Angeklagten dermaßen „erfordern“ sollen, dass seine Autonomie gem. Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK zurückzutreten hat, bleibt ausweislich des Wortlauts zunächst unklar. Die Begründung (RefE S. 48/49) lässt allerdings erahnen, dass die Praxis eher selten auf die Anwesenheit des Angeklagten verzichten wird (zumal die Verhandlung/Verurteilung ohne den Angeklagten eher revisibel sein dürfte, als das Bestehen auf seiner Anwesenheit). Damit bliebe von der o.g. Autonomie allerdings nicht viel übrig. Zwar hat auch der EGMR die „legitime Forderung“ anerkannt, auf die Anwesenheit des Angeklagten nicht zu verzichten, wenn die Alternative der Berufungsverwerfung ausscheidet: Dass damit von dem Recht, sich nicht ‚nur‘ verteidigen, sondern auch „vertreten“ zu lassen, ggf. nicht viel übrig bleibt, dürfte letztlich aber auch nicht im Sinne des EGMR sein (sieht man einmal davon ab, dass diese recht weitgehende Auslegung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK nicht unumstritten ist). Dass das Gericht schließlich die Vorführung oder Verhaftung des (trotzalledem) anwesenheitspflichten Angeklagten nur anordnen darf, soweit dies „zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist“ (§ 329 Abs. 3 StPO-RefE), ist zwar als – gegenüber der bisherigen Rechtslage – stärkere Ausprägung  des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu begrüßen, lässt aber die Frage offen, was geschehen soll, wenn dies nicht „geboten“ ist: Die Formulierung erweist sich als missverständlich, erweckt sie doch (entgegen der Begründung, S. 51) den Eindruck, trotz der „besonderen Gründe“ (s.o.) sei eine Hauptverhandlung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit doch ohne den Angeklagten zulässig. In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachvollziehbar, warum hier die Ermessensregelung des § 236 StPO nicht gelten soll. 3. Die Reichweite der durch den RefE gestärkten Vertretungsvollmacht bleibt letztlich ebenso ungeklärt wie so manches damit ggf. verknüpfte Folgeproblem. Zunächst einmal dürften an die „schriftliche Vertretungsvollmacht“ (insoweit im Sprachgebrauch nur geringfügig vom bisherigen § 234 StPO abweichend) zukünftig höhere Anforderungen zu stellen sein, als dies bisher zu § 234 StPO gängige Auffassung war. Soweit der RefE klarstellt: „Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Vollmacht aufgrund einer mündlichen Ermächtigung durch den Angeklagten von dem zu bevollmächtigten Verteidiger selbst unterzeichnet wird“ (S. 42), so wäre es hilfreich, diese Klarstellung auch im Gesetzestext zu verankern. Die Stärkung der Vertretungsmöglichkeit in der Strafverteidigung birgt Risiken sowohl auf Seiten des Mandanten (Zurechnung i.S.d. § 85 Abs. 2 ZPO) als auch auf Seiten des Verteidigers (Regress/Strafbarkeitsrisiko). Zumindest die Reichweite der Bindung (vgl. § 85 Abs. 1 ZPO) ist ungeklärt und so wie für den Zivilprozess entwickelt sicher nicht 1:1 auf den Strafprozess übertragbar. Inwieweit auch hier der Gesetzgeber gefordert ist, Rechtssicherheit zu schaffen, bedarf der Klärung.  Berlin, den 10. April 2014 Stellungnahme als PDF]]>
    news-341 Wed, 02 Apr 2014 13:57:00 +0200 Fritz Bauer - oder Auschwitz vor Gericht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fritz-bauer-oder-auschwitz-vor-gericht-341 Lesung 9. April 2014 um 19 Uhr
    im Hörsaal ESA H im Hauptgebäude der Universität Hamburg
    aus seiner neuen Biografie "Fritz Bauer - oder Auschwitz vor Gericht". Fritz Bauer zwang die Deutschen zum Hinsehen: Inmitten einer Justiz, die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war, setzte er den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess durch. Er kooperierte mit dem israelischen Geheimdienst, um Adolf Eichmann vor Gericht zu bringen. Aber wer war der kämpferische Einzelgänger wirklich? Ronen Steinke erzählt das Leben eines großen Juristen und Humanisten, dessen persönliche Geschichte zum Politikum wurde. Die Veranstalter würden sich freuen, im Anschluss mit den Anwesenden über Themen wie die Aufarbeitung der (Nicht-) Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen, die spezifische Rolle von Juristinnen und Juristen dabei sowie Zivilcourage und Eigenverantwortung ins Gespräch zu kommen. Flyer zur Veranstaltung_PDF Veranstalter
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Humanistische Union, Landesverband Hamburg
    Kritische Jurastudierende Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an
    Rechtsanwalt Jens Peter Hjort, Tel. 040.650 666 90
    kanzlei@arbeitsrechtsanwaelte-hamburg.de oder
    Kritische Jurastudierende
    kritische.jurastudierende@gmail.com]]>
    news-336 Fri, 21 Mar 2014 11:34:00 +0100 Nach 28 Monaten: Anwältinnen und Anwälte in der Türkei aus U-Haft entlassen –<br />Ende des KCK-Verfahrens nicht absehbar /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nach-28-monaten-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-aus-u-haft-entlassen-br-ende-des-kck-verfahrens-nicht-absehbar-336 Gem. Pressemitteilung, 21.3.2014 Pressemitteilung: Nach 28 Monaten: Anwältinnen und Anwälte in der Türkei aus U-Haft entlassen – Ende des KCK-Verfahrens nicht absehbar (PDF)]]> Menschenrechte/Türkei (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-331 Fri, 17 Jan 2014 18:10:00 +0100 Tag des verfolgten Anwalts am 24. Januar 2014 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-am-24-januar-2014-331 Aufruf zur Teilnahme Kundgebung
    vor der Kolumbianischen Botschaft, Taubenstraße 23, 10117 Berlin
    14:00h-15:00h
    anlässlich des Tages des verfolgten Anwalts.

    Im Rahmen der Kundgebung wollen wir eine gemeinsame Petition von europäischen Anwaltsorganisationen an den Botschafter Kolumbiens verlesen und übergeben. Der RAV ist Mitglied in diesen Organisationen.

    Alle Anwältinnen und Anwälte werden gebeten, in Robe zu erscheinen.

    Seit einigen Jahren rufen Anwaltsvereine in Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin zu begehen. An jedem 24. Januar eines Jahres wird in vielen europäischen Städten zeitgleich mit Protestkundgebungen vor den jeweiligen Botschaften auf Kolleg_innen aufmerksam gemacht, die bei der Ausübung ihres Berufes besonders gefährdet sind oder dabei behindert werden. Nachdem in den Jahren zuvor auf die Situation von Rechtsanwält_innen im Iran, in der Türkei und im Baskenland aufmerksam gemacht worden ist, soll in diesem Jahr die Situation der Kolleg_innen in Kolumbien im Mittelpunkt stehen.

    Day of the endangered lawyer 2014

    Kolumbien ist für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ein extrem gefährliches Land. Nach den Angaben der Colombian Caravan UK (http://www.colombiancaravana.org.uk/) sind zwischen 1991 und 2012 über 400 Rechtsanwält_innen in Kolumbien ermordet worden. In den ersten acht Monaten im Jahr 2013 verloren alleine im Valle del Cauca, einer Region im Westen Kolumbiens, elf Kolleg_innen ihr Leben. Immer wieder kommt es zu Morddrohungen, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und Festnahmen von kolumbianischen Rechtsanwält_innen.

    Bei den betroffenen Kolleg_innen handelt es sich oftmals um Menschenrechtsverteidiger_innen. Ihre Arbeit besteht zum einen darin, die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverbrechen anzuprangern und sich für die Verfolgung und Aufklärung solcher Taten einzusetzen. Zum anderen werden Opfer bei der Durchsetzung von Wiedergutmachungsansprüchen vertreten. Hierbei handelt es sich oftmals um indigene und afrokolumbianische Bevölkerungsteile aus den ländlichen Gebieten und den Armenvierteln, die besonders unter dem bewaffneten Konflikt leiden. Besonders betroffen von Bedrohungen waren in letzter Zeit Kolleg_innen, die Mandant_innen juristisch bei deren Vorhaben vertreten, auf ihnen gehörendes Land zurückzukehren, von dem sie illegal vertrieben wurden. Die Arbeit dieser Kolleg_innen ist für den Zugang zum Recht und die Durchsetzung des Rechts unverzichtbar.

    Ein Großteil der Drohungen gegen Anwält_innen wird durch illegale paramilitärische Gruppen ausgesprochen. Immer wieder werden Menschenrechtsverteidiger_innen aber auch durch staatliche Stellen stigmatisiert. Diese Drohungen gegen Rechtsanwält_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen sind aufgrund der vielen Morde sehr ernst zu nehmen.

    Menschenrechtsverteidiger_innen in Kolumbien fordern daher von den staatlichen Autoritäten, dass:

    - ihre Arbeit öffentlich unterstützt wird

    - anerkannt wird, dass der Zugang für Opfer zu den Gerichten zu den Grundvoraussetzungen eines demokratischen Staates gehört.

    Der momentane Friedensprozess mit der Guerilla-Gruppe FARC ist ein positives Signal, dass es Kolumbien gelingen kann, den bewaffneten Konflikt zu beenden.

    Ein dauerhafter Frieden setzt die Beachtung der Forderungen der Opfer nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Reparation voraus. Dafür engagieren sich Anwält_innen in Kolumbien unter Lebensgefahr.

    Der RAV fordert u.a. gemeinsam mit der EDA, ELDH und IDHAE

    Plakat_Freie unabhängige Berufsausübung für Anwältinnen und Anwälte (PDF)

    ***

    Der Tag des verfolgten Anwalts ist ein Projekt, das 2010 von der Kommission ›Verteidigung der Verteidigung‹ der EDA (AED–EDL) gestartet wurde. Ziel ist, an dem Jahrestag internationale Aufmerksamkeit für die weltweiten Bedrohungen, Verfolgungen und Tötungen von Anwältinnen und Anwälten zu erreichen. Anwältinnen und Anwälte werden auf Grund ihrer Berufsausübung verfolgt. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam mit der ELDH geführt. Die Teilnahme weiterer Anwältinnen und Anwälte sowie Menschenrechtsorganisationen ist willkommen. 

    Basictext Situation Columbian lawyers (PDF)

    Petition (PDF)

    ]]>
    Tag des bedrohten Anwalts
    news-330 Wed, 08 Jan 2014 18:54:00 +0100 »Wir spielen Gerechtigkeit« (Oya Aydin, Strafverteidigerin) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-spielen-gerechtigkeit-oya-aydin-strafverteidigerin-330 Bericht vom 9. Verhandlungstag im sog. KCK-Verfahren Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. Bericht vom 9. Verhandlungstag (PDF)]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-329 Thu, 26 Dec 2013 09:19:00 +0100 Strafverteidigung wird in der Türkei weiter kriminalisiert /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverteidigung-wird-in-der-tuerkei-weiter-kriminalisiert-329 Gemeinsame* Pressemitteilung, 26.12.13 Strafverteidigung wird in der Türkei weiter kriminalisiert (PDF) *  
    Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte www.eldh.eu
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. www.rav.de
    Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen www.vdj.de]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-328 Fri, 20 Dec 2013 12:44:00 +0100 Der Kampf gegen Rassismus<br />Internationale Menschenrechtsinstrumente nutzen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-kampf-gegen-rassismus-br-internationale-menschenrechtsinstrumente-nutzen-328 Veranstaltung, 11.1.2014 in Berlin Zeit: 11. 01. 2014 von 10:30 Uhr bis 17:30 Uhr. Der Schutz vor Diskriminierung ist Strukturmerkmal der Menschenrechte. Doch die Menschenrechtsidee adressiert nicht nur eine formale (gesetzliche) Gleichberechtigung, sondern auch einen diskriminierungsfreien Zugang zur Durchsetzung dieser Rechte. Nur wenn Menschen die Verletzung ihrer Rechte bei der richtigen Stelle geltend machen können, werden sie als Rechtssubjekte ernst genommen. Hierdurch setzen nicht selten Diskussionsprozesse ein, die zu einer wechselseitigen Entwicklung und Veränderung auf gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene beitragen können. Unsere Veranstaltung richtet sich an Aktivist_innen, die in ihrer täglichen Arbeit Menschen (strategisch) bei der Durchsetzung ihrer Rechte begleiten und unterstützen. Für sie besteht die Herausforderung oft darin, die Einhaltung menschenrechtlicher Standards einzufordern, auch dann, wenn nationalstaatliche Gesetzgebung bzw. deren Anwendung eben diese verletzt und dabei Betroffene als Rechtsträger_innen infrage gestellt werden. Wir werden zwei internationale Menschenrechtsorgane vorstellen, die sich dem Kampf gegen Rassismus verschrieben haben und auf die sich Aktivist_innen in ihrer Arbeit auf verschiedene Weise beziehen können: den UN-Ausschuss gegen Rassismus (CERD) und die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI). Eingangs stellen wir in zwei Inputreferaten den Auftrag, die Arbeitsweise und die Entscheidungen beider Institutionen vor. Im Anschluss diskutieren wir in drei Workshops anhand unserer Erfahrungen aus der Praxis, welche Möglichkeiten sich hieraus für unser antirassistisches Engagement ergeben. Die Tagesveranstaltung wird dokumentiert. Bei Bedarf ist eine Flüsterübersetzung der Workshops und des Abschlusspanels in englischer Sprache möglich. Finanziert u.a. aus Mitteln der "Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin". Mitveranstalter ist das Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung. Veranstalter_innen:
    www.rav.de
    www.isdonline.de
    www.kop-berlin.de Flyer (PDF) Programm: 10.30 - 13.00 Uhr
    Einführungsreferat mit Diskussion
    Der Antirassismusausschuss der Vereinten Nationen - zahnloser Tiger oder möglicher Verbündeter im alltäglichen Kampf gegen Rassismus?
    Jutta Hermanns, Rechtsanwältin, RAV e.V. Pause Einführungsreferat mit Diskussion
    Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz - Standards und Verfahren für die antirassistische Praxis Johanna Mohrfeldt, KOP 13.00-14.00
    Mittagspause 14.00-16.00
    Workshop 1*: Empowermentarbeit auf Basis der VN-Antirassismuskonvention
    Joshua Kwesi Aikins, ISD e.V. Workshop 2*: Menschrechtskonventionen – ein starkes Instrument für politische und berufliche Aktivist_innen
    Emine Demir und J.K. Langford, Aktivistinnen und Pädagoginnen menschenrechtspolitischer Kontexte in Berlin Workshop 3*: Beschämt und empört zu sein ist nicht genug – Argumentations- und Aktionstraining gegen Rassismus im Alltag
    Jutta Hermanns, Rechtsanwältin, RAV e.V. 16-17.30 Uhr
    Abschlusspanel Programm (PDF) *WORKSHOP 1 Empowermentarbeit auf Basis der VN-Antirassismuskonvention Die Rassismusdebatte in Deutschland hat wieder einmal an Intensität zugenommen, wird aber nach wie vor meist ohne Menschenrechtsbezug geführt – und das, obwohl Deutschland die VN- Antirassismuskonvention mit ihrer umfassenden Rassismusdefinition und den sich daraus ergebenden Schutzvorgaben bereits 1969 ratifiziert hat. Rassismus wird in der VN-Antirassismuskonvention vor allem anhand diskriminierender Effekte definiert, was Alltags- und institutionellen Rassismus menschenrechtlich erfassbar macht. Der Fokus auf Effekte ermöglicht zum einen eine umfassende Problemanalyse in Bezug auf Rassismus in Deutschland; des Weiteren eine menschenrechtsbasierte Empowermentarbeit für von Rassismus Betroffene. Die Potentiale eines solchen Ansatzes werden im Workshop aufgezeigt. Besondere Berücksichtigung finden dabei UN-Parallelberichte, die von zivil-gesellschaftlichen Akteur_innen eingereicht werden.
    (Joshua Kwesi Aikins, ISD e.V.) *WORKSHOP 2 Menschrechtskonventionen – ein starkes Instrument für politische und berufliche Aktivist_innen Menschenrechtskonventionen bieten starke Instrumentarien für politische/berufliche Aktivist_innen bei Mobilisierungen und Kampagnen und in der politischen Bildung gegen rassistische Gewalt und Diskriminierungen. In diesem Workshop werden wir mit dem Beispiel der UN- Kinderrechtskonvention (KRK) arbeiten. Wir schauen, inwiefern deutsche Umstände und Gesetze die KRK nicht erfüllen und/oder sogar widersprechen. Im Workshop werden wir der Frage nachgehen, inwiefern dieses Instrumentarium Interventionsmöglichkeiten bietet, ob durch juristische Beschwerde oder politische und/oder berufliche Mobilisierung. Anhand des Beispiels der KRK in Bezug auf  Kinder of Color bzw. Kinder ohne gesicherten Aufenthaltsstatus ist es möglich eine breite Struktur von Verstößen aufzuzeichnen. Diese reichen zum Beispiel von Abschiebung bis zu fehlender medizinischer Versorgung, vom Zugang zu Schulplätzen bis zu Inhalten in Schulbüchern und in der Ausbildung von Lehrer_innen und Pädagog_innen. (Emine Demir und J.K. Langford, Aktivistinnen und Pädagoginnen in menschenrechtspolitischen Kontexten Berlin) *WORKSHOP 3 Beschämt und empört zu sein ist nicht genug – Argumentations- und Aktionstraining gegen Rassismus im Alltag Angelehnt an die Vorgaben und die staatlichen Verpflichtungen aus der VN-Antirassimuskonvention der Vereinten Nationen sowie die zahlreichen Empfehlungen des Antirassismus-Ausschusses, der die Einhaltung der Konvention überwacht, soll trainiert werden, Situationen im Alltag zu erkennen, die mit den Mechanismen der Konvention skandalisiert und deren rassistische Diskriminierungen und Angriffe auch rechtlich angegangen werden können: Keine Kinder von Geflüchteten auf dem Spielplatz der Nachbarn erwünscht? Polizeiwarnungen vor Trickdiebstahl unter ausschließlicher Verwendung von „Fotos“ nicht weißer Menschen? Lebensmittelgutscheine und Residenzpflicht für Flüchtlinge? Identitätskontrollen auf Bahnhöfen und in Zügen nur anhand der Hautfarbe (Racial Profiling)?  Wir diskutieren Fragen, wie eine direkte Intervention aussehen kann, wie Betroffene sich an den VN-Antirassismusausschuss wenden und was Aktivist_innen und "Zeug_innen" zur Unterstützung anschließender Schritte der Rechtsverfolgung tun können.  Wir sprechen auch darüber, welche Argumente wir Einwänden, die sich auf Grundrechte stützen (wie z.B. der Meinungsäußerungsfreiheit, der Kunstfreiheit oder dem Recht auf Eigentum etc.) rechtlich und argumentativ entgegengesetzten können. Dies sind nur einige der Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen wollen. In dem Workshop soll es um die Stärkung des ganz praktischen antirassistischen Alltagshandelns gehen.
    (Jutta Hermanns, Rechtsanwältin, RAV e.V.) Workshops (PDF)                        ]]>
    news-327 Wed, 18 Dec 2013 08:16:00 +0100 Großverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei: Urteile ohne Beweisaufnahme erwartet /publikationen/mitteilungen/mitteilung/grossverfahren-gegen-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-urteile-ohne-beweisaufnahme-erwartet-327 Pressemitteilung, 16.12.13 Unterzeichnende Organisationen: Deutscher Anwaltverein (DAV), altemeier@anwaltverein.de
    Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM),
    thomas.schmidt@ejdm.eu, 0211 – 444 001
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), gs@rav.de
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V., schoenberg@m40-recht.de
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), thomas@schmidt@ejdm.de PM_Großverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei: Urteile ohne Beweisaufnahme erwartet (PDF)   Nächste Gelegenheiten für Prozessbeobachtungen]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-326 Wed, 18 Dec 2013 06:59:00 +0100 Neue Verfahren gegen die Bundespolizei zu „racial profiling“ in Zügen und Bahnhöfen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/neue-verfahren-gegen-die-bundespolizei-zu-racial-profiling-in-zuegen-und-bahnhoefen-326 Pressemitteilung vom 18.12.13 äußerer Merkmale wie der Hautfarbe und anderer Zuschreibungen, wird die deutsche Justiz weiterhin beschäftigen. Erst im Oktober 2012 hatte des Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland Pfalz mit einer Entscheidung europaweit für Aufsehen gesorgt, nach der die Kontrolle eines Studenten einzig wegen seiner „Hautfarbe“ nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist. Nun sind vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Köln zwei neue Verfahren gegen die Bundespolizei anhängig – auch hier war wieder die „Hautfarbe“ der Kläger der Grund für die Kontrollen. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart behandelt die Klage eines 28-jährigen Angestellten eines Bundesunternehmens aus Berlin. Er wurde am 19.11.2013 in der ersten Klasse eines ICE zwischen Baden-Baden und Offenburg  als einziger Fahrgast im Waggon ohne erkennbaren Anlass offensichtlich wegen seiner „Hautfarbe“ kontrolliert. Drei Bundespolizisten notierten seine Personalien und glichen sie mit polizeilichen Datenbanken ab. Als Grund wurde dem Kläger nur mitgeteilt, dass sich der ICE im Grenzgebiet bewege. Das Verwaltungsgericht Köln muss sich dagegen mit der Klage eines 38 Jahre alten Heilpraktikers aus Witten beschäftigen. Während er am 12.11.2013 im Hauptbahnhof Bochum auf seine Lebensgefährtin wartete, wurde er ebenfalls einzig wegen seiner "Hautfarbe" von zwei Bundespolizisten kontrolliert. Zur Begründung hieß es seitens der Beamten lediglich, man suche nach Menschen aus Nordafrika und Syrien. Die gesetzliche Grundlage für solche „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen findet sich in § 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG). Hiernach können die Beamtinnen und Beamten zur Verhinderung illegaler Einreise aufgrund von „Lageerkenntnissen und grenzpolizeilicher Erfahrung“ ohne Vorliegen einer Gefahr selbst entscheiden, wen sie kontrollieren. Obwohl es das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 3 verbietet, Menschen wegen der Herkunft oder der Hautfarbe zu diskriminieren, geraten regelmäßig Menschen in die Kontrollen, die in den Augen der Bundespolizistinnen und -polizisten „nicht deutsch“ aussehen.  „Das Bundespolizeigesetz selbst schafft die Voraussetzungen für den sich in den deutschen Bahnhöfen und Zügen immer wiederholenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wir streben deshalb nun auch die gerichtliche Klärung der Frage an, ob § 22 Abs. 1a BPolG mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist“, erklärt Rechtsanwalt Sven Adam, der die beiden Kläger juristisch vertritt. „Wir werden daher den Gerichten im Laufe der Verfahren auch die unmittelbare Vorlage der Sache zum Bundesverfassungsgericht vorschlagen.“, so Adam weiter.  Die Verfahren werden von Selbstorganisationen wie der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund), der Internationalen Liga für Menschenrechte e.V., der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), dem Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), dem arbeitskreis kritischer juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin), dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. und der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) begleitet und unterstützt. Für Rückfragen steht Rechtsanwalt Sven Adam zur Verfügung: anwaltskanzlei sven adam
    lange geismarstraße 55
    37073 göttingen
    tel.: (0551) 4 88 31 69
    fax: (0551) 4 88 31 79
    kontakt@anwaltskanzlei-adam.de
    http://www.anwaltskanzlei-adam.de Hintergrundinformationen zu dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht
    Rheinland Pfalz aus dem Jahr 2012 finden Sie hier:
    http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?sonderseiten-vg-koblenz-presseinformationen PM: Neue Verfahren gegen die Bundespolizei zu „racial profiling“ in Zügen und Bahnhöfen (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-325 Wed, 11 Dec 2013 16:08:00 +0100 StN des RAV zum Gesetzesentwurf zum Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-gesetzesentwurf-zum-thueringer-justizvollzugsgesetzbuch-325 Stellungnahme, 11.12.13 (PDF)          ]]> news-323 Sat, 16 Nov 2013 08:55:00 +0100 Erklärung der Hamburger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu der politischen Forderung der Gruppe Lampedusa in Hamburg /publikationen/mitteilungen/mitteilung/erklaerung-der-hamburger-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-zu-der-politischen-forderung-der-gruppe-lampedusa-in-hamburg-323 Erklärung vom 15.11.13 RA Manfred Alex, RAin Gül Aydin, RAin Maren Ballwanz, RA Masoud Behraznia, RA Mirco  Beth, RA Andreas Beuth, RAin Katharina F.  Boehm, RA Thomas Breckner, RAin Heike Brodersen, RAin Catrin Brosowski, RA Peer-Olaf Buck (Büdelsdorf), RA Tim Burkert, RA Sebastian Busch, RA Arne Dahm, RAin Lena Damman, RA Georg Debler, RAin Petra Dervishaj, RAin Ulrike  Donat, RA Antonio  Durán Muñoz, RAin Britta Eder, RAin Ursula Erhardt, RA Carsten Gericke, RA Manfred Getzmann, RAin Dorothea Goergens, RA Dirk Gosau, RA Taylan Günes, RAin Ursula Hein, RA Gabriele Heinecke, RAin Annika Hirsch, RAin Ilka Hoffmann, RA Enno Jäger, RA Jonny Jalass, RAin Ines Jendrny, RA Reinher Karl, RA Martin Klingner, RA Eckhard Klitzing, RA Ronny Koch, RA Dr. Dirk  Legler, RA Michael Leipold, RA Martin Lemke, RA Yu Lin, RAin Britta Lüers, RAin  Gabriela Lünsmann, RA Klaus Maßmann, RA Micheal Meyer, RAin Tabea Meyer, RA Marc Meyer, RA Nils Meyer-Abich, RAin Lisa Moos, RAin Karen Mücher, RA Mark Nerlinger, RAin Anke Niehaus, RA Gerrit Onken, RAin Marion Pein, RA Stefan  Piehl, RA Klaus Piening, RAin Gül Pina, RAin  Eva Proppe, RA Friedrich-Wilhem Reineke, RA Wolf Dieter Reinhard, RA Florian Riechey, RA Andreas Rischar, RA Dr. Ralf Ritter, RA Nils  Rotermund, RA Johannes Rothehueser, RA Albert Rühling, RA Johannes Santen, RA Steffen Sauter , RAin Anette Schmidt, RA Hendrik Schulze, RA Klaus Seidensticker, RAin Christine Siegrot, RA Michael Spielhoff, RA Arne Städe, RA Gunnar  Stark, RA Sebastian Sudrow, RAin Cornelia Theel, RA Arne Timmermann, RA Bilsat Top, RAin Sigrid Töpfer, RA Wolfram Velten, RA Bernd Vetter, RA Dr. Bernd Wagner, RA Jens Waßmann, RA Cornelius J. Weimar, RAin Ursula Wens, RA Rainer Willhoeft, RA Matthias Wisbar, RAin Ingrid Witte-Rohde, RA Ulrich Wittmann, RAin Nil Yükova, RAin Constanze Zander-Böhm Erklärung der Hamburger Rechtsanwält_innen (PDF)]]> news-322 Fri, 15 Nov 2013 15:39:00 +0100 Politische Strafverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/politische-strafverfahren-gegen-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-322 Einladung zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen, 2.12.13 in Berlin und 3.12.2013 in Düsseldorf Abendveranstaltungen am 2.12.13 in Berlin und am 3.12.13 in Düsseldorf Drei Massenverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei sind in die internationale Kritik geraten. Anwaltsorganisationen aus der ganzen Welt entsenden Prozessbeobachter, so auch die einladenden Vereine. Die Unabhängigkeit der Anwaltschaft in der Türkei ist bedroht. Am 19. Dezember 2013 wird das sog. KÇK-Verfahren gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in Silivri bei Istanbul fortgeführt. Die Schlussanträge sind angekündigt, obwohl eine Beweis-aufnahme bisher nicht stattgefunden hat. Den Anwältinnen und Anwälten drohen Haftstrafen von bis zu 22 Jahren. Vorgeworfen wird ihnen die Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaft Kurdistans (KÇK). Ihnen wird von der Regierung unterstellt, nicht lediglich ihre anwaltlichen Pflichten wahrgenommen zu haben, sondern die Interessen und Anliegen ihrer Mandanten zu teilen. Die angeklagten Anwältinnen und Anwälte waren an der Verteidigung von Abdullah Öcalan beteiligt oder hatten andere inhaftierte Mandanten besucht. Von den 36 im November 2011 in Untersuchungshaft genommenen Kolleginnen und Kollegen befinden sich 15 weiterhin in Haft. Im sog. ÇHD-Verfahren sind weitere 22 Anwältinnen und Anwälte angeklagt. Auch Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Alle sind Mitglieder der Zeitgenössischen Juristenvereinigung (ÇHD), einer Mitgliedsorganisation der EJDM, die sich für die Menschenrechte einsetzt. Ein drittes Verfahren richtet sich gegen die 10 Mitglieder des Vorstands der Istanbuler Rechtsanwaltskammer, darunter deren Präsident. Diese hatten sich in einem Strafverfahren für die Rechte der dort tätigen Verteidiger eingesetzt und müssen sich nun wegen des Versuchs „die Justiz zu beeinflussen“ vor Gericht verantworten. Wir laden ein zu Abendveranstaltungen am 2.12.13 in Berlin und am 3.12.13 in Düsseldorf: BERLIN Bild vom 2.12.13 (Quelle: DAV, Andreas Burkhardt) Montag, den 02. Dezember 2013 um 19:00 Uhr
    DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin
    (S-/U-Bahnhof Alexanderplatz, S-/U-Bahnhof Jannowitzbrücke,U-Bahnhof Klosterstraße) Die Veranstaltung wird simultan übersetzt.
    Der Eintritt ist kostenlos.
    Für eine bessere Planung wären wir für eine Anmeldung zu dieser Berliner Veranstaltung bis zum 25. November 2013 dankbar: Mitwirkende:
    Hüseyin Boğatekin ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt mehrere Anwältinnen und Anwälte sowie Journalistinnen und Journalisten im KÇK-Verfahren. Im Juni 2013 wurden er und ca. 70 weitere Anwältinnen und Anwälte vorübergehend festgenommen, als sie im Çağlayan-Gericht in Istanbul friedlich gegen das gewalttätige Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Taksim-Platzes demonstriert hatten. Ramazan Demir ist als Strafverteidiger in Istanbul tätig. Zurzeit verteidigt er mehrere seiner Kolleginnen und Kollegen im KÇK-Verfahren. Dafür wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Wegen seines Vortrags vor Gericht wird ihm vorgeworfen „die Würde einer Stelle der öffentlichen Verwaltung verletzt“ zu haben. Ramazan Demir ist Ansprechpartner für die ausländischen Prozessbeobachterinnen und Prozessbeobachter im KÇK-Verfahren. Gül Pinar ist Rechtsanwältin in Hamburg. Sie wuchs in Istanbul auf und kam mit 16 Jahren nach Deutschland. Hier studierte sie Jura als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung und fing nach dem zweiten Staatsexamen 1998 sofort an, als Anwältin zu arbeiten. Seit 2000 ist sie Fachanwältin für Strafrecht. Aktuell ist sie u.a. als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren in München tätig. Gül Pinar ist Mitglied des DAV-Ausschusses Strafrecht und beobachtet seit Mitte 2012 die Verhandlungen im KÇK-Verfahren für den DAV. Gilda Schönberg arbeitet als Rechtsanwältin in Berlin und ist zugleich Fachanwältin für Strafrecht. Sie ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und beobachtet für diese das KÇK-Verfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei. Veranstalter:
    Deutscher Anwaltverein (DAV)
    Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM)
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) Einladung zur Informations- und Diskussionsveranstaltung in Berlin (PDF) DÜSSELDORF Dienstag, den 03. Dezember 2013 um 19:00 h
    Heinrich-Heine-Institut, Bilker Straße 12-14, 40213 Düsseldorf Die Veranstaltung wird konsekutiv übersetzt.
    Der Eintritt ist kostenlos.
    Für eine bessere Planung wären wir für eine Anmeldung zu dieser Düsseldorfer Veranstaltung bis zum 25. November 2013 dankbar: Programm:
    1. Begrüßung, Rechtsanwalt Axel Nagler, Essen
    2. Allgemeine Darstellung der politischen Prozesse gegen AnwältInnen in der Türkei, Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Düsseldorf
    3. Der KÇK AnwältInnen Prozess, Rechtsanwalt Ramazan Demir, Istanbul
    4. Der Prozess gegen AnwältInnen, die gegen das brutale Vorgehen der Polizei gegen DemonstrantInnen protestiert haben, Rechtsanwalt Hüseyin Boǧatekin, Istanbul
    5. Der KÇK AnwältInnen Prozess aus Sicht einer Beobachterin, Rechtsanwältin Gilda Schönberg, Berlin
    6. Fragen, Diskussion
    Moderation: Rechtsanwalt Axel Nagler, Essen Mitwirkende:
    Hüseyin Boǧatekin ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt mehrere Anwältinnen und Anwälte sowie Journalistinnen und Journalisten im KÇK-Verfahren. Im Juni 2013 wurden er und ca. 70 weitere Anwältinnen und Anwälte vorübergehend festgenommen, als sie im Ça?layan-Gericht in Istanbul friedlich gegen das gewalttätige Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Taksim-Platzes demonstriert hatten. Ramazan Demir ist als Strafverteidiger in Istanbul tätig. Zurzeit verteidigt er mehrere seiner Kolleginnen und Kollegen im KÇK-Verfahren. Dafür wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Wegen seines Vortrags vor Gericht wird ihm vorgeworfen „die Würde einer Stelle der öffentlichen Verwaltung verletzt“ zu haben. Ramazan Demir ist Ansprechpartner für die ausländischen Prozessbeobachterinnen und Prozessbeobachter im KÇK-Verfahren. Axel Nagler ist Rechtsanwalt und Notar in Essen und Vorstandsmitglied der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. Thomas Schmidt ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und Generalsekretär der Europäischen Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (ELDH/EJDM) sowie Mitglied im Vorstand der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). Er hat an mehreren Terminen des KÇK Verfahrens gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei als Beobachter teilgenommen. Gilda Schönberg arbeitet als Rechtsanwältin in Berlin und ist zugleich Fachanwältin für Strafrecht. Sie ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und beobachtet für diese das KÇK-Verfahren gegen die Anwältinnen und Anwälte in der Türkei. Veranstalter:
    Strafverteidigervereinigung NRW
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
    Düsseldorfer Anwaltverein
    Rechtsanwaltskammer Düsseldorf
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ)
    Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (ELDH/EJDM) Einladung zur Informations- und Diskussionsveranstaltung in Düsseldorf (PDF)]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-321 Wed, 23 Oct 2013 15:21:00 +0200 Strafanzeige gegen Strafrichterin in Eisenhüttenstadt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-gegen-strafrichterin-in-eisenhuettenstadt-321 Gemeinsame Pressemitteilung von VDJ und RAV, 23.10.13 Weitere Informationen: Report Mainz:
    http://www.swr.de/report/justiz-gnadenlos/-/id=233454/nid=233454/did=11478690/1pr3i56/index.html Süddeutsche Zeitung:
    http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingspolitik-in-deutschland-zynischer-geht-es-kaum-1.1774063 Berliner Morgenpost:
    http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article118050595/Umstrittene-Abschiebehaft-Fluechtlinge-treten-in-Hungerstreik.html RAV:
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/justiz-darf-nicht-kritisiert-werden-br-landgericht-ffo-schuetzt-entgleisungen-am-amtsgericht-eisenhuettenstadt-306/page1/ VDJ:
    http://www.vdj.de/index.php?id=38,508,0,0,1,0 Für Nachfragen:
    Rechtsanwalt Volker Gerloff:
    http://www.aufenthaltundsoziales.de/ Pressemitteilung: Strafanzeige gegen Strafrichterin in Eisenhüttenstadt (PDF)]]>
    news-320 Wed, 16 Oct 2013 09:24:00 +0200 LSG Berlin-Brandenburg will Menschenwürde nur für Deutsche /publikationen/mitteilungen/mitteilung/lsg-berlin-brandenburg-will-menschenwuerde-nur-fuer-deutsche-320 Pressemitteilung, 14.10.13 Zum Urteil des LSG NRW vom 11.10.2013:
    http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLSG/11_10_2013/index.php Anhängige Revisionen beim BSG:
    14. Senat - B 14 AS 16/13 R – zur grundsätzlichen Frage der Rechtswidrigkeit des Leistungsausschlusses für EU-Bürger (hier: Litauische Staatsangehörige) 4. Senat - B 4 AS 9/13 R – zur Frage der Anwendbarkeit des Europäischen Fürsorgeabkommens PM_Menschenwürde nur für Deutsche (PDF)]]>
    news-319 Tue, 15 Oct 2013 08:59:00 +0200 Wie viel Aufklärung ist erwünscht?<br />Der NSU-Komplex und die Konsequenzen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wie-viel-aufklaerung-ist-erwuenscht-br-der-nsu-komplex-und-die-konsequenzen-319 Informations- & Diskussionsveranstaltung am 28.10.2013 in Berlin Dabei war der Weg des NSU von Anfang an von »V-Männer« des Inlandsgeheimdienstes geprägt. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) und der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) laden ein zur Informations- & Diskussionsveranstaltung am 28.10.2013 um 19:00
    Familiengarten Kreuzberg, Oranienstr. 34 (Hinterhof), 10999 Berlin
    Die Referentin und der Referent werden über die bisherigen Versuche, den NSU-Komplex aufzuklären, eingehen: insbesondere auf die Ergebnisse und offenen Fragen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag und den Prozess vor dem OLG München gegen Beate Zschäpe und andere. Kann sich die Hoffnung der Opfer erfüllen, vor Gericht die nötige Aufklärung zu erzwingen, trotz der systematischen Vertuschungen die in allen Behörden vorgenommen wurden? Referentin/Referent: Heike Kleffner ist Journalistin und schreibt seit vielen Jahren zum Thema Rechte Gewalt. Sie begleitete als Referentin der Linksfraktion die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages Peer Stolle ist Strafverteidiger und einer der 62 Nebenklägervertreter_innen im NSU-Prozess Moderation: Ahmed Abed, Rechtsanwalt in Berlin, VDJ Eine Veranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Veranstaltungswochen „InterKreuzHain 2013“ (www.interkreuzhain.de) Einladung (PDF)  ]]>
    news-318 Mon, 30 Sep 2013 23:34:00 +0200 Schon wieder - Verfassungsschutz erneut im Fokus /publikationen/mitteilungen/mitteilung/schon-wieder-verfassungsschutz-erneut-im-fokus-318 Pressemitteilung, 30.9.13 Diese Gruppen sind bekanntlich durch die Verfassung besonders geschützt. Diesen Schutz müssen gerade diejenigen Kolleginnen und Kollegen beanspruchen können, die sich engagiert mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen auseinandersetzen. Es geht daher nicht an, dass der Rechtsanwalt, der eine kritische Journalistin im Rechtsstreit mit dem Verfassungsschutz vertritt, seinerseits von demselben Dienst beobachtet wird. Der RAV-Vorsitzende Rechtsanwalt Martin Heiming stellt zu der Beobachtung seines Berufskollegen in Niedersachsen fest: "Dass der frühere niedersächsische Innenminister Schünemann solch ein Vermächtnis hinterlassen hat, kann einen leider nicht wundern. Und es passt erneut in das inzwischen sattsam bekannte Tätigkeitsprofil des Verfassungsschutzes, dass er wieder einmal nicht die Rechtsextremen im Visier hat, sondern diejenigen, die sich ihrerseits gegen neofaschistische Strukturen engagieren.“ Der RAV fordert die Niedersächsische Landesregierung auf, den betroffenen Rechtsanwalt umfassend zu informieren, die gespeicherten Daten und Akten dafür zur Verfügung zu halten und ihre weitere Nutzung durch den Verfassungsschutz zu unterbinden. Die Datenbestände des Verfassungsschutzes werden außerdem daraufhin zu prüfen sein, ob weitere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betroffen sind. Berlin, 30.09.2013 Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an:
    RA Martin Heiming, Tel. 06221-337511, ra.heiming@gmx.de
    RA Sönke Hilbrans, Tel. 030 -44679224, hilbrans@diefirma.net Pressemitteilung: Schon wieder - Verfassungsschutz erneut im Fokus (PDF)]]>
    news-317 Wed, 18 Sep 2013 12:28:00 +0200 Prozess ohne Verhandlung<br />Fortsetzung des Großverfahrens gegen 46 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozess-ohne-verhandlung-br-fortsetzung-des-grossverfahrens-gegen-46-rechtsanwaelte-und-rechtsanwaeltinnen-in-der-tuerkei-317 Pressemitteilung, 18.9.13 ı besucht und wurden im November 2011 festgenommen. Obwohl der Prozess bereits im Juli 2012 begann, kam es erst gestern zum Abschluss der Einlassungen der angeklagten Anwältinnen und Anwälte. Grund dafür ist, dass lediglich alle drei Monate ein Hauptverhandlungstag stattfindet. Dies ungeachtet der Tatsache, dass sich nach wie vor 15 Kolleginnen und Kollegen seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft befinden. Die Delegation erwartete heute – wie die Verteidigung auch – entsprechend der Strafprozessordnung die Eröffnung der Beweisaufnahme. So beantragte die Verteidigung die Vernehmung von Zeugen und warf der Staatsanwaltschaft vor, bereits durch die Einleitung der Ermittlungen ihr Amt missbraucht zu haben: "Schon früher gab es Eingriffe in die Menschenrechte, nun gibt es auch direkte Angriffe auf die anwaltliche Berufsausübung", erklärte Rechtsanwalt Tahir Elçin, Präsident der Rechtsanwaltskammer Diyarbakır. Die Kammer lehnte jedoch alle Beweisanträge ab, unterbrach die Verhandlung bis zum 19. Dezember 2013 und forderte die Staatsanwaltschaft auf, sich bis dahin auf das Abschlussplädoyer vorzubereiten. Die Verteidigung geht nach diesem Prozessverhalten der Kammer davon aus, dass eine Verurteilung ohne die Erhebung jeglicher Beweise erfolgen soll. Denn gleichzeitig beschloss das Gericht die Haftfortdauer der 15 noch inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. "Dieses Verfahren ist eine Farce; damit ist selbst der Anschein eines rechtsstaatlichen Verfahrens zunichte gemacht. Es ist damit zu rechnen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen ohne jeglichen Schuldnachweis verurteilt werden. Das schafft ein Klima der Angst, das die Anwaltschaft – und ihre Aufgabe in der Gesellschaft - über dieses Verfahren hinaus ernsthaft bedroht", so Gilda Schönberg, Rechtsanwältin aus Berlin. Die beobachtenden Vereinigungen fordern die unverzügliche Freilassung der Kolleginnen und Kollegen und die Beendigung der willkürlichen Verfolgung der Anwaltschaft. *
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)  Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. PM_ Prozess ohne Verhandlung (PDF)]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-313 Wed, 04 Sep 2013 09:57:00 +0200 Wahlprüfsteine - alternative Mietrechtsreform jetzt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wahlpruefsteine-alternative-mietrechtsreform-jetzt-313 Informationsveranstaltung mit anschließender Diskussion; 11.9. in Berlin Wahlprüfsteine) Abgeordnete der Parteien sind bereits explizit dazu eingeladen worden. Die Themen:Zeit und Ort
    11.9.2013 um 19.00 Uhr
    GLS-Sprachenzentrum, Kastanienallee 82, 10435 Berlin
    U-Bahnhof Eberswalder Straße U2 oder Tram M1, M12, 13 Der Eintritt ist frei Veranstalter
    Arbeitsgemeinschaft Alternative Mietervereine, gemeinsam mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), der Berliner MieterGemeinschaft (Bezirksgruppen City West - Tiergarten, Steglitz, Schöneberg und Charlottenburg - und Prenzlauer Berg) sowie Anwältinnen und Anwälte, die im Wohnraummietrecht auf Mieterseite tätig sind. Einladung; Presseinfo: Veranstaltung am 11.9.13_Alternative Mietrechtsreform jetzt! (PDF) Wahlprüfsteine: Fragen an die Parteien (PDF)]]>
    news-306 Thu, 22 Aug 2013 07:53:00 +0200 Der Fehler liegt im System: Nebenklagevertreter im NSU Prozess kritisieren den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages als inkonsequent /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-fehler-liegt-im-system-nebenklagevertreter-im-nsu-prozess-kritisieren-den-abschlussbericht-des-untersuchungsausschusses-des-bundestages-als-inkonsequent-306 Pressemitteilung, 23.8.13 Institutioneller Rassismus  Unabhängig von der persönlichen Einstellung und den Absichten der Beamten, folgen die Ermittlungsbehörden einer inneren Logik, Normen und Werten, deren rassistische Konsequenzen sich unter anderem in den Ermittlungen zur Mord- und Anschlagsserie des NSU wiederfinden.  Hochgelobt für das parteiübergreifende Engagement der Obleute, schafft es nun zu Zeiten des Wahlkampfs gerade der Untersuchungsausschuss nicht, das Problem so zu bezeichnen, wie es sich uns präsentiert. Wir sind RechtsanwältInnen und NebenklagevertreterInnen im so genannten NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Wir haben die Akten gelesen. Wir haben Zeuginnen und Zeugen gehört. Wir haben aber vor allen Dingen von unseren Mandantinnen und Mandanten erfahren, wie sie nach den Taten jahrelang selbst im Fokus der Ermittlungen stehen mussten.  Das heißt:
    1. Hinterbliebene und Verletzte fordern die Anerkennung auch in der Politik, dass das systematische Versagen der Ermittlungsbehörden auf institutionellem Rassismus beruht. Das Problem muss klar benannt werden. Alles andere wäre Augenwischerei. Morde hätten verhindert werden können. 
    2. Wir fordern eine Neueinsetzung des Untersuchungsausschusses in der nächsten Legislaturperiode. Eine lückenlose Aufklärung der Taten des NSU und der möglichen Verwicklungen der Ermittlungsbehörden und des Verfassungsschutzes ist lange nicht abgeschlossen.
    3. Bei jedem Gewaltverbrechen muss in Zukunft frühzeitig und nachvollziehbar in den Akten vermerkt und begründet werden, wenn die Ermittlungsbehörden der Auffassung sind, dass eine rassistisch oder neonazistisch motivierte Tat ausgeschlossen werden kann.
    4. Wir fordern eine Ausbildung und stetige Qualifikation aller Polizeibeamten, die institutionellem wie individuellem Rassismus entgegenwirkt. Zudem müssen gut ausgebildete und szenekundige Abteilungen bei den Landespolizeien neu aufgebaut und neu besetzt werden, die sich spezifisch mit rechter Gewalt beschäftigen und allgemeine Abteilungen für „Staatsschutzdelikte“ ersetzen. Diese Ermittlungsgruppen müssen zukünftig immer dann zwingend an den Ermittlungen beteiligt werden, wenn ein rechter Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann.
    5. Bei den Staatsanwaltschaften müssen Abteilungen gebildet werden, die für rechte Gewalttaten gesondert zuständig und ausgebildet sind. Abteilungen, die allgemein für „politisch motivierte“ Taten oder gar zusätzlich für Delikte von und gegen Polizeibeamte zuständig sind, genügen dafür keinesfalls.
    6. Es muss verstärkt darauf hingewirkt werden, dass BeamtInnen mit Migrationshintergrund auch in Führungspositionen geworben werden. Weil dies bislang offensichtlich nicht gelungen ist, sollte zur Umsetzung zunächst eine verbindliche Quote festgesetzt werden. Rassistischen Tendenzen innerhalb der Ermittlungsbehörden muss konsequent – auch disziplinarisch - entgegengewirkt werden.
    7. Das V-Mann-System der Verfassungsschutzbehörden hat versagt und gehört aufgelöst. Es fördert rechtsradikale Entwicklungen mehr, als dass er sie verhindert. Der Verfassungsschutz hat gerade im Hinblick auf den NSU bewiesen, dass enorme Ressourcen in V-Leute gesteckt wurden, die nur bekannte, zu wenig oder gar bewusste Falschinformation geliefert haben. Das Geld der V-Leute ist teilweise in den Aufbau von Neonazi-Strukturen geflossen. Ein Verbotsverfahren hinsichtlich der NPD scheiterte auch an der weitgehenden Integration von V-Leuten in der Partei bis in die Führungsspitze. Es bleibt grundsätzlich zu diskutieren, inwieweit die notwendige Aufklärung über neonazistische Aktivitäten ausschließlich die Polizeibehörden besorgen können.
    8. Opfer rechter Gewalt seit 1990 sind lückenlos entsprechend der Liste der Amadeu Antonio Stiftung, der „Zeit“ und des „Tagesspiegels“ als solche anzuerkennen.
    9. Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt müssen erhalten, flächendeckend ausgebaut und gefördert werden.
    10. Es sind auf Landes- und Bundesebene Kontrollgremien einzuführen, die als unabhängige Ansprechpartner für Betroffene von institutionellem oder persönlichem Rassismus durch die Ermittlungsbehörden oder für „Whistleblower“ in solchen Fällen zur Verfügung stehen. Diese sollten mit effektiven Kontrollbefugnissen ausgestattet und durch das Parlament eingesetzt werden.  Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte  Antonia von der Behrens,
    Dr. Mehmet Daimagüler,
    Dr. Björn Elberling,
    Berthold Fresenius,
    Alexander Hoffmann,
    Carsten Ilius,
    Detlef Kolloge,
    Stephan Kuhn,
    Angelika Lex,
    Stephan Lucas,
    Ogün Parlayan,
    Jens Rabe,
    Eberhard Reinecke,
    Aziz Sariyar,
    Sebastian Scharmer,
    Reinhard Schön,
    Peer Stolle. Der Fehler liegt im System_dt (PDF)
    Hata sistemdedir (PDF)
    The fault lies in the system (PDF)]]>
    news-305 Fri, 09 Aug 2013 13:53:00 +0200 Bundesverfassungsgericht hebt Strafurteil gegen Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Brandenburg auf /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundesverfassungsgericht-hebt-strafurteil-gegen-mitarbeiter-des-fluechtlingsrats-brandenburg-auf-305 Pressemitteilung vom 9.8.2013
    „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg“ des Flüchtlingsrats fällt unter die Meinungsfreiheit Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte anlässlich des Antirassismustages 2010 einen „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg an der Havel verliehen. Mit dem Denkzettel kritisierte der Flüchtlingsrat, dass eine Sachbearbeiterin der Behörde einem Flüchtling wider besseres Wissen eine Vortäuschung seiner fachärztlich bescheinigten Gehörlosigkeit unterstellte und so seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnte. Die Sachbearbeiterin des Rechtsamt Brandenburg zeigte daraufhin die Verantwortlichen des Flüchtlingsrats wegen übler Nachrede an. Im März 2012 verurteilte das Amtsgericht Potsdam zwei Mitarbeiter des Flüchtlingsrates wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Potsdam wegen „offensichtlicher Unbegründetheit“ nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht hob mit seinem heute veröffentlichten Beschluss diese Verurteilung auf. Es stellte fest, dass die gerichtlichen Entscheidungen die Mitarbeiter des Flüchtlingsrats in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen. Zur Begründung führte das Verfassungsgericht aus, dass die Gerichte den Schutzgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu Unrecht verkürzt hätten. Gerade das Recht, behördliche Maßnahmen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit. „Ich bin sehr froh über diese klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil damit die Versuche seitens der Vertreter der Stadt Brandenburg und der Potsdamer Gerichte, uns mundtot zu machen, unterbunden worden sind“, so Harald G., einer der Beschwerdeführer. Für den Flüchtlingsrat, der sich u.a. als Lobbyorganisation für die Interessen von Flüchtlingen versteht und sich mit diesem Selbstverständnis gegen diskriminierende und menschenunwürdige Zustände und Praktiken gegenüber Flüchtlingen engagiert, sind die Verleihungen des Denkzettels eine wichtige Möglichkeit, öffentlich auf unhaltbare Zustände aufmerksam zu machen. Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Regina Götz: „Immer wieder sind insbesondere Flüchtlinge mit staatlichem Rassismus konfrontiert, wie auch das aktuelle Beispiel der Äußerungen von Richterin Petzoldt am Amtsgericht Eisenhüttenstadt zeigt. Dass uns das Bundesverfassungsgericht nun in unserer Arbeit stärkt und der Kriminalisierung unserer Tätigkeit entschieden entgegen tritt, ist für die gesellschaftspolitische Arbeit gegen strukturellen Rassismus von erheblicher Bedeutung.“ Für weitere Informationen: Die Entscheidung des BVerfG:
    www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20130724_1bvr044413.html Ivana Domazet, Flüchtlingsrat, Tel.: 0176-31483547
    www.fluechtlingsrat-brandenburg.de

    Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, RAV e.V., Tel.: 0179-5415029
    www.rav.de PM_BVerfG hebt Strafurteil gegen Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Brandenburg auf (PDF)]]>
    news-304 Fri, 09 Aug 2013 11:43:00 +0200 StN zum Entwurf eines Gesetzes zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-entwurf-eines-gesetzes-zum-versammlungsrecht-in-schleswig-holstein-304 Stellungnahme vom 9.8.2013 A)    Einleitung 1. Vorbemerkung a)
    Bereits im März 2012 hat der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. Stellung genommen zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im schleswig-holsteinischen Landtag zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Versammlungsfreiheit für das Land Schleswig-Holstein (Versammlungsfreiheitsgesetz-VersFG SG (Drucksache 17/1955)). Die nachfolgende Stellungnahme nimmt die dort mitgeteilten Anmerkungen und Ergänzungen auf. b)
    Im Rahmen der Föderalismusreform ging u.a. auch die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Versammlungsrechts vom Bund auf die Länder über. Der bayerische Landtag hat als erstes Bundesland ein eigenes Versammlungsgesetz erlassen. In einem Eilverfahren hat das Bundesverfassungsgericht am 17.02.2009 zu Az.: 1 BvR 2492/08 Teile des neuen bayerischen Versammlungsgesetzes einstweilen außer Kraft gesetzt bzw. eingeschränkt. Das Gesetz sah die Möglichkeit zur anlasslosen Bildaufzeichnung des gesamten Versammlungsgeschehens vor. Die durch den bayerischen Landesgesetzgeber dann vorgenommenen Änderungen im April und Juni 2010 genügen den Beschwerdeführern nicht. Das Verfahren wird in der Hauptsache weiter vor dem Bundesverfassungsgericht betrieben. Das Bundesland Niedersachsen hat unter dem 07.10.2010 ein Versammlungsgesetz erlassen, das mit Änderungen am 01.02.2011 in Kraft trat. Am 31.01.2012 wurde durch die Initiative „Versammlungsfreiheit für Niedersachsen“ Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die dortigen Beschwerdeführer wenden sich insbesondere gegen die verschärften Bedingungen bei der Anmeldung einer Demonstration, die Befugnisse zur „Durchleuchtung“ von Versammlungsleiter_innen, die Regelung zum Einsatz polizeilicher Ton- und Videoaufnahmen sowie die Einführung einer „Bannmeile rund um den niedersächsischen Landtag“ (siehe auch www.versammlungsfreiheit-nds.de/).  
    2.    Allgemeines
    Der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP (Drucksache 18/119) lehnt sich an den sog. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes aus 2011 an. Soweit jedoch Bild- und Tonaufnahmen und Aufzeichnungen ermöglicht werden sollen, orientieren sich diese Regelungen an dem niedersächsischen Landesversammlungsgesetz. Über die dortige Verfassungsbeschwerde ist noch nicht befunden. Der damalige Entwurf der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN eines Gesetzes zum Schutz der Versammlungsfreiheit für das Land Schleswig-Holstein (Drucksache 17/1955; inzwischen zurückgezogen) nahm die einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf und stellte den Schutz der Versammlungsfreiheit, den Art. 8 GG gewährleistet, in den Mittelpunkt. Daher ist an dieser Stelle nochmals auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.05.1985 zu Az.: 1 BvR 233, 341/81 und vom 22.02.2011 zu Az.: 1 BvR 699/06 hinzuweisen. Die Versammlungsfreiheit gehört danach „zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens. Das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit Anderen zu versammeln, gilt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit der selbstbewussten Bürgerinnen und Bürger. Die Versammlungsfreiheit ist der unmittelbarste Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Sie ist für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend. Das in Art. 8 GG geregelte Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht von grundlegender Bedeutung für das demokratisch-freiheitliche Gemeinwesen. Ihm gebührt ein besonderer Rang.“ Art. 8 Abs. 1 GG ist ausgestaltet als Abwehrrecht gegen den Staat. Ungerechtfertigte Eingriffe in das grundrechtliche Schutzgut sind zu unterlassen.

    B. Zu den einzelnen Vorschriften 1. Struktur Die vorliegenden Gesetzesentwürfe nehmen die bestehenden Regelungen des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) auf, folgen dabei aber einer eigenen Struktur und ordnen nach möglichen Verlauf, Vorbereitung und Durchführung, Sicherung und Sicherheit und ggf. Einschränkungen der Versammlung und straf- und bußgeldbewerten Handlungen. 2. (1) Versammlungsfreiheit § 1

    Der Entwurf der FPD Fraktion nimmt in Absatz 1 Satz 1 § 1 Abs. 1 Versammlungsgesetz auf und orientiert sich im Wortlaut an dem Musterentwurf. Die von der Piratenfraktion gewählte Formulierung in § 1 Abs. 1 verdeutlicht durch die Hinzufügung des Hinweises, dass zur Versammlungsfreiheit auch der ungehinderte Zugang zur Versammlung gehört, diesen Umstand. Dieser Änderungsvorschlag sollte aufgegriffen werden, um das Anliegen des Gesetzgebers zu verdeutlichen. Letzteres gilt auch für den Änderungsantrag der SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW, mit dem die Träger der öffentlichen Verwaltung in die Pflicht genommen werden und verdeutlicht wird, dass die Versammlungsfreiheit zu wahren, ein hohes Gut ist.

    (2) Begriff der öffentlichen Versammlung § 2 Der Bundesgesetzgeber hatte sich bislang nicht veranlasst gesehen, den Begriff „Versammlung“ zu definieren. Der Musterentwurf sieht dies vor. § 2 Abs. 2 des Entwurfs der FDP erweitert den Begriff 'Öffentlichkeit', danach sollen geschlossene Versammlungen öffentlich sein, wenn sie auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Wäre dies so, fiele eine solche geschlossene Versammlung bereits unter die Definition des Abs. 1, so dass der zweite Halbsatz in Abs. 2 zu streichen ist. Kein anderer Entwurf sah das Bedürfnis für diese Regelung. Das Bedürfnis wird auch nicht näher von der FPD Fraktion erläutert.

    (3) Öffentliche Räume und Verkehrsflächen § 2 a des Entwurfs der Piratenfraktion und § 17 neu des Entwurfs der SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW, wonach öffentliche Versammlungen auch auf Verkehrsflächen von Grundstücken, die in Privateigentum stehen, ohne Zustimmung des Eigentümers durchgeführt werden dürfen, nehmen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.02.2011 zu Az.: 1 BvR 699/06 auf. Das Gericht untersagte der Fraport AG, die den Flughafen Frankfurt am Main betreibt, auf ihrem Betriebsgelände Versammlungen zu verbieten und insoweit ihr Hausrecht in Anspruch zu nehmen. Wer seine Flächen der Öffentlichkeit öffnet, muss auch dulden, dass dieser Ort als Versammlungsort genutzt wird. Es wird dringend empfohlen, eine entsprechende Vorschrift aufzunehmen.

    (4) Versammlungsleitung § 5 Abs. 1 Der Entwurf der FDP schreibt zwingend eine Versammlungsleitung vor. Mit zutreffenden Erwägungen wird eine Streichung dieser Vorschrift von SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW und Piratenfraktion verlangt. Meinungskundgebung und Teilhabe an öffentlichen Debatten organisiert sich inzwischen auch ohne ausdrückliche Versammlungsleitung. Auf diese neueren Entwicklungen sollte der Gesetzgeber Bezug nehmen.

    (5) Befugnisse der Versammlungsleitung Der Entwurf der FDP verzichtet im Gegensatz zum Versammlungsgesetz des Bundes auf die Regelung, das Ordner_innen volljährig sein müssen. Dies verdeutlicht, dass auch nicht Volljährige ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen können. Dies haben die „Bildungsstreiks“ anschaulich belegt.

    (6) Waffen- und Uniformverbot § 8 § 8 Abs. 2 des Entwurfes enthält – wie bereits das Versammlungsgesetz des Bundes, § 3 VersammlG -  ein Uniformverbot und ein Verbot von Uniformteilen (vgl. bereits zu den erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschrift ausführlich Ott/Wächtler/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, § 3 Rn. 2 m.w.N.). Darüber hinausgehend sieht der Entwurf vor, dass es auch verboten ist, in einer Art und Weise aufzutreten, die dazu geeignet und bestimmt ist, im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln. Diese Regelung ist in ihrer Weite durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie „oder sonst in einer Art und Weise aufzutreten“ oder „im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln“ offensichtlich auch dazu bestimmt, so genannte „Schwarze Blöcke“ zu verhindern. Dieses Ziel widerspricht einerseits Art. 8 GG und wird andererseits ohnehin durch die Unbestimmtheit der Regelung nicht erreicht. Die Regelung ist daher abzulehnen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt eine Form der Kommunikation mit anderen, das Sich-Versammeln. Es schützt die Betätigungen der Versammlungsbeteiligten (Veranstalter, Leiter, Teilnehmer) sowohl für das Zustandebringen und Durchführen einer Versammlung als auch die mit der Versammlung verbundenen Betätigungen, soweit sie im Rahmen der verfassungsunmittelbaren Gewährleistungsschranken der Friedlichkeit und Waffenlosigkeit bleiben. Geschützt sind auch die im Rahmen einer Versammlung erfolgenden Aktivitäten, die unmittelbar Aufmerksamkeit bei Dritten herbeiführen sollen. Die Versammlungsfreiheit gewährleistet also nicht nur das Sich-Versammeln als solches, sondern auch die im Rahmen einer Versammlung möglichen kollektiven Betätigungen und damit die Demonstrationsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst klargestellt, dass die einschüchternde Massenhaftigkeit einer Versammlung allein unproblematisch ist (BVerfGE, 69, 315(353)). Das Versammlungsrecht schließt das Recht auf körperliche Sichtbarmachung der Meinung mit ein (BVerfGE 69, 315, (345), Heckmann, Sachverständigengutachten, Expertenanhörung zum BayVersG, S. 88). Auch bei „militanten“ bzw. den Eindruck der Gewaltbereitschaft vermittelnden Versammlungen im Sinne von § 8 Abs. 2 VersG ist somit der Schutzbereich des Art. 8 I GG eröffnet. Diese Versammlungen sind keineswegs a priori unfriedlich im Sinne von Art. 8 GG (Heckmann, Sachverständigengutachten, Expertenanhörung zum BayVersG, S. 88).  Sofern also eine Versammlung die wesentlichen Merkmale einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG aufweist, mithin auch (noch) friedlich ist, wird in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG durch die Regelung in § 8 Abs. 2 VersG dadurch verfassungswidrig eingegriffen, als der „Eindruck der Gewaltbereitschaft“ offensichtlich „Unfriedlichkeit“ gleichgesetzt wird oder werden soll. Dies ist mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut in Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar, da dieser ausschließlich die Unfriedlichkeit und Versammlung mit Waffen als nicht mit dem Grundrechtsschutz versehen vorsieht. Selbst sofern „Schwarze Blöcke“ oder Gewaltbereitschaft vermittelnde Personen bei einer Versammlung auftreten, aus denen heraus Störungen, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen werden, gilt nach der Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz, dass der Schutz für die friedlichen Versammlungsteilnehmer aufrechtzuerhalten ist (BVerfGE 69, 315 (361)). Anderenfalls könnten Minderheiten Versammlungen umfunktionieren und entgegen dem Willen der anderen Teilnehmer_innen rechtswidrig werden lassen. Die hier offenbar einem vorbeugenden Verbot „Schwarzer Blöcke“ dienenden Regelung muss sich daher an den strengen Voraussetzungen, zu denen die Ausschöpfung aller Mittel gehört, die eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstrant_innen ermöglichen, messen lassen (vgl. BVerfG NJW 2007, 2167, 2170 betr. Sternmarsch Heiligendamm; Wächtler, Sachverständigengutachten, Expertenanhörung zum BayVersG, S. 64). Durch die Regelung in § 8 Abs. 2 VersG sind diese Maßstäbe nicht erfüllt.  Stattdessen wird eine unklare und unbestimmte Rechtslage geschaffen, die es Versammlungsbehörden und der Polizei nach  § 8 Abs. 3 VersG sogar qua Gesetz nach eigener Auslegung ermöglichen soll, den Satzteil „im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln“ zu interpretieren und kraft eigener Zuständigkeit beispielsweise die Farbe und Art der Hosen oder der Oberbekleidung der Versammlungsteilnehmer zu bestimmen. Die Vorschrift verstößt sowohl gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, wie auch gegen den Gesetzesvorbehalt in Art. 8 Abs. 2 GG, da der Gesetzgeber wesentliche Differenzierungsmerkmale zur Auslegung eines zu unbestimmten Gesetzes nahezu vollständig in die Hände der Behörden gibt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 VersG bzw. entsprechende Anordnungen der Behörden einen Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 23 Abs. 7 VersG erfüllen soll und nach § 14 Abs. 2 VersG sogar zum Versammlungsausschluss führen kann (siehe unten), verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar.

    (7) Anwendbarkeit des Polizeirechts § 9 Das Regelungsbedürfnis für die Aufnahme dieser Vorschrift in das Versammlungsgesetz erschließt sich nicht. Das allgemeine Ordnungsrecht des Landesverwaltungsgesetzes Schleswig-Holstein, das Regelungen zur Gefahrenabwehr trifft, gilt auch ohne ausdrückliche Erwähnung, sofern Gefahren abzuwehren wären.

    (8) Anzeige § 10 Mit der Verwendung des Begriffes „Anzeige“ löst sich der Entwurf von der in § 14 Versammlungsgesetz geregelten „Anmeldepflicht“. Damit wird deutlich, dass es sich um die Bekanntgabe eines Ereignisses handelt und nicht um die Verpflichtung, sich bei der zuständigen Behörde eintragen zu lassen. Zur Vermeidung von bürokratischem Aufwand sollten Kleinstversammlungen, sofern keine Verkehrsbehinderungen zu erwarten sind, von der Anzeigepflicht ausgenommen werden.

    (9) behördliche Ablehnungsrechte § 12 Abs. 2 § 12 Abs. 2 VslgG SH-E bestimmt, dass die Veranstalterin oder der Veranstalter einer Versammlung der Behörde auf Aufforderung hin Namen und Adressen der vorgesehenen Ordner_innen mitzuteilen haben, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu besorgen ist, dass von einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Die Norm ist dem Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes entnommen (vgl. dort ME VersG, S. 59). Zur Begründung wird dort - wenngleich ohne nähere Darlegungen - ausgeführt, es sei nicht ausgeschlossen, dass der geplante Einsatz bestimmter Ordnerinnen und Ordner eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könne (ebd.). Die Namhaftmachung soll der Versammlungsbehörde ermöglichen, in diesem Fall deren Zuverlässigkeit zu überprüfen und sie ggf. gem. § 12 Abs. 2 VslG SH.E abzulehnen. Die Regelung ist aus Sicht des RAV nicht nur in praktischer Hinsicht untunlich, sondern auch rechtlich bedenklich. Die vorherige Namhaftmachung führt zu einer Bürokratisierung der Versammlungsanzeige, zwingt sie den Veranstalter bzw. die Veranstalterin, bereits weit im Vorfeld die entsprechenden Personen zu bestimmen und ihre Daten abzufragen. Jedenfalls bei größeren Versammlungen, bei denen auch eine entsprechend große Anzahl von Ordner_innen zum Einsatz kommen soll, wird es dem Veranstalter daher praktisch kaum möglich sein, diese bereits in einem derart frühen Stadium bestimmen zu können. Die bisherige Praxis, Ordner_innen durch den Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin vor Ort aus dem Kreis der Teilnehmenden auszuwählen, hat sich hingegen bewährt und sollte beibehalten werden. Im Übrigen ist die Regelung im Entwurf aber auch in rechtlicher Hinsicht verfehlt. Dem Umstand, dass mit der Namhaftmachung handgreiflich Einschüchterungseffekte einhergehen können, wird nicht hinreichend Rechnung getragen. So ist bereits nicht nachvollziehbar, warum – anders als für beschränkende Verfügungen nach § 13 VslgG SH-E – bereits eine (einfache) Gefahr für den Erlass der Maßnahme ausreichen soll. Durchgreifende Bedenken ergeben sich überdies daraus, dass die Namhaftmachung der Ordner_innen bereits dann verfügt werden kann, wenn nur Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einer Versammlung irgendeine Gefahr ausgeht. Ein spezifischer Gefahrenzusammenhang zwischen der Gefahrenlage und dem Einsatz von vermeintlich unzuverlässigen Ordnerinnen und Ordnern, zieht der ME VersG zwar zur Begründung heran. In der gesetzlichen Regelung hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden hat. Die Regelung ist daher unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich, soweit sich die Verpflichtung zur Namhaftmachung auch auf solche Gefahren bezieht, die sich gerade nicht auf den prognostizierten Einsatz bestimmter unzuverlässiger Ordnerinnen und Ordner gründen. Entsprechend ist in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass nur bei konkreten Zweifeln an der Zuverlässigkeit und Geeignetheit der einzusetzenden Ordner_innen und einer sich daraus ergebenden unmittelbaren Gefahr im Einzelfall und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sein kann, die Personalien der einzusetzenden Ordner_innen in einer Liste zu erfassen, um eine zügige Überprüfung zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.6.2011, Az.: 1 S 2901/10).

    (10) Beschränkungen, Verbot, Auflösung § 13 Die Formulierung in § 13 Abs. 4 ist zu unbestimmt. Die Verwendung der Begriffe „gewichtige Symbolkraft“, „führende Repräsentanten“ oder „erhebliche Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen“ bieten eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten. Der zuständigen Behörde ist damit kein Maßstab an die Hand gegeben worden, nach der sie entscheiden kann. Veranstalter_innen könnten der Willkür der dort jeweils vorherrschenden Meinung ausgesetzt sein. Hier bedarf es einschränkender und konkreterer Formulierungen. Ebenso unbestimmt ist der in Abs. 7 verwendete Begriff „Ersatzversammlung“. Handelt es sich um eine identische Versammlung wie die Aufgelöste, ist sie aufgelöst. Handelt es sich um eine andere Versammlung, unterliegt diese dem Schutz des Versammlungsgesetzes. Für deren Auflösung bestimmt das Versammlungsgesetz die Voraussetzungen.

    (11) Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen § 14 (a)
    § 14 Abs. 1 ermächtigt die Versammlungsbehörde, im Vorfeld einer Versammlung einer Person die Teilnahme oder die Anwesenheit in einer Versammlung zu untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Das Versammlungsgesetz des Bundes enthält bislang keine vergleichbare Regelung. Die Notwendigkeit einer derartigen Eingriffsermächtigung gegen einzelne Teilnehmer_innen ist nicht ersichtlich. Überdies wird die erforderliche Prognoseentscheidung bezogen auf einzelne Personen zwangsläufig von einer noch größeren Unsicherheit geprägt sein als dies bereits für Prognoseentscheidungen bezogen auf die Versammlung als solche der Fall ist. Es steht daher zu befürchten, dass die Regelung dazu führen wird, Personen ohne hinreichende Grundlage das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschneiden. (b)
    § 14 Abs.2 regelt neben dem bereits nach bisherigen Recht möglichem Ausschluss von Teilnehmer_innen, deren Verhalten in der Versammlung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet (sog. Minus-Maßnahme nach § 15 Abs. 2 VersammlG Bund) die  Ausschlussmöglichkeit bei Verstößen gegen Anordnungen zu Uniformierung, Vermummung und Schutzbewaffnung. Die Vorschriften der §§ 8 und 17 des Gesetzentwurfs enthalten Ermächtigungen für die Polizei, anzuordnen, welche Bekleidungsstücke oder Gegenstände zu Demonstrationen nicht mitgebracht werden dürfen. Die Regelungen sind aus der Sicht des RAV abzulehnen (siehe zu § 8 oben, zu § 17 nachfolgend) Die Vorschriften §§ 14 Abs. 2 und 23 Abs. 1 Nr. 7 verschärfen diese Verbote, indem sie Verstöße dagegen mit zwei Sanktionsmöglichkeiten versehen. Nach § 14 Abs. 2 können Personen, die etwas mit sich führen, was die Polizei mit einer entsprechenden Anordnung verboten hat, von einer Demonstration ausgeschlossen werden, nach § 23 Abs. 1 Nr. 7 mit einer Geldbuße belegt werden. Der mögliche Ausschluss bedeutet einen schwer wiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Das Verbot des Mitführens von in einer polizeilichen Anordnung genannten Vermummungs- oder Schutzbewaffnungs-Gegenständen gilt bereits auf dem Hinweg zu einer Demonstration. Demonstrationsteilnehmer_innen werden aber typischerweise über derartige Anordnungen, die ihnen gegenüber nicht bekannt gegeben werden müssen, auch  nicht im Vorhinein informiert sein und deshalb unter Umständen in Unkenntnis der jeweiligen Verbote entsprechende Gegenstände oder Kleidungsstücke bei sich führen. Wenn dies dann bei Vorkontrollen oder während der Demonstration festgestellt wird, können sie nach dem Entwurf von der Versammlung von Vornherein ausgeschlossen werden. Dieser Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist elementar, weil er die Grundrechtsausübung vollständig unmöglich macht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen inkriminierte Gegenstände auch nicht einfach abgestellt oder abgelegt werden können (wie Glasflaschen am Eingang von Fußball- oder Musik-Großveranstaltungen). Da es sich bei den Gegenständen, die von Verboten erfasst werden, vorrangig um Kleidungsstücke handelt, werden Versammlungsteilnehmer_innen sie nicht einfach vor Ort wechseln können. Die Gewerkschafterin, die direkt von der Arbeit wie die anderen Teilnehmer_innen der Gewerkschaftsdemo im „Blaumann“ erscheint, wird den ebenso wenig in Straßenkleidung umtauschen können, wie der Punker seine schwarze  Lederjacke. Den Eingriff in die Versammlungsfreiheit verschärft noch, dass ein Ausschluss von der Demonstration erst im Nachhinein justiziabel ist. Wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Anordnung oder die Auslegung der Anordnung durch die Polizeibeamt_innen vor Ort rechtswidrig war, kann die Teilnahme an der Demonstration nicht mehr nachgeholt werden. Gleichzeitig droht Versammlungsteilnehmer_innen daneben zusätzlich die gesetzlich vorgesehene Sanktionierung mit einer Geldbuße. Dadurch ist eine noch stärkere Belastung der Strafgerichte mit Bagatellfällen zu befürchten. Die Erfahrungen mit der bisherigen Regelung der Strafbarkeit von Vermummung und Schutzbewaffnung zeigen, dass regelmäßig Personen mit witterungsangemessener Winterkleidung oder zum Beispiel Studierende, die spontan an einer Demonstration teilnehmen wollen, ohne vorher bedacht zu haben, dass sie noch ihre Laborbrille bei sich habe, mit den entsprechenden Verfahren überzogen werden, die dann in einer Hauptverhandlung, deren Sinn auch die Strafrichterin oder der Strafrichter nicht erkennt, eingestellt werden. Es ist zu befürchten, dass Bürger_innen durch die doppelte Sanktionierung mit Ausschluss und Geldbuße davon abgeschreckt werden, an Demonstrationen teilzunehmen. Wer befürchten muss, wegen mitgeführter Gegenstände, deren Einstufung als verboten erst vor Ort bekannt wird, an der Demonstration nicht teilnehmen zu dürfen  und anschließend noch bestraft zu werden, wird in vielen Fällen auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.

    (12) Kontrollstellen § 15 Der Entwurf der FDP ermöglicht es, anlasslos Kontrollstellen zu errichten. Anlasslose Kontrollstellen sind geeignet, Bürger_innen von der Teilnahme an Versammlungen abzuschrecken und schränken das Recht auf Versammlungsfreiheit ein. Auch der Zugang zur Versammlung muss ungehindert erfolgen. Insoweit kann verwiesen werden auf die Anmerkungen der SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW zu 2.15.

    (13) Bild- und Tonübertragung und –aufzeichnungen und Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton §§ 16, 21 Die Regelungen zur Anfertigung von Bild- und Tonübertragungen sowie von Aufnahmen und Aufzeichnungen begegnen aus Sicht des RAV durchgreifenden Bedenken, denn sie tragen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die damit einhergehenden Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung. § 16 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 des Entwurfs regeln zunächst allgemein die Befugnis der Polizei, personenbezogene Daten von Versammlungsteilnehmerf_innen zu erheben und zu verarbeiten, um eine von diesen verursachte unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit (bzw. für die Friedlichkeit der Versammlung) abzuwehren. Satz 2 stellt klar, dass die Polizei in diesem Zusammenhang auch Bild- und Tonaufzeichnungen offen anfertigen darf. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen sind. Da dies regelmäßig der Fall sein dürfte, läuft die Regelung im Ergebnis darauf hinaus, dass eine Vielzahl von (unvermeidbar betroffenen) friedlichen Demonstrant_innen eines Aufzugs videografiert und damit als Nicht-Störer in Anspruch genommen werden können, wenn sich eine einzige Person als Störer im Demonstrationszug befindet. Die Regelung greift daher in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung ein, weil jede/jeder Versammlungsteilnehmer_in in einer solchen Situation damit rechnen muss, dass sowohl seine Teilnahme als solche, wie auch seine optischen oder akustischen Beiträge übertragen, festgehalten und ausgewertet werden. Ob der Polizei tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass von einer teilnehmenden Person erhebliche Gefahren ausgehen, lässt sich für die nicht störenden Versammlungsteilnehmer_innen in der Regel nicht beurteilen. Tangiert ist aber auch das Recht des Veranstalters, da von einer Bildübertragung und -aufzeichnung handgreiflich abschreckende Wirkungen auf potentielle Teilnehmer_innen ausgehen. Geboten wäre insoweit zumindest, vor einer derartigen Maßnahme den/die Veranstalter_in und die Teilnehmer_innen zu informieren und Gelegenheit zu geben, die vermeintliche Gefahrenlage abzuwenden. Erst wenn die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist, kann eine Inanspruchnahme der Nichtstörer_innen überhaupt in Betracht kommen (s.u.). Kritikwürdig sind darüber hinaus auch die in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Anfertigung von sog. Übersichtsübertragungen und –aufzeichnungen. Sie tragen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte nicht hinreichend Rechnung. Übersichtsaufnahmen stellen nach inzwischen wohl allgemeiner Auffassung einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, insbesondere auch weil sie eine Identifizierung von Versammlungsteilnehmern ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufzeichnungen - jedenfalls nach dem heutigen Stand der Technik - nicht besteht (BVerfG, Beschl. Vom 17.2.2009, Az.: 1 BvR 2492/08, Rn. 130). Die Bezeichnung „Übersichtsaufnahme“ verharmlost daher aus grundrechtlicher Sicht die Eingriffsintensität, denn diese ist – jedenfalls solange keine besonderen technischen Vorkehrungen getroffen werden können - keineswegs anders zu bewerten als andere optische oder akustische Überwachungsmaßnahmen. In Folge dessen lassen sich auch keine geringeren Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen derartiger Eingriffe rechtfertigen. Demgegenüber ermächtigt der Entwurf für „unübersichtliche Versammlungen und ihr Umfeld“ zur offenen Beobachtung, wenn dies zur Abwehr einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist und verzichtet hier auf das Vorliegen einer qualifizierten „erheblichen“ Gefahr. Ein individuelles Beobachten einzelner Versammlungsteilnehmer_innen, etwa durch das Heranzoomen, ist damit keineswegs ausgeschlossen. Auch hier gilt, wie schon für die personenbezogenen Maßnahmen nach Abs. 1, dass weder für den/die Veranstalter_in, noch für einzelne Versammlungsteilnehmer_innen in der Regel erkennbar ist, ob die Polizei sich auf das überblicksartige Beobachten beschränkt, einzelne Teilnehmer_innen beobachtet oder - freilich unter Rückgriff auf die entsprechende weitere Ermächtigungsgrundlage - bereits zur Aufzeichnung übergegangen ist. Der Entwurf der Fraktionen SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten der SSW hat einige diese Bedenken aufgenommen. Der Änderungsentwurf sieht vor, dass die Polizei Übersichtsaufnahmen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und ihres Umfeldes zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes anfertigen darf, wenn dies wegen der Größe und Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich ist (§ 15 Abs. 2). Weiter sieht der Entwurf vor, dass Aufnahmen offen vorzunehmen sind. Dies sei dadurch sicherzustellen, dass die Versammlungsleitung unverzüglich über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Kenntnis gesetzt wird (§ 15 Abs. 3) Problematisch an diesem Ansatz ist zunächst die verwendete Terminologie, soweit nicht hinreichend deutlich wird, ob mit „Übersichtsaufnahmen“ hier nur Beobachtungen im Sinne von Datenerhebungen gemeint sind, oder auch Aufzeichnungen im Sinne von Datenspeicherungen. Weiterhin ermächtigt der Entwurf bereits zu Übersichtsaufnahmen, ohne an eine Gefahrenlage anzuknüpfen. Vielmehr soll es ausreichen, dass sie für die genannten polizeilichen Zwecke „erforderlich“ sind. Ein Verzicht auf jegliche tatbestandliche Begrenzung ist angesichts des erheblichen Eingriffs in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht akzeptabel. Hinzu kommt, dass auch die weiteren Tatbestandsmerkmale (Größe der Versammlung oder Unübersichtlichkeit) ein hohes Maß an Unbestimmtheit aufweisen. Soweit der Änderungsantrag eine polizeiliche Informationspflicht über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen statuiert, ist dies zwar grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings werden damit die aufgezeigten Bedenken nur teilweise ausgeräumt. Dies gilt zunächst, soweit sich die Vorschrift dem Wortlaut nach nur auf „Übersichtsaufnahmen“ beziehen soll, nicht aber für Bild- und Tonaufnahmen nach Abs. 1. Darüber hinaus müssten nicht nur die Versammlungsleitung, sondern auch die Teilnehmer_innen in Kenntnis gesetzt werden, denn es ist nicht originäre Aufgabe der Versammlungsleitung, hoheitliche Maßnahmen der Polizei bekannt zu geben. Der Versammlungsleitung ist allerdings im Rahmen der Kooperation die Möglichkeit einzuräumen, eigene Maßnahmen zu ergreifen, durch die Bild- und Tonaufnahmen abgewendet werden können. Schließlich wäre sicherzustellen, dass auch jeder Wechsel polizeilicher Maßnahmen von der Beobachtung zur Aufzeichnung und von Übersichtsaufnahmen zu individuelleren Aufnahmen dem Veranstalter sowie den betroffenen Teilnehmer_innen umgehend mitgeteilt wird.

    (14) Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot §17 § 17 des Entwurfes normiert in Anlehnung an den Musterentwurf ein sog. Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot. Bereits in Bezug auf das inhaltlich vergleichbare Schutzwaffen- und Vermummungsverbot in § 17a VersammG Bund ist ausdrücklich auf die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift hingewiesen worden (vgl. hierzu ausführlich Ott/Wächtler/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, § 17a Rn. 1Ff; differenziert dagegen Dietel/Ginzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, § 17a Rn. 4). Der aufgezeigte Makel der Unbestimmtheit und Unverhältnismäßigkeit gilt entsprechend auch für die im Entwurf vorgesehene Regelung. Dies gilt nicht nur für das – handgreiflich unbestimmte – Verbot von Gegenständen, die als „Schutzausrüstung geeignet“ und „den Umständen nach“ darauf bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren, sondern insbesondere auch für das Maskierungs- und Vermummungsverbot. Insofern erkennt auch die Begründung des Musterentwurfs ausdrücklich an, dass es legitime Gründe dafür geben kann, aus Furcht vor Sanktionen des Arbeitgebers oder vor staatlicher Erfassung der durch die Teilnahme an einer Versammlung ausgedrückten Haltung, anonym bleiben zu wollen (Arbeitskreis Versammlungsrecht, ME VersG, S. 78). Darüber hinaus dienen Maskierungen bei einer Vielzahl aber auch nicht einmal diesem Zweck, sondern verkörpern bestimmte, versammlungsimmanente Inhalte, etwa durch das Tragen von Masken aus Pappmaché, durch Papiermasken (wie etwa die in Zusammenhang mit der Gruppe Anonymous bekannt gewordene Guy-Fawkes-Masken) oder geschlossene Ganzkörperanzüge aus Papier (etwa bei Anti-AKW-Demonstrationen). Versammlungsteilnehmer_innen werden gleichwohl  konkret befürchten müssen, von gefahrenabwehrrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen betroffen zu werden. Die aus „den Umständen“ durch die Polizei abgeleitete Zielrichtung ist nicht geeignet, einer extensiven Anwendung des Maskierungs- und Vermummungsverbots entgegenzuwirken. Das legitime und auch grundrechtlich geschützte Interesse vieler Versammlungsteilnehmer_innen an Anonymität oder Maskerade droht daher letztlich leer zu laufen.

    (15) Beschränkung, Verbot, Auflösung (bei Versammlungen in geschlossenen Räumen) § 19 Die von SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW vorgeschlagene Formulierung ist wiederum klarer und strukturierter als die im Entwurf der FDP. In Absatz 5 dort gilt zur Verwendung des Begriffs „Ersatzversammlung“ das unter Ziffer 10 angeführte.

    (16) Straftaten und Ordnungswidrigkeiten § 22, 23 a. § 23 Abs. 1 Nr. 4 VersG Schleswig-Holstein - Sanktionierung von Blockaden - Mit der neuen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 VersG Schleswig-Holstein soll in Zukunft die Teilnahme an Blockaden und anderen Aktivitäten, die andere Versammlungen stören, mit einer Geldbuße zu ahnden sein. Es ist eindeutig festzustellen, dass diese Vorschrift vor dem Hintergrund entwickelt wurde, dass in den letzten Jahren Blockaden als Mittel der Meinungsäußerung gegen Nazi-Veranstaltungen äußerst erfolgreich praktiziert wurden. So wurden zum Beispiel in Dresden in den vergangenen Jahren die vorher fest etablierte große Nazi-Demonstration durch mehrere tausend Gegendemonstrant_innen verhindert. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Art des Vorgehens gegen rechte Versammlungen deutlich weniger Gefährdung bedeutete, sowohl für einzelne Gegendemonstrant_innen als auch für sonstige Personen, die Gruppen von Nazis im Umfeld von solchen Versammlungen regelmäßig angriffen. Der vorliegende Gesetzentwurf richtet sich gegen diese Form des zivilen Ungehorsams, der in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert ist und in der Vergangenheit nicht zuletzt auch von vielen Parteien einschließlich der SPD und der Grünen aktiv mitgetragen und mitgestaltet wurde. Er zielt darauf ab, das sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen entwickelte zivilgesellschaftliche Engagement zu sanktionieren. Dies obwohl auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1995 grundsätzlich das Mittel der (Sitz-)Blockade als Mittel der politischen Meinungs- und Demonstrationsfreiheit anerkannt hat, sofern der Ort, an dem die Blockade stattfindet, symbolisch für das politische Ziel steht. Das ist bei Zufahrtswegen und Strecken von Nazi-Versammlungen selbstverständlich der Fall. Wer äußern möchte, dass den Nazis die Straße eben gerade nicht gehört und thematisieren will, dass sie ihre Propaganda und ihre Drohungen nicht dort verbreiten sollen, wo zum Beispiel von ihnen gefährdete Personen wohnen oder gefährdete Einrichtungen residieren, wird genau dort stehen bzw. sitzen und demonstrieren. Eine Sanktionierung ist zudem nicht das richtige Mittel, um dem Konflikt zwischen Demonstrationen mit gegensätzlichen Zielrichtungen beizukommen. Hier muss in jedem konkreten Fall von Demonstrationen, die bürgerschaftlichen Widerspruch hervorrufen, auf andere Mittel in der kommunalen Entscheidungsebene oder in der polizeilichen Praxis gesetzt werden. Die Vorschrift des Gesetzentwurfs nivelliert die Unterschiede zwischen friedlichem Protest und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Personen mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Es steht daher zu befürchten, dass das polizeiliche Vorgehen gegen den friedlichen Protestierenden härter und repressiver wird. Dann ist damit zu rechnen, dass insgesamt die Gefahr der gewalttätigen Auseinandersetzungen steigt. Denn dass mit dem geplanten Gesetz auch denjenigen, die Gewaltfreiheit propagieren, eine Bestrafung angedroht wird, wenn sie auf der Straße sitzen, kann dazu führen, dass die gesetzlichen Grenzen an Akzeptanz verlieren und vermehrt Konflikte mit der staatlichen Gewalt auftreten. Die geplante Vorschrift ist daher – entgegen ihrer offensichtlichen Zielrichtung – auch nicht geeignet, den Umgang mit Protest gegen Nazi-Demonstrationen zu erleichtern. b. § 23 Abs. 1 Nr. 7 – Sanktionierung des Verstoßes gegen §§ 8 Abs. 2 oder § 17 Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm ist auch eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen. c. § 23 Abs. 2 – Höhe der Geldbuße Die höchstmögliche Höhe der angedrohten Geldbußen ist zu differenzieren und herabzusetzen. Insoweit ist der Änderungsentwurf der SPD, Grünen und des SSW vorzugswürdig.

    3. Begrüßenswert ist weiterhin der Vorstoß, das Gesetz „Versammlungsfreiheitsgesetz“ zu nennen, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass der Landesgesetzgeber das in Art. 8 GG verbürgte Recht auf Versammlungsfreiheit schützen will und Grundrechtsverletzungen im Rahmen von Versammlungen nicht zulassen wird. Berlin, 7.8.2013   Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Versammlungsgesetzes in SH (PDF)]]>
    news-296 Fri, 05 Jul 2013 11:10:00 +0200 Justiz darf nicht kritisiert werden?!<br />Landgericht FFO schützt Entgleisungen am Amtsgericht Eisenhüttenstadt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/justiz-darf-nicht-kritisiert-werden-br-landgericht-ffo-schuetzt-entgleisungen-am-amtsgericht-eisenhuettenstadt-296 Pressemitteilung von VDJ, RAV, AG Ausländer- und Asylrecht im DAV, 5.7.2013 Justiz darf nicht kritisiert werden?! (PDF) Weitere Informationen:
    Rechtsanwalt Volker Gerloff, http://www.aufenthaltundsoziales.de/
    Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, http://www.lsf-kanzlei.de/anw_03.html
    VDJ, http://www.vdj.de/index.php?adresse
    RAV,  http://www.rav.de/impressum/?PHPSESSID=0360ef68010a49c33c13bdafc0d3b1f9
    AG Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein, RA Rolf Stahmann, http://stahmann-anwalt.de/]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-295 Wed, 26 Jun 2013 06:26:00 +0200 Rechtsanwält_innen fordern: Sofortiges Ende der staatlichen Willkür und Gewalt in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsanwaelt-innen-fordern-sofortiges-ende-der-staatlichen-willkuer-und-gewalt-in-der-tuerkei-295 Pressemitteilung, 26.6.13 Haus der Demokratie und Menschenrechte
    Greifswalder Str. 4 | 10401 Berlin | www.rav.de Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
    Münchener Str. 16 | 10779 Berlin | www.strafverteidiger-berlin.de Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)
    St- Anton-Str. 116 | 47798 Krefeld | www.vdj.de PM: Rechtsanwält_innen fordern: Sofortiges Ende der staatlichen Willkür und Gewalt in der Türkei (PDF)]]>
    news-294 Tue, 25 Jun 2013 11:56:00 +0200 Protestkundgebung vor der türkischen Botschaft am 26.6.2013, 14:00 Uhr /publikationen/mitteilungen/mitteilung/protestkundgebung-vor-der-tuerkischen-botschaft-am-26-6-2013-14-00-uhr-294 Aufruf Teilnahme in Robe an der Protestkundgebung am Mittwoch, 26.06.2013
    um 14 Uhr
    vor der Türkischen Botschaft, Tiergartenstraße 19-21, 10785 Berlin
    Seit einigen Wochen ist in der Türkei eine verschärfte, von staatlicher Seite praktizierte, brutale Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte - insbesondere auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit - zu beobachten. Sie überschreitet alle rechtsstaatlichen Grenzen und verletzt auf grobe Weise türkisches Recht wie auch internationale Verträge, welche von der Türkei ratifiziert wurden. In zunehmendem Maße richtet sich die staatliche Willkür in der Türkei auch gegen Rechtsanwält_innen. Dabei werden insbesondere jene Anwält_innen kriminalisiert, die in politischen Strafverfahren verteidigen. Sie werden aufgrund eines pauschalen Terrorismusvorwurfs angeklagt und teilweise auch inhaftiert. Bei der angemeldeten Kundgebung wird eine Pressemitteilung verlesen, die Veröffentlichung ist zeitgleich geplant. Wir hoffen auf zahlreiches Erscheinen. Commission defense de la defense, Brief Erdogan PDF]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-293 Fri, 21 Jun 2013 12:05:00 +0200 Türkische Anwaltschaft fordert:<br />Wendet das Gesetz an! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkische-anwaltschaft-fordert-br-wendet-das-gesetz-an-293 Pressemitteilung, 21.6.2013 Deutscher Anwaltverein (DAV)
    International Criminal Defense Lawyers Germany (ICDL)
    Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
    Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. Türkische Anwaltschaft fordert: Wendet das Gesetz an! PM (PDF)]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-292 Fri, 14 Jun 2013 09:51:00 +0200 Der NSU-Skandal – Staatliche Rolle und Prozess<br />Nazi-Terror unter staatlicher Begleitung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-skandal-staatliche-rolle-und-prozess-br-nazi-terror-unter-staatlicher-begleitung-292 Informations- und Diskussionsveranstaltung, 5.7.13 in Düsseldorf Referenten
    Wolf Wetzel (Journalist, Autor), Frankfurt/M.
    Profunder Kenner der Materie, der sich mit seinem gerade herausgegebenen Buch „Der NSU-VS-Komplex - Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund - wo hört der Staat auf“ (Unrast Verlag, April 2013) große Anerkennung erworben hat. Peer Stolle (Rechtsanwalt, Nebenklägervertreter), Berlin
    Erfahrener Strafverteidiger und einer der 62 Nebenklägervertreter_innen aus der bekannten linken Berliner Kanzlei Hummel-Kaleck-Rechtsanwälte Termin
    Freitag, 5. Juli 2013, 19h00 – 21h00 (Einlass 18h45) Ort
    Zakk, Studio, Fichtenstr. 40, 40233 Düsseldorf Eintritt frei Veranstalter:
    Veranstaltungsflyer (PDF)
    ]]>
    news-291 Wed, 12 Jun 2013 10:40:00 +0200 Zweckentfremdungsverbotsgesetz<br />Lösung der Wohnungsnot? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zweckentfremdungsverbotsgesetz-br-loesung-der-wohnungsnot-291 Pressemitteilung Veranstaltung am 19.6.2013 ab 19:00 h „Zweckentfremdungsverbotsgesetz - Lösung der Wohnungsnot?“
    in der Aula des GLS-Sprachenzentrums, Kastanienallee 82, 10435 Berlin Dazu lädt ein:
    Arbeitskreis Mieteranwältinnen und -anwälte
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) Kontakt:
    Rechtsanwalt Henrik Solf, Marienburger Straße 3, 10405 Berlin
    Tel. 030-442 9386 | Rechtsanwalt Dietrich Steinhoff, Torfstr. 25, 13353 Berlin
    Tel. 030-22321883 | ra.steinhof@web.de Hintergrundinformationen (PDF)
    Flyer_Einladung zur Veranstaltung am 19.6.2013 (PDF)
    Pressemitteilung (PDF)  ]]>
    Mietrecht (doublet)
    news-290 Fri, 31 May 2013 14:41:00 +0200 StN_Gesetzentwurf der Landesregierung in Thüringen zur Schaffung und Änderung der für Thüringen geltenden Vollzugsgesetze /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-gesetzentwurf-der-landesregierung-in-thueringen-zur-schaffung-und-aenderung-der-fuer-thueringen-geltenden-vollzugsgesetze-290 Stellungnahme vom 13.5.2013 Verfasser/in: Rechtsanwälte Diana Blum & Dr. Jan Oelbermann Vorbemerkung Vor dem Hintergrund das der Thüringer Gesetzgeber im Mai 2013 im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ein Anhörungsverfahren zu einem Gesetz durchführt,  welches am 1. Juni 2013 in Kraft treten soll, bestehen Zweifel  an der Möglichkeit einer ernsthaften  Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Angehörten. Da Änderungen wohl auch von der Regierungsmehrheit rein praktisch schon nicht mehr durchgesetzt werden könnten – wenn man am Termin zum Inkrafttreten festhalten will – stellt sich die Frage, ob diese Anhörung mehr als ein „Feigenblatt“ ist.  Dem Gesetzgeber ist seit dem 04. Mai 2011  bekannt, dass er zum 01.06.13 ein neues Gesetz für den Vollzug der Sicherungsverwahrung schaffen muss. Wenn er dann erst  am 13.03.13 den Entwurf vorlegt zeigt es zum einen den geringen Stellenwert, der dem Gesetz beigemessen wird und zum anderen, dass kein wahres Interesse daran bestehen kann, sich mit den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts sowie der kritischen Fachöffentlichkeit auseinanderzusetzen. Es wird grundsätzlich die frühzeitige Einbeziehung der Fachöffentlichkeit in Gesetzgebungsverfahren angeregt.  Aus unserer Sicht besteht durchaus Änderungsbedarf  des Gesetzes, worauf nun im Einzelnen konkret eingegangen werden soll: Den Folgen der Rechtsprechung des BVerfG scheint sich der Gesetzgeber nicht hinreichend bewußt. Unter Beachtung des ultima-ratio-Prinzips und des Abstandsgebots gehören etwa Disziplinarmaßnahmen nicht in ein Verwahrungsvollzugsgesetz und ist die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfes , die den Anspruch der Untergebrachten auf einen Aufenthalt im Freien „von mindestens einer Stunde täglich“ erhält, nicht haltbar. Dies  wäre nicht mehr als die Regelung in § 64 StVollzG. Das Gesetz aus dem Bundesland Berlin enthält z.B. in § 11 Abs. 3 eine Regelung dahingehend, dass die Sicherungsverwahrten einen eigenen Außenbereich erhalten, in dem sie sich außerhalb der Nachtruhe grundsätzlich frei bewegen dürfen. Daran gilt es sich zu orientieren, da der Vollzug der Sicherungsverwahrung den Bedingungen in Freiheit und nicht den Bedingungen im Strafvollzug anzupassen sind.  Die Stellungnahme hat ihren Fokus auf den Entwurf zum ThürSVVollzG. Was den vorangehenden Vollzug der Jugendstrafe (nur? oder auch der Vollzug der Freiheitsstrafe?) betrifft soll darauf hingewiesen werden, dass das primäre Ziel der vorangehenden Strafe sein muss, den Antritt der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen („ultima-ratio Prinzip“). Die Formulierung in § 2 ThürErgVollzG macht dies nicht hinreichend deutlich. Die Vorschriften des Gesetzesentwurfs, die der Justizbehörde ein Ermessen eröffnen, ob sie eine Behandlungsmaßnahme gewährt oder nicht, enthalten  zu oft das Wort „können“ und zu selten das Wort „sollen“. Sollte dies aus der Befürchtung heraus geschehen sein, dass die Vollzugsanstalten zu viele vollzugslockernde Maßnahmen gewähren und sich im Zweifel für eine solche Maßnahme entscheiden, ist diese unbegründet. Erfahrungsgemäß entscheidet sich die Vollzugsbehörde im Zweifel nicht für vollzugsöffnende Maßnahmen, sondern für  deren Ablehnung. Der  grundsätzlich schwierige und selten von Erfolg gekrönte Rechtsweg  in (Straf-) Vollzugsangelegenheiten sollte durch die vermehrte Verwendung von ermessensintendierenden Vorschriften zugunsten der Gefangenen verbessert werden. Gefahren für die Allgemeinheit wären dabei nicht zu erwarten. Diese Chance lässt der Gesetzesentwurf aus. Zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der Verbesserung des Rechtsschutzes im Strafvollzug wäre es zudem zu begrüßen , wenn der Gesetzentwurf bei besonders intensiven Eingriffen das Erfordernis eines schriftlichen Bescheids, der mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist, vorsehen würde. Ein solcher Bescheid könnte in den Fällen, in denen eine sofortige Anordnung erforderlich ist, auch innerhalb einer angemessenen Frist von maximal 48 h nachgereicht werden. Der Gesetzentwurf soll die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 04.05.2011(1) umsetzen. Insofern füllt er auf landesrechtlicher Ebene das aus, was die bundesrechtliche Neuregelung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als Konzept in allen wesentlichen Bereichen wirksam determinieren soll.(2) Die dabei notwendige grundsätzliche Kritik an der Sicherungsverwahrung als Maßregel überhaupt, die Frage der rechtspolitischen Notwendigkeit dieses Instruments, von Alternativkonzepten oder zumindest die Frage der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf schwerste Gewalt- oder Sexualdelikte (nicht etwa auch auf Betäubungsmittelkriminalität oder gewaltanwendungsfreie Raubdelikte) ist aufrecht zu erhalten. Eine Gruppe von Gefangenen auszuwählen, diese anhand von unsicheren sowie belegt übertrieben negativen Prognosen(3) für gefährlicher einzustufen als den Rest, und deswegen unbefristet wegzusperren, hat eine populäre Alibi-Funktion gegenüber der Bevölkerung, ist jedoch kriminalpolitisch im Hinblick auf die Rückfallvermeidung eher kontraproduktiv. Bei gleichzeitiger Abschaffung der Sicherungsverwahrung und Ausbau der Behandlungs-, Resozialisierungs- und Nachsorgeangebote für alle Gefangenen wäre eine wesentlich effektivere Rückfallvermeidung zu erreichen als durch das oft populistisch genutzte Instrument der Sicherungsverwahrung. Insofern soll auf die umfangreiche Stellungnahme von Herrn RA Scharmer für die deutschen Strafverteidigervereinigungen (Organisationsbüro) und den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.) zum Referentenentwurf zur Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung hingewiesen werden.(4)  Umsetzung des Abstandsgebots im Vollzug  „Die Landesgesetzgeber (…) haben im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit das Abstandsgebot sichernde, effektive Regelungen für den Vollzug der Maßregel zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten. Dabei ist vor allem sicherzustellen, dass die genannten Anforderungen nicht durch Gewährung zu weiter Spielräume in der Praxis umgangen werden können und damit das Abstandsgebot faktisch leerläuft. Ohne Wahrung des Abstandsgebots ist das Institut der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten nicht vereinbar.“(5) Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit zumindest sieben Vorgaben zur Umsetzung dieses Abstandsgebotes formuliert: 1. „ultima-ratio-Prinzip“: Kommt die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in Betracht müssen alle Behandlungsmöglichkeiten bereits während des vorangehenden Strafvollzuges mit gebotener hoher Intensität ausgeschöpft werden. 2. Individualisierungs- und Intensivierungsgebot: Es muss eine auch zeitlich realistische Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit konkret dargestellt werden. Individuelle Therapiekonzepte sind zu entwickeln. 3. Motivierungsgebot: Es ist eine realistische Entlassungsperspektive zu eröffnen und der Betroffene zu motivieren, an der dafür notwendigen Behandlung mitzuwirken. 4. Trennungsgebot: Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensbedingungen anzupassen, soweit dem Sicherheitsbelange nicht konkret entgegenstehen. 5. Minimierungsgebot: Die Konzeption der Sicherungsverwahrung (und des vorangehenden Vollzuges der Freiheitsstrafe) muss Vollzugslockerungen vorsehen, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. Abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr reichen zur Versagung nicht aus. Bei fehlender Lockerungseignung müssen begleitete Ausgänge gewährt werden, wenn die Gefahr trotz Beaufsichtigung nicht „schlechthin unverantwortbar“ ist. 6. Rechtsschutz und Unterstützungsgebot: Notwendig ist ein „effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch“ auf Behandlung. 7. Kontrollgebot: Überprüfung der Fortdauer mindestens jährlich von Amts wegen. Bei § 7 Abs. 2 JGG halbjährlich. Regelmäßige aussagekräftige Sachstandsberichte der Vollzugsbehörde sind erforderlich. Legt man allein diese sieben Kriterien für eine effektive Umsetzung des Abstandsgebots zu Grunde, so stellt sich die Frage, was dann den Abstand des Strafvollzuges zur Vollstreckung der Sicherungsverwahrung ausmachen soll, außer vielleicht einer bestehenden rechtswidrigen Vollzugspraxis für Strafgefangene, die nun für Sicherungsverwahrte und von Sicherungsverwahrung bedrohte Gefangene wieder in ursprünglich bereits vom StVollzG vorgesehene verfassungsgemäße Bahn gelenkt werden soll. Denn alle das Abstandsgebot kennzeichnenden Kriterien des Bundesverfassungsgerichts finden sich bereits in den bestehenden Regelungen des Strafvollzugs nebst ständiger Rechtsprechung dazu: 1. „ultima-ratio-Prinzip“ und Resozialisierungsanspruch, § 2 S. 1 StVollzG: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“(6) 2. Individualisierungs- und Intensivierungsgebot: § 3 Abs. 3 StVollzG „Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“ 3. Motivierungsgebot: § 4 Abs. 1 StVollzG „Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.“ 4. Trennungsgebot: § 3 Abs. 1, 2 StVollzG „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.“ 5. Minimierungsgebot: § 11 StVollzG sieht die Gewährung von Vollzugslockerungen im Ermessen der Anstalt vor, wenn keine Flucht- und Missbrauchsgefahren vorliegen. Diese müssen bereits nach der aktuellen Regelung konkret bestehen. Der abstrakte Hinweis auf Gefahren genügt eben sowenig, wie eine generelle Gefahrenvermutung als „non liquet“ zu Lasten der Gefangenen, um Lockerungen zu versagen. Individuell gilt in einem Stufenmodell konkret zu prüfen, für welche Art von Lockerungen (Ausgang, Ausführungen, etc.), welche konkreten Gefahren bestehen.(7) 6. Rechtsschutz und Unterstützungsgebot: Die §§ 109 ff. StVollzG sollen nach ihrem Zweck bei verfassungskonformer Anwendung einen effektiven Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Strafvollzuges binnen kurzer Fristen gewährleisten.(8) 7. Kontrollgebot: §§ 67d, e StGB sehen regelmäßige Überprüfungen der Unterbringung vor. Dabei stellen die Fristen in § 67e StGB Maximalwerte. Ein Überprüfungsverfahren kann jederzeit eingeleitet werden, wobei mit der Dauer der Vollstreckung die Kontrolldichte von Verfassungs wegen zu erhöhen ist.(9) Festzustellen ist demnach, dass die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für ein Abstandsgebot im Grunde bereits durch die bestehenden Regelungen für das Resozialisierungsgebot im Strafvollzug abgebildet werden, mit dem einzig wesentlichen Unterschied, dass Sicherungsverwahrte - und davon bedrohte Gefangene - nun effektivere Möglichkeiten bekommen sollen, diese Resozialisierungsvorgaben auch umsetzen zu können. Ist es aber tatsächlich das, was den Abstand zwischen Strafvollzug und Sicherungsverwahrung ausmachen soll? Wird dadurch für den regulären Strafgefangenen der Status „Resozialisierung light“ (bzw. Verwahrvollzug) aufrecht erhalten, hingegen für Sicherungsverwahrte ein vermeintlicher „Resozialisierungsvollzug deluxe“ geschaffen? Der aktuelle Gesetzentwurf lässt genau dieses Szenario befürchten. Während im Rahmen von großzügiger Ausnutzung weiter Ermessensspielräume des Strafvollzugs grundsätzlich Behandlungsmaßnahmen, insbesondere Vollzugslockerungen, für Strafgefangene restriktiv gehandhabt werden und effektiver Rechtsschutz dagegen praktisch fehlt, wird es für eine nunmehr ausgewählte Gruppe von Gefangenen schlicht effektivere Möglichkeiten geben, Resozialisierungsmaßnahmen, die eigentlich für alle erforderlich wären, umzusetzen. Dabei ist den Unterzeichnern durchaus bewusst, dass es praktisch schwierig ist, den Abstand zwischen einem auf effektive Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug und einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit der gleichen Intention gesetzlich umzusetzen. Dies zeigt wiederum die rechtlichen und logischen Grenzen des Instituts der Sicherungsverwahrung auf. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung darf sich zudem nicht am Strafvollzug orientieren sondern muss sich eher an einer zivilrechtlichen Unterbringung (ebenfalls eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr) orientieren. Es wäre ein Richtungswechsel erforderlich gewesen; bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich eher um einen Spurenwechsel. Wenn man nach diesen Überlegungen überhaupt von einer Umsetzbarkeit des Abstandsgebots ausgehen würde, ergäben sich über die dargestellten essentiellen Gebote des Resozialisierungsvollzugs hinaus folgende weitere Ansätze: * Die Sicherungsverwahrung als rein präventivrechtliche Freiheitsentziehung muss in räumlich getrennten, nach innen weitestgehend offenen Einrichtungen vollzogen werden. Die Unterbringung in einer gesonderten Abteilung einer JVA genügt dafür nicht, da der Charakter des Strafvollzuges erhalten bliebe. Wo Behandlungs-, Arbeits- und Freizeitangebote einer (nahegelegenen) JVA das Angebot der Einrichtung übertreffen, müssen individuelle, tägliche Transporte von nicht gelockerten Sicherungsverwahrten ermöglicht werden. Gelockerte Sicherungsverwahrte können hingegen, soweit praktikabel, zusätzlich zivile Angebote nutzen. * Wo kurzfristige Rückfälle in einer strukturierten Umgebung unwahrscheinlich sind, erfolgt eine auch nach außen offene Unterbringung, bzw. eine Beurlaubung in ausgegliederte offene Therapieeinrichtungen, wie sie heute bereits im Maßregelvollzug nach §§ 63, 64 StGB (bspw. in Berlin) üblich ist. * Die Form der Unterbringung unterscheidet sich von einem Leben in Freiheit nur soweit, wie es für die innere und äußere Sicherheit der Einrichtung zwingend erforderlich ist. Dazu gehört die bauliche Gestaltung und Ausstattung von Wohnräumen zumindest in der gleichen Form, wie sie in Freiheit nach dem SGB II als Existenzsicherung zustehen würde - bei entsprechenden finanziellen Mitteln auch darüber hinaus. Mindeststandard: 30-50 qm Wohnraum, inkl. getrenntem Sanitärbereich und Küchengrundausstattung.(10) * Es wird die Möglichkeit zur vollständigen Selbstversorgung mit Lebensmitteln, Freizeit- und Bedarfsgegenständen geschaffen. * Sicherungsverwahrte müssen, soweit das organisatorisch umgesetzt werden kann, umfangreich und ggf. auch spontan Besuch empfangen können. Dort wo keine Gefahren für den jeweiligen Besucher ersichtlich sind, sollten Besuche auch über Nacht ermöglicht werden (gerade im Bereich Nichtsexualdelinquenten). Dafür sind ggf. gesonderte – von anderen Sicherungsverwahrten getrennte - Besuchsbereiche vorzusehen. * Sicherungsverwahrten wird der Zugang zum Internet und Telefon im eigenen Wohnbereich gewährt, und nur bei offensichtlichen Missbrauchsgefahren entzogen. * Es wird eine angemessene Vergütung für Arbeit im Vollzug eingeführt. Bei Arbeitslosigkeit werden zumindest Leistungen gezahlt, wie sie außerhalb der Anstalt zur Existenzsicherung gem. §§ 20ff. SBG II gewährt werden würden. Die gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen müssen auch bei Sicherungsverwahrten gelten. *  (Zumindest) Sicherungsverwahrte werden gesetzlich kranken- und rentenversichert. Sie haben, soweit im Rahmen von Ausgängen, Ausführungen oder Besuchen in der Anstalt praktikabel, freie Arztwahl. Diesen Vorgaben wird der vorliegende Gesetzentwurf  leider nicht gerecht, weshalb er grundsätzlich überarbeitet werden müsste. Einzelne Nachbesserungen verschiedener Regelungen genügen dafür nicht. II. Einzelregelungen 1. ThürErgVollzG  a. Ziel des Vollzugs, § 2 ThürErgVollzG Der Nichtantritt der Sicherungsverwahrung muss primäres Vollzugsziel und nicht gleichrangiges sein.  b. Verbleib auf freiwilliger Grundlage, § 10 ThürErgVollzG & § 18 ThürSVVollzG Hierbei sind Vorkehrungen zu treffen, dass die Vollzugsanstalten nicht zu Obdachlosenwohnheimen werden. Diese hat der Sozialstaat extra einzurichten. Es sind sicherlich Fälle denkbar, in denen die Möglichkeit eines freiwilligen Aufenthalts zu begrüßen ist. Es sollten jedoch Vorkehrungen getroffen werden, damit dies nicht überhandnimmt. So könnte etwa ein maximaler Aufenthalt von zwei Wochen pro Kalenderjahr ins Gesetz aufgenommen werden. Dies gäbe den sozialen Diensten hinreichend Zeit für eine angemessenere –gitterfreie- Unterbringung zu sorgen. 2. ThürSVVollzG  a. Ziel des Vollzugs, § 1 ThürSVVollzG Mit der Formulierung, die den Schutz der Bevölkerung auf die gleiche Ebene mit der Resozialisierung stellt, bleibt der Gesetzentwurf sogar hinter den Regelungen aus dem StVollzG zurück, der als primäres Ziel die Resozialisierung sieht. Primäres Ziel muss die Senkung der Gefährlichkeit  und das Ende der Unterbringung sein. Die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit werden damit auch am besten bedient.  b. Mitwirkung und Motivierung, § 5 ThürSVVollzG Hier sollte im zweiten Absatz das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetzt werden. Nach dem Motivierungsgebot müssen  alle Maßnahmen zur Motivation ergriffen werden. Durch das großzügigere Verwenden ermessensintendierender Begriffe würde zudem der Rechtsschutz Gefangener erleichtert. Auch dies ist eine der Forderungen des Bundesverfassungsgerichts.  c. Stellung der Untergebrachten, § 6 ThürSVVollzG In § 6 Abs. 1 Satz 2 ist eine Generalklausel versteckt, mit der ähnlich zum Polizeirecht Grundrechtseingriffe aus Gründen der Sicherheit und Ordnung ermöglicht werden. Grundrechtseingriffe auf Grund einer  an Allgemeinheit kaum zu übertreffenden Regelung innerhalb einer totalen Institution erscheinen überbedenkenswert. Zudem stellt sich die Frage der Erforderlichkeit  der Regelung. Der Gesetzesentwurf enthält genügend explizite Regelungen, wie die Vollzugsbehörde bei Gefahrensituationen in die Rechte der Gefangenen eingreifen kann, so dass die entsprechende Regelung auch nicht aus Gründen der Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. In § 6 Abs. 3 heißt es, dass dem Untergebrachten vollzugliche Maßnahmen erläutert werden sollen. Ergänzend dazu sollte er auf den Rechtsschutz hingewiesen werden.  d. Aufnahme, § 8 ThürSVVollzG Den Untergebrachten sollte ein Exemplar des Gesetzes ausgehändigt werden. Bei den wenigen Betroffenen scheinen damit keine unverhältnismäßigen Kosten einher zu gehen. Warum es in § 8 Abs. 2 nicht näher konkretisiert ist, wann eine ärztliche Untersuchung stattzufinden hat, ist nicht erklärlich. Diese sollte nicht „alsbald“ sondern innerhalb von 24 h erfolgen.  e. Behandlungsuntersuchung & Vollzugsplan, §§ 9-10 ThürSVVollzG Auch hier ist die Kritik am Wort „alsbald“ (§ 10 Abs. 1 S. 1) zu wiederholen. Wenn die Behandlungsuntersuchung durchgeführt wurde, ist der Vollzugsplan sofort – max. innerhalb von 2 Wochen – zu erstellen. Die Kriterien zum Mindestinhalt des Vollzugsplans sind zu begrüßen. Der Vollzugsplan muss mindestens alle sechs Monate fortgeschrieben werden. Diese Frist darf nicht überschritten werden. Der Gesetzentwurf lässt hier Ausnahmeregelungen zu (§ 10 Abs. 2 S. 2), deren es nicht bedarf und die Missbrauch ermöglichen. Vollzugspläne sind mit Rechtsmittelbelehrungen zu versehen (§ 10 Abs. 6)  e. Verlegung, Überstellung und Ausantwortung & sozialtherapeutische Behandlung §§ 11, 12 ThürSVVollzG Die praktische Anwendbarkeit der zweiten Variante in § 11 Abs. 1 (Verlegung aus vollzuglichen Gründen) scheint gleich Null, zumal innerhalb des Bundeslands Thüringen  bisher nicht  eine Anstalt dem Abstandsgebot gerecht wird. Die Wahrung des Abstandsgebots – und da war das BVerfG sehr deutlich – ist von entscheidender Bedeutung. Eine dieses Gebot sichernde Ergänzung wäre in § 11 Abs. 1 aufzunehmen. Es ist darauf hinzuwirken, dass auch die sozialtherapeutischen Behandlungen in einer für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zuständigen Anstalt erfolgen.  Es kann nicht sein, dass man sich entsprechende Behandlungsmaßnamen im Vollzug der Sicherungsverwahrung sparen, und die Untergebrachten dann mit sanftem Druck und unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 wieder im Strafvollzug unterbringen will. Insofern ist der Gesetzesentwurf hier nicht hinreichend deutlich und  könnte sich am bayerischen Gesetzesentwurf orientieren (Die sozialtherapeutische Behandlung „soll in einer für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zuständigen Anstalt erfolgen“). Die Regelungen, dass Untergebrachte unbefristet dem Gewahrsam der Strafverfolgungsbehörden überlassen werden dürfen, wenn dies zur Erfüllung derenAufgaben erforderlich ist, macht deutlich wie wenig man sich der Stellung der Untergebrachten bewusst ist, und wie wenig ernst der Angleichungsgrundsatz genommen wird. Kein freier Bürger wird den Ermittlungsbehörden überlassen. Sofern eine Ermittlungsbehörde ein Interesse an Aussagen von Untergebrachten hat, kann sie diese aufsuchen. Auch kann er im Rahmen einer Ausführung zur Polizeibehörde gebracht werden. Er darf dieser aber nicht überlassen werden. Zumindest sind hinsichtlich der Ausantwortung eine maximale Frist von z.B. 24 Stunden in das Gesetz aufzunehmen.  f. Geschlossener Vollzug und vollzugsöffnende Maßnahmen; Weisungen, Rücknahme, Widerruf,  §§ 13, 14 ThürSVVollzG Die Regelungen in § 13, die sich an der Rechtsprechung des BVerfG orientieren, sind zu begrüßen. Es bleibt zu hoffen, dass diese möglichst schnell Eingang in die Praxis finden. Die Regelung in § 13 Abs. 4 Nr. 2 ist allerdings ein Einfallstor dahingehend, die Ausführungen wieder zu streichen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt werden „müssen“. Es ist keine Fallgestaltung denkbar, bei der die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen generell den Zweck von Ausführung gefährden könnten.  Bekannten und auch zukünftig zu erwartende Argumentationen seitens der Justizbehörden muss vorgebeugt werden: „Den müssten wir an Ketten mit 5 Beamten ausführen, das bringt doch keinem was.“  Die Bedeutung des Worts „müssen“ darf nicht ausgehöhlt werden. Entsprechende Versuche der Vollzugsbehörden sind in der Praxis (auch bei den Aufsichtsbehörden) überall zu beobachten. Ein Widerruf nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 dürfte nur gerechtfertigt sein, wenn durch das Nichtbefolgen von Weisungen konkrete Flucht- bzw. Missbrauchsbefürchtungen zu bejahen sind.  g. Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Grund, § 15 ThürSVVollzG Diese „sollen“ gewährt werden. Die vorsichtige Formulierung durch das Wort „können“ wird der Bedeutung der Maßnahmen für die Schaffung einer positiven Prognose nicht gerecht. Wenn nahe Verwandte  eines Verwahrten  sterben, muss dieser die Chance haben, an der Beerdigung teilzunehmen. Es ist klarzustellen, dass bei Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes auch Ausführungen zu gewähren sind. Nach der Gesetzessystematik sind Ausführungen keine „vollzugsöffnenden Maßnahmen“ i.S.d. § 15.  h. Entlassungsvorbereitung & nachgehende Betreuung, §§ 16, 17 ThürSVVollzG In § 16 Abs. 1 Satz 3 heißt es, dass die Bewährungshilfe zu einer Zusammenarbeit schon während des Vollzugs verpflichtet ist. Das gilt natürlich - und sollte entsprechend klargestellt werden –  ebenso für die Vollzugsbehörde. Es sollte die Teilnahme der Bewährungshilfe an den Vollzugsplankonferenzen gesetzlich  geregelt werden. Ein Reisekostenzuschuss  sowie Unterstützung für angemessene Kleidung müssen gewährt werden, wenn es notwendig ist (§ 17 Abs. 2). Die zurückhaltende Formulierung ist hier nicht verständlich.  i. Unterbringung, § 19 ThürSVVollzG Hier ist  der Anspruch auf eine baulich abgetrennte Toilette und Einzeldusche aufzunehmen (§ 19 Abs. 1). Die Wohngruppentauglichkeit sollte positiv formuliert werden. Z.B. durch die Formulierung: „Wohngruppentauglichkeit liegt in der Regel vor, wenn keine konkrete schwerwiegende Gefahr....”  j. Ausstattung, § 20 ThürSVVollzG Hinsichtlich der Ausstattung und des persönlichen Besitzes ist insbesondere das Abstands- und Minimierungsgebot zu beachten. Hier muss es deutlich spürbare Unterschiede zum Strafvollzug geben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit o.ä. darf nichts verboten werden. Der entsprechende Mehraufwand bei der Kontrolle ist hinzunehmen. Insofern sollten Einschränkungen nur möglich sein, wenn die Gegenstände eine erhebliche Beeinträchtigung der Sicherheit darstellten.  k. Verpflegung, § 22 ThürSVVollzG § 22 Abs. 3 regelt, dass diejenigen, die sich selbst verpflegen, von der Gemeinschaftsverpflegung ausgeschlossen sind. Hier besteht der Verdacht, dass eine flexible Handhabung (ein bisschen Selbstverpflegung, ein bisschen Anstaltskost) nicht möglich ist und die Untergebrachten sich entscheiden müssen. Dem ist durch eine gesetzliche Klarstellung entgegenzuwirken.  l. Gesundheitsvorsorge, medizinische Versorgung, medizinische Zwangsmaßnahmen §§ 23 - 25 ThürSVVollzG Nach § 23 Abs. 3 wird den Untergebrachten mindestens eine Stunde pro Tag Aufenthalt im Freien ermöglicht. Hier wird das Abstandsgebot ignoriert! Auch Strafgefangene haben einen Anspruch auf mindestens eine Stunde im Freien. Bei den Sicherungsverwahrten ist dies deutlich zu erhöhen, um die Bedingungen den allgemeinen Lebensbedingungen in Freiheit anzupassen. In der Regelung des § 24 Abs. 3 Satz 2 ist ebenfalls eine Verletzung des Abstandsgebots  enthalten, mit welcher die Pfändungsfreigrenzen aus der ZPO umgangen werden. In der Regelung des § 24 Abs. 5 sollte im Satz 1 das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetzt werden. Im Satz 2 sollte das Wort „sollen“ durch das Wort „können“ ersetzt werden. Ferner sollte der Hinweis aufgenommen werden, dass dies auch im Rahmen von Lockerungen / Ausführungen durch externe Ärzte durchgeführt werden kann. In § 24 Abs. 7 sollten aus Gründen der Klarstellung nach den Worten „medizinische Versorgung“ die Worte „durch die Vollzugsanstalt“ ergänzt werden. In § 24 Abs. 8 sollte aufgenommen werden, dass die Anstalt den Untergebrachten beim Übergang in die gesetzliche Krankenversicherung unterstützen soll. In § 24 Abs. 9 sollten die eingetragenen Verteidiger in den Kreis derjenigen aufgenommen werden, die unterrichtet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Untergebrachten keine anderen Angehörigen mehr haben. Zwangsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 sind schriftlich zu dokumentieren und dem Untergebrachten mit Rechtsmittelbelehrung auszuhändigen. Diese Ergänzung sollte in § 25 Abs. 4 aufgenommen werden.  m. Ablösung, § 29 ThürSVVollzG Die Ablösung sollte durch schriftlichen Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erfolgen, § 29 Abs. 1.  n. Freizeit, § 30 ThürSVVollzG Die Einschränkung des § 30 Abs. 3 Satz 2 scheint weder erforderlich noch dürfte sie einer grundrechtlichen Prüfung im Hinblick auf die Informationsfreiheit der Untergebrachten standhalten. Im § 30 Abs. 5 sollten DVD sowie Computer- (Konsolen-) spiele aufgenommen werden.  o. Religionsausübung und Seelsorge, § 32 ThürSVVollzG Es ist kein Fall vorstellbar bei dem es gerechtfertigt wäre, den Untergebrachten „grundlegende religiöse Schriften“ zu entziehen. Dem steht das GG entgegen. Die Regelung in § 32 Abs. 2 Satz 2 ist daher zu streichen. Auch die Regelung des § 32 Abs. 3 Satz 2 dürfte mit der Religionsfreiheit unvereinbar sein. Warum muss ein Seelsorger einwilligen, wenn der Untergebrachte  die religiöse Veranstaltung einer anderen Religionsgemeinschaft  besuchen will?   p. Außenkontakte der Untergebrachten, §§ 33- 37 ThürSVVollzG Das Untersagen von Kontakten nach § 33 Abs. 2 bedarf eines schriftlichen Bescheids mit Rechtsmittelbelehrung. Die Kosten der Telekommunikation muss die Anstalt in angemessenem Umfang tragen, wenn der Untergebrachte dazu nicht in der Lage ist. Das Modalverb „können“ in § 33 Abs. 5 Satz 2 ist entsprechend auszutauschen. In § 34 Abs. 5 ist der deutliche Hinweis aufzunehmen, dass Besuche i.S.d. § 33 Abs. 3  und 4  nicht durch technische Hilfsmittel  optisch überwacht werden  dürfen. Eine Sichtkontrolle ohne Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts ist nicht möglich.  Eine solche darf insbesondere bei Verteidigerpost nicht erfolgen. Im Falle von Verteidigerpost wäre der Verteidiger zu kontaktieren, damit er bestätigen kann, dass es sich um Verteidigerpost handelt. Andernfalls muss die Sendung ungeöffnet zurückgesendet werden (§ 35 Abs. 2 Satz 2). Die Regelung des § 35 Abs. 3 Nr. 3 dürfte gegen die Meinungsfreiheit verstoßen. Auch „grob unrichtige“ oder „erheblich entstellende Darstellungen“ fallen unter die Meinungsfreiheit, sofern diese Darstellungen Normen des StGB nicht verletzen. Dies muss die JVA  aushalten können, zumal hier auch das Abstandsgebot zu beachten ist. Diese Regelung ist keinesfalls erforderlich. Hinsichtlich der Telekommunikation (§ 36) wären die Anstalten zu verpflichten, auf die angemessenen Kosten zu achten, die sich an denen von Festnetzanschlüssen in der Freiheit zu orientieren haben. Auch ein generelles Verbot von Handys (§ 36 Abs. 4) scheint unangebracht, da nicht unbedingt und bei jedem zu erwarten ist, dass diese missbraucht werden würden. Außerhalb der Mauern  werden Handys regelmäßig benutzt (Angleichungsgrundsatz).  q. Vergütung, Taschengeld,  §§ 38 & 41 ThürSVVollzG Bei der Vergütung ist das Abstandsgebot zu beachten. Die Vergütung hat daher  deutlich über der Vergütung im Strafvollzug zu liegen. Das Taschengeld ist auf mindestens 100,- € festzusetzen. Bei der Bemessung ist das Sonderopfer der Untergebrachten (sie sind wegen einer mehr oder weniger abstrakten Gefahr nach Verbüßung der Strafe weggesperrt) gegenüber der Allgemeinheit zu berücksichtigen.  r. Eigengeld, § 44 ThürSVVollzG Die Regelung des § 44 sollte eine verbindliche Regelung dazu enthalten, wie viel vom Eigengeld der Untergebrachte als Hausgeld benutzen darf, wenn ihm keine Vergütung i.S.d. § 38 zusteht.  s. Sicherheit & Ordnung, §§ 45 ff. ThürSVVollzG Hinsichtlich der Überwachung mit technischen Hilfsmitteln und deren Aufzeichnungen ist im Sinne des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung fehl es im Gesetz an einer Regelung hinsichtlich der maximale Speicherdauer.  Eine Speicherungsdauer von 72 h scheint hier vollkommen ausreichend (§ 45 Abs. 2). In § 45 Abs. 4 ist klarzustellen, dass die Untergebrachten nur rechtmäßige Anordnungen zu befolgen haben. Absuchungen und Durchsuchungen dürfen nur bei einem konkreten Verdacht einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung vorgenommen werden. Eine generelle gefahrenunabhängige Ermächtigung, wie sie § 46 Abs. 1 enthält, ist nicht erforderlich und zudem rechtstaatlich zweifelhaft. Dies gilt auch im Hinblick auf die Regelung in § 46 Abs. 3. Derart intensive Grundrechtseingriffe dürfen nur bei einer konkreten Gefahr vorgenommen werden, und nicht regelmäßig und ohne Grund. Bei einer mit einer Entkleidung verbunden Durchsuchung (§ 46 Abs. 2) ist zumindest im Nachgang ein schriftlicher Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erforderlich. Hinsichtlich der Anordnungsbefugnis des Anstaltsleiters ist klarzustellen, dass diese Kompetenz nicht delegierbar ist. Da eine Sichtkontrolle ohne Kenntnisnahme des Inhalts nicht möglich ist, sind Schreiben von Personen nach § 33 Abs. 3 & 4 nur mittels technischer Vorrichtungen auf unerlaubte Einlagen hin zu kontrollieren (§ 46 Abs. 5). Allgemeine Kontrollen zur Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs (§ 47 Abs. 2) dürften nicht rechtens sein. Die Untergebrachten dürfen nur den Eingriffen unterzogen werden, die notwendig sind. Eine allgemeine Kontrolle missachtet den Einzelfall, bei dem keine Gefahr eines Suchtmittelmissbrauchs besteht. In der Vollzugspraxis hätte dann derjenige, bei dem kein Drogenmissbrauch zu befürchten ist, und der sich der allgemeinen Kontrolle verweigert, erhebliche Probleme. Verweigerte Kontrollen werden von den Anstalten grundsätzlich wie ein festgestellter Drogenkonsum gewertet.  t. besondere Sicherungsmaßnahmen, §§ 50, 51 ThürSVVollzG Besondere Sicherungsmaßnahmen stellen einen besonders intensiven Grundrechtseingriff dar. Insofern wäre ein schriftlicher Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erforderlich. Es ist klarzustellen, dass die Anstaltsleitung  die Anordnungskompetenz nicht delegieren darf (§ 51 Abs. 1). Über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen ist auch der Verteidiger zu informieren (§ 51 Abs. 1 Satz 2). Andernfalls ist ein effektiver Rechtsschutz aus dem „Bunker“ heraus nicht möglich. Hinsichtlich der dauerhaften Beobachtung unter Anwendung technischer Hilfsmittel (§ 50 Abs. 6) und der Absonderung (§ 50 Abs. 7) sind absolute Höchstdauern in das Gesetz aufzunehmen, um einen Missbrauch durch die Sicherheitsbehörden zu vermeiden und um den Druck bei der Suche nach alternativen Maßnahmen bei den Vollzugsbehörden zu erhöhen. Dies würde auch dazu dienen, dass die besonderen Sicherungsmaßnahmen nicht als „faktische Disziplinarmaßnahmen“ missbraucht werden.  Jeweils zwei Wochen scheint hier als absolute Höchstdauer ausreichend. Zumindest sollte die Aufsichtsbehörde schon früher – nach einer Woche –  zustimmen müssen (§ 59 Abs. 8 Satz 3). § 51 Abs. 3 Satz 2 spricht davon, dass die Anordnung in „angemessenen Abständen“ die Sicherungsmaßnahmen zu überprüfen hat. Diese Formulierung lässt den Behörden zu viel Spielraum. Hier ist eine konkrete Höchstfrist in das Gesetz aufzunehmen (z.B. 10 Tage). Ferner ist der Untergebrachte über das Ergebnis der Überprüfung schriftlich mit Rechtsmittelbelehrung zu unterrichten. Auch das wäre in das Gesetz aufzunehmen, wenn man den Vollzug wirklich rechtstaatlich ausgestalten wollte.  u. Disziplinarmaßnahmen, §§ 55, 56 ThürSVVollzG Die Tatsache, dass die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Sicherungsverwahrte vorgesehen ist, ist schon an sich bedenklich: Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist ihrem Wesen nach eher vergleichbar mit der zivilrechtlichen Unterbringung oder den Unterbringungen gemäß den §§ 63, 64 StGB. Dort sind keine Disziplinarmaßnahmen vorgesehen. Dass hier dennoch dieser Weg eingeschlagen wurde zeigt, dass die Vorgaben des BVerfG zum Abstandsgebot nicht  umgesetzt werden. Die Begründung des Landesgesetzgebers, „hinsichtlich der Fähigkeit, das Unrecht einer Handlung einzusehen und danach zu handeln, stehen Untergebrachte regelmäßig Strafgefangenen näher als Untergebrachte in einer Maßregel nach den §§ 63, 64 StGB“ trägt nicht. Dies wird insbesondere mit einem Vergleich zu den nach § 64 StGB Untergebrachten deutlich, denen ja nur bei Tatbegehung die Einsicht in das Unrecht gefehlt hat. Auch macht die Begründung deutlich, dass der Gesetzgeber das Abstands- und Minimierungsgebot  nicht hinreichend ernst nimmt. Wir fordern die Streichung der Disziplinarmaßnahmen aus den Vollzugsgesetzen zur Sicherungsverwahrung. Abs. 1 S. 3  widerspricht dem Grundsatz, dass eine Flucht für den Flüchtenden straffrei ist. Darüber hinaus wird eine Flucht auch nicht folgenfrei bleiben, da diese zwangsläufig Auswirkung auf den Lockerungsstatus des Untergebrachten haben wird. Nach Erfahrung der Unterzeichner stellt dies allein schon ein erhebliches Strafübel für die Untergebrachten dar; darüber hinausgehende zusätzliche Disziplinarmaßnahmen sind daher nicht zu rechtfertigen. § 55 Abs. 1 S. 4 ist zumindest bedenklich, da der Konsum von BtM und anderer berauschender Stoffe für Nicht-Untergebrachte sanktionslos ist. Die Berücksichtigung von Konsum bei Prognoseentscheidungen im Hinblick auf eine Entlassung und bei Lockerungen sollte hier ausreichend sein. Es ist weiterhin  zu kritisieren, dass die Vorschrift über das Verfahren und die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen (§ 56) einen schriftlichen Bescheid über die Anordnung der Disziplinarmaßnahme und eine Rechtsmittelbelehrung nicht vorsieht. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht als eine der Anforderungen die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Maßnahmen des Strafvollzuges binnen kurzer Fristen genannt hat, ist das Erfordernis eines schriftlichen Bescheids mit Rechtsmittelbelehrung zwingend aufzunehmen.  v. Vollzugsplankonferenzen, § 64 Abs. 3 ThürSVVollzG Es ist klarzustellen, dass auch die Rechtsanwälte der Untergebrachten an den Vollzugsplankonferenzen teilnehmen dürfen. Erfahrungsgemäß hilft dies Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, indem der Rechtsanwalt z. B. auch auf  Aspekte hinweisen kann die in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen sind.  Sofern die Ergebnisse der Konferenz dann  von dem Rechtsanwalt „mitgetragen“ werden, hilft dies auch den Untergebrachten diese anzunehmen. Warum dies nicht geschieht, ist nicht zu erkennen. Auch die Justizverwaltung muss sich  dem Anspruch an einer möglichst großen Transparenz  stellen. Nach der vorliegenden Regelung, die der momentanen Rechtslage im Strafvollzug entspricht, hängt die Möglichkeit der Teilnahme vom guten Willen der Anstaltsleitung ab und ist mithin willkürlich. Fußnoten (1) 2 BvR 2065/09 u.a.
    (2) BVerfG aaO; Rn. 110
    (3) Vgl Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010. Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 im Beobachtungszeitraum gar nicht erneut straffällig geworden.
    (4) http://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Stellungnahmen/
    111230_StN_Referentenentwurf_Abstandsgebot_im_Recht_der_Sicherungsverwahrung.pdf

    (5) BVerfG aaO Rn 130
    (6) Resozialisierungsanspruch ist Ausfluss des Freiheitsgrundrechtes; u.a. BVerfG B. v. 30.04.2009, 2 BvR 2009/08 m.w.N.
    (7) für viele Kammergericht Beschluss vom 09.12.2009, 2 Ws 569/09 Vollz, sowie Beschluss vom 27.08.2009 –   2 Ws 279/09 Vollz -, OLG Karlsruhe ZfStrVO 2004, 108 (110)
    (8) BVerfG B. v. 20.06.2012; 2 BvR 865/11
    (9) so schon BVerfG Urteil vom 05.02.2004, 2 BvR 2029/01
    (10) Berlit in LPK- SGB II, § 22 Rn. 31 ff. m.w.N. Die Stellungnahme als PDF]]>
    news-289 Wed, 29 May 2013 16:49:00 +0200 GEMEINT SIND WIR ALLE! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeint-sind-wir-alle-289 Aufruf vom 28.5.2013 Zehn Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds – und jetzt einfach so weiter? All das passiert vor dem Hintergrund des Prozesses gegen den NSU und seine Unterstützer_innen. Bundesweit solidarisiert sich die Neonazi-Szene offen und provokant mit den Taten des NSU. In Mainz wurde kürzlich eine künstliche Blutlache vor einer Moschee platziert, in Düren wurde der Eingang der Islamischen Gemeinde sogar mit den Worten „NSU lebt weiter und ihr werdet die nächsten Opfer sein!!!“ beschmiert. In München wurde die Kanzlei der Anwältin der Witwe eines der zehn Mordopfer mit Fäkalien attackiert. Die Reaktion der Polizei ist fatal: „Wir nehmen nicht wahr, dass die rechte Szene insgesamt aktiver wird“ kommentiert der Pressesprecher der Münchner Polizei Wolfgang Wenger noch am 17. Mai und spricht von „Einzelfällen“. Erst nach dem neunten Angriff nennt er es eine „Häufung“ von Einzeldelikten. Die erneute Leugnung eines organisiert agierenden Neonazi-Netzwerks in München zeigt, dass die Polizei nichts aus der folgenreichen Verharmlosung rechter Strukturen der vergangenen Jahre gelernt hat. Angesichts jahrelanger Untätigkeit ist das nicht nur zynisch gegenüber den betroffenen Initiativen und Einzelpersonen der jüngsten Angriffe, sondern auch gegenüber den Opfern des NSU, deren Angehörigen und gegenüber 173 weiteren Todesopfern rechter Gewalt seit 1990. Rassismus in der Gesellschaft – wiederholt sich die Geschichte? Anfang der 1990er-Jahre wurden in einer offenen rassistischen Stimmung der Gesellschaft und vor dem Hintergrund rassistischer Hetze der Politik zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingslager und Wohnhäuser von Migrant_innen verübt, bei denen auch Menschen getötet wurden. In Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen applaudierten Hunderte Anwohner_innen, während ein rechter Mob Brandsätze auf Unterkünfte von Flüchtlinge und Vertragsarbeiter_innen warf. Die Polizei blieb bei den mehrtägigen Ausschreitungen weitgehend untätig. Aktuell erleben wir neben den offenen Attacken von Neonazis in Bayern und Deutschland auch immer mehr rassistische Stimmungsmache in Politik und Öffentlichkeit. Mit der Rede von „massenhafter Armutsmigration“, flankiert von der Mär von „integrationsunwilligen“ Migrant_innen von Sarrazin, Buschkowsky und Co, fühlt man sich schockierend an die damaligen Zustände erinnert. Rechte Angriffe betreffen uns alle – gemeinsam gegen Einschüchterung und Bedrohung! Solche Zustände betreffen uns alle, wir dürfen sie nicht zum Alltag werden lassen! Angriffe von Neonazis und Rassist_innen auf Migrant_innen, andere Einzelpersonen und Initiativen sind immer auch ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft. Wir verlangen, dass Staat und Behörden ihr jahrelanges Versagen offen eingestehen, die Verharmlosung neonazistischer Aktivitäten beenden und das rechte Auge endlich öffnen! Vor allem aber ist klar: Es liegt an uns! Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst vor Attacken und Angriffen wieder zur Normalität wird! Wir alle müssen uns aktiv und couragiert gegen Neonazis und Rassismus einsetzen! In unseren Vierteln, in der Stadt und überall. --- Solidarität zeigen und aktiv werden: * Aufruf zeichnen: Wenn ihr als Gruppe oder Einzelperson eure Solidarität ausdrücken und den Aufruf zeichnen möchtet, schickt eine Mail an: nsuprozess@riseup.net * Finanzielle Unterstützung: Durch die Angriffe entstehen hohe Kosten für die betroffenen Projekte. Ihr könnt diese mit einer Spende unterstützen: Bayerischer Flüchtlingsrat, Konto-Nr: 88 32 602, BLZ: 700 205 00, Stichwort: Spende gegen Nazis * NSU-Prozess besuchen: Zeigt eure Solidarität mit den Angehörigen, indem ihr den NSU-Prozess als Zuschauer_in besucht und nehmt damit Nazis den Platz weg. Besonders wichtig sind dabei der Wiederbeginn des Prozesses am 04. Juni und der Jahrestag der Ermordung von Abdurrahim Özüdo?ru am 13. Juni, aber auch alle weiteren Termine. --- Erstunterzeichner_innen: Bayerischer Flüchtlingsrat | Kurt-Eisner-Verein für politische Bildung e.V. | Angelika Lex, Rechtsanwältin | Ligsalz8 | Trägerkreis EineWeltHaus München e.V. | Bündnis gegen Naziterror und Rassismus Mehr Infos und weitere Zeichner_innen unter: www.nsuprozess.blogsport.de und www.nsuprozess.info Aufruf (PDF)]]> news-288 Fri, 19 Apr 2013 18:24:00 +0200 Der Fremde als Feind?<br />Heimatlos, Ausgegrenzt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-fremde-als-feind-br-heimatlos-ausgegrenzt-288 Europäische Konferenz, 4.5.13
  • Rechtsprechung, welche Flüchtlingen und MigrantInnen ihre Rechte zuspricht.

  • Bei den ReferentInnen handelt es sich um im Ausländer- und Asylrecht spezialisierte JuristInnen, SozialwissenschaftlerInnen, GewerkschafterInnen, andere AktivistInnen aus Deutschland und dem europäischen Ausland Programm als PDF: Der Fremde als Feind? Heimatlos, ausgegrenzt Konferenzsprachen: Deutsch, Englisch – mit Simultanübersetzung
    Zeit: 4. Mai 2013, 9:30 – 18:00 Uhr
    Ort: ver.di Bundesverwaltung, Paula-Thiede-Ufer 10, Berlin

    Die Anmeldung ist notwendig für die organisatorische Planung und für den verbindlichen Anspruch auf Einlass. Bitte per eMail an konferenzanmeldung@ejdm.eu mit folgenden Angaben: Vorname, Familienname, Beruf, Anschrift, Telefonnummer, eMail-Adresse

    Für die Teilnahme wird ein Kostenbeitrag in Höhe von € 30 (Nichterwerbstätige kostenlos) beim Einlass auf der Konferenz fällig und ist bitte in bar zu bezahlen. Die Konferenz wird der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte e.V. (EJDM) und der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) in Kooperation mit 12 weiteren Organisationen, darunter dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und den Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälten (EDA) organisiert.]]>
    Migration & Asyl (doublet) Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-287 Thu, 04 Apr 2013 13:59:00 +0200 Anwaltschaft in Gefahr: Die Verteidigung der Verteidigung in Haft /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltschaft-in-gefahr-die-verteidigung-der-verteidigung-in-haft-287 Pressemitteilung vom 4.4.2013 PM_Anwaltschaft in Gefahr: Die Verteidigung der Verteidigung in Haft (PDF) --- (1) Vgl. auch: http://anwaltverein.de/interessenvertretung/pressemitteilungen/pm-1113?PHPSESSID=0fq3vb0se4s5iaeo7n3qjpjki1 (2) Vgl. PE vom 25.01.2013 http://anwaltverein.de/interessenvertretung/pressemitteilungen/pm-0313
    bzw.
    http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erneute-massenverhaftung-von-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelten-in-der-tuerkei-281/page1/ (3) http://www.advocatenvooradvocaten.nl/wp-content/uploads/petition29March2013-1.pdf]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-286 Tue, 02 Apr 2013 15:01:00 +0200 Petition zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/petition-zur-einbeziehung-von-strafgefangenen-in-die-rentenversicherung-286 Petition des Komitee für Grundrechte und Demokratie
  • Die Einbeziehung in die Rentenversicherung ergibt sich aus dem Wiedereingliederungsauftrag des Strafvollzuges, denn eine eigenverantwortliche Lebensführung nach der Entlassung bedarf der sozialen Absicherung.
  • Fiskalische Bedenken dürfen der Durchsetzung dieser Prinzipien nicht im Wege stehen; gegen entsprechende erwartbare Bedenken der Länder muss sich der Bundestag gegebenenfalls durchsetzen. Der Bundesgesetzgeber muss zu seinem Wort stehen. Erstunterstützende Organisationen:
    Arbeitskreis Kritischer Strafvollzug e.V., Münster
    Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S) e.V.
    Humanistische Union e.V.
    Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Berlin
    Strafvollzugsarchiv e.V., Bremen
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
    Vorstand der Holtfort-Stiftung, Laatzen
    Institut für Konfliktforschung, Hamburg Petiton im Wortlaut (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-285 Tue, 02 Apr 2013 12:15:00 +0200 Das Problem heißt Rassismus –<br />Wir schauen hin! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus-br-wir-schauen-hin-285 Veranstaltung zum NSU Prozessauftakt 5.4.13, Berlin Termin
    5. April 2013 um 19.30 Uhr Ort
    Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.
    Urbanstraße 21
    10961 Berlin Veranstalter
    Bündnis gegen Rassismus
    Allmende e.V.
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein Infos
    türkisch (PDF)
    deutsch (PDF)]]>
    news-284 Tue, 26 Mar 2013 07:34:00 +0100 Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger /publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozess-gegen-sonja-suder-und-christian-gauger-284 Pressemitteilung RAV ist besorgt, dass Erkenntnisse aus unmenschlicher Behandlung in einem Frankfurter Staatsschutzverfahren verwertet werden sollen Bereits seit September des vergangenen Jahres läuft vor dem Landgericht Frankfurt/Main der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger. Ihnen wird vorgeworfen, in den 1970er Jahren an mehreren Anschlägen der ›Revolutionären Zellen‹ (RZ) beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsschutzkammer scheint zu beabsichtigen, Angaben des damaligen RZ-Mitglieds Hermann Feiling, die dieser nach einem schweren Unfall im Juni 1978 gemacht haben soll, als Beweismittel in dem Verfahren zu verwenden. Feiling war am 23. Juni 1978 ein Sprengsatz auf dem Schoß explodiert, mit dem gegen die damalige Militärdiktatur in Argentinien protestiert werden sollte.  Aufgrund der erlittenen Verletzungen mussten Herrn Feiling beide Beine amputiert und beide Augäpfel entfernt werden. Zudem erlitt er schwere Verbrennungen und hatte epileptische Anfälle. Trotzdem begannen unmittelbar nach dem Unfall und noch auf der Beatmungsstation des Krankenhauses die Verhöre durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Sie wurden während des gesamten stationären Aufenthaltes im Krankenhaus und anschließend in den Polizeikasernen Münster und Oldenburg bis Ende Oktober 1978 fortgesetzt, ohne dass ein Haftbefehl verkündet war. Sein Vetrauensanwalt, seine Freundinnen und Freunde hatten keinen Zugang zu ihm. Aus Sachverständigen-Gutachten, die zwei Jahre nach dem Unfall erstellt worden waren, geht hervor, dass in der Zeit vom 24. Juni bis 7. Juli 1978 weder eine Vernehmungs- noch Verhandlungsfähigkeit von Herrn Feiling vorgelegen hat. Ein weiteres Gutachten vom Dezember 1978 stellte zudem fest, die Aussagefreiheit von Hermann Feiling sei in der gesamten Zeit seiner ›Verwahrung‹ eingeschränkt gewesen; er sei nicht in der Lage gewesen, zu entscheiden, ob er eine Aussage überhaupt machen wolle. Trotzdem sollen die 1.300 Seiten angeblicher Aussagen, die von der Polizei gefertigt wurden, in das Verfahren eingeführt werden. Das Landgericht Frankfurt/Main weigert sich bisher, zu prüfen, ob nach heutigem medizinischen Kenntnisstand und vor allem der Traumaforschung Hermann Feiling überhaupt vernehmungs- bzw. verhandlungsfähig gewesen und ob er in der Lage gewesen sei, eine freie Entscheidung darüber zu treffen, auszusagen oder nicht. Auch der Sachverhalt einer faktischen Polizeihaft im Krankenhaus von Heidelberg und in den Polizeikasernen, deren Umstände und Organisation unter Isolationsbedingungen, wurde nicht geprüft. Der RAV ist vor diesem Hintergrund ernsthaft besorgt, dass das Landgericht Frankfurt/Main beabsichtigt, vermeintliche Erkenntnisse aus den Vernehmungen von Herrmann Feiling zu verwenden, deren Umstände als unmenschliche Behandlung angesehen werden müssen und daher einem Verwertungsverbot nach § 136a StPO unterliegen.  „Den Strafverfolgungsbehörden ist es offenbar wichtiger, mit allen Mitteln eine Verurteilung herbeizuführen, als sich über die Rechtsstaatlichkeit der Beweiserhebung zu vergewissern. Damit werden die Menschenrechte von Herrn Feiling ein weiteres Mal mit den Füssen getreten“, so Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins.   Pressemitteilung des RAV zum Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger (PDF)]]> news-283 Wed, 20 Mar 2013 15:49:00 +0100 Das Bundesverwaltungsgericht beendet diskriminierende Behandlung von türkischen Staatsangehörigen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-bundesverwaltungsgericht-beendet-diskriminierende-behandlung-von-tuerkischen-staatsangehoerigen-283 Pressemitteilung, 20.3.13 RA Ünal Zeran | Tel. 040/43135110 | PM: Das Bundesverwaltungsgericht beendet diskriminierende Behandlung von türkischen Staatsangehörigen (PDF)]]> Europa (doublet) Migration & Asyl (doublet) news-282 Tue, 19 Mar 2013 10:19:00 +0100 Solidarität mit Stadtjugendpfarrer Lothar König /publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaet-mit-stadtjugendpfarrer-lothar-koenig-282 Presseinformation vom 18.3.2013 „besonders schwerer Fall des Landfriedensbruches“. Er hatte sich am 19. Februar 2011 in Dresden am Protest gegen die Versammlung von NPD und Kameradschaften beteiligt und geriet in den Fokus der staatsanwaltlichen Ermittlungen. Er wird beschuldigt, als „Mann mit dem Lautsprecherwagen“ Musik genutzt zu haben, um die Demonstrationsteilnehmer in ihrem Protest gegen Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus zu bestärken. Es ist zu befürchten, dass ihm Handlungen anderer Demonstrationsteilnehmer pauschal zugerechnet werden sollen, weil konkrete Strafvorwürfe gegen ihn nicht vorliegen. Die Prozesstermine vor dem Amtsgericht Dresden sind bisher wie folgt festgelegt:
    Dienstag, 19. März (Termin wurde am 18.3. aufgehoben); Dienstag, 2. April; Mittwoch 3. April; Donnerstag, 4.April; Mittwoch, 24. April; Montag, 13. Mai 2013 gez. Dr. Elke Steven (Komitee für Grundechte und Demokratie e.V.) Presseinformation: Solidarität mit Lothar König (PDF)]]>
    Demonstrationsfreiheit (doublet)
    news-281 Tue, 12 Mar 2013 10:19:00 +0100 Verfassungsschutz abschaffen!<br />Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsschutz-abschaffen-br-staatlichen-und-alltaeglichen-rassismus-bekaempfen-281 Aufruf zur Demonstration am 13. April 2013 in München! Demonstrationsaufruf zum NSU-Prozessbeginn (PDF)  Am 17. April 2013 beginnt in München der NSU-Prozess, in dem unter anderem zehn Morde aufzuklären sind. Davon unabhängig müssen aus dem Versagen von Polizei und Geheimdiensten weitreichende politische Konsequenzen gezogen werden. Die Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) offenbarte in der Folge eine Masse von Fehlleistungen der Geheimdienste und der Polizei bei der Nicht-Verfolgung der Mordserie. Die Untersuchungsausschüsse des Bundestages und der Landtage Thüringens, Sachsens und Bayerns decken immer neue Skandale auf: Akten waren geschreddert worden, die Verfassungsschutzämter oder – im Falle Berlins – der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts „vergaßen“ dem Ausschuss V-Leute aus dem Umfeld der Gruppe zu benennen, Informationen wurden nicht weiter gegeben.   Die "Pannen" und Fehlleistungen, die es zuhauf gegeben hat, hatten jedoch System. Mindestens 17 V-Leute der Landesämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des polizeilichen Staatsschutzes waren im Umfeld des NSU und des "Thüringer Heimatschutzes", aus dem das Trio hervorging, aktiv. Der dem Verfassungsschutz so wichtige "Quellenschutz" führte praktisch zu einer Deckung der Täter und behindert nun eine umfassende Aufklärung. Es wurden auch V-Leute angeworben und geführt, die in Neonazi-Organisationen eindeutige Führungsrollen innehatten, die ohne jeden Zweifel die politischen Positionen ihrer Gruppen weiter prägten, die auch Straftaten begingen oder begangen hatten und nicht selten gegen polizeiliche Ermittlungen abgeschirmt wurden; die V-Leute des Verfassungsschutzes hatten zum Teil einen enormen Finanzbedarf für sich selbst und ihre Gruppen und erhielten für dessen Deckung von ihren geheimdienstlichen Auftraggebern teils horrende Summen als Honorar. Das mag zwar den offiziösen Handbüchern zum Verfassungsschutzrecht und den offiziellen Vorschriften, die für das Bundesamt und einige Landesämter damals schon galten, zuwider laufen. Es entspricht jedoch der Dynamik eines letztlich unkontrollierbaren V-Leute-Systems, die auch mit einer zentralen V-Leute-Datei und neuen Richtlinien nicht außer Kraft gesetzt wird.   Das "Frühwarnsystem", als das sich der Verfassungsschutz gerne verkauft, hat das Gewaltpotenzial der Neonazi-Szene systematisch falsch eingeschätzt, ja regelrecht ignoriert. Obwohl die Polizei bei Razzien immer wieder Waffen und Bomben bei Neonazis fand, blieben sie in den Augen des Inlandsgeheimdienstes weiterhin bloße Waffennarren.   Aber auch die Polizei, die in der Mordserie ermittelte, schloss eine rechtsextreme Täterschaft von Anfang an aus. Der institutionelle Rassismus dieser Behörden machte nicht nur blind, sondern führte zu völlig einseitigen und skandalösen Ermittlungen, in denen die Opfer und ihre Angehörigen zu Verdächtigen und potentiellen Tätern wurden. Einwanderer und Menschen mit Migrationshintergrund erscheinen staatlichen Behörden offensichtlich schnell verdächtig, selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Auch die breite Öffentlichkeit pflegt solche Vorurteile.   Dem üblichen Reflex entsprechend, wird als "Konsequenz" nur weiter an der "Sicherheitsarchitektur" gebaut. Verfassungsschutz und Polizei sollen noch enger als bisher zusammenarbeiten. Die neue gemeinsame Rechtsextremismusdatei folgt dem Beispiel der Anti-Terror-Datei und soll Informationen aus Polizei und Diensten zusammenführen. Wo aber rechtsterroristische Straftaten gar nicht erst als solche erkannt werden – wie die Morde, Banküberfälle und Bombenattentate des NSU –, da wird auch eine gemeinsame Datenbasis keine blinden Augen sehend machen. Dass sich an den Feindbildern der Inneren Sicherheit auch nach dem NSU-Debakel nichts geändert hat, zeigt sich spätestens daran, dass das im Dezember 2011 eingerichtete Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus knapp ein Jahr später in ein neues Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) eingegliedert wurde, mit dem nun Geheimdienste und Polizei auch gegen "Linksextremismus", "Ausländerextremismus", Spionage und illegale Rüstungsexporte kooperieren sollen. Das Trennungsgebot, das besagt, dass Polizei und Geheimdienste strikt zu trennen sind und ein Geheimdienst keine vollzugspolizeilichen Befugnisse und Aufgaben haben darf, wird weiter ausgehöhlt. Im Dezember 2012 hat die Innenministerkonferenz zudem ein umfangreiches Paket zur "Neuausrichtung" des Verfassungsschutzes beschlossen, das den Inlandsgeheimdienst weiter stärken soll.   Rassismus ist tief im staatlichen Handeln verwurzelt. So gibt es auch in anderen Bereichen gesetzlich vorgesehene Diskriminierung von MigrantInnen (z.B. gekürzte Sozialleistungen für Asylsuchende). Dies stärkt den institutionellen Rassismus, der auch bei den verdachtsunabhängigen Personenkontrollen deutlich wird, die sich vor allem gegen MigrantInnen, gegen People of Colour und Muslime richten.   Noch immer geschehen täglich zwei bis drei rechte Gewalttaten in Deutschland, allein für den Monat Dezember 2012 nannte die Bundesregierung auf Anfrage die Zahl von "vorläufig" 755 politisch rechts motivierten Straftaten, "davon 43 Gewalttaten und 516 Propagandadelikte". Rassistische Gewalt und rechter Terror durch Neonazis haben sich in den bundesdeutschen Alltag eingeschrieben, und doch bleiben auch heute noch Opfer rechter und rassistischer Gewalt der fatalen Mischung aus Ignoranz, Inkompetenz, Verharmlosung und Vertuschung bei Strafverfolgern und Justiz ausgesetzt, die das Staatsversagen im NSU-Komplex im Zusammenspiel mit institutionellem Rassismus erst ermöglicht haben. Die Gängelung und Beeinträchtigung von antirassistischen Initiativen sowie die anhaltenden Versuche, deren Aufklärungsarbeit sowie den Protest und Widerstand gegen Neonazis zu kriminalisieren, sind ebenfalls in diesem Kontext zu sehen und verschaffen den Neonazis weitere Spielräume.   Während ein neonazistisches Terrornetzwerk mit einem offensichtlich breiten Unterstützerkreis mehr als zehn Jahre lang unentdeckt in Deutschland leben und morden konnte, ist eine öffentliche Solidarisierung mit den Opfern und den Hinterbliebenen bislang weitgehend ausgeblieben. Das betrifft nicht nur geheimdienstlich, polizeilich und politisch Verantwortliche. Dieser Mangel an Empathie auch einer Mehrheitsgesellschaft ist es, der nicht nur die Betroffenen nach wie vor allein lässt, sondern rassistische und rechte Täter zu weiterer Gewalt ermutigt.   Für den Kampf gegen Rassismus und Neonazis braucht es nicht noch mehr geheim(dienstlich)e Überwachung, sondern eine andere Politik mit MigrantInnen und Asylsuchenden sowie eine Polizei, die anders Aussehende und anders Lebende als vollwertige BürgerInnen mit gleichen Rechten behandelt – egal woher sie kommen.  Wir fordern:
    Verfassungsschutz abschaffen!
    Keine V-Leute – keine verdeckten Ermittlungen!
    Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen! Humanistische Union http://www.humanistische-union.de
    Internationale Liga für Menschenrechte • http://ilmr.de
    Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. • http://www.grundrechtekomitee.de
    PRO ASYL • http://www.proasyl.de
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein e.V. • http://www.rav.de
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. • http://www.vdj.de

    V.i.S.d.P. Elke Steven, Köln]]>
    news-277 Fri, 01 Mar 2013 16:46:00 +0100 Keine Demo ohne Videoaufnahmen? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-demo-ohne-videoaufnahmen-277 Podiumsdiskussion Montag, den 11. März um 19:00 Uhr Humboldt-Universität zu Berlin, Dorotheenstr. 24, Seminargebäude am Hegelplatz, Fritz-Reuter-Saal Die große Koalition in Berlin will der Polizei das anlasslose Filmen von Demonstrationen erlauben. Ein vom Senat vorgelegter Gesetzentwurf soll noch in diesem Frühjahr verabschiedet werden. Nicht nur Bürgerrechtler sehen die Versammlungsfreiheit gefährdet. Das Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit veranstaltet daher zusammen mit den Kritischen Juristinnen und Juristen der Humboldt-Uni zu Berlin eine Podiumsdiskussion zu dem Gesetzentwurf.Über diese und andere Fragen werden auf dem Podium diskutieren:Zum Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit: Das Bündnis hat sich auf Initiative der Humanistischen Union Berlin- Brandenburg aus Protest gegen die von der Landesregierung geplante Videoüberwachung von Demos gegründet. Mitglieder des Bündnisses sind: Humanistische Union Berlin-Brandenburg | Komitee fur Grundrechte und Demokratie | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (Ortsgruppe Berlin) | Digitale Gesellschaft | Clof | digitalcourage | Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte | Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen | ver.di (Bezirk Berlin)| attac | Mehr Demokratie| Grüne Fraktion Berlin | Piratenfraktion| Berlin |Linksfraktion Berlin | Landesverband der Grünen | Landesverband der Piratenpartei | Landesverband der Partei DIE LINKE Gründung des Bündnisses]]> Überwachung Bürger- und Menschenrechte (doublet) Demonstrationsfreiheit (doublet) news-273 Tue, 05 Feb 2013 05:27:00 +0100 Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit gegründet /publikationen/mitteilungen/mitteilung/berliner-buendnis-fuer-versammlungsfreiheit-gegruendet-273 Pressemitteilung vom 4.2.13 _________ Der Gesetzentwurf und unsere Kritik Der Berliner Senat hat einen Gesetzentwurf  „über Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen“ (Drucksache 17/0642) vorgelegt. Er soll das anlasslose Filmen von Demonstrationen erlauben. Voraussetzung ist allein, dass es sich um eine große oder unübersichtliche Versammlung handelt. Diese unbestimmten Begriffe öffnen Missbrauch Tür und Tor. Die sogenannten Übersichtsaufnahmen sollen der Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes dienen. Einzelne Personen sollen angeblich nicht erkennbar sein. Für die Lenkung und Leitung ist das Filmen jedoch überhaupt nicht notwendig. Mehrere Polizisten, die sich über Funkgeräte austauschen, haben eine Demonstration ebenso gut im Blick. Im Übrigen kann sich ein Polizist von einem erhöhten Standpunkt aus (z.B. von einem Dach oder einem Hubschrauber) auch ohne Kamera einen Überblick verschaffen. Dass es dem Senat bei dem Gesetz ohnehin weniger um Übersichtsaufnahmen als vielmehr um die konkrete Bespitzelung von Versammlungsteilnehmern geht, offenbart sich bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs. Immer wieder ist hier von Kamera-Wagen die Rede. Wie jedoch von einem Kamera-Wagen Übersichtsaufnahmen angefertigt werden sollen, auf denen einzelne Versammlungsteilnehmer dann nicht erkennbar sein sollen, bleibt ein Rätsel. Bereits in der Vergangenheit hatte die Berliner Polizei solche Aufnahmen angefertigt. Damals ohne gesetzliche Grundlage. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte dies verboten und klargestellt, dass die Versammlungsteilnehmer auch bei Übersichtsaufnahmen stets individualisierbar sind: „Der einzelne Versammlungsteilnehmer muss ständig damit rechnen, durch eine Vergrößerung des ihn betreffenden Bildausschnittes (Heranzoomen) individuell und besonders beobachtet zu werden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist dies generell möglich, so dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufnahmen nicht mehr besteht.“ Die Abschreckungswirkung für potentielle Versammlungsteilnehmer ist daher groß. Dass dem Senat dies nicht bekannt ist, ist schwer vorstellbar. Schließlich hat er Videoüberwachung genau aus diesem Grund an vielen öffentlichen Plätzen eingeführt.  Zudem hat auch hiervor bereits das Berliner Verwaltungsgericht gewarnt: „Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.“  Dies wäre fatal. Nicht nur für die Versammlungs- und Meinungsfreiheit des Einzelnen, sondern auch für unser Zusammenleben. Beide Freiheiten sind unentbehrliche und grundlegende Funktionselemente unseres demokratischen Gemeinwesens. *** Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
    Anja Heinrich, Geschäftsführerin der HU Berlin-Brandenburg
    berlin@humanistische-union.de PM_Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit (PDF)]]>
    Demonstrationsfreiheit (doublet) Überwachung Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-272 Tue, 29 Jan 2013 14:00:00 +0100 StN_Änderung des Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Sachsen-Anhalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-aenderung-des-gesetzes-ueber-den-vollzug-der-sicherungsverwahrung-in-sachsen-anhalt-272 Stellungnahme (2) Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken.
    (3) http://www.diefirma.net/index.php?id=84,323,0,0,1,0
    (4) 2 BvR 2065/09 u.a.
    (5) BVerfG aaO; Rn. 110
    (6) Vgl Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010. Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 im Beobachtungszeitraum gar nicht erneut straffällig geworden.
    (7) verkürzter Link http://bit.ly/VmcTld
    (8) BVerfG aaO Rn 130
    (9) Resozialisierungsanspruch ist Ausfluss des Freiheitsgrundrechtes; u.a. BVerfG B. v. 30.04.2009, 2 BvR 2009/08 m.w.N.
    (10) für viele Kammergericht Beschluss vom 09.12.2009, 2 Ws 569/09 Vollz, sowie Beschluss vom 27.08.2009 –   2 Ws 279/09 Vollz -, OLG Karlsruhe ZfStrVO 2004, 108 (110)
    (11) BVerfG B. v. 20.06.2012; 2 BvR 865/11
    (12) so schon BVerfG Urteil vom 05.02.2004, 2 BvR 2029/01
    (13) Berlit in LPK- SGB II, § 22 Rn. 31 ff. m.w.N.
    (14) vgl. BVerfG aaO Rn. 113
    (15) insbesondere bspw. im Vergleich zu § 14 des Gesetzentwurf zur Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen.]]>
    news-271 Fri, 25 Jan 2013 14:33:00 +0100 Erneute Massenverhaftung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/erneute-massenverhaftung-von-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelten-in-der-tuerkei-271 Pressemitteilung vom 25.1.2013 RAV und DAV sehen anwaltliche Unabhängigkeit massiv bedroht Die türkische Polizei hat am 18. Januar 2013 bei einer Operation gegen die Revolutionäre Volksbefreiungs-Front (DHKP/C) in mehreren Städten insgesamt 85 Verdächtige, darunter 12 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, festgenommen. Am 20. Januar 2013 hat die Staatsanwaltschaft begonnen, die Verdächtigen zu vernehmen, und am 21. Januar 2013 wurden gegen 9 von ihnen Haftbefehle erlassen. Laut den Medien wird den Verdächtigen vorgeworfen, Verbindungen zu der illegalen Vereinigung DHKP/C zu haben. Die Razzien fanden in den drei Großstädten Istanbul, Ankara, Izmir und in vier weiteren Städten statt. Unter den verhafteten Anwältinnen und Anwälten sind Mitglieder des größten Anwaltsvereins des Landes “Çağdaş Hukukçular Derneği“ (Zeitgenössische Juristenvereinigung). Bei der Durchsuchung des Vereinsgebäudes war kein Staatsanwalt oder Vertreter der Rechtsanwaltskammer anwesend, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Zeitgenössische Juristenvereinigung hat aus Protest öffentlich gegen diese Maßnahmen demonstriert und in einer Presseerklärung auf die Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen hingewiesen sowie ein rechtsstaatliches Vorgehen bei Durchsuchungen angemahnt. Der Verein ist für die Vertretung in Menschenrechtsverfahren bekannt, und viele seine Mitglieder vertreten auch Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen der sogenannten KCK-Verfahren inhaftiert und angeklagt sind. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) beobachten das Vorgehen gegen die Menschenrechtsanwälte in der Türkei unter dem Deckmantel von Anti-Terror-Gesetzen mit großer Sorge. Die verhafteten Anwälte und Anwältinnen sind in zahlreichen Strafverfahren mit politischem Hintergrund und in Menschenrechtsverfahren in der Türkei und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aktiv. DAV und RAV befürchten, dass es zukünftig  keine Anwältinnen und Anwälte mehr geben wird, die bereit sind, in der Türkei die Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu vertreten und in politischen Strafverfahren zu verteidigen. Mit einer vorgestern veröffentlichten Pressemitteilung schloss sich der Vorstand der Istanbuler Anwaltskammer der Kritik der Zeitgenössischen Juristenvereinigung an. Der Präsident der Kammer, Dr. Ümit Kocasakal, verurteilte die Festnahmen von Anwältinnen und Anwälten wie auch die Durchsuchungen ihrer Büros scharf und sicherte den betroffenen Kollegen und Kolleginnen jede notwendige Unterstützung zu. Kocasakal machte deutlich, dass die Durchsuchungen der Anwaltsbüros und des Anwaltsvereins sowie die Beschlagnahme von Akten zum Teil rechtswidrig gewesen seien, und dass der Umfang der Durchsuchungen nicht zu dem Vorwurf der angeblichen Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation passe.  „Diese Verfahren sind ein Angriff auf die Anwaltschaft in der Türkei“ fasste Kocasakal die Sorge der gesamten Istanbuler Anwaltskammer zusammen und schloss: „Wir sind bereit, jeden Preis dafür zu zahlen, um den Rechtsstaat und die Rechte der Staatsbürger zu verteidigen und zu schützen.“ Bereits im November 2011 war es in der Türkei zu einer Massenfestnahme von 46 überwiegend kurdischen Anwältinnen und Anwälten gekommen, von denen sich noch heute 27 in Untersuchungshaft befinden. Dieses Verfahren wird seit Sommer 2012 vom DAV und dem RAV vor Ort beobachtet. Weitere kurdische Anwälte, wie der bekannte Menschrechtsverteidiger Muharrem Erbey, dem am 30. November 2012 der Ludovic-Trarieux-Preis von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verliehen wurde, sind schon seit über drei Jahren inhaftiert. Mit den Verhaftungen vom 21. Januar 2012 befinden sich damit mindestens 37 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei in Haft (s. zuletzt DAV/RAV-Pressemitteilung vom 5. Nov. 2012) DAV und RAV fordern die Einhaltung der „UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte“ vom 7. September 1990 und schließen sich der Solidaritätserklärung der Istanbuler Anwaltskammer mit den inhaftierten Kolleginnen und Kollegen an. Gemäß Artikel 16 der Grundprinzipien hat der Staat sicherzustellen, dass Anwältinnen und Anwälte in der Lage sind, alle ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen. Sie dürfen wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen weder erleiden noch damit bedroht werden. PM_Erneute Massenverhaftung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei (PDF)]]> Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-270 Thu, 17 Jan 2013 07:04:00 +0100 Aufruf zum Tag des verfolgten Anwalts am Donnerstag, 24. Januar 2013 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufruf-zum-tag-des-verfolgten-anwalts-am-donnerstag-24-januar-2013-270 Pressemitteilung vor der spanischen Botschaft
    Lichtensteinallee 1
    10787 Berlin Zum dritten Mal rufen Anwältinnen und Anwälte aus ganz Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts zu begehen. In den beiden Jahren zuvor wurde auf die Situation der Anwältinnen und Anwälte in der Türkei und im Iran aufmerksam gemacht. Nunmehr wird für die Kolleginnen und Kollegen im Baskenland die volle Gewährleistung der freien Berufsausübung gefordert. Die Protestkundgebungen werden zeitgleich u.a. in Amsterdam, Paris, Rom, Madrid, Barcelona, Mailand, Athen und Den Haag durchgeführt. Alle Anwältinnen und Anwälte werden gebeten in Robe zu erscheinen. Day of the endangered lawyer 2013

    Pressemitteilung
    Zum dritten Mal rufen Anwältinnen und Anwälte aus ganz Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts zu begehen. In den beiden Jahren zuvor wurde auf die Situation der Anwältinnen und Anwälte in der Türkei und im Iran aufmerksam gemacht. Nunmehr wird für die Kolleginnen und Kollegen im Baskenland die volle Gewährleistung der freien Berufsausübung gefordert. In den letzten beiden Jahrzehnten sind mehr als 20 baskische Anwältinnen und Anwälte in Spanien im Rahmen von Ermittlungsverfahren inhaftiert worden, manche bis zu zwei Jahren. Alle Anwältinnen und Anwälte wurden beschuldigt, terroristische Straftaten der ETA unterstützt zu haben bzw. den spanischen Staat  durch Beleidigungen verunglimpft zu haben. Bei den beschuldigten Anwältinnen und Anwälten handelte es sich entweder um Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger oder um Anwältinnen und Anwälte, die mutmaßliche Mitglieder der ETA oder angebliche Organisationen der ETA anwaltlich vertreten haben. Diese Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos und rechtswidrig. In den meisten Fällen wurden die angeklagten Anwältinnen und Anwälte freigesprochen oder die Anklage wurde nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.  Durch die Festnahmen wurden die Anwältinnen und Anwälte durch den spanischen Staat nicht nur an ihrer Berufsausübung gehindert. Auch ihren Mandantinnen und Mandanten wurde das Recht auf eine freie Anwaltswahl genommen. Beide Handlungen stellen eine Verletzung des Artikel 6 Absatz 2 c der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar und verletzen die UN Grundprinzipien betreffend der Rolle der Rechtsanwälte. In Artikel 16 heißt es dort, dass jeder berechtigt ist, den Beistand eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin seiner/ihrer Wahl in Anspruch zu nehmen. Artikel 18 stellt klar, dass die Rechtsanwältin/der Rechtsanwalt wegen der „Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seines Mandanten identifiziert werden“ darf. Den unterzeichnenden Organisationen ist bekannt, dass baskische Anwältinnen und Anwälte in politisch sensiblen Verfahren mit ihren Mandantinnen und Mandanten gleichgesetzt wurden. In einigen Verfahren wurden Strafverteidiger, deren Mandantinnen und Mandanten Aktivitäten für die ETA vorgeworfen wurden, selbst verfolgt, verhaftet, inhaftiert und unter Druck gesetzt. Die verhafteten Anwältinnen und Anwälte waren in Isolationshaft und ihnen wurde verweigert, von einem Anwalt/einer Anwältin ihrer Wahl in den Tagen nach der Verhaftung vertreten zu werden. In Spanien scheint es Praxis zu sein, dass Anwältinnen und Anwälte bedroht werden, weil Angehörige der Polizei, Medien und  juristische Autoritäten vorschlagen, die gleichen Ermittlungen gegen Anwältinnen und Anwälte wie gegen deren Mandantinnen und Mandanten einzuleiten. Dies lässt sich mit geltendem Recht nicht vereinbaren und stellt eine Bedrohung des Rechtsstaatsprinzips dar. Es ist zu befürchten, dass den rechtswidrig angeklagten Anwältinnen und Anwälten sowie den angeklagten angeblichen ETA Mitgliedern das Recht auf ein faires Verfahren genommen wird. Die unterzeichnenden Organisationen weisen auf die genannten Rechtsverletzungen, insbesondere des Rechts auf Verteidigung hin. Dieses Recht wird in vielen internationalen und europäischen Rechtstexten garantiert (Internationale Konvention über zivile und politische Rechte, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union), die von Spanien ratifiziert worden sind. Die Nicht-Gewährung des Rechts auf Verteidigung stellt ferner einen schweren Verstoß gegen die Prinzipien der Vereinten Nationen betreffend der Rolle der Rechtsanwälte, wie sie in Havanna verabschiedet wurden, dar. AED und ELDH sind außerdem besorgt, dass die Verfolgung von Anwältinnen und Anwälte, die schon seit Jahren andauert, einen strukturellen Charakter trägt. Wir fordern: 1. Die volle Umsetzung der internationalen und europäischen Rechtstexte, die von Spanien unterzeichnet wurden, insbesondere: Recht auf ein faires Verfahren (vgl. Art. 14 der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte und Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.) 2. Die volle Umsetzung der Grundprinzipien betreffend der Rolle von Rechtsanwälten, niedergelegt  in ihren Artikeln  7, 8, 16 und 18. Hierzu gehört: *         Der Staat stellt ferner sicher, dass alle mit oder ohne strafrechtliche Beschuldigung festgenommenen oder in Haft gehaltenen Personen unverzüglich Zugang zu einem Rechtsanwalt erhalten, in keinem Fall später als 48 Stunden nach der Festnahme oder Inhaftnahme. *         Alle festgenommenen oder in Haft oder Strafhaft gehaltenen Personen müssen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Erleichterungen erhalten, damit sie ohne Verzögerung, Kontrolle oder Zensur und in strenger Vertraulichkeit von einem Rechtsanwalt besucht werden, mit ihm Kontakt unterhalten und sich mit ihm beraten können. Solche Beratungen dürfen von Vollzugsbeamten beobachtet, aber nicht abgehört werden. *         Der Staat stellt sicher, dass der Rechtsanwalt a) in der Lage ist, alle seine beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage ist, zu reisen und sich mit seinen Mandanten frei zu beraten, sowohl im eigenen Lande als auch im Ausland; und c) wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird. *         Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert werden. 3.     Volle Umsetzung der Ergebnisse  der Berichte des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und Sonderberichterstatters für die Menschenrechte der Vereinten Nationen  4.     Abschaffung der Isolationshaft, vgl. Artikel 3 der EMRK. 5. Abschaffung der vorbeugenden Inhaftierung ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung. 6. Abschaffung der Praxis der geheimen Gerichtsverfahren, welche zur Konsequenz haben, dass Informationen zum Sachverhalt, zur Anklage und Beweislage erst 10 Tage vor dem Ermittlungsende erfahren werden, was das Recht des Beschuldigten sich zu den Vorwürfen zu äußern und das rechtliche Gehör zu wahren, verletzt. 7. Beachtung der Verteidigerrechte und Untersuchung der Verfahren gegen Anwälte, die inhaftiert sind.  8. Freilassung und Entschädigung der rechtswidrig inhaftierten Anwälte. Prof. Bill Bowring, Rechtsanwalt, Präsident der ELDH, London (UK)
    www.eldh.eu  Mr. Frédéric Ureel, Rechtsanwalt, Präsident von AED-EDL, Farciennes (Belgien)
    www.aed-edl.net  *** Für weitere Informationen  * Mr. Hans Gaasbeek, Rechtsanwalt, Vize Präsident von AED- EDL, Haarlem, Niederlanden, Phone 0031 6 52055043,   * Mr. Thomas Schmidt, Rechtsanwalt, ELDH Secretary General, Düsseldorf, Deutschland, Phone 0049 211 444001,   *** Zusammenfassung zur aktuellen Situation der betroffenen baskischen Anwälte (engl) Report (PDF) Pressemitteilung dt PDF Press release engl PDF Petition dt PDF Petition engl PDF ***
    Der Tag des verfolgten Anwalts ist ein Projekt, das 2010 von der Kommission der Verteidigung der Verteidigung der EDA (AED –EDL) gestartet wurde. Ziel ist, an dem Jahrestag die internationale Aufmerksamkeit auf die weltweiten Bedrohungen, Verfolgungen und Tötungen von Anwältinnen und Anwälte aufmerksam zu machen. Anwältinnen und Anwälte werden auf Grund ihrer Berufsausübung verfolgt. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam mit der ELDH geführt. Die Teilnahme weiterer Anwältinnen und Anwälte und Menschenrechtsorganisationen ist willkommen.   ]]>
    Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-269 Wed, 09 Jan 2013 21:32:00 +0100 Bedrohte Anwältinnen und Anwälte: im Streit für Menschenrechte, gegen staatliche Unterdrückung und Willkür /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bedrohte-anwaeltinnen-und-anwaelte-im-streit-fuer-menschenrechte-gegen-staatliche-unterdrueckung-und-willkuer-269 Veranstaltung im Gedenken an Rechtsanwalt Hans Litten
    Freitag, 25.1.2013 um 18:00
    in den Räumen der Rechtsanwaltskammer Berlin, 4. Etage
    Littenstr. 9, 10179 Berlin
    Eine gemeinsame Veranstaltung von VDJ, RAV und RAK Berlin
    Programm
    Begrüßung durch den Vorsitzenden der VDJ, Rechtsanwalt Dieter Hummel  Prolog Schauspieler Rolf Becker spricht Texte von und über Hans Litten  Geschmäht, bedroht, gefoltert - Hans Litten und der Kampf um das Recht, Rechte zu haben, Rechtshistoriker Ralf Oberndörfer  Die Verteidigung der Freien Advokatur im Ausland und ihre Bedeutung für die Freie Advokatur im Inland, Rechtsanwalt und Notar Bernd Häusler, Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter der RAK Berlin  Zur Situation baskischer Anwältinnen und Anwälte, Rechtsanwalt Jonan Lekue  Anschließend kleiner Empfang bei Wein, Saft, Wasser und Snacks Es wird um Anmeldung gebeten:
    per E-Mail vorstand@rak-berlin.org
    per Fax 030 / 306 931 99 Flyer (PDF)]]>
    news-268 Fri, 04 Jan 2013 12:27:00 +0100 „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sie-herr-vorsitzender-werden-uns-anwaelte-auch-noch-einmal-brauchen-268 Pressemitteilung vom 4.1.2013 Anklagevorwurf ist die angebliche Mitgliedschaft der Kolleginnen und Kollegen in der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK). Dieser Vorwurf knüpft nahezu ausschließlich an ihre anwaltlichen Tätigkeiten an. 27 der 46 angeklagten Kolleginnen und Kollegen befinden in Untersuchungshaft. Der Strafprozess hatte am 16. Juli 2012 begonnen und wurde am 3. Januar 2013 auf den 28. März 2013 vertagt. Diese lange Verhandlungspause stellt erneut einen massiven Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz  in Haftsachen dar. „Die lange Untersuchungshaft von nunmehr über 400 Tagen kommt einer Vorverurteilung der angeklagten Anwältinnen und Anwälte gleich“, sagt Rechtsanwalt Ralph Monneck, der das Verfahren für den RAV in Istanbul zusammen mit weiteren rund 30 Vertretern europäischer Anwaltskammern und -organisationen beobachtet. Der Vorsitzende „beschleunigte“ das Verfahren allein dadurch, dass er die Verteidigungsrechte einschränkte und den Verteidigern nur 5 Minuten gab, ihre Anträge auf Haftentlassung vorzutragen.  Zur Begründung der Anträge führte die Verteidigung erneut zahlreiche massive Rechtsverstöße im bisherigen Verfahrensverlauf auf. Hierzu gehören insbesondere die Unbestimmtheit der Tatvorwürfe sowie rechtswidrig erlangte Beweismittel unter Verstoß gegen Schutzrechte von Strafverteidigern und Strafverteidigerinnen. Am Ende der Hauptverhandlung beschied das Gericht in Abwesenheit der Angeklagten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Anträge der Verteidigung und hielt die Haftbeschlüsse für 26 der Inhaftierten aufrecht und verschonte lediglich einen der angeklagten Anwälte von der Untersuchungshaft. Ein inhaltlicher Fortgang des Verfahrens konnte nicht verzeichnet werden. Ein Ende des Prozesses ist somit weiterhin nicht absehbar. Mit dem Satz „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“ wies einer der Verteidiger darauf hin, dass das gesamte Verfahren allein der politischen Konjunktur geschuldet ist und sich in der Türkei der Wind schnell drehen kann. Berlin, 4. Januar 2013 Pressemtitteilung: „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“(PDF)]]> Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-267 Wed, 12 Dec 2012 16:24:00 +0100 Stellungnahme zum Gesetzentwurf, Änderung des SOG in Sachsen-Anhalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-gesetzentwurf-aenderung-des-sog-in-sachsen-anhalt-267 Anhörung am 12.12.2012_Drucks. 6/1253 Verfasser/in: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin; John Philipp Thurn, Rechtsreferendar Vorbemerkung Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme auf die vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Kennzeichnungspflicht (1.), Ermächtigung zum Erlass von „Alkohol-Verordnungen“ (2.), Datenerhebungs-/-speicherungsbefugnissen (3.) sowie Befugnis zum Unterbrechen der Telekommunikation (4). 1. Kennzeichnungspflicht, § 12 SOG LSA [neu] Die Einführung einer Ausweisungs- und Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ist für die Verbesserung der Kontrolle polizeilichen Handelns unabdingbar. Nach Erfahrung der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen des RAV gibt es immer noch große Schwierigkeiten, rechtswidrige polizeiliche Übergriffe nachzuweisen. Sehr häufig scheitern Verfahren an der fehlenden Identifizierung des Täters oder der Täterin. Für den oder die einzelne/n Polizist/in ist es ein Leichtes, sich hinter der Anonymität der Einsatzgruppe zu verstecken. Sind die Polizeiangehörigen aber namentlich oder über eine Kennzeichnung identifizierbar, können ihre Handlungen im Rahmen eines Einsatzgeschehens individuell nachvollzogen werden. Dies bietet dann einen Ansatz für Ermittlungen und eine Grundlage für ein Verfahren, gewährleistet also effektiven Rechtsschutz. Dafür, dass – wie schon mehrfach von Seiten der Polizei vorgetragen – eine Kennzeichnung Polizeibeamte und deren Familien gefährde, gibt es keinen empirischen Beleg. Angriffe auf Polizeibeamte stehen erfahrungsgemäß in Zusammenhang mit deren Einsätzen, nicht mit deren Person. Dieser Besorgnis kann aber auch damit begegnet werden, dass an Stelle des Namens eine Kennzeichnung getragen wird, über die die Beamten individuell zu identifizieren sind. Es bestehen auf Seiten des RAV auch keine Bedenken gegen eine Regelung, wonach den Beamten ein entsprechendes Wahlrecht eingeräumt wird. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht kann in Konfliktsituationen deeskalierend wirken. Mandant/innen der im RAV organisierten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen haben berichtet, dass gerade in angespannten Situationen auf die explizite Frage nach Dienstnummer oder Namen mit unpassenden Scherzen („007“, „Papa“) reagiert oder die Antwort gleich ganz verweigert wurde. Da in diesen Fällen die fragende Person anschließend eben nicht benennen kann, wer in dieser Weise die Antwort verweigert hat, bleibt entsprechendes Handeln ohne Folge. Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucks. 6/329) wird deshalb von Seiten des RAV begrüßt. Der Entwurfstext sollte jedoch insoweit geändert werden, dass in Absatz 2 für die nicht-namentliche Kennzeichnung statt eines Schildes mit einer höchstens fünfstelligen Nummer eine „zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung“ vorgesehen wird. Der bisherige Wortlaut lässt nicht hinreichend deutlich werden, dass die Nummer eine individuelle Bezeichnung sein soll. Es muss außerdem sicher gestellt sein, dass die Kennzeichnung so einprägsam gestaltet ist, dass Zeugen und Zeuginnen eine Chance haben, sie wahrzunehmen und zu erinnern. Es gibt außerdem keinen Grund eine generelle Ausnahmeregelung für die allgemeine Kennzeichnungspflicht vorzusehen, wie sie in Abs. 3 des Entwurfs formuliert ist. Zwar liegt nahe, dass zum Beispiel Verdeckte Ermittler von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden müssen, um sinnvoll eingesetzt werden zu können. Jedoch kann die entsprechende Ausnahme ebenso gut bei der Befugnisnorm eingefügt werden, in der es um diese Maßnahme geht. Es ist zu befürchten, dass eine Formulierung, die so allgemein gefasst ist wie die im Entwurf vorgesehene, dazu führen wird, dass eine – der Kennzeichnungspflicht bekanntermaßen sehr kritisch gegenüber stehende – Polizei diese Ausnahme zur Regel zu machen versuchen wird. Wenn aber in der Praxis dann zum Beispiel in jedem Versammlungsgeschehen der Einsatzleiter eine Ausnahmebewilligung erteilt und erst hinterher dagegen vorgegangen werden kann, wird der Zweck der Regelung verfehlt. 2. Ermächtigung zum Erlass von Vorsorgeverordnungen gegen den Verzehr von Alkohol und das Mitführen von Glasgetränkebehältnissen, § 94a Abs. 2, 3 Nr. 2 [neu] Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und die einschlägige Literatur gehen davon aus, dass der Konsum oder das Mitführen von alkoholischen Getränken im öffentlichen Raum an sich nicht als Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung angesehen werden können (siehe nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2009; Az. 1 S 2200/08; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.03.2010, Az. 3 K 319/09; OLG Hamm, Beschluss vom 04.05.2010, Az. 3 RBs 12/10; Hecker, NVwZ 2010, S. 359 ff.; Rachor, in: Lisken/Denninger [Hrsg.], Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. F Rn. 80; Finger, Die offenen Szenen der Städte, 2006, S. 196). Der Gesetzentwurf geht dem gegenüber davon aus, dass durch den jederzeitigen Erwerb und unmittelbaren Verzehr von Alkohol Gefahren hervorgerufen werden. Die im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte berichten, dass nach ihrer Erfahrung kein Zusammenhang zwischen dem „unmittelbaren Verzehr“ von Alkohol und „gefährlichem“ Verhalten besteht. Es gibt dafür auch keinen empirischen Nachweis. Alle verfügbaren kriminologischen Erkenntnisse bestätigen, dass Alkoholkonsum keineswegs regelmäßig oder typischerweise, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen zur Begehung von Straftaten führt. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich dort, wo viele Menschen zusammentreffen, die Zahl der Konflikte und damit auch die Gefahr abweichenden Verhaltens erhöht – ganz unabhängig davon, ob Alkohol konsumiert wird oder nicht. So ist zum Beispiel rein empirisch festzuhalten, dass die oftmals genannten Zahlen der Straftatbelastung während des Münchener Oktoberfests oder während Fußballspielen sich relativieren, wenn berücksichtigt wird, wie viele Personen zu derartigen Gegebenheiten zusammenkommen. Die durchschnittliche Besucher/Besucherinnen-Zahl der 1. Bundesliga liegt bei 45.000 Personen pro Spiel, zum Oktoberfest kamen im Jahr 2012 etwa 6,4 Millionen, beim Rosenmontagszug des Kölner Karnevals sind es 1 Million Schaulustige. Angesichts dieser Zahlen kann von einer wegen des Alkoholkonsums gesteigerten Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden, sondern allenfalls von einer räumlichen Zusammenführung der in der Gesellschaft vorhandenen „Gefährlichkeit“. Dass allein die Steigerung des Konfliktpotentials durch das öffentliche Zusammentreffen von Menschen, die dabei auch Alkohol konsumieren oder auch nur mit sich führen, schon die Grundlage für grundrechtsbeschränkende polizeiliche Maßnahmen bietet, bedeutet einen spürbaren Freiheitsverlust im öffentlichen Raum. Es drohen hier Verhaltensweisen verboten zu werden, die für sich genommen in jeder Hinsicht ungefährlich sind und zum Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen und Plätzen gehören. Eine derartige Verpolizeilichung des öffentlichen gesellschaftlichen Lebens wird abgelehnt. In einer offenen Gesellschaft sollten Konflikte anders gelöst werden als durch Verbote. Dieser Grundsatz muss insbesondere vor dem Hintergrund betont werden, dass die angedachte Regelung übermäßig Zusammentreffen und Alkoholkonsum bestimmter, weniger akzeptierter gesellschaftlicher Gruppen wie Jugendlicher oder Wohnungsloser betrifft, während gesellschaftlich akzeptierte Gruppen wie Kegelklubs oder Studierendenpartys davon in geringerem Maße betroffen sein werden, weil diese – anders als die „Randgruppen“ – eher nicht auf der Straße trinken, sondern Zugang zu Lokalen oder Zusammenkünften innerhalb geschlossener Räumlichkeiten haben. Das selektive Vorgehen gegen den Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum, verglichen mit dem teureren Verzehr in Gaststätten, berührt deshalb auch den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Entgegen der Rechtsprechung des OVG LSA (Urteil vom 17.03.2010, Az. 3 K 319/09 – juris, Rn. 49) droht mit der geplanten Gesetzesänderung ein vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigendes „Instrument zur Verdrängung bzw. Vertreibung von als unerwünscht erachteten gesellschaftlichen Gruppen zum Zwecke der 'Milieupflege'“. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist abschließend anzumerken, dass Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit der Regelung fraglich sind. Zur Verhältnismäßigkeit ist festzuhalten, dass der Gesetzentwurf weder eine Begrenzung des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Verbote, noch eine Befristung der Verordnungen vorsieht. Beides enthält dagegen die Parallelnorm des § 9a PolG Sachsen, die bislang die in Deutschland weitestgehende Ermächtigung zum Erlass alkoholbezogener Vorsorgeverordnungen beinhaltet. Dass die Verordnungen auch das „Bereithalten zum Verzehr“ oder das „Mitführen von Glasbehältern“ umfassen können sollen, genügt dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes nicht. Die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen des RAV gehen davon aus, dass aufgrund der bisherigen unbestimmten Formulierung etwaige Ordnungswidrigkeitenverfahren (Bußgeldbewehrung in § 107 Abs. 1 Nr. 5 SOG LSA [neu]) keine Grundlage haben werden. 3. Regelungen zur Datenerhebung und -speicherung 3.1. Videoaufzeichnung bei polizeilichen Anhaltevorgängen, § 16 Abs. 3 SOG LSA [neu] Die Schaffung dieser Befugnis begegnet datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Aufzeichnung von Kontrollen bedeutet einen weitergehenden Eingriff als durch die Kontrolle an sich bereits verwirklicht wird. Die Betroffenen werden durch die gleichzeitige Filmaufzeichnung noch  mehr zum Objekt der polizeilichen Maßnahme gemacht und zusätzlich stigmatisiert. Gleichzeitig ist nach den Erfahrungen der Anwältinnen und Anwälte des RAV kaum anzunehmen, dass diese Maßnahme überhaupt der Eigensicherung dienen kann. Im Gegenteil birgt der Einsatz einer Kamera während Kontrollen eigenes Konfliktpotential in sich, weil die kontrollierten Personen gerade diesen weitergehenden Eingriff ablehnen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass nicht zutrifft, was als Begründung für die Einführung dieser Befugnis im Gesetzesentwurf zugrunde gelegt wird. Tatsächlich gibt es keine empirischen Belege für eine gesteigerte Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten (dazu statt vieler Puschke/Singelnstein, NJW 2011, S. 3473 ff. m. w. N.). Besonders problematisch ist, dass die neu eingeführte Maßnahme in Zusammenhang mit jeglicher Personen- oder  Fahrzeugkontrolle zulässig sein soll, d. h. auch in Zusammenhang mit Identitätsfeststellungen nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 SOG, also an Kontrollstellen, die im Vorfeld von Versammlungen eingerichtet werden. Hier ist neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG betroffen, die auch umfasst, sich frei und ungehindert ohne staatliche Beeinflussung zu einer Demonstration zu versammeln.  Überwachung und Registrierung beeinträchtigen die Teilnahme an Versammlungen, da nach Ansicht des Verfassungsgerichts, wer damit rechnen muss, dass seine Teilnahme behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen, möglicherweise auf die Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten wird (BVerfGE 65, 1, 43). Art. 8 Abs. 1 GG schützt deshalb auch davor, das Grundrecht im Visier der Polizei wahrnehmen zu müssen (OVG Bremen vom 24.04.1990, NVwZ 1990, S. 1188 ff. [1189]). Sollte eine derartige Befugnis dennoch Gesetz werden, müssten auf jeden Fall einschränkende Verpflichtungen in zweierlei Hinsicht aufgenommen werden. Zum einen müsste eine Pflicht normiert werden, alle von der Maßnahme betroffenen Personen darauf hinzuweisen, dass eine Bildaufzeichnung stattfindet. Für den Fall, dass die Kamera nicht wahrnehmbar offen gezeigt wird, kann nur ein solcher Hinweis sicherstellen, dass die Betroffenen gegebenenfalls gegen den Eingriff um Rechtsschutz nachsuchen können. Zum anderen muss sichergestellt werden, dass die Aufzeichnungen nach Abschluss der Maßnahme vernichtet und nicht zu anderen Zwecken verwendet werden dürfen. 3.2. Telekommunikationsüberwachung und Quellen-TKÜ, § 17a und § 17b SOG LSA [neu] Präventivpolizeiliches Abhören und Aufzeichnen von Telekommunikationsinhalten und -umständen ist grundsätzlich abzulehnen. Aus der Erfahrung der im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist neben den strafprozessualen Befugnissen kein weiterer Bedarf an entsprechenden Eingriffsgrundlagen. Die polizeiliche Erhebung von telekommunikativen Inhalts- und Verbindungsdaten, auch per IMSI-Catcher (§ 17a Abs. 1), sowie die entsprechenden Auskunftsansprüche gegenüber Diensteanbietern (§ 17a Abs. 2), auch bezüglich online gespeicherter Kommunikationsinhalte wie E-Mails (§ 17a Abs. 6), stellen eine massive Vorverlagerung von Eingriffsbefugnissen zu Lasten des Grundrechts auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) dar. Entgegen dem Grundsatz des liberal-rechtsstaatlichen Gefahrenabwehrrechts, vom konkret-individuellen Vorgehen gegen Verantwortliche (Störer) nur unter strengen Voraussetzungen im Einzelfall abzuweichen, soll die präventive Telekommunikationsüberwachung nach § 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 3 gegen jedermann erfolgen können, wenn dies „unerlässlich“ ist. Diese Eingriffsschwelle liegt sogar erheblich unterhalb den üblichen Voraussetzungen für ein Vorgehen gegen Nicht-Verantwortliche (Nicht-Störer), wie sie § 10 SOG LSA normiert; dass mit den Kommunikationspartnern weitere unbeteiligte Personen zwangsläufig mitüberwacht werden, stellt § 17a Abs. 3 S. 2 klar. Die vorgeschlagene Befugnis des § 17b stellt eine eher einem Geheimdienst als einer an die rechtsstaatliche Gefahrenschwelle gebundenen Polizei entsprechende Überwachungsbefugnis dar. Denn auch hier muss eine Person nicht einmal Nicht-Störerin im Sinne des § 10 SOG LSA sein, um Adressatin der polizeilichen Maßnahme zu werden. „Staatstrojaner“ ermöglichen auch dann einen tiefen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, wenn tatsächlich entsprechend § 17b Abs. 3 technisch gewährleistet werden kann, dass sie keine umfassende „Online-Durchsuchung“ der betroffenen informationstechnischen Systeme ermöglicht. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass derzeit aber nach allem, was bekannt ist, eine derartige technische Einschränkung nicht möglich ist. Im Zusammenspiel beider Befugnisse entsteht die Möglichkeit einer derart extensiven und intensiven Überwachung der Telekommunikation, dass umfassende Persönlichkeitsprofile von Personen erstellt werden können. Dies ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (siehe zuletzt BVerfG, Az. 1 BvR 22/12 vom 8.11.12). 3.3. Rasterfahndung, § 31 Abs. 1 SOG LSA Nach allen Erfahrungen und auch nach empirischen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Pehl, Die Implementation der Rasterfahndung, 2008) wird die Maßnahme der Rasterfahndung sowohl auf strafprozessualer als auch auf präventivpolizeilicher Grundlage sehr selten durchgeführt und ist in diesen wenigen Fällen zudem wenig erfolgreich. Indem im vorliegenden Entwurf die Tatbestandsvoraussetzung „zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung“ sowie die Subsidiaritätsklausel (wenn „dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und auf andere Weise nicht möglich ist“) gestrichen werden, erfolgt eine problematische Ausweitung einer tatsächlich nicht benötigten polizeilichen Befugnis. Aus bürgerrechtlicher Perspektive ist die in der Gesetzesbegründung (S. 59) erkennbare Tendenz, die durch das Bundesverfassungsgericht formulierten grundgesetzlichen Grenzen partout auszureizen, ohnehin abzulehnen. Zugunsten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) wäre, wenn die Norm nicht abgeschafft wird, wenigstens eine deutliche Begrenzung der Befugnis geboten, etwa was besonders sensible personenbezogene Daten betrifft. 3.4. Videobeobachtung von Ingewahrsamgenommenen, § 39 Abs. 4 SOG LSA [neu] Den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten des RAV wird in nicht geringfügigem Ausmaß immer wieder von Betroffenen berichtet, dass sich Polizeibeamte im Gewahrsam unangemessen bis falsch/gewalttätig verhalten. Wie bereits in Hinblick auf die Kennzeichenpflicht unter 1. ausgeführt, ist jedoch auch wegen fehlender Identifizierbarkeit der entsprechenden Beamten ein Nachweis häufig schwierig. Eine Aufzeichnung der Vorgänge in polizeilichen Einrichtungen könnte insoweit Abhilfe schaffen, da dadurch eine Dokumentation von Gesetzes wegen vorgeschrieben wäre. Für den Fall, dass ein bestimmter Vorgang nicht aufgezeichnet würde, könnte dies als Indiz dafür gewertet werden, dass etwas verborgen werden soll. Allerdings wird die Maßnahme, wie sie im Entwurf vorgeschlagen ist, wegen ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs diesem Zweck nicht gerecht. Sie entspricht entgegen der Gesetzesbegründung aus demselben Grund auch keineswegs der Empfehlung von Amnesty International im Bericht zu rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland von 2010. Sie soll nämlich nicht flächendeckend den gesamten Gewahrsamsbereich betreffen, sondern lediglich Aufnahmen von gesundheitlich erheblich beeinträchtigten Personen ermöglichen. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob gesundheitlich beeinträchtigte Personen nicht ohnehin besser in anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern, untergebracht oder unter direkte Aufsicht von Fachpersonal mit mindestens einer Sanitäterausbildung gestellt werden sollten. Erst recht bleibt völlig unklar, wieso es geboten sein könnte, solchen Personen den eigentlich vorgesehenen Hinweis auf die Überwachung (Satz 2) vorzuenthalten. Jedenfalls müsste durch die Normierung eines ausdrücklichen Verwertungsverbots gesichert werden, dass aus der zum Schutz einer Person eingeführten Überwachungsmaßnahme ihr nicht indirekt Nachteile entstehen können, indem die Erkenntnisse aus der Beobachtung zum Beispiel in ein Strafverfahren eingeführt werden. 3.5. Körperliche Untersuchung gegen Infektionsgefahren, § 41 Abs. 6 SOG LSA [neu] Zur Erreichung des Zwecks der Maßnahme erforderlich und wegen der Beeinträchtigung der Grundrechte Betroffener ist es geboten, den Tatbestand der Befugnisnorm so zu begrenzen, dass eine zwangsweise Untersuchung allenfalls dann stattfinden darf, wenn die zu schützende Person mit der zu untersuchenden Person tatsächlich so in Kontakt gekommen ist, dass eine Krankheitsübertragung nach ärztlichen Erkenntnisse überhaupt möglich ist. Dies sollte durch die Vorgabe sichergestellt werden, dass der Arzt oder die Ärztin, der/die mit der Durchführung betraut wird, schriftlich bestätigt, dass im konkreten Fall tatsächlich die Gefahr einer Übertragung bestand. Bei Anwendung der Befugnis wird weiterhin das Diskriminierungsverbot aus § 6 Abs. 3 SOG LSA streng zu beachten sein, damit Personen nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer (vermeintlichen) Risikogruppe von der Maßnahme erfasst werden. Zu denken wäre an eine weitere Vorgabe, wonach die Tatsachen, auf die die Annahme der Übertragungsmöglichkeit gestützt wird, von der anordnenden Stelle ebenfalls schriftlich dargelegt werden müssen. 4. Unterbrechung und Verhinderung von Kommunikationsverbindungen, § 33 SOG LSA [neu] Die im Entwurf enthaltene Norm zum Abschalten der Telekommunikation widerspricht dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot.  Denn nach dem Wortlaut des Entwurfs soll jede gegenwärtige Gefahr für Leib oder Freiheit ausreichen, um die entsprechende Maßnahme anzuordnen. Dies geht weit über den sinnvollen Anwendungsbereich hinaus. Zwar kann man mit der Gesetzesbegründung der Meinung sein, dass zur Unterbindung der Fernzündung eines Sprengsatzes die Maßnahme nicht nur geeignet, sondern sicherlich auch erforderlich und damit verhältnismäßig ist. Jedoch ist dies schon im zweiten Beispielsfall aus der Gesetzesbegründung weniger offensichtlich. Denn bei einer Geiselnahme ist die Aufrechterhaltung des Kontakts zu den Geiselnehmer/innen sicherlich sinnvoller als eine Unterbrechung. Erst recht gilt aber, dass das Gesetz so formuliert werden muss, dass nicht schon die Annahme eines Bevorstehens einer einfachen Körperverletzung (= Gefahr für Leib einer Person) oder ähnliches für diese weit gehende Einschränkung einer nach dem Wortlaut des Gesetzes ebenfalls unbestimmten Vielzahl von Telekommunikationsvorgängen ausreicht. Aus der Erfahrung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des RAV ergibt sich, dass in Zusammenhang mit Versammlungen bereits derartige Störungen des Telekommunikationsverkehrs taktisch eingesetzt werden. Durch dieses Vorgehen werden Demonstrationsteilnehmer/innen daran gehindert, zum Beispiel bei größeren Ansammlungen die Gruppe ausfindig zu machen, zu der sie zugehörig sind und deren Meinungsäußerungen sie durch vorbereitete Transparente unterstützen wollen. Diese verfassungswidrige Einschränkung der grundgesetzlich gewährten Freiheit, sich frei und ungehindert ohne staatliche Beeinflussung zu einer Demonstration zu versammeln, ist abzulehnen. Sollte eine Vorschrift zum Abschalten der Telekommunikation in das Polizeigesetz Aufnahme finden, muss auf jeden Fall Vorsorge getragen werden, dass solche unverhältnismäßigen Grundrechtseinschränkungen ausgeschlossen sind. Berlin, 10. Dezember 2012 Die vorliegende Stellungnahme des RAV als PDF]]> news-265 Tue, 04 Dec 2012 18:44:00 +0100 Freiheit für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-fuer-die-iranische-rechtsanwaeltin-nasrin-sotoudeh-265 Pressemitteilung zum Tag der Menschenrechte am 10.12.2012 Mehrere Organisationen kritisieren die Haftbedingungen für Nasrin Sotoudeh und fordern deren Freilassung

    Heute am Tag der Menschenrechte rufen mehrere Organisationen die iranische Führung zur Freilassung und zum Schutz der Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh auf. Frau Sotoudeh ist seit 26 Monaten im Iran auf Grund ihrer Menschenrechtsarbeit in Haft. Aufgrund von Anschuldigungen, Propaganda zu verbreiten und die Staatssicherheit zu gefährden wurde sie am 9. Januar 2011 zu einer Haftstrafe von 11 Jahren verurteilt. Es wurde außerdem ein 20jähriges Berufs – und Ausreiseverbot verhängt. Erst nach einem Berufungsverfahren wurde die Strafe auf sechs Jahre Haft und ein 10jähriges Berufs– und Ausreiseverbot herabgesetzt. Seit ihrer Festnahme am 4. September 2010 war sie immer wieder für längere Zeit in Einzelhaft und ist aus Protest gegen ihre Festnahme und Haftbedingungen mehrfach in den Hungerstreik getreten.

    Nasrin Sotoudeh befand sich vom 17. Oktober bis zum 3. Dezember 2012 im Hungerstreik um gegen das Besuchsverbot für ihre Familie zu protestieren. Der 12jährigen Tochter wurde eine Auslandsreise verboten, der Ehemann wird nicht mehr zum Besuch vorgelassen. Eine Begründung hierfür erfolgte nicht. Frau Sotoudeh kämpfte mit ihrem Hungerstreik um eine regelmäßige Besuchsregelung für ihre Familie und ein Besuchsrecht ohne Trennscheiben in einem gesonderten Raum sowie die Aufhebung des Ausreiseverbots für ihre Tochter.

    Nasrin Sotoudeh wurde 1963 geboren und setzt sich als Rechtsanwältin seit Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Sie vertrat insbesondere Aktivisten der Opposition, die im Zusammenhang mit den Protesten gegen die manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 inhaftiert wurden. Sie vertritt zum Tode verurteilte Jugendliche, Frauen und politische Häftlinge. Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh hat gemeinsam mit dem Filmemacher Jafar Panahi den diesjährigen Sacharow Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments gewonnen. Sie hat eine zwölfjährige Tochter und einen fünfjährigen Sohn.

    Wir machen uns große Sorgen um Nasrin Sotoudeh, deren Gesundheit auf Grund mehrerer Hungerstreiks sehr geschwächt ist.

    Amnesty International betrachtet Nasrin Sotoudeh als eine gewaltlose politische Gefangene, die nur aufgrund ihrer Arbeit als Anwältin festgehalten wird, und fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.

    Dieser Forderung schließen wir uns an und fordern die Bundesregierung auf, sich für die Forderung ebenfalls einzusetzen.

    Am 10.12.2012 wird es zur Situation von Nasrin Sotoudeh und anderen politischen Gefangenen im Iran um 13:00 Uhr eine Protestkundgebung vor der iranischen Botschaft in Berlin geben. An dieser Kundgebung werden sich neben dem Verein iranischer Flüchtlinge und dem Komitee zur Verteidigung der politischen Gefangenen im Iran auch Vertreter des RAV, der VDJ und der Berliner Rechtsanwaltskammer beteiligen.

    AnsprechpartnerIn für weitere Informationen:
    Hamid Nowzari, Verein Iranischer Flüchtlinge Berlin e.V. Tel. 0172.1647761
    Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, Vorstandsmitglied im RAV, Tel. 030.62987720 

    http://action.amnesty.de/l/ger/p/dia/action/public/?action_KEY=8879&d=1

    http://dustandtrash.blogspot.de/2012/11/nasrin-sotoudeh-hungerstreik.html

    https://englishtogerman.wordpress.com/2012/11/18/reza-khandan-kein-besuch-fur-nasrin-sotoudeh-am-33-tag-ihres-hungerstreiks/

    http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20121026STO54665/html/Nasrin-Sotoudeh-und-Jafar-Panahi-%E2%80%93-die-Gewinner-des-Sacharow-Preises-2012

     

    PM_Freiheit für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh (PDF)

    PR_Freedom for the Iranian Lawyer Nasrin Sotoudeh (PDF)

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    Iran Repression gegen Rechtsanwälte
    news-264 Fri, 23 Nov 2012 10:36:00 +0100 Die beabsichtigte Einschränkung des Versammlungsrechts durch das Abgeordnetenhaus von Berlin ist fahrlässig /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-beabsichtigte-einschraenkung-des-versammlungsrechts-durch-das-abgeordnetenhaus-von-berlin-ist-fahrlaessig-264 Stellungnahme vom 22.11.12 http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-0642.pdf Die beabsichtigte Einschränkung des Versammlungsrechts durch das Abgeordnetenhaus von Berlin ist fahrlässig (PDF)]]> news-263 Sat, 17 Nov 2012 16:12:00 +0100 Das Problem heißt Rassismus! RAV kritisiert Buch des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky /publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus-rav-kritisiert-buch-des-neukoellner-buergermeisters-buschkowsky-263 Pressemitteilung vom 17.11.12 Das Problem heißt Rassismus! Unter diesem Motto haben rund 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am Samstag, dem 17. November 2012 im Buchladen Hugendubel am Hermannplatz eine Erklärung verlesen und das Buch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD) mit Aufklebern verschönert.
    Buschkowsky trägt mit seinem Buch zu einem Klima bei, in dem Rassismus gedeiht und die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben wird. Zahlreiche Kundinnen und Kunden sowie das Personal hörten interessiert zu, applaudierten und diskutierten anschließend mit den Kolleginnen und Kollegen, unter ihnen auch zahlreiche RAV-Mitglieder. Photo Photo_1 Die Erklärung: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kundschaft der Buchhandlung, liebe MitarbeiterInnen der Buchhandlung Hugendubel, wir befinden uns hier, an einem zentralen Neuköllner Platz, neben Bergen eines Buches des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky. Ein Buch, das seit Wochen auf den Bestsellerlisten steht. Wir, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus Neukölln und Kreuzberg, sind gerade dabei, dieses Buch mit dem Aufkleber „das Problem heißt Rassismus“  zu versehen. Warum haben wir uns dazu entschlossen? Buschkowsky schreibt die unerträgliche Integrationsdebatte fort.
    Buschkowsky verwendet den Begriff der „Integration“ als Kampfbegriff. Das Schlagwort der „Integration“ unterteilt die Gesellschaft in ein „Wir“ und ein „Ihr“. Das „Wir“ ist demokratisch und das „Ihr“ folgt archaischen Strukturen.
    Das „Ihr“ sind bei Buschkowsky „die Türken“, „die Araber“ und „die Afrikaner“.
    Das „Wir“ ist mit sozialen Problemen konfrontiert und das „Ihr“ ist dafür verantwortlich. Das „Wir“ ist das Gute, das „Ihr“ ist die Bedrohung.
    Das „Wir“ darf fordern und das „Ihr“ hat sich diesen Forderungen zu unterwerfen. Zu diesem „Wir“ wollen wir nicht gehören! Die Integrationsdebatte ist demokratiefeindlich.
    „Integration“ bei Buschkowsky meint Anpassung statt Dialog.
    Diese Art von Integrationsdebatte spricht den Menschen das Recht ab, in einer Gesellschaft gemeinsam darüber zu entscheiden, wie sie miteinander leben wollen.
    Die Debatte um „Integration“ ist die falsche Debatte.
    Wir wiederholen: Sie ist undemokratisch und spaltet die Gesellschaft. Buschkowsky vertritt eine Politik, die diese Entwicklung der gesellschaftlichen Spaltung fördert.
    Buschkowsky vertritt eine Politik, auf der Rassismus gedeiht. Es ist das alte Lied: Rassismus fördert soziale Deklassierung, soziale Deklassierung fördert Rassismus. Buschkowsky thematisiert NICHT die strukturellen Benachteiligungen von Menschen, NICHT die Sondergesetze gegen AusländerInnen wie etwa Arbeitsverbote und Residenzpflicht. Er thematisiert NICHT den alltäglichen Rassismus, mit denen Menschen mit Migrationshintergrund der Zugang zu Arbeit, zu menschenwürdigem Wohnraum und zu gesellschaftlicher Teilhabe erschwert wird. Er spricht NICHT darüber, dass Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, immer noch als „Ausländer“ wahrgenommen und diskriminiert werden. Genau diese politisch gewollte Ausgrenzung, die wir strukturellen Rassismus nennen, setzt Buschkowsky fort. Und nicht nur das: Er besteht darauf, dass diese Ausgrenzung akzeptiert wird, dass die Mehrheitsgesellschaft die Bedingungen stellen darf. Auf diesem Boden wachsen Begriffe wie „Döner-Morde“ oder „Ermittlungsgruppe Bosporus“. Es ist dieser rassistisch verstellte Blick, der bei den Ermittlungen gegen den NSU das Naheliegende, den rechten Terror, nicht erkennen ließ. Erklärung (PDF) Aciklama (PDF)    ]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-262 Wed, 07 Nov 2012 10:58:00 +0100 Massive Rechtsverletzungen im Großverfahren gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei – Prozessbeobachtung durch RAV und DAV /publikationen/mitteilungen/mitteilung/massive-rechtsverletzungen-im-grossverfahren-gegen-46-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-prozessbeobachtung-durch-rav-und-dav-262 Pressemitteilung vom 7.11.2012
  • Auch in dem größeren Gerichtssaal fanden nicht alle Verteidiger_innen Platz.
  • Der Kontakt zu ihrer Mandantschaft wurde ihnen durch eine Polizeikette im Saal verwehrt.
  • Der Verteidigung wurde durch das Gericht nur eine beschränkte Redezeit eingeräumt, bei Überschreitung wurde ihnen das Mikrofon abgeschaltet.
  • Den Angeklagten wurde das Recht verwehrt, sich in ihrer kurdischen Muttersprache zu den Vorwürfen zu äußern, obwohl im Türkischen Parlament bereits ein Gesetzesentwurf vorliegt, der Angeklagten die Verteidigung auf Kurdisch ermöglichen soll.

  • Das Gesetzesvorhaben ist eine Reaktion auf die Forderungen von rund 6.500 kurdischen politischen Gefangenen, die sich zum Teil bereits seit 56 Tagen im Hungerstreik befinden. Die Verteidigung stellte den Antrag, die Verhandlung bis zur Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes zu unterbrechen und die Angeklagten solange freizulassen. Als auch dieser Antrag abgelehnt wurde, verließen sämtliche Verteidiger den Gerichtssaal. Das Gericht setzte die Hauptverhandlung unter Verstoß gegen die Türkische Strafprozessordnung ohne die Verteidigung fort und befragte die Angeklagten auf Türkisch. Rechtsanwältin von der Behrens: „Der Vorsitzende beantwortete dann die von ihm gestellten Fragen selbst. Dies war eine groteske Situation. Nach einer halben Stunde verkündete er schlussendlich die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zum 3. Januar 2013 bei Aufrechterhaltung der Haftbefehle“. Der RAV ist angesichts dieser massiven Einschränkung von Verteidigungsrechten höchst besorgt und fordert die umgehende Freilassung der inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. Eine derartig lange Untersuchungshaft, verknüpft mit der Unmöglichkeit, sich effektiv gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, kommt einer Strafe ohne Urteil gleich. Berlin, 7.11.2012 Pressemitteilung (PDF)]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-261 Tue, 06 Nov 2012 09:37:00 +0100 Hauptverhandlung in dem Strafverfahren gegen 46 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/hauptverhandlung-in-dem-strafverfahren-gegen-46-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-in-der-tuerkei-261 Pressemitteilung vom 5.11.12 Interviewangebot:
    Rechtsanwältin GÜL PINAR wird als Prozessbeobachterin das Verfahren beobachten und ist vom 05.11. bis zum 07.11.2012 in Istanbul. Frau Pinar ist Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg und Mitglied des DAV-Ausschusses Strafrecht. Sie ist für Interviews während des Verfahrens in Istanbul unter der Telefonnummer 0049-1724062206 zu erreichen. Berlin, den 05. November 2012 Pressemitteilung (PDF)  ]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-260 Tue, 23 Oct 2012 15:24:00 +0200 Rechtsstaatliche Grundsätze in der Türkei missachtet /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsstaatliche-grundsaetze-in-der-tuerkei-missachtet-260 Pressemitteilung vom 23.10.12 Fast unbeobachtet werden derzeit in der Türkei systematisch unliebsame Kritiker mit Strafverfahren überzogen und mundtot gemacht. So laufen derzeit in Istanbul zwei Großverfahren gegen 46 kurdische Anwältinnen und Anwälte sowie 44 kurdische Journalistinnen und Journalisten. Fast 100 Pressevertreter und über 30 Vertreter der Anwaltschaft befinden sich in Haft. Ihnen wird die Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaft Kurdistans (KCK) unterstellt. Dieser Vorwurf knüpft allerdings ausschließlich an Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsausübung an. Die Verfahren werden daher international als rein politisch motiviert kritisiert. Auch der Deutsche Anwaltverein und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein entsenden Prozessbeobachterinnen. Da die Türkei zwar täglich Thema in den Medien durch den Grenzkonflikt mit Syrien ist, aber das Großverfahren zu wenig Beachtung findet, wollen der Deutsche Anwaltverein (DAV), der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und Amnesty International (ai) mit einer Veranstaltung am Mittwoch, dem 24. Oktober 2012, um 19 Uhr (DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin) auf diese Bedrohung der betroffenen Berufsgruppen und des Bruchs der rechtsstaatlichen Grundsätze aufmerksam machen. Nach einer Rangliste der Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei im Bereich der Pressefreiheit den hinteren Rang 148 von 179. Eingeladen sind aus Istanbul der Rechtsanwalt Ercan Kanar und der Journalist Yıldırım Türker. Sie werden über den aktuellen Stand der Verfahren, die Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit und die gesellschaftlichen Auswirkungen berichten. Rechtsanwalt Ercan Kanar (geb. 1950) ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt u.a. in den Großverfahren gegen die Anwältinnen und Anwälte sowie die Journalistinnen und Journalisten und war lange Jahre Vorsitzender der Zweigstelle des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Istanbul. Yıldırım Türker (geb. 1957) ist Journalist, Autor, Dichter und Übersetzer von Theaterstücken in der Türkei. Er setzt sich seit Jahrzehnten für Presse- und Meinungsfreiheit ein und thematisiert in seinen Kolumnen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Die beiden Referenten stehen nach der Veranstaltung für Fragen zur Verfügung. Nach Absprache mit den Veranstaltern sind auch noch am Donnerstag, dem 25.10.2012, Interviews mit den Referenten möglich.
    Kontakt: Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, RAV, 030 - 54 71 67 72, vdbehrens@kottbusserdamm.net]]>
    Menschenrechte/Türkei (doublet)
    news-258 Tue, 02 Oct 2012 14:42:00 +0200 Freie Berufe in Gefahr - RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei hinter Gitter /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freie-berufe-in-gefahr-rechtsanwaeltinnen-und-journalistinnen-in-der-tuerkei-hinter-gitter-258 Veranstaltungshinweis, Berlin am 24.10.2012 Den von diesen Verfahren Betroffenen wird die Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) unterstellt. Dieser Vorwurf knüpft ausschließlich an Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsausübung an. Die Verfahren werden international als rein politisch motiviert kritisiert.
    Die Referenten werden über den aktuellen Stand der Verfahren, die Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit und die gesellschaftlichen Auswirkungen berichten. Zeit: Mittwoch, den 24. Oktober 2012 um 19:00 Uhr Ort: DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin (S-/ U-Bahnhof Alexanderplatz, U-Bahnhof Klosterstraße) Programm:
    19:00 Uhr   Begrüßung durch Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert
    Vorsitzender des DAV-Ausschusses Menschenrechte 19:15 Uhr   Berichte und Diskussion zu den aktuellen Verfahren gegen die RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei 20:30 Fragen aus dem Publikum 21:00 Uhr   Empfang Die Veranstaltung wird simultan gedolmetscht. Der Eintritt ist kostenlos. Wegen der begrenzten Platzkapazitäten wären wir für eine Anmeldung bis zum 19. Oktober 2012 dankbar
    Kontakt: straach@anwaltverein.de
    Fax: +49 (0)30 72 61 52 - 195 Referenten/Moderator: Ercan Kanar (geb. 1950) ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt u.a. in den sog. KCK-Verfahren gegen die RechtsanwältInnen und Journalistinnen und ist Mitbegründer der „Plattform für das Recht auf Verteidigung“. Außerdem vertritt er die von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen gegen den türkischen Staat.
    Von 1990-1998 war er Vorsitzender der Zweigstelle des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Istanbul, von 1992-1996 war er außerdem stellvertretender Vorsitzender des nationalen IHD. Er veröffentlicht in verschiedenen Fachzeitschriften zu rechts- und gesellschaftspolitischen Fragen. Yìldìrìm Türker (geb. 1957) ist Journalist, Autor, Dichter und  Übersetzer von Theaterstücken in der Türkei. Er war als Dramaturg beim Istanbuler Stadttheater tätig. Als Journalist baute er die linksliberale türkische Zeitung ‚Radikal‘ mit auf, die er in diesem Jahr nach 16 Jahren verlassen musste, da eine seiner Kolumnen von der Zeitung nicht veröffentlicht wurde.
    Yìldìrìm Türker setzt sich seit Jahrzehnten für Presse- und Meinungsfreiheit ein und thematisiert in seinen Kolumnen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.
    Am 13.10.2012 ist er Referent auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt und spricht zu „Pressefreiheit und Demokratie in der Türkei“. Wolfang Kaleck (geb. 1960) ist Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Rechtsanwalt in Berlin. Freie Berufe in Gefahr - RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei hinter Gitter (PDF) Anbei noch mal die Pressemitteilung des RAV vom 17.7.2012 zum Prozessauftakt im Großverfahren gegen türkische und kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
    Prozessauftakt im Großverfahren_PM zur Prozessbeobachtung  vom 17.7.12 (PDF)]]>
    news-257 Mon, 01 Oct 2012 06:09:00 +0200 Bürgerrechte im Internet schützen, nicht abbauen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechte-im-internet-schuetzen-nicht-abbauen-257 Gemeinsame Presseerklärung vom 30.9.12 Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Chaos
    Computer Club (CCC) lehnen die Vorschläge des Deutschen Juristentages
    zur Strafverfolgung im Internet ab. Am 21. September 2012 ging der Deutsche Juristentag mit der Präsentation
    seiner Beschlüsse zu Ende. Die Abteilung Strafrecht des Deutschen
    Juristentags fordert, zur Verfolgung bestimmter Straftaten im Internet
    »weiterreichende Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden
    (unter anderem Telekommunikationsüberwachung)« zu schaffen. Konkret
    werden insbesondere das »heimliche Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Quellen-Telekommunikationsüberwachung«, die Online-Durchsuchung, »spezielle Herausgabepflichten bzgl. Verkehrsdaten« und die Vorratsdatenspeicherung verlangt. Der Deutschen Juristentag fordert damit die Ausweitung heimlicher
    Überwachungsmaßnahmen, obwohl diese aus gutem Grunde von weiten Teilen der Öffentlichkeit als Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit des
    Bürgers skeptisch betrachtet werden. Bereits heute werden Verbindungs-
    und Standortdaten und die Identität von Telefon-, Mobiltelefon-, E-Mail-
    und Internetnutzern in Strafverfahren standardmäßig abgefragt. Die
    Bundesnetzagentur hat allein für das Jahr 2009 4,5 Mio.
    Auskunftsersuchen deutscher Sicherheitsbehörden ermittelt. Bei solchen
    Maßnahmen werden regelhaft Informationen über eine große Anzahl
    Unbeteiligter ohne deren Wissen erhoben und an die Polizei
    weitergegeben. Dabei beschränkt sich die Informationsauswertung nicht
    allein auf die schlichten Verbindungsdaten, sondern macht über die
    Begleitumstände der Kommunikation (Geodatenanalyse, Auswertung mobiler
    Transaktionen) auch Handlungen und Neigungen aus dem Privatleben sichtbar. Der Schutz dieser Daten vor dem Zugriff des Staates wird umso
    bedeutsamer, je mehr alle privaten Lebensbereiche von digitalen
    Kommunikationsmedien und Mobilfunknetzen abhängen. Die Freiheit,
    unbeobachtet zu kommunizieren, muss daher in Zukunft besser geschützt
    und nicht etwa abgebaut werden. Wissenschaftliche Untersuchungen in
    jüngerer Zeit stellen den Nutzen beispielsweise der Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten ohnehin in Frage. Erst dieser Tage musste der Bundesdatenschutzbeauftragte erneut darauf hinweisen, dass Telekommunikationsunternehmen weiterhin in großem Umfang persönliche
    Daten von Kunden speicherten, die weit über das hinausgehen, was zur
    Abrechnung der Verbindungen erforderlich und zulässig wäre. Abzulehnen ist auch die von dem Deutschen Juristentag geforderte
    Einführung der Online-Durchsuchung zur Strafverfolgung. Es ist in diesem
    Zusammenhang daran zu erinnern, dass das erst im letzten Jahr durch den
    Chaos Computer Club aufgedeckte Problem, dass die von den Behörden in
    Deutschland verwandten Trojaner-Software nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen konnte, weiterhin ungelöst ist. Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, der
    Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein und der Chaos Computer
    Club lehnen diese Beschlüsse des Deutschen Juristentages deshalb ab. Sie
    weisen schließlich darauf hin, dass der Deutsche Juristentag als
    privater Verein nicht die Juristinnen und Juristen in Deutschland
    repräsentiert. In der Abteilung Strafrecht haben nur ca. 80 Teilnehmende
    abgestimmt. Für Rückfragen stehen zur Verfügung:
    Dipl. Inf. Constanze Kurz, Sprecherin des CCC, mailto:
    Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Vorstandsmitglied im RAV, Tel.: 030 44679224
    Rechtsanwalt Jasper von Schlieffen, Geschäftsführer des
    Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Tel.: 030 3101820 Berlin, 30.09.2012 Pressemitteilung: Bürgerrechte im Internet schützen, nicht abbauen (PDF)]]>
    Überwachung Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-255 Fri, 21 Sep 2012 15:03:00 +0200 RAV-Stellungnahme zum Entwurf des Jahressteuergesetz 2013 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-stellungnahme-zum-entwurf-des-jahressteuergesetz-2013-255 Anhörung am 26.9.2012 - Drucksache 17/10000 -
    Schriftliche Stellungnahme Hier:
    1. Änderung § 51 Abs. 3 S. 2 AO (Art. 10 Nr. 3)
    2. Steuerbefreiung von Bildungsleistungen (Art. 9 Nr. 2b) I. Änderung von § 51 Abs. 3 S. 2 AO Die vorgeschlagene Änderung der Abgabenordnung zielt auf eine steuerrechtliche Tatbestandswirkung bestimmter öffentlicher Äußerungen von Verfassungsschutzämtern und soll den Rechtsstreit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Voraussetzungen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit von den Finanzgerichten auf die Verwaltungsgerichte verlagern. Verfassungsschutzberichte erlangten dadurch faktisch die Wirkung eines Bescheides bei der Steuerveranlagung (Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 302/12 (Beschluss), S. 105). Die Vorschrift läge quer zu dem bestehenden § 51 Abs. 3 S. 1 AO und seiner Einbindung in das Besteuerungsverfahren, ohne dass bei den Verfassungsschutzämter eine adäquate Verfahrensregelung bestünde oder gar die rechtsstaatlich gebotene Anhörung der Betroffenen implementiert wäre. Ebenso wenig stiftet der Gesetzentwurf Klarheit über den Extremismusbegriff, den die Verfassungsschutzämter verwenden. Die Vorschrift würde im Ergebnis sowohl aus sachlichen als auch verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu einer Verringerung des Aufkommens an Rechtsstreitigkeiten führen. Im Einzelnen: 1. Extremismusbegriff, die Aufgaben der Verfassungsschutzämter und die Gemeinnützigkeit im Steuerrecht a.) Extremismus: Berechenbarkeit, Bestimmtheit und Zuverlässigkeit nachrichtendienstlicher Bewertungen „Extremismus“ ist kein Rechtsbegriff, sondern eine von den Verfassungsschutzämtern zu einem gewissen Grad abgestimmte Formel, mit der Bewertungen auf verschiedenen Wertungsebenen bezeichnet werden. Eine konsistente und für die Betroffenen berechenbare Praxis besteht nicht. Weder durch Bundesrecht, noch durch Landesrecht ist abschließend und normativ klar geregelt, wann und weshalb eine Organisation als extremistisch bezeichnet werden soll und wann nicht. Es besteht auch keine bundesrechtliche Verpflichtung der Länder, bestehende Sprachregelungen dauerhaft einzuhalten (vergl. auch BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 -, Abs. Nr. 62 zur Gestaltungsfreiheit der Landesgesetzgeber). Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder bedienen sich daher auch nicht einer vereinheitlichten Herangehensweise, noch erheben sie Anspruch auf Vollständigkeit (für das BfV: Verfassungsschutzbericht 2011, Vorabfassung S. 15). Wortwahl, Prioritätensetzung, aber auch inhaltliche Kriterien differieren zwischen den Verfassungsschutzberichten des Bundes und einzelner Bundesländer (BR-Drs. 302/12 (Beschluss), S. 105). So wird etwa zwischen Vorfeld-, Neben- oder sonst in ihrem Verhältnis zu einer Hauptorganisation stehenden Organisationen unterschieden, wird zwischen radikal, extrem und extremistisch differenziert und werden Beobachtungsobjekte nicht trennscharf bewertet. Bezüglich mancher Bestrebungen fallen Verfassungsschutzberichte in ihrem Umfang geradezu enzyklopädisch aus, während andere Erscheinungen, aus welchen Gründen auch immer, nur eine oberflächliche Erwähnung finden. Daher ist es konsequent, wenn das Bundesverfassungsgericht der „Extremismus“- Formel keinen Inhalt entnehmen kann, der hinreichend bestimmt wäre, um ein Verbot daran zu knüpfen: Ob eine Äußerung als extremistisch (oder radikal, extrem usw.) bezeichnet wird, ist eine Frage des politischen Meinungskampfs und der gesellschaftliche Auseinandersetzung. Das Extremismus- Verständnis ist dabei im Wesentlichen abhängig von sich verändernden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen (BVerfG, B.V. 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08 -, Abs. Nr. 20). Anders als der steuerrechtliche Tatbestand der Gemeinnützigkeit (§ 52 Abs. 1 AO) oder etwa vereinsrechtliche Verbotsgründe ist mithin Extremismus eine politische Kategorie ohne Eignung als Rechtskriterium (BVerfG, B.v. 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08 -, Abs. Nr. 20). Seine Verwendung mag, was hier nicht vordringlich zu erörtern ist, den Verfassungsschutzämtern in gewissen Grenzen in der Öffentlichkeitsarbeit freistehen, ist aber für einschneidende steuerrechtliche Folgen nicht geeignet. Die in der Sache politische, funktional auf die staatliche Beteiligung am öffentlichen Meinungsstreit gerichtete Formel vom Extremismus weist nicht die Klarheit und Berechenbarkeit auf, welche von einem gesetzlichen Eingriffstatbestand auch im Steuerrecht zu erwarten ist. Sie ist auch nicht darauf angelegt. Es ist schließlich auch an dieser Stelle daran zu erinnern, dass die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder gegenwärtig eine der ernsthaftesten Krisen seit ihrer Gründung zu bewältigen haben. Diese Krise hat ihren Ausgangspunkt unter anderem in – soweit bisher ersichtlich – hausgemachten Qualitätsmängeln bei der Aufgabenerfüllung und setzt sich fort in nicht mehr nachvollziehbaren Versuchen, eine effektive Überprüfung dieser Mängel zu vereiteln. Es liegt auf der Hand, dass Beurteilungen der Verfassungsschutzämter, welche die von dem Gesetzentwurf vorgesehenen einschneidenden Konsequenzen nach sich ziehen sollen, mit denselben Qualitätsproblemen belastet sein können. Ohne eine Neujustierung der nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung auch und gerade bei der Beurteilung von Beobachtungsobjekten wäre ein Eingriff in die zivilgesellschaftlichen Verhältnisse nicht hinzunehmen. Es wäre zugleich, angesichts der gegenwärtigen Vertrauenskrise in die Arbeit der Sicherheitsbehörden, auch das falsche politische Signal gesetzt.

    b.) Extremismus und Gemeinnützigkeit – ein zwingender Widerspruch? Es ist nicht ersichtlich, dass jede Beschreibung einer Organisation als extremistisch auch die Voraussetzung des Verlusts steuerrechtlicher Vorteile belegt. Der Extremismus-Begriff in der Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter ist nicht zwingend an gewaltsame oder sonst umstürzlerische Aktivitäten gebunden, wie sie die Wertungen des Steuerrechts bestimmen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs soll von der Gemeinnützigkeit i.S. § 52 Abs. 1 AO ausgeschlossen bleiben, wer die Werteordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog zum Ausdruck kommt, in Frage stellt (BFH, U.v. 11.04.2011 – RN 16 m.w.N.). Anerkanntermaßen verstößt gewaltfreies Handeln demgegenüber auch dann, wenn es illegal ist, grundsätzlich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung (AEAO Nr. 16 zu § 52 in der Fassung bis zum 17.01.2012, unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 10.01.1995 – 1 BvR 718/89 – u.a. = NJW 1995, 1141). Die Besteuerungspraxis prüft zudem, ob der Entzug des Status der Gemeinnützigkeit auch in einem angemessenen Verhältnis zu den konkret gegen eine Körperschaft feststellbaren Beanstandungen steht. Demgegenüber fokussiert die Aufgabenstellung der Verfassungsschutzämter mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die institutionellen Aspekte des Staatsschutzes, während der Schutz der Grundrechte nur eine untergeordnete Rolle einnimmt (s. § 4 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1 BVerfSchG und vorhergehend BVerfGE 2, 1 (12)). Nach den Erwägungen des Ausschusses im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 soll die neue Regelung – diese Orientierung fortschreibend - diejenigen Vereine von der Anerkennung als gemeinnützig ausschließen, „deren Zweck oder Tätigkeit namentlich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen geeignet“ sind (BT-Drs. 16/11108, S. 45). Ein der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gegenübergestellter Extremismus-Begriff setzt auch eine Wahl gewaltsamer Mittel oder sonst einen Gewaltbezug der betroffenen Organisationen nicht voraus, so dass auch gewaltfreie Betätigung als extremistisch gelten kann (so nunmehr auch AEAO zu § 53 Nr. 9). Verhältnismäßigkeitserwägungen sind dem Berichtswesen der Verfassungsschutzämter ebenso wie dem Extremismus-Begriff ebenfalls fremd. Indem der Gesetzentwurf die Feststellung eines Versagungsgrundes in die Hände der Verfassungsschutzämter gibt, würden mithin letztlich neue Kriterien für einen Ausschluss von der Gemeinnützigkeit eingeführt. Die Besteuerungspraxis hat eine Auslegung und Anwendung von Gemeinnützigkeitskriterien entwickelt, welche zum Schutz der Grundwerte der Bundesrepublik ausreichend und angemessen erscheinen. Der weitere Import nachrichtendienstlicher Wertungen in das Steuerrecht ist daher abzulehnen.

    c.) Maßgebliche Bezugspunkte im Steuerrecht und im Nachrichtendienstrecht  Auch die Bezugspunkte von Besteuerung und Extremismusbekämpfung sind nicht aufeinander abgestimmt. Nachrichtendienstliche Bewertungen im Sinne von § 53 Abs. 3 S. 2 AO ermöglichen daher keinen sicheren Rückschluss auf die steuerrechtlich relevanten Verhältnisse einer betroffenen Körperschaft: Formal knüpfen die Inlandsgeheimdienste im Hinblick auf mutmaßlich verfassungsfeindliche Bestrebungen daran an, dass ein oder mehrere Personen für oder im Interesse eines Personenzusammenschlusses handeln. Für eine Körperschaft im steuerrechtlichen Sinne handelt daher aus nachrichtendienstlicher Sicht (auch), wer – ohne Mitglied oder sonst verbunden zu sein – diesen in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (§ 4 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG). Diese niedrige, nur vor dem Hintergrund der spezifischen nachrichtendienstlichen Aufgabenbestimmungen der Verfassungsschutzämter im Vorfeld von verfassungsfeindlichen Aktivitäten zu erklärende Eingriffsschwelle der Inlandsgeheimdienste ist nicht mit den steuerrechtlichen Anknüpfungsgesichtspunkten für die Gemeinnützigkeit von Körperschaften zu vereinbaren. Trotz der Verknüpfung von Satzungslage und tatsächlicher Geschäftsführung schien der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2009 zwar davon auszugehen, dass sich Ausschlusskriterien schon allein aus dem Verhalten der Vereinsmitglieder ergeben können (BT-Drs. 16/10189, S. 79). Es soll sich dabei um die bis dato gepflegte Verwaltungspraxis handeln (BT-Drs. 16/11108, S. 45, vergl. auch AEAO Nr. 16 zu § 52 in der Fassung bis zum 17.01.2012), was allerdings mit der geltenden Gesetzeslage nicht zu vereinbaren ist: So verliert gem. § 51 Abs. 3 S. 1 AO den Status der Gemeinnützigkeit, wer verfassungsfeindliche Bestrebungen nach der Satzung und bei der tatsächlichen Geschäftsführung fördert. Das steuerrechtliche Verdikt des Verlusts der Gemeinnützigkeit ist mithin im geltenden Recht eng an die – auch vereinsrechtlichen Schranken unterworfene – Satzungslage und Geschäftsführung einer Körperschaft gebunden. Dies ist im Hinblick auf die spezifische steuerrechtliche Inpflichtnahme der Organe einer Körperschaft auch sinnvoll. Begleiterscheinungen, welche von der Geschäftsführung nicht ohne Weiteres beherrscht werden können und/oder finanziell nicht der Körperschaft zugerechnet werden können, sollten daher auch weiterhin nicht zu entscheidenden Kriterien werden. Vor satzungsfremder Mittelverwendung schützt im Übrigen auch das geltende Steuerrecht wirksam.
    d.) Folgen des Regelungsvorschlags für die Rechtsanwendung Zwar trägt grundsätzlich die betroffene Körperschaft die objektive Feststellungslast für die Tatsachen, aus denen sich die Gemeinnützigkeit ergibt. Zu Recht hat der Bundesfinanzhof aber mittlerweile festgehalten, dass es grundsätzlich Sache der (Finanz-)Verwaltung ist, diejenigen Tatsachen zu ermitteln und darzulegen, aus denen sich Negativkriterien für eine Gemeinnützigkeit ergeben (BFH, U.v. 11.04.2012 – I R 11/11 – Abs. Nr. 18). Denn ein Negativ-Beweis kann auch von einer steuerlich begünstigten Körperschaft nicht erwartet werden. Kann bisher die Rechtsanwendung wegen der Widerleglichkeit einer Vermutung für das Erfüllen von Ausschlusstatbeständen in § 51 Abs. 3 S. 2 AO auf die nachrichtendienstrechtlichen Besonderheiten der Zurechnung organisationsfremden Handelns noch Rücksicht nehmen und erfolgen im Regelfall Ermittlungen durch die zur Beurteilung von steuerrechtlichen Tatbeständen berufenen Finanzverwaltung, soll dieser nunmehr die Entscheidung über originär steuerrechtliche Rechtsfolgen genommen werden. Eine Tatbestandswirkung von Wertungen der Verfassungsschutzämter läge damit quer zur Systematik nicht nur des Steuerrechts, sondern auch zum darauf ebenfalls nicht vorbereiteten Recht der Nachrichtendienste. Bemerkenswert ist ferner, dass trotz der uneinheitlichen Praxis in den Bundesländern eine gleichsam Meistbenachteiligung von gemeinnützigen Körperschaften stattfinden soll. So soll auch der Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes, in dem eine Körperschaft nicht ihren steuerlichen oder sonstigen Sitz hat, den Gemeinnützigkeitsstatus vernichten können. Auf die bei dem zuständigen Finanzamt vorhandenen Erkenntnisse und Besteuerungspraxis käme es dabei nicht an, vielmehr würde sich automatisch die maximal negative Feststellung in einem beliebigen Verfassungsschutzbericht durchsetzen. Gegebenenfalls würde eine Finanzbehörde, welche amtswegig ermittelt und die betroffene Körperschaft angehört hat, wider besseres Wissen nur aufgrund gegenteiliger Auffassung einer ortsfremden Verfassungsschutzbehörde die Gemeinnützigkeit absprechen müssen. Die Bandbreite des Extremismus-Begriffs stellt ferner die Steuergerechtigkeit in Frage: wo es keinen normativ klaren Ausschlusstatbestand gibt, würde eine Orientierung an der Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter automatisch zu einer willkürlichen, potentiell ungleichen Besteuerung führen. Dieser Befund gibt zudem Anlass für den Hinweis, dass die geltende Fassung von § 51 Abs. 3 S. 2 AO (Regelvermutung für Verlust der Gemeinnützigkeit) nach der aktuellen Weisungslage bereits dann Anwendung finden soll, wenn „es nach einem Verfassungsschutzbericht zumindest belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistisch gibt“ (AEAO Nr. 10 zu § 51). Weder aber sehen sich die Verfassungsschutzbehörden bislang in den Verfassungsschutzberichten veranlasst, verbindlich Auskunft darüber zu geben, ob ihre Behauptungen belegbar sind, noch darf die Vorschrift überhaupt auf Verdachtsfälle von Extremismus angewandt werden.
    2. Evaluation von § 51 Abs. 3 AO und praktisches Bedürfnis nach einer Gesetzesänderung Obgleich die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 gewisse Praktikabilitätsmängel bei dem geltenden § 51 Abs. 3 S. 2 AO annimmt, sind relevante Streitfälle kaum bekannt geworden. Soweit ersichtlich wurde der Bundesfinanzhof nur in einem einzigen Fall mit Fragen der Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen angenommener extremistischer Bestrebungen befasst (BFH, U.v. 11.04.2012 – I R 11/11). Eine Evaluation der Anwendungspraxis seit dem Jahressteuergesetz 2009 hat nicht stattgefunden (Antwort der Bundesregierung, Drs 17/10291, S. 3). Der Bundesregierung sind auch keine Fälle einer Anwendung von § 51 Abs. 3 AO bekannt (Antwort der Bundesregierung, Drs 17/10291, S. 3). Dass ein praktisches Bedürfnis nach einer Entlastung der Finanzämter und -gerichte bestehen soll, ist mithin empirisch nicht belegt. Weder ein Systembruch im Steuerrecht, noch die Aufwertung nachrichtendienstlicher Bewertungen trotz eindrucksvoll belegter Qualitätsmängel sollten ohne Not erfolgten. Solange keine nachgewiesenen, quantitativ relevanten und sicher auf Defizite der bisherigen Regelung zurückzuführenden Probleme bewältigt werden können, sind die Risiken und Nebenwirkungen der vorgeschlagenen Neuregelung nicht zu rechtfertigen.
    3. Entlastung der Gerichte?
    Dass der angestrebte Entlastungseffekt für die Finanzgerichte eintreten kann, erscheint angesichts des konkreten Entwurfswortlauts ebenfalls unwahrscheinlich: Für den Fall, dass aus Sicht der Finanzverwaltung die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 S. 2 AO n.F. vorliegen sollen, sind dementsprechende Bescheide auch nach dem zukünftigen Rechtszustand zwingend anzugreifen, um ihre Bestandskraft zu vermeiden. Die Finanzgerichte werden sich zudem in den Fällen, in denen in eine bestehende Gemeinnützigkeit eingegriffen wird, mit gleichgerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren gem. §§ 69 ff FGO zu befassen haben. Die Finanzgerichte können diesem Verfahrensaufkommen nur unvollkommen begegnen und allenfalls die anhängig gemachten Hauptsacheverfahren gem. § 79a FGO aussetzen und – voraussichtlich jahrelang – die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte abwarten. In dieser Zeit besteht ein von der Finanzverwaltung und –gerichtsbarkeit nicht weiter auflösbarer Schwebezustand in Besteuerungsverfahren. Eine verfahrensrechtliche Begleitregelung (für eine solche: Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 302/12 (Beschluss), S. 105), welche die konzeptionellen Probleme der von dem Gesetzentwurf angestrebten Lösung aufheben könnte, ist nicht ersichtlich (vergl. schon AEAO zu § 53 Nr.10, welcher mit dem Hinweis auf § 173 Abs. 1 S. 1 AO das verfahrensrechtliche Arsenal des Steuerrechts schon ausschöpfen dürfte). Auch an anderer Stelle ist mit einem Ansteigen von Prozessaktivitäten zu rechnen: Es liegt auf der Hand, dass ein gleichsam automatischer Entzug der Gemeinnützigkeit die Betroffenen überraschend und existenziell treffen kann. Spendenausfälle dürften in jedem Fall entzogener Gemeinnützigkeit die für die Betroffenen unausweichliche und auch im Nachhinein nicht wieder zu heilende Folge sein. Die dadurch ggf. ausgelösten Schadensersatzansprüche gegen den Fiskus werden ebenfalls die Gerichte belasten. Sie dürften insbesondere auch in ihrer Summe die möglichen Steuermehreinnahmen bei Weitem übersteigen.
    4. Entgegenstehendes Verfassungsrecht Eine Tatbestandswirkung der Bezeichnung einer Körperschaft als extremistisch in einem Verfassungsschutzbericht trifft zudem auf eine Anzahl von durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken: a) Keine gesetzliche Regelung der Verfassungsschutzberichte trotz erheblicher Grundrechtseingriffe Auch für Eingriffe in bestehende steuerrechtliche Vergünstigungen bedürfte es, zumal weil mit der Feststellung des Erlöschens bzw. Nichtbestehens der Gemeinnützigkeit trotz Vorliegens der Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AO eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Körperschaften einhergeht, einer präzisen, normativ klaren gesetzlichen Grundlage. Diese besteht – wie gezeigt - nicht. Die bestehenden Defizite werden auch nicht durch eine verlässliche Rechtsprechung ausgeglichen. Die Rechtsprechung zu der Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter erschöpft sich bislang in einer Abwägung zwischen der Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsschutzämter einerseits und der Meinungsfreiheit gewisser betroffener Presseorgane andererseits und hat einige allgemeine Qualitätskriterien an Verfassungsschutzberichte formuliert (s. insb. BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 -, Abs. Nr. 71 ff., 83). Der mit der Neuregelung eintretende Zustand könnte verfassungsrechtlich auch deshalb keinen Bestand haben, weil er die Grundrechtsrelevanz steuerrechtlicher Nachteile übergeht. Die Auswirkungen der angestrebten Regelung gehen dabei über die typischerweise durch Besteuerung betroffenen Grundrechte - Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) – hinaus und betreffen auch Grundrechte, deren Gebrauch – wie bei der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) - für eine Demokratie von elementarer Bedeutung sind. Soweit eine Körperschaft sich lediglich durch Beteiligung am gesellschaftlichen Meinungskampf betätigt, es insbesondere an einer Wahl gewalttätiger Mittel fehlt, greift ein Verfassungsschutzbericht und griffe eine daran orientierte steuerrechtliche Folge insbesondere in die Meinungsfreiheit der Betroffenen ein (s. nur BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 – Abs. Nr. 56). Dabei ist daran zu erinnern, dass eine als extremistisch bezeichnete Organisation nicht zugleich auch durch strafbare Äußerungen oder Handlungen oder auch nur durch eine Überschreitung der gesetzlichen Schranken der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 2 GG) hervorgetreten sein muss. Werden für eine Körperschaft durch nachrichtendienstliche Bewertung unmittelbare Rechtsfolgen erzeugt, stellt sich auch die Frage der gesetzlichen Schranken der Meinungsfreiheit und des Zensurverbots (Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG; zum Sanktionscharakter von Verfassungsschutzberichten BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 -, Abs. Nr. 71 ff.).
    b) Verfahrensrechtliche Defizite Das Berichtswesen der Verfassungsschutzämter ist bis heute ersichtlich nicht auf die ihm nach dem Entwurf zukünftig zufallende Rolle vorbereitet. Es ist auch die Anwendung des Extremismus-Begriffs bislang nicht von transparenten Verfahren abhängig. Das Verhältnis eines Verfassungsschutzberichts zu einem bestehenden Feststellungsbescheid wird auch von der Entwurfsbegründung und der Übergangsregel des Gesetzentwurfs bislang nicht erläutert, so dass die besteuerungsverfahrensrechtlichen Folgen des Entwurfs gerade im Hinblick auf bestehende und bestandskräftige steuerrechtliche Vergünstigungen ungeklärt sind (vergl. zum geltenden Recht AEAO zu § 53 Nr.10, welcher sich nicht ohne Weiteres für den neuen Rechtszustand fortschreiben ließe). Nach geltendem Recht findet vor Veröffentlichung eines Verfassungsschutzberichts keine Anhörung der Betroffenen statt. Dies mag (noch) mit der Nicht-Förmlichkeit des Berichtswesens entschuldigt werden (eine Anhörung der Betroffenen erwägt im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz schon das Bundesverfassungsgericht, B.v. 26.06.2002 – 1 BvR 558/91 – u.a. = NJW 2002, 2621, 2624). Realakte, denen kraft Gesetz eine unmittelbare Tatbestandswirkung zukommen soll, können aber nicht (mehr) in einer Sphäre mit gleichsam gelockerter Rechts- und Verfahrensbindung verortet werden. Verfahrensrechtliche Mindestanforderungen ergeben sich ggf. unmittelbar aus den betroffenen Grundrechten. Dies sind je nach Lage des Falles etwa die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG). Eine Feststellung der Gemeinnützigkeit löst darüber hinaus Vertrauenstatbestände aus, deren Durchbrechung – zumal ohne vorherige Anhörung und ggf. überraschend – ebenfalls in eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes münden kann. Es ist sichere verfassungsrechtliche Erkenntnis, dass Realakte, wenn sie in Grundrechte eingreifen, nicht in einer gleichsam verfassungsfreien Sphäre erfolgen. Dies gilt auch für die Verfahrensweise. Jede staatliche Maßnahme mit – und sei es vermittelter – rechtsgestaltender Wirkung bedarf mithin nicht nur einer klaren gesetzlichen Grundlage, sondern auch der vorherigen Anhörung der Betroffenen, wenn nicht elementare verfahrensrechtliche Grundsätze verletzt werden sollen. So tendiert die rechtswissenschaftliche Literatur seit geraumer Zeit dazu, an Realakte verfahrensrechtliche Mindestanforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn für die handelnden Behörden sicher erkennbar ist, dass die beabsichtigten Maßnahmen in Rechtspositionen von Grundrechtsträgern eingreifen. Den Verfassungsschutzberichten würde bei Umsetzung des Gesetzentwurfs zukünftig sogar praktisch Regelungscharakter, nämlich mit Präjudizwirkung für die Besteuerung, zufallen. Danach wäre eine verfahrensrechtliche Vorbereitung unerlässlich: Es ist schließlich daran zu erinnern, dass der Europäische Gerichtshof zuletzt mit Urteil vom 29.06.2010 – Rs. C-550/09 – festgehalten hat, dass unter Verstoß gegen elementare Mitwirkungs- und sonstige Verfahrensrechte der Betroffenen erlassener Terrorismus-Listen der Europäischen Union keinen – dort: strafrechtlichen – unmittelbaren Tatbestandswirkung entfalten dürfen. Nicht anders liegen die Dinge, wenn die für eine Körperschaft überraschende und mit allenfalls belangloser Begründung erfolgte Bezeichnung als extremistisch für den Erhalt oder die Gewährung einer steuerrechtlichen Vergünstigung entscheidend sein soll.
    5. Fazit Die vorgeschlagene Änderung ist insgesamt abzulehnen. Sie gibt zugleich Anlass, den bestehenden § 51 Abs. 3 S. 2 AO einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
    II.   Steuerbefreiung von Bildungsleistungen (Art. 9 Nr. 2b) Die geplante Neuregelung trifft jene Träger von Bildungsleistungen, welche nach ihrem Satzungszweck und ihrer Bildungspraxis vornehmlich bestimmte Berufsträger ansprechen. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. beispielsweise bildet mit seinem umfangreichen Fortbildungsprogramm vorwiegend Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus und fort, unter diesen viele Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger. Eine mit der geplanten Neuregelung zwangsläufig verbundene Verteuerung dieser Fortbildungsaktivitäten für die Bildungswilligen oder eine Einschränkung der Bandbreite des Fortbildungsprogramms der Berufsverbände und –vereine soll, wie auch die Gesetzesbegründung hervorhebt, nicht ernsthaft gewollte Folge der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben sein. Die geplante Neuregelung ist daher abzulehnen. Wegen der Einzelheiten und insbesondere der sachdienlichen Beschränkung einer sozialpolitisch motivierten Steuerbefreiung nehme ich auf die Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverband e.V. zum Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes vom 30.03.2012 Bezug. Stellungnahme des RAV als PDF zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Jahrssteuergesetzes 2013"  ]]>
    news-252 Thu, 06 Sep 2012 15:00:00 +0200 Pressemitteilung zum Antifacamp in Dortmund /publikationen/mitteilungen/mitteilung/pressemitteilung-zum-antifacamp-in-dortmund-252 Pressemitteilung vom 6.9.12 Mehrere Anwältinnen und Anwälte des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) unterstützten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Antifacamps als Legal-Team. „Die vergangenen zehn Tage waren geprägt von einer Versammlungsbehörde, die das Camp um jeden Preis verunmöglichen wollte. Mehrfach wurde die Begründung für das faktische Verbot ausgetauscht: Zunächst war von 300 gewaltbereiten Autonomen die Rede. Als die Demonstrationen friedlich blieben, behauptete die Versammlungsbehörde dem Camp ginge es nicht um Meinungskundgabe sondern lediglich um billige Schlafplätze für die Demonstration am 01. September. Schließlich war von einem polizeilichen Notstand die Rede. Mit Blick auf die tatsächlich massive Polizeipräsenz war auch dies wenig glaubhaft. Letztlich hatte die Behörde keinen schlüssigen Grund für das faktische Verbot des Camps, die Eingriffe in die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit erfolgten rechtswidrig“, äußerte sich Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Daniel Werner am letzten Tag des Antifacamps. Der Stadtteil Dortmund Dorstfeld wird von aggressiv und gewalttätig auftretenden Neonazis als sogenannte „national befreite Zone“ bezeichnet. Unter dem Motto „In Dorstfeld schlafen nicht nur Nazis – Antifacamp Dortmund“ sollte an zehn Tagen im Stadtteil eine Dauerkundgebung mit vielfältigen Redebeiträgen, Bildungsveranstaltungen, Konzerten und Stadtrundgängen durchgeführt werden. Unter anderem fand eine Gesprächsrunde mit den Angehörigen von Mehmet Kubasik, dem Opfer des Dortmunder NSU-Mordes vom 04. April 2006, statt. „Mit dem Camp wollten wir auf Nazistrukturen aufmerksam machen, zivilgesellschaftliche Gegenstrategien entwickeln und mit einer dauerhafte Präsenz über zehn Tage hinweg einen nicht nur vorübergehenden Umschwung im Klima des Stadtteils erzeugen“, so Anna Potzetzki, die Pressesprecherin des Antifacamps. Nach dem faktischen Verbot durch die Versammlungsbehörde blieb auch ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erfolglos. Das Gericht folgte mit Beschluss vom 29. August 2012 (Az.: 14 L 1050/12) der Ansicht der Behörde, dass es sich bei dem Camp nicht um eine Versammlung oder Meinungskundgabe handle, sondern „dass mit Hilfe des Antifacamps im Wesentlichen lediglich die Schaffung von kosten- bzw. logistisch günstigen Schlafplätzen erstrebt wird.“ Hierzu Rechtsanwalt Werner: „Es ist skandalös, dass dem Camp und den untrennbar dazugehörigen Veranstaltungen, zB der Gesprächsrunde mit Angehörigen von Mehmet Kubasik, der Charakter einer Meinungskundgabe abgesprochen wird. Die Betroffenen werden hierdurch ein weiteres Mal stigmatisiert.“ Zurzeit erwägen die Organisatoren und Organisatorinnen des Antifacamps das faktische Verbot im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Daniel Werner telefonisch zur Verfügung (Tel.: 0151-16 93 45 35). Berlin, 6.9.2012 Pressemitteilung des RAV zum bundesdeutschen Antifacamp Dortmund (PDF)]]> Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-243 Tue, 17 Jul 2012 15:09:00 +0200 Prozessauftakt im Großverfahren gegen türkische und kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Prozessbeobachtung durch den RAV /publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozessauftakt-im-grossverfahren-gegen-tuerkische-und-kurdische-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-prozessbeobachtung-durch-den-rav-243 Pressemitteilung vom 17.7.12 Sämtlich der angeklagten Rechtsanwältinnen und -anwälte sind bzw. waren in den Jahren 2010 und 2011 Verteidiger von Abdullah Öcalan und haben ihn im Gefängnis auf der Insel Imrali besucht. Sie werden beschuldigt, Mitglied in einer illegalen, terroristischen Organisation, der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK)1 zu sein und geheime Informationen aus den Anwaltsgesprächen mit Öcalan weitergegeben zu haben. Das Verfahren basiert auf koordinierten Razzien der Anwaltsbüros in der gesamten Türkei und einer Massenfestnahme von Anwältinnen und Anwälten am 22. November 2011. 36 Kolleginnen und Kollegen befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. „Dieses Verfahren ist einmalig in der türkischen Geschichte. Selbst in Zeiten schwerster Repression gegen politische Oppositionelle nach Militärputschen und in den 1990er Jahren hat es keine vergleichbare Einschüchterung von Anwältinnen und Anwälten gegeben“, so Rechtsanwältin von der Behrens, die das Verfahren für den RAV in Istanbul beobachtet. Schon zu Prozessauftakt zeigte sich die türkische Justiz nicht in der Lage, den angeklagten Anwältinnen und Anwälten auch nur formal ein rechtsstaatliches Verfahren zu ermöglichen: „Der Verhandlungssaal war viel zu klein, so dass nicht alle Verteidigerinnen und Verteidiger, die sich für die angeklagten Kolleginnen und Kollegen gemeldet hatten, im Sitzungsaal Platz fanden; einige mussten im Zuschauerraum Platz nehmen, anderen gelang es nicht einmal, in den Sitzungsaal zu gelangen“, berichtet Rechtsanwältin von der Behrens. In einem opening statement legte der angeklagte Anwalt Dogan Erbas zu Beginn der Hauptverhandlung dar, dass bereits die Eröffnung des Verfahrens rechtsfehlerhaft sei, da eine nach türkischem Recht erforderliche Genehmigung von Strafverfahren gegen Rechtsanwälte nicht eingeholt wurde. Weiter führte er aus, dass das Verfahren einen rein politischen und keinen strafrechtlichen Hintergrund habe: Für Öcalan sei es faktisch unmöglich gewesen, geheime Nachrichten über seine Verteidiger_innen zu übermitteln, da sämtliche Anwaltsgespräche von Öcalan überwacht, auf Video aufgezeichnet und die Notizen der Verteidigung kopiert wurden. Durch diese Totalüberwachung der Verteidigung sei es unmöglich, Informationen ohne das Wissen der türkischen Behörden zu erhalten. Der RAV ist in großer Sorge angesichts der zu Tage getretenen massiven Einschränkung von Verteidigungsrechten und fordert die umgehende Freilassung der inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. Nur wenn Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf ohne Angst vor Repression ausüben können sind sie im Stande, ihre Mandantinnen und Mandanten effektiv zu verteidigen. Die Folgen der Einschüchterung von Anwältinnen und Anwälten in der Türkei werden bereits jetzt sichtbar: Immer weniger Kolleginnen und Kollegen sind bereit, angesichts drohender strafrechtlicher Verfolgung Mandanten in politischen Strafverfahren zu vertreten. Berlin, 17.7.2012 --- 1 KCK = Koma Civakên Kurdistan (Union der Gemeinschaften Kurdistans), gegründet 2005 und für die türkischen Sicherheitskräfte identisch mit der PKK. Seit dem Jahr 2008 gab es eine Vielzahl von Verfahren wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der KCK u.a. gegen kurdische Parlamentarier, Bürgermeister, Journalisten, Gewerkschafter und Mitglieder der Partei BDP. Pressemitteilung PDF: Prozessauftakt im Großverfahren gegen türkische und kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Prozessbeobachtung durch den RAV  ]]> Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-242 Wed, 27 Jun 2012 18:20:00 +0200 Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsschutz-und-gemeinnuetzigkeit-zivilgesellschaftlicher-organisationen-242 Offener Brief vom 26.6.2012 Mit dem vorgelegten Gesetz will die Bundesregierung die Abgabenordnung (AO) so ändern, dass Organisationen, die in einem Verfassungsschutzbericht im Zusammenhang mit Extremismus genannt werden, die Gemeinnützigkeit ohne Prüfung entzogen wird (§ 51,Absatz 3, AO). ----
    Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundestags, am 28. Juni wird das Jahressteuergesetz 2013 in erster Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert. In diesem Zusammenhang möchten wir, verschiedene als gemeinnützig anerkannte und bundesweit arbeitende Nichtregierungsorganisationen, Sie auf eine Klausel in der Abgabenordnung (AO) aufmerksam machen, die durch das vorgelegte Gesetz geändert werden soll. Diese neue Klausel würde dem Verfassungsschutz ermöglichen, ohne Anhörung der Betroffenen, faktisch über den Fortbestand und die Existenz einzelner gemeinnütziger Organisationen zu entscheiden (§ 51 Abs. 3 AO). Dies würde eklatant gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Wir rufen Sie dazu auf, Ihre Stimme dem Gesetzesvorhaben zu verwehren und sich darüber hinaus für die ersatzlose Streichung des § 51 Abs. 3 AO einzusetzen! Erläuterung In § 51 Abs. 3 AO heißt es seit 2009 in Satz 3 in Bezug auf die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung: "Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind." Durch die in der Gesetzesvorlage vorgesehene Streichung des Wortes ‚widerlegbar' würde, bei (auch unbestimmter) Nennung einer als gemeinnützig anerkannten Organisation in einem der 17 jährlich veröffentlichten Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, bei den Finanzämtern der Automatismus einer Versagung der Steuervergünstigungen ausgelöst. Der bisherige Ermessensspielraum der Finanzämter vor Ort entfiele ebenso wie die Möglichkeit der betroffenen Organisation, bei Finanzgerichten Rechtsschutz zu suchen. Der 2009 eingeführte § 51 Abs. 3 AO bewegt sich generell in einer juristischen Grauzone, da der verwendete Begriff ‚Extremismus' ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Dies eröffnet der Willkür Tür und Tor (siehe Anlage). Jüngst haben mehrere Gutachten, darunter eines vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, festgestellt, dass die vom Verfassungsschutz verwendete Bezeichnung ‚Extremismus' kein definierter Rechtsbegriff ist. Dementsprechend wird er in keinem einzigen Gesetzestext verwendet - mit Ausnahme der AO seit 2009. Hinzu kommt, dass die Erwähnung von Organisationen in den Verfassungsschutzberichten keinen konsistent definierten Kriterien folgt. Laut Bundesverfassungsgericht ist die Bezeichnung ‚extremistisch' ausdrücklich "eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Sie steht in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen" (1 BvR 1106/08, 08.12.2010). Es besteht zwar die Möglichkeit, gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht vor dem Verwaltungsgericht zu klagen - was bereits in vielen Fällen erfolgreich getan wurde. Aber solche Verfahren ziehen sich oft über Jahre und brauchen finanzielle Ressourcen, die einer Organisation durch den Entzug der Gemeinnützigkeit gerade genommen werden. Ein solcher Entzug hätte zur Folge, dass eine Organisation zum einen nicht länger von der Körperschaftssteuer befreit wäre und zum anderen, dass Spenden an diese Organisation nicht mehr steuerlich abgesetzt werden könnten. Durch eine bloße Erwähnung in einem der Verfassungsschutzberichte könnte der VS also einen gemeinnützigen Verein - umgehend und ohne weitere Anhörung der Betroffenen - in der Existenz gefährden und der Insolvenz nahe bringen. Dies kann nicht Sinn und Funktion der Regelungen zur Gemeinnützigkeit sein. Bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliche Arbeit sind konstitutiv für unsere demokratische Gesellschaft: Die Versagung von Gemeinnützigkeit verhindert die Beteiligung an der Gestaltung unseres Gemeinwesens! Daher fordern wir Sie auf, der geplanten Änderung des § 51 Abs. 3 AO nicht zuzustimmen. Darüber hinaus muss der gesamte Absatz ersatzlos gestrichen werden. Es gibt keinerlei Legitimation dafür, dass ein Inlandsgeheimdienst über die Grenzen der demokratischen Zivilgesellschaft bestimmen und einzelne zivilgesellschaftliche Organisationen ohne feste Kriterien und ohne Anhörung der Betroffenen oder Verfahren existenziell gefährden kann. Mit freundlichen Grüßen Erstunterzeichner:
    .ausgestrahlt e.V.
    Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V.
    Attac Deutschland
    Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
    Bewegungsstiftung
    Bremer entwicklungspolitisches Netzwerk (BEN)
    Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
    Campact e.V.
    Christliche Initiative Romero (CIR)
    Engagierte Wissenschaft e.V.
    Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (EJDM)
    FoeBuD e.V.
    Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.
    Greenpeace e.V.
    Hamburgs aktive Jurastudierende
    Humanistische Union e.V.
    Informationsbüro Nicaragua e.V.
    INKOTA-Netzwerk e.V.
    Internationale Liga für Menschenrechte
    Interkultureller Rat in Deutschland e.V.
    JG Stadtmitte Jena
    Komitee für Grundrechte und Demokratie
    LobbyControl - Initiative für Transparenz und Demokratie
    medico international
    NaturFreunde Deutschlands
    Netzwerk Friedenskooperative
    Neue Richtervereinigung - Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V. (NRV)
    Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V.
    Pro Asyl
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    ROBIN WOOD - Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt e.V.
    Soziokulturelles Zentrum Conne Island (Projekt Verein e.V.)
    Städtepartnerschaftsverein Wuppertal-Matagalpa e.V.
    urgewald e.V.
    Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
    WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. Anlage: Gutachten und Kommentar
    Dr. Dirk Jeschke, Verstöße gegen die Rechtsordnung und Extremismus im Gemeinnützigkeitsrecht. Zur neuen Regelung des § 51 Abs. 3 AO, in Deutsches Steuerrecht 2009, S. 1669-1677. Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages (Regierungsdirektor Harald Georgii), Bekenntnisklausel im Zuwendungsbereich, WD 3 - 3000 - 505/10. Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Battis: Gutachten zur Zulässigkeit der 'Extremismusklausel' im Bundesprogramm 'Toleranz fördern - Kompetenz stärken', Berlin 2010. Prof. Dr. Dietrich Murswiek: Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit - Zur Entwicklung der Verfassungsschutzberichte seit dem JF-Beschluss, in: Informationsfreiheit und Informationsrecht. Jahrbuch 2009. Berlin 2009, S. 57-104. Ron Steinke: Wer wird Verfassungsfeind? Zur 'freien' Deutungshoheit der Verfassungsschutzämter, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 93 (2/2009), S. 47-52. Liebscher, Doris: Wieviel Demokratie verträgt die fdgO? In: Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen u.a. (Hg.): Ordung und Unordnung (in) der Demokratie. Dresden 2011, S. 83-101. Pressemitteilung: Attac Deutschland | Robin Wood Offener Brief (PDF)  ]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-241 Tue, 12 Jun 2012 17:29:00 +0200 Stoppt Racial Profiling /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stoppt-racial-profiling-241 Online-Petition ADEFRA e.V. - Schwarze Frauen in Deutschland
    ISD - Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Hier kann die Petition gezeichnet werden. Weitere Hintergrundinformationen (PDF)  ]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-240 Tue, 05 Jun 2012 13:34:00 +0200 Erfolgreiches Hearing „NSU, Rassismus und die Stille im Land“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/erfolgreiches-hearing-nsu-rassismus-und-die-stille-im-land-240 Pressemitteilung und Resolution Resolution und die Liste der ErstunterzeichnerInnen auf www.buendnis-gegen-das-schweigen.de Eine Dokumentation des Hearings wird in Kürze auf www.buendnis-gegen-das-schweigen.de  veröffentlicht. Dort kann auch die Resolution online unterschrieben werden. Weitere Informationen: Pressehandy des „Bündnisses gegen das Schweigen“ unter 0179-5845589.]]> news-239 Tue, 05 Jun 2012 11:50:00 +0200 Strafverfahren gegen deutsche Studenten in Bilbao – Prozessbeobachtung durch den RAV /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-deutsche-studenten-in-bilbao-prozessbeobachtung-durch-den-rav-239 Pressemitteilung vom 5.6.2012 "Es ist offensichtlich, dass die Vorwürfe gegen die beiden konstruiert sind. Die Polizei wollte wohl schnell  Erfolge vorweisen. Bei den solidarischen Aktivist_innen aus dem Ausland haben sie eine leichte Beute vermutet und daher gezielt Leute festgenommen die vermeintlich kein Spanisch sprechen". Aus Sicht des RAV ist zu besorgen, dass in diesem Verfahren rechtsstaatliche Mindeststandards missachtet werden. Hierfür spricht neben der Vorgeschichte und der erheblichen Strafandrohung, dass den Betroffenen bis heute keine Übersetzung der Anklageschrift vorliegt, so dass eine Verteidigung für die nicht spanischsprachigen Angeklagten nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Eine Verpflichtung zur Übersetzung der Anklage ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 a) der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Rechtsstaatlich bedenklich ist außerdem, dass dem Umstand, dass die beiden Aktivisten bei ihrer Festnahme Namen und Telefonnummer eines Rechtsanwalts auf ihre Arme notiert hatten, indizielle Bedeutung für eine Täterschaft zukommen soll. Dies verkennt den Umstand, dass es auch nach den Erfahrungen des RAV im Rahmen von Protestaktionen regelmäßig zu rechtswidrigen Festnahmen kommt und schneller anwaltlicher Beistand in dieser Situation besonders bedeutsam ist. Im Übrigen sichert auch die EMRK das Recht einer jeden Person zu jeder Zeit einen Verteidiger zu kontaktieren (Art. 6 Abs. 3 c) EMRK). Sollte eine beabsichtigte Kontaktaufnahme im Falle einer (rechtswidrigen) Verhaftung als Indiz für die Schuld eines Betroffenen angesehen werden, wird das Recht auf die Konsultation eines Verteidigers ad absurdum geführt und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) ausgehebelt. Bei der Hauptverhandlung werden zwei Prozessbeobachter_innen des RAV anwesend sein. Kontakt: Rechtsanwältin Katharina Gamm Tel ++34 602 33 97 53 PM_Strafverfahren gegen deutsche Studenten in Bilbao:
    deutsch (PDF)
    spanisch (PDF)
    baskisch (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-238 Thu, 24 May 2012 16:35:00 +0200 Kriterien für eine unabhängige Kontrollinstanz zur Untersuchung von Polizeigewalt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kriterien-fuer-eine-unabhaengige-kontrollinstanz-zur-untersuchung-von-polizeigewalt-238 Gemeinsame Stellungnahme von AI, HU, ILfM, Komitee f. Grundrechte und RAV 1. Zuständigkeit Die Kommission soll ausschließlich für Fälle von mutmaßlich rechtswidriger Gewalt sowie anderer schwerwiegender Menschrechtsverletzungen zuständig sein, die von Polizei- oder Zollbediensteten ausgeübt wurden. Sonstiges rechtswidriges staatliches Handeln soll nicht zum Aufgabengebiet der Kommission gehören. 2. Mitglieder und Ausstattung Die Kommission soll nicht an die Exekutive angebunden sein. Ihre Mitglieder müssen aus der Zivilgesellschaft kommen und sollen nicht selbst in exekutives staatliches Handeln eingebunden sein. Die jeweiligen Mitglieder sollen auf Landesebene von den jeweiligen Landesparlamenten, auf Bundesebene vom Bundestag sowie von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen gewählt werden. Eine Besetzung der Kommission entsprechend der Bevölkerungsstruktur (Migrationshintergrund, Geschlecht) soll angestrebt werden. Gesellschaftliche „Randgruppen“, die von rechtswidriger Polizeigewalt besonders häufig betroffen sind, sollen ebenfalls repräsentiert werden. Die Kommission muss über ausreichende Ressourcen verfügen. Sowohl die Sach- als auch die Personalausstattung müssen es ermöglichen, den beschriebenen Aufgaben in effektiver Weise nachzugehen. 3. Zugang zur Kommission Beschwerden bzw. Anzeigen können sowohl von Betroffenen und ihren (anwaltlichen) VertreterInnen, als auch von Dritten und über Organisationen erhoben werden. Auch PolizeibeamtInnen können sich als Betroffene oder Zeugen an die Kommission wenden. Die Kommission ist verpflichtet, grundsätzlich die Anonymität der anrufenden Person zu wahren. Eine Durchsuchung bei der Kommission und die Beschlagnahme ihrer Unterlagen sind unzulässig. Die Mitglieder der Kommission und ihre MitarbeiterInnen haben ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die Kommission. Weiterhin soll die Kommission auch von sich aus tätig werden können, beispielsweise wenn sie aus sonstigen Quellen Kenntnis von Fällen rechtswidriger Polizeigewalt erlangt. Polizei und Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, die Kommission über Strafanzeigen oder die Einleitung von Ermittlungsverfahren in Fällen von Polizeigewalt zu informieren. Die Kommission soll von Amts wegen tätig werden müssen, wenn jemand aufgrund von polizeilicher Gewaltanwendung zu Tode gekommen ist. 4. Kompetenzen Die Kommission muss über eigene Untersuchungsbefugnisse verfügen. Dazu gehören unter anderem die sofortige Sichtung des Tatorts, die Befragung von Zeugen und Beschuldigten sowie die Akteneinsicht, insbesondere in polizeiliche Vorgänge und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten. Den Mitgliedern muss es gestattet sein, Polizeidienststellen auch unangemeldet zu betreten. Nach Abschluss der Untersuchungen soll die Kommission Empfehlungen an die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft für das weitere Vorgehen im Einzelfall geben. Polizei bzw. Staatsanwaltschaft sind rechenschaftspflichtig gegenüber der Kommission. Die Befugnis von Polizei und Staatsanwaltschaft, eigene Ermittlungs- bzw. Disziplinarverfahren zu führen, bleibt durch das Tätigwerden der Kommission unberührt. 5. Berichts- und Rechenschaftspflicht Die Kommission ist verpflichtet, die Betroffenen in Form eines zusammenfassenden Berichts über das Ergebnis der Untersuchungen zu informieren. Gegenüber dem Parlament ist die Kommission berichts- und rechenschaftspflichtig. Die Öffentlichkeit soll die Kommission durch Abfassung eines jährlichen Tätigkeitsberichts informieren, in dem auch strukturelle Belange thematisiert werden können. Die Kommission führt über alle Fälle von Beschwerden und Verfahren gegen PolizeibeamtInnen statistische Erhebungen durch und stellt diese der Öffentlichkeit zur Verfügung. Kontaktadressen: Amnesty International
    Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 / 420248-0
    http://www.amnesty-polizei.de/ Humanistische Union e.V.
    vereinigt mit Gustav Heinemann-Initiative
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 204 502 56
    Telefax: +49 (0)30 502 57
    E-Mail:
    www.humanistische-union.de Internationale Liga für Menschenrechte
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 39 62 122
    Telefax: +49 (0)30 39 62 147
    E-Mail:
    www.ilmr.de Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
    Aquinostraße 7-11
    50670 Köln
    Telefon: +49 (0)221 972 69-20 und –30
    Telefax: +49 (0)221 972 69-31
    E-Mail:
    www.grundrechtekomitee.de Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 41 72 35 55
    Telefax: +49 (0)30 41 72 35 57
    E-Mail:
    www.rav.de **** Kriterien für eine unabhängige Kontrollinstanz zur Untersuchung von Polizeigewalt (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-237 Tue, 22 May 2012 14:57:00 +0200 Staatliche Grundrechtsverweigerung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern - Grundrechte-Report 2012 in Karlsruhe vorgestellt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/staatliche-grundrechtsverweigerung-gegenueber-den-buergerinnen-und-buergern-grundrechte-report-2012-in-karlsruhe-vorgestellt-237 Pressemitteilung vom 21.5.2012 Inhalt GRR 2012 (PDF)]]> Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-236 Tue, 15 May 2012 14:15:00 +0200 Schweigen und Verschweigen: NSU, Rassismus und die Stille im Land /publikationen/mitteilungen/mitteilung/schweigen-und-verschweigen-nsu-rassismus-und-die-stille-im-land-236 Öffentliches Hearing am 2.6.2012 in Berlin Ort:
    Das Hearing findet am 2. Juni 2012 von 11:00 – 17:00 Uhr in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4 (S+U Brandenburger Tor) in Berlin-Mitte statt. Programm: Begrüßung, Einleitender Beitrag Panel I (11:00 – 13:30): „Eine Frage des Respekts: Zum Umgang staatlicher Institutionen, Medien und Gesellschaft mit den NSU-Mordopfern, den Hinterbliebenen und den Verletzten.“ Kutlu Yurtseven, Bewohner der Keupstraße in Köln zum Zeitpunkt des NSU-Bombenanschlags in 2001 und Sängervon „Microphone Mafia“; Rechtsanwältin Edith Lunnebach und Publizist Imran Ayata. Panel II (14:00 – 15:20): „Bewaffneter Rechtsextremismus: Kontinuitäten, Milieus und staatliches Versagen.“ Die RechtsextremismusexpertInnen David Begrich (Miteinander e.V.); Ulli Jentsch (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V.) und Kati Lang (RAA Opferberatung Sachsen). Panel III (15:40 – 17:00): „Grenzen und Chancen parlamentarischer und außerparlamentarischer Aufklärungsinstrumente: Erfahrungen aus Deutschland und Großbritannien.“ Dr. Richard Stone aus London (ehemals Mitglied der Stephen Lawrence Untersuchungs-kommission) und Wolfgang Kaleck (European Center for Constitutional and Human Rights). Das Bündnis will mit dem Hearing den Anliegen und Forderungen von Betroffenen des rassistischen und rechtsextremen Terrors Gehör verschaffen und das Ausmaß neonazistischer Gewalt und Organisierung in den Fokus rücken. Darüber hinaus sollen anhand der Erfahrungen aus der Untersuchungskommission zum Tod des schwarzen britischen Teenagers Stephen Lawrence Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Untersuchungskommissionen und –ausschüsse aufgezeigt werden. Im Zentrum steht dabei die Diskussion über Strategien zur Herstellung notwendiger Transparenz für die Öffentlichkeit und Druck auf die verantwortlichen Stellen, sowie die Forderung nach zentralen, auch institutionellen, Konsequenzen. Mit dieser Veranstaltung soll die rassistische Normalität sichtbar gemacht werden, die die Grundlage der NSU-Mordserie darstellt. In dem Hearing werden antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteure von ihren Erfahrungen im Kampf gegen Rechts, der Aufklärung rassistischer Straftaten und ihrer Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz berichten. Das Hearing am 02. Juni 2012 in Berlin will den Finger in die Wunde legen und eine öffentliche Diskussion überdie Ursachen, Hintergründe und Konsequenzen der NSU-Anschlagsserie führen. Alle Beiträge werden simultan ins Englische und Türkische übersetzt. Weitere Informationen, Anmeldung und Kontakt:
    www.buendnis-gegen-das-schweigen.de Telefon +49 (0)179 5845589 Anmeldung per E-Mail bis zum 25. Mai 2012 an mail@buendnis-gegen-das-schweigen.de Dem Bündnis gehören an:
    Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Amadeu Antonio Stiftung, Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum e.V., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Sachsen-Anhalt, Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, Kulturbüro Sachsen e.V., Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK), DIE LINKE, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), Gruppe Was NUN?!, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie Einzelpersonen. Die Veranstaltung wird unterstützt von:
    Junge Gemeinde Stadtmitte Jena, Redaktion GAMMA Leipzig, Landesweite Opferberatung Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern Lobbi e.V., Kanak Attak, Bündnis gegen Rassismus (Berlin), Allmende – Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur, ReachOut – Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Berlin, ver.di-Jugend, Neue Richtervereinigung e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Kampagne „Zusammen handeln – gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung“, Die AnStifter – Bürgerprojekte gegen Gewalt und Vergessen, Berliner VVN-BdA e.V., ezra – mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, AFROTAK TV cyberNomad
    (Stand: 10.05.2012). Förderer unter: www.buendnis-gegen-das-schweigen.de   ]]>
    news-235 Tue, 15 May 2012 11:16:00 +0200 Blockupy Frankfurt: Offener Brief an Polizei und Justiz / RAV fordert Einhaltung menschen- und verfassungsrechtlicher Vorgaben / Präventivgewahrsam verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention /publikationen/mitteilungen/mitteilung/blockupy-frankfurt-offener-brief-an-polizei-und-justiz-rav-fordert-einhaltung-menschen-und-verfassungsrechtlicher-vorgaben-praeventivgewahrsam-verstoesst-gegen-die-europaeische-menschenrechtskonvention-235 Pressemitteilung vom 15.5.2012 PM_Blockupy Frankfurt: Offener Brief an Polizei und Justiz / RAV fordert Einhaltung menschen- und verfassungsrechtlicher Vorgaben / Präventivgewahrsam verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (PDF) Offener Brief an den Polizeipräsidenten der Stadt Frankfurt/Main (PDF)]]> Demonstrationsfreiheit (doublet) Polizeirecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-233 Fri, 13 Apr 2012 12:28:00 +0200 Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2012 und 20. Todestag von Dr. Werner Holtfort /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verleihung-des-werner-holtfort-preises-2012-und-20-todestag-von-dr-werner-holtfort-233 Mitteilung vom 13.4.12 kontakt@holtfort-stiftung.de oder per Fax (PDF) Festprogramm 10.00 Uhr Begrüßung
    Martin Lemke, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Holtfort-Stiftung 10.15. Uhr Grußworte
    Wolfgang Jüttner, MdL., ehem. Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag 10.30 Uhr Biographie Werner Holtfort
    Margarete Fabricius-Brand, Rechtsanwältin und Bertram Börner, Rechtsanwalt, Hannover 11.15 Uhr Musikalische Darbietung
    Valentine Buttard, Konzertpianistin, Hannover 11.30 - 12.30 Uhr Pause - kleiner Imbiss und Getränke 12.30 Uhr Laudatio
    Sönke Hilbrans, Rechtsanwalt, Berlin - Vorstand RAV e.V. und Datenschutzexperte Preisverleihung an den Chaos Computer Club, Hamburg Preisträger: Dipl.- Informatikerin Constanze Kurz und technischer Geschäftsführer Frank Rieger Dank und Erwiderung 14.00 - 14.30 Uhr Vortrag "Bürgerrechte im Internet"
    Thomas Stadler, Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Freising 14.30 Uhr  Kaffeepause 15.00 Uhr Streitgespräch:
    " Behördlicher Zugriff auf das Internet - Rechtsgrundlagen und Praxis "
    Norbert Wolf, Generalstaatsanwalt in Braunschweig
    Constanze Kurz, Chaos Computer Club  - Preisträgerin -
    Martin Lemke, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Holtfort-Stiftung
    Moderation: Dr. Jürgen Kühling, Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied der Holtfort-Stiftung 16.00 Uhr Schlusswort
    Detleff Prellwitz, OStA i. R., Vorstandsmitglied der Holtfort-Stiftung und Ausklang mit Abschiedsgetränk.]]>
    news-221 Thu, 08 Mar 2012 10:23:00 +0100 StN zu den erneuten Plänen, einen sogenannten »Warnschussarrest« im Jugendstrafrecht einzuführen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zu-den-erneuten-plaenen-einen-sogenannten-warnschussarrest-im-jugendstrafrecht-einzufuehren-221 Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen vom 5.3.12 StN_"Warnschussarrest" im Jugenstrafrecht (PDF)]]> news-220 Fri, 24 Feb 2012 11:28:00 +0100 Verfassungsschutz: Jahrelang engagiert gegen Links /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsschutz-jahrelang-engagiert-gegen-links-220 Pressemitteilung vom 24.2.2012 Kontakt
    Rechtsanwalt Volker Gerloff
    Karl-Marx-Str. 30, 12043 Berlin
    T.: 030 62987720, F.: 030 62987725
    http://www.aufenthaltundsoziales.de/ PM_Verfassungsschutz: Jahrelang engagiert gegen Links (PDF)

    Pressereaktionen nach der BGH-Entscheidung: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2010%2F06%2F19%2Fa0142&cHash=41864e51f1 http://www.tagesspiegel.de/politik/bgh-urteil-drei-berliner-jahrelang-illegal-ueberwacht/1863514.html http://www.n-tv.de/politik/BGH-ruegt-Bundesanwaltschaft-article930523.html http://www.freitag.de/community/blogs/anne-roth/bgh-ueberwachung-im-ersten-mg-verfahren-war-von-anfang-an-illegal- http://www.berliner-zeitung.de/archiv/drei-berliner-wurden-jahrelang-vom-geheimdienst-ueberwacht---ungerechtfertigt--urteilt-der-bgh-zehn-jahre-unter-falschem-verdacht,10810590,10724268.html http://www.fr-online.de/politik/verfassungsschutz-die-illegale-ueberwachung-des-jochen-u-,1472596,4480220.html]]>
    news-219 Wed, 15 Feb 2012 21:24:00 +0100 Dramatische Zunahme von Strafverfahren gegen JournalistInnen, AnwältInnen und vor allem kurdische PolitikerInnen - Wohin geht die Türkei? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/dramatische-zunahme-von-strafverfahren-gegen-journalistinnen-anwaeltinnen-und-vor-allem-kurdische-politikerinnen-wohin-geht-die-tuerkei-219 Veranstaltung am 2.3.12 in Berlin
    So wurden im November 2011 rund 50 AnwältInnen festgenommen - viele heute noch in Untersuchungshaft - und im Dezember folgte eine ebenso große Gruppe von JournalistInnen. Ende 2011 waren 104 JournalistInnen inhaftiert, die meisten von ihnen sind KurdInnen. Das Ausmaß der Festnahmen von kurdischen PolitikerInnen ist immens. Nach Schätzungen des Demokratischen Türkeiforums wurden ca. 3000 festgenommen, viele von ihnen sind Mitglieder der pro-kurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP).

    Den meisten der festgenommenen AnwältInnen, JournalistInnen und PolitikerInnen wird vorgeworfen, Mitglied oder Unterstützer der KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistan) zu sein oder linken Organisationen anzugehören.  Unter den inhaftierten Intellektuellen sind der mutige Verleger Ragip Zarakolu, der seit Jahrzehnten Bücher zu Tabu-Themen veröffentlicht hat, und die Professorin Büsra Ersanli.

    Die Strafverfahren gegen diese Personen basieren auf schwammigen Straftatbeständen des Anti-Terror-Gesetzes. Sie verstoßen gegen rechtsstaatliche Grundsätze und das Recht auf ein faires Verfahren. Tatsächlich gibt es kein Land dieser Erde, in dem es so leicht ist, zum Terroristen erklärt zu werden, wie in der Türkei. Die Nachrichtenagentur AP fand in einer Untersuchung zu 66 Ländern heraus, dass in den letzten 10 Jahren insgesamt 35.117 Personen als Terroristen verurteilt wurden. Für die meisten Verurteilungen war die Türkei (12.897) verantwortlich, gefolgt in weitem Abstand von China (7.000).

    Über diese politischen Strafverfahren und die systematischen Rechtsverstöße wird der Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Ercan Kanar berichten.
    Veranstaltungsort:
    Haus der Demokratie und Menschenrechte
    Robert-Havemann-Saal
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin Informationsveranstaltung mit RA Ercan Kanar (PDF)]]>
    news-218 Tue, 07 Feb 2012 17:08:00 +0100 Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission_Dresden 2011 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-der-unabhaengigen-untersuchungskommission-dresden-2011-218 Mitteilung Bericht der Untersuchungskommission (PDF) Rechtsstaat auf sächsisch (PDF)]]> news-217 Fri, 20 Jan 2012 12:15:00 +0100 Gemeinsame Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden auf dem neuen Großflughafen BER Willy Brandt und gegen die Durchführung von Asyl-Schnellverfahren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-gegen-die-inhaftierung-von-asylsuchenden-auf-dem-neuen-grossflughafen-ber-willy-brandt-und-gegen-die-durchfuehrung-von-asyl-schnellverfahren-217 Gemeinsame Stellungnahme 20.1.2012 Auf dem Gelände des neuen Großflughafens in Berlin Schönefeld soll eine „Gewahrsamseinrichtung“ gebaut werden, um einreisende Asylsuchende zu inhaftieren und nach einem dort stattfindenden Asyl-Schnellverfahren möglichst rasch außer Landes schaffen zu können.
    Im Rahmen der Grundgesetzänderung 1993, in deren Folge kein Flüchtling mehr, der regulär auf dem Landweg einreist, das Asylrecht erhalten kann, wurde als weiteres Instrument der Flüchtlingsabwehr eine Spezialregelung für die Einreise auf dem Luftweg entwickelt – das sog. Flughafenverfahren. Asylsuchende, einschließlich Kinder und minderjährige AsylbewerberInnen, können für die Dauer des Asylschnellverfahrens inhaftiert werden. Voraussetzung ist, dass auf dem Flughafengelände eine geeignete „Unterkunft“ existiert.
    Im Zuge des Flughafenausbaus wird nun auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld eine Hafteinrichtung gebaut. Betreiber wird die zentrale Ausländerbehörde Brandenburg. Die „soziale“ Betreuung wird nach Auskunft der Landesregierung die private Wachschutzfirma B.O.S.S. übernehmen.
    Innerhalb von zwei Tagen nach Stellung des Asylantrags ergeht eine Entscheidung, ob der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt oder die Einreise erlaubt wird. Im Falle einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ bleibt den AsylbewerberInnen nur drei Tage Zeit, um Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben sowie einen Eilrechtsschutzantrag einzureichen. Wird der Eilantrag gegen die Einreiseverweigerung binnen zweier Wochen abgewiesen, verbleiben sie in der Flughafenhaftanstalt, bis die Abschiebung möglich wird.
    Der Zeitdruck macht es den gerade geflüchteten und teils schwer traumatisierten Menschen unmöglich, zur Ruhe zu kommen und ihre Asylgründe substantiiert vortragen zu können. Teilweise sind sie durch die Umstände der Flucht verhandlungsunfähig. Auch der erschwerte Zugang zu RechtsanwältInnen verhindert, dass sich die Asylsuchenden ausreichend auf ihre Anhörung vorbereiten können und schmälert ihre Aussicht erheblich, als Flüchtling in Deutschland anerkannt zu werden.
    Die Eile des Verfahrens führt immer wieder zu eklatanten Fehlentscheidungen. So wurden die Asylanträge zweier Deserteure aus Eritrea im Flughafenverfahren als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Sie wurden unmittelbar nach ihrer Abschiebung in einem Geheimgefängnis in Eritrea inhaftiert. Erst nach der Abschiebung prüfte das Verwaltungsgericht den Fall mit der nötigen Gründlichkeit und gewährte Asyl.(1)
    Darüber hinaus lässt die kurze Frist zur Einreichung eines Eilantrags ein sachgemäßes Beschreiten des Rechtswegs nicht zu. Es ist schlicht unmöglich, die geforderten schriftlichen Begründungen rechtzeitig beizubringen. Da die Ablehnung von Eilrechtsanträgen durch das Gericht bereits ohne schriftliche Begründung rechtskräftig wird, können die Betroffenen abgeschoben werden, bevor sie die Möglichkeit erhalten, weiteren Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Eine Abschiebung wird in der Regel nach der Abweisung des Eilantrages durchgeführt, obwohl die Klage gegen die Entscheidung des Bundesamtes noch anhängig ist. ExpertInnen bezeichnen das sog. Flughafenverfahren daher als „hastig, unfair, mangelhaft“ (2)  und „rechtsstaatswidrig“ (3).
    Auf den meisten deutschen Flughäfen wird auf das Flughafenverfahren verzichtet, so auch in Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover. In Berlin-Schönefeld werden aktuell jährlich zwei bis vier Flughafenverfahren durchgeführt. Die Zahlen der entsprechenden Verfahren für Hamburg, München und Düsseldorf sind ebenfalls marginal. Am neuen Berliner Großflughafen soll nun Platz für die Inhaftierung von jährlich 300 asylsuchenden Flüchtlingen einschließlich Kindern jeden Alters und allein reisenden Minderjährigen geschaffen und deren Asylanträge in dem höchst zweifelhaften Schnell-Verfahren abgefertigt werden.


    Erstunterzeichner:
    * Asyl in der Kirche e.V.
    * AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
    * Prof. Dr. Klaus J. Bade, Migrationsforscher, Berlin
    * Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL
    * Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V.
    * Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin
    * Erzbistum Berlin
    * Flüchtlingsrat Berlin e.V.
    * Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
    * Dr. med. Jürgen Hölzinger, Ausschuss für Menschenrechtsfragen der Ärztekammer Berlin
    * Initiative gegen Abschiebehaft
    * Jesuiten Flüchtlingsdienst Deutschland
    * Landesjugendwerk der AWO Berlin
    * Landesjugendwerk der AWO Brandenburg
    * Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Berlin
    * (AWO, Caritas, dpw, DW, DRK, ZWST)
    * Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Brandenburg 
    * (AWO, Caritas, dpw, DW, DRK, ZWST)
    * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    * Hanns Thomä, Beauftragter für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-
    * Brandenburg-schlesische Oberlausitz
    * Zentrum Überleben
    Berlin, 20. Januar 2012
    ---------------------------------------------------------------------
    1 vgl. PRO ASYL, "Hastig, unfair, mangelhaft", www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf, Kapitel 3.5
    2 vgl. Dokumentation "Hastig, unfair, mangelhaft" a.a.O.
    3 vgl. Pressemitteilung der Synode der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 29.10.2011, http://www.ekbo.de/1048149/alias.html?id=1058433 Gemeinsame Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden auf dem neuen Großflughafen BER Willy Brandt und gegen die Durchführung von Asyl-Schnellverfahren (PDF)]]>
    Migration & Asyl (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-214 Fri, 20 Jan 2012 11:00:00 +0100 Vorstellung der Gemeinsamen Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden und das Asylschnellverfahren auf dem Großflughafen BER Willy Brandt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/vorstellung-der-gemeinsamen-stellungnahme-gegen-die-inhaftierung-von-asylsuchenden-und-das-asylschnellverfahren-auf-dem-grossflughafen-ber-willy-brandt-214 Einladung zur Pressekonferenz
    Dieses Verfahren wäre nur noch schwer vereinbar mit Vorschlägen, die die EU-Kommission für die Änderung der Asylverfahrens- und Aufnahmerichtlinie vorgelegt hat. Mit dem Bau der Hafteinrichtung werden Fakten geschaffen, die der Bundesregierung zur europarechtlichen Durchsetzung ihrer restriktiven asylpolitischen Interessen dienen. Vgl. Antwort 19 der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 17/8095, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/080/1708095.pdf

    Ein breites Bündnis aus flüchtlingspolitischen Organisationen, AnwältInnen, Wohlfahrts-verbänden und Kirchen protestiert scharf gegen die Inhaftierung schutzsuchender Flüchtlinge zur Durchführung des Asylverfahrens. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern sie den Verzicht auf die geplante Errichtung und Inbetriebnahme der Gewahrsamseinrichtung am Flughafen Willy Brandt sowie die bundesweite Abschaffung von Asyl-Schnellverfahren (sog. Flughafenverfahren). 

    Bei einer Pressekonferenz am 20. Januar veröffentlichen wir die Gemeinsame Stellungnahme. Es sprechen:

    * Beate Selders, Flüchtlingsrat Brandenburg
    Hintergrund der Stellungnahme

    * RAin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
    Kritik am Flughafenverfahren aus rechtsstaatlicher Sicht

    * Bernd Mesovic, PRO ASYL
    Erfahrungen mit dem Flughafenverfahren in Frankfurt am Main und europapolitische Dimension des Flughafenverfahrens

    * Andreas Kaczynski, Vorstandsvorsitzender Der Paritätische - Landesverband Brandenburg
    Kritik am Flughafenverfahren aus Sicht der Wohlfahrtsverbände

    * Martin Stark, Flüchtlingsseelsorger im Erzbistum Berlin, Direktor des Jesuiten Flüchtlingsdienstes Deutschland
    Moderation Zu der Pressekonferenz laden wir Sie im Namen aller UnterzeichnerInnen (s.u.) der Stellungnahme herzlich ein. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an 

    Beate Selders, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
    mobil 0176-61026443
    info@fluechtlingsrat-brandenburg.de

    Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin e.V.
    Tel 030-24344 57 62
    mauer@fluechtlingsrat-berlin.de Zeit und Ort der Pressekonferenz:
    Freitag, 20. Januar 2012, 11 Uhr 
    Tagungszentrum Aquino/Katholische Akademie zu Berlin, Raum 1 
    Hannoversche Straße 5b, Berlin-Mitte 
    U-Bahn Oranienburger Tor

    Weitere Informationen zur geplanten Haftanstalt am Flughafen Willy Brandt und das Flughafen-Asylverfahren finden Sie unter 
    www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen.php?sid=536 und 

    www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/materialienabschiebungen/asylverfahren/flughafenverfahren

    sowie unter  www.keinasylknastbbi.info Die UnterzeichnerInnen der Stellungnahme:
    Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V., AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V., Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL, Jesuiten Flüchtlingsdienst Deutschland, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Asyl in der Kirche e.V., Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Berlin, Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Brandenburg, Erzbistum Berlin, Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin, Hanns Thomä (Beauftragter für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), Dr. med. Jürgen Hölzinger (Ausschuss für Menschenrechtsfragen der Ärztekammer Berlin), Flüchtlingsrat Berlin e.V., Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-216 Tue, 17 Jan 2012 13:55:00 +0100 Tag des verfolgten Anwalts, 24. Januar 2012 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-24-januar-2012-216 Aufruf zur Demonstration Vor der Botschaft der Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
    Vor dem türkischen Generalkonsulat, Tesdorpfstraße 18,  20148 Hamburg Seit Jahren wird von Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch, aber auch von der Europäischen Union über schwere Menschenrechtsverletzungen aus der Türkei berichtet. Die festgestellten Menschenrechtsverletzungen richten sich gegen politische Gegner, gegen Minderheiten, insbesondere gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei und außerdem auch gegen Anwältinnen und Anwälte, die den Mut haben, die Opfer dieser staatlichen Menschenrechtsverletzungen zu verteidigen. 

    Am 22. November 2011 kulminierten diese Menschenrechtsverletzungen in der Massenfestnahme von ungefähr 50 türkischen und kurdischen Anwältinnen und Anwälten bei koordinierten Razzien im Zuge der sogenannten KCK-Operationen in vielen türkischen Städten und Provinzen. Eine ähnliche Aktion fand in der Türkei am 20. Dezember 2011 gegen Journalisten statt, von denen 20 festgenommen wurden. 36 Kolleginnen und Kollegen sind noch in Haft. 
    Weltweit sind im Jahre 2010 mehr als 120 Rechtsanwältinnen und -anwälte auf Grund ihrer Berufsausübung tödlichen Anschlägen zum Opfer gefallen. Allein in Kolumbien wurden in der Vergangenheit jährlich durchschnittlich 20 Berufskolleginnen und -kollegen ermordet. Die Zahl der inhaftierten, gefolterten, psychisch misshandelten und bedrohten oder in ihrer Berufsausübung behinderten Kolleginnen und Kollegen ist unüberschaubar. Werden Anwälte daran gehindert, ihren beruflichen Verpflichtungen nachzukommen, ist nicht nur ihre Zukunft und die ihrer Mandanten in Gefahr, sondern auch das Recht an sich.
    Das Institut des Droits de I'Homme des Avocats Européens (IDHAE), hat auf Anregung der Avocats Européens Démocrates (EDA), des Europäischen Dachverbandes nationaler Anwaltsvereinigungen, und unter Mitwirkung der European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH) den bevorstehenden 24. Januar zum Tag des bedrohten Anwalts erklärt. Dieser Tag wird von den Mitgliedern der genannten Organisationen europaweit durch Veranstaltungen, Kundgebungen etc. begangen werden. 

    Am 24. Januar 2012 wird um 14.00 Uhr zeitgleich in Berlin, Brüssel, Amsterdam, Paris, Rom, Madrid, Hamburg, Düsseldorf, Bern, Mailand und Barcelona vor geeigneten türkischen Einrichtungen eine Kundgebung stattfinden.

    Massenverhaftungen der oben genannten Art beruhen erfahrungsgemäß nicht auf individuell geprüften Vorwürfen. Sie tragen immer den Beweis des ersten Anscheins von Unrecht in sich. Dies drängt sich im vorliegenden Fall schon deswegen auf, weil viele der inhaftierten Anwälte als Verteidiger in den KCK-Verfahren gearbeitet oder Abdullah Öcalan verteidigt haben. Es ist nicht neu, dass Verteidiger mit ihren Mandanten gleichgesetzt bzw. identifiziert und allein deswegen verfolgt und bisweilen auch verurteilt werden. 

    Auf dem Kongress zur Prävention von Verbrechen und die Behandlung von Tätern der Vereinten Nationen im Jahr 1990 hat die Völkergemeinschaft in den „Basic Principles oft the Role of Lawyers“ unter anderem festgehalten: 

    - dass die Mitgliedstaaten gewährleisten müssen, dass Anwälte ohne jede Beeinträchtigung ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen können,
    - dass die Mitgliedstaaten für den Fall, dass die Sicherheit von Anwälten bedroht ist, geeignete Sicherheitsmaßnahmen für deren Schutz zu gewähren haben,
    - dass Anwälte nicht mit ihren Mandanten identifiziert werden dürfen.

    Die Massenverhaftungen zum einen, aber auch die Beobachtung von rechtsstaatswidrigem Umgang mit unbotmäßig erscheinenden Anwältinnen und Anwälten durch die türkische Justiz veranlassen uns, den Tag des verfolgten Anwalts, der verfolgten Anwältin vor der Türkischen Botschaft in Berlin und vor dem türkischen Generalkonsulat in Hamburg zu begehen. 

    Wir rufen daher zur Teilnahme an den Demonstrationen auf:
    am 24. Januar 2012 jeweils um 14.00 h
    vor der Türkischen Botschaft, Rungestr. 9, 10179 Berlin
    vor dem türkischen Konsulat, Tesdorpfstraße 18,  20148 Hamburg
    Die Kolleginnen und Kollegen werden gebeten ihre Roben zu tragen.

    Der Vorstand des RAV
    Weitere Informationen:------------------------------------------------------------------------ General report_Protokoll und Bilder der europaweiten Aktion (PDF)]]>
    news-215 Tue, 17 Jan 2012 10:04:00 +0100 StN zum Entwurf des BMJ für ein MietRÄndG /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-entwurf-des-bmj-fuer-ein-mietraendg-215 Stellungnahme vom 17.1.2012 Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht
    Rechtsanwalt Henrik Solf, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht

    Einleitung
    Das Bundesministerium für Justiz hat am 25.10.2011 einen Entwurf zur Änderung des Mietrechts vorgelegt. 

    Gegenstand des Entwurfes sind Erleichterungen von Modernisierungen, insbesondere energetischen Modernisierungen, die Einführung eines Kündigungsrechts wegen Verzuges bei der Zahlung der Mietkaution und weiterer rechtlicher Instrumente zur Bekämpfung sog. „Mietnomaden“ sowie die Umstellung von Mietverträgen auf eine gewerbliche Wärmelieferung. Hatte sich die rot-grüne Koalition mit der Mietrechtsreform 2001 noch um Ausgewogenheit und einen Ausgleich der Interessen von Mietern und Vermietern bemüht, soll die aktuelle Reform vor allem zulasten der Mietern gehen. Das ist historisch einmalig: Fast durchgängig wird eine Einschränkung der Mieterrechte angestrebt. Die geplanten Änderungen nehmen auf Belange betroffener Mieter kaum Rücksicht, sie sind unsozial, unausgewogen und dogmatisch zum Teil unrichtig und wird damit auch dem Anspruch nicht gerecht, mehr Rechtssicherheit herzustellen. 

    Wir stellen im Folgenden dar, welche Punkte des Gesetzesentwurfes aus Sicht der auf Verbraucherseite mietrechtlich tätigen Anwälte nicht akzeptabel sind oder nachgebessert werden müssen. 

    Zu der darüber hinaus geplanten Änderung im Bereich der Eigenbedarfskündigung und der gesetzlichen Verankerung der „Berliner Räumung“ soll hier nicht Stellung genommen werden.


    1. Modernisierung
    Mit dem vorliegenden Referentenentwurf zur Mietrechtsreform soll das Recht der Duldung von Duldungs- und Erhaltungsmaßnahmen in einem neuen Kapitel neu geregelt werden. Nach der erklärten Absicht der Autoren sollen diese Vorschriften „zugleich mit dem Mieterhöhungsrecht nach Modernisierung (§§ 559 bis 559b BGB) abgestimmt“ werden. Im Zentrum der Änderungsvorschläge steht dabei der völlig neue Tatbestand der „energetischen Modernisierung“. Der Mietwohnungsbestand soll auf diesem Wege den gestiegenen Anforderungen an Energieeffizienz und Klimaschutz angepasst werden.

    Dazu wird der Kreis der zu duldenden Maßnahmen erweitert. Gleichzeitig werden die Anforderungen an die Modernisierungsankündigung für den Vermieter erleichtert. Finanzielle Härtegründe sollen der Modernisierung nicht entgegenstehen, sondern lediglich im Mieterhöhungsverfahren erörtert werden.

    a. 
    (1) Insgesamt unterstellt die Begründung des vorliegenden Entwurfs, die energetische Sanierung des Mietwohnungsbestandes sei bislang an zu engen gesetzlichen Vorgaben gescheitert. Eine Begründung für diese These liefern die Verfasser allerdings nicht. Gegen eine solche Ansicht spricht schon der einfache empirische Befund. Zudem bleibt in der Begründung zum Referentenentwurf unerwähnt, dass mit den geplanten Änderungen generell Modernisierungen deutlich erleichtert werden sollen.

    Tatsächlich gehören gerade die energetischen Modernisierungen zu den kostenintensivsten. Mieterhöhungen um mehr als 4,00 €/m² bei gleichzeitiger Verdopplung der Miete sind keineswegs selten. Dies hat z.B. in Berlin zu einer erheblichen Verdrängung von Mietern aus den Innenstadtbezirken geführt. Ein Phänomen, das als wesentlicher Aspekt von Gentrifizierung soziologisch mittlerweile allgemein anerkannt, und mit der großflächigen Gebäudesanierung eng verknüpft ist (vgl. u.a. Andrej Holm, Die Restrukturierung des Raumes, Bielefeld 2006). Nach einer Studie des Immobilienverbandes Deutschland IVD aus dem Jahre 2008 beträgt der Anteil der Miete und Betriebskosten mittlerweile über 35% am mittleren Haushaltsnettoeinkommen. In Städten mit großen Gruppen niedriger Einkommensbezieher wie Berlin beträgt dieser Anteil sogar über 40% (Quelle: http://www.bauwissen-online.de/PDF/IVD_Mietb.pdf).

    Diesen Problemen hat sich allerdings der Gesetzgeber bislang noch nicht in angemessener Weise gestellt. Stattdessen verlagert der Gesetzesentwurf die Kostenlast der Energiewende allein auf den Mieter. Es ist daher zu befürchten, dass die Umsetzung des vorliegenden Entwurfs durch die einseitige Belastung der Mieter mit den Lasten von Modernisierungen die oben aufgezeigten Entwicklungen weiter beschleunigt. Dies birgt auf Dauer sozialen Brennstoff in sich. Einen angemessenen Ausgleich bietet der vorliegende Entwurf nicht. Die Übernahme sozialer Verantwortung durch den Staat ist nicht erkennbar. Da der Klimaschutz von überragendem öffentlichem Interesse ist, muss auch der Staat eingreifen und kann dies nicht allein dem Markt überlassen. Er kann z.B. mithilfe öffentlicher Förderungen und des besonderen Städtebaurechts eingreifen. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen sind allerdings unzureichend. So muss sichergestellt werden, dass öffentliche Fördermittel zur energetischen Modernisierung dauerhaft dem Mieter zukommen. 

    Dazu muss der Gesetzgeber endlich klarstellen, dass öffentliche Mittel nicht nur dann vom Vermieter bei der Mieterhöhung in Abzug zu bringen sind, wenn er auch selbst Bauherr war (so u.a. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, § 559a Rnr. 9). Nach aktueller Rechtslage muss der Erwerber einer Mietsache bei einer Erhöhung der Miete nach § 559 BGB die öffentlichen Fördermittel, die sein Rechtsvorgänger erhalten hat, nicht anrechnen. Außerdem bedarf es einer Stärkung des besonderen Städtebaurechts. Die Erhaltungssatzungen im Sinne von § 172 BauGB müssen den Kommunen die Möglichkeit geben, den Vermietern verbindliche Auflagen zu machen, auf deren Einhaltung sich auch der Mieter berufen kann (Drittschutz). Schließlich wäre über eine Beschränkung der Umlage der Modernisierungskosten wie im § 13 Absatz 1 Mietenüberleitungsgesetz vom 06.06.1995 nachzudenken.

    (2) Der vorliegende Entwurf gießt zudem den Inhalt des Urteils des BGH vom 02.03.2011 (VIII ZR 164/10) unreflektiert in Gesetzesform. Er lässt dabei gleichzeitig vollständig und ohne erkennbare Not die bis zu dieser Entscheidung überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung unbeachtet.

    Offenbar war vom Gesetzgeber nach alter Rechtslage übersehen worden, die Duldungspflicht des Mieters aus § 554 BGB mit dem Recht des Vermieters zur Mieterhöhung aus §§ 559ff. BGB zu verknüpfen. Entgegen der oben genannten Ansicht schlussfolgerte der BGH daraus, dass eine Pflicht zur Zahlung höherer Miete wegen einer Modernisierung nicht die Pflicht zur Duldung ebendieser Modernisierung voraussetzt. Für eine Verknüpfung beider Tatbestände sprechen allerdings rechtssystematisch schwerwiegende Gründe.

    Denn im Mietrecht werden Qualität und Umfang der Mietsache durch den Vertrag bestimmt. Will der Vermieter eine Modernisierung durchführen, greift er einseitig in dieses Vertragsverhältnis ein und verändert den Vertragsgegenstand. Voraussetzung war jedoch eine rechtzeitige schriftliche Ankündigung der voraussichtlichen Arbeiten an der Mietsache. Damit wurde gleichzeitig die Änderung des Vertragsgegenstandes bestimmt. Durch seine Duldung werden die angekündigten Veränderungen der Mietsache zum Gegenstand des Mietvertrages (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 559 Rnr. 18 m.w.N.). Die Modernisierungsankündigung erfüllt nach dieser Ansicht eine Doppelfunktion: Sie bestimmt den Umfang der Vertragsänderung und damit den Umfang der Duldungspflicht des Mieters. Diese Position wurde vom BGH schlicht ignoriert.

    Das Mietrecht entfernt sich damit in erschreckendem Maße von den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts (vgl. Börstinghaus, jurisPR-BGH ZivilR 9/2011Anm.2). Die durch den vorliegenden Entwurf sanktionierte Entscheidung bleibt wie die Begründung zu dem vorliegenden Entwurf jede dogmatische Begründung schuldig, wie beispielsweise ein unangekündigter neuer Fahrstuhl zum Gegenstand des Mietvertrages werden soll. Dies ist aus Sicht der Vertragsparteien schon deswegen von Bedeutung, wenn es um mietvertragliche Gewährleistungsansprüche des Mieters geht. Hat der Vermieter keine Umlage der Modernisierungskosten im Wege des § 559 BGB sondern nur – ohne weiteren Kommentar – eine Mieterhöhung nach § 558 BGB vorgenommen, besteht zwischen den Parteien über Jahre Unklarheit über den Vertragsgegenstand. Auflösbar wäre dieses Dilemma nur durch die dogmatisch unhaltbare Vorstellung, der Aufzug würde qua Existenz zum Gegenstand des Mietvertrages.

    Zudem ist die Modernisierungsankündigung eine vertragliche Pflicht, deren Verletzung einen Anspruch nach § 280 BGB nach sich ziehen müsste. Dies gilt erst recht für die ohne Ankündigung durchgeführte Modernisierung. Damit verursacht der Vermieter auf Dauer nicht nur eine Mietsteigerung sondern versetzt die Wohnung in einen Zustand, den der Mieter möglicherweise gar nicht wollte. Dies ist der Grund dafür, dass der Gesetzgeber nicht nur bei der Mieterhöhung sondern auch bei der Vertragsänderung in Form der Modernisierung dem Mieter ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt hat. Die Entscheidung, sich der Vertragsänderung zu entziehen, kann der Mieter ohne Ankündigung aber nicht mehr fällen, wenn er gar nicht weiß, dass modernisiert wird. 

    Mit der geplanten Möglichkeit, auch für unangekündigte Mieterhöhungen einen höheren Mietzins verlangen zu können, wird der eigentlich bestehende Schadensersatzanspruch des Mieters aus § 280 BGB abgeschnitten. Eine Kompensation erfolgt durch die Verschiebung des Erhöhungszeitpunktes für die Mieterhöhung um sechs Monate. 

    Die geplante Änderung benachteiligt somit letztlich den sich am gesetzlichen Leitbild der Modernisierung orientierenden Vermieter. Denn bei genauer Betrachtung „rechnet“ sich diese Verschiebung. Der Vermieter spart die Kosten einer aufwendigen Ankündigung und den dreimonatigen Vorlauf. Vor diesem Hintergrund wird der Vermieter die Verschiebung der Mieterhöhungsmöglichkeit um drei Monate verschmerzen können, zumal ihm parallel auch die Möglichkeit bleibt, die Miete gemäß § 558 BGB anzuheben. Ob diese Regelung dazu angetan ist, den Vermieter zur Einhaltung der Ankündigungspflicht einzuhalten, erscheint vor diesem Hintergrund mehr als fraglich.

    Außerdem hat der Mieter ein virulentes Interesse zu erfahren, ob es sich überhaupt um eine Modernisierungsmaßnahme handelt. Aus diesem Grund ist die weitere Aufweichung der Ankündigungspflicht abzulehnen. Allgemein wird jetzt nur noch verlangt, dass Art, Umfang, Beginn, Dauer und Mieterhöhung in „wesentlichen Zügen“ mitgeteilt wird. Der nun vorgeschlagenen Formulierung ist zu entnehmen, dass die Anforderungen weiter heruntergeschraubt werden sollen, zu Lasten der Klarheit und Planbarkeit für den Mieter. Für den Bereich der energetischen Modernisierung erfolgt dann noch eine weitere Herabsetzung, indem dem Vermieter gestattet wird, auf allgemein anerkannte Pauschalsätze zur Begründung zurückzugreifen. Gerade aber wenn ein Gebäude bereits mit einer gut funktionierenden Heizungsanlage ausgestattet ist, dürfte es für den Mieter wichtig sein, inwiefern die neue Anlage noch nachhaltiger Energie einspart, zumindest dann, wenn er für die Neuanschaffung monatlich eine beträchtliche Mieterhöhung aufzubringen hat. 

    Der Mieter muss aber nicht nur wissen, wie sich die Mietsache ändert und wie sich die Miete erhöht, sondern auf welche Beeinträchtigungen er sich während der Bauarbeiten einstellen muss. Bei umfassenden Modernisierungen – dazu gehören gemeinhin auch energetische Modernisierungen – ist mit massiven Beeinträchtigungen zu rechnen. Der Mieter arbeitet möglicherweise in der Wohnung und kann dies bei Baulärm nicht mehr tun; er betreut in der Wohnung einen kranken Angehörigen, der dann zeitweilig verlegt werden muss. Die ureigenste individuelle Lebensgestaltung ist prägend für die Nutzung einer Wohnung und deshalb auch über Artikel 13 GG geschützt. Natürlich muss der Vermieter das Recht haben, die in seinem Eigentum stehenden Räume – auch gegen die Interessen des Mieters – umzugestalten. Aber das Gebot der Rücksichtnahme gebietet es, dass der Vermieter dies in angemessener Zeit vorher und in der rechten Art und Weise ankündigt. Man kann daher zu Recht von dem Vermieter einerseits die Einhaltung verlangen und andererseits vom Gesetzgeber fordern, dass er einen Verstoß hiergegen angemessen sanktioniert. Die Rechtsfolge kann nur darin bestehen, dass dem Vermieter dann das Recht genommen wird, die Miete zu erhöhen. 

    (3) Insgesamt sollen energetische Modernisierungen einseitig auf Kosten der Mieter vereinfacht werden, ohne dass nach dem Nutzen für den Mieter gefragt wird. Eine Verknüpfung zwischen den Modernisierungskosten und der zu erwartenden Energie- oder Kosteneinsparung findet weiterhin nicht statt.

    Eine solche Herangehensweise erscheint jedoch insbesondere aus Wirtschaftlichkeitserwägungen als sinnvoll. Da der Mieter die Kosten der baulichen Maßnahmen über die Miete mittelfristig vollständig zu tragen hat, ohne rechtlich darauf Einfluss nehmen zu können, sind seine Interessen insbesondere auch unter diesem Punkt angemessen zu berücksichtigen. Das kann entweder über den ausdrücklichen Ausschluss einer Duldungspflicht bei unwirtschaftlichen Maßnahmen oder über eine Begrenzung der Mietererhöhung auf ein bestimmtes Vielfaches der zu erwartenden Energieeinsparung geschehen. In einer mittlerweile überholten Rechtsprechung war ein solcher Zusammenhang noch hergestellt worden (vgl. OLG Karlsruhe RE WuM 1985, 17).

    b. § 536 Absatz 1 BGB
    Es erscheint zunächst mehr als fraglich, ob die energetischen Modernisierungen bislang an den Minderungsrechten der Mieter gescheitert sind.

    Der zeitweise Minderungsausschluss erscheint als dogmatisch nicht durchdacht. Bislang einmalig im Bürgerlichen Gesetzbuch werden Gewährleistungsrechte ohne entsprechende Kompensation vollkommen ausgeschlossen. Im Gegensatz zum Kauf- oder Werkvertragsrecht muss der Mieter sein Minderungsrecht noch nicht einmal ausüben, dies tritt automatisch ein und ist im Übrigen nicht zu Lasten des Wohnraummieters abdingbar. 

    Praktisch eröffnet die Regelung zahlreiche neue ungeklärte Fragen. Da energetische Modernisierungen häufig gleichzeitig mit anderen Baumaßnahmen stattfinden, wird eine Abgrenzung in der Praxis nicht möglich sein. Dient z.B. der Aufbau eines Baugerüstes dem Ausbau des Dachgeschosses oder dem Anbringen der Wärmedämmung? Aber auch wenn die Arbeiten grundsätzlich klar zuzuordnen sein sollten, kann der Minderungsausschluss den betroffenen Mieter vor unlösbare Aufgaben stellen. Aus seiner Perspektive wird nicht festzustellen sein, ob mit den Abbrucharbeiten von Kellerwänden der neue Heizungsraum oder nur die Neugestaltung der Kellerräume vorbereitet wird.

    Unklar ist auch, was gellten soll, wenn zwei energetische Modernisierungen gleichzeitig oder gar zeitversetzt durchgeführt werden. Verdoppelt sich die Zeit des Minderungsausschlusses oder überlappen sich die minderungsfreien Zeiten? Nach dem Wortlaut des Entwurfs wäre die Minderung auch ausgeschlossen, wenn wegen schlechter Planung während des Austauschs der Heizung drei Monate lang alle Heizmöglichkeiten komplett ausfallen.

    c. § 555d BGB
    Die zeitliche Verlagerung der Auseinandersetzung um die sozialen Folgen der zu erwartenden Mieterhöhung ist sowohl für Mieter als auch Vermieter mit erheblichen Nachteilen verbunden. Zwar muss der Mieter entsprechende Umstände rechtzeitig mitteilen. Dennoch bleiben die sich daran anknüpfenden Rechtsfolgen für die Beteiligten unklar. Denn bislang konnten sich weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung zu einheitlichen Maßstäben für die soziale Härte durchringen. Der Vermieter kann daher nicht rechtssicher voraussehen, ob er die Kosten der Modernisierung tatsächlich auch über die Mieterhöhung refinanzieren kann. Der finanziell bedürftige Mieter muss sehenden Auges einen Umbau seiner Wohnung hinnehmen, bei dem über Monate oder gar Jahre unklar ist, ob er die folgende Mieterhöhung überhaupt zahlen kann und muss. Diese Unwägbarkeiten werden in der Praxis den Druck auf finanziell bedürftige Mieter weiter verstärken, ihre Wohnung zu verlassen und das Mietverhältnis zu beenden. Die Sozialklausel wird so zur leeren Hülle.

    Nach dem Wortlaut des Entwurfs bliebe eine finanzielle Verschlechterung, von der der Mieter unverschuldet erst nach Beginn der Modernisierungsarbeiten erfährt, außer Betracht. Wird etwa eine Rente nicht in der erwarteten Höhe bewilligt, träte die Wirkung einer solchen Entscheidung auch rückwirkend ein. Auf die damit verbundene finanzielle Härte dürfte sich der Mieter dennoch nicht mehr berufen.

    Letztlich beschleunigt die Verlagerung der Auseinandersetzung um die Modernisierung in das Erhöhungsverfahren zwar die Durchführung der Modernisierung selbst. Jedoch bleiben beide Parteien einer fortdauernden Ungewissheit über die Realisierbarkeit der Investitionen und die zu erwartende Mieterhöhung ausgesetzt. Der Entwurf nimmt ihnen das Forum und die Gelegenheit, im gerichtlichen Verfahren um die Duldung der Modernisierung einen angemessenen Ausgleich ihrer Interessen vorzunehmen, noch bevor die Arbeiten durchgeführt werden.

    d. § 559 BGB
    Die Normierung der Berücksichtigung von ersparten Instandsetzungskosten ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings verschlechtert die vorgeschlagene Berücksichtigung von Schätzungen die Rechtsposition der Mieter ganz erheblich. Nach herrschender Rechtsprechung sind bislang die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen. Die neue Norm schafft deutlich weniger Rechtssicherheit für die Mieter. Diesen stehen regelmäßig keine Möglichkeiten zur Verfügung, die Angemessenheit einer solchen Schätzung zu überprüfen. Dies ist dagegen derzeit durch Einsichtnahme in die Berechnungen des Vermieters unschwer möglich. 


    2. Fristlose Kündigung wegen Nichtzahlung der Kaution 
    Der Gesetzgeber plant dem Vermieter ein Recht zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung für den Fall einzuräumen, dass der Mieter mit einem Teil der Sicherheitsleistung in Verzug ist, der mindestens zwei Monatsmieten ohne Betriebskostenvorauszahlung oder -pauschale entspricht. Das Recht der fristlosen Kündigung soll neben das Recht der fristlosen Kündigung wegen Verzuges mit den Mietzahlungen treten. Der Kündigungsgrund wird in einen neu zu schaffenden Absatz 2 a in § 569 BGB eingefügt. Es wird dem Mieter dann das Recht eingeräumt, wie bei der Kündigung nach § 543 Absatz 2 Nr. 3 BGB die durch Zahlung des vollständigen rückständigen Betrages innerhalb der Schonfrist von zwei Monaten ab Rechtshängigkeit die Kündigung unwirksam zu machen. Wie bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Dies wird durch entsprechende Verweise einerseits auf § 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1, andererseits auf § 543 Absatz 2 Satz 2 BGB bewerkstelligt. 

    Um diese Kündigung handhaben zu können und um Streit über den Verzugseintritt zu vermeiden, wird das Recht des Mieters die Barkaution in drei Monatsraten leisten zu dürfen, dahingehend konkretisiert, dass die Raten zweite und dritte Rate jeweils mit den folgenden Monatsmieten zu zahlen sind. Für die erste Rate ist schon nach aktuellem Recht zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weitere Zahlungsverpflichtung wird durch einen neuen Satz 3 in § 551 Absatz 2 BGB bewerkstelligt.

    Zur Begründung dieses neuen Kündigungsgrundes wird ausgeführt, dass dem Vermieter damit eine bessere Handhabe erhalte, sich von einem Vertragspartner zu lösen, der sich bereits bei Beginn des Mietverhältnisses seinen Zahlungsverpflichtungen entziehe. Außerdem sei dies bei Gewerberaummietverhältnissen bereits zu Gunsten des Vermieters entschieden. Im Rahmen des Wohnraummietrechts sei dies streitig. 

    Diese Regelung zu Lasten des Mieters ist problematisch. 

    a. 
    Grundsätzlich bleibt es dem Vermieter vorbehalten, die im Mietverhältnis bestehenden Forderungen gerichtlich durchzusetzen. Angesichts der überragenden Bedeutung der Wohnung erscheint es jedoch nicht opportun, allein den Verzug mit der Zahlung einer Kaution, die lediglich der Sicherung der Forderung aus dem Mietverhältnis dient, als Grund für eine fristlose und dann selbstverständlich auch für eine fristgerechte Kündigung zu benutzen. Die Kautionszahlung ist – im Gegensatz zur Mietzahlung – eben kein Hauptleistungspflicht und deshalb nicht vertragsprägend. 

    b. 
    Der Vermieter ist damit derzeit keinesfalls schutzlos. Es bleibt ihm auch bei Nichtzahlung der Kaution die fristlose Kündigung, wenn ihm gemäß § 543 Absatz 1 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Schon jetzt werden Kündigungen wegen Nichtzahlung der Kaution auf diese Vorschrift gestützt. Dies ist auch sachgerechter, da es in jedem Fall einer Prüfung des Einzelfalles bedarf. (näher hierzu Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 543 Rnr. 184) Es mag den Mieter geben, der nie vorhatte, die Kaution zu leisten. In diesem Fall dürfte die Abwägung zu Lasten des Mieters ausgehen. Man stelle sich allerdings vor, dass die Kaution trotz intensiver Bemühungen des Mieters vom JobCenter nicht übernommen wird. Im Hinblick darauf, dass schon jetzt gerade in den Ballungszentren ein zweistelliger Prozentsatz der Mieter von Transferleistungen lebt, ist diese Gefahr durchaus real. Zudem ist die Bearbeitung entsprechender Anträge durch die Sozialämter häufig sehr langsam. Aus diesem Grund wurde mit der letzten Mietrechtsreform die Schonfrist bei Kündigungen wegen Zahlungsverzuges von zwei auf drei Monate verlängert.

    Bei Aufnahme dieses neuen Kündigungsgrundes in das BGB käme es aber auf den Grund für den Verzug des Mieters nicht mehr an. Dem kann auch nicht die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2009 entgegen gehalten werden, in dem dieser ausführt, das Jobcenter handele in den Fällen, in denen es direkt Transferleistungen an den Vermieter übernehme, hoheitlich und nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters (VIII ZR 64/09 vom 21.10.2009). Im Gegensatz zu den laufenden Mietzahlungen ist der Sozialhilfeträger nicht verpflichtet, Kautionszahlungen zu leisten. Dies steht in seinem eingeschränkten Ermessen. So heißt es in § 22 Absatz 6 2. HS SGBXII: „... eine Mietkaution kann bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden“. Personen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, mögen die Kaution in kleinen Raten nachzahlen können, wenn der Sozialleistungsträger die Übernahme schließlich ablehnt, eine fristgerechte Zahlung oder eine Zahlung innerhalb der Schonfrist dürfte ihnen dann aber nicht mehr gelingen. 


    c. 
    Jedoch auch die Schonfristzahlung rettet den Mieter nur noch bedingt. Seit der BGH die analoge Anwendung des § 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1 BGB auf die ordentliche Kündigung abgelehnt hat (VIII ZR 6/04 vom 16.02.2005), führt die Nichtzahlung der Kaution bei gleichzeitig ausgesprochener ordentlicher Kündigung zwingend zur Beendigung des Mietverhältnisses. Dass dies so vom Gesetzgeber nicht gewollt war, liegt auf der Hand (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage, Rnr. XI 28). Die Mietrechtsreform sollte endlich zum Anlass genommen werden, die Regelungen des § 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1 BGB durch einen entsprechenden Verweis in § 573 BGB auch auf die ordentlichen Kündigungen mit zu erstrecken.

    d. 
    Darüber hinaus ist die Aufnahme dieses neuen Kündigungsgrundes in den – nur für den Wohnraum geltenden – § 569 BGB systematisch nicht gelungen. Damit würde dieser Kündigungsgrund nur für Wohnraum gelten. Auf diese Weise wäre erstmals der gesetzliche Schutz des Gewerbemieters stärker als der des Wohnraummieters. Dies widerspricht der über Artikel 13 GG vorgehenden verfassungsrechtlichen Privilegierung des Wohnraum.

    3. § 302a ZPO – Hinterlegung von Mietzahlungen
    Der Gesetzgeber plant, zur Bekämpfung des sog. „Mietnomadentums“ dem Vermieter das Recht einzuräumen, den Mieter zu zwingen, die nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen zu hinterlegen, sofern dieser die Zahlung verweigert. So soll der Vermieter davor geschützt werden, dass der Mieter nach Ausgang eins längeren Rechtsstreits die dann titulierten Forderungen nicht erfüllen kann und dem Mieter zusätzlich Kosten entstehen. Schon die Grundannahme und gesetzgeberische Zielsetzung ist verfehlt. 

    a. 
    Die Forschungsstelle Immobilienrecht der Universität Bielefeld hat 2011 ein Gutachten zum Thema „Mieterschutz und Investitionsbereitschaft im Wohnungsbau – Mietausfälle durch sog. Mietnomaden" vorgelegt. (Universität Bielefeld erstellt von Prof. Dr. Markus Artz, Prof. Dr. Florian Jacoby unter Mitarbeit von Tobias Brunstering, Mady Meiners, Jürgen Schlinkmann)
    Auf der Seite des Deutschen Mietgerichtstages werden die Ergebnisse wie folgt zusammengefasst: 
    „• Vermieter können insbesondere durch Abfragen bei Auskunfteien, aber auch durch eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung des Vorvermieters, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder Kontoauszüge Erkundigungen über die Solvenz bzw. das bisherige Zahlungsverhalten von Mietinteressenten einholen. Private Vermieter berichten allerdings, dass sie solche Erkundigungen kaum einholen. Professionelle Vermieter beklagen, dass datenschutzrechtliche Einschränkungen der Informationsbeschaffung für den Vermieter im Wege stehen.
    • Im Forschungsvorhaben ließen sich keine tatsächlichen Umstände feststellen werden, bei denen es gehäuft zu Fällen des Einmietbetrugs kommt.
    • In den von Vermietern berichteten Fällen wurden im Durchschnitt bereits ca. 1,14 Monate nach Entstehung des Kündigungsgrunds die Kündigung erklärt und die Räumungsklage 3,57 Monate nach Erklärung der Kündigung erhoben. Verzögerungen beruhen insbesondere auf Kostenerwägungen und Bekundungen der Mieter, die Wohnung bald zu verlassen, sowie der Notwendigkeit, Rechtsrat einzuholen.
    • Die Räumungsprozesse dauerten von der Anhängigkeit der Klage bei Gericht bis zum Erlass des Urteils laut Bericht der Vermieter durchschnittlich ca. 5,36 Monate. Dabei wurden ca. 50 % der Fälle ohne mündliche Verhandlung erledigt.
    • Das Gericht gewährte dem Mieter in knapp der Hälfte der Fälle, in denen schon bald nach Beginn des Mietverhältnisses die Zahlung der Miete eingestellt wurde, eine Räumungsfrist, die regelmäßig zwei Wochen, ganz überwiegend vier Wochen nicht überschritt.
    • Die Räumung durch den Gerichtsvollzieher dauerte laut Bericht der Vermieter ab Vorliegen einer vollstreckbaren Ausfertigung bis zur Vornahme der Räumung durchschnittlich ca. 2,62 Monate. Von der Räumung nach dem sog. Berliner Modell wird allenfalls in einem Fünftel der Fälle Gebrauch gemacht.
    • Verzögerungen der Räumungsvollstreckung sind regelmäßig auf die fehlende Vorschusszahlung des Gläubigers, nicht aber etwa auf die Arbeitsüberlastung der Gerichtsvollzieher zurückzuführen.
    • Der Umstand, dass sich an Stelle des Mieters eine andere Person in der Wohnung befand, hat die Räumung nicht signifikant beeinträchtigt.“
    (Quelle: http://www.mietgerichtstag.de/aktuell.php)
    Dies vorausgeschickt, fehlt es schon an der Notwendigkeit der Regelung. Mit dem Argument, gegen das sog. „Mietnomadentum“ vorgehen zu wollen, werden massiv Mieterrechte abgebaut. 

    b. 
    Der Vermieter erhält das Recht, den Mieter auf Antrag zur Hinterlegung von nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen zu zwingen. 

    Dem Antrag wird seitens des Prozessgerichts entsprochen, wenn die Klage auf die Forderung hohe Aussicht auf Erfolg hat und die Hinterlegung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung für den Kläger gerechtfertigt ist. Das hinterlegte Geld erhält derjenige, dem es nach dem Endurteil zusteht. Die Kosten der Hinterlegung gehören zu den Kosten des Verfahren im Sinne der §§ 91 ff. ZPO. Die Entscheidung bzgl. der Hinterlegung wird durch das Prozessgericht getroffen; sie ist unanfechtbar. 

    Flankiert wird die Maßnahme durch die Möglichkeit, die Räumung seitens des Vermieters im Wege der einstweiligen Verfügung zu erwirken, wenn der Mieter der Hinterlegungsanordnung nicht nachkommt und der Vermieter Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges erhoben hat. (Dazu näher unter 4.)

    Die Möglichkeit, eine Hinterlegungsanordnung zu erwirken, ist nicht nur auf Mietsachen begrenzt: Sie soll für alle Arten von Dauerschuldverhältnissen gelten, in denen der Gläubiger von dem Schuldner wiederkehrende Geldleistungen verlangen kann. Die Hinterlegungsanordnung gilt allerdings nicht für die Fälle, in denen über das Recht des Gläubigers gestritten wird, einen Erhöhungsbetrag zu verlangen. Im Wesentlichen zielt die Regelung auf vom Mieter – zu Unrecht – geltend gemachte Minderungs- und Zurückbehaltungsrechte wegen Mängeln der Mietwohnung. Nach ihrem Wortlaut könnte sie allerdings auch Nachzahlungen wegen Nebenkosten und andere Geldforderungen des Vermieters gegen den Mieter betreffen.

    In der Konsequenz riskiert der Mieter nach Rechtshängigkeit eine Räumung der von ihm gemieteten Sache, wenn er die vom Vermieter geltend gemachten bzw. anderweitig fälligen Geldforderungen nicht bedient. Diese Regelung begegnet grundsätzlichen – auch verfassungsrechtlichen – Bedenken. Insbesondere weil der Vermieter noch während des Erkenntnisverfahrens eine Räumung betreiben und damit Tatsachen schaffen kann. 

    c.
    Voraussetzung für die Hinterlegungsanordnung ist, dass die Klage auf diese Forderung (geltend zu machen im Wege der Klageerweiterung oder im Rahmen von §§ 258, 259 ZPO) hohe Aussicht auf Erfolg hat. In der Begründung wird ausgeführt, dass das Gericht nach dem Vortrag der Parteien und eventuellen Beweisergebnissen eine Prognose über den Verfahrensausgang treffen soll. Hierfür soll dann der Strengbeweis gelten. Zudem muss die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt sein. Dazu soll es ausreichen, wenn der Kläger diese Voraussetzungen glaubhaft macht. 

    (1) Allein schon das Anknüpfen an den Begriff der hohen Aussicht auf Erfolg für die Anordnung erscheint hoch problematisch. Der Begriff ist neu, er ist schwer greifbar und trägt kaum zur rechtssicheren Anwendbarkeit bei. Im Rahmen der Entscheidung über die Hinterlegung werden vor Abschluss des Erkenntnisverfahrens Tatsachen geschaffen, die dann unumkehrbar sind, wenn aufgrund der Nichtbefolgung der Hinterlegungsanordnung im Wege einer einstweiligen Verfügung eine Räumungstitel erwirkt und durchgesetzt wird. 

    Der Begriff „Aussicht auf Erfolg“ findet sich im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für Prozesskostenhilfe; beim Prozesskostenhilfeverfahren wird einer Partei zur Wahrnehmung seiner Rechte Prozesskostenhilfe bewilligt, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, also die hinreichende Möglichkeit, dass der Antragsteller mit seinem Klage- bzw. Verteidigungsbegehren durchdringt. Das Gericht trifft hier – wie dann auch im Rahmen des geplanten neuen § 302a ZPO – eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt des Antrages. Dies erscheint im Falle des Prozesskostenhilfeverfahrens auch sachgerecht, da das Gericht hier lediglich darüber zu entscheiden hat, ob einer Partei die Kosten für ein Gerichtsverfahren zur Wahrung ihrer Rechte vorfinanziert werden. Erweist sich die Entscheidung später als „unrichtig“, verliert der Staat diejenigen Kosten, die die berechtigte Person zur Wahrung ihrer Rechte eingesetzt hat und nicht zurückzahlen muss. Anders wäre dies bei der Frage der Anordnung im Rahmen des § 302a ZPO gerade im Hinblick auf den geplanten § 940a Absatz 3 ZPO. Mag das hinterlegte Geld noch durch die geplante Regelung des Absatzes 5 an denjenigen gezahlt werden, dem es letztlich zusteht, wäre dies bei einer im Wege der einstweiligen Verfügung angeordneten Räumung anders. Hier würde der Mieter im Falle, dass sich die Prognose trotz hoher Aussicht als falsch erweist, auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen, der ausreichend ist, die tatsächlichen Nachteile des Mieters zu kompensieren. Wenn der Vermieter die Wohnung neu vermietet hat, ist es ihm gem. § 275 BGB unmöglich, die Räume dem Mieter wieder zu überlassen. Die Räumung stellt faktisch die Vorwegnahme der Hauptsache dar. Dies war auch ein Grund für die Einführung des § 940a ZPO (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 543, Rnr. 147). Die immateriellen Schäden, der Verlust der gewachsenen Sozialstruktur, die individuelle Ausstattung der Wohnung und die eigenen Mühen im Rahmen des Aus- und Umzugs sind nicht erstattungsfähig. Dies geht allein zu Lasten des Mieters, der die Wohnung verloren hat. 

    Im Übrigen wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter dadurch eingeschränkt, dass trotz Erfolgsaussichten die Bewilligung versagt werden kann, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht mutwillig erscheint. Auf eine derartige Einschränkung wird im Rahmen des geplanten § 302a ZPO verzichtet. Dies wäre zumindest im Hinblick auf die Missbrauchsgefahr der damit verbundenen neuen Möglichkeiten der Räumung aber in jedem Falle erforderlich. Im Gegensatz zur Prozesskostenhilfe soll es gegen die Anordnung auch keine Rechtsmittel geben. 

    (2)  Durch die Regelung werden die Mängelrechte massiv eingeschränkt. Zumindest für die Gewährleistungsrechte, die der Mieter nach Rechtshängigkeit noch wahrnimmt, riskiert er den Verlust seiner gemieteten Räume. Denn für die Forderungen, die nach Rechtshängigkeit fällig werden, soll der Vermieter die Hinterlegung betreiben können. Dies wird im Wesentlichen die Einwände des Mieters wegen Mängeln betreffen. Da der Mieter für die Mängel darlegungs- und beweisbelastet ist, riskiert er bei einem vom Amtsgericht für nicht ausreichend erachteten Vortrag, dass er zur Hinterlegung des einbehaltenen Geldbetrages gezwungen wird, obwohl er möglicherweise aufgrund des Mangels selbst erhebliche Nachteile erleidet, die durch seine Mängelrechte zu kompensieren wären. Man denke in diesem Zusammenhang an den Mieter, der aufgrund Baulärms Kosten für Ersatzwohnraum aufwenden muss oder an den Gewerbemieter, dessen Lager wegen Schimmelbefalls nicht nutzbar ist und der zusätzlich aufgewandte Lagerkosten mit der Miete aufrechnen könnte. Die Kompensation derartiger Nachteile durch die Ausübung von Gewährleistungsrechte würde dem Mieter durch die Pflicht entzogen, diese Mittel zu hinterlegen. Dies kann auch nicht dadurch entschuldigt werden, dass sich der Schuldner einer Geldschuld – getreu dem Grundsatz „Geld hat man zu haben“ – nicht auf die Unmöglichkeit berufen kann. Denn gerade die Liquidität und der Schutz der Vermieter vor erheblichen finanziellen Nachteilen sollen die neue Hinterlegungsregelung rechtfertigen. 
    Die Gewährleistungsrechte des Mieters werden damit für die Zeit nach Rechtshängigkeit einer Klage massiv eingeschränkt. Dies obwohl der Gesetzgeber über § 536 BGB die vertragliche Beschränkung oder gar den Ausschluss von Minderungsrechten gegenüber dem Wohnraummieter für unwirksam erklärt. Im Gegensatz zum Kaufrecht oder zum Werkvertragsrecht tritt die Minderung automatisch ein. Der geminderte Geldbetrag wird nicht geschuldet, ohne dass es einer Rechtshandlung des Mieters bedarf. Die Möglichkeit, den Mieter zur Hinterlegung dieses möglicherweise zu Recht geminderten Betrages zu zwingen, widerspricht der Bewertung des Minderungsrechts durch den Gesetzgeber. 

    Dem kann man auch nicht durch die in Nr. 2 geregelte Abwägung von Mieter und Vermieterinteressen ausgleichen. Die Anordnung hängt davon ab, ob besondere Nachteile auf Seiten des Vermieters die Anordnung rechtfertigen. Da diese Anordnung vor allem dem Schutz des Vermieters vor Zahlungsausfällen dient, soll es maßgeblich auf die Höhe der geltend gemachten Forderung und auf die wirtschaftliche Bedeutung der Forderung für den Kläger ankommen (Begründung S. 44). Dies wäre dann nur noch glaubhaft zu machen. Streiten sich die Parteien um gravierende Mängel, kann man auch bei einer nicht vollständig gezahlten Miete bereits zu einer Anordnung kommen, zumal die Höhe der offene Vermieterforderung sich nicht auf die nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen beschränkt sondern auch die bis Rechtshängigkeit fälligen Forderungen erfassen können. . 

    (3) Die geplante Regelung betrifft aber nicht nur Minderungs- und Zurückbehaltungsansprüche des Mieters. Im Gesetzesentwurf ist lediglich von Geldforderungen die Rede, die nach Rechtshängigkeit fällig werden. Dies können dann aber auch Forderungen aus Betriebs- und Heizkostenabrechnungen sein. Zumal diese ab Zugang sofort fällig sind (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 556 Rnr. 420), sofern sie formal ordnungsgemäß erstellt wurden. Einwände müssen vom Mieter erst einmal geltend gemacht werden, wobei er von der Rechtsprechung hierzu regelmäßig auf eine Belegeinsicht verwiesen wird.

    Die Rechtsprechung zu Nebenkosten ist jedoch schon für Fachleute unübersichtlich. Wendet sich der Mieter gegen eine nach Rechtshängigkeit fällig gewordene Nebenkostennachzahlung, riskiert er eine Hinterlegungsanordnung und dann – wenn er nicht zahlen sollte – eine einstweilige Verfügung auf Räumung und zwar ohne dass die Nichtzahlung der Nebenkosten für sich genommen eine Kündigung der Wohnung rechtfertigen könnte. 

    Damit droht über die Fälle der grundlosen Zahlungsverweigerung hinaus eine Vielzahl von Fallkonstellationen, in denen der seine Rechte wahrnehmende Mieter dazu gezwungen sein wird, zumindest ab Rechtshängigkeit potentiell rechtsgrundlose Forderungen zu bedienen, um den Verlust der Wohnung nicht zu gefährden.

    (4) Wohnraumsachen sind in der ersten Instanz Parteiprozesse. Mit der ausschließlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte unabhängig vom Gegenstandswert hat der Gesetzgeber klargestellt, dass für derartige Verfahren zumindest erstinstanzlich ein Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. Ob aber ein nicht anwaltlich vertretener Mieter die Konsequenzen der Nichtzahlung innerhalb der Rechtshängigkeit versteht und vor allem das nicht unkomplizierte Hinterlegungsverfahren nachvollziehen kann, erscheint fraglich. Rechtspolitisch erscheint es wenig sinnvoll, gerade in Räumungsrechtsstreiten ein derartig kompliziertes Verfahren mit für den Mieter erheblichen Nachteilen einzuführen. 

    (5)  Der Beschluss über die Anordnung der Hinterlegung ist unanfechtbar. Er wird vom Erkenntnisgericht selbst erlassen und ist zu begründen. Dies stellt eine massive Beschneidung des Rechtsweges dar. Es handelt sich bei der Hinterlegungsanordnung um eine allein auf Grundlage einer Prognose gefällten Entscheidung. Wenn man sich die Konsequenzen – nämlich den drohenden Verlust der Wohnung – bei nicht Befolgung der Hinterlegungsanordnung ansieht, erscheint eine Kontrolle dringend geboten. Dies ist im Rahmen der Prozesskostenhilfe, die ebenfalls auf einer Prognoseentscheidung beruht selbstverständlich. 

    In diesem Zusammenhang lohnt auch ein Blick auf § 522 ZPO. Das Berufungsgericht hat danach die Möglichkeit, eine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat. Ein Kollegialgericht trifft hier eine einstimmige Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil. Auch dieser Beschluss war bis zur Änderung im Jahre 2011 unanfechtbar. Aufgrund massiver Proteste und der Einsicht, dass wie bei anderen Urteilen ein Rechtsmittel gegeben sein muss, hat der Gesetzgeber zum 27.10.2011 die Anfechtungsmöglichkeit wieder in das Gesetz aufgenommen. Wenn aber schon Entscheidungen eines zweitinstanzlichen Kollegialgerichts überprüfbar sein sollen, den bereits ein Erkenntnisverfahren der ersten Instanz vorangegangen ist, dann muss dies erst recht für eine Entscheidung eines Amtsrichters gelten, von der möglicherweise sogar der Bestand eines Mietverhältnisses abhängt. 

    4. § 940a ZPO – Einstweilige Räumungsverfügung

    Nach derzeitiger Rechtslage ist es nur bei Gefahr für Leib und Leben und bei verbotener Eigenmacht möglich, im Wege einer einstweiligen Verfügung die Räumung von Wohnraum zu erwirken.

    Diese Rechtslage macht die Bedeutung des über Artikel 13 GG grundrechtlich geschützten Wohnbereiches deutlich. Der vorliegende Entwurf soll diesen Schutz zu Lasten der Wohnraummieter jedoch in zwei Fällen einschränken:

    a. 
    Geplant ist die Einfügung eines Absatzes 2 in § 940a ZPO: Bei Vorliegen eines Räumungstitels „darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch gegen Personen angeordnet werden, die ohne Kenntnis des Vermieters Besitz an diesen Räumen begründet haben.“

    Bislang können nur die Personen – ob Mieter oder mitbesetzende Untermieter, Familienmitglieder, Lebenspartner oder sonstige Personen – aus einer Wohnung geräumt werden, gegen die Räumungsurteil vorliegt. Dies geht auf die vollstreckungsrechtliche Regelung des § 885 ZPO zurück, nach der die Räumung dadurch bewerkstelligt wird, dass der Schuldner aus dem Besitz gesetzt und der Gläubiger in den Besitz eingewiesen wird. Trifft der Gerichtsvollzieher im Räumungstermin in der Wohnung eine Person an, gegen die kein Titel vorliegt, kann nicht geräumt werden. 

    Der Vermieter der Wohnung kann gegen diese Person nur aufgrund eines neuen Räumungstitels vorgehen, den er im Hauptsacheverfahren erstreiten muss. Hier soll dem Vermieter die Möglichkeit geben werden, diesen Titel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu erstreiten. 

    (1) Es soll nicht verkannt werden, dass wenigen Ausnahmefällen Schuldner im Rahmen der Zwangsräumung durch Präsentation immer neuer Bewohner die Räumung verzögern und die Kosten, die der Schuldner letztlich selber tragen muss, in die Höhe treiben. Diese seltenen Fälle rechtfertigen jedoch nicht eine generelle Erleichterung der Erlangung eines Räumungstitels. Der Vermieter muss bislang gegen alle Besitzer der Wohnung einen Titel erwirken, seien es Mieter, Untermieter, Lebensgefährten oder volljährige Familienmitglieder. Nach der geplanten Gesetzesänderung würde es ausreichen, wenn der Vermieter zukünftig neben dem Mieter lediglich die schriftlich genehmigten Untermieter oder den Ehegatten verklagt. Den so gewonnenen Titel könnte er bezüglich aller übrigen Personen im Wege der einstweiligen Verfügung „erweitern“. Dabei würde ihm durch die geplante Gesetzesformulierung „ohne Kenntnis“ noch ein unverhältnismäßiger Beweisvorteil zuwachsen. Der Mieter bzw. der Dritte müsste dann im einstweiligen Verfügungsverfahren nämlich beweisen, dass der Vermieter Kenntnis von der Untervermietung oder anderweitigen Besitzbegründung hatte. Ist gegen den Hauptmieter wegen dessen Abwesenheit Versäumnisurteil ergangen, wäre zu diesem Zeitpunkt für möglicherweise berechtigte Untermieter eine effektive Rechtsverteidigung nicht mehr möglich.

    (2) Außerdem ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, auf welchen Kenntniszeitpunkt es hier ankommt. Es kann wohl nur der Zeitpunkt am Schluss der mündlichen Verhandlung gemeint sein, so steht es auch in der Begründung zum Referentenentwurf S. 53. Dies geht aus dem Gesetzesentwurf selbst jedoch nicht mit der nötigen Klarheit hervor. Dort ist nur von Besitzbegründung (!) ohne Kenntnis des Vermieters die Rede. Eine wörtliche Auslegung würde es dem Vermieter sogar gestatten, gegen alle Personen (bei Vorliegen eines Räumungstitels gegen den Mieter) vorzugehen, die ohne seine Kenntnis eingezogen sind. Das beträfe auch den Lebensgefährten, den der Mieter erst Monate nach Einzug aber lange vor Vertragsende dem Vermieter angezeigt hat und dann der dann von diesem genehmigt wurde. 

    (3) Die Fragen der Kenntnis des Vermieters vom Einzug Dritter in die Mietwohnung ist keine, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geklärt werden kann. Es wird dem Mieter z.B. kaum gelingen, eine eidesstattliche Versicherung des früheren Eigentümers über die mündliche Genehmigung der Untermiete im einstweiligen Verfügungsverfahren beizubringen. 

    Vor diesem Hintergrund erscheint der Schutz der Wohnung nach Artikel 13 GG in ganz bedenklicher Weise gefährdet.

    b. 
    Darüber hinaus soll der Vermieter, für den Fall, dass der Mieter der Hinterlegungsanordnung nach § 302a ZPO nicht nachkommt, eine einstweilige Verfügung auf Räumung erwirken dürfen. Die Vermieter sollen hier vor sog. „Mietnomaden“ geschützt werden. Bei grundloser Zahlungsverweigerung nach Rechtshängigkeit soll die Hinterlegung betrieben werden dürfen. Kommt der Mieter dieser Anordnung nicht nach, kann im Wege der einstweiligen Verfügung sogar die Räumung erwirkt werden.

    (1) Der Entwurf macht in § 940a Absatz 3 ZPO den Erlass der einstweiligen Verfügung nur davon abhängig, dass eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges erhoben wurde und der Mieter der Hinterlegungsanordnung nicht nachgekommen ist. Beides ist glaubhaft zu machen. Ob die nach Rechtshängigkeit begangenen Vertragsverstöße selbst für eine Kündigung herangezogen werden können, spielt keine Rolle. Der Entwurf hat zudem die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht etwa auf die Räumungsklage, sondern auf die Klage auf Zahlung der nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen bezogen. Das hat zur Folge, dass der Vermieter bei entsprechend glaubhaft gemachten Nachteilen eine einstweilige Verfügung auf Räumung erwirken kann, wenn der Räumungsanspruch selbst im Hauptsacheverfahren streitig ist. Denn es soll hier nur auf die Forderung nach Rechtshängigkeit ankommen.

    (2) Mit der Möglichkeit, über die Verletzung einer Hinterlegungsanordnung eine einstweilige Räumungsverfügung zu erwirken, würde der Schutz des Wohnungsmieters vor übereiltem Verlust seines Wohnraumes deutlich entwertet. Der Wohnraumschutz folgt auch aus der in Artikel 13 GG geregelten Unverletzlichkeit der Wohnung. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber nicht nur in § 940a ZPO, die Möglichkeit, der Räumung im Wege der einstweiligen Verfügung auf die Fälle der verbotenen Eigenmacht und Fälle der Gefahr für Leib und Leben beschränkt. Er verbietet auch in § 1030 Absatz 2 ZPO Schiedsvereinbarungen über den Bestand von Wohnraummietrechtsverhältnissen. Der Gesetzgeber schließt darüber hinaus eine notarielle Vereinbarung über einen Titel zur Räumung von Wohnraum ausdrücklich aus (§ 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO). Viele Vorschriften in der ZPO dienen speziell dem von der Räumung betroffenen Wohnraummieter, so die Regelung der Räumungsfrist in § 721 ZPO oder des Räumungsschutzes in § 765a ZPO. All dies zeigt, dass der Gesetzgeber die wichtige Frage über den Bestand eines Mietverhältnisses bislang dem Erkenntnisverfahren der hierfür berufenen Gerichte überlassen wollte. 

    Die jetzt geplante Regelung verkürzt demgegenüber den Rechtsschutz ganz massiv. Es bliebe allein einer notwendig allgemeinen Prognoseentscheidung des erkennenden Gerichts hinsichtlich der Berechtigung der Einwände überlassen, ob dem Räumungsanspruch statt gegeben wird. Die Entscheidung soll zu alledem unanfechtbar sein.
    (3) Die Regelung des § 940a Absatz 3 ZPO stellt auch im Übrigen eine unzulässige Erweiterung der Möglichkeiten zum Erlass einer einstweiligen Verfügung dar. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung soll schon dann zulässig sein, wenn der Mieter der Hinterlegungsanordnung nach § 302a ZPO nicht nachkommt. Da der Beschluss über die Hinterlegung unanfechtbar ist, prüft das Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren nur noch, ob tatsächlich hinterlegt wurde oder nicht. Hierfür reicht die Glaubhaftmachung. Ausreichend soll es sein, dass der Mieter einer Hinterlegungsanordnung nicht Folge leistet. Da die Hinterlegungsanordnung darin bestehen soll, dass der Mieter zwei Wochen nach Fälligkeit der Forderung diese zu hinterlegen hat, könnte möglicherweise auch eine einzige verspätete Einzahlung die Voraussetzungen einer einstweiligen Räumungsverfügung begründen. In jedem Fall ersetzt die Nichtbefolgung der Hinterlegungsanordnung den Verfügungsgrund (Begründung S. 53). Der Verfügungsanspruch besteht in dem Anspruch auf Räumung. Beides wäre glaubhaft zu machen, also auch der Räumungsanspruch.

    c. 
    Da eine Räumungsverfügung bei sich anschließender Neuvermietung die Hauptsache faktisch vorwegnehmen würde, darf diese nach h.M. schon allein aus diesem Grunde nicht erlassen werden (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 543 Rnr. 147). Denn wenn der Vermieter die Wohnung neu vermietet hat, ist es ihm gemäß § 275 BGB unmöglich, die Räume dem alten Mieter wieder zur Verfügung zu stellen. Außerdem erscheint die Kompensation über den gesetzlichen Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO als unzureichend. Die immateriellen Schäden der Räumung, der Verlust der gewachsenen Sozialstruktur, die individuelle Ausstattung der Wohnung und die eigenen Mühen im Rahmen des Aus- und Umzugs lassen sich nicht ersetzen, sie sind auch mit den Kategorien des Schadensersatzrecht nicht zu fassen. Für sie kann der Mieter adäquaten Ersatz erhalten. Aus diesen Gründen bedarf es für die Räumung von Wohnraum eines im Rahmen des Hauptsacheverfahrens ergangenen Urteils.

    Von diesem allgemeinen Grundsatz soll mit den geplanten Änderungen des § 940a ZPO in Kenntnis der derzeitigen Rechtslage abgewichen werden. Dies legt den Schluss nahe, dass in Räumungsrechtsachen bei der vorliegenden Konstellation auf die Einschränkung des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache verzichtet werden soll. Dies erscheint im Hinblick auf die Bedeutung des Wohnraums und seinen grundgesetzlichen Schutz völlig inakzeptabel.


    5. Wärmecontracting

    Im Rahmen der geplanten Mietrechtsreform soll die Umstellung die Beheizung auf Wärmelieferung im laufenden Mietverhältnis gesetzlich geregelt werden. Waren bisher die Voraussetzungen, unter denen der Vermieter die Kosten der gewerblichen Wärmelieferung im laufenden Mietverhältnis auf den Mieter umlegen konnte, streitig, soll dies nun über den neuen § 556c BGB zusammen mit der Verordnung über die Wärmelieferung für Mietwohnungen möglich sein. Voraussetzung für die Kostentragungspflicht soll sein, dass durch die Umstellung Endenergie oder nicht erneuerbare Primärenergie eingespart wird und die Umstellung für den Mieter kostenneutral ist. Grundsätzlich ist die Regelung zu begrüßen: Durch das Postulat der Kostenneutralität führt die Umstellung auf Wärmelieferung grundsätzlich zu einer Reduzierung der Wärmerzeugung. Strukturell sind die Kosten der Wärmelieferung mit den gesamten Entgeltkosten des Contracters (unternehmerischer Gewinn u.a.) höher als die Erzeugung von Energie durch den Vermieter selbst. Die strukturell höheren Kosten müssen durch die tatsächlich niedrigeren Betriebskosten ausgeglichen werden (Schmid CuR 2011, 52, 54). Die Regelung gilt ausschließlich für die Umstellung der laufenden und zukünftigen Mietverhältnisse, nicht aber für Mietverhältnisse, in denen bereits umgestellt wurde. Vereinbarungen zu Lasten der Mieter sind unwirksam. In der MietWohn-WärmeLV sind die Details zur zwingenden Ausgestaltung der Verträge zur möglichen Preissteigerung und zur Umstellungserklärung gegenüber dem Mieter enthalten, die gerade auch das Postulat der Kostenneutralität sicherstellen sollen. 

    Es gibt dennoch zwei Punkte der Regelung, die zu überarbeiten sind:
     
    a.
    Die Regelungen gelten nicht für Folgeverträge. Sofern der Vertrag über die Wärmelieferung ausgelaufen ist, kann mit den gleichen oder einem neuen Wärmelieferanten ein neuer Vertag geschlossen werden, ohne dass sich die Vertragsparteien an das Postulat der Kostenneutralität und die vorgeschlagene Vertragstransparenz halten müssen. Nach Auslaufen des Erstvertrages kann der Wärmecontracter zu Lasten des Mieters, der die Kosten tragen muss, Gewinne erzielen, die ihm vorher nicht möglich waren. Hier wäre es zumindest sinnvoll, eine Mindestvertragslaufzeit für den ersten Vertrag von fünf Jahren festzuschreiben. Ein ausdrücklicher klarstellender Verweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot wäre gleichfalls zu begrüßen.

    b.
    Die Regelung gilt nicht für die Wohnungseigentümer untereinander. Hier kann im Beschlusswege ohne weiteres die Umstellung auf Wärmelieferung beschlossen werden, ohne dass die strengen Voraussetzungen der MietWohn-WärmeLV und des neu einzuführenden 556c BGB beachtet werden müssten. Dies führt für die vermietete Eigentumswohnung dazu, dass der vermietende Eigentümer die Kosten der Umstellung – sofern sich die WEG nicht von sich aus an den Vorgaben der hier in Rede stehenden Regelungen hält – nicht umlegen kann. Sofern der vermietende Eigentümer nicht über § 21 WEG eine dem Wohnraummietrecht entsprechendes Verfahren durchsetzen kann, wovon regelmäßig nicht auszugehen sein wird, wäre es dem Vermieter unmöglich, die Voraussetzungen des § 556c BGB nebst VO einzuhalten. Es ist zu befürchten, dass die Rechtsprechung im Hinblick auf § 242 BGB in diesen Fällen eine Umstellung auf Wärmelieferung zulässt, ohne dass die Voraussetzungen des § 556c BGB nebst VO gewahrt werden müssten (Schmid CuR 2011, 52, 53). Stellungnahme (PDF)]]>
    news-213 Fri, 06 Jan 2012 08:13:00 +0100 Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami /publikationen/mitteilungen/mitteilung/soziale-bewegungen-im-digitalen-tsunami-213 Tagung zu neuen digitalen Schnüffelwerkzeugen, Berlin 4.2.2012 PROGRAMM 11.00 – 13.00 Uhr Podium 1: Das Handy als polizeiliches Werkzeug zur Strafverfolgung und „Crowd Control“ * Funkzellenauswertung zur Strafverfolgung in Dresden (Peer Stolle, Rechtsanwalt)
    * Aufspüren von DemonstrantInnen in Echtzeit im Iran (Erich Moechel, Internetreporter)
    * Die Verwaltung des digitalen Tsunami: Die Rolle der EU-Sicherheitsforschung (Eric Töpfer, Statewatch/ CILIP)
    Moderation: N.N. 14.00 – 16.00 Uhr Podium 2: Mathematik gegen Dissens – Computergestützte Repression  * Deep packet inspection und Vorratsdaten (Ralf Bendrath, Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Jan Philipp Albrecht, MdEP/ Grüne)
    * Ermittlungssoftware, Data Mining, voraussagende Analyse (Matthias Monroy, Journalist, Gipfelsoli)
    * Polizeiliche Ermittlungen in Sozialen Netzwerken (Rena Tangens, Foebud)
    Moderation: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Münster 16.30 – 19.00 Uhr Was tun: Digitaler Selbstschutz, Rechtsschutz, Online-Petition? Gegenstrategien in den Wogen des „digitalen Tsunami“  * Alternative Provider und digitaler Selbstschutz (NADIR, angefragt)
    * Die Kampagne gegen Vorratsdatenspeicherung: Ein Modell für zukünftige Initiativen? (Katharina Nocun, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung)
    * Wer macht eigentlich Netzpolitik? (Sandra Mamitzsch, Digitale Gesellschaft e.V.)
    * Mit Recht und Gesetz gegen ausufernde digitale Kriminaltechnik? (Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig-Holstein)
    * Aus dem Arsenal der polizeilichen Beschaffungsabteilung: Was da ist, wird auch benutzt (Josephine Fischer, Initiativgruppe „Sachsens Demokratie“, Dresden)
    Moderation: N.N. Zeit:
    4.2.2012 von 11 - 19 Uhr
    Ort:
    Südblock, Admiralstraße 1, 10999 Berlin (U-Bahn 8, Kottbusser Tor)

    Die Teilnahme ist kostenfrei.
    Auf Twitter: #RAV42 Veranstalter: Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/ CILIP, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., data:recollective, Kritische Jurist_innen der FU Mit freundlicher Unterstützung der Holtfort-Stiftung. Einladung "Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami" (PDF)]]>
    news-211 Thu, 05 Jan 2012 08:28:00 +0100 Rechtsstaat auf sächsisch /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsstaat-auf-saechsisch-211 Stellungnahme des RAV vom 5.1.2012 PDF]]> Bürger- und Menschenrechte (doublet) Überwachung Innere Sicherheit (doublet) Demonstrationsfreiheit (doublet) news-212 Mon, 02 Jan 2012 14:35:00 +0100 Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/umsetzung-des-abstandsgebotes-im-recht-der-sicherungsverwahrung-212 Stellungnahme vom 2.1.2012 1 und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz „zur Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 09.11.2011.  Teil I Art. 1, 3-8 RefE; Änderungen des Strafgesetzbuchs, der Strafprozessordnung, des Strafvollzugsgesetzes des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und des Therapieunterbringungsgesetzes Verfasser: RA Sebastian Scharmer 3, Berlin A. Vorbemerkungen  Der vorliegende Referentenentwurf setzt zum einen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 04. Mai 2011 nur teilweise um. Darüber hinaus fehlt es an jeglichen Überlegungen zu einem etwaigen Alternativmodell zur Sicherungsverwahrung, mit dem nach hiesiger Auffassung wesentlich effektiver mögliche Rückfallgefahren vermieden werden könnten. Obwohl der Referentenentwurf an vielen Punkten sicherlich zu einer Verbesserung der Situation der Sicherungsverwahrten und deren Entlassungschancen führen wird, fehlt es an einer notwendigen kritischen Reflexion der Gesetzeslage zur Sicherungsverwahrung überhaupt sowie zumindest an einer neuen Zielsetzung in den entscheidenden Fragen. I.    Es gibt keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung. Wie schon im zuletzt beschlossenen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und begleitenden Regelung vom 22.12.2010 geht nun auch der Referentenentwurf des BMJ von der Setzung aus, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine bewährte Präventionsmaßnahme handle, die geeignet sei, die Allgemeinheit vor schweren Straftaten von Rückfalltätern zu schützen. Der Referentenentwurf geht sogar so weit, dass er meint, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2011 hätte nicht die wesentlichen Inhalte des geltenden Rechts selbst beanstandet, sondern vielmehr auschließlich die Ausgestaltung des Vollzuges im Sinne der Verletzung des Abstandsgebotes bemängelt4. Das Bundesverfassungsgericht hat sämtliche Anforderungen an eine Ausgestaltung des Vollzuges, an eine Beschränkung des Anwendungsbereichs und an die Ausgestaltung von Rechtsschutzmöglichkeiten zunächst einmal grundlegend davon abhängig gemacht, dass der Gesetzgeber überhaupt an dem Konzept der Sicherungsverwahrung festhalten möchte.5 Es hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung bei einer verfassungskonformen Ausgestaltung des Abstandsgebots als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages ein mögliches Instrumentarium darstelle.6 Damit hat es allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch etwa von Verfassungs wegen notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Insofern fehlt im Referentenentwurf jegliche Erwägung dazu, ob und inwieweit die Sicherungsverwahrung überhaupt kriminalpolitisch erforderlich und geeignet ist, Rückfallgefahren zu vermeiden. Anders als vom Referentenentwurf unterstellt, ist die Notwendigkeit der Maßregel der Sicherungsverwahrung nicht als selbstverständlich zu erachten.7  Der Referentenentwurf setzt sich zum einen nicht mit der Problematik der (erheblichen) Ungenauigkeit der Gefahrenprognose, die für die Anordnung, Fortdauer und Vollstreckung der Sicherungsverwahrung maßgeblich ist, auseinander. Selbst renommierte und erfahrene Sachverständige sprechen davon, dass in der Vielzahl der Fälle die Gefährlichkeitsprognose zu Lasten der betroffenen Untergebrachten fehlerhaft überhöht negativ dargestellt wird. Der 2004 von dem Bundesverfassungsgericht mündlich angehörte Sachverständige Prof. Dr. Nedopil (Universität München) hat sich insoweit öffentlich dazu geäußert, dass er davon ausgehe, dass in vier von fünf Fällen eine fehlerhaft negative Gefährlichkeitsprognose zu Lasten der Betroffenen erhoben werde.8 Diese Einschätzung hat auch der am 08.02.2011 vor dem Bundesverfassungsgericht mündlich angehörte Sachverständige Prof. Dr. Dittmann (Universitäre Psychiatrische Kliniken UPK Basel) bestätigt. Hinzu kommt, dass die bislang vorliegenden Studien ergeben haben, dass die Rückfallraten bei entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten jedenfalls nicht höher sind, als bei entlassenen Langzeitgefangenen ohne Anordnung oder Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. So hat insbesondere eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zur Erforschung von Rückfallgefahren bei entlassenen Gefangenen, bei denen aus Rechtsgründen, die Maßregel der nachgewiesenen Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden konnte, gleichwohl aber eine Hochgefährlichkeitsprognose abgegeben wurde, ergeben, dass von den dort untersuchten 77 entlassenen Fällen mit einschlägigen Taten, die die Anordnung der Sicherungserwahrung begründen könnten, vier rückfällig geworden sind, zwei mit Raubdelikten, zwei mit Sexualdelikten9. Die mediale Wahrnehmung hingegen ist eine gänzlich andere. Immer wieder wird anlässlich spektakulärer Einzelfälle behauptet, es gebe vermeintliche „Schutzlücken“. Damit einhergehend wurde das Institut in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und auch mit der letzten Gesetzesreform zum 01.01.2011 nicht wesentlich beschränkt. Dabei ist auffällig, dass die medial wahrgenommenen Fälle in der Regel solche waren, die letztlich mit den dann einhergehenden Verschärfungen des Rechts der Sicherungsverwahrung praktisch nicht hätten verhindert werden können – mithin ein realer Bezug in der Regel fehlt. In einer rechtsstaatlich geprägten Gesellschaft wird es immer Kriminalität und auch immer Rückfalltäter geben. Eine lückenlose Überwachung und Kontrolle ist zum einen nicht möglich und wäre im übrigen auch in einer freiheitlich geprägten Demokratie unmöglich umzusetzen. Insofern kann es nur darauf ankommen, eine möglichst effektive Rückfallprävention zu regeln und auch praktisch umzusetzen, die die Bevölkerung schützt und die Grundrechte, insbesondere die Freiheitsrechte der Betroffenen, so weit wie möglich wahrt. Eine Gruppe von Gefangenen auszuwählen, diese anhand von unsicheren sowie belegt übertrieben negativen Prognosen für gefährlicher einzustufen als den Rest und deswegen unbefristet wegzusperren, hat eine populäre Alibi-Funktion gegenüber der Bevölkerung, ist jedoch kriminalpolitisch im Hinblick auf die Rückfallvermeidung eher kontraproduktiv. Geht man davon aus, dass Langzeitgefangene durchschnittlich eine ähnliche Rückfallerwartung wie Sicherungsverwahrte haben, so stellt sich die Frage, warum die insgesamt bestehenden Defizite im Strafvollzug hinsichtlich aller Gefangenen nicht soweit verbessert werden, dass eine effektive Rückfallvermeidung möglich ist. Gleiches gilt für die Frage der Ausstattung der Bewährungshilfe, Führungsaufsicht und der freien Träger, sowie für die Gestaltung einer sinnvollen Entlassungsvorbereitung im Vollzug. Bei gleichzeitiger Abschaffung der Sicherungsverwahrung und Ausbau der Behandlungs-, Resoszialisierungs- und Nachsorgeangebote für alle Gefangenen wäre eine wesentlich effektivere Rückfallvermeidung zu erreichen, als durch das oft populistisch genutzte Instrument der Sicherungsverwahrung.  Stattdessen wirkt sich die im Referentenentwurf beschriebene Verbesserung der Vollzugsbedingungen für (potentielle) Sicherungsverwahrte möglicherweise sogar negativ auf die Gestaltung des Vollzuges für sonstige Strafgefangene aus. Dabei mag es durchaus verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, eine unterschiedliche Behandlung für diese Gruppen von Gefangenen anzubieten, da die von Sicherungsverwahrung Bedrohten letztlich Gefahr laufen, aufgrund ihres Status möglicherweise das Sonderopfer zu erbringen, auf unbefristete Zeit weggesperrt zu bleiben, Strafgefangene hingegen in der Regel ein konkretes Entlassungsdatum vor Augen haben. Die Entwicklungen im Strafvollzug in den letzten Jahren legen den Schluss nahe, dass die Länder die nunmehr erforderlichen effektiven Resozialisierungsmaßnahmen für Sicherungsverwahrte in Form von Einsparungen zu Lasten des Vollzugs für Strafgefangene umsetzen. Dies könnte sich wiederum kontraproduktiv auf die Rückfallquoten insgesamt auswirken und damit letztlich das gesetzgeberische Ziel – nämlich die mögliche Vermeidung von schweren Straftaten – ad absurdum führen.  Insofern ist zu bedauern, dass die aktuellen Forschungsergebnisse und ggf. weitere anzustrengende kriminologische Studien nicht zumindest Eingang in eine Diskussion gefunden haben, die die Sicherungsverwahrung als Instrument zur Gefahrenvermeidung insgesamt kritisch reflektiert. Insoweit wäre es – trotz der zugegebenermaßen knappen Zeit zur Umsetzung der Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2011 - ratsam, im Rahmen einer Expertenkommission aus Kriminologen, forensisch-psychiatrischen Sachverständigen, Strafvollstreckungsrichtern, Verteidigern sowie der staatlichen und freien Träger, der Nachsorgeeinrichtungen incl. Bewährungshilfe und Opferverbänden zu klären, ob Alternativen zur Sicherungsverwahrung bestehen, die den Schutz der Allgemeinheit effektiver und weniger grundrechtseingriffsintensiv gewährleisten, als dies mit der Regelung aus dem Referentenentwurf bezweckt werden kann. II. Jedenfalls ist eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung notwendig. Der Referentenentwurf geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Regelungen zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung grundsätzlich unbeanstandet gelassen hätte. Diese Einschätzung geht jedoch im Ergebnis fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat einerseits sehr deutlich gemacht, dass die Verletzung des Abstandsgebotes, die seit 2004 kontinuierlich, trotz entsprechender Mahnung aus Karlsruhe fortgesetzt wurde, im Wesentlichen zur Verfassungswidrigkeit der Normen beigetragen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch erneut deutlich gemacht, dass die Sicherungsverwahrung nur als letztes Mittel der Prävention greifen kann, um schwere Straftaten bei einer hohen Gefährlichkeit von Rückfalltätern für die Allgemeinheit zu verhindern.10 Solange der verfassungswidrige Zustand noch nicht durch Gesetz behoben ist, hat das Bundesverfassungsgericht für die weitere Anwendung der Normen klargestellt, dass eine Anordnung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung (unabhängig von den Fällen des gesteigerten Vertrauensschutzes) nur möglich ist, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen der Person oder aus dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.11 Auch die Bundesjustizministerin hat stets öffentlich betont, dass die zukünftige Regelung der Vermeidung von erheblichen Gefahren für schwere Gewalt- und Sexualdelikte dienen soll.  Eine solche Beschränkung auf Gewalt- und Sexualdelikte für den Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung lässt sich dem nun vorliegenden Referentenentwurf jedoch gerade nicht entnehmen. Denn die zum 01.01.2011 eingeführte Regelung aus § 66 StGB bleibt vollkommen unangetastet. Danach kann die Sicherungsverwahrung auch bei Straftaten nach dem 1., 7., 20. oder 28. Abschnitt des besonderen Teils, nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder nach dem Betäubungsmittelgesetz oder bei Verstößen gegen die Führungsaufsichtsauflagen angeordnet werden. Das bedeutet, dass immer noch Straftaten, wie beispielsweise das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder aber auch der gewaltanwendungsfreie Raub genügen, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen oder fortdauern zu lassen. Eine solche Regelung steht zum einen mit den Maßgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Widerspruch. Zum anderen hat auch die aktuelle fachgerichtliche Rechtsprechung jüngst an Beispielen klargestellt, dass gerade diese Deliktgruppen nicht in die Kategorie schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten, wie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 benannt, fallen können.

    So stellt sich insbesondere die Frage, wie mit Raubdelikten umgegangen werden soll, bei denen die Tatvariante der Drohung mit Gewalt – ggf. mit objektiv ungefährlichen Mitteln – Gegenstand der Verurteilung ist. Der klassische Fall wäre insoweit ein begangener Banküberfall mittels einer ungeladenen Schreckschusspistole oder Spielzeugwaffe, der – jedenfalls nach Auffassung des 4. Senats des Bundesgerichtshofes – nicht ausreichen kann, um die Kategorie der schweren Gewalt- und Sexualstraftaten zu erfüllen.12 Insoweit hat der Bundesgerichtshof in der maßgeblichen Entscheidung Folgendes ausgeführt:  „Nicht alle „erheblichen Straftaten“, durch welche die Opfer „seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“ (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, a.F., bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch „schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten“ im Sinne der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB (BGH, Beschluss vom 02. August 2011 – 3 StR 208/11, Rz. 12).“ Insofern hat auch der Bundesgerichtshof die Frage aufgeworfen, ob für bestimmte Deliktgruppen oder Begehungsweisen ohne ein Hinzutreten besonderer Umstände nicht generell die Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung auszuschließen ist.13 Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund des Handeltreibens oder der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln. Dadurch mag zwar das Rechtsgut der “Volksgesundheit“ verletzt oder gefährdet sein. Dies kann jedoch aufgrund des notwendigen Schritts des eigenverantwortlichen Konsums des Betäubungsmittelerwerbers nicht ausreichen, um es mit schweren Gewalt- oder Sexualdelikten gleichzusetzen.14 All diese, von der Rechtsprechung zutreffend dargestellten Bedenken gegen die Anordnung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung in diesen Deliktbereichen, sind im Referentenentwurf bislang unbeachtet geblieben. Insofern stellt sich die Frage – wenn schon öffentlichkeitswirksam dargestellt wird, dass Sicherungsverwahrung nur in Fällen von schweren Gewalt- und Sexualdelikten angeordnet werden soll – warum die Regelungen, die nunmehr im Jugendstrafrecht vorgesehen sind und tatsächlich ausschließlich schwere Gewalt- und Sexualdelikte umfassen, nicht im Erwachsenenstrafrecht gelten sollen. Gleiches gilt für die Regelung, dass aufgrund von Führungsaufsichtsverstößen nicht nur eine Strafe, sondern auch Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann. Insofern erscheint es auch hier als äußerst problematisch, wenn eine Qualifizierung dieses Anwendungsbereiches nicht im Gesetz deutlich vorgesehen ist. Insgesamt ist es also eine Frage der Zeit, wenn es bei dem derzeitigen Anwendungsbereich bleibt, bis das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesen in einer erneuten Entscheidung, die wiederum gesetzgeberisches Handeln notwendig macht, beschränkt. Insofern sollte im aktuellen Referentenentwurf - wenn schon nicht die Abschaffung der Sicherungsverwahrung erwogen wird – zumindest eine tatsächliche Beschränkung des Anwendungsbereichs vorgenommen werden. Bezüglich der hier benannten Deliktgruppen ist es im Übrigen auch der Allgemeinheit kaum bekannt und wenig nachvollziehbar, dass überhaupt die Anordnung einer Sicherungsverwahrung in Betracht kommen kann. Dem Verfasser ist durchaus bewusst, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen Anteil der Sicherungsverwahrten handelt. Dennoch existiert eine nicht unerhebliche Gruppe, die ggf. wegen erheblicher Straftaten, aber nicht wegen schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte in Sicherungsverwahrung einsitzt oder von ihr bedroht ist.15   B. Zu den einzelnen Regelungen  Obwohl von hier aus eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung gefordert, zumindest eine Einschränkung des Anwendungsbereichs für sinnvoll erachtet wird, soll auf die einzelnen Regelungen zur Ausgestaltung der Konzeption des Vollzuges und der Vollstreckung bzw. des Rechtsschutzes aus dem Referentenentwurf im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - eingegangen werden. I. Art 1: Änderung des StGB 1.  § 66c StGB RefE; Behandlung und Betreuung a)    § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE korrespondiert mit den Mindestanforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den zukünftigen Vollzug der Sicherungsverwahrung, insbesondere mit dem Ultima-ratio-Prinzip, dem Individualisierungs- und Intensivierungsgebot und dem Motivierungsgebot. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass eine zukünftige Regelung eine gesetzliche Dichte aufweisen muss, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht der Exekutive und Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen wirksam determiniert.16 An diesen Vorgaben muss sich demnach das Konzept von § 66c StGB RefE in allen maßgeblichen Bereichen messen lassen. Dabei wird hier nicht verkannt, dass die Ausgestaltung des Vollzuges – und auch die der Sicherungsverwahrung – in erster Linie Ländersache ist, der Bundesgesetzgeber vielmehr allein eine Konzeption erstellen muss. Diese Konzeption muss allerdings die wesentlichen Punkte so konkret darstellen, dass sie von den Ländern auch umgesetzt werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass der seit 2004 bereits festgestellte verfassungswidrige Zustand des fehlenden Abstandsgebotes weiterhin Geltung erfährt – sei es aus Unwilligkeit, Unfähigkeit oder Nichtfinanzierbarkeit der übertragenen Aufgaben seitens der Länder.   § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE sieht insoweit eine „umfassende Behandlungsuntersuchung“ und einen regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplan vor, der eine entsprechende Betreuung, wie sie § 66c Abs. 1 Nr. 1 a) und b) vorsieht, gewährleisten muss. Wünschenswert wäre insoweit eine Konkretisierung, dass die umfassende Behandlungsuntersuchung zum Ende des Vollzuges der Strafe bzw. Beginn eines möglichen Vollzuges der Sicherungsverwahrung stattfinden muss, sich also nicht auf die ohnehin nach dem Strafvollzugsgesetz am Beginn der Strafe stattzufindende Behandlungsuntersuchung nach §§ 6 ff. StVollzG bezogen werden kann. Auch die Beschreibung der regelmäßigen Fortschreibung eines Vollzugsplans ist bereits in der Rechtsprechung zum StVollzG (§§ 7 ff.) anerkannt. Um eine entsprechende Regelungsdichte zu gewährleisten, wäre es allerdings sinnvoll, eine entsprechende Maximalfrist für die Regelmäßigkeit der Überprüfung festzulegen. Denn zugegebenermaßen wäre auch eine fünfjährige Vollzugsplanfortschreibung in gewisser Weise regelmäßig, aber sicherlich nicht das, was das Bundesverfassungsgericht – und im Übrigen auch der Referentenentwurf des BMJ – erwarten. Insofern wäre es durchaus von der Konzeptionspflicht und Möglichkeit des Bundesgesetzgebers erfasst, einen konkreten Zeitraum festzusetzen, innerhalb dessen in jedem Fall eine Vollzugsplanung fortgeschrieben werden muss. Entsprechend den Vorgaben im Strafvollzug – die im Rahmen der vollstreckten Sicherungsverwahrung erst Recht gelten müssten – wäre insoweit ein Zeitraum von maximal sechs Monaten angemessen, nachdem jeweils eine Fortschreibung der Vollzugsplanung unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung zu erfolgen hat.  b)    In § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB RefE wird sodann die Behandlung in wesentlichen Grundzügen wiedergegeben. Sie soll danach individuell und intensiv sein, die Mitwirkungsbereitschaft wecken sowie fördern. Insbesondere sollen psychiatrische und psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungsangebote gemacht werden, die individuell zugeschnitten sind. Der Referentenentwurf sieht insoweit allerdings die Einschränkung vor, dass solche Angebote nur gemacht werden sollen, „soweit standardisierte Angebote nicht erfolgreich sind“. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich allerdings gerade nicht vom Nichterfolg standardisierter Maßnahmen als Voraussetzung für individuelle Therapieangebote gesprochen, sondern hat lediglich ausgeführt, dass die erhöhten Kosten für eine individuell zugeschnittenes Therapieprogramm im Vergleich zu standardisierten Angeboten nicht ausschlaggebend sein können, wenn erstere erfolgversprechender sind.17 Insoweit kann die Regelung sinnwidrig interpretiert werden. Es wäre demnach sinnvoll, die Einschränkung hinsichtlich standardisierter Angebote vollständig zu streichen.   Hinzu kommt, dass im Rahmen der Behandlung der Verweis auf Arbeits- und Ausbildungsangebote gänzlich fehlt, was in der Begründung des Referentenentwurfes damit erklärt wird, dass der Bundesgesetzgeber wesentliche Leitlinien, die Landesgesetzgeber hingegen die konkrete Ausgestaltung des Vollzugs zu regeln haben. Insofern zeigt allerdings die Praxis, dass eine erfolgreiche Ausbildung bzw. Arbeitsaufnahme einen erheblichen Beitrag zur Prognoseverbesserung liefern kann. Demnach sollten diese Behandlungsoptionen auch in den Leitlinien vorgegeben werden, damit den Landesgesetzgebern, den Justizvollzugsanstalten sowie auch den nach § 119 a StVollzG RefE zuständigen Strafvollstreckungskammern bewusst ist, dass diese Möglichkeiten von den behandelnden Einrichtungen erwogen und jedenfalls rechtmäßig beschieden werden müssen.  c)    Soweit § 66c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB RefE ein Beschleunigungsgebot für die Behandlung vorsieht, ist dies mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gut vereinbar. Die Formulierung im Referentenentwurf ist allerdings insofern etwas unklar, als sie von dem Ziel spricht, die „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit“ zu mindern. Tatsächlich ist Gegenstand der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung immer nur eine Gefährlichkeitsprognose, die – deswegen auch die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts als Sonderopfer – nicht zutreffend sein muss. Insofern wäre es nach hiesigem Dafürhalten sinnvoller, von einer möglichst baldigen Prognoseverbesserung, als von einer Gefährlichkeitsverminderung zu sprechen, da dies folgerichtig dem präventivrechtlichen Charakter der Sicherungsverwahrung entsprechen würde.  d)    § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB RefE regelt das vom Bundesverfassungsgericht vorgesehene Trennungsgebot. Danach dürfen die Untergebrachten so wenig wie möglich durch ihre Unterbringung belastet werden. Diese muss – soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen – den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst sein.  Insofern stellt sich allerdings die Frage, inwieweit sich die Regelung von § 4 Abs. 2 StVollzG und dessen Entsprechungen in den Länderstrafvollzugsgesetzen tatsächlich unterscheidet. Danach unterliegen Gefangene nach dem Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Beschränkungen ihres Freiheitsrechts. Weitere Beschränkungen sollen nur auferlegt werden, soweit diese zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind. Der Strafvollzug – der nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neben der Resozialisierung u.a. dem Schuldausgleich dient – findet seine Grenzen in der Beschränkung der Freiheit. Insofern bestehen für ihn nach dem Willen des Gesetzgebers Anpassungserfordernisse an die Lebensverhältnisse außerhalb des Strafvollzugs, die weitergehende Beschränkungen nur unter Sicherheits- und Ordnungserwägungen zulassen, was keinen wesentlich anderen Regelungsinhalt, als in § 66c Abs. 1 N. 2a) StGB RefE darstellt. Die Formulierung aus § 66c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB RefE ist demnach nicht weitgehend genug. Allerdings ist insoweit auch die Frage berechtigt, inwieweit ein dem Abstandsgebot entsprechender Freiheitsentzug, der mit der Sicherungsverwahrung einhergehen soll, sich rein praktisch noch von dem Grundgedanken des Anpassungsgrundsatzes im Strafvollzug unterscheiden soll. Es ist wenig sinnvoll, nunmehr eine Regelung für (potentiell) Sicherungsverwahrte zu schaffen, die schlichtweg nur die Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes übernimmt und diese in der Hoffnung an die Länder weiter trägt, dass sie effektiver und besser umgesetzt wird, als dies bei Strafgefangenen ohnehin bereits seit Einführung des StVollzG erforderlich wäre. Die Konzeption des Bundesgesetzgebers sollte sich insoweit bemühen, in den gegebenen Grenzen der Gesetzgebungskompetenz klarere Anforderungen an die Ausgestaltung der Unterbringungsmöglichkeiten zu formulieren. Maßgebend könnten insoweit die Kriterien sein, die das OLG Naumburg in seinem Beschluss vom 30.11.2011 aufgestellt hat18:   „Dem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten ist ein Raum in angemessener Größe zur Verfügung zu stellen, der sich, um dem Abstandsgebot Rechnung zu tragen, in der Größe und der Ausstattung deutlich von den Hafträumen für Strafgefangene unterscheiden muss und daher auch mit einer eigenen Nasszelle, mit Dusche sowie einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank zu versehen ist.“  Das OLG Naumburg sah insoweit eine Mindestgröße für die Verwahrung von 20 qm zzgl. einer eigenen Nasszelle mit Dusche und einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank vor. Entgegen anderweitiger, meist populistisch geprägter Ausführungen ist eine solche Mindestvorgabe auch sinnvoll. Orientiert man sich an den Grundsätzen, die beispielsweise für Empfänger von Arbeitslosengeld II in Freiheit gelten würden, so wäre die Finanzierung einer angemieteten Wohnung mit einer Raumgröße von 20 qm zzgl. einer Nasszelle, Kochmöglichkeit und Kühlschrank im Rahmen des Existenzminimums in jedem Fall gedeckt. Warum für den Vollzug der Sicherungsverwahrung – die sich von dem Leben in Freiheit allenfalls durch eine Mauer darum unterscheiden sollte – die Lebensbedingungen anders sein sollten, als bei Wahrung des Existenzminimums in Freiheit, erschließt sich nicht. Wenn der Gesetzgeber an der Form der präventiven Inhaftierung aufgrund von vermeintlichen Sicherheitsinteressen im Einzelfall festhalten will, wird er hierbei auch die im Rahmen des Vollzuges dieser Unterbringung notwendigen – wenn auch finanziell erheblichen – Schritte unternehmen müssen. Insofern wäre eine Regelung, die konkretere Vorgaben im Sinne von Mindeststandards festlegt, auch im Rahmen einer Konzeptionspflicht möglich – wenn nicht sogar notwendig. Die Erwägungen in dem zitierten Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg wären insoweit durchaus als zielführend zu betrachten.  e)    Soweit nach § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB RefE eine Unterbringung getrennt vom Strafvollzug oder in besonderen Gebäuden und Abteilungen stattfinden soll, ist dies – wenn man bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt – grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings besteht bei einer solchen Formulierung die Gefahr, dass – wie bislang – auch in gesonderten Abteilungen einer JVA eine Unterbringung erfolgt, die mit dem Strafvollzug mit Ausnahme einer Umdeklarierung der Räume und einer gewissen, marginal erweiterten Ausstattung sonst ohne weiteres vergleichbar ist. Eine vermeintliche bauliche Trennung gibt insoweit beispielsweise die JVA Tegel aktuell vor, die allein in einer Gittertür, welche die für Sicherungsverwahrte vorgesehene Station von denen für Strafgefangene trennt, besteht. Eine solche bauliche Trennung ist sicherlich nicht im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011.  Dabei wird durchaus nicht verkannt, dass Justizvollzugsanstalten mit ihren Arbeits-, Ausbildungs- Sport- und mitunter auch Freizeitangeboten weitere Möglichkeiten bieten würden, als ein „Haus auf der Wiese“, in dem – je nach Bundesland- ggf. nur wenige Verwahrte Platz finden würden. Nach hiesigem Dafürhalten wäre es insoweit erforderlich, wenn Möglichkeiten der JVA genutzt werden sollen, diese im Wege von Transporten oder aber Ausgängen oder Ausführungen zu sichern. Es spricht nichts dagegen, dass ein Sicherungsverwahrter, der in einem gesonderten Gebäude in einer eigenen Unterkunft untergebracht ist, täglich mit einem Bus, begleitet oder selbständig den Weg zu seiner in der JVA befindlichen Arbeit-/Ausbildungsstätte oder zum gemeinschaftlichen Fußballspielen etc. antritt. Im Rahmen einer klareren Vorgabe für die Länder, die aus fiskalischen Gesichtspunkten an der Umsetzung erfahrungsgemäß dort sparen werden, wo es möglich ist, wären eindeutige Trennungsvorgaben sinnvoll.   Gleiches betrifft auch die Ausnahmeregelung, die die Behandlung der Untergebrachten betrifft. So mag es im Einzelfall aus therapeutischer Sicht sinnvoll sein, eine sozialtherapeutische Behandlung mit anderen Gefangenen – beispielsweise im Rahmen eines Gruppensettings – in der JVA durchzuführen. Die Ausnahmeregelung darf jedoch nicht dafür herhalten, das von Verfassungs wegen zu beachtende strikte Trennungsgebot aufzuweichen. Insofern sollte die Regelung soweit eingeschränkt werden, dass eine Zustimmung des Untergebrachten dazu genauso erforderlich ist, wie die weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass die Behandlung nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 nicht auch im getrennten Vollzug der Sicherungsverwahrung gleich erfolgversprechend möglich ist.  f)    Zur Erreichung des Vollzugsziels sind nunmehr in der Konzeption Vollzugs öffnende Maßnahmen gesetzlich vorgesehen. Dass diese dann nur noch unter geringeren Voraussetzungen als nach § 11 Abs. 2 StVollzG und den Entsprechungen der Länderstrafvollzugsgesetzen abzulehnen sind, wird durchaus begrüßt.  So regelt § 66c Abs. 1 Nr. 3 a) StGB RefE keine Ermessens-, sondern eine bindende Entscheidung, die ausnahmsweise aus zwingenden Gründen umgangen werden kann, wobei der nach § 11 Abs. 2 StVollzG den Vollzugsbehörden zustehende Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Missbrauchs- und Fluchtgefahr nur begrenzt auf die vorliegende Regelung übertragbar erscheint. Problematisch an der Regelung ist allerdings, dass die verbesserten Rechtsschutzmöglichkeiten, die für die Maßnahmen nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE maßgeblich sind, gerade für Vollzugs öffnende Maßnahmen nicht (mehr) vorgesehen sind.19   Die in § 66c Abs. 1 N. 3 b) StGB RefE deklarierte Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit mit staatlichen und freien Trägern für eine nachfolgende Betreuung in Freiheit ist ebenfalls sinnvoll, allerdings wegen des diesbezüglich mangelhaften effektiven Rechtsschutzes ebenso problematisch (s.o. bei Vollzugs öffnenden Maßnahmen).  g)    Essentiell für den Referentenentwurf ist die Regelung in § 66 c Abs. 2 StGB RefE, nach der eine individuelle und intensive Betreuung im Sinne von § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE bereits im Strafvollzug vor einer möglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeboten werden muss, mit dem Ziel, diese effektiv zu verhindern.   Die Regelung umfasst allerdings ausdrücklich nicht die zur Erreichung der Vollzugsziele notwendigen Maßnahmen nach § 66 c Abs. 1 Nr. 3 RefE, insbesondere Vollzugs öffnende Maßnahmen. Insofern gewährleistet der Verweis aus § 66 c Abs. 2 RefE gerade nicht, dass eine effektive Verhinderung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bereits durch eine erfolgreiche Behandlung im Strafvollzug erfolgt. Denn gerade für die Prognoseentscheidung aus §§ 67c Abs. 1, 67 d Abs. 2 StGB (RefE) ist eine Erprobung in Vollzugs öffnenden Maßnahmen regelmäßig eine ganz erhebliche und bedeutsame Voraussetzung. Es ist den Sachverständigen nur bei einer Erprobung in Vollzugslockerungen möglich, ihre Prognose auf eine breitere Basis zu stellen. Diese, in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte besondere Funktion von Vollzugslockerungen ermöglicht nach oder während einer erfolgreichen Behandlung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE erst die tatsächlich effektive Vermeidung der Anordnung und Vollstreckung der Maßregel von Sicherungsverwahrung.   Es macht keinen Sinn, Behandlungsmaßnahmen in Form von Therapieangeboten erst umfassend durchzuführen, eine Erprobung in Vollzugslockerungen jedoch nach den allgemeinen Maßstäben des § 11 Abs. 2 StVollzG (sowie den Entsprechungen in den Länderstrafvollzugsgesetzen) und nicht an der erhöhten Schwelle des § 66c Abs. 1 Nr. 3a) StGB RefE zu prüfen. Demnach sollte § 66 c Abs. 2 RefE auch einen klaren Bezug zu § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE beinhalten.  2.    § 67a StGB RefE: Überweisung in eine andere Maßregel  Die Änderungen zu § 67 a StGB RefE sind weitestgehend zu begrüßen. Die aktuell gültige Regelung in § 67 a Abs. 1 Satz 2 StGB hat sich insoweit als unpraktikabel erwiesen. Sollte eine effektive Prognoseverbesserung im Vollzug am ehesten durch eine Maßregel - etwa nach § 64 StGB bei einer bestehenden Suchterkrankung – möglich sein, so muss eine Verlegung bereits während der Strafvollstreckung möglich sein, ohne dass ein „Zustand nach §§ 20, 21 StGB“ aktuell vorliegen muss. Die bislang geltende gesetzliche Regelung stieß in der Anwendung durch die Fachgerichte insoweit ohnehin auf erhebliche Bedenken. Allerdings ist die nunmehr  gewählte Formulierung, wonach die Überweisung „medizinisch“ angezeigt sein solle, auch nicht besonders weiterführend. Sinnvoll wäre insoweit eine Konkretisierung, dass die Verlegung zur Behandlung erforderlich ist, weil andere im Vollzug individuell angebotene Maßnahmen weniger erfolgversprechend sind.  3.    §§ 67c, 67d, 67e StGB RefE: Anordnung und Fortdauer der Vollstreckung  Ein weiteres entscheidendes Kernstück des Referentenentwurfes ist sicherlich die Entscheidungsbefugnis der Strafvollstreckungskammer über die Vollstreckung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach §§ 67 c Abs. 1, 67 d Abs. 2, 3 StGB RefE.  Die grundsätzliche Idee, dass eine Sicherungsverwahrung – unabhängig von einer Gefahrenprognose – dann nicht vollstreckt werden darf, wenn eine indizierte Behandlung während des Vollzuges nicht angeboten worden ist, ist deutlich zu begrüßen. Nur so wird es effektiv möglich sein, entgegen fiskalischer Bedenken oder auch bloßem Unwillen der Justizvollzugsanstalten Behandlungsmaßnahmen so effizient durchzusetzen, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch tatsächlich in vielen Fällen wegen der dann prognostizierten geringeren Gefährlichkeit entbehrlich ist. Auf der anderen Seite ist nicht nachvollziehbar, warum die Regelung des § 67 c Abs. 1 Nr. 2 StGB RefE nicht auch Bezug auf die notwendige Gewährung von Vollzugslockerungen nach § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE nimmt.   Denn regelmäßig wird es gerade im Fall der Gewährung von Vollzugs öffnenden Maßnahmen erforderlich und sinnvoll sein, effektive Kontrollmechanismen einzuführen, um die Einhaltung der von Verfassung wegen zu beachtenden Behandlungs- und Motivierungsstandards zu gewährleisten. Es kann gerade Teil der Motivierungsarbeit der JVA sein, Ausführungen oder begleitete Ausgänge dann zu gewähren, wenn andere Behandlungsmaßnahmen noch nicht greifen oder ggf. um eine Compliance erst herzustellen. Vollzugs öffnende Maßnahmen sind wesentliche Behandlungsmaßnahmen, die zur Prognoseverbesserung entscheidend beitragen.20 Insofern muss auch die rechtswidrige Versagung von Vollzugs öffnenden Maßnahmen nach § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung im Sinne von § 67c Abs. 1 Nr. 2 StGB RefE führen.  Soweit in § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB RefE nach Beginn der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung bei fehlenden Behandlungsangeboten für die weitere Vollstreckung eine Unverhältnismäßigkeitsklausel eingeführt werden soll, ist dies ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings geht auch diese Regelung nicht weit genug.   Es fehlt zum einen an einer klaren Regelung, dass nach fruchtlosem Verstreichen einer vom Gericht gesetzten Maximalfrist von sechs Monaten die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen ist. Zum anderen gilt im Hinblick auf den fehlenden Bezug zu § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE das oben Gesagte, wobei gerade nach Beginn der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mitnichten  nachvollziehbarer ist, weshalb nicht auch die Versagung von Behandlungsmaßnahmen im Sinne von § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE zu einer Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung führen soll.   Insgesamt ist ferner den vorgesehenen Neuregelungen in § 67 c Abs. 1 und § 67 d Abs. 2 StGB RefE gemein, dass sie den bislang geltenden Prognosemaßstab für die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und Fortdauer derselben nicht begrenzt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit klargestellt, dass es bei der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nicht darum gehen kann, dass die im erkennenden Urteil festgestellten Gefahren durch den Untergebrachten widerlegt werden müssen. Vielmehr muss eine konkrete Gefahr für schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten sein. Insofern ist auch für die Prüfung nach § 67 c Abs. 1, 67 d Abs. 2 der Prognosemaßstab, der zuvor allein in § 67 d Abs. 3 StGB vorgesehen war, maßgeblich. Dies würde im übrigen auch zu einer vom Bundesverfassungsgericht geforderten, sorgfältigen Überprüfung der Anordnungsvoraussetzung zu jedem Entscheidungszeitpunkt durch die Strafvollstreckungskammer führen, die durch die aktuelle Regelung nicht gewährleistet ist.21  Die Verkürzung der Überprüfungszeiträume in § 67 e Abs. 2 StGB RefE ist – wenn man bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt – uneingeschränkt zu begrüßen.  II. Art. 3, Änderung der Strafprozessordnung  1.    § 463 Abs. 3 StPO RefE: Einholung von Sachverständigengutachten  Die vorgeschriebene Einholung eines Sachverständigengutachtens bei der Prüfung nach § 67 c Abs. 1 StGB RefE unabhängig von der Frage der Erwägung einer Bewährungsaussetzung nach § 463 Abs. 3 StPO RefE wird grundsätzlich begrüßt. Es ist schon nach aktuellen verfassungsrechtlichen Vorgaben schwer nachvollziehbar, warum Fachgerichte insbesondere nach lang andauernder Strafvollstreckung und einem fortgeschrittenen Alter von Betroffenen nicht im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht ohnehin regelmäßig eine Sachverständigenbegutachtung zumindest zu der Frage von § 67c Abs. 1 StGB durchführen. Eine gesetzliche Regelung ist insoweit überfällig.   Allerdings stellt sich die Frage, warum nicht auch bei der Überprüfung nach § 67 d Abs. 2 StGB – zumindest in zyklischen Abständen – eine Maximallaufzeit für eine erneute Begutachtung vorgesehen ist. Gerade bei fortschreitenden Behandlungsmaßnahmen ist es jedenfalls in zweijährigen Abständen mit Sicherheit erforderlich und sinnvoll, eine externe Sachverständigenbegutachtung durchzuführen, um die weitere Gefährlichkeitsprognose zu evaluieren und die Ausgestaltung des Vollzuges ggf. korrigieren zu können.22 Dass eine solche Begutachtung nicht für jeden – nun jährlichen – Überprüfungszeitraum nach § 67 d Abs. 2 StGB RefE erfolgen kann, wird nicht in Zweifel gezogen. Dass im Rahmen effizienter Behandlung eine Begutachtung zumindest alle zwei Jahre erforderlich ist, dürfte hingegen nicht nur sinnvoll und erforderlich, sondern im Hinblick auf die nötige Regelungsdichte und gesteigerte Aufklärungspflicht der Fachgerichte auch notwendig sein.  2.    § 463 Abs. 8 StBG RefE: Pflichtverteidigerbestellung  Die Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung, die allerdings regelmäßig schon in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO von den Fachgerichten bei den Verfahren nach § 67 c Abs. 1 StGB und § 67 d Abs. 2 StGB vorgesehen ist, ist zu begrüßen. Auch die Fortgeltung der Verteidigerbestellung nach § 463 Abs. 8 des RefEes ist grundsätzlich im Rahmen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu begrüßen, wobei allerdings für die Untergebrachten eine Wechselmöglichkeit gesetzlich vorgesehen werden sollte. Die sehr engen Grenzen der Geltendmachung der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zum Pflichtverteidigerwechsel sind insoweit nicht ausreichend, um eine langjährige, effektive Verteidigung in Vollstreckungssachen zu gewährleisten. Auch ist es bei der mitunter langwierigen Dauer der Verfahren den Rechtsbeiständen nicht unbedingt zuzumuten, eine Bestellung zu akzeptieren, die über ein Jahrzehnt oder länger gehen kann. Insofern sollte über einen weiteren Zusatz die Möglichkeit des Untergebrachten eingeräumt werden, bei jedem Neubeginn der Überprüfung nach § 67 c Abs. 1, § 67 d Abs. 2, 3 RefE einen Wechsel des bereits bestellten Verteidigers ohne Angabe von Gründen vornehmen zu können. Mehrkosten würden dadurch der Staatskasse nicht entstehen, da auch der bereits bestellte Verteidiger in gleichem Maßstab Vergütungsansprüche geltend machen könnte.  III.    Art. 4: Änderungen des Strafvollzugsgesetzes  1.    109 Abs. 3 StVollzG RefE: Beistandsbestellung  Die Bestellung eines Beistandes zur Durchsetzung der Maßnahmen nach § 66c Abs. 2 StGB RefE ist ohne Einschränkungen zu begrüßen. Die Ausnahmeregelung, wonach aufgrund einer vermeintlichen Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes nicht geboten erscheine oder aber der jeweilige Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen könne, erschließt sich jedoch nicht. Nach praktischer Erfahrung ist gerade im Rahmen der sehr begrenzten Möglichkeiten von Strafgefangenen oder Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung eine effektive Verteidigung von Rechten ohne anwaltlichen Beistand aus der JVA heraus nicht möglich. Dies beginnt bereits bei den fehlenden Vervielfältigungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten in der Haftanstalt (fehlender Kopierer, ggf. fehlendes Telefon, fehlendes Faxgerät etc.) und endet bei fehlender juristischer Sachkenntnis und/oder fehlenden entsprechenden Informationsmöglichkeiten. Selbst ein überdurchschnittlich intelligenter und juristisch vorgebildeter Gefangener oder Untergebrachter wird aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten in der JVA seine Rechte, jedenfalls sobald es um Behandlungsmaßnahmen nach § 66c StGB RefE geht, nicht ausreichend effektiv durchsetzen können. Insofern sollte die Einschränkung der Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsbeistandes gestrichen werden.   Mit einer effektiven Verteidigung von Rechten im Vollzug muss insoweit auch eine Reform der Rechtsanwaltsvergütung für diese Verfahren einhergehen. Derzeit würde eine Vergütung allein auf Grundlage der Nr. VV RVG 3100 ff. nach dem Gegenstandswert, der in der Regel relativ gering angesetzt wird, erfolgen. Der Aufwand des Rechtsbeistandes aufgrund der meist umfangreichen schriftlichen Verfahren bei gleichzeitiger zeitintensiver Haftbetreuung des Mandanten kann damit – jedenfalls bei einer verantwortungsvollen Vertretung - mitnichten ausgeglichen werden.  2.    § 119 a StVollzG RefE: Gerichtliches Monitoring bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung; Das zwingend vorgeschriebene gerichtliche Monitoring während des Strafvollzuges und der danach möglicherweise vollstreckten Sicherungsverwahrung ist ein weiteres Kernstück des Referentenentwurfs. Grundsätzlich wird ein solches Monitoring begrüßt, da die Praxis zeigt, dass ohne gerichtliche Kontrolle bzw. Kontrollmöglichkeiten der Vollzug – trotz oder aber auch gerade weil Sicherungsverwahrung im Anschluss notiert ist – über Jahre hinweg stagniert. Allerdings ist auch hier der fehlende Verweis in § 119 a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG RefE auf § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE kontraproduktiv. Gerade die Möglichkeit von Vollzugs öffnenden Maßnahmen ist für die Prognoseentscheidung nach § 67 c, 67 d, Abs. 2, 3 StGB entscheidend. Insoweit erschließt sich nicht, warum die inzwischen nur noch unter engen Voraussetzungen mögliche Nichtgewährung von Vollzugs öffnenden Maßnahmen nicht auch Gegenstand der erweiterten gerichtlichen Kontrolle und des Monitorings ist.23   Dass diese Entscheidungen alle zwei Jahre von Amts wegen, ansonsten auf Antrag, zu treffen sind und in Zukunft die Beschwerde, statt die Rechtsbeschwerde, zulässig ist, ist grundsätzlich zu begrüßen. Gleiches gilt für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes. Problematisch ist allerdings die Regelung aus § 119 a Abs. 6 StVollzG RefE. Danach sind die insoweit getroffenen Feststellungen für nachfolgende Gerichte bindend. Die Regelung soll vermeiden, dass am Ende des Vollzuges überraschend eine Strafvollstreckungskammer – ggf. im Unterschied zu vorher zuständigen Strafvollstreckungskammern in Vollzugsverfahren – feststellt, dass der Vollzug rechtswidrig erfolgt ist, und eine Entlassung aus Verhältnismäßigkeitsgründen anordnet. Die Regelung soll für den Vollzug weitestgehende Rechtssicherheit bringen.  So nachvollziehbar dieses Vorhaben ist, so wenig berücksichtigt es, dass sich auch die Rechtsprechung, die sich zu § 119 Abs. 1 – 4 StVollzG RefE und § 66 c Abs. 1, 2 StGB RefE entwickeln wird, im stetigen Fluss befindet. Insofern wäre in der Regel auch ohne eine explizite Regelung in § 119 Abs. 6 StVollzG RefE für die weitere Vollstreckungsentscheidung sicherlich maßgeblich, welche Feststellungen die Strafvollstreckungskammer bzw. die Oberlandesgerichte in den vorangegangenen Verfahren zum Monitoring des Strafvollzugs getroffen haben. Dies aber im Sinne einer gesetzlichen Bindung festzulegen, ist im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Rechtsprechung nicht sinnvoll. So hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe bereits ausgeführt, dass im Vollstreckungsverfahren auch entgegen zuvor ergangener Entscheidungen von Strafvollstreckungskammern in Vollzugsverfahren festgestellt werden kann, dass notwendige Behandlungsmaßnahmen – etwa Vollzugs öffnende Maßnahmen – rechtswidrig verweigert worden sind und darauf dann die negative Prognose nicht tragend gestützt werden kann.24  3.    § 120 StVollzG RefE: Zwangsmittel zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen  Dass nunmehr, wie im Verwaltungsverfahren Zwangsmittel gegen die JVA angedroht und umgesetzt werden können, sofern sie gerichtliche Entscheidungen nicht umsetzt, ist vollumfänglich zu begrüßen. Eine Differenzierung zwischen beklagten Behörden im Verwaltungsprozess und der JVA im Verfahren nach § 109 StVollzG ist ohnehin nicht nachvollziehbar, so dass die Regelung überfällig ist. Die Renitenz, mit der sich im Einzelfall die Justizvollzugsanstalten weigern, gerichtlich bindende Vorgaben umzusetzen, macht die Regelung auch zwingend erforderlich.  IV.   Art. 7, 8: Änderungen des EGStGB und des ThUG  Die in Artikel 316 f EGStGB RefE vorgesehene Regelung, dass für vor Inkrafttreten des Gesetzes begangene Taten die vorangegangenen Bestimmungen – die bereits für verfassungswidrig erklärt worden sind - jedenfalls in beschränktem Maße anzuwenden sind, stößt auf erhebliche Bedenken. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht für die Fälle des gesteigerten Vertrauensschutzes ausgeführt hat, dass für eine Übergangszeit eine hochgradige Gefahr für schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten, die auf einer psychischen Störung beruht, für eine etwaige Fortdauer ausreichen soll, kann dies nicht dazu führen, dass ggf. noch für einen Zeitraum über 10-15 Jahren nachträgliche Sicherungsverwahrung oder aber auch eine Vollstreckung in so genannten Altfällen über 10 Jahre hinaus stattfinden kann.   Für eine solche gesetzliche Regelung besteht auch keine Notwendigkeit. Insbesondere bestehen keine „Schutzlücken“, die geschlossen werden müssten. Wird ein Gefangener aus der Strafhaft – mangels Anordnungsmöglichkeit für die nachträgliche Sicherungsverwahrung – oder aus der Sicherungsverwahrung – mangels Fortdauer über 10 Jahre hinaus – entlassen, so stehen vielfältige Möglichkeiten im Rahmen der Prävention bereit, die die Gefahr einer Rückfälligkeit minimieren können. So besteht bei einer psychischen Erkrankung nach den Unterbringungsgesetzen der Länder die Möglichkeit, zur weiteren Behandlung die Freiheit zu entziehen.   Auf eine solche psychische Erkrankung soll es zwar nach dem Willen des Referentenentwurfes nicht ankommen, da die psychische Störung einen unterhalb dieser Krankheitsschwelle liegenden Zustand darstellen soll. Der Begriff der psychischen Störung ist insoweit neu durch das ThUG eingeführt und vom Bundesverfassungsgericht aufgenommen worden. Er umgeht die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, führt faktisch zu einer Umetikettierung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten zu psychisch Gestörten – nicht psychisch Kranken -, die nun aufgrund der psychischen Störung und nicht aufgrund ihrer vorangegangenen Straftaten inhaftiert bleiben sollen. Dass eine solche Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchgehend Bestand haben wird, bleibt zu bezweifeln. Vielmehr sollte der Gesetzgeber nunmehr einsehen, dass die nachträgliche Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung gescheitert ist und stattdessen mögliche und vorhandene Sicherungsmöglichkeiten im Bereich des Gefahrenabwehrrechts zu nutzen sind.   Daneben bleibt es fraglich, ob für eine Unterbringung aufgrund einer „psychischen Störung“ überhaupt der Bundesgesetzgeber Verantwortung tragen kann. Denn die Norm kann nach Vorstellung des Referentenentwurfes nur als reine gefahrenpräventive Abwehrmaßnahme infolge von psychischer Störung – nicht aufgrund der vorangegangenen Verurteilung – aufgefasst werden. Eine solche reine Gefahrenabwehrregelung wäre jedoch unzweifelhaft durch die Länder zu regeln.25  Neben der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist aber auch entscheidend, dass der Begriff der psychischen Störung seine Grenzen im Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 e) EMRK finden muss. Der dort verwendete Begriff des „unsound mind“ oder aber der „true mental disorder“ ist mit einer psychischen Störung im Sinne von Art. 316 f. EGStGB RefE nicht vergleichbar. Neben der Tatsache, dass in der ICD-10 im großen Umfang psychische Störungen benannt werden,26 ist die Regelung aus Art. 316 f EGStGB praktisch unnötig, weil bei hochgradigen Gefährdungen der Allgemeinheit aufgrund einer psychischen Störung, die die Voraussetzung von Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 e) EMRK erfüllt, die Unterbringungsgesetze der Länder bzw. zu Gefahrenabwehr im Zweifel auch die Polizeigesetze greifen können. Reine Verhaltensabweichungen vom „Normalfall“, wie sie oft mit so genannten dissozialen Persönlichkeitsstörungen einhergehen, genügen nach der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zweifel gerade nicht.27  Ebenso bedenklich ist die Regelung aus Art. 316 f. Abs. 3 EStGB RefE. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Sicherungsverwahrung nicht per se unverhältnismäßig sein kann, wenn die nach dem neu zu regelnden § 66 c StGB RefE erforderliche Behandlung vor Geltung dieses Gesetzes durch die Vollzugsbehörden nicht umgesetzt worden ist. Auf der anderen Seite ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 – soweit sie bereits in den Grenzen des derzeitigen Rechts umgesetzt werden kann – bereits jetzt nach § 31 BVerfGG verbindlich. Es kann nicht sein, dass ein heute gänzlich fehlendes Behandlungsangebot, trotzdem zumindest teilweise Behandlungsmöglichkeiten in den Justizvollzugsanstalten auch heute schon vorhanden – nur eben ungenutzt - sind, nicht genauso zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung führt, wie bei Verstoß gegen die Neuregelung aus § 66c StGB RefE. Insofern wäre eine Regelung denkbar, die die Voraussetzungen des § 67 c Abs. 1 Nr. 2 StGB RefE entsprechend auf die bislang vorhandenen – und ggf. rechtswidrig ungenutzten – Behandlungsmöglichkeiten des Strafvollzuges überträgt.  Soweit durch den Referentenentwurf die Unterbringung nach ThUG in Einrichtungen, die § 66c StGB RefE entsprechen, vollzogen werden kann, soll auf die hiesige Stellungnahme zum Gesetzentwurf vom 2.12.2010 zur Einführung des ThUG verwiesen werden. Die Angliederung nunmehr an die Einrichtungen nach § 66c StGB RefE unterstreicht die dort vorgebrachte These der schlichten Umetikettierung von (ehemals) Sicherungsverwahrten zu „psychisch Gestörten“ zur Umgehung der einschlägigen Entscheidungen der EGMR. Das ThuG ist und bleibt verfassungs- jedenfalls aber menschenrechtswidrig.  C.    Fazit Teil I  * Die Sicherungsverwahrung gehört nach wie vor abgeschafft. Eine kriminalpolitische Notwendigkeit existiert nicht. Es wäre wesentlich sinnvoller, die nunmehr erforderlichen erheblichen finanziellen Mittel zur verfassungskonformen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung für Präventivprojekte im Rahmen des Strafvollzuges, der Nachbetreuung und der Vorsorge einzusetzen. Damit würden nach hiesigem Dafürhalten wesentlich mehr schwerwiegende Straftaten verhindert werden können, als durch die unter menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken stehende Maßregel der Sicherungsverwahrung.  * Wenn man schon bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt, ist es auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts unvertretbar, dass weiterhin bei gewaltanwendungsfreien Raubdelikten, Betäubungsmitteldelikten und jeglichen Verstößen gegen die Führungsaufsicht Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann. Hierbei bedarf es zumindest einer dringenden Einschränkung des Anwendungsbereichs, die im Übrigen mit den bislang ergangenen Entscheidungen auch des Bundesgerichtshofs im Einklange stehen würde.  * Die konzeptionelle Festlegung von Mindestanforderungen für den Vollzug der Sicherungsverwahrung und den Vollzug der vorangegangenen Strafhaft ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch sollten die konzeptionellen Vorgaben wesentlich klarer sein, als dies bislang der Fall ist, ohne dabei die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu überschreiten. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung des Trennungsgebotes, aber auch für die Benennung von Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten.  * Eine effektivere gerichtliche Kontrolle und ein Monitoring des der Sicherungsverwahrung vorausgehenden Vollzugs sind grundsätzlich zu begrüßen. Die im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen gehen allerdings nicht weit genug und greifen gerade, was den wichtigen Fakt der Vollzugs öffnenden Maßnahmen betrifft, ins Leere.  * Die Beibehaltung der verfassungswidrigen Regelungen unter der Einschränkung der Notwendigkeit einer psychischen Störung für Altfälle – ggf. noch für über ein weiteres Jahrzehnt – ist verfassungs- und menschenrechtlich erheblich bedenklich. Anderweitige Möglichkeiten der Gefahrenabwehr sind insoweit vorhanden und ausreichend, um eine Gefahrenabwehr im Rahmen des verfassungs- und menschenrechtlich Möglichen zu gewährleisten.  Teil II  Artikel 2: Änderung des Jugendgerichtsgesetzes  Verfasser: Thomas Uwer, Berichterstatter des Organisationsbüros der Strafverteidigervereinigungen  Die grundsätzlichen Bedenken, die gegen die Sicherungsverwahrung vorgebracht werden28, gelten für die Möglichkeit der Verhängung der Maßregel bei Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht in gesteigertem Maße. Nicht nur das fortbestehende Problem einer weitgehenden Prognoseunsicherheit, mit dem jede Rechtfertigung der Maßregel steht und fällt, stellt sich gegenüber jugendlichen Verurteilten in zugespitzter Form (dazu ausführlicher unten). Auch hat das Jugendstrafrecht gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht einen vorrangigen Erziehungsanspruch, der sich mit der Sicherungsintention des Schutzes der Gesellschaft vor möglicherweise gefährlichen Straftätern nicht vereinbaren lässt. Denn daran, dass die auf Schutz der Allgemeinheit abzielende Sicherungsverwahrung und ein auf Erziehung und Resozialisierung zielendes Sanktionensystem sich bereits von ihrer Intention her diametral entgegenstehenden,29 ändern auch die aktuellen Versuche, die Sicherungsverwahrung ein wenig menschenwürdiger auszugestalten, nichts. Denn so begrüßenswert die in Aussicht gestellten Verbesserungen in der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung sind (größere Zellen, Zubereitung eigener Speisen etc.), so wenig können sie über den rein sichernden Charakter der Maßregel hinwegtäuschen.  Dies wiegt im Jugendstrafrecht auch deshalb so schwer, weil Staat und Gesellschaft eine besondere Verantwortung für den Schutz von Jugendlichen und Heranwachsenden tragen, die nicht alleine deshalb erlischt, weil ein Jugendlicher straffällig geworden ist. Gegenüber jugendlichen Gefangenen ist der Staat in besonderer Weise in der Verantwortung, den Vollzug so auszugestalten, dass sie ihre Persönlichkeit trotz Haft entfalten und künftig ein Leben ohne Straftaten führen können. Dieser Verantwortung wird der vorliegende Entwurf erkennbar nicht gerecht.     I. Fehlende Begründung  Schon mit Einführung der Möglichkeit, die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht zu verhängen, ist der Gesetzgeber 2008 vom Weg des erziehenden und schützenden Sanktionensystems im Jugendstrafrecht abgekommen. Bereits damals wurde bemängelt, dass zur Begründung für diesen so weitreichenden Schritt lediglich floskelhaft auf nicht weiter benannte »Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit«30 verwiesen wurde - während die empirischen Daten zur Kriminalitätsentwicklung im Bereich des Jugendstrafrechts einen Änderungsbedarf nicht nahelegten.31 So ging dem damaligen Entwurf auch keine Evaluation der Gesetzesfolgen der bereits existierenden nachträglichen Sicherungsverwahrung im Erwachsenenstrafrecht auf den Vollzug und die Legalbewährung voraus, obwohl sich schon deutlich abzeichnete, dass bereits die Möglichkeit der Verhängung nachträglicher Sicherungsverwahrung erhebliche Nebenwirkungen auf im Vollzug befindliche Erwachsene hat.32 Dieser Evaluations- und Empiriemangel ist umso unverständlicher, als »es [im Präventionsrecht] jenseits des Schuldausgleichs allein um Fragen der Zweckerreichung und damit -erreichbarkeit«33 geht. Eine vorrangig auf die konkrete Sicherungswirkung abzielende Maßregel muss folgerichtig an ihrer tatsächlichen Wirkung gemessen und überprüft werden.   Dennoch liegen auch dem jetzigen Änderungsvorschlag keine erkennbaren empirischen Daten zugrunde - weder zur Entwicklung der Jugendkriminalität in den potentiell von der Regelung betroffenen Bereichen, noch zur Entwicklung und Ausgestaltung der bisherigen Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht. Der vorliegende Entwurf versucht nicht einmal, die vorgeschlagene Ausweitung der Möglichkeiten zur Verhängung der Sicherungsverwahrung mit tatsächlichen Notwendigkeiten zu legitimieren, sondern erklärt diese rein selbstreferentiell aus der mit dem Urteil des EGMR vom 17.12.200934 und dem jüngsten Beschluss des BVerfG vom 4. Mai 201135 einhergehenden Notwendigkeit einer Reform der als konventionswidrig beurteilten nachträglichen Sicherungsverwahrung. Dreieinhalb Jahre nach Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in das JGG ist der Gesetzgeber also einerseits seiner positiven Pflicht zur wissenschaftlichen Ergründung der Wirkungen der Maßregel offenkundig immer noch nicht nachgekommen. Andererseits wird aber die faktische Ausweitung der Maßregel angeregt, einzig weil die bisherige Variante der nachträglichen Sicherungsverwahrung keinen Bestand mehr vor EGMR und BVerfG hat. Das Bundesverfassungsgericht hat indessen vom Gesetzgeber gefordert, den Jugendstrafvollzug an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten36, nicht aber an möglichen (justiz)verwaltungstechnischen Bedürfnissen.  II. Nachträglich, vorbehalten oder originär?  Dass der Gesetzgeber damals die Sicherungsverwahrung gegenüber jugendlichen Verurteilten auf eine nachträgliche beschränkte, hatte (gute) Gründe. Die originäre Sicherungsverwahrung wurde mit Verweis auf die Unmöglichkeit einer Gefährlichkeitsprognose zum Zeitpunkt des Urteils grundsätzlich abgelehnt.37 Zur im Gesetzentwurf damals nicht verwirklichten - aber nunmehr geplanten - vorbehaltenen Sicherungsverwahrung hieß es indessen, dass   »… der möglicherweise präjudizielle, in jedem Fall aber die weitere Entwicklung eines jungen Menschen belastende Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung […] nicht ausgesprochen werden [soll].«38   Während auch die Beschränkung auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung als einer von drei möglichen Varianten der Sicherungsverwahrung nicht wirklich effektiv auch den damit einhergehenden Grundrechtseingriff begrenzt, muss die nachträgliche daher doch gegenüber der nun vorgesehenen vorbehaltenen Sicherungsverwahrung als die im Vergleich schonendere Variante gelten. Denn die potentielle Verbesserung der Haftsituation derjenigen Verurteilten, denen kein Vorbehalt ins Urteil eingeschrieben wurde, die aber unter der alten Regelung mit einer Überprüfung auf eine mögliche nachträgliche Sicherungsverwahrung hätten rechnen müssen, wird durch eine Regelung nachgerade wieder aufgehoben, die den Vorbehalt bereits unter derart wenigen Voraussetzungen ermöglicht, dass er absehbar selbst wiederum zur Regel wird. Der Gesetzgeber von 2008 immerhin hatte mit seiner relativen Beschränkung gezeigt, dass er die Erkenntnisse über die schädlichen Wirkungen möglicherweise lebenslanger Haft insbesondere auf junge Menschen bedacht hat und negative Folgen der im Vorbehalt verborgenen Drohung abzuwenden sucht. Solche relative Zurückhaltung kennt der aktuelle Entwurf nicht. Ohne dies mit empirischen Notwendigkeiten zu begründen, soll die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung bei jugendlichen Straftätern nun auf eine Weise ausgebaut werden, die dem Gesetzgeber noch vor dreieinhalb Jahren als »präjudiziell« und für die Entwicklung der Verurteilten schädlich erschien. Einzig aufgrund der Tatsache, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung als konventionswidrig nicht mehr haltbar ist, greift der Referentenentwurf nunmehr zum nächst schärferen Sanktionsmittel. Eine solche Herangehensweise verbietet sich - insbesondere wenn man in Rechnung stellt, dass mit der in das JGG eingeführten Sicherungsverwahrung bereits jetzt im Extremfall ein gerade erst strafmündig gewordener Jugendlicher wegen einer einzigen und erstmaligen Tat potenziell lebenslang verwahrt werden kann.39  III. Risiken &  Nebenwirkungen  Über die Auswirkungen von Sicherungsverwahrung bzw. bereits deren Androhung auf jugendliche Gefangene liegen noch keine unmittelbaren empirischen Erkenntnisse vor. Hinweise auf die zu erwartenden Nebenwirkungen lassen sich dennoch aus zwei Quellen schöpfen: aus der Erfahrung mit der Wirkung der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Erwachsenenvollzug sowie aus Untersuchungen über die Wirkung langer Haftstrafen auf die Entwicklung junger Menschen. Daraus ergibt sich eine denkbar schlechte Prognose für die Wirklichkeit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafvollzug. Als zu erwartende Nebenwirkungen ist mit (1.) Demotivation und Perspektivlosigkeit, (2.) mit einer Verhinderung der normalen Persönlichkeitsentwicklung und Förderung vollzugsendemischer Verhaltensweisen und schließlich mit (3.) einer insgesamt kontraproduktiven Wirkung auf Resozialisierungsansätze im Jugendstrafvollzug zu rechnen.  1.    Demotivation und Perspektivlosigkeit als Folge potentiell infiniter Haft  Die überaus schädliche Wirkung langer Haftstrafen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Gefangenen ist in der Wissenschaft unumstritten.40 Insbesondere die Aussicht auf möglicherweise infinite Haft wirkt demotivierend und mindert den Anreiz zur Besserung.41 Die Androhung einer möglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung zum Ende der Haft steht schon deshalb in eklatantem Widerspruch zum Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht, sofern man diesen nicht im Stile der schwarzen Pädagogik preußischer Kadettenanstalten als Unterwerfungsprozess durch massive Strafandrohung versteht. Empirische Untersuchungen hingegen zeigen deutlich, dass die Androhung und/oder Verhängung intensiver, freiheitsentziehender Sanktionen keinen positiven erzieherischen Effekt zeitigt.42 Mit dem 1. JGG-Änderungsgesetz wurden daher freiheitsentziehende Sanktionen zugunsten ambulanter Maßnahmen zurückgedrängt und unter anderem auch die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer (§ 19 Abs. 1 JGG) abgeschafft.43 Die - wie auch die Sicherungsverwahrung - von den Nationalsozialisten eingeführte Jugendstrafe unbestimmter Dauer eröffnete »dem Gericht die Möglichkeit, vorerst nur den Rahmen einer (...) Jugendstrafe zu bestimmen. Erst während des Verlaufs des Jugendstrafvollzugs sollte bestimmt werden, welche Dauer erforderlich sei, um den jungen Delinquenten mit erzieherischen Mitteln zu erreichen«.44 Tatsächlich aber waren Demotivation und Frustration verbreitete Folgen der unbestimmten Jugendstrafe. Sie wurde als »pädagogisch verfehlt, kriminalpolitisch fragwürdig und verfassungsrechtlich bedenklich« abgeschafft.45  Eine ähnliche Wirkung ist auch von der analog zur Jugendstrafe unbestimmter Dauer zu betrachtenden vorbehaltenen Sicherungsverwahrung zu erwarten, bei der das erkennende Gericht sich die spätere Sicherungsverwahrung vorbehält, weil noch nicht erkennbar ist, wie (bzw. ob) sich die Gefährlichkeit des Verurteilten im weiteren Verlauf entwickelt. Wie bereits bei der nachträglichen, so wird auch bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung daher jede Handlung und jedes Ereignis im Vollzug im Hinblick auf die zum Ende der Haft hin drohende Sicherungsverwahrung bewertet. Hafttypische und jugendentwicklungsspezifische Konflikte sowie die vielfältigen mit langjährigen Strafen einhergehenden Probleme werden vorrangig unter dem Aspekt der Gefährlichkeitsprognose betrachtet.46 Der Vollzug wird für die Verurteilten so, entgegen der Intension des Gesetzgebers, zusätzlich erschwert, »weil sich jedwedes Verhalten - die Öffnung in einer Therapie ebenso wie die Therapieverweigerung - negativ auswirken kann, mithin vollkommen handlungslähmend ist«.47 Stete Begutachtungen von Außen, die mit dem Druck einer möglichen Sicherungsverwahrung einhergehen, verstärken das Empfinden des Ausgeliefertseins und fördern die als Haftdeprivation bezeichnete Ohnmacht und Hilflosigkeit.48 Der Vorbehalt einer späteren Sicherungsverwahrung vergiftet so den ihr vorausgehenden Vollzug, jene Phase also, während der der Gefangene unter Beweis zu stellen hat, dass eine Gefährlichkeit nicht vorliegt.  2.    Verhinderung einer normalen Persönlichkeitsentwicklung & Förderung vollzugsendemischer Verhaltensweisen  Diese negativen Folgen der angedrohten (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung auf den Gefangenen wiegen bei jugendlichen Verurteilten umso schwerer, als diese sich in der Regel noch im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung befinden. Insbesondere bei Jugendlichen, die schwerste Straftaten begangen haben, ist dabei von einer ohnedies schon problematischen individualpsychischen Entwicklung auszugehen. Die unerwünschte Nebenwirkung des Freiheitsentzugs ist hier in der Verfestigung eben jenes Verhaltens zu sehen, das durch die Haft als unerwünscht bekämpft werden sollte.49 Wie wenig Freiheitsentzug als erzieherische Maßnahme geeignet ist, eine positive Entwicklung der Persönlichkeit zu befördern, zeigen nicht zuletzt die anhaltend hohen Rückfallquoten im Jugendstrafvollzug. Es gilt weiterhin: »Je härter die verhängte Sanktion, desto höher die Rückfallraten«.50  Dies hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass der Vollzugsalltag eine Kunstwelt ist, die mit der Lebenswirklichkeit außerhalb des Vollzugs wenig gemein hat. Gerade das für die Entwicklung von Jugendlichen so wichtige Erlernen von Eigenverantwortung wird durch die totale Institution Gefängnis, die von extremer Fremdbestimmung gekennzeichnet ist, unterminiert. Dies und das bekannte Phänomen der Prisonisierung, i.e. die Anpassung des Gefangenen an die Welt des Vollzugs, erschweren die sozialtherapeutische Arbeit im Jugendstrafvollzug bereits im Normalfall.51 Bei zu langen Haftstrafen verurteilten Jugendlichen wiegt dies umso schwerer: Ein zu einer siebenjährigen Jugendstrafe Verurteilter verbringt mit hoher Wahrscheinlichkeit den größten Teil seiner Jugend in Haft. Wird zudem der Vorbehalt einer anschließenden Sicherungsverwahrung ausgesprochen, so muss dies verheerend auf das Selbstbild des Jugendlichen wirken, Resignation befördern und vollzugsendemische Verhaltensweisen bestärken.52 Jeder Ausbruch von Aggressivität, Verweigerung oder Frust, der unter den künstlichen, von Autorität und Fremdbestimmung geprägten Lebensbedingungen im Jugendvollzug als normal anzusehen ist, wird nun potentiell gegen ihn und seine Chancen gerichtet, nach Verbüßung der Haftstrafe entlassen zu werden. So wirkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung - wie der Gesetzgeber in der Begründung zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2008 selbst einräumte - präjudiziell; und belastet die für seine künftige Freiheit notwendige Entwicklung des Jugendlichen im Vollzug.  3.   Kontraproduktive Wirkung  Die besondere Verantwortung des Staates für die Entwicklung von Jugendlichen wurde bereits betont. Übertragen auf den Fall desjenigen Jugendlichen, dem die Sicherungsverwahrung per Vorbehalt angedroht wird, bedeutet dies, dass alles getan werden müsste, ihm einen Vollzug zu ermöglichen, der die spätere Verhängung der Sicherungsverwahrung unnötig macht. Wie der Gesetzgeber dieser Verantwortung angesichts eines Jugendstrafvollzugs gerecht werden will, der auch unter besseren Bedingungen Rückfallquoten von bis zu 80 % produziert, bleibt fraglich. Eher wahrscheinlich ist vielmehr, dass die Sicherungsverwahrung - wie im Erwachsenenvollzug auch - negativ in den Vollzug hineinwirken und das vorrangige Sicherungsinteresse bei den mit dem Vorbehalt der späteren Sicherungsverwahrung versehenen jugendlichen Gefangenen den Vollzugsalltag bestimmen und Therapie- bzw. Resozialisierungsangebote verdrängen wird. Nicht zuletzt gilt, dass Erziehung, die mit der Androhung der schwersten Strafe einhergeht, selbst wie eine Strafe wirkt und wenig Aussicht auf Erfolg hat. Einmal eingeführt, wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung absehbar bewirken, was er eigentlich zu verhindern vorgibt: Er wird Jugendliche schaffen, die dem Druck der Drohung nicht standhalten und sich der strafenden Erziehung verweigern, bis schließlich »Gefährlichkeit« als Voraussetzung der Sicherungsverwahrung prognostizierbar wird53.  De facto entfaltet der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung also eine strafschärfende Wirkung, die nicht dadurch abgefangen wird, dass der (möglicherweise später einsetzende) Vollzug der Sicherungsverwahrung künftig freundlicher ausgestaltet wird, um den verfassungsmäßig geforderten Abstand zum Strafvollzug zu wahren.  IV. Besondere Prognoseschwierigkeiten bei Jugendlichen  Die gesamte Maßregel der Sicherungsverwahrung steht und fällt mit der Prognose anhaltender Gefährlichkeit. Da es sich bei der Sicherungsverwahrung immer um eine Art Sonderopfer des Verurteilten zum Schutze der Gesellschaft handelt, sollten ihr auch keine general- oder spezialpräventive Funktion zukommen54. Zweck der Maßregel ist einzig der Schutz der Gesellschaft vor Menschen, von denen ganz konkret eine besondere Gefährlichkeit erwartet wird. Da es sich dabei um einen präventiven Schutz handelt, hängt die Maßregel vollständig von erfahrungswissenschaftlichen und psychiatrischen Erkenntnissen im Rahmen von Gefährlichkeitsgutachten ab. Eine wirkliche Sicherheit der Prognose gibt es allerdings nicht.55 Im Gegenteil sind »die Möglichkeiten der Gefahrenprognose [...] nach ganz überwiegender Auffassung ernüchternd.«56 Auch verfeinerte Analysemethoden vermögen keine Sicherheit darüber herzustellen, ob ein begutachteter Gefangener nach Entlassung in die Freiheit rückfällig werden wird oder nicht. Schätzungen gehen von einer Fehlprognoserate von 60 bis 70 Prozent57 aus, die als sog. »false positives« zu Unrecht als gefährlich prognostiziert wurden. Anders formuliert: Mehr als die Hälfte der auf der Grundlage von Gutachten als gefährlich Eingestuften sitzt in Sicherungsverwahrung, um einen Rückfall zu verhindern, der tatsächlich aber gar nicht eintreten würde.58  Neben den bekannten und in der Literatur ausgiebig behandelten Problemen bei der Gefährlichkeitsbegutachtung - die von niedrigen Basisraten59, unterschiedlichen Manualen und Risikofaktoren bei der Delinquenzanalyse über begriffliche Unschärfen und wertende Operationalisierungen bis hin zur Angst des Gutachters vor der falsch negativen Prognose60 reichen - bringt die Begutachtung von jugendlichen Straftätern und Verurteilten besondere Probleme mit sich.  Bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich im Rahmen der Hauptverhandlung zwar Hinweise auf eine mögliche zukünftige Gefährlichkeit ergeben, eine zuverlässige Prognose aber nicht stellen lässt. Der Vorbehalt verschiebt die Feststellung, ob der Verurteilte als gefährlich angesehen wird oder nicht auf einen späteren Zeitpunkt, der Annahme folgend, dass sich im Jugendstrafvollzug Umstände ergeben könnten, die zu einer günstigeren Prognose führen.61 Dem steht die als gesichert geltende kriminologische Erkenntnis entgegen, dass das Vollzugsverhalten derart vom normalen Alltag in Freiheit abweicht, dass diesem »keine für die Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit verwertbaren Anhaltspunkte«62 entnommen werden können. Im Falle des Jugendstrafvollzugs treffen hausgemachter Anstaltsfrust und Aggression auf jugendtypische, mitunter pubertätsbedingte Verhaltensweisen. Vorübergehende und jugendtypische Verhaltensweisen wirken sich unter dem Vorzeichen der Gefährlichkeitsbegutachtung aber negativ auf die künftige Prognose (und damit auf die Zukunft) des Gefangenen aus. Decken sich die für die Prognose künftigen kriminellen Verhaltens herangezogenen Faktoren mit solchen, die für adoleszentes Aufbegehren gegen die totale Zwangsinstitution Gefängnis typisch sind, ist die Gefahr einer Fehlprognose zuungunsten des Begutachteten bereits vorprogrammiert.63  Diese Gefahr einer Fehlprognose ist umso größer, als ein »hinreichend valides jugendspezifisches Prognoseverfahren [...] bisher nicht [existiert]. Die diesen Prognoseverfahren zugrunde liegenden Beurteilungsaspekte sind auf Grund bloßer Anpassung vorhandener Prognosemethoden mit denen identisch, die der Gefährlichkeitsprognose bei Erwachsenen zugrunde liegen.«64 Die Entwicklung der im Vollzug befindlichen Jugendlichen ist jedoch von zahlreichen Besonderheiten gegenüber dem Erwachsenenvollzug geprägt. In der Regel sind Jugendliche im Vollzug inmitten einer Phase der Identitätsfindung, die nicht einheitlich, linear und berechenbar verläuft, sondern - selbst unter Vollzugsbedingungen - von schroffen Brüchen und Umorientierungen geprägt ist65. Das gesamte Verhalten ist einerseits episodenhaft unstet, andererseits in deutlich höherem Maße als bei Erwachsenen sozialem Einfluss unterworfen und formbar. Das künftige Legalverhalten junger Menschen ist unter diesen Umständen seriös nicht prognostizierbar.  Wird ein jugendlicher Verurteilter aufgrund des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung auf seine mögliche Gefährlichkeit hin begutachtet, so muss er zudem fürchten, dass all jene nahezu unvermeidlichen jugend- und hafttypischen Konflikte in die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit einfließen und die Chancen auf eine Entlassung in Freiheit nach Haftverbüßung schmälern. Diese ständige Drohung wird den Vollzug absehbar negativ beeinflussen und eine auf die Entwicklung einer nichtdevianten Persönlichkeit zielende sozialtherapeutische Arbeit nahezu unmöglich machen.  V. Fazit Teil II  * Die Sicherungsverwahrung gegenüber Jugendlichen ist unerträglich. Sie widerspricht allen gesicherten kriminologischen und jugendpsychologischen Erkenntnissen, sie läuft dem Erziehungsgrundsatz des Jugendstrafrechts zuwider und wirkt sich verheerend auf den Jugendstrafvollzug aus. Mit der angekündigten »Umsetzung des Abstandsgebots« haben die Regelungsvorschläge nichts zu tun. Sie stellen vielmehr eine originäre Verschärfung dar, die weder empirisch begründet noch kriminalpolitisch sinnvoll ist. Gesetzesänderungen aber mit derart schwerwiegenden Folgen können nicht einfach en passant formuliert und unter falschem Rubrum beschlossen werden.  * Wenn junge Menschen auf schwerste Weise straffällig werden, haben gesellschaftliche und rechtliche Mechanismen versagt, die eben nicht nur dazu dienen, die Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern schützen, sondern auch dazu, Jugendliche davor zu bewahren, zu gefährlichen Straftätern zu werden. Die vorgeschlagene Einführung einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist nicht imstande hier Abhilfe zu leisten, sondern dient nur der Verewigung von Strafe. Die Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht gehört daher nicht reformiert, sondern abgeschafft. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
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    www.rav.de Fußnoten:  1     Zwölf regionale Vereinigungen von Strafverteidiger/innen aus folgenden Bundesländern und Städten sind derzeit Mitglied im Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Köln, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen / Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz / Saarland, Sachsen / Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein. 2     Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. 3     Der Verfasser ist Mitglied des Arbeitskreises Strafvollzug der Vereinigung Berliner Strafverteidiger in Kooperation mit dem RAV, vertritt derzeit circa 50 Sicherungsverwahrte und Strafgefangene, bei denen Sicherungsverwahrung angeordnet wurde in mehreren Bundesländern, hat mehrere diesbezügliche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt (u.a. 2 BvR 2365/09 und 2 BvR 2846/09) und war als Vertreter des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Mitglied der gemeinsamen Arbeits- und Planungsgruppe zum Vollzug der Sicherungsverwahrung der Länder Berlin und Brandenburg. 4     Vgl. RefE S. 14 5     vgl. BVerfG, Urteil vom 04.05.2011, - 2 BvR 2365/09 – u.a. Rn. 129 6     Vgl. BVerfG aaO; so schon BVerfG Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -. 7     Insoweit kann auf die gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigung (Organisationsbüro) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV e.V.) zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP-Fraktion zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zur begleitenden Regelung vom 26.10. 2010 (BT-Drs. 17/3403) sowie zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Ausschuß-Drs. 17 (6) 47) verwiesen werden.  8     3satXtra - Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand; Sendung vom 08.02.2011, www.3sat.de/index.html 9     Vgl Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010. Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 im Beobachtungszeitraum gar nicht erneut straffällig geworden. 10    BVerfG Urteil vom 04.05.2011 aaO; u.a. Rn. 98f. 11    BVerfG Urteil vom 04.05.2011 aaO; u.a. Rn. 172. 12    Vgl BGH . Beschluss vom 27.09.2011 – 4 StR 362/11 -. 13    Vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2011 – 2 StR 184/11, Rz. 14. 14    BGH, Beschluss vom 20.10.2011 – 2 StR 288/11; Beschluss vom 07.07.2011 – 2 StR 184/11; Beschluss vom 11.08.2011 – 4 StR 279/11. 15    Eine erhebliche Anzahl der in etwa 50 Mandate des Verfassers betreffen gewaltanwendungsfreie Raubdelikte oder Betäubungsmitteldelikte, in einem Fall sogar das Handeltreiben mit und die unerlaubte Einfuhr von Cannabis-Produkten. 16    BVerfG a.a.O., Rdnr. 110. 17    BVerfG aaO Rn. 113. 18    OLG Naumburg, Beschluss vom 30.11.2011 – 1 WS 64/11. 19    Dazu unter B)III.2. vertieft. 20    Vgl. BVerfG, B. v. 30.04.2009 – 2 BvR 2009/08 – m.w.N. 21    Vgl. insoweit Stellungnahme des Verfassers zum Gesetzentwurf vom 22.12.2010, a.a.O. 22    Der Sachverständiege Prof. Dr. Nedopil (aaO) gibt insoweit an, das Gutachten in der Regel eine Rückfallwahrscheinlichkeit allenfalls für einen Zeitraum von circa einem Jahr prognostizieren können. 23    Zur Bedeutung der Vollzugslockerungen bereits während des Vollzuges der Strafe bei angeordneter Sicherungsverwahrung s.o. unter B)I.3. 24    Vgl. insoweit Beschluss vom 30.04.2009 – 2 BVR 2009/08 – m.w.N. 25    Vgl. insoweit Stellungnahme des Verfassers zum Gesetzentwurf vom 22.12.2010, a.a.O. 26    U.a. die Nikotinabhängigkeit. 27    Vgl. EGMR, Urteil vom 24.10.1979 Winterwerp./.Niederlande; mit Einschränkungen Urteil vom 20.02.2003 Hutchison Reid ./. Vereinigtes Königreich 28 Siehe Teil I dieser Stellungnahme sowie Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zur Stärkung der Führungsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz vom 30.06.2010 Berlin, 15.10.2010, http://www.strafverteidigertag.de/Material/Stellungnahmen/StellungnahmeDiskussionspapierSVOkt2010.pdf  29   vgl. bspw. Jörg Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses, Deutscher Bundestag, 28.05.2008, S. 2 30   Bt-Drs. 16/6562, S.1 31   vgl. Alexander Rüter: Nachträgliche Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht, Marburg 2011, S. 100 ff.; Rüdiger Sonnen: Kein Anlass, das Jugendstrafrecht zu verschärfen: Jugendkriminalität stagniert, Sensibilität für Gewalt nimmt zu, online: www.dvjj.de/artikel.php; PKS 2008, S. 227. 32   vgl. u.a. Tilmann Bartsch, Arthur Kreutzer, StV 2009, S. 53 33   vgl. Christine Graebsch, Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht, in: ZJJ 3/2008, S.286 f. 34   EGMR, 17.12.2009, M. gegen Deutschland, 19359/04 35   BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom 4.5.2011 36   BVerfG, 01.07.1998 - 2 BvR 441/90, 2 BvR 493/90, 2 BvR 618/92, 2 BvR 212/93, 2 BvL 17/94; BVerfG, 31.05.2006, 2 BvR 1673/04 37   Bt-Drs. 16/6562, S. 7 38   ebd. 39   so auch Rüter, a.a.O., S. 123 40   vgl. bspw. Laubenthal: Strafvollzug, 3. neubearbeitete Aufl., Berlin u.a. 2003, N 207; Kaiser/Kerner/Schöch: Strafvollzug, 4. neubearbeitete Aufl.. Heidelberg 1991, S. 251 ff.; Hartmut-Michael Weber: Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Für eine Durchsetzung des Verfassungsanspruchs, Baden-Baden 1999, S. 114 41   vgl. bspw. Sabine Nowara: Leben in Unfreiheit und Ungewissheit - psychologische Probleme unbefristeten Eingesperrtseins, in: H. Pollähne/ I. Rode (Hg.): Probleme unbefristeter Freiheitsentziehungen. Lebenslange Freiheitsstrafe, psychiatrische Unterbringung, Sicherungsverwahrung, Berlin 2010, S. 67 ff. 42   vgl. zur damaligen Debatte  Hans-Jörg Albrecht: Zur Reform des Jugendstrafrechts in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz, in: RdJB, 1988, S. 388 f.; H.J. Albrecht/F. Dünkel/G. Spieß: Empirische Sanktionsforschung und die Begründbarkeit von Kriminalpolitik, in: MSchrKrim 1981, S. 310 ff. 43   vgl. Bt-Drs. 11/5829, S. 12 44   Rüter, a.a.O., S. 125 45   ebd.; Bt-Drs. 11/5829, S. 12 46   vgl. Graebsch, a.a.O. 47   ebd., S 286 48   Laubenthal, a.a.O. N 209 49   vgl. bspw. Walter, ZJJ 2/2003, 162 50   Wolfgang Heinz: Kriminelle Jugendliche - gefährlich oder gefährdet?, Konstanz 2006, S. 87 51   vgl. Rüdiger Ortmann, Prisonisierung, in: G. Kaiser/H.-J. Kerner/F. Sack/H. Schellhoss: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Aufl., Heidelberg 1993, S. 402 ff.; zu den individual-psychologischen Folgen im Einzelnen: J. Kersten u.a.: Die sozialisatorische Wirkung totaler Institutionen, in: P.A. Albrecht/H. Schüler-Springorum: Jugendstrafe an vierzehn- und fünfzehnjährigen, München 1993 52   vgl. Christine Graebsch: Schriftliche Stellungnahme für die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages, 28.05.2008, S. 9; Ostendorf/Bochmann, ZRP 2007/5, S. 146 ff. 53   so auch: Lorenz Böllinger: Gefährlichkeit als iatrogene Krankheit. Die Sicherungsverwahrung befördert, wovor sie vorgibt zu schützen, in: Vorgänge, Heft 178, 2/2007, S. 73 ff.  54   Tatsächlich wirkt die Sicherungsverwahrung aber wie Strafe. Dass die vom Gesetzgeber behauptete Trennung von Strafe und Maßregel ein heuristisches Unterfangen darstellt, das weder in der Vollzugsrealität noch in der Öffentlichkeit nachvollzogen wird, haben die Strafverteidigervereinigungen bereits dargelegt. Vgl. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigzungen: Sicher ist Sicher. Policy Paper zur Sicherungsverwahrung, Berlin 2010, S. 6 ff. 55   siehe dazu ausführlich: Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, a.a.O., S. 12 ff. Über die Probleme der Gefährlichkeitsprognose auch: Wilfried Rasch, Forensische Psychiatrie, 2. Auflage, Stuttgart 1999; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Bd. K 138, Freiburg 2008; Bernd Volckart, Zur Bedeutung der Basisrate in der Kriminalprognose. Was zum Teufel ist eine Basisrate?, in: Recht & Psychiatrie, 20. Jg., Heft 2, 2002, S. 105 - 114; Dieter Seifert, Helfen uns klinische Prognosekriterien bei der Gefährlichkeitseinschätzung behandelter forensischer Patienten? Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 2/2007, S. 27 ff. 56   Tobias Mushoff: Strafe - Maßregel - Sicherungsverwahrung. Eine kritische Untersuchung über das Verhältnis von Schuld und Prävention, Frankfurt/Main 2008, S. 356 57   vgl. Rasch, a.a.O., S. 370 ff.; Annika Flaig, Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, Würzburger Schriften zur Kriminalwissenschaft, Bd. 30, Frankfurt am Main 2009, S. 159 58   vgl. Kinzig, a.a.O., S. 134 ff. 59   ebd. 60   vgl. hierzu Boettischer, NStZ 2008, 418; Kröber, NStZ 1999, 593, 599 61   vgl. hierzu Rüter, a.a.O., S. 159 62 ebd.; auch: Rasch, a.a.O., S. 375 63   vgl. Ostendorf, ZRP 5/2007, 148; auch das Bundesverfassungsgericht weist auf diese Problematik hin, indem es feststellt, dass »Tatsachen, die für Strafgefangene typische Verhaltensweisen indizieren, [...] nicht ohne weiteres  [unter die für die Feststellung einer künftigen Gefährlichkeit relevanten Tatsachen] fallen.« BVerfG, 2BvR 226/06 v. 23.8.2006 64   Rüter, a.a.O., S. 165 65   vgl. bspw. Ostendorf/Bochmann, ZRP 5/2007, 146 ff.; Schöch, NStZ 3/2000, 138 ff., zusammenfassend: Rüter, a.a.O., S. 155 ff.  Die komplette Stellungnahme finden Sie hier PDF]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-210 Wed, 14 Dec 2011 07:42:00 +0100 Der RAV unterstützt die gemeinsame Erklärung zum sechsjährigen Bestehen der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-rav-unterstuetzt-die-gemeinsame-erklaerung-zum-sechsjaehrigen-bestehen-der-eu-richtlinie-zur-vorratsdatenspeicherung-210 Mitteilung vom 14.12.11 * Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
    * Arbeitskreis Zensur
    * Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
    * Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)
    * Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler e.V. (BdWi)
    * Bürgerinitiative Umweltschutz e.V.
    * Bürgerrechte & Polizei/CILIP
    * Campact e.V.
    * contrAtom
    * Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften
    * data:recollective
    * Deutscher Freidenker-Verband
    * Deutscher Journalisten-Verband (DJV)
    * Digitale Gesellschaft e.V.
    * FoeBuD e.V.
    * Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. 
    (FIfF)
    * FREELENS e.V. (Verband der Fotojournalistinnen und Fotojournalisten)
    * German Privacy Foundation
    * Gesellschaft zur Wahrung der Grundrechte e.V. (GWG)
    * Institut für Sozialwissenschaftliche Praxis und Analyse e.V., Berlin
    * Katholische Junge Gemeinde
    * LabourNet Germany
    * Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)
    * MOGiS e.V. - Eine Stimme der Vernunft
    * naiin - no abuse in internet e.V.
    * Naturfreundejugend
    * Netzwerk Rauchen e.V.
    * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
    * Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit
    * Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V.
    * Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. - vzbv
    * Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
    * Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs e.V. (SuMa-eV) Weitere Informationen http://www.vorratsdatenspeicherung.de]]>
    news-209 Mon, 05 Dec 2011 11:38:00 +0100 Kundgebung am 7. Dezember um 16:30 Uhr vor dem Japanischen Generalkonsulat in Hamburg /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-am-7-dezember-um-16-30-uhr-vor-dem-japanischen-generalkonsulat-in-hamburg-209 Mitteilung vom 3.12.2011  
    Seit Beginn der 1990er Jahre demonstrieren überlebende Frauen mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern vor der japanischen Botschaft in Seoul, Korea, für ihre Rechte. Am 14. Dezember 2011 wird vor der japanischen Botschaft in Seoul/Korea die 1000. Mittwochsdemonstration für die Rechte der Frauen stattfinden. 
    Im Rahmen einer internationalen Aktionswoche zwischen dem 7. und 14. Dezember 2011 werden auch in Deutschland zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, um die Kampagne der Frauen zu unterstützen und das Thema an die Öffentlichkeit bringen. (weitere Informationen unter http://trostfrauen.koreaverband.de/aktuelles).  Kundgebung am 7. Dezember 2011
     um 16:30 Uhr, vor dem Japanischen Generalkonsulat
     Rathausmarkt 5, 20095 Hamburg
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    Globale Gerechtigkeit (doublet)
    news-208 Thu, 01 Dec 2011 11:54:00 +0100 Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Deutschland wegen Polizeigewahrsam /publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtsgerichtshof-verurteilt-deutschland-wegen-polizeigewahrsam-208 Pressemitteilung vom 1.12.2011 „Gerade vor dem Hintergrund der polizeilichen Praxis, Freiheitsentziehungen als Abschreckungsmethode gegen politische Proteste einzusetzen, ist diese ausdrückliche Einbeziehung der Versammlungsfreiheit sehr zu begrüßen.“ Besonders wichtig ist die Begründung dafür, wieso der Gerichtshof Deutschland wegen der Freiheitsentziehung verurteilt hat. Denn dieser zufolge steht nun nach der Sicherungsverwahrung eine weitere Form der Freiheitsentziehung in Deutschland in Frage. Wie die Sicherungsverwahrung kann der Polizeigewahrsam nach deutschen Gesetzen angeordnet werden, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass eine Person in Freiheit Straftaten begehen würde. Im nun vom Gerichtshof entschiedenen Fall des Polizeigewahrsams gründete sich die Prognose auf die angebliche Gefährlichkeit der Aufschrift „Freedom for all prisoners“. Keine der deutschen Behörden, auch die Bundesregierung in ihren Stellungnahmen nicht, würdigte richtig, was nun der Gerichtshof eindeutig festhielt: Der Slogan „Freiheit für Gefangene“ hat viele Bedeutungen und kann auf keinen Fall nur als Aufforderung zu einer Straftat gelesen werden. Der Gerichtshof hat deshalb schon allein wegen der fehlerhaften Deutung der politischen Äußerung der Beschwerdeführer die Freiheitsentziehung als konventionswidrig eingestuft. Weitere Verfahren werden zeigen, ob es überhaupt eine denkbare Konstellation gibt, in der die „sichere Prognose einer unmittelbar bevorstehenden Straftat“ einen Polizeigewahrsam nach der Konvention zulassen kann. Rechtsanwältin Anna Luczak: „Die deutschen Behörden – Polizei und Justiz – müssen nach diesem Urteil ihre Praxis der Freiheitsentziehung auf den Prüfstand stellen. Der Gerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, dass der Polizeigewahrsam der Beschwerdeführer keine der fünf in Art. 5 Abs. 1 EMRK abschließend benannten Formen zulässiger Freiheitsentziehung war. Solange keine konkret zu erwartende und zu ahndende Tat oder ein Pflichtverstoß zu benennen ist, darf das Freiheitsrecht nicht beschränkt werden.“ Sven Schwabe zeigt sich nach dem Urteil erleichtert: „Es ist schon seltsam, dass deutsche Gerichte, denen die Sache insgesamt sieben Mal zur Entscheidung vorlag, nicht eingesehen haben, was nun auf internationaler Ebene ganz klar gesagt wurde: Es gab überhaupt keinen Grund, uns fast sechs Tage ins Gefängnis zu sperren. Es gab keinen Grund, uns in der Zelle unsere Lebenszeit vergeuden zu lassen. Das Urteil aus Straßburg kann das nicht ungeschehen machen. Aber Polizei und Justiz müssen nun reagieren und dafür sorgen, dass die Polizei nicht mehr Protestierende einfach mitnehmen, einkesseln oder für Stunden oder gar Tage wegsperren darf.“ Dr. Anna Luczak
    Rechtsanwältin telefonische Erreichbarkeit:
    RAin Dr. Luczak: 030/5471 6772 oder 0163/570 0538
    Sven Schwabe: 0176/34605653 Pressemitteilung (PDF)]]>
    G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-207 Tue, 29 Nov 2011 09:52:00 +0100 Appell gegen Rechtsextremismus und Rassismus /publikationen/mitteilungen/mitteilung/appell-gegen-rechtsextremismus-und-rassismus-207 Aufruf, 23.11.11 Unterstützen auch Sie den Appell gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Der Appell kann hier online gezeichnet werden:
    http://demokratiebrauchtuns.de/blog/appell-gegen-rechtsextremismus-und-rassismus-was-jetzt-zu-tun-ist/#article]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-205 Fri, 28 Oct 2011 13:27:00 +0200 Widerstand und Befreiung unter dem Druck der Antiterrorpolitik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/widerstand-und-befreiung-unter-dem-druck-der-antiterrorpolitik-205 Informations- und Diskussionsveranstaltung, 15.11.11 in Düsseldorf Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Mitveranstalter:
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (NRW)
    Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (zakk) Veranstaltungsort:
    Zakk (Studio), Fichtenstraße 40, 40233 Düsseldorf Anfahrt:
    Straßenbahn: 706 (Fichtenstr.)
    Bus: 732 (Oberbilker Markt), 736 (Pinienstr.) hält direkt vor dem zakk
    U-Bahn: U 75 (U-Bhf. Kettwiger Str.),
    U 74/U 77 (U-Bhf. Oberbilker Markt)]]>
    news-202 Thu, 13 Oct 2011 18:33:00 +0200 Kein Asylgefängnis auf dem Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-asylgefaengnis-auf-dem-willy-brandt-flughafen-in-schoenefeld-202 Gemeinsame Pressemitteilung des FR Berlin, FR Brandenburg und des RAV vom 14.10.2011
    Auf dem neuen Großflughafen in Schönefeld wird ein Gefängnis für Flüchtlinge gebaut, deren Asylantrag im sogenannten Flughafenverfahren bearbeitet werden soll. Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein protestieren dagegen scharf. Für Flüchtlinge, die bei der Einreise Asyl beantragen, wird auf dem neuen Groß-Flughafen Willy-Brandt ein Gefängnis gebaut – das geht aus der Antwort der Potsdamer Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.1 Die Landesregierung rechnet mit 300 Fällen pro Jahr. Die Hafteinrichtung soll 30 Plätze haben. Selbst Kinder sowie alleinreisende minderjährige Flüchtlinge sollen hier eingesperrt werden. Betreiber der Haftanstalt wird die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs, die soziale Betreuung wird privatisiert und an die Wachschutzfirma B.O.S.S. übertragen; eine Ausschreibung ist nicht erfolgt. Politisch verantwortlich für Bau und Betrieb der Haftanstalt zeichnen Bundesregierung und die Länder Berlin und Brandenburg gleichermaßen, die auch den Flughafen gemeinsam betreiben. Fragwürdig, höchst umstritten.... Mit der massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl 1993 wurde gesetzlich festgelegt, dass Flüchtlinge, die am Flughafen Asyl beantragen, für das Asylverfahren inhaftiert werden können. Eigens für sie wurde ein extrem verkürztes Asylverfahren eingeführt: Gleich nach der Ankunft werden die Flüchtlinge verhörartig nach ihren Asylgründen befragt. Binnen zwei Tagen entscheidet das Bundesamt (BAMF) über den Asylantrag. Nur binnen weiterer drei Tage können die Asylbewerber aus der Haft heraus eine schriftlich begründete Klage gegen die Asylablehnung einreichen. Wird der Asylantrag weiterhin abgelehnt, verbleiben die Asylsuchenden - ggf. über viele Monate - bis zur Abschiebung in der Haftanstalt, bis sich ein zur Rücknahme bereiter Staat findet. Als „hastig, unfair, mangelhaft“ bezeichnet Pro Asyl das Verfahren nach Auswertung von Verfahrensakten aus Frankfurt/Main.2 Das Grundgesetz schreibt für jede Freiheitsentziehung die schnellstmögliche Überprüfung durch ein Gericht normalerweise noch am selben Tag vor, nur im Flughafengefängnis ist keine solche richterliche Haftprüfung vorgesehen. Es handle sich nämlich gar nicht um eine Inhaftierung, so die zynische Begründung des Gesetzgebers, da ein "luftseitiges Verlassen" jederzeit möglich sei. ....und umgehbar Auf den meisten deutschen Groß-Flughäfen wird auf das extrem teure und umstrittene Flughafenverfahren verzichtet, weil es nur durchgeführt werden muss, wenn es eine geeignete Unterkunft im Sinne des Paragrafen 18a Asylverfahrensgesetz gibt. Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover führen keine Flughafenverfahren durch. In Berlin-Schönefeld gab es bisher nur ein bis zwei Fälle pro Jahr. Marginal sind die Zahlen auch für Hamburg, München und Düsseldorf. Nur in Frankfurt am Main werden bis zu ca. 300 Verfahren pro Jahr durchgeführt.3 Die Prognose von 300 Fällen pro Jahr für den Flughafen BBI Willy Brandt entbehrt somit jeder Grundlage. Offensichtlich handelt es sich um ein politisches Prestigeprojekt, für das andere Motive ausschlaggebend sind. Die Inhaftierung Schutzsuchender und ihrer Kinder sowie die faktische Verweigerung von Rechtsschutz gegen Asylablehnungen halten wir für unvereinbar mit dem Grundgesetz und der UN-Kinderrechtskonvention. Das Flughafenasylverfahren muss aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Gründen abgeschafft werden.4 Wir fordern Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung auf, auf Bau und Betrieb einer Haftanstalt für Asylbewerber auf dem Flughafen Willy Brandt zu verzichten. Schutzsuchenden ist wie in Berlin-Tegel die Einreise zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens zu ermöglichen.  Pressekontakt: Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel: 0179-4735393
    Marcus Reinert, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V., Tel: 0151-50724851
    Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Tel:  030 / 62987720 1 Drs. 5/4096 v. 4.10.2011
    www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_4000/4096.pdf 2 "Hastig, unfair, mangelhaft"
    www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf 3 Zahlen vgl. BT-Drs. 16/12742
    http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/127/1612742.pdf
    4 Vgl zur Kritik: "Die Angst gehört zu meinem Alltag"
    www.proasyl.info/texte/mappe/2000/41/7.pdf
    "Das ist rechtswidrige Haft für Kinder"
    www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Ffm_Haft_fuer_Kinder.pdf
    "Warum das Flughafenverfahren abgeschafft werden sollte"
    www.caritas-frankfurt.de/77952.html Pressemitteilung (PDF) Flüchtlingsrat Berlin e.V.
    Georgenkirchstraße 69/70
    10249 Berlin
    Tel.: 030/24344-5762, Fax: -5763
    buero@fluechtlingsrat-berlin.de
    Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
    Rudolf-Breitscheid-Straße 164
    14482 Potsdam
    Tel.: 0331/ 71 64 99'
    info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
    Haus der Demokratie und Menschenrechte
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin
    kontakt@rav.de]]>
    news-201 Tue, 04 Oct 2011 09:44:00 +0200 Zwangsheirat und "Ehrenmord" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zwangsheirat-und-ehrenmord-201 Diskussionsveranstaltung, 18.10.2011 in Essen tsanwältin
    Hayriye Yerlikaya, Rechtsanwältin Dienstag, 18. Oktober 2011 um 19 Uhr
    in den Räumen von ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen
    Friedrich-Ebert-Str. 30, 45127 Essen
    Tel.: 0201-20539
    Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zur Haltestelle Berliner Platz Veranstalter: RAV, VDJ, ProAsyl Flüchtlingsrat Essen (PDF)]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-194 Thu, 22 Sep 2011 10:41:00 +0200 Polizeirepression gegen die Anti-Nazi-Proteste am 2. und 3. September 2011 in Dortmund /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeirepression-gegen-die-anti-nazi-proteste-am-2-und-3-september-2011-in-dortmund-194 Pressemitteilung vom 22.9.2011 Ebenfalls wurde es den in Gewahrsam genommenen Demonstrierenden, die nach anwaltlicher Beratung gefragt hatten, nicht ermöglicht, mit den Anwältinnen und Anwälten des Legal-Teams zu sprechen.
    Die Situation in der GeSa war offensichtlich rechtswidrig, verantwortlich hierfür ist die Polizei. Polizeiknüppel und Pfefferspray Nach Informationen und Beobachtungen des Legal-Teams und der Sanitäterinnen und Sanitäter sind Pfefferspray und Polizeiknüppel unverhältnismäßig gegen Demonstrantinnen und Demonstranten eingesetzt worden.
    Nach § 61 I Polizeigesetz NRW ist der Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray anzudrohen. Obwohl die Polizei in Dortmund die Möglichkeit zur Ankündigung und Erteilung von Platzverweisen hatte, ist dies in der Mehrzahl der Fälle nicht geschehen. Insbesondere wurde Pfefferspray gegen große Gruppen von Demonstrierenden ohne Rücksicht darauf eingesetzt, ob zuvor gegen Gesetze verstoßen wurde oder nicht. Pfefferspray wurde auch gegen Minderjährige oder gegen Personen, die sich ersichtlich von der Demonstration entfernen wollten, eingesetzt. In der Nordstadt wurde in einem Fall ein bereits am Boden liegender Demonstrant von Knüppelschlägen der Polizei getroffen. Ebenfalls in der Nordstadt wurde eine Gruppe Demonstrierender durch die Polizei von einer Seite mit einem Wasserwerfer und von der anderen Seite mit Pfefferspray angegriffen. Ein verantwortungsloser und unverhältnismäßiger Polizeieinsatz, da er durch den Angriff von zwei Seiten sowohl geeignet ist eine Panik auszulösen, als auch Personen, die sich von der Demonstration entfernen wollen, gerade daran zu hindern. Eingriff in die anwaltliche Berufsausübung Offensichtlich kann die Dortmunder Polizei mit einer kritischen Beobachtung ihres Einsatzes nicht umgehen. Mehrfach wurde es Anwältinnen und Anwälten nicht gestattet, mit Mandantinnen und Mandanten, welche von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden, zu sprechen. Dies ist sowohl in der GeSa, als auch in Polizeikesseln und im Zuge von Personenkontrollen und Durchsuchungen geschehen.
    Die Polizei hat gegenüber Anwältinnen und Anwälten Platzverweise und Betretensverbote für die Nordstadt ausgesprochen. Anwältinnen und Anwälten, die sich über diese Behinderung ihrer Berufsausübung beschweren wollten, war es nicht möglich, mit dem Einsatzleiter vor Ort zu sprechen. Durch die Polizistinnen und Polizisten wurde noch nicht einmal der Name des Einsatzleiters vor Ort genannt.
    Dass es sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern die planvolle Verhinderung von kritischer Beobachtung handelt, zeigt die Tatsache, dass Abgeordnete, die diesem Wochenende als parlamentarische Beobachter unterwegs waren, von ähnlichen Erfahrungen berichten. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Daniel Werner telefonisch zur Verfügung (Tel.: 0208-8106580) Pressemitteilung PDF]]>
    Demonstrationsfreiheit (doublet) Polizeirecht (doublet)
    news-192 Wed, 14 Sep 2011 18:08:00 +0200 Funkzellenabfrage bei Versammlungen ist nicht zu rechtfertigen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/funkzellenabfrage-bei-versammlungen-ist-nicht-zu-rechtfertigen-192 Pressemitteilung vom 14.9.2011 Pressemitteilung (PDF)]]> news-191 Thu, 08 Sep 2011 09:31:00 +0200 Internationaler Gerichtshof (IGH) verhandelt über Entschädigungen für Opfer von NS-Verbrechen aufgrund einer Klage Deutschlands gegen die Republik Italien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationaler-gerichtshof-igh-verhandelt-ueber-entschaedigungen-fuer-opfer-von-ns-verbrechen-aufgrund-einer-klage-deutschlands-gegen-die-republik-italien-191 RAV und ASF_Pressemitteilung vom 8.9.2011 www.icj-cij.org Veranstaltungen und Termine: Berlin, Freitag, den 9. September, 11 Uhr, Außenministerium Kundgebung u.a. von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, VVN/BdA u.a. vor dem Außenministerium unter dem Motto „Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen“ mit Ludwig Baumann, Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz und Ulla Jelpke, MdB (Die Linke) Montag, den 12. September, Den Haag: ab 9:00 Uhr Kundgebung vor dem IGH in Den Haag
    10:00 – 13:00 Uhr Besuch der Verhandlung mit Delegation griechischer Überlebender und deutscher UnterstützerInnen
    18:30 Uhr Podiumsdiskussion: Compensation for Massive Violations of Human Rights: Contemporary Relevance and Challenges to State Immunity
    Ort: The Hague University of Applied Sciences, Johanna Westerdijkplein 75, The Hague
    mit: Prof. em. Michael Bothe (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main), Martin Klingner (Rechtsanwalt, Vertreter der Kläger aus Distomo/Griechenland) und Dr. Axel Hagedorn (Rechtsanwalt, Vertreter der “Mothers of Srebrenica) Veranstalter: RAV, ECCHR Kontakt:
    Rechtsanwalt Martin Klingner
    Tel.: (0049) 040-4396001
    ab Sonntag in Den Haag mobil: 0049 162 1698656 Für weitere Informationen: www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/ PDF: PM incl Hintergrundinformationen PDF: Fact sheet_Hintergrundinformationen zu den konkret von dem Verfahren betroffenen Gruppen von NS-Opfern]]>
    news-190 Wed, 07 Sep 2011 15:59:00 +0200 Compensation for Massive Violations of Human Rights: Contemporary Relevance and Challenges to State Immunity /publikationen/mitteilungen/mitteilung/compensation-for-massive-violations-of-human-rights-contemporary-relevance-and-challenges-to-state-immunity-190 Podiumsdiskussion, Den Haag, 12. September Referenten: Prof. em. Michael Bothe (Frankfurt/Main) zu der Frage der Staatenimmunität vor nationalen Gerichten in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des Humanitären Völkerrechts Rechtsanwalt Martin Klingner (Hamburg) zu dem Kampf der NS-Opfer und ihrer Hinterbliebenen um Entschädigung vor nationalen und internationalen Gerichten Rechtsanwalt Dr. Axel Hagedorn (Amsterdam) zu den Klagen auf Entschädigung für massive Menschenrechtsverletzungen durch die Niederlande und die UN in Srebrenica Moderation: Andreas Schüller (ECCHR) Zeit: 12. September 2011 um 18:30 Ort: The Hague University of Applied Sciences,
    Johanna Westerdijkplein 75, The Hague Eintritt frei. Veranstaltung in englischer Sprache. Veranstalter: RAV, ECCHR (Einladung_engl PDF)]]>
    NS-Verbrechen (doublet) Globale Gerechtigkeit (doublet)
    news-189 Thu, 18 Aug 2011 09:40:00 +0200 Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in Schleswig Holstein /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-ueber-den-vollzug-der-untersuchungshaft-in-schleswig-holstein-189 Stellungnahme I. Vorbemerkungen „Die Freiheit der Person nimmt – als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers – einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sie als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantieren statuiert. Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht, die nicht dem Schuldausgleich dienen, sind nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert.“ So hat es das Bundesverfassungsgericht in dem jüngst ergangenen Urteil vom 4. Mai 2011 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung formuliert.1 Ohne Frage sind diese grundsätzlichen Erwägungen auch auf die Ausgestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft übertragbar. Denn auch hier dient die Vollstreckung der Haft allein verfahrenssichernden Zwecken und keinem Schuldausgleich. Inhaftiert sind vor dem Gesetz unschuldige Bürger, die durch den Vollzug der Untersuchungshaft allein solchen Beschränkungen ausgesetzt werden dürfen, die zur Sicherung des anhängigen Strafverfahrens unerlässlich sind. Dies als Grundlage gesetzt, ist die Regelung in §§ 2 und 4 des Gesetzentwurfes (GE) nicht nur deklaratorisch zu verstehen, sondern Teil eines nach dem Grundgesetz gesicherten Anspruchs der Untersuchungsgefangenen. Diesem von Verfassungs wegen zu beachtenden Grundsätzen wird in weiten Teilen weder der vorliegende Gesetzesentwurf, noch in weiten Teilen der Änderungsantrag der Partei Bündnis 90/Die Grünen und erstrecht die nicht geplante faktische Umsetzung des Gesetzes gerecht. Dabei wird vonseiten des RAV grundsätzlich eine gesetzliche Regelung zum Vollzug der Untersuchungshaft begrüßt. Es ist insoweit schwer nachvollziehbar, warum es bis zum heutigen Tage angedauert hat, bis nunmehr nach entsprechender Grundgesetzänderung die Länder in eigener Kompetenz Untersuchungshaftvollzugsgesetze erlassen. Bei der Beschränkung der Freiheit als einem der schwerwiegendsten Grundrechtseingriffe bedarf es selbstverständlich auch einer gesetzlichen Regelung über die Ausgestaltung des Vollzuges. Diese gesetzliche Regelung sollte sich dann allerdings auch vorrangig am alleinigen Zweck der Untersuchungshaft und den damit einhergehenden von Verfassungs wegen zu beachtenden umfangreichen Verhältnismäßigkeitsabwägungen orientieren und nicht an den damit einhergehenden Kosten. Dabei wird von hieraus nicht verkannt, dass im Rahmen der Gesetzgebung auch immer fiskalische Erwägungen eine Rolle spielen. Diese dürfen allerdings nicht dazu führen, dass die Ausgestaltung der Untersuchungshaft dazu führt, dass Untersuchungsgefangene über die mit dem Zweck der Untersuchungshaft unvermeintlich verbundenen Beschränkungen weitergehend benachteiligt werden. In den Vorerörterungen zum Gesetzesentwurf der Landesregierung wird zum einen zwar darauf verwiesen, dass im Rahmen der Neuausgestaltung der Untersuchungshaft insgesamt elf neue Personalstellen geschaffen werden sollen. Gleichzeitig sollen allerdings zwei Justizvollzugsanstalten komplett geschlossen werden, wobei die Untersuchungsgefangenen auf die JVA Neumünster verteilt werden sollen. Insgesamt soll das Personal dabei aus einer internen Umverteilung trotz der Schaffung von elf Personalstellen erheblich eingespart werden. So besteht bis 2020 eine Einsparverpflichtung von insgesamt 141 Stellen in diesem Bereich.2 Wie ein Untersuchungshaftvollzug, der verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben sowie internationalen Verpflichtungen auch nur ansatzweise gerecht werden soll, mit diesen personellen Mitteln bei gleichzeitiger Schließung von zwei Justizvollzugsanstalten mit einem „Umverteilen“ der Untersuchungsgefangenen von dort umgesetzt werden soll, erscheint nicht nachvollziehbar. Der vorgelegte Gesetzesentwurf bietet insoweit dem Anstaltsleiter an vielen und wesentlichen Punkten, die mit der Einschränkung von Grundrechten verbunden sind, einen ganz erheblichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum. Im Rahmen der fiskalischen Erwägungen des Gesetzesentwurfes und auch der praktischen Möglichkeiten des Justizvollzuges ist insoweit zu befürchten, dass diese Ermessensentscheidungen ganz erheblich unter Berücksichtigung allein der tatsächlich bestehenden sachlichen und personellen Mittel getroffen werden.3 Insoweit ist auch dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Strafvollzug zuzustimmen, dass das Gesetz und deren geplante Umsetzung politisch nicht vertret- oder verantwortbar ist und es eine Frage der Zeit sein dürfte, bis die einzelnen Regelungen selbst oder aber deren mangelnde Umsetzung Gegenstand verfassungsgerichtlicher oder aber auch menschenrechtlicher Entscheidung werden. Im Hinblick auf diese Gesamtkritik erscheint der gesamte Gesetzentwurf überarbeitungswürdig. Ermessensspielräume der Anstalt sind im Rahmen des Möglichen zu reduzieren, um den Anpassungsgrundsatz und der Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf diese Gesamtkritik soll nur zu einzelnen – hier besonders kritikwürdig erscheinenden – Regelungen und den diesbezüglichen Änderungsanträgen Stellung genommen werden. II. Anmerkungen zu Einzelregelungen 1. § 4 GE: Stellung der Untersuchungsgefangenen / Erörtungsgebot  belastender Maßnahmen § 4 des GE entspricht insoweit dem Musterentwurf für ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz der Gruppe aus 12 Bundesländern; der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen der Regelung aus § 4 Abs. 3 des Hamburgischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes. Der Änderungsantrag ist insoweit zu begrüßen, als dass die Erläuterung von Vollzugsmaßnahmen das Verständnis und die Akzeptanz für solche bei den Untersuchungsgefangenen sicherlich eher erhöht, als deren bloßer Vollzug ohne entsprechende Erklärung.4  Die Regelung scheint allerdings im Hinblick auf die nunmehr gegebene relativ weit reichende Anordnungskompetenz des Anstaltsleiters als nicht ausreichend, um einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. So muss es dem Untersuchungsgefangenen möglich sein, effektiven Rechtsschutz nach §§ 119a, 126 StPO zu erreichen. Dafür ist es in der Regel erforderlich, eine zumindest kurze. aber schriftliche Begründung über einzelne Anordnungen des Anstaltsleiters zeitnah zu erhalten, um Möglichkeiten und Erfolgsaussichten einer Beschwerde gegen Einzelanordnungen ausreichend prüfen und etwaige Einwendungen vor Gericht in geordneter Art und Weise vorbringen zu können. Insoweit sollte der in Absatz 3 des Änderungsantrages benannte Satz um folgenden Satz 2 ergänzt werden: „Auf Antrag ist der Untersuchungsgefangene über einzelne belastende Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt spätestens binnen zwei Wochen nach Antragstellung schriftlich zu bescheiden.“ Der mit diesem Recht auf schriftliche Bescheidung einhergehende Verwaltungsaufwand der Anstaltsleitung dürfte dadurch kompensiert werden, dass ggf. auch im Einzelfall aufgrund einer nachvollziehbaren schriftlichen Erklärung einer belastenden Maßnahme gerichtliche Schritte unterlassen werden. Der derzeitige nach dem Gesetzesentwurf vorgesehene Regelfall der Beschwerde gegen eine mündliche Anordnung im Rahmen der Untersuchungshaft ist wenig zielführend, obgleich auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung auf schriftliche Bescheidung aufgrund der Eilbedürftigkeit der Anordnung und der damit einhergehenden beschränkten Rechtsschutzmöglichkeit die schriftliche Bescheidung vor einer Beschwerde nach §§ 119a, 126 StPO die Ausnahme bleiben würde. 2.    § 5 GE: Angleichungsgrundsatz In § 5 ist der Angleichungsgrundsatz entsprechend des Musterentwurfes formuliert. Dies ist ausnahmslos zu begrüßen, wenn dem auch durch die weiteren insoweit einschränkenden Regelungen des GE nach hiesiger Auffassung nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Soweit im Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen wird, zum einen der Verhütung von Suiziden eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen und zum anderen ein besonderes Augenmerk auf die Schaffung und Bewahrung eines gewaltfreien Klimas im Vollzug zu richten, so ist diesen beiden deklaratorisch formulierten Ansprüchen sicherlich nichts entgegenzusetzen. Sie entsprechen im Übrigen der Regelung in den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt. Insoweit wird begrüßt, einen derartigen Anspruch zu formulieren. Dieser macht allerdings praktisch nur dann einen Sinn, wenn auch entsprechende Möglichkeiten zur Suizidverhütung in der JVA - insbesondere eine umfangreiche auch psychologische Betreuung der Untersuchungsgefangenen - angeboten werden. Dies ist im Hinblick auf die Personalsituation auch im Land Schleswig-Holstein und die nur unzureichend geregelten Ansprüche auf psychologische Behandlung im Gesetzesentwurf allerdings äußerst fraglich. 3.    § 7 GE: Zugangsgespräch und ärztliche Erstvorstellung § 7 Abs. 2 GE sieht vor, dass andere Gefangene beim Zugangsgespräch „in der Regel“ nicht zugegen sein dürfen. Insoweit ist auf die Landesgesetze von Berlin, Brandenburg und Bremen hinzuweisen, die abweichend geregelt haben, dass andere Gefangene beim Aufnahmeverfahren generell nicht anwesend sein dürfen. Die Regelung im GE soll offensichtlich dazu dienen, dass bei unüberwindbaren sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten ausnahmsweise ein zuverlässiger Gefangener hinzugezogen werden kann.5  Allerdings darf der bei der Untersuchungshaft besonders wichtige Schutz der Privat- und Intimsphäre des gerade festgenommenen Untersuchungsgefangenen nicht Gefahr laufen, durch ökonomische Überlegungen – wie etwa die Einsparung der Kosten des Einsatzes eines professionellen Sprachmittlers – beschränkt zu werden. Insofern ist die Regelung auch deswegen nicht unbedenklich, weil durch die Hinzuziehung eines anderen Gefangenen – selbst wenn dieser als zuverlässig eingestuft wird – die Gefahr entsteht, dass hochsensible Gefangenendaten anderen Mitgefangenen bekannt werden und dies in der Stresssituation der erstmaligen Aufnahme in der Haftanstalt in seiner Tragweite den Untersuchungsgefangenen bei Abgabe einer möglichen Zustimmungserklärung nicht bewusst ist.6 Im Hinblick auf den Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ist anzumerken, dass eine „umgehende“ Vorstellungsverpflichtung beim Arzt den unbestimmten Rechtsbegriff der „alsbaldigen“ Vorstellung beim Arzt nicht unbedingt zielführend konkretisiert. Im Hinblick auf die gerade zu Beginn der Untersuchungshaft bestehende erhöhte Suizidgefahr sollte nach hiesigem Dafürhalten eine Vorstellungsmöglichkeit beim Arzt oder aber bei zumindest einem Anstaltspsychologen unverzüglich nach der Festnahme ermöglicht werden, wobei allerdings die Verteidigerkonsultation Vorrang haben sollte.7 Denn die Möglichkeit, den Verteidiger zu konsultieren, zu dem aufgrund dessen Verschwiegenheitsverpflichtung ein ggf. höheres Vertrauen entgegengebracht wird, als gegenüber der Anstaltsärztin oder dem Anstaltsarzt, dient ebenso auch einem Erkennen und der sachgerechten Behandlung von Suizidtendenzen. 4.    § 8 GE: Verlegung und Überstellung In § 8 GE ist eine Überstellung oder Verlegung in eine andere Anstalt vorgesehen. Die dabei normierte Zuständigkeit des Anstaltsleiters stößt im Hinblick auf den verfahrenssichernden Zweck der Untersuchungshaft und den damit einhergehenden Richtervorbehalt für die Frage der Anordnung derselben auf erhebliche Bedenken. Jedenfalls ist nach der Regelung dem Gericht und der Staatsanwaltschaft vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben, wobei durch einzelne verfahrenssichernde Anordnungen ggf. auch verhindert werden kann, dass eine Überstellung oder Verlegung erfolgt. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum die Regelung im GE auf eine Stellungnahmemöglichkeit auch der Verteidigung verzichtet. Nach der Schaffung der Notwendigkeit eines Pflichtverteidigers ab Beginn der Untersuchungshaft gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO wird es die absolute Regel sein, dass Untersuchungsgefangene bereits ab Beginn der Untersuchungshaft anwaltlich vertreten sind. Insofern besteht eine Benachteiligung der Untersuchungsgefangenen, wenn bei einer anstehenden Verlegung ihm und seinem Verteidiger die Gewährung rechtlichen Gehörs vorenthalten wird. Denn eine Verlegung oder Überstellung kann für die empfindlichen sozialen Besuchskontakte des Betroffenen erhebliche Bedeutung haben. Insoweit ist es auch nachvollziehbar, dass die Regelung in Berlin und Bremen eine entsprechende Stellungnahmemöglichkeit auch für die Verteidigung vorsieht. Gleiches sollte in Schleswig-Holstein normiert werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Regelung über die Ausführungen im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 2 GE, in der ebenfalls bspw. entgegen der Regelung in Berlin, eine Stellungnahmemöglichkeit für die Verteidigung bislang nicht vorgesehen ist. 5.    § 11 GE: Trennung von Strafgefangenen; Der in § 11 Abs. 1 S. 1 GE normierte Trennungsgrundsatz ist schon von Verfassungs wegen zu beachten. Problematisch sind die insoweit genannten Ausnahmen in § 11 Abs. 1 S. 2; Abs. 3 GE. So ist eine gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen mit „Zustimmung“ der einzelnen Untersuchungsgefangenen möglich. Im Hinblick auf die Planung im Land Schleswig-Holstein, zwei Justizvollzugsanstalten zu schließen und die insoweit verbleibenden Untersuchungsgefangenen auf die ohnehin schon sehr begrenzte Kapazität der bestehenden Haftanstalten umzuverteilen, ist ein dauerhafter Verstoß gegen das Trennungsgebot absehbar. Insoweit wird nicht auszuschließen sein, dass  Untersuchungsgefangene „überredet“ werden (müssen), um überhaupt eine Durchführung der Untersuchungshaft unter derart begrenzten Verhältnissen zu ermöglichen.8 Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Untersuchungsgefangene, die mit den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten in der JVA wenig vertraut sind oder aber die eine Konfrontation um ihre Rechte scheuen, aus diesen Gründen einer Zusammenlegung mit Strafgefangenen entgegen ihrem eigentlichen Willen formal zustimmen, was den Trennungsgrundsatz ad absurdum führen würde. Dabei ist die Trennung von Strafgefangenen kein formaler Akt, sondern dient der Umsetzung der Unschuldsvermutung und damit der Sicherung von grundrechtlichen und menschenrechtlichen Positionen des Gefangenen.9 Soweit eine Abweichung vom Trennungsgrundsatz auch deswegen erlaubt sein soll, wenn sie zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich ist, so sind diese Ausnahmevorbehalte zu weich formuliert. Vielmehr müsste das Gesetz darauf hinweisen, dass eine Ausnahme vom Trennungsgrundsatz auch zur Umsetzung von verfahrenssichernden Anordnungen oder aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nur dann möglich ist, wenn andere, ggf. auch wesentlich aufwendigere Möglichkeiten, die den Trennungsgrundsatz sichern, ausgeschöpft und dennoch weder zielführend, noch verhältnismäßig sind. Die weitere Ausnahmemöglichkeit einer getrennten Unterbringung bei einer zu geringen Zahl von Untersuchungsgefangenen ist im Gesetzesentwurf ferner zu unbestimmt formuliert. Bei der vorgesehenen gleichzeitigen Umsetzung von erheblichen Einsparmaßnahmen besteht insoweit die Gefahr, dass der Begriff der „geringen Zahl von Untersuchungsgefangenen“ aus fiskalischen Gesichtspunkten entgegen dem im § 11 GE und von Verfassungs wegen vorgesehenen Regel-Ausnahmeverhältnis extensiv ausgelegt wird. Demnach sollten hier konkrete Zahlenangaben oder aber stärkere Eingrenzungen der Möglichkeit, vom Trennungsgrundsatz abzuweichen, vorgenommen werden. Darüber hinaus ist dem Verfasser durchaus bewusst, dass es im Interesse einzelner Untersuchungsgefangener liegen kann, gemeinsam mit Strafgefangenen, etwa aufgrund einer Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeit, die in der Untersuchungshaft ggf. nicht vorhanden ist, zusammen untergebracht zu werden. Diesem Interesse im Ausnahmefall Rechnung tragen zu können, mag durchaus ein sinnvolles gesetzgeberisches Anliegen sein. Auf der anderen Seite besteht aufgrund der Mangelversorgung mit Arbeitsmöglichkeiten sowie der bereits aktuell erhöhten und absehbaren Überbelegung die große Gefahr, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis von § 11 GE in Verkennung des aus der Unschuldvermutung resultierenden strikten Trennungsgebotes aus fiskalischen Gründen umgedreht wird. Insoweit kann eine derartige Regelung nur dann Sinn machen, wenn durch zusätzliche – im Entwurf leider nicht vorhandene – Regelungen, die die bauliche und sachliche Ausgestaltung der Untersuchungshaftanstalten klar regeln, derartigen sachfremden Erwägungen ein Riegel vorgeschoben wird. So wäre es wünschenswert, eine maximale Belegungsfähigkeit jeder Untersuchungshaftanstalt so zu regeln, dass diese für jeden Untersuchungsgefangenen eine Einzelunterbringung gewährleistet. Ferner wäre ein Recht auf Arbeitsbeschäftigung und Ausbildungsmöglichkeit auch in der Untersuchungshaft zu schaffen, schon allein um der problematischen psychischen Situation der Untersuchungsgefangenen, aber auch dem Angleichungsgrundsatz gerecht zu werden. Bestehen solche Regelungen nicht, ist davon auszugehen, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis von § 11 GE in der Praxis ausgehöhlt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt u. a. durch Beschluss vom 10. Januar 2009 klargestellt: „Es ist Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen“.10 Dass diesen klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die praktische Umsetzung der durch § 11 GE eröffneten weiten Spielräume, die in der Begründung des GE ausdrücklich schon eingeplant sind, widersprochen werden wird, ist nach hiesiger Auffassung evident. 6.    § 13 GE: Unterbringung zur Ruhezeit Gleiches wie zu § 11 GE gilt im Übrigen für § 13 Abs. 1 S. 2 GE, der ebenfalls eine gemeinsame Unterbringung während der Ruhezeit mit „Zustimmung“ des Untersuchungsgefangenen erlaubt. Dabei wird von hieraus nicht verkannt, dass es durchaus Untersuchungsgefangene gibt, die eine gemeinsame Unterbringung wünschen, um dadurch mit der psychischen Ausnahmesituation der Inhaftierung besser umgehen zu können. Eine derartige Regelung bürgt allerdings die erhebliche Gefahr, dass eine „Zustimmung“ von Gefangenen durch die Anstalt abverlangt wird, um chronische Mangelzustände durch eine Mehrfachbelegung auszugleichen.11 Durch die gleichzeitig geplanten Sparmaßnahmen liegt eine Gefahr des Missbrauchs der Zustimmungsregelung auf der Hand. Insofern ist der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich zu begrüßen; er geht jedoch nicht weit genug. Denn ohne eine konkrete Bestimmung der Ausgestaltung, der Anzahl und der Größe der Hafträume werden eine Mangelverwaltung und damit eine Möglichkeit auch der Unterbringung aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit in zweckfremder Absicht durchaus weiterhin bestehen bleiben. Insofern ist mitnichten nachzuvollziehen, dass im Rahmen eines nunmehr anstehenden Gesetzesprojektes keine Mindestanforderungen für die Ausgestaltung von Hafträumen für Untersuchungsgefangene vorgenommen werden. Dies überzeugt vor allen Dingen deshalb nicht, weil für nahezu alle anderen wesentlichen Bereiche der Lebensführung gesetzliche Vorgaben vorhanden sind. So ist etwa die Ausgestaltung und Größe von Arbeitsplätzen und Arbeitsräumen geregelt. Selbst für die Haltung von Tieren sind klare Mindestvorgaben gesetzlich bis ins Detail formuliert. Warum in der Untersuchungshaft, einem Bereich der bei unschuldigen Inhaftierten erhebliche Grundrechtseingriffe hervorruft, eine solche Regelung im Jahr 2011 im Rahmen einer modernen Gesetzgebung keine Berücksichtigung findet, ist nicht nachvollziehbar.12 Durch eine solche Regelung sollte eine Mindesthaftraumgröße von neun Quadratmetern, abgetrennte sanitäre Anlagen, Mindesthygienestandards, eine Mindestfenstergröße, die eine Aussicht ermöglichen muss, und eine ausreichende Entlüftung sichergestellt werden. Dass ohne solche menschenrechtlichen Mindeststandards eine zweckwidrige ggf. gemeinsame Unterbringung in unzureichenden und auch im Ergebnis unhygienischen Hafträumen weiterhin an der Tagesordnung sein wird, nimmt der Gesetzesentwurf insoweit offensichtlich in Kauf. 7.    § 17 GE: Eigene Kleidung Das in § 17 GE vorgesehene Recht, eigene Kleidung tragen zu dürfen, sollte im Hinblick auf die geltende Unschuldsvermutung sowie im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz eine Selbstverständlichkeit sein, auch wenn dies mit erhöhtem Kontrollaufwand für die Vollzugsanstalt einhergeht. Der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ist insoweit auch zu begrüßen, da die Reinigungskosten, die von der Anstalt auferlegt werden dürfen, die im privaten Rahmen entstehenden Kosten nicht überschreiten sollten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass solchen Untersuchungsgefangenen, die entweder keine Kontakte außerhalb der Anstalt haben oder aber nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um eine Reinigung der Kleidung sicherzustellen, diese kostenfrei ermöglicht werden muss. So wäre eine mögliche Umgehensweise damit, dass sämtlichen Inhaftierten, die weder über Eigengeld, noch über eine Arbeitstätigkeit in der JVA verfügen, die kostenfreie Reinigung der Kleidung – auch aus hygienischen Gründen – ermöglicht werden sollte. 8.    § 18 GE: Einkauf Die in § 18 Abs. 2 bis 4 GE vorgesehene Möglichkeit eines unbegrenzten Einkaufs ist zu begrüßen. Auch außerhalb der Haftanstalt wird es dabei Unterschiede zwischen finanziell besser gestellten und weniger gut gestellten Inhaftierten geben, weshalb es dem Angleichungsgrundsatz entspricht, eine Begrenzung – etwa aus Gleichstellungsgesichtspunkten der Gefangenen – nicht vorzunehmen. Einem Ausufern der Regelung ist durch die Begrenzung der Belange der Sicherheit und Ordnung in § 19 GE Rechnung getragen. 9.    § 20 Abs. 2 GE: Aufenthalt im Freien Die Möglichkeit, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten, wie  es § 20 Abs. 2 GE vorschreibt, wird von hieraus als nicht weit reichend genug angesehen. Damit werden lediglich menschenrechtliche Mindestanforderungen erfüllt. Der Aufenthalt im Freien und die damit einhergehenden Bewegungsmöglichkeiten für die Untersuchungsgefangenen sind auch ein wichtiger Bestandteil eines effektiven Gesundheitsschutzes. Sie wirken im Übrigen auch wegen der damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Gefangenen – soweit diesen verfahrenssichernde Anordnungen nicht entgegenstehen – der psychischen Ausnahmesituation entgegen. Insofern wird von hieraus vorgeschlagen, die Mindestaufenthaltszeit im Freien, die ermöglicht werden soll, auf zwei Stunden pro Tag festzusetzen. 10.   § 22 Abs. 6 GE: Externe Arztkonsultation Die in § 22 Abs. 6 GE vorgesehene Möglichkeit einer externen Arztkonsultation ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie entspricht den Vorgaben der Empfehlungen des Europarates zu den Mindeststandards der Inhaftierung, wonach allerdings nicht allein der ärztliche Rat, sondern damit auch die Untersuchung, Diagnose und letztlich auch die Einleitung und Durchführung einer Behandlung umfasst sein muss.13 Warum dies im Gesetzesentwurf nicht den europäischen Vorgaben entsprechend formuliert wurde, erschließt sich dem Verfasser nicht. Jedenfalls wäre eine solche Formulierung wünschenswert gewesen. Dann würde nämlich auch die grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur wechselseitigen Entbindung von der Schweigepflicht entfallen können, da diese regelmäßig dazu dienen soll, die weitere ärztliche Behandlung in der JVA zu ermöglichen, was bei einer ggf. privat finanzierten Behandlung durch einen externen Arzt nicht zwingend notwendig ist. 14 11.   § 24 GE: Arbeit und Ausbildung Die Ermöglichung einer Arbeitsbeschäftigung nach § 24 Abs. 2 und 3 GE  – wobei die Arbeit nach § 24 Abs. 1 GE nicht verpflichtend sein darf – ist zu begrüßen. Allerdings beinhaltet die Formulierung, dass ein Arbeitsplatz oder eine sonstige Beschäftigung „nach Möglichkeit“ angeboten werden soll, keinen subjektiven Anspruch auf Zuweisung einer Arbeitstelle, was allerdings die Ermöglichung einer Arbeit für alle Untersuchungsgefangenen vielmehr als Wunschvorstellung, denn als realistische Planung erscheinen lässt. Insofern wäre es sinnvoll, auch hier eine Regel-Ausnahmeregelung zu finden, die die Anstalt grundsätzlich verpflichtet, eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung anzubieten und nur in gesetzlich zu regelnden Ausnahmefällen eine Versagung des Anspruchs zulässt. Ansonsten ist die Regelung nicht mehr als eine unspezifische Absichtserklärung. 12.   § 25 GE: Arbeitsentgelt und Taschengeld Die in § 25 GE getroffene Regelung zur Bemessung des Arbeitsentgeltes und des Taschengeldes ist dringend änderungsbedürftig. Insofern wird der diesbezügliche Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hiesigerseits unterstützt. Richtig ist zwar, dass die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (die allerdings vor Erlass der Untersuchungshaftvollzugsgesetze entstanden ist) eine Gleichbehandlung von Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen, was die Arbeitsvergütung betrifft, nicht vorsieht. Das heißt aber nicht, dass Untersuchungsgefangene für ihre Arbeit geringer entlohnt werden müssen, als Strafgefangene. Bei Strafgefangenen gebietet der Grundsatz der Resozialisierung, dass jede Arbeit angemessen vergütet werden muss, um auch eine Wertschätzung der Arbeitstätigkeit durch die Anstalt zu demonstrieren. Dieser Grundsatz der Resozialisierung gilt zugegebenermaßen im Untersuchungshaftvollzug nicht. Auf der anderen Seite gilt nach der Vorgabe des Gesetzesentwurfes der Angleichungsgrundsatz. Insofern ist nicht nachvollziehbar, warum Untersuchungsgefangene, deren tatsächliche Verhältnisse denen außerhalb der Anstalt weitestgehend angeglichen werden sollen, noch weniger verdienen sollen, als Strafgefangene. Die dort vorgesehene Vergütung in Höhe von neun Prozent der Bezugsgröße, die an sich schon menschenrechtlich bedenklich ist, sollte zumindest nicht unterschritten werden. Allein fiskalische Erwägungen dafür anzuführen, widerspricht dem Grundsatz, dass der Staat die Mittel aufzubringen hat, um dem verfassungsrechtlichen, aber auch dem einfach gesetzlichen Anspruch der Untersuchungshaft gerecht zu werden. Insofern widerspricht die Regelung aus § 25 GE den Zielen aus §§ 2, 4, 5 GE. Hinsichtlich einer darlehensweisen Gewährung von Taschengeld gem. § 25 Abs. 7 GE ist anzumerken, dass eine solche Regelung nach hiesigem Dafürhalten wenig praktischen Sinn macht. Die Untersuchungsgefangenen, die auf das minimale Taschengeld angewiesen sind, sind regelmäßig auch nicht in der Lage, dieses nach einer ohnehin wirtschaftlich problematischen Entlassung aus der Untersuchungshaft entweder in die Freiheit oder in die Strafhaft zurückzuzahlen. Insofern sollte auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die nur darlehensweise Gewährung des Taschengeldes verzichtet werden. Zudem dürfte der Verwaltungsaufwand, der mit der Rückeinforderung der Darlehen verbunden ist, finanziell schwerer wiegen, als die tatsächlich möglichen Rückzahlungen. Insofern ist auch in diesem Punkt der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen zu unterstützen. 13.   § 26 GE: Sport- und Freizeitangebote Zur Ausgestaltung von Freizeit- und Sportangeboten ist anzumerken, dass diese bislang nur sehr begrenzt in den Untersuchungshaftanstalten vorhanden sind. Im Hinblick auf die psychische Ausnahmesituation der Inhaftierung und dem Fakt des ungewissen Ausgangs eines bestehenden Strafverfahrens, kommt solchen Möglichkeiten eine erhebliche Bedeutung – auch zur Vermeidung von Suizidgefahren im Vollzug – zu. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn die Regelung in § 26 S. 2 GE einen subjektiven Anspruch und nicht allein eine Absichtserklärung begründen würde. So sollte formuliert werden, dass Sportmöglichkeiten und Gemeinschaftsveranstaltungen angeboten werden müssen. Der Umfang und die Einzelheiten werden dann sicherlich auch von den Gegebenheiten der einzelnen Vollzugsanstalten und den Bedürfnissen der Untersuchungsgefangenen abhängig sein. 14.   § 33 GE: Besuch Das Recht auf Besuch ist für Untersuchungshaftgefangene sicherlich eines der praktisch wichtigsten Anwendungsgebiete des Gesetzesentwurfes. Die Regelung in § 33 GE geht insoweit nach hiesigem Dafürhalten nur unzureichend auf die Bedeutung der Unschuldsvermutung und die Ziele und Zwecke der Untersuchungshaft ein. Wenn die Untersuchungshaft allein dazu dient, einen verfahrenssichernden Zweck zu erfüllen, ist unverständlich, warum nicht weitergehende Besuchsmöglichkeiten gewährt werden sollen. Dies mag an dem damit einhergehenden organisatorischen und personellen Aufwand und damit an den dafür entstehenden Kosten liegen. Auf der anderen Seite kann eine in den Grundsätzen des Gesetzesentwurfes entsprechende und verfassungsrechtlichen Anforderungen folgende Inhaftierung in der Untersuchungshaft keine allein auf solchen fiskalischen Erwägungen beruhende Beschränkungen, begründen. Insofern wäre es nach hiesigem Dafürhalten sinnvoll, bei dem Recht auf Besuch deutlich zu differenzieren, ob Flucht-, Verdunkelungs- und/oder Wiederholungsgefahr angenommen worden ist. Im Falle einer alleinigen Fluchtgefahr ist nicht nachvollziehbar, warum die Besuchszeit auf zwei Stunden im Monat beschränkt sein soll. Gleiches gilt für die Überwachung der Besuche. Insofern wäre es durchaus sinnvoll und angemessen, eine Möglichkeit des auch unüberwachten familienfreundlichen Langzeitbesuches in der Untersuchungshaft zu schaffen, wenn dies verfahrenssichernden Anordnungen nicht entgegensteht. Es ist nicht zu rechtfertigen, warum diese Möglichkeit in einigen Justizvollzugsanstalten für Strafgefangene praktiziert wird, jedoch für Untersuchungsgefangene, für die die Unschuldsvermutung und der Angleichungsgrundsatz streiten, bislang nicht umgesetzt wird und auch im Gesetzesentwurf nicht vorgesehen ist. Gleiches gilt für die Durchführung von Telefongesprächen, auf die viele Untersuchungsgefangene zur Aufrechterhaltung von familiären und freundschaftlichen Kontakten, aber auch zur Verteidigerkonsultation, dringend angewiesen sind. Insofern ist auch hier ein subjektiv durchsetzbarer Anspruch des Gefangenen zu schaffen, wenn der Durchführung von Telefongesprächen keine verfahrenssichernden Zwecke entgegenstehen. In jedem Fall sollte die Möglichkeit geschaffen werden, unüberwachte Telefongespräche vom Verteidiger in der Untersuchungshaft empfangen zu können. Der damit einhergehende Überwachungsaufwand, der in der Regel nur sicherstellen muss, dass der Anrufer auch tatsächlich der eingetragene Verteidiger des Untersuchungsgefangenen ist, ist sicherlich überschaubarer, als der, der ohnehin beim Besuch eines Verteidigers anzustrengen wäre. Insofern wäre es dem Untersuchungsgefangenen und seinem Verteidiger oder seiner Verteidigerin auch gut möglich, kurzfristige Anliegen zu klären und insoweit auch zu einer Beruhigung und Perspektivfassung des Untersuchungsgefangenen zeitnah beitragen können. In jedem Fall muss die telefonische Verständigung mit dem Verteidiger auch unüberwacht gewährleistet werden, wenn Zwangs- oder Disziplinarmaßnahmen durch die Anstalt angeordnet werden, denn dann ist ein unverzügliches Handeln auch der Verteidigung im Regelfall erforderlich.15 15.   §§ 42ff. GE: Sicherheit und Ordnung Hinsichtlich der Vorschriften über die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (§ 42 ff GE) soll auf den diesbezüglichen Diskussionsstand im Rahmen des Strafvollzugsgesetzes, mit dem diese Regelungen weitestgehend identisch sind, verwiesen werden. Allerdings bestehen im Rahmen der Untersuchungshaft aufgrund der wesentlich grundrechtsintensiveren Regelung über besondere Sicherungsmaßnahmen und Disziplinarmaßnahmen erhebliche Bedenken, ob die Anordnung dieser Maßnahmen außerhalb des Richtervorbehaltes dem Anstaltsleiter übertragen werden kann. Außerhalb einer Eilkompetenz der Anstaltsleitung sollte insoweit hierfür der Richtervorbehalt Anwendung finden.16 Die in § 44 Abs. 2 GE geregelte Möglichkeit einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung muss auf absolute Ausnahmefälle begrenzt werden. Eine allgemeine Anordnungskompetenz der Anstaltsleitung oder von Bediensteten bei Gefahr im Verzuge erscheint verfassungsrechtlich äußerst problematisch. Insofern darf eine solche Durchsuchung ohnehin nur dann vorgenommen werden, wenn ein begründeter Verdacht nicht anders ausgeräumt werden kann und andere Durchsuchungs- oder Ermittlungsmaßnahmen keinen Erfolg versprechen.17 Insofern ist die eingrenzende Regelung im Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen zu unterstützen. Besonderen Bedenken begegnet auch die in § 44 Abs. 4 GE – abweichend vom Musterentwurf – geregelte Sichtkontrolle von insbesondere Verteidigungsunterlagen der Untersuchungsgefangenen. Es ist mehr als lebensfremd, dass bei einer auf verbotene Gegenstände gerichteten Sichtkontrolle vom Inhalt der Schreiben keine Kenntnis genommen wird. Dies kann der Untersuchungsgefangene vor allen Dingen nicht überprüfen, da diese Durchsuchung auch in seiner Abwesenheit vorgenommen werden darf. Die im Gesetzesentwurf benannte Möglichkeit des Untersuchungsgefangenen, diese Unterlagen in seiner Habe unterzubringen und damit vor einer Durchsuchung zu schützen, ist ferner lebensfremd, da er diese im Regelfall für die Vorbereitung seiner Verteidigung benötigen wird. Insofern muss eine Sichtkontrolle der Verteidigungsunterlagen in jedem Fall unterbleiben. Sollte ein Durchsuchen auf verbotene Gegenstände erforderlich sein, so ist dies in Anwesenheit des Untersuchungsgefangenen und mittels eines Röntgengerätes – wie auch bei dem Zugang von Verteidigern zu Haftanstalten - durchzuführen. Entsprechende technische Mittel existieren und sind vorzuhalten. III. Fazit Soweit sind hier die wesentlichen Kritikpunkte im Allgemeinen und an einzelnen Regelungen exemplarisch dargestellt worden. Diese Stellungnahme hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll zur Diskussion im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beitragen. Ohne eine notwendige sachliche und personelle Ausstattung des Justizvollzuges und ohne klare Regelungen zu einer Mindestausstattung wird sich ein Gesetz auf Grundlage des Entwurfes im Regelfall an fiskalischen Erwägungen und nicht an verfassungsrechtlichen und von Gesetzes wegen vorzunehmenden Ausgestaltungserfordernissen der Untersuchungshaft orientieren. Insofern gilt es, entsprechende Mindestanforderungen gesetzlich zu formulieren, praktisch umzusetzen und zu weit gehende Ermessenspielräume soweit wie möglich zu schließen. Scharmer, Rechtsanwalt
    für den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) 1 2 BvR 2365/09 u.a., dort Rn. 98 2 Vgl. Stellungnahme Präsident des Landesrechnungshofs vom 03.05.2011, S. 2 3 So auch die Stellungnahme des Personalrates der JVA Flensburg vom 02.05.2011; vgl. Stellungnahme der Gewerkschaft Strafvollzug vom 06.05.2011 sowie der Stellungnahme der Gewerkschaft Strafvollzug des Landesverbandes Schleswig Holstein vom 06.05.2011 (im Übrigen kritikwürdig). 4 Rubbert in König, Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 4 Rn 26. 5 So jedenfalls die Begründung des Musterentwurfs UVollzG, S. 12 6 so Rubbert in Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 7 Rn 12 7 so auch Stellungnahme der Strafverteidigervereinigung Schleswig Holstein vom 10.05.2011 8 So auch die Stellungnahme des Personalrates der JVA Flensburg vom 02.05.2011. 9 Harrendorf in König, Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 11 Rn 4 10 2 BvR 2029/07 11 So auch ausdrücklich die Stellungnahme des Personalrates der JVA Flensburg. 12 So auch bereits Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum gemeinsamen Musterentwurf der Länder, Juni 2009, S. 14. 13 Harrendorf in Anwaltskommentar Untersuchungshaft, § 22 Rn 13 14 Harrendorf a.a.O. 15 So in etwa im Rahmen der Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus oder gem. § 64 StGB in § 29a Abs. 3 S. 3 PsychKG Berlin vorgesehen. 16 So auch Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer, Juni 2009, zum gemeinsamen Musterentwurf der Länder, S. 22 17 Rubbert/Scharmer in Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 44 Rn 10]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-187 Tue, 05 Jul 2011 11:45:00 +0200 Fritz Bauer – Tod auf Raten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fritz-bauer-tod-auf-raten-187 Filmvorführung, 17.7.11 in Düsseldorf Anschließendes Gespräch mit der Regisseurin Ilona Ziok
    Moderation: Rechtsanwalt Tim Engels Sonntag, 17. Juli 2011, 19:00 Uhr (ca. 90 Min.)
    Black-Box, Kino des Filmmuseums Düsseldorf, Schulstraße 4, 40213 Düsseldorf Eintritt: 6,50 € (erm. 4,50 €) Lokale Filmpartner: Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), Regionalgruppe Düsseldorf
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), NRW
    Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN), Kreisvereinigung Düsseldorf
    Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW Das Düsseldorfer Filmmuseum (Black Box Kino) zeigt den Film im Rahmen der Filmreihe „ueber Mut“. Das vierte bundesweite Filmfestival der Aktion Mensch startete am 4. November in Berlin und wird dann ein Jahr lang mit zehn Dokumentar- und Spielfimen durch 100 deutsche Städte touren.]]>
    news-186 Fri, 10 Jun 2011 11:00:00 +0200 Online-Petition gegen den Einsatz von Pfefferspray /publikationen/mitteilungen/mitteilung/online-petition-gegen-den-einsatz-von-pfefferspray-186 RAV unterstützt die Göttinger Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" <https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=17847>

    Die Göttinger Initiative fordert, den Einsatz von Pfefferspray seitens der Bundespolizei gegen Versammlungen, Menschenmengen und Einzelpersonen mit Ausnahme von Notwehr zu verbieten. Außerdem soll mittels eines Bundesgesetzes sowie im Rahmen der Innenministerkonferenz dieselbe Einschränkung für die Länderpolizeien erwirkt werden.

    Weitere Informationen können den fogenden links entnommen werden: Schwerpunktseite der Göttinger Initiative zum Thema:
    <http://www.buerger-beobachten-polizei.de/thema-repression/pfefferspray>

    Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags: "Pfefferspray - Wirkung und gesundheitliche Gefahren" vom 10. November 2010
    <http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/pfefferspray.pdf>

    Untersuchung der MdB Karin Binder: "Der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten durch Polizeikräfte" vom 16. März 2011
    <http://www.karin-binder.de/fileadmin/mdb-seiten/mdb-binder/2010-pdf-dok/Gutachten_-_Einsatz_von_Pfefferspray.pdf>

    Verurteilung eines Polizisten wegen "Körperverletzung im Amt". TAZ vom 31.03.2011
    <http://www.taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-stuttgart-21/artikel/1/zahltag-fuer-rambo-polizisten>

    Chili statt ausgestreckter Hand
    Erst seit der Jahrtausendwende als polizeiliches Zwangsmittel im Einsatz, spritzt die Polizei immer häufiger mit reizenden Substanzen. (…) "Und in den letzten Jahren gebe es "eine Dynamik hin zum Pfefferspray", hat Linken-Pfefferspray-Experte Schering beobachtet.“Statt Deeskalation, was ja mühsam und aufwändig ist, wird Pfefferspray gespritzt - wie Insektenspray". TAZ vom 04.05.2011
    <http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/chili-anstatt-ausgestreckte-hand>]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-185 Tue, 24 May 2011 07:00:00 +0200 Bürgerrechtler warnen: Antiterrorkampf darf nicht zur Totalüberwachung führen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechtler-warnen-antiterrorkampf-darf-nicht-zur-totalueberwachung-fuehren-185 Gemeinsame Pressemitteilung der Herausgeber des Grundrechtereports 2011, Berlin/Karlsruhe, 23. Mai 2011 Grundrechtereport 2011 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland, Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, M. Kutscha, R. Gössner, U. Engelfried und P. Hase. Fischer Taschenbuchverlag, Juni 2011.
    250 Seiten; 9,99 €
    ISBN 978-3-596-19171-0 Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Frau Martina Kant unter der Nummer (030) 204 502 56 oder
    Frau Marei Pelzer, presse@proasyl.de bzw. Mobilnummer 0163 - 2 30 30 92.]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-184 Thu, 19 May 2011 13:14:00 +0200 Generalverdacht im Gefahrengebiet /publikationen/mitteilungen/mitteilung/generalverdacht-im-gefahrengebiet-184 Diskussionsveranstaltung, Hamburg 30.5.2011
    ----- Wir wollen politische und juristische Strategien gegen den Ausnahmezustand diskutieren, um den präventiven Sicherheitsstaat im Schanzenviertel, auf St. Pauli und in St. Georg genauso wie in den anderen Stadtteilen Hamburgs kollektiv zurückzuweisen. Diskussionsveranstaltung zu Gefahrengebieten von RAV, Rote Hilfe, Rote Flora und Recht auf Stadt-Initiativen.
    Mit den RechtsanwältInnen Britta Eder, Cornelia Ganten-Lange, Carsten Gericke, Marc Meyer sowie Andreas Blechschmidt, Bela Rogalla und vielen Anderen. Montag, den 30. Mai 2011 19.30 h centro sociale, Sternstr. 2, 20357 Hamburg Der Eintritt ist frei Flyer (PDF)]]>
    Polizeirecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-183 Wed, 11 May 2011 17:06:00 +0200 Datenschützer, Journalisten, Telefonseelsorge und Juristen fordern besseren Schutz vor Missbrauch von Telefondaten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/datenschuetzer-journalisten-telefonseelsorge-und-juristen-fordern-besseren-schutz-vor-missbrauch-von-telefondaten-183 Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung 11.05.2011
    Unter Verweis auf die missbräuchliche Offenlegung der Verbindungen von Aufsichtsräten und Journalisten bei der Deutschen Telekom, den Verkauf von Millionen von Privatanschriften und Privatnummern an kriminelle Kreise bei T-Mobile und verbreiteten Werbemüll heißt es in der Stellungnahme: "Noch nie waren Deutsche so vielen Datenpannen und Missbrauchsfällen ausgesetzt wie in den letzten Monaten und Jahren." Sechs von sieben Menschen glaubten nicht, dass sie ihre Daten Telefonanbietern noch ohne Sorge vor Missbrauch anvertrauen könnten. Dies habe fatale Folgen für die Bereitschaft der Bürger, Journalisten Informationen zukommen zu lassen oder vertrauliche Beratung etwa der Telefonseelsorge in Anspruch zu nehmen. Zur Stärkung der Privatsphäre und des Nutzervertrauens sei es dringend erforderlich, durchzusetzen, dass Telekommunikationsdienste so wenige persönliche Nutzerdaten wie möglich sammelten und Nutzer über den Umgang mit ihren Daten wirklich frei entscheiden könnten. Zu den Unterstützern der Stellungnahme gehören der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, die bdfj Bundesvereinigung der Fachjournalisten, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz DVD, der DPV Deutsche Presse Verband, die Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür, das netzwerk recherche, der NRV Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Im Einzelnen fordern die Verbände, das vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung bestehende Recht, die Löschung von Verbindungsdaten mit Gesprächsende zu verlangen, wieder einzuführen. Eine anlasslose Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten zur "Störungserkennung" müsse verboten werden. Die Identität des Nutzers einer Telefonnummer oder Internetadresse dürfe zudem künftig nur noch mit richterlichem Beschluss, nur zur Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Abwehr schwerer Gefahren und nicht für Geheimdienste offengelegt werden. Der anonyme Verkauf von Prepaid- Handykarten müsse wieder erlaubt werden. "Nicht erst seit dem Telekom-Skandal und dem millionenfachen Datenverlust bei T-Mobile wissen wir, dass nur nicht gespeicherte Daten sichere Daten sind", erklärt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Der Gesetzentwurf der Bundesregierung lässt leider nicht nur die gebotenen Konsequenzen aus den genannten Fällen von Datenmissbrauch und Datenklau vermissen. Er soll künftig sogar die Außerlandesschaffung sensibelster Daten über die Telekommunikation in Deutschland legalisieren, was neue Vertraulichkeitsrisiken schaffen würde. Außerdem sollen Telekommunikationsunternehmen künftig jeden 'Anhaltspunkt' für rechtswidriges Verhalten am Telefon oder im Internet in 'Missbrauchs-Verdachtsregister' aufnehmen müssen, was mit der wichtigsten Aufgabe der Unternehmen, das Fernmeldegeheimnis zu garantieren, unvereinbar wäre."

    Nachweise:
    [1] Tagesordnung des Bundestags:
    http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/108.html

    [2] Die gemeinsame Stellungnahme der Verbände im Internet: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/Stellungnahme_TKG-Novelle.pdf

    Diese Pressemitteilung im Internet:
    http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/452/79/lang,de/

    Über uns: Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, die sich in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen die ausufernde Überwachung im Allgemeinen und gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation und anderer Verhaltensdaten im Besonderen einsetzen. http://www.vorratsdatenspeicherung.de]]>
    Überwachung
    news-182 Thu, 05 May 2011 16:46:00 +0200 Osama bin Laden und die beschämende Freude über seinen gewaltsamen Tod /publikationen/mitteilungen/mitteilung/osama-bin-laden-und-die-beschaemende-freude-ueber-seinen-gewaltsamen-tod-182 Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung vom 3.5.11 Dies tun wir hiermit und ergänzen, dass der RAV diese Erklärung inhaltlich begrüßt und ausdrücklich unterstützt. "Ob sich Osama bin Laden wirklich gewaltsam einer beabsichtigten Festnahme widersetzte oder ob er nicht Opfer einer gezielten extralegalen Tötung wurde, bleibt zu klären. So oder so – die Neue Richtervereinigung verurteilt auf jeden Fall die beschämende, ausdrücklich und öffentlich ausgesprochene Freude über seinen gewaltsamen Tod seitens der Bundeskanzlerin, des Bundespräsidenten und des Bundesinnenministers. Osama bin Laden war einer der gewalttätigsten Verbrecher nach den Weltkriegen. Die Erklärung eines schmutzigen Krieges durch Terrororganisationen vermag es aber nicht zu legitimieren, auf derselben Ebene zu agieren. Wie jeder Verbrecher hätte er vor Gericht gestellt werden müssen. Dies ist ein Eckstein der Zivilisation. Bin Laden in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung für seine Taten zu ziehen, hätte daher eine große Stunde für die Rechtsstaatlichkeit werden können. Sollten die USA sich für den barbarischen Weg einer gezielten extralegalen Tötung entschieden haben, wäre dies eine große Niederlage für die Zivilisation. Die international zu ächtende Todesstrafe hätte im Rahmen der Werteordnung des Grundgesetzes gegen ihn weder verhängt, noch vollstreckt werden dürfen. Selbst in den USA hat einer Hinrichtung ein Strafverfahren voraus zu gehen, das mit einem Todesurteil endet. Sollte bin Laden aber schlicht exekutiert worden sein, wäre dies ein extralegaler und  barbarischer Akt, der als solcher von deutschen Politikern benannt und verurteilt werden müsste. Wer stattdessen, wie Frau Merkel, Herr Wulff oder Herr Friedrich als oberste/r Staatsrepräsentant/in bedenkenlos seine Freude über den Tod Bin Ladens ausspricht, handelt nicht nur unethisch, sondern verrät zugleich die Grundprinzipien des modernen Rechtsstaats, für den sie / er zu allererst stehen sollte. "Der gewaltsame Tod eines Menschen ist immer ein Unglück. Statt den Tod eines Menschen ohne jegliche Skrupel zu begrüßen und damit die Barbarei auch bei uns einkehren zu lassen, sollten sich unsere Politiker daran erinnern, dass sich eine Zivilisation gerade dadurch auszeichnet, wie sie mit ihren Gegnern umgeht. Hier zeigt sich einmal mehr, dass der respektvolle Umgang mit dem Rechtsstaat in Zeiten des Anti-Terror-Krieges noch nicht einmal mehr ein Lippenbekenntnis ist", kommentiert Martin Wenning-Morgenthaler, Sprecher der Neuen Richtervereinigung." (Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung PDF)]]> news-181 Tue, 26 Apr 2011 11:01:00 +0200 Polizeigewalt außer Kontrolle? Unabhängige Untersuchungsinstanzen als Mittel gegen Polizeiübergriffe /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeigewalt-ausser-kontrolle-unabhaengige-untersuchungsinstanzen-als-mittel-gegen-polizeiuebergriffe-181 Veranstaltung, 16.5.2011, Berlin Programm
    Rechtsanwältin Christina Clemm, Rechtsanwalt Ulrich v. Klinggräff (RAV): Erfahrungen mit der Praxis in Strafverfahren gegen Polizeibeamte Filmbeitrag über Polizeigewalt im Zusammenhang mit einer Demonstration Martin Herrnkind (Diplom-Kriminologe und Polizist): Defizite interner Kontrolle von Polizeiarbeit Prof. Dr. Norbert Pütter (Redakteur der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP): Kontrolle polizeilicher Gewalt durch unabhängige Einrichtungen

    Termin
    16. Mai 2011 ab 19 Uhr

    Ort
    Humboldt-Universität zu Berlin
    Unter den Linden 6, Raum 2002 (Hauptgebäude) Veranstalter:
    Humanistische Union vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
    Komitee für Grundrechte und Demokratie
    Bürgerrechte & Polizei/CILIP
    Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt (KOP Berlin)
    arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin)
    Neue Richtervereinigung (NRV)
    JungdemokratInnen/Junge Linke Berlin
    Internationale Liga für Menschenrechte. Mit freundlicher Unterstützung der Holtfort-Stiftung. Flyer]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-180 Fri, 22 Apr 2011 18:35:00 +0200 Wider das Schweigen – der Kampf gegen die Straflosigkeit von Völkerrechtsverbrechen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wider-das-schweigen-der-kampf-gegen-die-straflosigkeit-von-voelkerrechtsverbrechen-180 Diskussionsveranstaltung, Hamburg 12.5.2011 Es nehmen teil: Einführung: Dieter Magsam (Rechtsanwalt, RAV)

    Argentinien als Modell für transnationale Strafverfolgung von Menschenrechtsverbrechen?: Wolfgang Kaleck (Rechtsanwalt, Generalsekretär des ECCHR und Sprecher der Koalition gegen Straflosigkeit)

    Aufarbeitung des Völkermords in Guatemala. Das Beispiel Rio Negro: Annette Fingscheidt (Sozialanthropologin, pbi) Moderation: Nassim Madjidian (haj) Veranstalter: Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ) in Zusammenarbeit mit dem Republikanischer Anwältinnen– und Anwälteverein (RAV) und peace brigades international (pbi) Termin: Donnerstag, 12. Mai 2011 um 18.30 Uhr
    Ort: Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude) ESA C, 20146 Hamburg Der Eintritt ist frei (PDF)]]>
    Globale Gerechtigkeit (doublet) Völkerstrafrecht (doublet)
    news-179 Thu, 31 Mar 2011 11:31:00 +0200 Strafverfahren gegen Strafverteidiger: RAV sieht Freiheit der Advokatur in Gefahr /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-strafverteidiger-rav-sieht-freiheit-der-advokatur-in-gefahr-179 Pressemitteilung vom 31.3.2011 Morgen wird in Augsburg das Urteil gegen Rechtsanwalt und Strafverteidiger Stephan Lucas gesprochen: ein Jahr neun Monate Gefängnis auf Bewährung und drei Jahre Berufsverbot wegen Strafvereitelung – so hat es jedenfalls die Staatsanwaltschaft gefordert.

    Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hat das Verfahren aus Sorge um die Freiheit der Advokatur beobachtet. Sollte das Urteil gemäß der Staatsanwaltschaft ausfallen, sähe sich der RAV in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Die Richter, Herren des Strafrechts, sollen einen Rechtsanwalt mit eben diesem Mittel disziplinieren, nicht im Namen des Volkes, sondern im Namen der Subordination“, so Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des RAV. „Das Signal an alle Strafverteidiger: Wer engagiert verteidigt, wird am Ende selbst bestraft.“

    Wie kann ein Strafverteidiger, der seinen Beruf ernst nimmt, überhaupt eine Strafvereitelung begehen? Seine Aufgabe ist es, Verfahrens- und Beschuldigtenrechte durchzusetzen. Im philosophischen Sinne betreibt er so immer „Strafvereitelung“.

    Was hat Rechtsanwalt Lucas getan? Er hatte 2009 vor dem Landgericht Augsburg einen Mandanten gegen den Vorwurf verteidigt, in 26 Fällen mit insgesamt ca. 130 kg Rauschgift gehandelt zu haben. Lucas rügte später in der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem ein „unfaires“ Verfahren. Vorsitzender und Berichterstatter in Augsburg hatten ihm einen Deal angeboten, eine Strafe von unter 5 Jahren im Fall eines Geständnisses. Sein Mandant lehnte ab. Er wollte kein falsches Geständnis ablegen. Am Ende erreichte Lucas, dass sein Mandant nur wegen sieben Fällen mit ca. 25 kg  verurteilt wurde. Die Richter verhängten dafür 8 Jahre und 6 Monate. Dass das nicht fair erscheint, liegt auf der Hand.

    Gegenüber dem BGH gaben die Richter an, sie hätten zwar Lucas zu einem Gespräch getroffen, Zahlen aber seien dabei nicht genannt worden. Lucas widersprach dieser Darstellung ausdrücklich. Der BGH verwirft dann normalerweise die Rüge des unfairen Verfahrens, weil sie unbewiesen geblieben sei. In diesem Fall „übersah“ der BGH den Widerspruch und schlussfolgerte, Lucas habe ihn mit der Rüge bewusst belogen.

    Dies war das Startsignal für die Augsburger Staatsanwaltschaft, Lucas wegen Strafvereitelung anzuklagen, ausgerechnet bei den Richtern des Vorprozesses, die selbst gar nicht auf die Idee kamen, sie könnten befangen sein.

    Jetzt sollen Richter einer anderen Kammer des Landgerichts Rechtsanwalt Lucas antragsgemäß verurteilen, obwohl nicht nur die damalige Sitzungsstaatsanwältin bezeugte, dass sie selbst zum Beispiel damals sehr wohl über konkrete Zahlen gesprochen habe. Es fand sich in allerletzter Minute auch noch ein handschriftlicher Vermerk auf dem Sitzungsprotokoll der Staatsanwaltschaft vom dritten Verhandlungstag: evtl. 4 Jahre 10 Monate.

    Spätestens damit, möchte man meinen, hat der Angeklagte seine Unschuld bewiesen. „Offensichtlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, dass sich nicht der Verteidiger einer Strafvereitelung schuldig gemacht hat, sondern die Staatsanwaltschaft bis zum bitteren Ende Verfolgung eines Unschuldigen betreibt“, resümiert Martin Heiming. „Gehen die Richter diesen Weg mit, müssen sie sich dem Verdacht der Rechtsbeugung ausgesetzt sehen.“

    Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Martin Heiming zur Verfügung, 0172 3577357

    Berlin, 31.3.2011

    Pressemitteilung (PDF)

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    Strafprozessrecht (doublet) Freie Advokatur (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
    news-177 Sun, 20 Mar 2011 17:00:00 +0100 Reden vor Gericht - Der Strafverteidiger Heinrich Hannover liest aus seinen Plädoyers /publikationen/mitteilungen/mitteilung/reden-vor-gericht-der-strafverteidiger-heinrich-hannover-liest-aus-seinen-plaedoyers-177 Lesung mit Heinrich Hannover, 20.3.2011 in Hamburg Termin
    Sonntag 20.03.2011 um 17 Uhr Ort
    Centro Sociale, Stermstr. 2, 20357 Hamburg Veranstalter
    OG Hamburg der Roten Hilfe e.V.
    In Kooperation mit dem RAV und den Freundinnen und Freunden des Centro Sociale e.V. Eine Veranstaltung anlässlich des Tages für die Freiheit der politischen Gefangenen am 18. März. Reden vor Gericht (PDF)  ]]>
    Freie Advokatur (doublet) Strafprozessrecht (doublet) Politische Justiz (doublet)
    news-178 Fri, 11 Mar 2011 14:20:00 +0100 Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins zum Thema "rechtswidrige Polizeigewalt" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-republikanischen-anwaeltinnen-und-anwaeltevereins-zum-thema-rechtswidrige-polizeigewalt-178 Stellungnahme
    2. Polizeigewalt ist ein strukturelles Problem. Die Polizei ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen berechtigt, Gewalt in Form unmittelbaren Zwangs einzusetzen. Dass es hierbei zu Grenzüberschreitungen kommen kann, ist aus strukturellen und psychologischen Gründen polizeilicher Alltag. Wird diese Problematik negiert und der Polizei stets und schon präventiv eine weiße Weste bescheinigt, entsteht ein Klima, das Grenzüberschreitungen befördert. Insbesondere bei den geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei, die zur Aufstandsbekämpfung ausgebildet werden, sind solche Grenzüberschreitungen auch Einsatzmittel und in gewissem Maße politisch erwünscht. Insgesamt entsteht so eine Polizeikultur, in der die einmal gelernten rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen von intern geltenden Normen überlagert werden, die missbräuchliche Gewaltanwendung gestatten.

    3. Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols muss kontrolliert werden. Der Polizei wurde durch die Übertragung des Gewaltmonopols und ihrer Stellung in der Exekutive eine machtvolle Position übertragen. Die Ausfüllung dieser Position bedarf im demokratischen Rechtsstaat einer strengen und wirksamen Kontrolle. Findet diese nicht statt, werden die Betroffenen gegenüber einem Missbrauch des Gewaltmonopols rechtlos gestellt. Sie stehen einem Apparat gegenüber, der mit umfangreichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet und in der Lage ist, die Ahndung solcher Übergriffe zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

    4. Eine strafrechtliche Verfolgung von Polizeigewalt findet kaum statt. Polizeiliche Übergriffe werden nicht nur selten angezeigt. Sie werden auch selten angeklagt - in 95 bis 98 Prozent der Fälle stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. In den Fällen, die das Gericht erreichen, gibt es eine erheblich erhöhte Freispruchquote. Die Gründe hierfür sind vielfältig: schlampig geführte Ermittlungen durch die Polizei, Falschaussagen bzw. eine "Mauer des Schweigens" bei den KollegInnen der Beschuldigten, eine oftmals schwierige Beweislage sowie gesteigerte Anforderungen an diese bei Vorwürfen gegen PolizistInnen, das Zurückschrecken vor einem erhöhten Ermittlungsaufwand, das institutionelle Näheverhältnis von Polizei und Justiz sowie die bei letzterer bestehende Überzeugung, PolizistInnen würden grundsätzlich rechtmäßig handeln.

    5. Erste Voraussetzung für eine Veränderung ist die Anerkennung des Problems. Rechtswidrige Gewaltanwendung durch PolizistInnen wird nur abnehmen, wenn sie als strukturelles Problem anerkannt und thematisiert wird. Solange Polizei, Politik und Justiz das Problem als Ausnahmeerscheinung einzelner "schwarzer Schafe" behandeln und sich die rechtlichen Maßstäbe bei der Beurteilung angezeigter Fälle nicht ändern, wird sich weder die entsprechende polizeiliche Subkultur ändern, noch ein stärkeres Problembewusstsein in der Justiz bilden. Letztlich ist eine erhebliche Verringerung polizeilicher Übergriffe nur durch einen Wandel des polizeilichen Selbstverständnisses, von Einsatzformen und Polizeikultur zu erreichen.

    6. Wirksame Kontrolle kann nur durch eine unabhängige Instanz erfolgen. Sie erfordert einen polizeikritischen Blick, eine institutionelle Unabhängigkeit von Polizei und Innenverwaltung sowie eine hinreichende Ausstattung mit Befugnissen und Ressourcen. Sie muss für alle Formen des Missbrauchs des staatlichen Gewaltmonopols zuständig sein, aber ihre Arbeit auch darauf beschränken. Eine solche unabhängige Polizeikommission muss von dem Landesparlament eingerichtet und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Mitglieder der Kommission müssen eigene Ermittlungen anstellen, Akten einsehen und Empfehlungen an die Staatsanwaltschaft aber auch die Innenverwaltung für disziplinarische Reaktionen aussprechen können. Den Betroffenen von Polizeigewalt muss ein Einsichtsrecht in die Akten der Kommission zustehen. 7. Eine Kennzeichnungspflicht muss sofort und überall eingeführt werden. Es muss selbstverständlich werden, dass PolizeibeamtInnen den BürgerInnen offen und individualisierbar gegenübertreten. Viele Verfahren wegen Körperverletzung im Amt scheitern oft an der fehlenden Identifizierbarkeit der BeamtInnen und an fehlenden Nicht-PolizeizeugInnen. Eine allgemeine Kennzeichnung kann aber nicht nur zu einer besseren Aufklärung polizeilicher Übergriffe führen, sondern auch erhebliche präventive Wirkung entfalten. (Stellungnahme als pdf)  ]]>
    Bürger- und Menschenrechte (doublet)
    news-165 Thu, 10 Feb 2011 08:42:00 +0100 Freispruch für Pinar Selek /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freispruch-fuer-pinar-selek-165 Pressemitteilung vom 9.2.2011 Freispruch für Pinar Selek (PDF)]]> Menschenrechte/Türkei (doublet) news-164 Fri, 04 Feb 2011 15:06:00 +0100 Internationale Delegation beobachtet den Prozess gegen Pinar Selek /publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationale-delegation-beobachtet-den-prozess-gegen-pinar-selek-164 Pressemitteilung vom 7.2.2011
    Der RAV ist besorgt um die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und beobachtet den Prozess Am 9. Februar 2011 wird vor dem „Gericht für schwere Straftaten“ in Istanbul nach 2 erfolgten Freisprüchen erneut gegen die türkische Schriftstellerin und Soziologin Pinar Selek verhandelt werden. Pinar Selek ist durch Veröffentlichungen insbesondere für die Rechte sozial benachteiligter Gruppen (Straßenkinder, Transsexuelle, Prostituierte) und Minderheiten (Kurden, Armenier) international bekannt geworden. Sie lebt derzeit in Berlin, wo sie als Stipendiatin des deutschen P.E.N.-Zentrums an ihrem ersten Roman arbeitet. Der Prozess wird von 20 Institutionen und Einrichtungen beobachtet, darunter das P.E.N. Zentrum Deutschland, Human Rights Watch (HRW), die Féderation Internationale des Ligues des Droits de l’Homme (FIDH), Abgeordnete der Linken, der SPD und der Grünen und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV). Zur Vorgeschichte: Am 9.7.1998 kam es auf dem Istanbuler Gewürzbasar zu einer Explosion, die mehrere Menschenleben forderte. Nachfolgende Untersuchungen am Tatort ergaben, dass es sich um eine Gasexplosion, also um einen Unfall, gehandelt hat. Unabhängig von diesem Ereignis wurde Pinar Selek am 11.7.1998 verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Sie hatte zuvor als Soziologin Recherchen und Interviews zur Analyse des Konfliktes des türkischen Staates mit der kurdischen Minderheit geführt. Aufgrund dieser Recherchen warfen ihr türkische Sicherheitsbehörden Kontakte zur PKK vor. Nach ihrer Inhaftierung versuchten diese, sie unter Anwendung von Folter zur Nennung der Namen ihrer Interviewpartner zu zwingen. Weiterhin wurde behauptet, man habe in einem von ihr mitbetreuten sozialen Projektraum für Straßenkinder Bomben gefunden. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass das dort angeblich aufgefundene explosive Material bereits vor dem Fund in den Händen der Polizei gewesen ist. Pinar Selek wurde wenige Wochen später wegen ihrer vermeintlichen Verbindung zur der PKK und dem angeblichen Bombenfund angeklagt. Parallel hierzu tauchte im August 1998 ein weiterer Vorwurf auf. Unter Folter hatte Abdülmecit Öztürk vor der Polizei angegeben, dass die Explosion auf dem Gewürzbasar auf eine Bombe zurückzuführen sei, die er gemeinsam mit Pinar Selek dort abgelegt habe. Bei späteren Vernehmungen durch Staatsanwaltschaft und Gericht widerrief er seine polizeiliche Aussage unter Hinweis darauf, dass diese unter Folter zustande gekommen sei, und er Pinar Selek nicht kenne. Dennoch wurde eine zweite Anklage gegen Pinar Selek mit dem Vorwurf erhoben, gemeinsam mit Abdülmecit Öztürk eine Bombe auf dem Gewürzbasar gelegt zu haben. Nachdem sich in dem anschließenden Gerichtsverfahren durch Anhörung von Sachverständigen herausgestellt hatte, dass die Explosion nicht durch eine Bombe ausgelöst worden sein kann, wurde Pinar Selek im Dezember 2000 aus der Untersuchungshaft entlassen. Das weitere Gerichtsverfahren ging außerordentlich schleppend voran. Dies lag unter anderem daran, dass noch gegen viele weitere Angeklagte in demselben Prozess verhandelt wurde. Darüber hinaus hat das Gericht teilweise Verhandlungspausen von 3 Monaten gemacht. Auch führten Aktenanforderungen anderer staatlicher Stellen zu erheblichen Verzögerungen, so dass letztendlich erst am 8.6.2006 das Urteil gesprochen wurde. Pinar Selek und Abdülmecit Öztürk wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Während der Freispruch gegen den Hauptbelastungszeugen und Mitbeschuldigten Öztürk rechtskräftig wurde, legte die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch von Pinar Selek Revision ein. Diese Revision führte im April 2007 aufgrund von Formfehlern zur Aufhebung des Urteils durch den 9. Strafsenat des Kassationsgerichts. Am 23.5.2008 wurde erneut gegen Pinar Selek vor dem 12. Hohen Strafgericht verhandelt. Auch diese Verhandlung endete am gleichen Tag mit einem Freispruch. Die hiergegen einlegte Revision der Staatsanwaltschaft führte im April 2009 erneut zur Aufhebung des Urteils durch den 9. Strafsenat des Kassationsgerichtes. Gegen diese Aufhebung legte nun allerdings der Generalstaatsanwalt am Kassationsgerichtshof Beschwerde ein mit dem Ziel, den Freispruch hinsichtlich der Explosion auf dem Gewürzbasar zu bestätigen. Die Beschwerde führte dazu, dass sich der Große Senat am Kassationsgerichtshof mit der Sache befassen musste. Dieser bestätigte am 9.2.2010 die Entscheidung des 9. Strafsenats des Kassationsgerichts und wies das Verfahren an das 12. Gericht für schwere Straftaten in Istanbul zur erneuten Verhandlung zurück. Im September 2010 erfolgte die schriftliche Begründung der Entscheidung. Sie enthielt konkrete und einseitige Vorgaben zur Beweiswürdigung und stützte sich dabei auf die unter Folter zustande gekommene Aussage des freigesprochenen Zeugen Öztürk. Auch hinsichtlich des Strafmaßes machte der Große Senat deutlich, dass er eine lebenslange Freiheitsstrafe unter erschwerten Haftbedingungen erwarte. Prozessauftakt am 09.02.2011 Der RAV hat das Verfahren bislang sowohl über die regelmäßige Presseberichterstattung als auch über die Berichte von unseren türkischen Kolleginnen und Kollegen verfolgt. Mit anderen Menschenrechtsorganisationen teilen wir die Besorgnis, dass das Verfahren insbesondere nach der letzten Entscheidung des Großen Senats den Anforderungen an ein faires Verfahren i. S. von Art. 6 EMRK nicht genügen wird:
      1. Der Kassationsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 eine belastende Zeugenaussage verwertet, die unter Folter erlangt und vor Gericht widerrufen worden ist. Dieser Hauptbelastungszeuge wurde  bezüglichen des gleichen Vorwurfs bereits im Jahr 2006 freigesprochen. 2. Darüber hinaus hat das Kassationsgericht seiner Entscheidung ein Gutachten hinsichtlich der Ursache der Explosion auf dem Gewürzbasar zu Grunde gelegt, dass im Widerspruch zu einer Vielzahl weiterer Sachverständigengutachten steht, ohne sich auch nur mit den handgreiflichen Widersprüchen auseinanderzusetzen. 3. Überlange Verfahrensdauer: Das Verfahren gegen Frau Selek wird nunmehr seit über 12 ½ Jahren geführt. Obgleich schwerste Vorwürfe erhoben werden, sie 2 ½ Jahre in Untersuchungshaft verbringen musste und bereits durch die Vorwürfe stigmatisiert ist, kann von einer zügigen Bearbeitung des Verfahrens nicht die Rede sein. Darin liegt offenkundig ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Wir fordern den unverzüglichen Freispruch von Pinar Selek sowie eine angemessene Entschädigung für die 2 ½ jährige Untersuchungshaft und die dort erlittene Folter. Pressemitteilung: Prozessbeobachtung des Strafverfahrens gegen die türkische Soziologin Pinar Selek (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Politische Justiz (doublet)
      news-163 Thu, 20 Jan 2011 09:27:00 +0100 Podiumsgespräch mit Gabriel Bach, Ankläger im Adolf Eichmann-Prozess /publikationen/mitteilungen/mitteilung/podiumsgespraech-mit-gabriel-bach-anklaeger-im-adolf-eichmann-prozess-163 Podiumsgespräch, Hamburg 30.1.2011 Gabriel Bach, Ankläger im Eichmann-Prozess und langjähriger Richter am Obersten Gericht Israels
      Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees
      Dieter Magsam, Rechtsanwalt, RAV
      Dr. Detlef Garbe, Direktor KZ-Gedenkstätte Neuengamme
      Moderation: Helga Obens, Auschwitz-Komitee Es werden Filmausschnitte aus der Dokumentation von Frank Gutermuth und Wolfgang Schoen (D 2010) gezeigt: „Gabriel Bach. Der Ankläger und der Eichmann-Prozess“ Gabriel Bach, geb. am 13. März 1927 in Halberstadt, lebte bis 1938 in Berlin. Er flüchtete zwei Wochen vor dem Novemberpogrom nach Amsterdam und emigrierte von dort aus 1940 zusammen mit seiner Familie weiter nach Palästina. Nach dem Krieg studierte er Jura in London und wurde 1961 in Israel zum Staatsanwalt ernannt. Der 8 monatige Prozess gegen Adolf Eichmann, SS-Obersturmbannführer im Reichssicherheitshauptamt, begann im gleichen Jahr in Jerusalem und Herr Bach nahm als stellvertretender Ankläger hieran teil. 1969 wurde er Generalstaatsanwalt und war anschließend bis 1997 Oberrichter am höchsten Gericht Israels. Veranstaltungsort:
      Polittbüro
      Steindamm 45
      20099 Hamburg Der Veranstaltungsort ist eingeschränkt barrierefrei. Bei Bedarf wird in Deutsche Gebärdensprache gedolmetscht. Der Eintritt ist frei. Veranstalter:
      Auschwitz-Komitee in der BRD e.V. www.auschwitz.info/d/committee/history.de.html
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) www.rav.de Mit Unterstützung von:
      Holtfort-Stiftung
      Stiftung EVZ-Erinnerung, Verantwortung und Zukunft
      KZ Neuengamme
      ver.di Hamburg, FB 10 (TeilnehmerInnen von Bildungsfahrten nach Oswiecim in die Gedenkstätte KZ Auschwitz)

      Pressekontakt:
      Helga Obens, mobil: 0175 9 374 446  AuschwitzKomitee@t-online.de Einladung (PDF)]]>
      NS-Verbrechen (doublet)
      news-162 Tue, 07 Dec 2010 16:27:00 +0100 Kundgebung vor der Iranischen Botschaft in Berlin am 9. Dezember 2010, 12.00 Uhr /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-vor-der-iranischen-botschaft-in-berlin-am-9-dezember-2010-12-00-uhr-162 Mitteilung vom 7.12.2010 Kundgebung vor der Iranischen Botschaft in Berlin
      9. Dezember 2010, 12.00 Uhr
      Podbielskiallee 67
      Berlin-Dahlem Am Vortag des internationalen Tages der Menschenrechte werden Protestkundgebungen zu gleicher Zeit in Rom, Brüssel, Madrid, La Hague und Paris stattfinden. Seit den Protesten gegen die Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad im Juni 2009 hat sich die Situation von Menschen, die ihr in der iranischen Verfassung festgeschriebenes Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrnehmen, dramatisch zugespitzt. Von dieser Entwicklung sind auch Anwält_innen zunehmend systematisch betroffen, wodurch sich die Situation aller, die staatlicher Gewalt und Repression ausgesetzt sind oder waren, besorgniserregend verschlechtert hat. In einigen Fällen sind mittlerweile die Anwält_innen der Anwält_innen in Haft (z. B. Mohammad Olyaeifard, Nasrin Sotoudeh). Bereits im Vorfeld der Wahlen waren unzählige Menschenrechtsorganisationen und anwaltliche Zusammenschlüsse verboten worden (u. a. das CHRD (Center for Human Rights Defenders) im Dezember 2008 und die ADPR (Association for the Defence of Prisoners' Rights) im August 2009) und Mitglieder von NGOs (u. a. CHRR (Committee for Human Rights Reportes) oder HRAI (Human Rights Activists in Iran)) verhaftet oder unter Druck gesetzt worden. Seit der Wahl werden Anwält_innen, die Mitglieder dieser oder anderer NGOs waren und sind, Oppositionelle vertreten oder sich in der Öffentlichkeit kritisch zur Menschenrechtssituation im eigenen Land äußern, systematische verfolgt. Gehäuft haben sich Haus- und Kanzleidurchsuchungen ohne Vorliegen von Durchsuchungsbefehlen, Vorladungen oder Haftbefehlen; dabei werden regelmäßig u. a. Akten, Computer und Mobiltelefone beschlagnahmt (z. B. Abdolfattah Soltani am 16.6.2009 oder Nasrin Sotoudeh am 28.8.2010). Drohanrufe und vorübergehende Inhaftierungen der Angehörigen sind die Regel, ebenso wie nicht gerechtfertigte steuerliche Überprüfungen, bei denen die Konten der Anwält_innen gesperrt und andere finanzielle Mittel eingefroren werden (u. a. Nasrin Sotoudeh). Bei einer Verhaftung ist mit dem „Verschwindenlassen“ der Anwält_innen zu rechnen, weil sie ohne Haftbefehl direkt an ihrem Arbeitsplatz (z. B. Mohammad Dadkhah (CHRD) und seine Kollegen im Juli 2009) oder zu Hause (Emadeddin Baghi (ADPR) im Dezember 2009) festgenommen werden und ihr Haftort über Wochen geheim gehalten wird. Über Monate befinden sie sich häufig ohne Anklage in Haft (Shiva Nazar Ahari (CHRR) Dezember 2009-Mai 2010). Zunehmend wird – auch den mit Haftbefehl – Inhaftierten jeglicher Kontakt mit Familienangehörigen und der Zugang zu ihren Anwält_innen verwehrt (z. B. Nasrin Sotoudeh). Die Anwält_innen befinden sich in Einzelhaft, werden gefoltert und erleiden massive gesundheitliche Schäden (z. B. Emadeddin Baghi (ADPR), Mohammad Olyaeifard (ADPR)). Seither haben unzählige AnwältInnen und Journalist_innen den Iran verlassen (u.a. Shirin Ebadi im Juni 2009, Mohammad Mostafai im Juli 2010) und/oder sind mit einem Ausreiseverbot belegt (z. B. Nasrin Sotoudeh im Dezember 2008, Abdolreza Tajik (CHRD) im Februar 2009, Narges Mohammadi (CHRD) im Mai 2010). Die Verfolgung der Anwältin Nasrin Sotoudeh, die viele bekannte Menschenrechtsverteidiger_innen und politische Aktivist_innen (u. a. auch Shirin Ebadi und M. Olyaeifard), aber auch minderjährige Inhaftierte in Todeszellen vertritt, ist exemplarisch. Sie hat sich öffentlich zu rechtsstaatlichen Mängeln und Unzulänglichkeiten der Justizverwaltung bei den Verfahren ihrer Mandant_innen geäußert. Nach einer willkürlichen Hausdurchsuchung am 28. August 2010 wurde sie am 4. September 2010 verhaftet. Ende September trat Nasrin Sotoudeh in einen 4-wöchigen Hungerstreik; erstmaligen Kontakt zu ihrer Familie wurde ihr nach 2-monatiger Haft am 3. November gewährt. Sotoudehs Anwältin, Nasim Ghanavi legte ihr Mandat nach massivem Druck der Behörden und der Androhung einer Festnahme nieder. Gegen ihren jetzigen Anwalt, Abdolfattah Soltani, Anwaltskollege von Shirin Ebadi und Mitbegründer des CHRD, der bereits im Juni 2009 festgenommen und im August 2009 gegen Kaution freigelassen worden war, sind weitere Verfahren anhängig, die zu seiner Inhaftierung und seinem Ausschluss aus der Anwaltskammer führen könnten. In einem Gespräch mit dem Vorstand des iranischen Anwaltsvereins kündigte der Chef der iranischen Justiz, Sadegh Laridschani, am 13.11.2010 an, dass Anwält_innen, die Berufsverbote erhalten hätten, auch nach einem Freispruch keine Berufserlaubnis zurückbekommen werden. Zudem wurde angeordnet, dass Anwält_innen ihre Lizenz ab sofort jährlich verlängern müssen. Am 15. November 2010 musste Nasrin Sotoudeh sich vor Gericht wegen "Handlungen gegen die nationale Sicherheit", "Versammlung und Konspiration mit dem Ziel, die Sicherheit des Landes zu gefährden" und der Zusammenarbeit mit dem iranischen Menschenrechtszentrum "Centre for Human Rights Defenders" (CHRD) verantworten. Weder ihr Ehemann noch andere Angehörige von Nasrin Sotoudeh oder der Vorsitzende der Teheraner Anwaltskammer durften bei Gericht anwesend sein. Ein Prozesstag am 24. November wurde wegen starker Luftverschmutzung in Teheran abgesagt. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte am 23. November 2010 die Freilassung der iranischen Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh. Sie bezeichnete den Fall von Nasrin Sotoudeh als Teil einer viel größeren Kampagne des scharfen Vorgehens gegen Menschenrechtsverteidiger_innen. Emadeddin Baghi, Vorsitzende der inzwischen verbotenen ADPR (Association for the Defence of Prisoners' Rights), verbüßt momentan eine 7-jährigen Haftstrafe wegen eines Fernsehinterviews, das er 2008 mit dem Großayatollah Montazeri führte. Auf seiner Website gibt Emadeddin Baghi an, dass er in den vergangenen 30 Jahren 85 Mal vor Gericht oder zum Verhör vorgeladen wurde: Einmal verurteilte man ihn zu einer Geldstrafe, 13 Bücher durfte er nicht veröffentlichen, fünf Jahre lang verbot man ihm, sich öffentlich zu engagieren und insgesamt verurteilte man ihn zu 18 ½ Jahren Gefängnis, von denen er bereits 4 ½ Jahre in Haft verbrachte. Baghis gesundheitlicher Zustand ist seitdem hochgradig instabil. Unsere Kolleginnen und Kollegen im Iran brauchen unsere Unterstützung. Protestieren Sie gegen die Menschenrechtsverletzungen im Iran am 9. 12. vor der Iranischen Botschaft in Berlin. Die Kolleginnen und Kollegen sind gebeten, in Roben zu erscheinen.   Ansprechpartnerin
      Berenice Böhlo, Rechtsanwältin in Berlin, Mitglied im Vorstand des RAV
      Tel. 030.692 877 20 (Aufruf zur Kundgebung, pdf) (EDA-Pressemitteilung. Day of the endangered lawyer, 9.12., pdf)]]>
      Freie Advokatur (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-161 Sun, 14 Nov 2010 21:50:00 +0100 RAV fordert Konsequenzen aus systematischen Rechtsbrüchen zur Durchsetzung des Castortransports /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-fordert-konsequenzen-aus-systematischen-rechtsbruechen-zur-durchsetzung-des-castortransports-161 Pressemitteilung vom 15.11.10 Unverhältnismäßiger Einsatz von Zwangsmitteln In seit langem nicht erlebtem Ausmaß setzten Polizeibeamte großflächig, ohne Vorwarnung und in unverhältnismäßiger Art und Weise Zwangsmittel wie Reizgas und Schlagstöcke ein. Mitglieder des "Legal-Teams", des Komitees für Grundrechte und Demokratie und Bundestagsabgeordnete beobachteten, wie friedlichen Demonstrant/innen aus weniger als 50cm Entfernung Reizgas direkt in die Augen gesprüht wurde. Ganze Waldabschnitte wurden mit CS-Gas vernebelt, so dass sämtliche dort Anwesende unterschiedslos betroffen waren. Polizeibeamte - darunter in mindestens einem Fall sogar ein Polizeisanitäter - wurden dabei beobachtet, wie sie ohne Vorwarnung und sichtbaren Grund auf Demonstrant/innen einprügelten. Durch diese Vorgehensweise wurden insgesamt mehr als 1000 Menschen verletzt. Über 30 Demonstrant/innen erlitten zum Teil schwere Kopfverletzungen. Schwerste Verletzungen nach CS-Gaseinsatz Am Dienstag, den 9. November 2010, wurde ein professioneller Kletterer, der sich an einen Baum gekettet hatte, von einem Polizeibeamten ohne Vorwarnung in vier Meter Höhe mit Reizgas derart attackiert, dass er vom Baum stürzte. Der Betroffene erlitt eine Fraktur im Brustwirbelbereich und musste mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Zuvor hatten ihn weitere Beamten unter Gewaltandrohung noch über 500 Meter weiter weg getrieben, obwohl seine schwere Verletzung unübersehbar war und Augenzeugen die Beamten auch darauf hinwiesen. Unzulässiger Einsatz europäischer Polizeibeamter Beobachter des Legal Teams stellten mehrfach den Einsatz bewaffneter Polizeibeamter aus Frankreich und die Anwesenheit weiterer Beamter aus EU-Staaten in ihren jeweiligen Landesuniformen fest. Eine hinreichende Rechtsgrundlage hierfür ist bisher von Seiten  des Landes Niedersachsen und des Bundes nicht benannt worden. Fotografen dokumentierten zudem den gewalttätigen Übergriff eines französischen Beamten auf einen Protestierenden. Der RAV fordert unverzüglich eine Aufklärung dieses Falls - auch in Hinsicht auf strafrechtliche Konsequenzen. Polizeikessel ohne Rechtsschutz Während der Räumung der Sitzblockade in Harlingen am 8. November 2010 errichteten Polizeibeamte unter Leitung eines Hamburger Polizeiführers über einen Zeitraum von mehr als sechs Stunden einen Polizeikessel , der ebenso falsch wie beschönigend als "Freiluft-Gesa (Gefangenensammelstelle)" deklariert wurde. Unter Umgehung des verfassungsrechtlich verbürgten Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen wurde keine der dort festgehaltenen Personen einem Richter des Amtsgerichts Dannenberg zugeführt und auf diese Weise Rechtsschutz verweigert und die gebotene Freilassung der Betroffenen herausgezögert. Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss Am Montag, den 8. November 2010 stürmten Polizeibeamte u.a. der Beweissicherungseinheit aus Oldenburg und der 5. Einsatzhundertschaft aus Göttingen gegen 17 Uhr drei Höfe in Grippel, Zadrau und Langendorf und durchsuchten ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss die jeweiligen Scheunengebäude. Während der Durchsuchungsmaßnahme auf dem Hof in Grippel erfolgte selbst gegenüber dort anwesenden Rechtsanwält/innen weder eine Begründung noch eine Erörterung des polizeilichen Vorgehens. Die Beamten waren vermummt und nicht gekennzeichnet. Behinderung von Beobachter/innen. In einer Vielzahl dokumentierter Fälle versuchten Polizeibeamte die Tätigkeit von Demonstrationsbeobachter/innen, Rechtsanwält/innen und Bundestagsabgeordneten einzuschränken oder ganz zu unterbinden. "Nach allen uns vorliegenden Berichten sind die Grundrechtsverstöße der eingesetzten Polizeieinheiten keine Einzelfälle. Es handelt sich anscheinend vielmehr um ein systematisches Vorgehen, das nicht hinnehmbar ist.  Auch die Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder eventuellen Straftaten gegen Sachen etwa durch das "Schottern" kann keine Rechtfertigung für systematische gewalttätige Übergriffen und rechtsstaatswidriges Vorgehen seitens der eingesetzten Polizeieinheiten sein", kommentiert Rechtsanwalt Martin Lemke. "Das Vorgehen der Polizei während des Castortransports lässt befürchten, dass in diesem Rahmen rechtswidrige Strategien der Eindämmung großer demokratischer Protestbewegungen, die allein mit legalen polizeilichen Mitteln nicht kontrollierbar erscheinen, geübt und durchgesetzt werden sollten", ergänzt Rechtsanwältin Britta Eder. Ansprechpartnerin für weitere Informationen und Rückfragen: Rechtsanwältin Britta Eder 0176 - 22169938.
      Pressemitteilung (PDF): RAV fordert Konsequenzen aus systematischen Rechtsbrüchen zur Durchsetzung des Castortransports]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) Polizeirecht (doublet)
      news-160 Tue, 09 Nov 2010 11:15:00 +0100 Gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen und des RAV zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP Fraktion zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-der-strafverteidigervereinigungen-und-des-rav-zum-gesetzentwurf-der-cdu-csu-und-fdp-fraktion-zur-neuordnung-des-rechts-der-sicherungsverwahrung-und-zu-begleitenden-regelungen-160 Stellungnahme
      Gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen (Organisationsbüro) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.) zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP Fraktion zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 26.10.2010 (BT-Drs 17/3403) sowie zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Ausschuss-Drs 17(6)47).
      (PDF)  A. Vorbemerkungen 1.    Keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung Der Gesetzentwurf beschreibt als Problem und Zielsetzung zunächst die Verhinderung von Rückfalltaten. Dabei wird ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung eine besondere Bedeutung für die Verhinderung schwerer Wiederholungstaten habe. Mehrfach wird im Weiteren angemerkt, dass sich das Instrument der Sicherungsverwahrung zu diesem Zweck als letztes Mittel der Kriminalpolitik in Deutschland bewährt habe. Bevor im Einzelnen auf die vorgeschlagenen Neuregelungen des Gesetzesentwurfs eingegangen werden soll, muss diese Prämisse ausdrücklich in Frage gestellt werden. Obgleich eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung in Deutschland derzeit politisch kaum umsetzbar erscheint, muss dies doch als zentrale Forderung sowohl der Strafverteidigervereinigungen als auch des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins vorab dargestellt werden. Durch nichts ist empirisch oder statistisch belegt, dass das Institut der Sicherungsverwahrung insgesamt betrachtet Rückfalltaten, insbesondere solche schwerer Natur, verhindert. Nach unserer Auffassung ist es vielmehr so, dass durch das Recht der Sicherungsverwahrung, welches in den letzten Jahren immer stärker ausgebaut wurde, die Vollzugsrealität eine derartige Verschärfung erfahren hat, dass Resozialisierungsmaßnahmen bei vielen Gefangenen, die sie im Grunde genommen am nötigsten erfahren müssten, nicht, zu spät oder nicht im nötigen Umfang durchgeführt werden. Eine Verhinderung von (Rückfall-)Kriminalität kann effektiv nur dann erfolgen, wenn der Vollzug für die Inhaftierten die Möglichkeit schafft, die Ursachen der vorangegangenen Delinquenz aufzuarbeiten und für die Zukunft Strategien zu entwickeln, diesen entgegenzuwirken. Zudem können geeignete Maßnahmen der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht mögliche – immer bestehende – Rückfallgefahren effizient minimieren. Die Sicherungsverwahrung schafft hingegen eine Gefährlichkeitsvermutung zulasten der Betroffenen, die in der Regel - mangels Erprobung und Entlassung – schwer bis nicht widerlegt werden kann. So ist nach den bisher vorliegenden Studien davon auszugehen, dass von mit erheblicher Gefährlichkeitsprognose entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten keine höheren Rückfallgefahren ausgehen, als von jedem Strafgefangenen, der regulär zum Ende der Strafe oder aber auch zuvor auf Bewährung entlassen wird. Eher ist sogar davon auszugehen, dass die Rückfallraten bei entlassenen Sicherungsverwahrten deutlich niedriger sind.4 Zudem ist danach anzunehmen, dass mindestens 60 %, wohl aber eher 90 % der eingeholten Sachverständigengutachten von unzutreffenden Prognoseergebnissen ausgegangen sind.5 Es besteht demgegenüber keinerlei belegte Erkenntnisgrundlage, die das Instrument der Sicherungsverwahrung in Deutschland überhaupt kriminalpolitisch rechtfertigen oder dessen Notwendigkeit belegen würde. Vielmehr sind gerade die Zahlen von Fällen schwerer Gewalt- und Sexualdelinquenz bereits seit den 1970iger Jahren kontinuierlich sinkend, während allerdings die mediale Wahrnehmung derartiger Kriminalität enorm zugenommen hat.6 2.    Europäischer Vergleich Der europäische Vergleich zeigt, dass die Sicherungsverwahrung kein zwingend notwendiges Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Rückfalltaten ist. Neben der deutschen Regelung existiert ein mit der Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nach den Ausführungen des EGMR in sieben weiteren Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention: Österreich, Dänemark, Italien, Lichtenstein, San Marino, Slowakei und in der Schweiz.7 Daneben bestehen auch in Belgien, England und Wales, Estland, Frankreich (seit 2008) und in den Niederlanden gesetzliche Möglichkeiten bei schwerwiegenden Rückfalltaten gegen sexuelle Selbstbestimmung, Leib oder Leben im Urteil einen potentiell unbegrenzten Freiheitsentzug anzuordnen, der in sehr unterschiedlichen Varianten umgesetzt wird.8 Allerdings wird in all diesen Staaten die Anordnung einer solchen Inhaftierung an wesentlich höhere Voraussetzungen als in Deutschland geknüpft. In der Regel ist sie nur dann möglich, wenn tatsächlich schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte dringend zu befürchten sind. Das ist in Deutschland aktuell nicht der Fall und wäre es auch nach der im Gesetzesentwurf beschriebene Neureglung nicht (vgl. BI.1.a). In den weiteren Ländern, welche die Europäische Menschrechtskonvention gezeichnet haben, besteht ein mit der deutschen Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nicht. Dabei ist zuzugeben, dass in manchen europäischen Staaten auch wesentlich höhere Freiheitsstrafen verhängt werden können (so z. B. in Belgien, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Rumänien). In den meisten dieser Länder ist allerdings auch eine frühzeitige Bewährungsentlassung als Regelfall weitestgehend vorgeschrieben (bspw. in Belgien nach dem Gesetz zur bedingten Entlassung von Straftätern vom 05. und 18.03.1998 bereits nach einem Drittel bzw. sogar nach einem Sechstel der Strafe nahezu automatisch).9 Daneben existieren Länder mit vergleichbaren Strafhöhen bzw. sogar moderateren Strafen als in der Bundesrepublik Deutschland, in denen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann (so etwa Schweden, Litauen, Lettland, Kroatien, Polen, Griechenland, Finnland Ungarn oder Portugal). Insofern besteht vor einer Gesetzesreform zumindest die Notwendigkeit, im europäischen Maßstab zu überprüfen, ob in Ländern mit vergleichbarer Sanktionierungspraxis, aber ohne einem Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung, statistisch mehr schwere Rückfalltaten festzustellen sind als in Deutschland. Dabei ist zu erwarten, dass gerade im Bereich der schweren Gewalt- und Sexualkriminalität eine quantitativ höhere Kriminalitäts- und Rückfallrate nicht festzustellen ist.10 Auch unter dieser Prämisse, muss die Behauptung, die Sicherungsverwahrung sei ein zuverlässiges und erprobtes Modell zur Kriminalitätsbekämpfung, als widerlegt betrachtet werden. 3.    Verhältnismäßigkeit der Mittel Die Sicherungsverwahrung, das geht auch aus dem Gesetzesentwurf hervor, ist das „schärfste Mittel der Kriminalpolitik“. Allein auf eine – unzweifelhaft immer unsichere – Gefahrenprognose gestützt, wird Menschen die Freiheit auf unbestimmte Zeit entzogen. Unabhängig von der in Deutschland bestehenden menschenunwürdigen Vollzugspraxis, dem fehlenden Trennungsgebot und den fehlenden Resozialisierungsmöglichkeiten (dazu BI.3.), stellt eine Freiheitsentziehung auf unbestimmte Dauer aufgrund von präventiv ausgestalteten Sicherheitsansprüchen eine Maßnahme dar, die – wenn überhaupt – nur unter verschärften Verhältnismäßigkeitsanforderungen angeordnet und vollstreckt werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages zwar ein mögliches Instrumentarium darstellt.11 Entgegen anderweitigen – weit verbreiteten irrgläubigen - Darstellungen hat das Bundesverfassungsgericht damit allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch verfassungsrechtlich notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzesauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Das ist nach unserer Auffassung der Fall. Mit einer frühzeitig, bereits während der Vollstreckung der Strafe begonnenen Sozialtherapie, die über einen langen Zeitraum auch mit einer Erprobung der Gefangenen begleitet wird, kann die Gefahrenprognose bereits während des Vollzuges der Strafhaft grundlegend verbessert werden. Bei einer engen Anbindung an Hilfsinstitute bei der Entlassung in die Freiheit, kann eine Wiedereingliederung auch nach schwerwiegenden vorangegangenen Straftaten wesentlich sinnvoller erfolgen, als dies mit den sehr begrenzten personellen und sachlichen Mitteln derzeit der Fall ist. Auf diese Weise können die Prognosen aller Gefangenen – auch der von Sicherungsverwahrung betroffenen - erheblich verbessert und damit Rückfallquoten insgesamt wesentlich deutlicher gesenkt werden als durch das Suggerieren von Sicherheit über das unbegrenzte Wegsperren Einzelner im Rahmen der Sicherungsverwahrung. Dabei muss man sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann und wird. In einer freiheitlich ausgeprägten Demokratie wird es – so belastend das auch im Einzelfall sein mag – immer Kriminalität geben. Der staatliche Schutzauftrag kann insoweit nur dahin gehen, diese Kriminalitätsrate nach Möglichkeiten und unter Beachtung verfassungs- und menschenrechtlicher Vorgaben zu verringern. Dies ist durch ausreichende Resozialisierungs- und Wiedereingliederungsangebote wesentlich effektiver und menschenwürdiger möglich, als durch das Wegsperren Einzelner, deren Auswahl – jedenfalls nach den bislang vorliegenden Studien – eher zufällig erfolgen dürfte. Die aktuelle Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung garantiert keinen Rechtsanspruch auf Therapie oder Behandlung. Etliche Sicherungsverwahrte versuchen seit Jahren vergeblich in sozialtherapeutischen Anstalten einen Therapieplatz zu bekommen.12 Allein bei wegen Sexualdelikten Verurteilten ist dies inzwischen bundesweit gesetzlich vorgesehen. Bei allen anderen Betroffenen wird in der Regel darauf verwiesen, dass eine Aufnahme in der Therapie „verfrüht“ erscheine oder aber dass Therapie ohne Entlassungsperspektive nicht sinnvoll sei. Dies kann jedoch nicht der Maßstab sein. Wenn man schon über das Institut der Sicherungsverwahrung diskutiert, muss dies einen behandlungsorientierten Vollzug beinhalten. Dabei soll erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei nicht um eine besondere „Begünstigung“ für verurteilte Straftäter handelt. Vielmehr dienen resozialisierungsfördernde Maßnahmen gerade dem Schutz der Allgemeinheit. Diesen Schutz zu gewährleisten und dabei möglichst wenig in Grundrechte von Betroffenen einzugreifen, ist der grundgesetzliche Auftrag des Bundes und der Länder. Man kann also nicht einerseits eine Verschärfung der Regelung zur Sicherungsverwahrung fordern und auf der anderen Seite bereits jahrzehntelange Missstände im Vollzug weiterhin hinnehmen. Durch eine wesentliche Verbesserung des Behandlungsvollzuges, entsprechende Erprobungsmöglichkeiten für Inhaftierte und durch multidisziplinäre sachverständige Begleitung und Evaluation des Vollzuges können bei einer engen Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe und den freien Trägern Rückfalltaten insgesamt wesentlich besser vermieden werden, als durch perspektivloses Wegsperren von Einzelnen. Insofern ist dieser milderen und effektiveren Möglichkeit auch gesetzlich der Vorrang zu gewähren. Die Sicherungsverwahrung ist abzuschaffen. B. Zum Gesetzesvorhaben im Einzelnen Da die Forderung nach Abschaffung der Sicherungsverwahrung in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum durchsetzbar erscheint, soll auch auf die einzelnen Regelungen des Gesetzesentwurfes eingegangen werden. Insofern sollen hier aus Sicht der Anwaltschaft zumindest Anregungen abgegeben werden, wie das Mittel der Sicherungsverwahrung, wenn es denn schon fortbesteht, sinnvoller ausgestaltet werden könnte. I. Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen 1. Anordnungsmöglichkeiten a)    Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verurteilung; § 66 StGB Der Gesetzesentwurf spricht vorweg davon, dass die Sicherungsverwahrung auf Gefahren durch schwerwiegende Delikte gegen Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung begrenzt werden soll. Gleichzeitig ist allerdings eine solche Beschränkung im Entwurf tatsächlich nicht vorgesehen. Hiernach soll im Rahmen eines neuen § 66 Abs. 1 Nr. 1 b StGB die Sicherungsverwahrung dann im Urteil angeordnet werden können, wenn jemand – ggf. bei Vorbelastung - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist. Die weiteren Voraussetzungen werden allein in § 66 Abs. 1 Nr. 4 benannt: namentlich der Hang zu erheblichen Straftaten, ohne dass diese deliktsspezifisch eingeschränkt werden. Als Regelfälle („namentlich“) werden hierfür die schwere körperliche oder seelische Schädigung von potentiellen Opfern genauso wie die Verursachung schweren wirtschaftlichen Schadens benannt. Insofern wird der Gesetzesentwurf gerade der Prämisse, die Sicherungsverwahrung auf schwere Gewalt- und Sexualstraftaten zu beschränken, nicht gerecht. Vielmehr besteht eine Anordnungsbefugnis weiterhin auch bei etlichen (gewaltanwendungsfreien) Vermögensdelikten, gemeingefährlichen Delikten und im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität fort. Beispielhaft soll hier nur der Wohnungseinbruchdiebstahl, der gewerbs- und bandenmäßige Betrug, die gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung oder aber das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genannt werden. Daneben sind auch weiterhin alle Raubdelikte ausreichend, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dabei kommt es nach wie vor nicht darauf an, ob Gewalt angewendet wurde oder aber Opfer der Tat schwere körperliche oder seelische Schäden erlitten haben. Auch der gewaltanwendungsfreie Raub, bei dem weder gravierende psychische, noch physische Schäden entstanden sind, bleibt im Anwendungsbereich von § 66 StGB enthalten. Dies betrifft eine nicht unerhebliche Anzahl von in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Wenn es bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbleibt, muss eine klare Beschränkung auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte erfolgen. Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte sowie Delikte, bei denen niemand gravierenden körperlichen oder seelischen Schaden genommen hat, müssen aus dem Anwendungsbereich entfallen. Insofern wird vorgeschlagen, im Rahmen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB einen klaren Katalog von Straftaten aufzuführen, die die Anordnung der Sicherungsverwahrung formell rechtfertigen können. Darunter gehören nach hiesiger Auffassung allenfalls Kapitalverbrechen und Sexualdelikte. In § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB muss materiell klargestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich dann angeordnet werden kann, wenn die erhebliche Gefahr der schweren körperlichen oder seelischen Schädigung von Opfern besteht. Dies darf nicht als Regelbeispiel festgehalten werden, sondern muss eine klare Anordnungsvoraussetzung sein. Dann wäre nämlich auch klargestellt, dass für den gewaltanwendungsfreien Raub, ohne erhebliche psychische oder körperliche Schäden, eine Sicherungsverwahrung in Zukunft nicht mehr verhängt werden kann. Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN kommt dieser Forderung teilweise nach.13 Soweit vorgesehen ist, dass die Gefahrenprognose gesetzlich ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Verurteilung bezogen wird, bedarf diese Regelung zumindest eines Korrektivs im Rahmen der Vollstreckungsentscheidung gem. § 67c Abs. 1 StGB und § 67d Abs. 2 StGB. Namentlich muss es hier zu einer „Beweislastumkehr“ (In dubio pro libertate!) kommen. Nur dann erscheint es angebracht, die Gefahrenprognose allein auf den Zeitpunkt des Urteils zu stützen (vgl. dazu unten I. 2.). b)    Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB Der Gesetzesentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. Danach kann nach dem dort entworfenen § 66a StGB auch schon bei Erstverbüßern die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten werden, wenn nicht „mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 vorliegen“. Auf die Feststellung eines Hanges, den die Rechtsprechung bislang gefordert hat, wird im Gesetzesentwurf verzichtet. Insofern ist zu befürchten, dass in Zukunft bei nahezu jedem Verurteilten, der die formellen Voraussetzungen von § 66a StGB erfüllt, eine Sicherungsverwahrung vorbehalten wird. Denn die Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeitsprognose ist ein derart unbestimmter Rechtsbegriff, dass eine uferlose Ausweitung zu befürchten ist. Insoweit will der Gesetzentwurf offensichtlich auch den Gerichten, die zur Verurteilung berufen sind, die Möglichkeit des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung erleichtern. Ein solcher erfordert – anders als ggf. die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB – offensichtlich auch weniger Gewissensanstrengung und Abwägung, da letztlich auf die Entwicklung im Vollzug abgestellt werden wird. Der Gesetzesentwurf begegnet insoweit erheblichen verfassungsrechtlichen, menschenrechtlichen aber auch praktischen Bedenken. (1)   Auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Strafurteil ist eine mit Sanktionswirkung behaftete Rechtsfolge. Bei denjenigen Verurteilten, die entgegen einer möglichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich keine Gefährlichkeitsprognose aufweisen, ist ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Schuldprinzip kaum zu vereinbarende zusätzliche Belastung zur ohnehin ausgeurteilten Strafe.14 Dies galt schon für den bislang bestehenden § 66a StGB. Mit dem massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird jedoch ein Rechtsinstitut geschaffen, welches mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes aus Art. 103 Abs. 2 GG für die im Rahmen des Strafprozesses zu treffenden Feststellungen nicht mehr vereinbar ist. Dabei wird nicht verkannt, dass jede Gefahrenprognose eine mit den Unsicherheiten des Prognoseverfahrens behaftete Feststellung im Urteil ist. Diese ohnehin schon nur auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhende Prognose noch einmal derart zu erweitern, dass die bislang notwendige überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit (nichts anderes ist eine Prognose) wiederum nur „zumindest wahrscheinlich“ sein muss, ist eine Darstellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals, die mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar ist. (2)   Auch begegnet die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in diesem Rahmen erheblichen menschenrechtlichen Bedenken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 ausgeführt, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus, bei Verurteilten, die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 1998 begangen haben, menschenrechtswidrig ist. Art. 5 Abs. 1 EMRK zählt insoweit abschließend auf, in welchen Fällen Freiheitsentzug zulässig sein soll. Danach besteht allein die Möglichkeit, die Freiheit nach einem diesbezüglichen Urteil zu entziehen. Der EGMR fordert insoweit einen engen Kausalzusammenhang zwischen der die Verurteilung begründenden Anlasstat und der daraufhin vollstreckten Rechtsfolge. Dieser Kausalzusammenhang ist im Rahmen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, wenn sie später zu einer tatsächlichen Anordnung der Sicherungsverwahrung führt, nicht mehr gegeben. Denn eine solche Anordnung wäre nach Ende des Vollzuges nur dann möglich, wenn neue Tatsachen hinzugetreten sind, die nunmehr – anders als zum Verurteilungszeitpunkt – nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit belegen, sondern eine Feststellung der Gefährlichkeitsprognose ermöglichen sollen. Insofern wäre die Anlasstat, die zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung geführt hat, nur ein Anhaltspunkt für die Rechtsfolge. Die dafür notwendigen entscheidenden Feststellungen könnten erst aufgrund der Beurteilung des Verhaltens im Vollzug getroffen werden. Demnach fehlt es bei der späteren Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung an einem hinreichenden Kausalzusammenhang mit der Anlassverurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK. (3)   Auch auf die Vollzugsrealität wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erhebliche Auswirkungen haben. So fehlt es zum einen in den meisten Fällen an geeigneten therapeutischen Maßnahmen, Plätzen in der Sozialtherapie und entsprechenden Behandlungsangeboten, die es den Gefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ermöglichen würden, ihre Sozial- und Legalprognose zu verbessern. Zum anderen besteht die Gefahr, dass es bei Durchführung von Therapiemaßnahmen – gerade bei dem im Gesetzesvorhaben erfassten Bereich der Sexualkriminalität – zu einer Scheinanpassung und nur äußerlichen Therapiewilligkeit kommt. Gefangene, die das Damoklesschwert der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung über sich schweben haben, werden kaum eine ehrliche und konfrontative Auseinandersetzung mit ihrer Persönlichkeitsproblematik im Rahmen von Therapiemöglichkeiten im Strafvollzug suchen können. Denn sie laufen permanent Gefahr in einem therapeutischen oder behandlerischen Prozess15 genau die Tatsachen zu offenbaren, die die bislang nach § 66a StGB nur wahrscheinlich gehaltene Prognose nunmehr auf eine breitere Basis stützt, damit verfestigt und letztlich ihre potentiell lebenslange Verwahrung nach dem Strafende ermöglichen kann. Dies kann – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – ggf. sogar zu einer Erhöhung von Rückfalldelinquenz führen.16 Daneben besteht die große Gefahr, dass die ohnehin schon restriktive Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen durch den massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung noch beschränkt wird. Gerade weil auch die Verlängerung der Anordnungsmöglichkeit bis ans Ende der Strafe gesetzt werden soll, werden sich die Justizvollzugsanstalten in diesen Fällen mit einer Lockerungserprobung noch zurückhaltender verhalten, als dies bislang der Fall war. Die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Erprobung darin sind jedoch für die Verbesserung der Prognose – auch für die Frage der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung – von ganz erheblicher Bedeutung. Insofern wirkt sich das im Gesetzentwurf entwickelte Modell auch praktisch kontraproduktiv aus. c)    nachträgliche Sicherungsverwahrung Soweit der Gesetzesentwurf die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorsieht, kann dies nur begrüßt werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist spätestens nach dem Urteil des EGMR mit der Europäischen Menschenrechtskonvention – genauso wie mit dem Grundgesetz – nicht vereinbar. Dass die vorgesehene Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur für Verurteilte gelten soll, die Taten nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen haben, ist mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wiederum eindeutig nicht vereinbar. Die Entscheidung vom 17.12.2009 hat klargestellt, dass eine rückwirkende Verlängerung der Unterbringungsmöglichkeiten in der Sicherungsverwahrung gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK und Art. 7 EMRK verstößt. Dies gilt erst Recht für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung. Der Gesetzentwurf nimmt insoweit bewusst in Kauf bei diesen Altfällen gegen die EMRK in ihrer verbindlichen Auslegung durch den Gerichtshof zu verstoßen. Es ist daher nur eine Frage der Zeit bis entweder das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Regelung erneut beanstandet. 2.    Vollstreckung Im Rahmen der vorangegangenen gesetzlichen Neuregelungen wurde die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder zu erledigen, wesentlich eingeschränkt. Wenn die Sicherungsverwahrung aber äußerstes Mittel der Kriminalpolitik sein soll, muss auch hier im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsabwägungen eine dementsprechende gesetzliche Vollstreckungsregelung getroffen werden. Es kann nicht weiter darauf ankommen, dass der Untergebrachte faktisch selbst eine Gefährlichkeitsvermutung widerlegen muss. Dies ist im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsprognose ohnehin schwer möglich. Vielmehr muss auch im Rahmen der Vollstreckung gem. § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 2 StGB zu jeder Überprüfung durch die Vollstreckungsgerichte festgestellt werden, dass die im Urteil benannte Gefährlichkeit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckung positiv fortbesteht. Eine solche Regelung findet sich derzeit nur in § 67d Abs. 3 StGB für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus. Es ist weder aus Verhältnismäßigkeitsgründen, noch aus Effektivitätsgründen erkennbar, warum dieser Prüfungsmaßstab nicht auch bereits zu Beginn und während der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gelten soll. Soweit in § 67d Abs. 1 S. 1 StGB die Notwendigkeit der Feststellung der auf einem Hang beruhenden Gefährlichkeit gestrichen werden soll, so führt auch das zur einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Möglichkeit der Bewährungsaussetzung. Denn dann wäre unabhängig von der ursprünglich festgestellten Gefährlichkeit im Rahmen der Anlassverurteilung jede anderweitige, ggf. vollkommen andere Rechtsgüter betreffende Gefährlichkeit für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre ausreichend. So könnte beispielsweise der wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls Verurteilte Sicherungsverwahrte, bei dem 10 Jahre später eine vermeintliche Gefährlichkeit für Gewaltdelikte festgestellt wird, deswegen weiter untergebracht werden. Dies ist jedoch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 a EMRK menschenrechtswidrig, da es an einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen Anlassdelikt, Verurteilung und Vollstreckung fehlen würde. 3.    Vollzug Die Regelungskompetenz zur Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung ist zwar grundsätzlich den Ländern übertragen. Dennoch bedarf es auch im Rahmen der Stellungnahme zum aktuellen Gesetzesentwurf dazu einiger Klarstellungen. Wenn das deutsche Strafrecht als schärfste Maßnahme der Kriminalprävention, als „ultima ratio“, die Anordnung oder den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung vorsieht, so muss dem als Korrektiv zumindest ein menschenwürdiger und behandlungsorientierter Vollzug der Strafe und ggf. der späteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entgegengesetzt werden. Ziel des Strafvollzuges sollte es von Beginn an sein, die Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass in deutschen Justizvollzugsanstalten das Gegenteil der Fall ist. Insofern sollte es dazu einen klaren gesetzlichen Auftrag geben (vgl. insoweit bspw. § 106 Abs. 4 JGG für Heranwachsende). a)    Sozialtherapie Im Rahmen des Vollzuges haben die jeweiligen Landesgesetzgeber bzw. der Bundesgesetzgeber bei dem in den Ländern teilweise fort geltenden Strafvollzugsgesetz den Anstalten einen großen Ermessensspielraum bei der Gewährung von behandlungsorientierten Maßnahmen eingeräumt. Dieser wird allerdings aufgrund der knappen Ressourcen und auch durch eine bestehende Kultur der Verantwortungsverschiebung auf nicht verfassungskonforme Weise ausgeübt. Daher bedarf es einer gesetzlichen Festlegung entsprechender Rechtsansprüche von Gefangenen im Vollzug, zumindest dann, wenn bei ihnen die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde. Solche Inhaftierte müssen bereits bei Verbüßung der Strafhaft eine angemessene Behandlung (Regelfall: Sozialtherapie) notfalls auch verbindlich gerichtlich einklagen können. Sicherlich wird nicht bei jedem Gefangenen oder Sicherungsverwahrten die Sozialtherapie eine wesentliche Verbesserung der Prognose bewirken können, jedoch ist sie in den allermeisten Fällen ein effektives und geeignetes Mittel. Insofern wäre eine gesetzliche Regelung (auch auf Bundesebene) denkbar, die die Sozialtherapie als Regelfall vorschreibt und nur in Ausnahmefällen der Vollzugsanstalt ermöglicht, anderweitige – besser geeignete – Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, jedenfalls wenn Inhaftierte mit ihrer Behandlung einverstanden sind. b)    Vollzugslockerungen Gleichzeitig müssen die bestehenden weiten Ermessenspielräume bei der Gewährung von Vollzugslockerungen beschränkt werden. Es sollte ein Regelausnahmeverhältnis eingeführt werden, das grundsätzlich die Gewährung von Lockerungen zur Erprobung vorsieht und nur ausnahmsweise eine Ablehnung durch die JVA ermöglicht, wenn konkrete Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtungen dargelegt werden. Auch hier besteht derzeit bundesweit eine äußerst restriktive Praxis. Sicherungsverwahrte mit Vollzugslockerungen oder solche Gefangene, die im Anschluss Sicherungsverwahrung notiert haben und Vollzugslockerungen während der Strafhaft erhalten, dürften einen Promilleanteil dieser Betroffenen ausmachen. Dem ist durch eine gesetzliche Korrektur entgegenzuwirken. Diese gesetzliche Neuregelung würden bei ihrer Umsetzung mit der Notwendigkeit einer personellen und sachlichen angemessenen Ausstattung des Vollzuges einhergehen müssen. Wenn der Gesetzgeber insoweit das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit über die Freiheitsgrundrechte Einzelner stellt, muss er auch die für die Behandlung erforderlichen Mitteil zur Verfügung stellen. c)    Externe Sachverständige und Evaluation Gleichzeitig bedarf es einer externen sachverständigen Überwachung und Begleitung der Behandlung im Vollzug. Externe multidisziplinäre Sachverständigenteams wären insoweit eine Maßnahme, um zu überprüfen, welche Behandlungsmaßnahmen wie anschlagen und was ggf. im Einzelfall verbessert werden müsste. Eine solche „Zwischenbegutachtung“ sollte spätestens zum Halbstrafenzeitpunkt bei allen Inhaftierten mit Vorbehalt oder Anschlussnotierung der Sicherungsverwahrung durchgeführt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Behandlung durch externe Beobachtung ist sinnvoll, um frühzeitig ggf. bestehenden Behandlungsdefiziten oder Fehleinschätzungen entgegenzuwirken. Gleiches gilt für die notwendige Evaluation der Behandlungsergebnisse. d)    Entlassungsbegleitung und Wiedereingliederungshilfe Letztlich bedarf es einer kompetenten, personell und sachlich ausreichend ausgestatteten effektiven Nachbetbetreuung von rückfallgefährdeten entlassenen Gefangenen. Ein dafür bislang guter Ansatzpunkt ist nach hiesigem Dafürhalten die Möglichkeit der Anbindung an die forensische Ambulanz im Sinne von § 68a StGB. Die hier bislang nur im kleinen Maßstab vorliegenden begonnenen Bemühungen müssen ebenfalls erheblich ausgebaut werden. Der Ausbau von Führungsaufsicht und Bewährungshilfe, sofern diese Gefangene nach ihrer Entlassung tatsächlich sachkundig unterstützen und nicht als bloßes Überwachungsinstrument (vgl. elektronische Fußfessel) genutzt werden, wird als milderes Mittel zur Vollstreckung von Sicherungsverwahrung begrüßt. II. Therapieunterbringungsgesetz Nachdem in der ursprünglichen Planung des Bundesjustizministeriums eine Regelung für aufgrund des Rückwirkungsverbotes zu entlassende bzw. bereits entlassene Sicherungsverwahrte nicht vorgesehen war, soll der Gesetzesentwurf nunmehr eine weitere Freiheitsentziehung auch für diese Personengruppe ermöglichen. Da dies mit den klaren Vorgaben aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 wegen des fehlenden Kausalzusammenhangs im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK nicht vereinbar ist, soll bei dieser Personengruppe zukünftig der Freiheitsentzug auf eine Gefahr gestützt werden, die aus einer „psychischen Störung“ resultiert. Der Gesetzesentwurf begegnet insofern erheblichen verfassungsrechtlichen, aber auch menschenrechtlichen und praktischen Bedenken. 1.    Keine Regelungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Die Regelung aus § 1 des ThUG dient allein der Gefahrenabwehr. Eine Annex-Kompetenz  zum Strafrecht, wie sie der Gesetzesentwurf suggeriert, liegt nicht vor. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.02.200417 festgestellt, dass die Regelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung in der Kompetenz des Bundes liegen. Anders als das Therapieunterbringungsgesetz nunmehr vorsieht, knüpften beide damals verfassungsgerichtlich überprüften Länderregelungen jedoch nicht an das Merkmal einer Gefahr aufgrund einer psychischen Störung sondern im Wesentlichen an die Anlassverurteilung und die Entwicklung im Strafvollzug an. Auch ist im Rahmen der nachträglichen Sicherungsverwahrung eine Anordnung stets nur möglich gewesen, um eine Entlassung aus dem Strafvollzug zu verhindern und nicht, wie vorliegend mit § 1 Abs. 2 ThUG, eine erneute Inhaftierung zu ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Annex-Kompetenz des Bundes damals maßgeblich damit begründet, dass der Begriff des Strafrechts aus Art. 74 Abs. 1 Nr. GG alle Rechtsfolgen der Tat, also auch präventive Reaktionen aufgrund einer Straftat, umfasst. Auch bei der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei, so das Bundesverfassungsgericht, die Anlassverurteilung ein ganz wesentlicher Prognosefaktor, weshalb für eine spätere Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung im Strafvollzug, die neue Tatsachen im Vergleich zur Anlassverurteilung hervorgebracht haben musste, notwenig war. Einziger Bezug des Therapieunterbringungsgesetzes zum Strafrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ist der beschränkte Anwendungsbereich, der sich auf zu entlassene oder entlassene Personen bezieht, bei denen aufgrund einer späteren rechtskräftigen Entscheidung feststeht, dass sie wegen eines Verbotes der rückwirkenden Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung aus dieser zu entlassen sind. Diese Personen sollen schon einmal aufgrund einer Straftat nach § 66 Abs. 3 S. 1 StGB verurteilt worden sein, wobei dies nicht die Anlasstat für die Verhängung der Sicherungsverwahrung gewesen sein muss. Anders als bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung muss die erhebliche Gefährlichkeit jedoch nicht aufgrund neuer Tatsachen im Strafvollzug oder aber auch unter Berücksichtigung der Anlassverurteilung bewertet werden. Vielmehr genügt jede Gefährlichkeit, die aufgrund einer vermeintlich bestehenden psychischen Störung prognostiziert wird. Insofern macht das Therapieunterbringungsgesetz die Anordnung von Freiheitsentzug nicht davon abhängig, dass eine Gefährlichkeit im Sinne der Anlassverurteilung unter Berücksichtigung neu gewonnener Kenntnisse die weitere oder erneute Freiheitsentziehung rechtfertigt, sondern allein davon, dass bestimmte persönliche Eigenschaften einer über das Strafrecht näher definierten Personengruppe den Freiheitsentzug zur Gefahrenabwehr ermöglichen sollen. Hinzu kommt, dass der Gesetzesentwurf jegliche weiteren Parallelen zum Strafrecht zwingend vermeiden will, um den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonventionen vermeintlich nicht zuwider zu laufen. So ist das Verfahren zivilrechtlich ausgestaltet. Die Einrichtung soll getrennt vom Strafvollzug unterhalten werden. Selbst die Bestellung eines Rechtsanwalts folgt eher betreuungsrechtlichen Grundsätzen, als denen einer notwendigen Verteidigung im Sinne der StPO. Insofern weist die Unterbringung nach § 1 ThUG weder verfahrensrechtlich noch inhaltlich weit reichende Parallelen zur Sicherungsverwahrung auf, was jedoch gerade vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.02.2004 als maßgeblicher Umstand für die Annahme einer Annex-Kompetenz im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gesehen wurde. Daneben besteht gem. § 1 Abs. 2 ThUG sogar die Möglichkeit, bereits entlassene Sicherungsverwahrte aufgrund neuer Voraussetzungen – namentlich einer Gefahr aufgrund einer bestehenden psychischen Störung – wieder zu inhaftieren. Diese Regelung ist noch nicht einmal an zeitliche Grenzen gebunden. Insofern wird auch dadurch noch einmal der weite inhaltliche Abstand zu strafrechtlichen Regelungen mehr als deutlich. Die Regelung aus dem Therapieunterbringungsgesetz stellt demnach allein eine auf einen bestimmten Personenkreis beschränkte weitergehende Regelung dar, als sie in den Ländergesetzen zur Unterbringung bzw. in den Psychisch-Kranken-Gesetzen vorgesehen ist. Insoweit haben allerdings auch bereits die Ländergesetzgeber von ihrer Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Die Regelung aus § 1 ThUG ist kompetenz- und daher verfassungswidrig. Sollte das Gesetz tatsächlich in dieser Form verabschiedet und unterzeichnet werden, bleibt die Frage offen, ob die Bundesländer im Rahmen eines Organstreites ihre Kompetenzverletzung auch vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen werden. 2.    Gefahr aufgrund einer psychischen Störung Der Gesetzesentwurf führt neu im deutschen Recht die Möglichkeit des Freiheitsentzuges aufgrund einer „psychischen Störung“ ein, aus der Gefahren für gewichtige Rechtsgüter resultieren sollen. Anders als die Unterbringungsmöglichkeit nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen bzw. den Unterbringungsgesetzen der Länder fordert der Gesetzesentwurf ausdrücklich keine psychische Krankheit sondern eine „psychische Störung“. Darunter sollen maßgeblich Verhaltensabweichungen gezählt werden, die keine gleichzeitige Einschränkung der Handlungs- und Einsichtsfähigkeit voraussetzen – so ganz maßgeblich die so genannte dissoziale Persönlichkeitsstörung. Eine solche Störung kann nach der internationalen Klassifikation aus ICD 10 vorliegen, wenn drei von den dort genannten sieben beschriebenen Merkmalen vorliegen. So könnte bspw. bei einer Person eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden, die durch eine Missachtung sozialer Normen und Bindungsschwäche oder Bindungsstörungen auffällt sowie die vordergründige Erklärung für das eigene Verhalten in der unberechtigten Beschuldigung anderer findet. Diese Merkmale würden zweifelsohne auf viele Menschen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern von Justizvollzugsanstalten zutreffen. Deshalb genügen sie nach bestehender Rechtslage auch dann, wenn man eine Person mit diesen Merkmalen als gefährlich einschätzt, nicht, um eine Unterbringung nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen zu veranlassen. Vielmehr ist dafür stets notwendig, dass der Unterzubringende in Folge seines Krankheitszustandes an einer fehlenden Einsicht- oder Handlungsfähigkeit leidet.18 Eine solche Erweiterung der Möglichkeiten des Freiheitsentzuges nach § 1 ThUG ist weder mit dem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, noch mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK vereinbar. Bezeichnend für den Gesetzesentwurf ist insoweit, dass selbst die in der Entwurfsbegründung zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte allesamt Fälle betrafen, bei denen eine Einschränkung der Handlungs- und/oder Steuerungsfähigkeit gegeben war und damit eine psychische Krankheit angenommen wurde.19 Zwar ist zuzugeben, dass die Europäische Menschenrechtskonvention als völkerrechtliche Grundlage eine autonome Auslegung der dort verwendeten Begriffe beanspruchen kann. Die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit e EMRK beschriebene Definition von „Psychisch Kranken“ ist jedoch mit der einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG nicht vereinbar. Dabei ist schon beachtlich, dass der Gesetzesentwurf durch die zunächst beschriebene Personengruppe, auf die das Therapieunterbringungsgesetz Anwendung finden soll, eine bewusste Umgehung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 in Kauf nimmt. Durch die hier benannte „psychische Störung“ soll auch unter Aspekten der möglichen freiheitsentziehenden Unterbringung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK eine weitere Inhaftierung gerade der aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entlassenden Menschen veranlasst werden. Dabei windet sich der Gesetzentwurf einerseits um die Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, will aber gleichzeitig jeglichen Zusammenhang zum Strafrecht wegen der klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte vermeiden. Das kann nicht gelingen. Demnach kann auch über das Konstrukt einer „psychischen Störung“ weder eine verfassungskonforme – noch menschenrechtskonforme – weitere Inhaftierung der Betroffenen erfolgen. 3.    Praktische Folgen Das Therapieunterbringungsgesetz würde für eine ganze Reihe von Sicherungsverwahrten, die aus verfassungsrechtlichen – aber auch aus menschenrechtlichen – Gründen entlassen werden müssen, Anwendung finden. Tatsächlich dürfte auch aufgrund der insoweit eher geringen Voraussetzungen bei einer größeren Gruppe dieser Betroffenen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden können. Im Rahmen der Inhaftierung stetig fortgeschriebene Gefahrenprognosen, die einer praktischen Überprüfung allein deshalb entzogen blieben, weil weder eine Entlassung erfolgt oder überhaupt nur angedacht war, noch eine Erprobung in Vollzugslockerungen stattgefunden hat, würden schlicht übernommen werden. Insofern laufen diese Betroffenen Gefahr, im Rahmen der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Regelung erneut auf ungewisse Dauer inhaftiert zu bleiben. Gleichzeitig sind die Länder dazu berufen, für diese – in den einzelnen Bundesländern eher gering vertretene Personengruppe – eigene Vollzugseinrichtungen zu schaffen. Die Unterbringung in der Psychiatrie, in der gleichzeitig Maßregel nach § 63 StGB vollstreckt wird, würde insoweit weder dem Gesetzesentwurf noch einer besseren Therapiemöglichkeit gerecht werden. Die weitere Inhaftierung in Justizvollzugsanstalten scheitert an den Gesetzesvorgaben.  Die Länder sind insofern im Rahmen des Gesetzesentwurfes dazu berufen, für diese sehr wenigen Inhaftieren eigene kostenintensive Einrichtungen zu schaffen. Dabei wäre eine gezielte Entlassungsvorbereitung und Begleitung wesentlich sinnvoller, insgesamt auch rückfallprognostisch positiver und ökonomisch vertretbar zu bewerten. Viele der zu Entlassenden sind ohnehin bereit, zunächst in betreuten Wohneinrichtungen unterzukommen. Sie benötigen eher Hilfe und Unterstützung bei der Reintegration in die Gesellschaft als Restriktion und Überwachung. Vermeidbare Restrisiken können im Rahmen der Führungsaufsicht, insbesondere auch durch geeignete Therapieweisungen bspw. unter Anbindung an die örtliche Forensische Ambulanz, minimiert werden. Insofern macht das Therapieunterbringungsgesetz praktisch wenig Sinn, führt zu einer weiteren menschen- und verfassungswidrigen Freiheitsentziehung bei den Betroffenen und stellt keine tragfähige Lösung für eine rückfallprognostisch sinnvolle Arbeit dar. Sie nimmt den Bundesländern dort finanzielle Ressourcen, wo sie für eine breite und notwendige Verbesserung der Vollzugsbedingungen von Strafgefangenen und Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung zwingend notwendig wären. C. Fazit * Das Instrument der Sicherungsverwahrung gehört abgeschafft. Es gibt weder eine kriminalpolitische noch eine empirisch belegte Notwendigkeit für das zeitlich unbegrenzte präventive Wegsperren von einzelnen vermeintlich gefährlichen Menschen. Ausreichende Behandlungsangebote im Strafvollzug können – nie vollständig ausschließbare – Rückfallgefahren wesentlich besser begrenzen und damit mit menschenwürdigen Mitteln den Schutz der Allgemeinheit vor schwerwiegenden Straftaten effektiver bewirken als die Sicherungsverwahrung. Jede Form der Sicherungsverwahrung wirkt sich auf die Vollzugsrealität verheerend und damit auf den Resozialisierungserfolg kontraproduktiv aus. * Das im Gesetzentwurf vorgesehene Therapieunterbringungsgesetz ist mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschrechtskonvention nicht vereinbar. Es löst zudem keines der praktisch bestehenden Probleme bei der Entlassung von rückfallgefährdeten Sicherungsverwahrten. * Wenn es schon bei der Sicherungsverwahrung bleibt, darf es keinen Vorbehalt und keine nachträgliche Anordnung geben. Das wäre mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar. Die Anordnung im Urteil darf dann nur bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualstraftaten erfolgen, was der Gesetzesentwurf bislang allerdings nicht vorsieht. * Bereits der Strafvollzug muss darauf gerichtet sein, die spätere Vollstreckung einer angeordneten Sicherungsverwahrung zu verhindern. Dafür bedarf es eines gesetzlichen wie tatsächlichen Ausbaus der Sozialtherapie, der Möglichkeiten der Erprobung in Vollzugslockerungen sowie der (Weiter-)Entwicklung geeigneter Behandlungskonzepte. * Es muss zu Gunsten der Untergebrachten eine Ungefährlichkeitsvermutung bestehen, die durch die Vollstreckungsgerichte jeweils widerlegt werden muss, um eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung anordnen zu können: In dubio pro libertate! * Bewährungshilfe und Führungsaufsicht müssen für Hilfsmaßnahmen und Unterstützung nach einer Entlassung personell und sachlich wesentlich besser ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern und das Entwickeln gemeinsamer Konzepte zur Rückfallvermeidung können bestehende Restrisiken auf ein Minimum reduzieren. Fußnoten: 4 Vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N. 5 Vgl. Michael Alex, 2010: Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 bislang gar nicht erneut straffällig geworden. 6 Vgl. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Einschätzung ausgewählter Delikte zwischen 1993 bis 2003 in Prozent der Befragten zur PKS, www.kfn.de, wonach beispielsweise im untersuchten Zeitraum die Anzahl der Sexualmorde um 38 % gesunken ist, gleichzeitig aber 23 % der Befragten meinten, sie hätte sich nicht verringert und 26 % sogar meinten, Sexualmorde würde heute viel häufiger stattfinden. 7 Vgl. EGMR M./.Deutschland vom 17.12.2009; www.coe.int.  8 Vg.  Trips-Hebert, wissenschaftliche Dienste des Bundestages; Der Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern -  Zur Rechtslage im europäischen Ausland; www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/gefaehrliche_straftaeter.pdf.  9 Vgl. Dünkel in NK StGB, § 57 Rn 90 ff. 10 So ergibt beispielsweise ein erster Vergleich mit der polizeilich registrierten Kriminalität gerade im moderat strafenden Schweden mit Deutschland etwa im Bereich der Sexualdelinquenz keinen wesentlichen Unterschied (vgl. www.bra.se und PKS 2009 www.bka.de/pks/pks2009/download/pks-jb_2009_bka.pdf )  11 Vgl. BVerfG Urteil des Zweiten Senats vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -. 12 So ist beispielsweise im Freistaat Bayern (ca. 12.000 Inhaftierte) für alle Gewalttäter mit längeren Freiheitsstrafen und Sicherungsverwahrte eine Kapazität in der Sozialtherapie von derzeit 16 Plätzen in der JVA Kaisheim vorgesehen. Zusätzlich sollen 17 Plätze 2012 in der JVA München Stadlheim geschaffen werden, so dass 2012 für diese Gruppe von Inhaftierten ganze 33 Behandlungsplätze vorhanden sind. Sozialtherapeutische Konzepte für die Behandlung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten ohne Gewalt- oder Sexualdelinquenz (bspw. BtM Delikte, Wohnungseinbruchsdiebstahl, etc.) fehlen vollständig, was jedoch mangels subjektivem Rechtsanspruch auf sozialtherapeutische Behandlung für rechtmäßig erachtet wird (vgl. OLG Nürnberg B. vom 23.09.2010 – 1 Ws 451/10 -). 13 Allerdings ist auch darin formell weder ein eindeutiger Anwendungskatalog, noch eine Beschränkung auf Delikte mit einer bestimmten Mindeststrafe vorgesehen (wie beispielsweise Verbrechen) vorgesehen. 14 Vgl. abweichende Voten der Richter Broß, Osterloh und Gerhard in BVerfGE 109, 244 ff. 15 Erkenntnisse aus Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug unterliegen regelmäßig nicht der Schweigepflicht und werden an spätere Sachverständige und die zuständige Gerichte weitergegeben. 16 Vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung zum geplanten Gesetz zur Einführung einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung vom 5. Juli 2004; www.dgfs.info/DGfS_Stellungnahme.pdf.  17 2 BvR 834/2002 18 Vgl. u. a. BVerfG B. v. 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96. 19 Vgl. Hutchinson Reid ./. UK, Urteil vom 20.02.2003, Nr. 50272/99; Morsink ./. NL, Urteil vom 11.05.2004, Nr. 48865/99; Winterwerp ./. NL, Urteil vom 24.10.1979, Nr. 6301/73 – jeweils zitiert im GE (S.86); daneben weist die Kommentarliteratur unter Verweis auch auf diese Entscheidungen darauf hin, dass eine Einschränkung der Handlungs- oder Einsichtsfähigkeit Voraussetzung für die psychische Krankheit nach Art. 5 Abs. 1 S.2 lit. e EMRK ist: Peukert in Frohwein/Peukert-EMRK, Art. 5 Rn. 78ff.; Gollwitzer MRK und IPBPR, Art. 5 Rn.79f. jeweils m.w.N.]]>
      Innere Sicherheit (doublet) Strafprozessrecht (doublet)
      news-159 Fri, 05 Nov 2010 13:27:00 +0100 Protest braucht Freiraum /publikationen/mitteilungen/mitteilung/protest-braucht-freiraum-159 Erklärung vom 8.11.10 Demonstrationsfreiheit (doublet) Innere Sicherheit (doublet) news-157 Fri, 15 Oct 2010 10:32:00 +0200 Bundeskriminalamt verletzt Datenschutzrechte von Journalisten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundeskriminalamt-verletzt-datenschutzrechte-von-journalisten-157 Pressemitteilung Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, 030-446792-16
      Rechtsanwalt Peer Stolle (für den RAV), 030-446792-18 Pressemitteilung: Bundeskriminalamt verletzt Datenschutzrechte von Journalisten (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-156 Fri, 15 Oct 2010 09:41:00 +0200 Flüchtlinge, Griechenland und das Bundesverfassungsgericht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluechtlinge-griechenland-und-das-bundesverfassungsgericht-156 Informationsveranstaltung, Berlin 26.10.2010 An der Veranstaltung nehmen teil: Pater Martin Stark (Berlin), Jesuitenflüchtlingsdienst
      Seelsorger in der Abschiebehaft, berichtet von der Situation Betroffener vor der Abschiebung Rechtsanwältin Giota Massouridou (Athen)
      Asylexpertin, berichtet von der aktuellen Lage von Flüchtlingen in Griechenland Rechtsanwalt Dr. Stephan Hocks (Frankfurt a.M.)
      Verfahrensbevollmächtigter anhängiger Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, erläutert die Hintergründe der Verhandlung vor dem BVerfG Moderation:
      Rechtsanwätlin Berenice Böhlo (Berlin), RAV e.V.

      Termin und Ort:
      26. Oktober 2010, 19.00 - 21.00 Uhr
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Robert-Havemann-Saal
      Greifswalderstr. 4
      10405 Berlin-Friedrichshain Veranstalter:
      Bildungswerk Berlin in Kooperation mit
      borderline europe e.V.
      Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
      Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Berlin Die Veranstaltung wird realisiert aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Kontakt:
      Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-24344 5762 , E-Mail: buero@fluechtlingsrat-berlin.de
      RAV e.V., Berlin, Tel: 030-41723555, E-Mail: kontakt@rav.de Informationsveranstaltung: Flüchtlinge, Griechenland und das Bundesverfassungsgericht, Berlin 26.10.10. (PDF)]]>
      Migration & Asyl (doublet) Europa (doublet)
      news-155 Thu, 14 Oct 2010 14:05:00 +0200 Stellungnahme des RAV im Anhörungsverfahren des Thüringischen Landtags, Identifizierbarkeit von Polizeikräften im Einsatz erleichtern /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-rav-im-anhoerungsverfahren-des-thueringischen-landtags-identifizierbarkeit-von-polizeikraeften-im-einsatz-erleichtern-155 Stellungnahme Bürger- und Menschenrechte (doublet) Polizeirecht (doublet) news-154 Thu, 14 Oct 2010 09:39:00 +0200 RAV regt bei EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-regt-bei-eu-kommission-vertragsverletzungsverfahren-gegen-deutschland-an-154 Mitteilung Rechtsanwalt Carsten Gericke, RAV- Geschäftsführer, Tel. 040.43135110 RAV regt bei EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an (PDF)]]> Europa (doublet) Migration & Asyl (doublet) news-153 Tue, 05 Oct 2010 19:12:00 +0200 Stellungnahme des RAV zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neureglung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-rav-zum-diskussionsentwurf-des-bundesministeriums-der-justiz-zur-neureglung-des-rechts-der-sicherungsverwahrung-und-staerkung-der-fuehrungsaufsicht-153 Stellungnahme I. Vorbemerkungen Die Stellungnahme bezieht sich ausdrücklich auf den vom Bundesministerium übersandten Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht vom 30.06.2010. Soweit darüber hinaus weitere Gesetzesvorhaben über die „Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ bekannt geworden sind, wird davon ausgegangen, dass diesbezüglich eine weitere Stellungnahmemöglichkeit eröffnet wird, sobald ein Diskussions- oder Gesetzesentwurf vorliegt. Vorab sei dazu allerdings angemerkt, dass ein Vorhaben, mit dem die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 faktisch dadurch ausgehebelt werden soll, dass ehemalige Sicherungsverwahrte zu „psychisch gestörten Gewalttätern“ umetikettiert werden, eindeutig nicht mit Art. 5 Abs. 1 EMRK und im übrigen auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. 1.    Keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz beschreibt als Problem und Zielsetzung zunächst die Verhinderung von Rückfalltaten. Dabei wird ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung eine besondere Bedeutung für die Verhinderung schwerer Wiederholungstaten habe. Mehrfach wird im Weiteren angemerkt, dass sich das Instrument der Sicherungsverwahrung zu diesem Zweck als letztes Mittel der Kriminalpolitik in Deutschland bewährt habe. Bevor im Einzelnen auf die vorgeschlagenen Neuregelungen des Diskussionsentwurfes eingegangen werden soll, muss diese Prämisse ausdrücklich in Frage gestellt werden. Obgleich eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung in Deutschland derzeit politisch kaum umsetzbar erscheint, muss dies doch als zentrale Forderung auch des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins vorab dargestellt werden. Durch nichts ist empirisch oder statistisch belegt, dass das Institut der Sicherungsverwahrung insgesamt betrachtet Rückfalltaten, insbesondere solche schwerer Natur, verhindert. Nach unserer Auffassung ist es vielmehr so, dass durch das Recht der Sicherungsverwahrung, welches in den letzten Jahren immer stärker ausgebaut wurde, die Vollzugsrealität eine derartige Verschärfung erfahren hat, dass Resozialisierungsmaßnahmen bei vielen Gefangenen, die sie im Grunde genommen am nötigsten erfahren müssten, nicht, zu spät oder nicht im nötigen Umfang durchgeführt werden. Eine Verhinderung von (Rückfall-)Kriminalität kann effektiv nur dann erfolgen, wenn der Vollzug für die Inhaftierten die Möglichkeit schafft, die Ursachen der vorangegangenen Delinquenz aufzuarbeiten und für die Zukunft Strategien zu entwickeln, diesen entgegenzuwirken. Zudem können geeignete Maßnahmen der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht mögliche – immer bestehende – Rückfallgefahren effizient minimieren. Die Sicherungsverwahrung schafft hingegen eine Gefährlichkeitsvermutung zulasten der Betroffenen, die in der Regel - mangels Erprobung und Entlassung – schwer bis nicht widerlegt werden kann. So ist nach den bisher vorliegenden Studien davon auszugehen, dass von mit erheblicher Gefährlichkeitsprognose entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten keine höheren Rückfallgefahren ausgehen, als von jedem Strafgefangenen, der regulär zum Ende der Strafe oder aber auch zuvor auf Bewährung entlassen wird. Eher ist sogar davon auszugehen, dass die Rückfallraten bei entlassenen Sicherungsverwahrten deutlich niedriger sind (vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N.). Es besteht demgegenüber keinerlei belegte Erkenntnisgrundlage, die das Instrument der Sicherungsverwahrung in Deutschland überhaupt kriminalpolitisch rechtfertigen oder dessen Notwendigkeit belegen würde. 2.    Europäischer Vergleich  Der europäische Vergleich zeigt, dass die Sicherungsverwahrung kein zwingend notwendiges Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Rückfalltaten ist. Neben der deutschen Regelung existiert ein mit der Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nach den Ausführungen des EGMR in sieben weiteren Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention: Österreich, Dänemark, Italien, Lichtenstein, San Marino, Slowakei und in der Schweiz (vgl. EGMR M./.Deutschland vom 17.12.2009; www.coe.int). Allerdings wird in diesen Staaten die Anordnung der Sicherungsverwahrung an wesentlich höhere Voraussetzungen als in Deutschland geknüpft. In der Regel ist sie nur dann möglich, wenn tatsächlich schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte dringend zu befürchten sind. Das ist in Deutschland aktuell nicht der Fall und wäre es auch nach der im Diskussionsentwurf beschriebene Neureglung nicht (vgl. II.). In den weiteren Ländern, welche die Europäische Menschrechtskonvention gezeichnet haben, besteht ein mit der deutschen Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nicht. Dabei ist zuzugeben, dass in einigen europäischen Staaten auch wesentlich höhere Freiheitsstrafen verhängt werden können (so z. B. in Belgien, Großbritannien, Frankreich und Rumänien). In diesen Ländern ist allerdings auch eine frühzeitige Bewährungsentlassung als Regelfall weitestgehend vorgeschrieben (bspw. in Belgien nach dem Gesetz zur bedingten Entlassung von Straftätern vom 05. und 18.03.1998 bereits nach einem Drittel bzw. sogar nach einem Sechstel der Strafe nahezu automatisch (vgl. Dünkel in NK StGB, § 57 Rn 90 ff)). Daneben existieren Länder mit vergleichbaren Strafhöhen bzw. sogar moderateren Strafen als in der Bundesrepublik Deutschland, in denen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann (so etwa Schweden, Litauen, Kroatien, Griechenland, Finnland, Estland oder Portugal). Insofern besteht vor einer Gesetzesreform zumindest die Notwendigkeit, im europäischen Maßstab zu überprüfen, ob in Ländern mit vergleichbarer Sanktionierungspraxis, aber ohne einem Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung, statistisch mehr Rückfalltaten festzustellen sind, als in Deutschland. Ist dies nicht der Fall, muss die Behauptung, die Sicherungsverwahrung sei ein zuverlässiges und erprobtes Modell, auch aus diesem Grund als widerlegt betrachtet werden.  3.    Verhältnismäßigkeit der Mittel Die Sicherungsverwahrung, das geht auch aus dem Diskussionsentwurf des BMJ hervor, ist das „schärfste Mittel der Kriminalpolitik“. Allein auf eine – unzweifelhaft immer unsichere – Gefahrenprognose gestützt, wird Menschen die Freiheit auf unbestimmte Zeit entzogen. Unabhängig von der in Deutschland bestehenden menschenunwürdigen Vollzugspraxis, dem fehlenden Trennungsgebot und den fehlenden Resozialisierungsmöglichkeiten (dazu III.), stellt eine Freiheitsentziehung auf unbestimmte Dauer aufgrund von präventiv ausgestalteten Sicherheitsansprüchen eine Maßnahme dar, die – wenn überhaupt – nur unter verschärften Verhältnismäßigkeitsanforderungen angeordnet und vollstreckt werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages zwar ein mögliches Instrumentarium darstellt (vgl. BVerfG Urteil des Zweiten Senats vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -). Entgegen anderweitigen – weit verbreiteten irrgläubigen - Darstellungen hat das Bundesverfassungsgericht damit allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch verfassungsrechtlich notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzesauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Das ist nach unserer Auffassung der Fall. Mit einer frühzeitig, bereits während der Vollstreckung der Strafe begonnene Sozialtherapie, die über einen langen Zeitraum auch mit einer Erprobung der Gefangenen begleitet wird, kann die Gefahrenprognose bereits während des Vollzuges der Strafhaft grundlegend verbessert werden. Bei einer engen Anbindung an Hilfsinstitute bei der Entlassung in die Freiheit, kann eine Wiedereingliederung auch nach schwerwiegenden vorangegangenen Straftaten wesentlich sinnvoller erfolgen, als dies mit den sehr begrenzten personellen und sachlichen Mitteln derzeit der Fall ist. Auf diese Weise können die Prognosen aller Gefangenen – auch der von Sicherungsverwahrung betroffenen - erheblich verbessert und damit Rückfallquoten insgesamt wesentlich deutlicher gesenkt werden, als durch das Suggerieren von Sicherheit über das unbegrenzte Wegsperren Einzelner im Rahmen der Sicherungsverwahrung. Dabei muss man sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann und wird. In einer freiheitlich ausgeprägten Demokratie wird es – so belastend das auch im Einzelfall sein mag – immer Kriminalität geben. Der staatliche Schutzauftrag kann insoweit nur dahin gehen, diese Kriminalitätsrate nach Möglichkeiten zu verringern. Dies ist durch ausreichende Resozialisierungs- und Wiedereingliederungsangebote wesentlich effektiver und menschenwürdiger möglich, als durch das Wegsperren Einzelner, deren Auswahl – jedenfalls nach den bislang vorliegenden Studien – eher zufällig erfolgen dürfte. Die aktuelle Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung garantiert keinen Rechtsanspruch auf Therapie oder Behandlung. Etliche Sicherungsverwahrte versuchen seit Jahren vergeblich in sozialtherapeutischen Anstalten einen Therapieplatz zu bekommen. Allein bei wegen Sexualdelikten Verurteilten ist dies inzwischen bundesweit gesetzlich vorgesehen. Bei allen anderen Betroffenen wird in der Regel darauf verwiesen, dass eine Aufnahme in der Therapie „verfrüht“ erscheine oder aber dass Therapie ohne Entlassungsperspektive nicht sinnvoll sei. Dies kann jedoch nicht der Maßstab sein. Wenn man schon über das Institut der Sicherungsverwahrung diskutiert, muss dies einen behandlungsorientierten Vollzug beinhalten. Dabei soll erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei nicht um eine besondere „Begünstigung“ für verurteilte Straftäter handelt. Vielmehr dienen resozialisierungsfördernde Maßnahmen gerade dem Schutz der Allgemeinheit. Diesen Schutz zu gewährleisten und dabei möglichst wenig in Grundrechte von Betroffenen einzugreifen, ist der grundgesetzliche Auftrag des Bundes und der Länder. Man kann also nicht einerseits eine Verschärfung der Regelung zur Sicherungsverwahrung fordern und auf der anderen Seite bereits jahrzehntelange Missstände im Vollzug weiterhin hinnehmen. Durch eine wesentliche Verbesserung des Behandlungsvollzuges, entsprechende Erprobungsmöglichkeiten für Inhaftierte und durch multidisziplinäre sachverständige Begleitung und Evaluation des Vollzuges können bei einer engen Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe und den freien Trägern Rückfalltaten insgesamt wesentlich besser vermieden werden, als durch perspektivloses Wegsperren von Einzelnen. Insofern ist dieser milderen und effektiveren Möglichkeit auch gesetzlich der Vorrang zu gewähren. Die Sicherungsverwahrung ist abzuschaffen. II. Zum Gesetzesvorhaben im Einzelnen Da die Forderung nach Abschaffung der Sicherungsverwahrung in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum durchsetzbar erscheint, soll auch auf die einzelnen Regelungen des Diskussionsentwurfes des Bundesministeriums der Justiz eingegangen werden. Insofern sollen hier aus Sicht der Anwaltschaft zumindest Anregungen abgegeben werden, wie das Mittel der Sicherungsverwahrung, wenn es denn schon fortbesteht, sinnvoller ausgestaltet werden könnte. 1.    Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verurteilung; § 66 StGB Der Diskussionsentwurf spricht vorweg davon, dass die Sicherungsverwahrung auf Gefahren durch schwerwiegende Delikte gegen Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung begrenzt werden soll. Gleichzeitig ist allerdings eine solche Beschränkung im Entwurf tatsächlich nicht vorgesehen. Hiernach soll im Rahmen eines neuen § 66b Abs. 1 Nr. 1 b StGB die Sicherungsverwahrung dann im Urteil angeordnet werden können, wenn jemand – ggf. bei Vorbelastung - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist. Die weiteren Voraussetzungen werden allein in § 66 Abs. 1 Nr. 4 benannt: namentlich der Hang zu erheblichen Straftaten, ohne dass diese deliktsspezifisch eingeschränkt werden. Als Regelfälle („insbesondere“) werden hierfür die schwere körperliche oder seelische Schädigung von potentiellen Opfern genauso wie die Verursachung schweren wirtschaftlichen Schadens benannt. Insofern wird der Diskussionsentwurf gerade der Prämisse, die Sicherungsverwahrung auf schwere Gewalt- und Sexualstraftaten zu beschränken, nicht gerecht. Vielmehr besteht eine Anordnungsbefugnis weiterhin auch bei etlichen (gewaltanwendungsfreien) Vermögensdelikten, gemeingefährlichen Delikten und im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität fort. Beispielhaft soll hier nur der Wohnungseinbruchdiebstahl, der gewerbs- und bandenmäßige Betrug, die gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung oder aber das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genannt werden. Daneben sind auch weiterhin alle Raubdelikte ausreichend, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dabei kommt es nach wie vor nicht darauf an, ob Gewalt angewendet wurde oder aber Opfer der Tat schwere körperliche oder seelische Schäden erlitten haben. Auch der gewaltanwendungsfreie Raub, bei dem weder gravierende psychische, noch physische Schäden entstanden sind, bleibt im Anwendungsbereich von § 66 StGB enthalten. Dies betrifft eine nicht unerhebliche Anzahl von in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Wenn es bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbleibt, muss eine klare Beschränkung auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte erfolgen. Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte sowie Delikte, bei denen niemand gravierenden körperlichen oder seelischen Schaden genommen hat, müssen aus dem Anwendungsbereich entfallen. Insofern wird vorgeschlagen, im Rahmen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB einen klaren Katalog von Straftaten aufzuführen, die die Anordnung der Sicherungsverwahrung formell rechtfertigen können. Darunter gehören nach hiesiger Auffassung allenfalls Kapitalverbrechen und Sexualdelikte. In § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB muss materiell klargestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich dann angeordnet werden kann, wenn die erhebliche Gefahr der schweren körperlichen oder seelischen Schädigung von Opfern besteht. Dies darf nicht als Regelbeispiel festgehalten werden, sondern muss eine klare Anordnungsvoraussetzung sein. Dann wäre nämlich auch klargestellt, dass für den gewaltanwendungsfreien Raub, ohne erhebliche psychische oder körperliche Schäden, eine Sicherungsverwahrung in Zukunft nicht mehr verhängt werden kann. Soweit vorgesehen ist, dass die Gefahrenprognose gesetzlich ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Verurteilung bezogen wird, bedarf diese Regelung zumindest eines Korrektivs im Rahmen der Vollstreckungsentscheidung gem. § 67c Abs. 1 StGB und § 67d Abs. 2 StGB. Namentlich muss es hier zu einer „Beweislastumkehr“ (In dubio pro libertate!) kommen. Nur dann erscheint es angebracht, die Gefahrenprognose allein auf den Zeitpunkt des Urteils zu stützen (vgl. dazu unten, III. 2.). 2.    Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB   Der Diskussionsentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. Danach kann nach dem dort entworfenen § 66a StGB auch schon bei Erstverbüßern die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten werden, wenn nicht „mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 vorliegen“. Auf die Feststellung eines Hanges, den die Rechtsprechung bislang gefordert hat, wird im Gesetzesentwurf verzichtet. Insofern ist zu befürchten, dass in Zukunft bei jedem Verurteilten, der die formellen Voraussetzungen von § 66a StGB erfüllt, eine Sicherungsverwahrung vorbehalten wird. Denn die Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeitsprognose ist ein derart unbestimmter Rechtsbegriff, dass eine uferlose Ausweitung zu befürchten ist. Insoweit will der Gesetzgeber offensichtlich auch den Gerichten, die zur Verurteilung berufen sind, die Möglichkeit des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung erleichtern. Ein solcher erfordert – anders als ggf. die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB – offensichtlich auch weniger Gewissensanstrengung und Abwägung, da letztlich auf die Entwicklung im Vollzug abgestellt werden wird. Der Diskussionsentwurf begegnet insoweit erheblichen verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Bedenken. a)    Auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Strafurteil ist eine mit Sanktionswirkung behaftete Rechtsfolge. Bei denjenigen Verurteilten, die entgegen einer möglichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich keine Gefährlichkeitsprognose aufweisen, ist ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Schuldprinzip kaum zu vereinbarende zusätzliche Belastung zur ohnehin ausgeurteilten Strafe (vgl. abweichende Voten der Richter Broß, Osterloh und Gerhard in BVerfGE 109, 244 ff.). Dies galt schon für den bislang bestehenden § 66a StGB. Mit dem massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird jedoch ein Rechtsinstitut geschaffen, welches mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes aus Art. 103 Abs. 2 GG für die im Rahmen des Strafprozesses zu treffenden Feststellungen nicht mehr vereinbar ist. Dabei wird nicht verkannt, dass jede Gefahrenprognose eine mit den Unsicherheiten des Prognoseverfahrens behaftete Feststellung im Urteil ist. Diese ohnehin schon nur auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhende Prognose noch einmal derart zu erweitern, dass die bislang notwendige überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit (nichts anderes ist eine Prognose) wiederum nur „zumindest wahrscheinlich“ sein muss, ist eine Darstellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals, die mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar ist. b)    Auch begegnet die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in diesem Rahmen erheblichen menschenrechtlichen Bedenken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 ausgeführt, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus, bei Verurteilten, die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 1998 begangen haben, menschenrechtswidrig ist. Art. 5 Abs. 1 EMRK zählt insoweit abschließend auf, in welchen Fällen Freiheitsentzug zulässig sein soll. Danach besteht allein die Möglichkeit, die Freiheit nach einem diesbezüglichen Urteil zu entziehen. Der EGMR fordert insoweit einen engen Kausalzusammenhang zwischen der die Verurteilung begründenden Anlasstat und der daraufhin vollstreckten Rechtsfolge. Dieser Kausalzusammenhang ist im Rahmen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, wenn sie später zu einer tatsächlichen Anordnung der Sicherungsverwahrung führt, nicht mehr gegeben. Denn eine solche Anordnung wäre nach Ende des Vollzuges nur dann möglich, wenn neue Tatsachen hinzugetreten sind, die nunmehr – anders als zum Verurteilungszeitpunkt – nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit belegen, sondern eine Feststellung der negativen Gefährlichkeitsprognose ermöglichen sollen. Insofern wäre die Anlasstat, die zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung geführt hat, nur ein Anhaltspunkt für die Rechtsfolge. Die dafür notwendigen entscheidenden Feststellungen könnten erst aufgrund der Beurteilung des Verhaltens im Vollzug getroffen werden. Demnach fehlt es bei der späteren Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung an einem hinreichenden Kausalzusammenhang mit der Anlassverurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 a EMRK. c)    Auch auf die Vollzugsrealität wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erhebliche Auswirkungen haben. So fehlt es in den meisten Fällen an geeigneten therapeutischen Maßnahmen, Plätzen in der Sozialtherapie und entsprechenden Behandlungsangeboten, die es den Gefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ermöglichen würden, ihre Sozial- und Legalprognose zu verbessern. Daneben besteht ferner die Gefahr, dass es bei Durchführung von Therapiemaßnahmen – gerade bei dem im Gesetzesvorhaben erfassten Bereich der Sexualkriminalität – zu einer Scheinanpassung und nur äußerlichen Therapiewilligkeit kommt. Gefangene, die das Damoklesschwert der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung über sich schweben haben, werden kaum eine ehrliche und konfrontative Auseinandersetzung mit ihrer Persönlichkeitsproblematik im Rahmen von Therapiemöglichkeiten im Strafvollzug suchen können. Dies kann – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – ggf. sogar zu einer Erhöhung von Rückfalldelinquenz führen (vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung zum geplanten Gesetz zur Einführung einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung vom 5. Juli 2004; www.dgfs.info/DGfS_Stellungnahme.pdf). Daneben besteht die große Gefahr, dass die ohnehin schon restriktive Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen durch den massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung noch beschränkt wird. Gerade weil auch die Verlängerung der Anordnungsmöglichkeit bis ans Ende der Strafe gesetzt werden soll, werden sich die Justizvollzugsanstalten in diesen Fällen mit einer Lockerungserprobung noch zurückhaltender verhalten, als dies bislang der Fall war. Die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Erprobung darin sind jedoch für die Erweiterung der Prognosebasis – auch für die Frage der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung – von ganz erheblicher Bedeutung. Insofern wirkt sich das im Diskussionsentwurf entwickelte Modell auch hier kontraproduktiv aus. 3.    Soweit der Gesetzesentwurf die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorsieht, kann dies nur begrüßt werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist spätestens nach dem Urteil des EGMR mit der Europäischen Menschenrechtskonvention – genauso wie mit dem Grundgesetz – nicht vereinbar.  III.  Vollstreckung 1.    Anwendung auf Altfälle Der Diskussionsentwurf sieht eine Anwendung bislang auf Betroffene vor, die Taten nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen haben. Dies wird mit dem Rückwirkungsverbot begründet. Dabei verkennt der Diskussionsentwurf, dass das Rückwirkungsverbot immer nur vor einer Verschärfung der Rechtsfolgen für die Betroffenen schützt und gerade nicht in der Vollstreckung  zu deren Ungunsten herangezogen werden kann. Wenn die Sicherungsverwahrung tatsächlich auf schwerwiegende Gewalt- und Sexualstraftaten begrenzt wird, so muss dies nicht nur für die in Zukunft möglichen Anordnungsfälle gelten, sondern auch für diejenigen, die sich bereits in der Unterbringung befinden oder bei denen sie nach der Anordnung im Urteil bevorsteht. Es kann nicht angehen, dass Gefangene, die wegen Betruges, Diebstahl, Betäubungsmitteldelinquenz oder anderen gewaltfreien Delikten inhaftiert sind, ohne zeitliche Begrenzung weggesperrt werden dürfen, während bei denen, die in Zukunft solche Delikte begehen, eine Sicherungsverwahrung nicht mehr angeordnet werden darf. Dies wäre schon mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Insofern muss es eine gesetzliche Regelung auch für die Altfälle geben. Vorstellbar wäre insoweit eine Vollstreckungslösung, die klarstellt, dass eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung gem. § 67d Abs. 2 StGB oder eine Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung gem. § 67c Abs. 1 StGB nur dann erfolgen kann, wenn die (neu geregelten) Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB für den heutigen Zeitpunkt positiv festgestellt werden. 2.    Beweislastumkehr in der Vollstreckung Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen wurde die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder zu erledigen, wesentlich eingeschränkt. Wenn die Sicherungsverwahrung aber äußerstes Mittel der Kriminalpolitik sein soll, muss auch hier im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsabwägungen eine dementsprechende gesetzliche Vollstreckungsregelung getroffen werden. Es kann nicht weiter darauf ankommen, dass der Untergebrachte faktisch selbst eine Gefährlichkeitsvermutung widerlegen muss. Dies ist im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsprognose ohnehin schwer möglich. Vielmehr muss auch im Rahmen der Vollstreckung gem. § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 2 StGB zu jeder Überprüfung durch die Vollstreckungsgerichte festgestellt werden, dass die im Urteil benannte Gefährlichkeit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckung positiv fortbesteht. Eine solche Regelung findet sich derzeit nur in § 67d Abs. 3 StGB für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus. Es ist weder aus Verhältnismäßigkeitsgründen, noch aus Effektivitätsgründen erkennbar, warum dieser Prüfungsmaßstab nicht auch bereits zu Beginn und während der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gelten soll. Soweit in § 67d Abs. 1 S. 1 StGB die Notwendigkeit der Feststellung der auf den Hang beruhenden Gefährlichkeit gestrichen werden soll, so führt auch das zur einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Möglichkeit der Bewährungsaussetzung. Denn dann wäre unabhängig von der ursprünglich festgestellten Gefährlichkeit im Rahmen der Anlassverurteilung jede anderweitige, ggf. vollkommen andere Rechtsgüter betreffende Gefährlichkeit für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre ausreichend. So könnte beispielsweise der wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls Verurteilte Sicherungsverwahrte, bei dem 10 Jahre später eine vermeintliche Gefährlichkeit für Gewaltdelikte festgestellt wird, deswegen weiter untergebracht werden. Dies ist jedoch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 a EMRK menschenrechtswidrig, da es an einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen Anlassdelikt, Verurteilung und Vollstreckung fehlen würde. IV. Vollzug Die Regelungskompetenz zur Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung ist zwar grundsätzlich den Ländern übertragen. Dennoch bedarf es auch im Rahmen der Stellungnahme zu aktuellen Diskussionsentwurf dazu einiger Klarstellungen. Wenn das deutsche Strafrecht als schärfste Maßnahme der Kriminalprävention, als „ultima ratio“, die Anordnung oder den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung vorsieht, so muss dem als Korrektiv zumindest ein menschenwürdiger und behandlungsorientierter Vollzug der Strafe und ggf. der späteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entgegengesetzt werden. Ziel des Strafvollzuges sollte es von Beginn an sein, die Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass in deutschen Justizvollzugsanstalten das Gegenteil der Fall ist. Insofern sollte es dazu einen klaren gesetzlichen Auftrag dazu geben (vgl. insoweit bspw. § 106 Abs. 4 JGG für Heranwachsende). 1. Sozialtherapie Im Rahmen des Vollzuges haben die jeweiligen Landesgesetzgeber bzw. der Bundesgesetzgeber bei dem in den Ländern teilweise fort geltenden Strafvollzugsgesetz den Anstalten einen großen Ermessensspielraum bei der Gewährung von behandlungsorientierten Maßnahmen eingeräumt. Dieser wird allerdings aufgrund der knappen Ressourcen und auch durch eine bestehende Kultur der Verantwortungsverschiebung auf nicht verfassungskonforme Weise ausgeübt. Daher bedarf es einer gesetzlichen Festlegung entsprechender Rechtsansprüche von Gefangenen im Vollzug, zumindest, wenn bei ihnen die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde. Solche Inhaftierte müssen bereits bei Verbüßung der Strafhaft eine angemessene Behandlung (Regelfall: Sozialtherapie) notfalls auch verbindlich gerichtlich einklagen können. Sicherlich wird nicht bei jedem Gefangenen oder Sicherungsverwahrten die Sozialtherapie eine wesentliche Verbesserung der Prognose bewirken können, jedoch ist sie in den allermeisten Fällen ein effektives und geeignetes Mittel. Insofern wäre eine gesetzliche Regelung (auch auf Bundesebene) denkbar, die die Sozialtherapie als Regelfall vorschreibt und nur in Ausnahmefällen der Vollzugsanstalt ermöglicht, anderweitige – besser geeignete – Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, zumindest wenn Inhaftierte mit ihrer Behandlung einverstanden sind. 2. Vollzugslockerungen Gleichzeitig müssen die bestehenden weiten Ermessenspielräume bei der Gewährung von Vollzugslockerungen beschränkt werden. Es sollte ein Regelausnahmeverhältnis eingeführt werden, das grundsätzlich die Gewährung von Lockerungen zur Erprobung vorsieht und nur ausnahmsweise eine Ablehnung durch die JVA ermöglicht, wenn konkrete Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtungen dargelegt werden. Auch hier besteht derzeit bundesweit eine äußerst restriktive Praxis. Sicherungsverwahrte mit Vollzugslockerungen oder solche Gefangene, die im Anschluss Sicherungsverwahrung notiert haben und Vollzugslockerungen während der Strafhaft erhalten, dürften einen Promilleanteil dieser Betroffenen ausmachen. Dem ist durch eine gesetzliche Korrektur entgegenzuwirken. Diese gesetzliche Neuregelung würden bei ihrer Umsetzung mit der Notwendigkeit einer personellen und sachlichen angemessenen Ausstattung des Vollzuges einhergehen müssen. Wenn der Gesetzgeber insoweit das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit über die Freiheitsgrundrechte Einzelner stellt, muss er auch die für die Behandlung erforderlichen Mitteil zur Verfügung stellen. 3. Externe Sachverständige und Evaluation Gleichzeitig bedarf es einer externen sachverständigen Überwachung und Begleitung der Behandlung im Vollzug. Externe multidisziplinäre Sachverständigenteams wären insoweit eine Maßnahme, um zu überprüfen, welche Behandlungsmaßnahmen wie anschlagen und was ggf. im Einzelfall verbessert werden müsste. Eine solche „Zwischenbegutachtung“ sollte spätestens zum Halbstrafenzeitpunkt bei allen Inhaftierten mit Vorbehalt oder Anschlussnotierung der Sicherungsverwahrung durchgeführt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Behandlung durch externe Beobachtung ist sinnvoll, um frühzeitig ggf. bestehenden Behandlungsdefiziten oder Fehleinschätzungen entgegenzuwirken. Gleiches gilt für die notwendige Evaluation der Behandlungsergebnisse. 4. Entlassungsbegleitung und Wiedereingliederungshilfe Letztlich bedarf es einer kompetenten, personell und sachlich ausreichend ausgestatteten effektiven Nachbetbetreuung von rückfallgefährdeten entlassenen Gefangenen. Ein dafür bislang guter Ansatzpunkt ist nach hiesigem Dafürhalten die Möglichkeit der Anbindung an die forensische Ambulanz im Sinne von § 68a StGB. Die hier bislang nur im kleinen Maßstab vorliegenden begonnenen Bemühungen müssen ebenfalls erheblich ausgebaut werden. Der Ausbau von Führungsaufsicht und Bewährungshilfe, sofern diese Gefangene nach ihrer Entlassung tatsächlich sachkundig unterstützen und nicht als bloßes Überwachungsinstrument (vgl. elektronische Fußfessel) genutzt werden, wird als milderes Mittel zur Vollstreckung von Sicherungsverwahrung begrüßt. V. Fazit * Das Instrument der Sicherungsverwahrung gehört abgeschafft. Es gibt weder eine kriminalpolitische noch eine empirisch belegte Notwendigkeit für das zeitlich unbegrenzte präventive Wegsperren von einzelnen vermeintlich gefährlichen Menschen. Ausreichende Behandlungsangebote im Strafvollzug können – nie vollständig ausschließbare – Rückfallgefahren wesentlich besser begrenzen und damit mit menschenwürdigen Mitteln den Schutz der Allgemeinheit vor schwerwiegenden Straftaten effektiver bewirken, als die Sicherungsverwahrung. Jede Form der Sicherungsverwahrung wirkt sich auf die Vollzugsrealität und damit auf den Resozialisierungserfolg kontraproduktiv aus. * Wenn es schon bei der Sicherungsverwahrung bleibt, darf es keinen Vorbehalt und keine nachträgliche Anordnung geben. Das wäre mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar. Die Anordnung im Urteil darf dann nur bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualstraftaten erfolgen, was der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz bislang allerdings nicht vorsieht. * Bereits der Strafvollzug muss darauf gerichtet sein, die spätere Vollstreckung einer angeordneten Sicherungsverwahrung zu verhindern. Dafür bedarf es eines gesetzlichen, wie tatsächlichen Ausbaus der Sozialtherapie, der Möglichkeiten der Erprobung in Vollzugslockerungen sowie der (Weiter-)Entwicklung geeigneter Behandlungskonzepte. * Es muss Zugunsten der Untergebrachten eine Ungefährlichkeitsvermutung bestehen, die durch die Vollstreckungsgerichte jeweils widerlegt werden muss, um eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung anordnen zu können: In dubio pro libertate! * Bewährungshilfe und Führungsaufsicht müssen für Hilfsmaßnahmen und Unterstützung nach einer Entlassung personell und sachlich wesentlich besser ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern und das Entwickeln gemeinsamer Konzepte zur Rückfallvermeidung können bestehende Restrisiken auf ein Minimum reduzieren. Stellungnahme des RAV zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neureglung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht (PDF)  ]]> Strafprozessrecht (doublet) Innere Sicherheit (doublet) news-152 Tue, 05 Oct 2010 09:12:00 +0200 Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock /publikationen/mitteilungen/mitteilung/urteile-des-verwaltungsgerichts-schwerin-zu-rechtswidrigen-freiheitsentziehungen-in-den-g8-kaefigen-von-rostock-152 Pressemitteilung vom 5.10.2010 Hintergrund: Mehr als 1100 Menschen waren während des G8-Gipfels in Rostock und Umgebung festgenommen und zu großem Teil in „Käfigen“ eingepfercht worden. Die „Käfige“, die in größeren Hallen auf nacktem Steinboden aufgestellt worden waren, waren überfüllt und nicht einmal mit Pritschen ausgestattet, so dass die Gefangenen auf dem blanken Boden liegen mussten. Rund um die Uhr wurden sie dort mit Hilfe von Videokameras überwacht. Einige der Betroffenen blieben auch in den „Käfigen“ noch mittels sog. Kabelbindern gefesselt. Ausreichend Trinkwasser oder Toilettengänge wurden verweigert, das Licht brannte 24 Stunden am Tag. Zudem wurde in vielen Fällen der Rechtsschutz vereitelt, Anwaltstelefonate lange Zeit verhindert, Haftrichter zu spät oder überhaupt nicht konsultiert. In ca. 95 % der Fälle, in denen eine Vorführung erfolgte, veranlassten die Haftrichter sofortige Entlassungen. 14 GlobalisierungskritikerInnen aus Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bayern hatten nach dem G8-Gipfel beim Verwaltungsgericht Schwerin Klagen wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung, Fesselung, unmenschlichen Haftbedingungen und Verweigerung von Anwaltskontakten während ihrer Inhaftierung eingereicht. Zudem wurde Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung u.a. gegen den Leiter der Gefangenensammelstelle gestellt. Gerichtsurteile: Im Laufe der anhängigen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht Schwerin bereits vor einigen Monaten gegenüber den Prozessbeteiligten darauf hingewiesen, dass es die Rechtsauffassung der Kläger teile und ihre Klagen begründet sein dürften. Auch hinsichtlich der Art und Weise der Behandlung der KlägerInnen im Gewahrsam bestehe wohl ein Anspruch der KlägerInnen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit. In Folge dessen erkannte auch die Polizeidirektion  Rostock an, dass die Klagen zu Recht erhoben wurden. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat daraufhin sog. Anerkenntnisurteile erlassen und nicht nur festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme als solches rechtswidrig waren, sondern darüber hinaus, „dass die Art und Weise der Behandlung im Gewahrsam, insbesondere die Unterbringung, die Videographie und die Fesselung der Klägerin wie auch die verspätete Gewährung bzw. Nichtgewährung eines Telefonats mit einer Person des Vertrauens rechtswidrig gewesen ist.“ Die Betroffenen werden nun durch ihrer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen prüfen lassen. Neben der Rehabilitierung ging es den Betroffenen bei den Feststellungsklagen auch darum, die Desinformationspolitik seitens der Polizei und des Schweriner Innenministers Lorenz Caffier (CDU) zu thematisieren und eine solche Praxis in Zukunft zu verhindern. Insbesondere Innenminister Caffier hatte nach dem G8-Gipfel mehrfach gegenüber Medien und Parlamentsausschüssen versucht, die Massenverhaftungen als legitim darzustellen, die unmenschlichen Haftbedingungen zu bagatellisieren sowie die Fesselung in den Gefangenensammelstellen und die Verweigerung von Anwaltskontakten zu leugnen. „Solch einem unverantwortlichen Handeln und einer derart menschenrechtswidrigen Praxis erteilten die Gerichte eine klare Absage“, kommentiert Britta Eder. Der RAV fordert die Polizei und die weiteren verantwortlichen Stellen in den Innenministerien des Bundes und der Länder auf, diese Entscheidungen ernst zu nehmen und bei Großereignissen, wie beispielsweise den bevorstehenden Massenprotesten gegen Atommüll-Transporte ins niedersächsische Gorleben, die Grundrechte protestierender Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwältin Britta Eder, Tel-Nr. 0176-207 56 46 oder 040/32033756 zur Verfügung. Pressemitteilung: Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock (PDF)]]> Demonstrationsfreiheit (doublet) Innere Sicherheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Polizeirecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-151 Fri, 01 Oct 2010 10:50:00 +0200 Demokratie statt Integration - Nein zur Ausgrenzung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/demokratie-statt-integration-nein-zur-ausgrenzung-151 Pressemitteilung http://www.demokratie-statt-integration.kritnet.org/#top
      Stellungnahme unterzeichnen http://www.demokratie-statt-integration.kritnet.org/#form

      ErstunterzeichnerInnen

      http://www.demokratie-statt-integration.kritnet.org/#signatories
      ]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-139 Fri, 10 Sep 2010 09:27:00 +0200 Menschenrechtswidrige Sicherungsverwahrung? Welche Konsequenzen folgen aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtswidrige-sicherungsverwahrung-welche-konsequenzen-folgen-aus-der-entscheidung-des-europaeischen-gerichtshofs-fuer-menschenrechte-139 Diskussionsveranstaltung, Hamburg, 20.10.2010
      Moderation: Carsten Gericke (Rechtsanwalt, RAV)

      Mit Urteil vom 17.12.2009 entschied der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass Deutschland mit der im Jahre 1998 eingeführten rückwirkenden Aufhebung der 10-Jahresfrist bei erstmaliger Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Trotz des einstimmigen Votums, das auch durch die deutsche Richterin am EGMR, Renate Jäger, mitgetragen wurde, versuchte die Bundesregierung, die zu erwartenden Konsequenzen dieser Entscheidung durch Anrufung der Große Kammer des EGMR zu umgehen. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 10.5.2010 abgelehnt. Die Entscheidung des Gerichtshofs vom 17.12.2009 und die darin aufgezeigten Verstöße sowohl gegen das Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK) als auch gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 7 EMRK) haben das Konzept der Sicherungsverwahrung grundlegend in Frage gestellt. Derzeit sind am EGMR ca. 40 weitere Beschwerden gegen Deutschland wegen sonstiger Regelungen zur Sicherungsverwahrung anhängig. Sechs Beschwerden betreffen die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Unfähig oder unwillig die Praxis der Sicherungsverwahrung zügig menschrechtskonform auszugestalten, ignorierten Justizvollzug und Politik bis zuletzt die absehbaren Entlassungen einer Reihe von Gefangenen, die teilweise ohne nennenswerte Lockerungen seit mehr 25 Jahren hinter Gittern saßen. Auch nach dem Urteil im Dezember 2009 wurde es versäumt, die Sicherungsverwahrten auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Stattdessen führten reißerische Medienberichte nach der ersten Entlassung zu menschenjagd-ähnlichen Vorkommnissen. Vor diesem Hintergrund stellen sich eine Vielzahl diskussionswürdiger Fragen nach dem Sinn und Zweck der Sicherungsverwahrung, den rechtlichen Grenzen der Anordnung, insbesondere im Hinblick auf aktuelle Gesetzesentwürfe zur Neuregelung sowie nach Mindestanforderungen eines menschenwürdigen und auf Resozialisierung angelegten Vollzugs. Datum: Mittwoch, 20. Oktober 2010
      Uhrzeit: 18.30 Uhr
      Ort: Universität Hamburg, Rechtshaus-Hörsaal, Rothenbaumchaussee 33, 20146 Hamburg Der Eintritt ist frei.
      Veranstalter: Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ)
      Unterstützt durch:Republikanischer Anwältinnen– und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Humanistische Union (HU)  ]]>
      Strafprozessrecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-138 Thu, 29 Jul 2010 11:27:00 +0200 Stellungnahme zum Eckpunktepapier über die geplante Reform der Sicherungsverwahrung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-eckpunktepapier-ueber-die-geplante-reform-der-sicherungsverwahrung-138 Stellungnahme
      Nachdem bereits im Koalitionsvertrag angekündigt war, die gesetzlichen Grundlagen der Sicherungsverwahrung zu reformieren, ist nunmehr spätestens nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.12.2009 und deren Rechtskraft neuer Wind in die Diskussion um die Gesetzesreform gekommen. Insoweit ist es außerordentlich zu begrüßen, dass eine längst überfällige Überarbeitung der Vorschriften zur Sicherungsverwahrung zeitnah umgesetzt werden soll. Inhaltlich bestehen jedoch gegen die Vorstellungen, die aus dem Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz hervorgehen, aus praktischer Sicht erhebliche Bedenken. 1. Bedauerlich ist, dass die Chance, die das Urteil des EGMR mit sich bringt, die Sicherungsverwahrung als strafrechtliche Maßnahme grundsätzlich zu überdenken, nicht genutzt wird. Die meisten unserer europäischen Nachbarländer haben ein ähnliches Institut nicht normiert. Die Länder der EU, die über vergleichbare Rechtsinstitute verfügen, knüpfen an diese wesentlich höheren Voraussetzungen als die Bundesrepublik Deutschland. Insoweit im Eckpunktepapier darauf verwiesen wird, dass Lösungen gefunden werden müssen, die den Schutz der Bevölkerung vor Gefahren, die vom (potentiell) betroffenen Personenkreis ausgehen, sicherstellen sollen, so ist dies nach hiesiger Auffassung durch das Institut der Sicherungsverwahrung ohnehin nicht effektiv zu erreichen. Dabei wird von hieraus nicht verkannt, dass der Schutz von potentiellen Opfern, insbesondere bei schwerwiegenden Gewalt- oder Sexualstraftaten, ein wichtiges und unterstützenswertes Anliegen ist. Ein (umfassender) Schutz vor schwerwiegenden Straftaten, der dem Bürger durch die Maßnahme der Sicherungsverwahrung suggeriert werden soll, ist allerdings eine Illusion. Vielmehr ermöglicht die Maßregel der Sicherungsverwahrung ein Wegsperren aufgrund einer – zweifellos niemals sicheren – Kriminalitätsprognose auf unbeschränkte Dauer. Die Tendenz der Sachverständigen und Vollstreckungsgerichte orientiert sich ganz klar an der Prämisse „in dubio pro securitate“ – im Zweifel für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung. Bislang konnte - auch deswegen - noch nicht valide untersucht werden, welcher Anteil der gestellten Prognosen tatsächlich fehlerhaft und welcher zutreffend kriminalprognostisch negativ gewesen ist. Nach ersten Erhebungen kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der falsch negativ prognostizierten Untergebrachten bei über 85 %, wenn nicht sogar etwa 95 %, liegt (vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N.) – oder anders gesagt: Es muss davon ausgegangen werden, dass 10 - 20 Sicherungsverwahrte zu Unrecht inhaftiert bleiben müssen, damit die potentielle Rückfalltat eines Sicherungsverwahrten verhindert wird. Dabei gibt gerade die in den letzten Jahren signifikant gesunkene Kriminalitätsrate keinerlei Anlass für ein solch erhebliches Sonderopfer. Der EGMR hat insoweit auch festgestellt, dass die Vollzugsbedingungen in Deutschland – insbesondere was den Vollzug der Sicherungsverwahrung betrifft – nicht konventionsgerecht sind. Ein sinnvoller Schutz vor weiteren möglichen Straftaten, die niemals ausgeschlossen werden können, kann effektiv nur dadurch erreicht werden, dass sinnvolle Behandlungs- und Resozialisierungsmaßnahmen in der Haft angeboten und auch genutzt werden. Gefangene müssen darin gefördert und dazu motiviert werden, die Ursachen ihrer Delinquenz zu erkennen, diese aufzuarbeiten und Strategien zur Delinquenzvermeidung in der Zukunft zu entwickeln. Dafür sind nicht ansatzweise genügend personelle und sachliche Mittel in deutschen Justizvollzugsanstalten vorhanden. Ein möglichst sicherer Verwahrvollzug erfüllt jedoch weder menschenrechtliche Anforderungen, noch ist er dazu geeignet, spätere mögliche Rückfalltaten zu vermeiden. Nicht umsonst stellt ein wesentlicher statistischer Faktor, der für eine erneute Rückfälligkeit spricht, bereits die Verbüßung einer Freiheitsstrafe für sich genommen dar, was bestätigt, dass Inhaftierung unter den bisherigen Vollzugsbedingungen die Rückfallgefahr erhöht – und nicht ihr entgegenwirkt. Insofern müssen Vollzugskonzepte überdacht, geändert und ausreichend finanziert werden. Die derzeitige Praxis, einige – potentiell gefährliche – Straftäter ohne geeignete Behandlungsperspektive und ohne zeitliche Begrenzung wegzusperren, führt weder zu einer messbaren Reduzierung von (Rückfall-)Delinquenz, noch zu einem verbesserten Opferschutz, noch zu menschenwürdigen Vollzugsbedingungen. Vielmehr fehlen die für die unbefristete Verwahrung von Menschen aufgewendeten Ressourcen bei resozialisierungsfördernden Maßnahmen im Vollzug, bspw. beim Ausbau der Sozialtherapie. 2. Wenn unter der zuvor dargestellten Prämisse schon eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung, ggf. unter verbesserten Führungsaufsichts-, Bewährungs- und Vollzugsmodalitäten nicht diskutiert wird, so soll zumindest zu den wesentlichen Punkten des Eckpunktepapiers von hieraus Stellung bezogen werden. a.    Die bereits vom Bundestag beschlossene Einführung einer Divergenzvorlage zum BGH wird für sinnvoll erachtet. Derzeit wird die Frage der Umsetzung des Urteils des EGMR durch eine Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungswege der Oberlandesgerichte gekennzeichnet. Während manche Bundesländer eine Umsetzung kategorisch ablehnen, werden anderswo bereits Sicherungsverwahrte auf die Entlassung vorbereitet und in die Freiheit begleitet. Eine solche Ungleichbehandlung kann nicht Sinn der bundeseinheitlich normierten gesetzlichen Grundlage der Maßregel sein. Insofern wird die zügige Umsetzung einer Entscheidungsmöglichkeit des Bundesgerichtshofs in solchen Fällen befürwortet, letztlich auch im Interesse der Untergebrachten auf eine konsequente Umsetzung der Entscheidung aus Strassburg. b.    Die Stärkung der Führungsaufsicht durch die Einführung einer elektronischen Fußfessel löst die Probleme, die bei einer Entlassung von Gefangenen entstehen, nicht und begegnet zudem ganz erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr ergibt sich aktuell die Situation, dass – ohne begleitende entlassungsvorbereitende Maßnahmen – eine nicht unerhebliche Anzahl von Sicherungsverwahrten entlassen werden muss. Diese benötigen in erster Linie soziale Wiedereingliederungshilfe, entsprechende Beratung und Unterstützung. Dafür müssen in ausreichender Art und Weise personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dies gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die ansonsten – soweit von hieraus einschätzbar – unzureichend ausgestatteten Mittel der Bewährungshilfe. Nur wenn ausreichende Hilfsangebote vorhanden sind, können ggf. Möglichkeiten der Überwachung der Einhaltung von Auflagen sinnvoll zu einer rückfallfreien Wiedereingliederung der Entlassenen beitragen. Ob neben erheblichen weiteren Bedenken, die an dieser Stelle (noch) nicht diskutiert werden sollen, dafür tatsächlich eine Aufenthaltsbestimmung des Betroffenen durch eine so genannte elektronische Fußfessel zielführend ist, soll von hieraus ausdrücklich in Frage gestellt werden. 3.    Zu den einzelnen Punkten der geplanten Reform der Sicherungsverwahrung nach dem Eckpunktepapier: a. Eine Beschränkung des Anwendungsbereiches bei der primär angeordneten Sicherungsverwahrung wird ausdrücklich begrüßt. Längst überfällig ist insoweit auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Konzentration auf Straften vorzunehmen, die von gravierender Schwere sind. Insoweit sollten allerdings bei einer gesetzlichen Neuregelung der Sicherungsverwahrung bislang genutzte unbestimmte Rechtsbegriffe soweit möglich vermieden und, wenn es schon bei einer primären Anordnung der Sicherungsverwahrung bleibt, ein Katalog möglicher Straftaten explizit aufgeführt werden, die eine Anordnung der Sicherungsverwahrung ermöglichen können. Dieser Katalog sollte auf schwerste Sexualstraftaten, sowie schwere Taten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit begrenzt sein. Klar geregelt werden sollte, dass anderweitige Delinquenz aus dem Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung, also auch bei der Beurteilung von Symptomtaten, entfällt - so etwa Vermögensdelinquenz, Betäubungsmitteldelinquenz und vergleichbare Kriminalität. Auch der Tatbestand des Raubes mit seinen Qualifikationen, der Grundlage für eine nicht unerhebliche Zahl der Anordnungen von Sicherungsverwahrung ist, sollte als mögliche Symptom- oder Anlasstat entfallen. In den Fällen, in denen zeitgleich erhebliche Gewalt bei der Durchführung eines Raubes angewendet wird, ist tateinheitlich eine Gewalttat begangen, die wiederum die Anordnung von Sicherungsverwahrung begründen kann. Gewaltanwendungsfreie Raubtaten sollten die Anordnung der Maßregel nicht erlauben. Von der dann neu geregelten Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwerwiegende Delikte im Bereich der Gewalt- und Sexualdelinquenz sollten auch diejenigen profitieren, die bspw. bereits aufgrund von Vermögensdelikten in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind. Es wäre ein klarer Wertungswiderspruch, wenn in Zukunft Sicherungsverwahrung aufgrund solcher Delikte nicht mehr angeordnet werden kann, gleichzeitig sich jedoch eine nicht unerhebliche Zahl von Sicherungsverwahrten weiterhin aufgrund der bestehenden Anordnung in Unterbringung befindet. Derartige „Altfälle“ könnten auch insoweit neu geregelt werden, da die Fortdauer der Sicherungsverwahrung zukünftig davon abhängig gemacht werden kann, dass erhebliche Gewalt- und Sexual(katalog)taten zu erwarten sind - ansonsten muss eine Erledigung der Maßregel erfolgen. b. Soweit nunmehr klargestellt werden soll, dass die nach § 66 StGB erforderliche Gefahrenprognose zum Zeitpunkt der Verurteilung gelten soll, so wird dies in der Praxis weitestgehend auch ohne Gesetzesänderung schon umgesetzt. Problematisch an dieser Regelung ist allerdings, dass ein Abstellen auf den Verurteilungszeitpunkt nur dann Sinn macht, wenn gem. § 67c Abs. 1 StGB auch rechtzeitig, das heißt, in ausreichendem Abstand zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, umfassend geprüft wird, ob eine Vollstreckung der Sicherungsverwahrung noch erforderlich ist. Insoweit wäre korrespondierend dazu eine gesetzliche Neuregelung sinnvoll, die klarstellt, dass zum Zeitpunkt der Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB eine Gefährlichkeit, die für sich genommen eine Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen würde, positiv festgestellt werden muss (und eben nicht mehr belegt werden muss, dass die im Urteil festgestellte Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Verurteilung zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr vorliegt, um die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen). Eine solche „Beweislastumkehr“ würde nicht nur die Verhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung als „ultima ratio“ der Prävention stärker in den Vordergrund stellen. Sie wäre auch im Hinblick auf die Abwägung zwischen Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und möglichen – immer nur potentiell bestehenden – Gefahren für die Allgemeinheit eine sinnvolle Beschränkung des Anwendungsbereiches, die dann wiederum die Feststellung der Gefährlichkeitsprognose im Urteil zum Zeitpunkt der Verurteilung rechtfertigen würde. c. Soweit der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Urteil durch die Gesetzesreform gestärkt werden soll, wird dies weder kriminalpräventiv noch vollzugspraktisch für sinnvoll erachtet. aa.   Bereits in der bisherigen Praxis hat sich erwiesen, dass die Anwendung von § 66a StGB in verfassungskonformer Art und Weise faktisch schwer bis nicht möglich ist. Zudem stellt der Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung mit dem Merkmal der „Wahrscheinlichkeit“ des Vorliegens einer hangspezifischen Gefahr auf Tatbestandsmerkmale ab, die dem Strafrecht grundsätzlich fremd sind. Kann eine Kammer – zugunsten des Angeklagten – nicht sicher feststellen, dass eine hangspezifische Gefährlichkeit besteht, so ist eine Sicherungsverwahrung nicht anzuordnen. Ein Vorbehalt aufgrund unsicherer Feststellungsmöglichkeiten stellt insoweit auf die Entwicklungsmöglichkeiten im Vollzug ab. Diese sind zum einen in nicht ausreichender Form gegeben (s. o.). Zum anderen ist dann die endgültige Beurteilung, ob eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung tatsächlich angeordnet werden soll, nichts anderes, als eine unabhängig vom Tatvorwurf erfolgende erneute Anordnung der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßnahme, die wiederum mit den klaren Vorgaben des EGMR nicht vereinbar wäre. Es würde namentlich auch hier an einer hinreichenden Kausalität zwischen Anlassdelikt und Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung fehlen. bb.   Insoweit macht auch die Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung für so genannte Ersttäter wenig Sinn. Denn gerade bei Ersttätern – auch gravierender Delikte – wird im Zweifel schwer festgestellt werden können, ob eine hangbedingte Gefährlichkeit vorliegt. Es muss im Zweifel zugunsten des Ersttäters gelten, dass er im Vollzug die Chance erhalten wird, gerade die bei ihm erstmals festgestellte Delinquenz entsprechend aufzuarbeiten und im Rahmen einer geordneten Bewährungsentlassung auch eine Erprobung zu bestehen. Ein solcher Weg, der geeignet wäre, mögliche zukünftige Straftaten zu verhindern, wird gerade durch den Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung praktisch versperrt. Denn die damit einhergehende Stigmatisierung und dementsprechende Handhabung des Vollzuges führt im Zweifel zu einer Verschärfung der Vollzugsrealität und damit gerade zu einer Verstärkung der Problematik bei den betroffenen Inhaftierten. cc.   Wenn schon ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ausgebaut werden soll, ist es aus praktischer Perspektive nicht zu empfehlen, den Zeitpunkt der Prüfung der endgültigen Anordnung erst auf das Ende des Vollzuges zu setzen. Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung, sofern er bislang überhaupt praxisrelevant ist, führt in der Regel dazu, dass eine sinnvolle Entlassungsplanung und Vorbereitung durch Erprobung in Freiheit nicht möglich ist. Denn dies wird in der Regel von den Justizvollzugsanstalten davon abhängig gemacht, dass die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht erfolgt. Demnach macht es auch Sinn, dass ein fester Zeitpunkt wesentlich vor Ablauf von 2/3 der Freiheitsstrafe eingehalten wird, um spätestens danach eine mögliche Erprobung und auch Weiterbehandlung des Gefangenen in einem ausreichend planungssicheren Rahmen zu ermöglichen. Bleibt die (vorbehaltene) Sicherungsverwahrung tatsächlich auf gravierende Gewalt- und Sexualdelikte beschränkt, so wird sie in der Regel auch mit der Verhängung erheblicher Freiheitsstrafen einhergehen. Insoweit kann zum 2/3 Termin bzw. ein halbes Jahr vor dem Ablauf des 2/3-Zeitpunktes bei solch erheblichen Freiheitsstrafen bereits ausreichend beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen. Diese müssen positiv festgestellt werden. Wenn dies auch kurz vor Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe, wie schon zum Verurteilungszeitpunkt, nicht erfolgen kann, muss – auch um Planungssicherheit für den weiteren Vollzug und die Erprobung in Freiheit zu haben – eine endgültige Entscheidung erfolgen. Dies dient letztlich auch dem Schutz der Allgemeinheit, da eine unter Resozialisierungsgesichtspunkten erfolgte Wiedereingliederung in die Gesellschaft in der Regel dazu geeignet ist, mögliche Rückfalltaten effizient zu verhindern. d. Soweit die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gefordert wird, kann dies nur ausdrücklich unterstützt werden. Spätestens nach der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 ist klar, dass ein solches Rechtsinstitut der menschenrechtlichen Prüfung nicht Stand hält. Wenn schon die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus bei Verurteilungen vor der Gesetzesreform 1998 konventionswidrig ist, dann gilt dies erstrecht für die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die keinerlei hinreichenden Kausalzusammenhang zur Anlasstat erfasst. Die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hatte zudem, wie es auch im Eckpunktepapier dargestellt wird, erhebliche und verheerende Auswirkungen auf die Vollzugsrealität gerade von als rückfallgefährdet eingeschätzten Strafgefangenen. Insofern muss hier schnellstmöglich eine gesetzliche Reformierung erfolgen, die die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung beendet. Auch so genannte „Altfälle“, also die Fälle von nachträglicher Sicherungsverwahrung, deren Anordnung vor der geplanten Gesetzesreformierung rechtskräftig geworden ist, müssen davon erfasst werden. Nach den zutreffenden Ausführungen des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 12.05.2010 (4 StR 577/09) findet die Rechtsprechung des EGMR auch auf die Frage der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung Anwendung. Insoweit ist auch die vor der geplanten Gesetzesnovellierung erfolgte Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig. Es wäre demnach eine Frage der Zeit, bis spätestens der EGMR, wenn nicht zuvor das Bundesverfassungsgericht (bspw. in dem Verfahren 2 BvR 2846/09), die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig bzw. menschenrechtswidrig erklärt. Insofern wäre eine Gesetzesreform, welche die „Altfälle“ der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nicht berücksichtigt, allein kosmetischer Natur. Es würde daher begrüßt werden, wenn eine Neuregelung geschaffen wird, die mit den konventionsrechtlichen Anforderungen und den Vorgaben des EGMR konsequent umgeht, wobei aktuell auf Länderebene eine Vorbereitung der Entlassung der bereits von der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung betroffenen Untergebrachten effektiv erfolgen müsste. e. Soweit Auswirkungen der Gesetzesreform auf das Jugendgerichtsgesetz noch nicht Gegenstand der Überlegungen sind, so wird darauf hingewiesen, dass auch die (nachträgliche) Anordnung von Sicherungsverwahrung für Heranwachsende und Jugendliche dringend einer Reformierung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR bedürfen. Dies sollte unter den oben genannten Prämissen ebenfalls zügig in Angriff genommen werden.]]>
      Strafprozessrecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-137 Wed, 28 Jul 2010 15:06:00 +0200 Filmen verboten: Erfolgreiche Klage gegen polizeiliche Filmaufnahmen bei Großdemonstration /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmen-verboten-erfolgreiche-klage-gegen-polizeiliche-filmaufnahmen-bei-grossdemonstration-137 Mitteilung Das Verwaltungsgericht Berlin (VG) entschied mit Urteil vom 26. Juli 2010, dass das Filmen einer Anti-AKW-Großdemonstration am 5. September 2010 durch Einsatzkräfte der Polizei rechtswidrig war (Aktenzeichen VG 1K 905.09).

      Mit Unterstützung der Holtfort-Stiftung und des RAV hatten die BI Lüchow-Dannenberg als Mitveranstalterin der Demonstration „mal richtig abschalten“ sowie ein Versammlungsteilnehmer Klage erhoben. Das VG stellte nun fest, dass die Kameraüberwachung der friedlichen Demonstration gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verstoßen hat.
      Rund 50.000 Menschen demonstrierten am 5. September 2009 in Berlin gegen die Atomkraft und für den Abbruch des Endlagerprojekts in Gorleben, angeführt wurde die Demo von Treckern der Bäuerlichen Notgemeinschaft.
      Während des Aufzuges vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor fuhr ein Kleintransporter wenige Meter vor der Spitze des Demo-Zuges; Einsatzkräfte der Polizei filmten permanent den Aufzug mit mehreren auf dem Dach des Transporters montierten Kameras: “Filmen verboten!”, forderten einzelne Demo-Teilnehmer an der Spitze des Zuges.
      Mit Erfolg: das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass die Überwachung der Demo am 5. September mittels Bildaufnahmegeräte (Video- bzw. Filmkameras) rechtswidrig war. Die Argumentation der Polizei, die Filmaufnahmen nach dem “Kamera-Monitor-Prinzip” dienten allein der Verkehrslenkung und der Leitung des Polizeieinsatzes, ließ das Verwaltungsgericht nicht gelten. Auf neun Seiten führen sie aus, dass sie in der Dauerbeobachtung der Versammlung einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit sehen und eine Einschüchterung der Demonstranten nicht auszuschließen sei: “Denn wenn der einzelne Teilnehmer der Versammlung damit rechnen muss, dass seine Anwesenheit oder sein Verhalten bei einer Veranstaltung durch Behörden registriert wird, könnte ihn dies von einer Teilnahme abschrecken oder ihn zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden”, heißt es zutreffend in den Urteilsgründen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils wurde die Revision zugelassen.

      Der RAV wendet sich seit längerem gegen zunehmende Beschränkungen der Demonstrationsfreiheit durch behördliche Auflagen sowie die Videoüberwachung von Versammlungen. Bereits im August 2009 hatte das Verwaltungsgericht Münster mit ähnlichen Erwägungen festgestellt, dass friedliche Demonstrationen nicht gefilmt werden dürfen.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-136 Thu, 01 Jul 2010 13:24:00 +0200 EuGH: EU-Terrorismuslisten für ungültig erklärt. Keine Strafverfolgung für Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz vor Juni 2007 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/eugh-eu-terrorismuslisten-fuer-ungueltig-erklaert-keine-strafverfolgung-fuer-verstoesse-gegen-das-aussenwirtschaftsgesetz-vor-juni-2007-136 Pressemitteilung RAV – Geschäftsführer Rechtsanwalt Carsten Gericke Tel. 040-43135110
      Martin Dolzer, Rechtsanwaltsbüro Britta Eder Tel. 0176 207 05 646 Weitere Informationen zu dem Verfahren: Urteil des EuGH Pressemitteilung des EuGH (pdf)   ]]>
      Europa (doublet) Repression in Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-135 Tue, 29 Jun 2010 11:13:00 +0200 Zivilgesellschaft fordert Stopp des europaweiten Zwangs zur Vorratsdatenspeicherung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/zivilgesellschaft-fordert-stopp-des-europaweiten-zwangs-zur-vorratsdatenspeicherung-135 Pressemitteilung
      Die 2006 beschlossene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zwingt in ihrer gegenwärtigen Fassung alle Telekommunikations- und Internetanbieter, Daten über die Kommunikation sämtlicher ihrer Kunden zu sammeln. Die Unterzeichner des Briefes warnen, dass eine solche allgemeine Verbindungsdatenaufzeichnung vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens durch Datenpannen und -missbrauch aussetzt, unvertretbare Kosten nach sich zieht und die Kommunikationsfreiheit Unschuldiger unzumutbar behindert. "Eine generelle Verbindungsdatenspeicherung hat sich in vielen Staaten Europas als überflüssig, schädlich oder sogar verfassungswidrig herausgestellt", so die Organisationen weiter.

      In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht im März einer von 30.000 Menschen unterstützten Verfassungsbeschwerde stattgegeben und die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben. Unter Berufung auf die fortbestehende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung fordern CDU und CSU jedoch ihre Wiedereinführung in Deutschland. Im Mai entschied der irische High Court in Dublin, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Die EU-Kommission prüft zurzeit eine Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.]]>
      Innere Sicherheit (doublet) Überwachung Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-134 Tue, 29 Jun 2010 10:02:00 +0200 Sparpaket: Return to Sender ! Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte warnen vor den Folgen zunehmender Verarmung, Frustration und Ausgrenzung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sparpaket-return-to-sender-richterinnen-und-richter-staatsanwaeltinnen-und-staatsanwaelte-warnen-vor-den-folgen-zunehmender-verarmung-frustration-und-ausgrenzung-134 Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung e.V. (NRV) - Bundesbüro-
      Greifswalder Str. 4
      10405 Berlin
      Tel. 030 - 420 223 49
      Fax  030 - 420 223 50
      sekretariat@nrv-net.de
      www.nrv-net.de  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-133 Sat, 19 Jun 2010 10:59:00 +0200 Überwachung rechtswidrig: Generalbundesanwalt berücksichtigte entlastendes Material nicht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ueberwachung-rechtswidrig-generalbundesanwalt-beruecksichtigte-entlastendes-material-nicht-133 Pressemitteilung
      Zu diesen Vorgängen erklärt der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV):

      Es ist nicht hinnehmbar, dass allein aufgrund von Vermutungen und politischer Orientierung Personen über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren rechtswidrig überwacht werden können. Mit dem Beschluss erweist sich die richterliche Vorabkontrolle von Telefonüberwachungen und Observationen, die rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen eigentlich verhindern sollte, wieder einmal als weitgehend wirkungslos. Aus Sicht des RAV ist es nicht ausreichend, die Staatsanwaltschaften zu verpflichten, auch entlastende Umstände in ihren Anträgen vollständig wiederzugeben. Gerade bei länger andauernden heimlichen Ermittlungsmaßnahmen muss der Ermittlungsrichter eine eigenständige Prüfung anhand des gesamten Akteninhalts vornehmen. Eine nur nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, wie sie der Bundesgerichtshof jetzt ausgesprochen hat, ersetzt auch nicht den Schutz der Betroffenen vor tiefen Grundrechtseingriffen. Dass die Richter am Bundesgerichtshof derart deutliche Worte finden ist richtig und überfällig. Es lässt aber befürchten, dass auch in anderen Verfahren ähnlichen Hintergrundes das Funktionieren der rechtsstaatlichen Institutionen zweifelhaft ist und insbesondere von Seiten der Generalbundesanwaltschaft massiv gegen Grundrechtsgarantien verstoßen wird. Für die  Betroffenen bedeutet die Telefonüberwachungen und Observationen massive Verletzungen ihrer Persönlichkeitsrechte über viele Jahre hinweg.

      Link zum Urteil]]>
      news-132 Thu, 20 May 2010 19:40:00 +0200 Grundrechte-Report 2010: Ex-Bundesinnenminister warnt vor weiteren Schritten zum Überwachungsstaat /publikationen/mitteilungen/mitteilung/grundrechte-report-2010-ex-bundesinnenminister-warnt-vor-weiteren-schritten-zum-ueberwachungsstaat-132 Mitteilung "Auch in einer gefestigten Demokratie sind die Grundrechte nicht vor offener oder schleichender Aushöhlung sicher. Das zeigt der Report am Beispiel zahlreicher Einzelfälle und an einer Reihe von staatlichen Maßnahmen", bilanzierte Gerhart Baum den Zustand der Verfassungswirklichkeit in Deutschland. Dies sei im Grundrechte-Report anschaulich dokumentiert: "ELENA ist ein weiterer Schritt hin zum Überwachungsstaat, ebenso die Auslieferung der Kontodaten an die USA ohne wirksamen Datenschutz (SWIFT). Gefährdet ist das ohnehin verstümmelte Asylrecht und immer wieder das Demonstrationsrecht." Baum betonte in seinem Vortrag: "Der Kampf um die Grundrechte ist auch ein Kampf gegen die Gleichgültigkeit vieler Bürger. Die Freiheit schenkt sich nicht!".

      Mit zahlreichen Beispielen belegt der Grundrechte-Report 2010, dass nach wie vor die meisten Eingriffe in die Grundrechte von Maßnahmen der Exekutive ausgehen: Polizeiliche Videoüberwachung, Vorkommnisse um den NATO-Gipfel in Straßburg und Kehl, Untergrabung der journalistischen Unabhängigkeit durch Absetzung des ZDF-Intendanten. Auch exterritoriale Grundrechtsverletzungen werden thematisiert - wie die Tötung von Zivilisten bei der Bombardierung der Tanklaster in Kunduz im Sommer 2009 sowie der Kampf gegen Piraterie vor Somalia.

      Von Seiten der Herausgeber hob Marei Pelzer, PRO ASYL, als positive Entwicklung hervor, dass die im Grundrechte-Report geforderte Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention am 3. Mai 2010 von der Bundesregierung beschlossen worden sei. "Jetzt steht die Politik in der Pflicht, Flüchtlingskinder nicht länger wie Kinder zweiter Klasse zu behandeln. Sie gehören nicht in Abschiebeknäste." Der Report zeige anhand vieler Beispiele, dass Nichtdeutschen grundlegende Menschenrechte oftmals vorenthalten werden. Herausgeber Till Müller-Heidelberg, ehemaliger Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, kritisierte die ungebremste Datensammelwut staatlicher Behörden. Der geplanten Neuverhandlung des SWIFT-Abkommens - das nur durch das Europäische Parlament vorläufig verhindert worden sei - sei entschieden entgegenzutreten. "Die Arbeitnehmergroßdatenbank ELENA schafft den gläsernen Arbeitnehmer und ist mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit schlicht unvereinbar."

      Aus Sicht einer Betroffenen wurde ein Einzelfall staatlicher Kindesentziehung geschildert.

      Die Herausnahme eines Kindes aus einer Familie - aufgrund fragwürdiger Atteste - zeigt, wie schwerwiegend staatliche Stellen in die private Lebensführung eingreifen können und wie sehr eine rechtsstaatliche Kontrolle solcher Prozesse nötig, im vorliegenden Fall jedoch unterblieben ist.

      Der jährliche Report zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland zieht auch in seinem 14. Erscheinungsjahr mit 53 Beiträgen kritisch Bilanz zum Zustand der Grundrechte.

      Der im Fischer Taschenbuch Verlag verlegte, 1997 erstmals erschienene Grundrechte-Report versteht sich als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Neun Bürger- und Menschenrechtsorganisationen dokumentieren darin jährlich den Umgang mit dem Grundgesetz.

      Grundrechte-Report 2010 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland;

      Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, K. Schubert, M. Pelzer, A. Würdinger, M. Kutscha, R. Gössner und U. Engelfried;

      Fischer Taschenbuch Verlag; Mai 2010

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      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-130 Thu, 20 May 2010 11:58:00 +0200 Strafverfahren zum 1. Mai 2009 / Berufungsurteil gegen Christan P. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-zum-1-mai-2009-berufungsurteil-gegen-christan-p-130 Pressemitteilung Verurteilung trotz erheblicher Widersprüche Zum heutigen Berufungsurteil gegen Christan P. erklärt die Rechtsanwältin Maren Burkhard, Mitglied im Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein (RAV), die Verteidigung sehe in zentralen Punkten deutliche Hinweise, dass Polizeizeugen sich abgesprochen haben. „Außerdem bestehen massive Widersprüche zwischen den Aussagen der Beamten bezüglich des Tatortes und des Aussehens des Angeklagten“, so die Verteidigerin. Leider habe die Verteidigung nicht feststellen können, dass das Gericht sich mit diesen Problemen auseinandersetzen wollte. Christian P. war vom Landgericht Berlin am 12. Mai 2010 wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Seit dem 1. Mai 2009 befand sich der Angeklagte in Untersuchungshaft. Die Verteidigung hatte wegen der Widersprüche in den Aussagen der Zeugen einen Freispruch beantragt. Die Kritik an der Verfahrensführung bestätigt aus Sicht des RAV, dass Polizeibeamte als Zeugen eine Sonderstellung einnehmen, bei denen die üblichen Glaubwürdigkeitskriterien oftmals nicht gelten. Der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) tritt seit seiner Gründung im Jahr 1979 für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen. Kontakt:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin
      Tel.: +49 (0)30 41 72 35 55
      Email: kontakt@rav.de (pdf)  ]]>
      Politische Justiz (doublet) Polizeirecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-129 Tue, 11 May 2010 09:29:00 +0200 Neuer Schritt zum Feindstrafrecht? Die EU-Terrorlisten in Verbindung mit § 34 des Außenwirtschaftsgesetzes /publikationen/mitteilungen/mitteilung/neuer-schritt-zum-feindstrafrecht-die-eu-terrorlisten-in-verbindung-mit-34-des-aussenwirtschaftsgesetzes-129 Diskussionsveranstaltung, Berlin, 21.5.10 Prof. Dr. Andreas Paulus, Richter am Bundesverfassungsgericht
      RA Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR
      RAin Britta Eder
      Moderation: Wolfgang Neškovic, MdB, Bundesrichter a. D. Die Terrorlisten der Europäischen Union stehen bereits seit längerer Zeit in der Kritik. Wer auf einer dieser Listen steht, den treffen Reiseverbote und Finanzrestriktionen. Für die betroffene Person hat eine Listung zunächst die Sperrung sämtlicher Konten zur Folge. Zugleich dürfen der gelisteten Person auch keine Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Diese Sanktionen werden in einem demokratisch und rechtsstaatlich überaus fragwürdigen Verfahren verhängt. Das Vorgehen der Europäischen Union hat deshalb bereits scharfe Kritik erfahren. Dick Marty, der Sonderbeauftragte des Europarates, hat die Terrorlisten scharf angegriffen und sie als rechtsstaatlich skandalös bezeichnet. Für ihn kommt eine Listung auf einer Terrorliste einer zivilen Todesstrafe gleich. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sprach in einem Spiegelinterview von den Terrorlisten als »ganz heiklem und ungelöstem Problem«. Zurzeit wird in mehreren Gerichtsverfahren über Anklagen der Bundesanwaltschaft verhandelt, basierend auf dem § 34 Abs. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) in Verbindung mit den EU-Terrorlisten. Bei  der Strafvorschrift des § 34 Abs. 4 AWG handelt es sich um eine sogenannte Blankettnorm, d. h. das Gesetz beschreibt nicht abschließend, welche konkreten Handlungen strafbar sind, sondern überlässt diese Bestimmung europäischen oder internationalen Rechtsakten. Auf die Terrorlisten bezogen bedeutet dies, dass nicht etwa durch den deutschen Gesetzgeber entschieden wird, mit welchen Personen oder Organisationen finanzielle Kontakte strafbar sind, sondern dass diese Festlegungen durch in regelmäßigen Abständen wechselnde EU-Ministerratsbeschlüsse getroffen werden. In einem der Verfahren legte das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt mehrere Fragen an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Vorabentscheidung vor. Die entsprechende mündliche Verhandlung findet am 12. Mai statt. Kritiker sehen in den Anklagen einen neuen Schritt zum Feindstrafrecht und die Etablierung eines neuen Mittels zur Kriminalisierung unliebsamer politisch tätiger Menschen, das kaum mehr einer juristischen und demokratischen Kontrolle unterliegt. Nähere Informationen zu den rechtlichen Hintergründen sind zu finden unter: http://www.ecchr.de/Terrorismuslisten/articles/ecchr-nimmt-in-terrorismuslisten-prozess-stellung.html Weitere Nachfragen können gerichtet werden an oeffentlichkeit@rainnen-eder-pues.org Veranstalter: arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen (akj-berlin), Fraktion DIE LINKE im Bundestag, European Center für Constitutional and Human Rights (ECCHR), Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). 21.05.2010, 18.30 Uhr
      Humboldt-Universität zu Berlin, Senatssaal
      Unter den Linden 6, 10099 Berlin
      Hauptgebäude, Busverbindung: 100, 200, TXL, Tramverbindung: 50 und ML, S- und U -Bahn Haltestelle Friedrichstraße]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet) Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-128 Fri, 07 May 2010 13:36:00 +0200 EU-Terrorlisten: Mündliche Verhandlung am 12. Mai 2010 am Europäischen Gerichtshof über eine Vorlage des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Gültigkeit der EU-Terrorlisten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/eu-terrorlisten-muendliche-verhandlung-am-12-mai-2010-am-europaeischen-gerichtshof-ueber-eine-vorlage-des-oberlandesgerichts-duesseldorf-zur-gueltigkeit-der-eu-terrorlisten-128 Pressemitteilung Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Frage, ob die Aufnahme einer Organisation in die EU-Terrorliste (hier der DHKP-C) wirksam ist und Grundlage nationaler Strafverfolgung sein kann, wenn die Organisation selbst keine Klage gegen die sie betreffenden Beschlüsse erhoben hat, aber deren Listung unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien zustande gekommen ist.

      Der Fall:
      Vor dem OLG Düsseldorf findet seit März diesen Jahres ein Verfahren gegen eine Frau und zwei Männer statt, denen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, der DHKP-C, vorgeworfen wird (§ 129b StGB). Darüber hinaus werden sie beschuldigt, Spendenkampagnen für die DHKP-C durchgeführt und Erlöse aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen der Organisation zur Verfügung gestellt zu haben. Hierin sieht die Bundesanwaltschaft (BAW) einen Verstoß gegen § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer „einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient“.

      Diese kaum verständliche strafrechtliche Blankettvorschrift verweist auf die sog. EU-Terrorliste. Die auf der Grundlage einer EG-Verordnung (2580/2001) eingeführte und vom Rat der EU erstellte Liste bezeichnet Gruppen und Einzelpersonen, die als „terroristisch“ eingestuft werden und deren Vermögen eingefroren wird. Ihnen dürfen als Folge der EG-Verordnung 2580/2001 weder direkt noch indirekt Gelder oder Vermögenswerte zugeleitet werden. Aufgrund der so genannten doppelten Verweisung in § 34 Abs. 4 AWG wurden die EG-Verordnung sowie die Listen als solche in das nationale Strafrecht inkorporiert. Zu den gelisteten Organisationen zählt u.a. auch die DHKP-C.

      Rechtlicher Hintergrund
      Die EU-Terrorliste und das Prozedere zur Listung sind seit ihrer Einführung Gegenstand massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen, da eine Listung ohne ausreichende Begründung und Beweise sowie unter Missachtung grundlegender Verteidigungsrechte der Betroffenen erfolgt und ein effektiver Rechtsschutz nicht vorgesehen ist. Entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof erster Instanz (EuG) bereits in mehreren Verfahren die Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Listung hinsichtlich klagender Gruppen und Einzelpersonen festgestellt. Die Listung der DHKP-C beruht auf den gleichen Mängeln. Allerdings ist die Organisation bislang nicht gegen ihre Aufnahme in die EU-Terrorliste rechtlich vorgegangen.

      Das nun zur Entscheidung anstehenden Verfahren gibt dem EuGH die Gelegenheit zu einer grundlegenden Klarstellung: Hierzu erklärt Rechtsanwalt Carsten Gericke, Geschäftsführer des RAV:

      „Die Listung von Organisationen, die unstrittig unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien zustande gekommen ist, ist als nichtig zu klären. Sie kann keinesfalls eine Grundlage nationaler Strafverfolgung bilden. Andernfalls droht eine weitere Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien durch die europäische Hintertür.“

      Die mündliche Verhandlung findet am 12. Mai 2010 um 9.30 Uhr am EuGH (Rue du Fort Niedergrünwald, Luxemburg-Kirchberg) statt.

      (PDF)]]>
      Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) Globale Gerechtigkeit (doublet)
      news-127 Wed, 05 May 2010 16:23:00 +0200 Keine Staatenimmunität für Kriegsverbrechen: Eine Postkarte der Solidarität /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen-eine-postkarte-der-solidaritaet-127 Kampagne Postkarte kann online bei Aktion Sühnezeichen bestellt werden.  ]]> Globale Gerechtigkeit (doublet) NS-Verbrechen (doublet) news-126 Tue, 27 Apr 2010 13:53:00 +0200 Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen NS-Opfer verlangen Beteiligung am Verfahren und Abweisung der Klage Deutschlands gegen Italien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-staatenimmunitaet-fuer-ns-kriegsverbrechen-ns-opfer-verlangen-beteiligung-am-verfahren-und-abweisung-der-klage-deutschlands-gegen-italien-126 Pressemitteilung Am 23.12.2008 erhob die deutsche Regierung Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (Völkerrechtsgerichtshof der UNO). In dem Verfahren geht es um die grundlegende Frage, ob von Verbrechen Nazi-Deutschlands betroffene Menschen das Recht haben, direkt gegen Deutschland auf Entschädigung zu klagen und ihre Ansprüche gegen deutsches Staatseigentum – auch im Ausland - zu vollstrecken. Deutschland will mit der Klage den italienischen Staat zwingen, solche Gerichtsverfahren in Italien zu stoppen und die Vollstreckung bereits ergangener Entscheidungen zu verhindern. Um folgende Fälle geht es in Den Haag:
      Der ehemalige NS-Zwangsarbeiter Luigi Ferrini wurde am 4.8.1944 in ein deutsches Konzentrationslager deportiert, wo er Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten musste. Über seine Klage auf Entschädigung wurde in Italien noch nicht rechtskräftig entschieden. Im Fall des am 10. Juni 1944 von deutschen SS-Einheiten verübten Massakers an 218 Bewohnerinnen und Bewohnern des griechischen Dorfes Distomo haben Klagen in Griechenland bereits im Jahr 2000 zu einem rechtskräftigen Entschädigungsurteil gegen Deutschland über 28 Millionen Euro geführt. Gezahlt wurde nichts. Auf Antrag der griechischen Kläger wurde allerdings die Vollstreckbarkeit des Urteils in Italien anerkannt. Zur Sicherung der Ansprüche der Kläger wurden auf Anweisung eines römischen Gerichtes die Erlöse der Deutschen Bahn AG beschlagnahmt. Sie muss seit März 2009 auf alle Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf für Zugstrecken von Italien nach Deutschland verzichten. Die Anwältinnen und Anwälte fordern die Beteiligung ihrer Mandanten am Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, vor dem grundsätzlich nur Staaten als Prozessparteien zugelassen sind. Weder Italien und schon gar nicht Deutschland geht es in dem Verfahren um die Wahrung der Rechte der Betroffenen. Es geht um Politik, Macht und um den Versuch, es bezüglich der Vergangenheitsbewältigung im Wesentlichen bei schönen Worten zu belassen. Die Juristen weisen nach, dass die notwendige Berücksichtigung der rechtlichen Interessen der Opfer der NS-Verbrechen nur über eine direkte Beteiligung mit Antrags- und Gehörsrecht gewährleistet werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches will ihre Rechtsansicht durchgesetzt wissen, wonach sie durch die „Staatenimmunität“ vor solchen individuellen Entschädigungsprozessen geschützt sei. Italiens Gerichte haben allerdings mehrfach die Rechtsansicht der Anwälte bestätigt, dass das Privileg der Staatenimmunität nicht auf Fälle gemeiner Menschenrechtsverbrechen, wie sie Nazi-Deutschland u.a. in Distomo begangen hat, anzuwenden ist. In Den Haag werden mit diesem Verfahren nicht nur Rechtsfragen für Sachverhalte aus der Vergangenheit geklärt werden. Die Entscheidung verspricht eine hohe Brisanz für die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen aufgrund verbrecherischer Einsätze Militärangehöriger Zivilpersonen zu Schaden gekommen sind, wie z.B. in dem ohne UN-Mandat geführten Kosovokrieg oder bei dem von Oberst Klein befohlenen Luftangriff in Kundus. Athen/Florenz/Hamburg, den 27.4.2010 Rechtsanwalt Joachim Lau, Florenz
      Rechtsanwältin Kelly Stamoulis, Athen
      Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Hamburg
      Rechtsanwalt Martin Klingner, Hamburg Kontakt Florenz: RA Joachim Lau 0039/0552398546
      Kontakt Hamburg: RA Martin Klingner 0049/40/4396002 (PDF)]]>
      NS-Verbrechen (doublet) Globale Gerechtigkeit (doublet)
      news-18 Thu, 22 Apr 2010 19:30:00 +0200 Der Fall Distomo vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-fall-distomo-vor-dem-internationalen-gerichtshof-in-den-haag-18 Veranstaltung, Hamburg, 22.4.2010 Centro Sociale, Sternstraße 2, 20357 Hamburg (U3 Feldstraße)
        Veranstalter: AK-Distomo und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.   Weitere Infos unter www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/ und unter www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet) NS-Verbrechen (doublet)
      news-125 Tue, 20 Apr 2010 12:03:00 +0200 Bürgerrechte im Fokus, Podiumsdiskussion zur Landtagswahl /publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechte-im-fokus-podiumsdiskussion-zur-landtagswahl-125 Veranstaltung, Bonn, 28.04.2010 TeilnehmerInnen
      Christoph Lövenich, Moderation

      die Landtagskandidaten:
      Bernhard „Felix“ von Grünberg, SPD
      Jenny Morin, Linke
      Christian Trützler, Grüne
      NN, FDP
      Dieter Steffens, CDU Ort und Zeit
      28. April 2010, ab 19:30 Uhr
      Haus der Kirche
      Adenauerallee 37 (gegenüber Juridicum)
      53113 Bonn  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet) Polizeirecht (doublet) Überwachung Strafprozessrecht (doublet)
      news-124 Tue, 20 Apr 2010 08:20:00 +0200 Offener Brief des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 20.04.2010 an die Bundesministerin der Justiz /publikationen/mitteilungen/mitteilung/offener-brief-des-arbeitskreises-vorratsdatenspeicherung-vom-20-04-2010-an-die-bundesministerin-der-justiz-124 Mitteilung 2. Aktion Freiheit statt Angst e.V.
      3. Attac Deutschland
      4. Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler e.V.
      5. Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) 6. Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal) e.V.
      7. Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V.
      8. Chaos Computer Club e.V.
      9. Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
      10. Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di 11. Deutscher Journalisten-Verband e. V.
      12. Deutscher Presserat
      13. DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG 14. DPV Deutscher Presse Verband – Verband für Journalisten e.V.
      15. DVD - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
      16. eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.
      17. Ev. Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e.V.
      18. FIfF - Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
      19. FoeBuD e.V.
      20. Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) e.V.
      21. Forum Menschenrechte e.V.
      22. Free Software Foundation Europe e.V.
      23. FREELENS e.V.
      24. Freie Ärzteschaft e.V.
      25. Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e. V. (GDD) 26. Humanistische Union e.V.
      27. IALANA
      28. IG Bauen-Agrar-Umwelt
      29. Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
      30. Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      31. Lesben- und Schwulenverband LSVD
      32. Magistrats européens pour la Démocratie et les Libertés – MEDEL 33. naiin - no abuse in internet e.V.
      34. NAV-Virchow-Bund – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
      35. Netzwerk Neue Medien e.V.
      36. netzwerk recherche e.V.
      37. Neue Richtervereinigung e.V.
      38. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen 39. PRO ASYL e.V.
      40. Reporter ohne Grenzen e.V.
      41. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      42. Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren VFLL e.V.
      43. Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V.
      44. Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
      45. Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte 46. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      47. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ]]>
      Überwachung
      news-123 Fri, 16 Apr 2010 10:52:00 +0200 Duisburg-stellt-sich-Quer-Demonstration am 27. und 28. März 2010: Friedlicher und engagierter Widerstand gegen Nazi-Aufmarsch kriminalisiert /publikationen/mitteilungen/mitteilung/duisburg-stellt-sich-quer-demonstration-am-27-und-28-maerz-2010-friedlicher-und-engagierter-widerstand-gegen-nazi-aufmarsch-kriminalisiert-123 Pressemitteilung Demonstrationen und Blockaden verliefen friedlich und engagiert. Unbesonnenes Polizeihandeln führte jedoch zu Eskalationen und Eingriffen in Grundrechte. Mehrere Anwältinnen und Anwälte des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) unterstützten die ca. 6.000 Demonstrierenden bei der Wahrnehmung ihrer Versammlungsfreiheit und halfen gegen Polizeirepression.
      Insgesamt kam es laut Polizeiberichten zu 143 Gewahrsamsnahmen. Die Polizei leitete 20 Verfahren ein. Die genauen Tatvorwürfe sind noch unbekannt, erfahrungsgemäß wird es sich bei der Mehrzahl der eingeleiteten Verfahren um bloße Ordnungswidrigkeiten handeln.
      „Schon jetzt zeichnet sich die Fortsetzung des Trends von Heiligendamm und Dresden ab: friedliche Massenblockaden werden entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kriminalisiert“, so äußerte sich Rechtsanwalt Daniel Werner am Sonntag Abend für den RAV.

      Weiterhin kritisierte der RAV die Behinderung von journalistischer und anwaltlicher Tätigkeit durch die Polizei. Insbesondere am Hauptbahnhof wurde den Anwältinnen und Anwälten der Kontakt zu den eingekesselten Demonstrierenden verwehrt. „Einem Anwalt erteilte die Polizei einen Platzverweis, als er mit seinen 16jährigen, von der Polizei eingekesselten, Mandantinnen und Mandanten sprechen wollte.“ Die überwiegend minderjährigen Schülerinnen und Schüler wurden nur zur Feststellung ihrer Personalien über zwei Stunden von der Polizei festgehalten. Obwohl die Daten bereits nach einer Kontrolle der Personalausweise, zu Beginn der Einkesselung, bekannt waren.
      Das nordrhein-westfälische Polizeigesetz erlaubt keine Freiheitsentziehung, wenn lediglich die Feststellung der Personalien beabsichtigt ist. Weiterhin schützt die Versammlungsfreiheit nicht nur die Teilnahme sondern auch die Abreise von einer Demonstration. Einen Tag zuvor war es im Duisburger Kant-Park ebenfalls bei der Abreise von der Kundgebung, zu einer unverhältnismäßigen Polizeimaßnahme gekommen. Dabei wurde eine Demonstrantin so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Einem weiteren Demonstranten wurde bei dessen In-Gewahrsam-Nahme die Arme verdreht, das Gesicht auf den Straßenasphalt gepresst und von Polizeibeamten mit dem Knie auf den Rücken und den Nacken gedrückt. „Selbst als der Mann ausrief, dass er keine Luft mehr bekomme, war ein Nachlassen der Polizeimaßnahme nicht zu erkennen“, äußerte sich Rechtsanwalt Werner zu dem Vorfall im Kant-Park. „Dabei muss unmittelbarer Polizeizwang nach dem Gesetz verhältnismäßig angewendet und sofort beendet werden, wenn der Zweck der Maßnahme erreicht ist.“ Obwohl der Betroffene nach einem Rechtsbeistand verlangte ließen die Polizeibeamten einen anwesenden Anwalt nicht zu ihm durch. Journalisten, die das Geschehen dokumentierten, wurde von der Polizei unter In-Aussicht-Stellen einer Strafanzeige eingeschüchtert. Insgesamt musste der RAV am Demo-Wochenende vom 27. und 28. März Eingriffe der Polizei in die vom Grundgesetz geschützte Versammlungsfreiheit und in die ebenfalls grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit von Journalist_innen und Anwält_innen feststellen. Insbesondere polizeiliche Eskalationen während der Abreise von einer friedlichen Demonstration sind nicht hinnehmbar, denn sowohl Teilnahme, als auch An- und Abreise genießen den vollen Schutz der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG. Von der angekündigten Gewährung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit war die Polizeistrategie leider weit entfernt.

      Als Ansprechpartner für Rückfragen steht Ihnen Rechtsawalt Daniel Werner gern zur Verfügung.
      Kanzlei Vogel, Lothringer Str. 60, 46045 Oberhausen, Tel 0208.81 06 58 0 ]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) Polizeirecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-113 Thu, 08 Apr 2010 15:35:00 +0200 Gesetzesintiative zur Einführung einer Ausweisungs- und Kennzeichnungspflicht für Dienstkräfte der Ordnungsbehörden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesintiative-zur-einfuehrung-einer-ausweisungs-und-kennzeichnungspflicht-fuer-dienstkraefte-der-ordnungsbehoerden-113 Stellungnahme: Gesetzentwurf der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, Schles. Holst. Landtag gesetzliche Regelung notwendig ist, zeigt nach Ansicht des RAV die Entwicklung in Berlin, wo eine entsprechende Vorlage des Polizeipräsidenten im Januar 2010 durch den Gesamtpersonalrat der Polizei unter anderem mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Kennzeichnungspflicht ein „pauschales Misstrauensvotum“ gegen die Polizei sei. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Grundprinzip der Demokratie die Kontrollierbarkeit staatlicher Macht ist. Gerade die Polizei als staatliche Exekutivgewalt mit weitreichenden und tiefgreifenden Eingriffsbefugnissen muss sich daher einer intensiven und effektiven - unabhängigen - Kontrolle stellen. Soweit von Seiten der Polizei weiterhin die Sorge geäußert wird, dass eine Kennzeichnung Polizeibeamte und deren Familien gefährde, existiert  keinerlei empirische Grundlage. Angriffe auf Polizeibeamte stehen erfahrungsgemäß in Zusammenhang mit deren Einsätzen, nicht mit deren Person. Es ist so auch kein einziger Fall bekannt, in dem aufgrund eines – zum Beispiel wegen einer Zeugenaussage des Polizisten im Rahmen einer Gerichtsverhandlung – bekannt gewordenen Namens eines Polizisten dieser außerhalb des Dienstes zu Schaden gekommen wäre. Im Übrigen wird dieser Befürchtung im Gesetzentwurf mit der Einzelfallregelung des § 174 a Abs. 4 S. 2 LVwG begegnet. Schließlich wird eine allgemeine Kennzeichnungspflicht in Konfliktsituationen deeskalierend wirken. Bislang galt, dass Polizeibeamte auf Nachfrage ihre Dienstnummer mitteilen müssen. Gerade in angespannten Situationen führte die Notwendigkeit entsprechender Nachfragen jedoch zu nicht sanktionierbaren Falschangaben („007“) oder wurde – selbst gegenüber Journalisten – gänzlich verweigert. Der RAV regt an, für die Entbindung von der Kennzeichnungspflicht nach § 174 a Abs. 4 S. 2 LVwG weitere Voraussetzungen vorzusehen. Dem Antrag sollte nur dann stattgegeben werden, wenn für Polizeiangehörige aufgrund ihres Tätigkeitsgebiets oder des konkreten Einsatzes nachweisbar eine persönliche Gefährdung besteht. Der RAV lehnt die Ausnahmeregelung des § 174 a Abs. 3 LVwG ab. Der in der Formulierung des Abs. 3 enthaltene Verweis auf eine „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“, derentwegen von der Kennzeichnung abzusehen ist, würde der Missachtung der Kennzeichnungspflicht Tür und Tor öffnen und keine hinreichende Bindungswirkung entfalten.. Sollte für die nicht-uniformierten Polizeikräfte ebenfalls eine Ausnahmeregelung von der Verpflichtung als notwendig erachtet werden, muss diese jedenfalls an enge Voraussetzungen wie die konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Polizeibeamten gebunden sein. Abschließend ist festzuhalten, dass Schleswig-Holstein mit der angestrebten Einführung einer Kennzeichnungspflicht der Selbstverpflichtung Deutschlands aus dem European Code of Police Ethics des Europarats von 2001 genüge täte, der Rechenschaftspflicht und Ausweisung der amtlichen Identität festschreibt. Für den RAV
      Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak, Berlin (PDF)  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet) Polizeirecht (doublet)
      news-109 Tue, 06 Apr 2010 11:20:00 +0200 Aktuelles von und über die Kollegin Eren Keskin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/aktuelles-von-und-ueber-die-kollegin-eren-keskin-109 Stellungnahme zur Repression gegen Kolleginnen und Kollegen in der Türkei und den kurdischen Gebieten (PDF)]]> Menschenrechte/Türkei (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet) Freie Advokatur (doublet) news-106 Fri, 26 Feb 2010 14:15:00 +0100 Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht (Stand vom 17.12.2009) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-fuer-ein-gesetz-zur-staerkung-des-schutzes-von-vertrauensverhaeltnissen-zu-rechtsanwaelten-im-strafprozessrecht-stand-vom-17-12-2009-106 Stellungnahme Der Entwurf nimmt sich mit einer Änderung von § 160a Abs. 1 StPO einer für die Rechtsanwaltschaft wichtigen, gegenwärtig auch vor dem Bundesverfassungsgericht streitbefangenen Regelung an. Es sei an dieser Stelle dahingestellt, ob – wie die Begründung zu dem Referentenentwurf annimmt – der von dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung u. a. vom 21.12.2007 vorgefundene Rechtszustand durch den § 160a StPO geltender Fassung tatsächlich nicht zum Nachteil der Anwaltschaft und der Rechtsratsuchenden verändert wurde. Jedenfalls hat eine gesetzliche Wertung, welche Berufsgeheimnisträger und welche Kommunikationsbeziehung in welchem Maße von Ermittlungsmaßnahmen betroffen werden dürfen, auch über die Strafprozessordnung hinaus weit reichende Bedeutung.

      Die in dem Referentenentwurf vorgeschlagene Formulierung erweitert den von dem Gesetzgeber beabsichtigten absoluten Schutz auf jede Kommunikationsbeziehung von Anwalt und Mandant und ist sowohl im allgemeinen Interesse an einer funktionierenden rechtsstaatlichen Rechtspflege als auch im Interesse des Einzelnen an einem von staatlicher Intrusion garantiert unabhängigen und unbeeinflussten Rechtsbeistand dringend geboten.

      Es besteht auch ein praktisches Bedürfnis für diese Regelung: Während, soweit ersichtlich, veröffentlichte Rechtsprechung zu § 160a StPO gegenwärtig noch nicht vorliegt, belegt eine Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten Jahre, dass Ermittlungsbehörden in der Vergangenheit Eingriffe in die berufliche Informationssphäre von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorgenommen und dabei auch geltendes Recht übertreten haben.

      Es ist nicht ersichtlich, dass sich an dieser Praxis etwas geändert hat. Dass demgegenüber die bekannte rechtstatsächliche Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg aus dem Jahre 2003 keine Hinweise auf praktische Fälle der Überwachung von Berufgeheimnisträgern gewonnen hat, ist vor diesem Hintergrund angesichts des Berichtsprogramms in § 100e Abs. 2 a. F. StPO, § 100e Abs. 6 StPO selbstverständlich. Da Benachrichtigungen gem. § 101 StPO in der Praxis selten erfolgen und sich allenfalls bei einigen Strafverfolgungsbehörden die systematische Beachtung der Benachrichtigungspflicht erkennen lässt, lassen die bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen annehmen, dass es sich bei diesen Einzelfällen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt.

      Der vorgelegte Referentenentwurf lässt in seiner Begründung keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung unabhängig von dem rechtstatsächlichen Ist-Zustand eine Verbesserung des Schutzes der Rechtsanwaltschaft bei strafrechtlichen Ermittlungen anstrebt. Es sei daran erinnert, dass dieser Schutz im Polizeirecht des Bundes durch die Differenzierung zwischen Strafverteidigern und anderen Rechtsanwälten in § 20u Abs. 1, Abs. 2 BKAG bislang versagt bleibt (vgl. hierzu die anhängigen Verfassungsbeschwerden, Az.: 1 BvR 1141/09). Die von dem Referentenentwurf aufgezeigten Gründe streiten auch im Polizeirecht des Bundes und der Länder für einen absoluten Schutz der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant vor Informationseingriffen.

      Verfasser: Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Berlin

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      Verfassungsbeschwerde BKA-Gesetz Strafprozessrecht (doublet)
      news-104 Thu, 11 Feb 2010 23:16:00 +0100 Der Terrorismusvorbehalt im Flüchtlingsrecht am Beispiel der PKK - Mündliche Verhandlung vor dem EuGH zum Thema »Terrorismusvorbehalt« im Asylrecht am 9. März 2010 um 9:00 Uhr /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-terrorismusvorbehalt-im-fluechtlingsrecht-am-beispiel-der-pkk-muendliche-verhandlung-vor-dem-eugh-zum-thema-terrorismusvorbehalt-im-asylrecht-am-9-maerz-2010-um-9-00-uhr-104 Stellungnahme zur Vorlage des BVerwG an den EuGH 1. Die Ansicht der Bundesregierung und des BVerwG
      In der mündlichen Verhandlung im Verfahren 10 C 48.07 am 14.10.08 vor dem Bundesverwaltungsgericht verzichtete Herr Klein als Vertreter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge immer wieder zugunsten der Vertreterin des Bundesministeriums des Innern (BMI), Frau Stamm, auf seine Darlegung der Rechtsauffassung des Bundesamtes, was zu der erstaunlichen Stellungnahme im Namen des BMI führte, dass keinesfalls jede kämpfende Gruppe und deren Mitglieder als »terroristisch« und damit asylunwürdig i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylVfG angesehen würden. Das Problem der Aussage »Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer«, welchem man zukünftig womöglich bei Erfolg des entsprechenden Kampfes als politischem Repräsentanten eines neuen politischen Gebildes in diplomatischen Beziehungen gegenüberstehe, sei der Bundesregierung sehr wohl bewusst. Nicht jeder bewaffnete Kampf würde daher als »terroristisch« eingestuft. Allerdings ginge das BMI davon aus, dass ein bewusster Eintritt oder Verbleib in eine/r Organisation, welche unter anderem auch zu »terroristischen« Methoden greife, nach Ansicht der Regierungsvertreterin zum Ausschluss des Flüchtlingsstatus führen müsse. Solche Gruppen seien jedenfalls all diejenigen, die auf der EU–Terrorliste aufgeführt sind.
      Entsprechend geht das BVerwG davon aus, was sich in den Vorlagefragen an den EuGH spiegelt, dass die aktive, selbst unbewaffnete Unterstützung der Ziele einer Organisation, die auf der EU–Terrorliste verzeichnet ist und die unter anderem auch zu »terroristischen« Methoden greife, die Verweigerung des Rechts auf Schutz vor politischer Verfolgung rechtfertige, ohne dass es auf die weitere Prüfung der persönlichen Verantwortung für derartige Übergriffe ankomme. Selbst eine womöglich später erfolgte »Abkehr« könne an der einmal eingetretenen »Asylunwürdigkeit« des Betroffenen nichts mehr ändern.
      Diese eindimensionale und eingleisige Sichtweise wird weder der weltweiten Realität unterdrückter Menschen und Völker gerecht, noch beachtet sie die zwingenden Normen des Völkerrechts, welche eine sehr viel differenzierte Betrachtung erfordern. Sie resultiert letztlich aus einer eurozentrischen Hegemonievorstellung, welche die guten Beziehungen in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht selbst zu verbrecherischen Staaten zu Lasten der gedemütigten Bevölkerung in den Vordergrund stellt.

      2. Selbstbestimmungsrecht der Völker und Widerstandsrecht gegen verbrecherische Staaten
      In seinem berühmten Aufruf vom 1. Januar 1942 forderte der Dichter Abba Kovner: »Laßt uns nicht wie die Schafe zur Schlachtbank gehen!« Er wurde einer der Anführer der Partisanen von Wilna und überlebte den Krieg; noch bekannter als er aber wurde sein Zitat, das viele Menschen, und insbesondere die Täter, falsch interpretierten als Kritik an jenen Opfern, die sich nicht zur Wehr gesetzt hatten. Und in diesem Sinne wird die Aussage  leider auch heute noch häufig gebraucht. Was aber, wenn sich Menschen, Gruppen oder Völker gegen verbrecherische Regime zur Wehr setzen? Welche Institutionen besitzen das Recht und die Definitionsmacht zu bestimmen, wann Widerstand, und zwar auch bewaffneter Widerstand als letztes Mittel der legitimen Wahrnehmung des Rechts, gegen seine Vernichtung zu kämpfen, ehrenwert ist und wann nicht? (1) Muss eine Bevölkerung erst vernichtet werden, um posthum ihre Widerstandskämpfer zu ehren? Was, wenn die Weltgemeinschaft tatenlos bei der Vernichtung von Menschen und Völkern zusieht oder lediglich in hilflose Appelle verfällt, wie nicht selten auch in der jüngeren Geschichte geschehen?

      a) Im Völkerrecht wurde die Doktrin des unantastbaren souveränen Staates mit eigenem Hoheitsgebiet, welcher sich lediglich durch eigene Zustimmung und Ratifizierung entsprechender internationaler Abkommen einer von außen erfolgenden Kontrolle der seinen Staatsbürgern gegenüber erfolgenden Herrschaftsakte unterwirft, auch als Mittel von Herrschaftssicherung zunächst Europas in den Kolonien und sodann im Rahmen der Vereinten Nationen als Mittel der Herrschaftssicherung eines nationalen Staatsgebildes gegen die eignen Untertanen festgelegt. (2)
      In Folge der Befreiungskämpfe gegen den Kolonialismus und im weiteren historischen Verlauf der willkürlichen Grenzziehungen und Schaffung künstlicher souveräner Staaten durch Siegermächte nach Kriegen, welche die Siedlungsgebiete und Interessen der dort lebenden Gruppen und Völker vollständig unberücksichtigt ließen, kam es weltweit zu zahlreichen innerstaatlichen Konflikten, z.T. genozidären Ausmaßes, während derer die Völkergemeinschaft meist tatenlos zusah und die Betroffenen schutzlos der (Teil–)Vernichtung preisgab. Eines der betroffenen Völker ist dasjenige der Kurden. Das Siedlungsgebiet der Kurden wurde nach dem ersten Weltkrieg 1923 durch die Siegermächte im »Friedensvertrag von Lausanne« auf vier Länder aufgeteilt und vertragliche Schutzgarantien wurden lediglich für religiöse Minderheiten festgelegt. (3) Die in der Folge insbesondere auch durch den neu gegründeten Staat der Republik Türkei betriebene Assimilierungs– und Verleugnungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk wird durch renommierte Völkerrechtler als »genozidäres Massaker« beschrieben. Verbrechen und massive Menschenrechtsverletzungen gegen große Teile der kurdischen Bevölkerung unter permanenter Verletzung internationaler Abkommen bis in die jüngste Zeit, zumindest zeitweise mit dem Ziel der Vernichtung der kurdischen Bevölkerung oder großer Teile derselben, wurden durch die Völkergemeinschaft nicht nur nicht unterbunden, sondern stillschweigend geduldet. (4) Insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, als nach den USA und Russland drittgrößter Rüstungsexporteur, profitierte dabei erheblich von bewaffneten Konflikten in Krisengebieten und tat sich seit jeher mit Waffenlieferungen an die Türkei hervor, trotz des Wissens um ihren Einsatz auch gegen die zivile kurdische Bevölkerung. (5) Es ist heute unstrittig, dass schwere Menschenrechtsverletzungen keine inneren Angelegenheiten  souveräner Staaten mehr sind. Zudem ist eines der im Völkerrecht anerkannten Prinzipien dasjenige der gewohnheitsrechtlichen Geltung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker (6) und des Widerstandsrechtes gegen verbrecherische Staaten. Nach dem Aggressionsverbot ist das Selbstbestimmungsrecht die Norm des Völkerrechts, die am häufigsten als eine Jus–Cogens–Norm genannt wird. Bei massenhaften und groben Verletzungen grundlegender Menschenrechte durch einen Staat wird im Völkerrecht ausnahmsweise selbst ein Sezessionsrecht der Völker auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts angenommen. Die Geschichte der Menschheit ist seit dem Altertum gekennzeichnet von Diskussionen um die Idee einer »gerechten Herrschaft« und eines Widerstandsrechts der »Untertanen« bei Überschreitung der Grenzen von Herrschaft und Akten von Willkür. Die Theorie und Geschichte des Widerstandsrechts sind seit ihren Anfängen geprägt von Unklarheiten und Widersprüchen, die bis heute nicht gelöst sind und wohl auch prinzipiell unlösbar bleiben.(7) Schon im Grundgesetz, Art. 20 Abs. 4 GG, zeigt sich das Dilemma: Relevanz gewinnt das normierte Widerstandsrecht nur, wenn der Widerstand erfolgreich war und somit als Rechtfertigung für die rechtliche Beurteilung des Widerstandshandelns dienen kann. Das heißt jedoch übertragen auf die weltweite Situation, dass gerechtfertigte Freiheitskämpfer nur diejenigen sein können, welche erfolgreich kämpfen  (so zum Beispiel Nelson Mandela oder auch Yassir Arafat). Diese Herangehensweise entspricht der Sorge der existierenden Staaten, eines Tages einem heute als »Terroristen« geltenden Kämpfer morgen womöglich als Staatspräsidenten entgegentreten zu müssen. Der rechtfertigende Erfolg ist als Kriterium der Unterscheidung jedoch ein völlig untaugliches und illegitimes Mittel, da es dazu führen würde, die rechtliche Qualifikation von Widerstandshandeln der jeweilig erfolgreichen oder erfolglosen Vernichtung einer Bewegung preiszugeben. Historisch sind jedoch z.B. der jüdische und der armenische Widerstand unbestritten legitim und ehrenhaft gewesen.

      b) Bezogen auf die PKK heißt das folgendes:
      Die PKK hat ihren bewaffneten Kampf 1984 begonnen, zu einem Zeitpunkt als das kurdische Volk in der Türkei mit groben und massenhaften Menschenrechtsverletzungen überzogen wurde und in seinem Kern vernichtet werden sollte, daher die Begriffsbelegung »genozidäres Massaker«.(8) Nach dem Militärputsch 1980 hat diese Partei gezwungenermaßen im Untergrund operiert, da die Gewährung legaler politischer Oppositionsarbeit und die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln gegen die Willkürakte des türkischen Militärs und der nationalistisch türkischen Politik auch nicht ansatzweise vorhanden waren. (9) In der Folge wurde eine bewaffnete Abteilung – die Volksbefreiungsarmee – gegründet, welche insbesondere in militärische Auseinandersetzung mit der türkischen Armee trat. Dieser Kampf war von dem Gedanken und dem Ziel getragen, das kurdische Volk gegenüber Übergriffen türkischen Militärs zu schützen und dem Volk zu seiner legitimen Anerkennung als Kurden zu verhelfen. Vor dem Hintergrund der völlig rechtlosen Situation und Verleugnung des kurdischen Volkes war eines der Ziele, die Gründung eines kurdischen Staates, wie er noch im Vertrag von Sevres vom 10.08.1920  (10) vorgesehenen war und erst nach Intervention durch die Türkei sodann aus diplomatischer Rücksichtnahme aufgegebenen wurde.
      Fast jede kurdische Familie in der Türkei kann heute über Angehörige bei der Guerilla der PKK oder Verwandte, Kinder, Geschwister, Eltern oder Eheleute berichten, die wegen Unterstützung der PKK in Haft waren oder verschwunden sind, durch türkische Sicherheitskräfte heimlich getötet oder auf den Polizei– und Gendarmeriewachen gefoltert oder verstümmelt wurden. Unabhängig von allen denkbaren und notwendigen Kritiken ist es daher absolut unmöglich, den Großteil des nicht assimilierten kurdischen Volkes in der Türkei oder in der Diaspora von der Existenz der PKK zu trennen. Die Einordnung als kriminelle Terrorgruppe – welche man nach westlichem Denkmuster durch geeignete staatliche Maßnahmen vernichten oder im Zaum halten kann – ist daher völlig realitätsfremd. Das zeigt auch die jahrzehntelange Vernichtungspolitik der Türkei:
      Das Ergebnis ist, dass sich immer mehr Menschen dem Widerstand in den Bergen anschlossen und Hunderttausende die vor kurzem freiwillig in die Türkei zurückgekehrte Gruppe von Guerillakämpfern der PKK als ihre Kinder und als »Helden« der Befreiung feierten. (11) Es ist absurd,  den überwiegenden Teil eines Volkes als »Terroristen« abstempeln zu wollen. Aber auch völkerrechtlich ist diese Einordnung mit dem Begriff Terrorismus nicht vereinbar. Die PKK ist – egal was man von ihr halten mag – eine Volksbewegung und kann daher nicht mit den herkömmlichen, westlich dominierten Vorstellungen definiert werden. Die bewaffneten Einheiten jedenfalls befinden sich ganz überwiegend in einem militärischen Auseinandersetzung mit ebenfalls uniformierten, militärischen staatlichen Kräften, was sich nicht als »Terrorismus« definieren lässt. Dies sagt zugleich nichts darüber aus, wie rechtlich und ethisch inakzeptable Methoden der PKK wie z.B. die Ermordung Andersdenkender aus den eigenen Reihen oder vereinzelte tödliche und wahllose Übergriffe gegen wehrlose Zivilisten zu beurteilen sind.

      3. Terrorismus – Terrorlisten der EU
      Es fehlt an einer völkerrechtlich universellen Definition des »Terrorismus«, auf den sich die Völkergemeinschaft zu verständigen hätte. Die Streitpunkte beziehen sich auf die auch von der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommenen Frage nach der Unterscheidung zwischen »terroristischen Akten« und »legitimen gewaltsamen Handlungen in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und/oder des Widerstandsrechts gegen verbrecherische Staaten sowie auf die Frage, ob auch staatliche Streitkräfte »terroristische« Akte begehen können oder diese per se bei allen ihren Handlungen – und seien sie auch noch so sehr gegen Zivilisten gerichtet – legitimiert und damit rechtmäßig handeln. Wie bereits das VG Chemnitz in seiner Entscheidung vom 26.05.2008 – A 2 K 386/06 – (nicht veröffentlicht, noch nicht rechtskräftig) richtigerweise ausführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die PKK völkerrechtlich verbindlich als »terroristisch« einzustufen ist, solange die dargestellten unterschiedlichen Auffassungen der verschiedenen Staatengruppen fortbestehen. Allein Flugzeugentführungen, Geiselnahmen und Sprengstoffdelikte gegen die Zivilbevölkerung werden überwiegend einheitlich als »terroristische« Methoden angesehen, hierüber hinaus ist keine völkerrechtlich anerkannte Einordnung möglich. (12) Insbesondere die EU–Terrorliste ist in keiner Weise geeignet, Auskunft über die Einordnung einer Organisation (oder Person) als »terroristisch« zu geben: Die so genannten EU–und VN–Terrorlisten werden auf »Zuruf« einzelner Staaten und/ oder Staatengruppen je nach politischer oder diplomatischer Befindlichkeit gefertigt, wobei meistens die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den jeweiligen Regierungen der Herkunftsländer der betroffenen Organisationen eine erhebliche Rolle spielen (z.B. Türkei als viel gerühmter Wirtschafts– und Nato–Partner). In allen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes die EU–Terrorliste betreffend wurde betont, dass diese Listen unter völliger Missachtung rechtsstaatlicher Mindeststandards zu Stande kommen und damit willkürlich sind. (13) Eine Praxis der EU–Staaten, welche nach Urteilen des EuGH gegen grundsätzliche Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstößt, kann unmöglich Grundlage für eine derart weitreichende Entscheidung sein, wie sie vom BVerwG angestrebt wird: nämlich die Einstufung von Unterstützern der Ziele einer auf dieser Liste befindlichen Organisation als »asylunwürdigen Terroristen«.

      Dies ergibt sich zudem aus folgenden Überlegungen: Der Rechtsweg gegen die Entscheidung des EU–Ministerrates, einen Namen auf die EU–Terrorliste zu setzen, dauert manchmal Jahre und kann mit der Streichung enden: Wäre die Liste für die Anwendung von § 3 Abs. 2 AsylVfG in Asylverfahren entscheidend, wäre diese Einstufung insofern nichts anderes als willkürlich, als die Aufführung einer Organisation von der Zeit der Antragstellung und der Schnelligkeit des Rechtsweges gegen die Einstufung abhängt. Der Fall der Volksmudschahedin zeigt zudem, dass die Organisation bereits lange Jahre nicht mehr in Erscheinung getreten war und trotzdem auf der Liste verblieb. Wäre die Liste ein Indikator, wie vom BVerwG, BMI und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewünscht, müssten selbst Menschen als »asylunwürdig« eingestuft werden, welche zu einer Zeit in die Organisation eintreten, zu der diese bereits nicht mehr aktiv war. Die Liste ist somit keine Entscheidungshilfe.

      4. Theorie der »zweigesichtigen« Organisation?

      Massenorganisationen wie die PKK beginnen ihren Kampf meist in legitimer Weise und mit anerkennenswerten Zielen gegen ein Unrechtsregime. Der Kampf einer uniformierten Armee, der Guerilla, gegen eine andere uniformierte und bewaffnete Armee, dem staatlichen Militär, unterscheidet sich grundlegend von »terroristischen Methoden«. Befreiungsbewegungen verfallen aber im Laufe der Zeit nicht selten auch darauf zu Mitteln zu greifen, die ihren legitimen Kampf von der Methodik her zunehmend kritikwürdig machen: Eliminierung Andersdenkender aus den eigenen Reihen und Übergriffe gegen unbewaffnete Zivilisten gehören hierzu. Häufig geht eine solche Entwicklung einher mit der Leugnung dieser Methoden gegenüber der eignen Bevölkerung und mit dem absoluten Tabu, hierüber in den eignen Reihen zu sprechen. Wie die Methodik selber bereits indiziert, ist es fast unmöglich, derartige Handlungen innerhalb der Guerilla zu benennen und zu kritisieren, ohne selber in Lebensgefahr zu geraten. Hinzu kommt, dass es bei dem überwiegenden Teil der zivilen kurdischen Bevölkerung völlig unmöglich erscheint, wie oben dargelegt, das Ansehen ihrer Angehörigen und also der Freiheitskämpfer zu beflecken. Die Angst vor dem Vorwurf, Verräter an der eigenen Sache zu sein, Angst vor dem Ausstoß und Furcht vor weiterer Repression führen zu einem relativen Stillschweigen über diese Methoden. Hinzu kommt, dass keine reale Alternative für eine Politik im Sinne der kurdischen Sache existiert und in Anbetracht der extremen Opfer, welche durch die kurdische Bevölkerung erbracht wurden, verständlicherweise niemand als untätig dastehen möchte. Innerhalb der Guerilla selber wird versucht, diese Methoden geheim zu halten und es existieren strenge Hierarchien von Personen, die dieser Art Befehle von oben nach unten erteilen sowie Menschen, die sie ausführen. Andere sind nicht eingeweiht. Überwiegend stand und steht jedoch der Kampf gegen die bewaffneten Einheiten der Türkei im Vordergrund der PKK. Eine solche Organisation kann daher ohne Verdrängung der historischen Tatsachen nicht mit Gruppen auf eine Stufe gestellt werden, welche überwiegend zu Mitteln wie Selbstmordattentaten gegen zivile Ziele und ähnlichen Methoden greifen. Dies würde dem Charakter der PKK als Befreiungsorganisation nicht gerecht werden. Die scharf zu kritisierenden Methoden der PKK bei Angriffen, welche Zivilisten in Mitleidenschaft ziehen und die Tötung eigener Genossinnen und Genossen aufgrund abweichender Meinung sind als Straftaten der jeweils verantwortlichen Befehlsinhaber und der ausführenden Akteure zu beurteilen, für die diese allein strafrechtlich verantwortlich sind. Diese Methoden machen die Gesamtorganisation jedoch nicht zu einer »terroristischen« Organisation i.S.d. Völkerrechts. Man könnte daher den Begriff der »zwei– oder mehrgesichtigen Organisation« in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht vom »zwei– oder mehrgesichtigen Staat« (14) entwickeln. In Anbetracht dieser Realität stellt sich die Frage der Verantwortung des Einzelnen für alle Handlungen und Vorgehensweisen des Gesamtgebildes.

      5. Verantwortung für fremdes Handeln innerhalb einer Organisation?
      Die Verantwortung für alle Taten einer verbrecherischen Organisation, auch dann, wenn eine persönliche Teilnahme an konkreten Verbrechen nicht bestand, wurde nach dem deutschen Faschismus das erste Mal in Art. 9 – 11 des Londoner Statuts (Statut des Internationalen Militärtribunals – Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse) aufgestellt. Hier war Ausgangspunkt jedoch eine von ihren Zielen her ausschließlich verbrecherische Organisation, die nur darauf angelegt war Verbrechen i.S. d. Statuts, nämlich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Nach den Nürnberger Prinzipien ist zudem jede Person, die ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, hierfür verantwortlich. Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von der völkerrechtlichen Verantwortung. Verbrechen völkerrechtlicher Natur sind: Angriffskrieg, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

      Folgerichtig sollten im Flüchtlingsrecht Personen, welche in eine dieser drei Kategorien von völkerrechtlichen Verbrechen oder in eine schwere nicht politische Straftat vergleichbarer Größenordnung, insbesondere eine grausame Handlung, als Täter oder Teilnehmer verwickelt waren, keinen Schutz als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten. Teilnahme oder, wie das Gesetz ausdrücklich formuliert, Beteiligung, setzt eine vorsätzliche Handlung voraus, welche die konkrete Tat des Haupttäters ursächlich erleichtert oder fördert. Das Handeln setzt somit eigene Kenntnis, eignen konkreten Beitrag zur konkreten Tat und/oder zumindest die reale Möglichkeit ihrer Verhinderung voraus. Hier zeigt sich bereits klar, dass die uferlose Anwendung der Ausschlussparagraphen, wie sie durch das BVerwG über das Konstrukt der Organisationszusammenhanges herbeigeführt werden soll, mit der Intention des Gesetzes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

      Für die PKK habe ich versucht aufzuzeigen, dass die Hauptzielsetzung der bewaffneten Kräfte der PKK im Kampf gegen militärische Einheiten der Türkei zur Durchsetzung der Normen des Völkerrechts auch für das kurdische Volk besteht, also im Grunde das Gegenteil der gesetzlich angeführten völkerrechtlichen Verbrechen. Handlungen innerhalb der PKK, welche hiervon abweichen und schlicht kriminelles Unrecht darstellen, sind nur von denjenigen zu verantworten, welche sie befohlen, durchgeführt oder trotz realer Möglichkeiten nicht verhindert haben. Um die Verantwortung für die Handlungen anderer aufgebürdet zu erhalten, bedarf es zudem rechtlich aber auch ethisch einiger Vorbedingungen: Es bedarf der sichern Kenntnis der entsprechenden Handlungen, es bedarf des Weiteren der realen Möglichkeit des Verhinderns derselben und/oder der realen Möglichkeit des sich Entziehens.

      Solange dem kurdischen Volk keine reale Perspektive der Anerkennung seiner legitimen Rechte als eigenständiges, aber über Jahrzehnte geleugnetes Volk zuerkannt wird, wird eine Aufarbeitung der Verbrechen innerhalb der PKK unmöglich sein. Daran wird auch eine westlich dominierte und völkerrechtlich inakzeptable Herrschaftssicht nichts ändern, welche den überwiegenden Teil der kurdischen Bevölkerung kurzerhand zu Terroristen erklärt.

      6. Ergebnis
      Für eine Anwendung der Ausschlussnormen der Genfer Flüchtlingskonvention, der Qualifikationsrichtline und des § 3 Abs. 2 AsylVfG ist es zunächst erforderlich, konkret erfolgte Taten i.S.d. Vorschriften nachzuweisen, d.h., ein zeitlich und örtlich benennbares völkerrechtliches Verbrechen (Angriffskrieg, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gegen Prinzipien der Vereinten Nationen) oder ein anderes konkretes Verbrechen vergleichbaren Gewichts darzulegen. Die betreffende Person muss selber konkret Befehlsgeber, Organisator, Täter oder direkter Teilnehmer mit eigenem realen Beitrag an dieser konkreten Tat sein. Die Eingebundenheit in Organisationen kann nur dann zum Ausschluss führen, wenn diese Organisation die Begehung völkerrechtlicher Verbrechen oder die Begehung von Taten ähnlichen Gewichts i.S.d. Londoner Statuts zu ihrem eigentlichen Ziel hat, so dass sich international darauf verständigt wird, dass diese Organisation eine ausschließlich verbrecherische ist (wie z.B. bezüglich der SS oder der SA des deutschen Faschismus durch die Alliierten geschehen), (15) und die eingebundene Person konkret in der Lage ist, diese Verbrechen zu verhindern oder sich ihnen zu entziehen. Die Ausschlussgründe sollten aus der »Terrorismushysterie« zurückgeholt und die eigentlichen Beweggründe ihrer Etablierung in völkerrechtlichen Verträgen und Gesetzen wieder in den Vordergrund gerückt werden: Kriegsverbrecher, Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Täter von Verbrechen vergleichbaren Gewichts sollen nirgends auf der Welt Schutz vor Zugriff finden können. Jutta Hermanns, Rechtsanwältin (Berlin)   Fußnoten:

      1 Siehe auch: Roth/ Ladwig, Recht auf Widerstand? Ideengeschichtliche und philosophische Perspektiven, Hrsg. Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam, S. 29 f, S. 79.

      2 Antony Anghie, Die Evolution des Völkerrechts: koloniale und postkoloniale Realitäten in: Kritische Justiz,  Heft 1, 2009, S. 49 ff.

      3 Die deutsche Türkeipolitik und ihre Auswirkungen auf Kurdistan, Quellentexte von 1837 bis 1996, GNN Verlag 1997, S. 251.

      4 Yves Teron, Der verbrecherische Staat,  Völkermord im 20. Jahrhundert, 1996, S. 288 ff; Celalettin Kartal, er Rechtsstatus der Kurden im Osmanischen Recuh und in der modernen Türkei, Verlag Dr. Kovac 2002, S. 180 ff.

      5 Statt vieler: FR vom 18.12.08, FR–Online: »Deutsche Waffenexporte: Panzer an die Türkei«.

      6 Hans–Joachim Heintze, Selbstbestimmungsrecht und Minderheitenrechte im Völkerrecht, Nomos Verlag 1993, S. 22 m.w.N.

      7 Siehe Abhandlung von Klaus Roth, Geschichte des Widerstandsgedankens in: Roth/ Ladwig, Recht auf Widerstand?, a.a.O.

      8 Yves Ternon, a.a.O.

      9 Statt vieler: amnesty international: Türkei – die verweigerten Menschenrechte, 1988.

      10 Die deutsche Türkeipolitik (Fn 3), S. 247: « Art. 62 – 64 ...Eine Kommission der britischen, französischen und italienischen Regierung wird innerhalb von 6 Monaten die Autonomie für die vorwiegend von Kurden bewohnten Gebiete vorbereiten. Wenn die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung die Unabhängigkeit wünscht und der Völkerbund zustimmt, ist die Türkei verpflichtet, auf alle Rechte in diesen Gebieten zu verzichten...«.

      11 Der Standard, 21.10.2009 : Konvoi erreicht Diyarbakir, Diyarbakir – Im Südosten der Türkei haben zehntausende Menschen die Rückkehr von acht Rebellen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus dem Irak gefeiert. In Diyarbakir, der größten Stadt des Kurdengebiets, gingen am Mittwoch rund 100.000 Menschen auf die Straße, um die am Dienstag freigelassenen PKK–Kämpfer mit einem Feuerwerk, Gesängen und Sprechchören zu begrüßen.

      12 Zu den daraus allgemein resultierenden Problemen: Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Deutsches Institut für Menschenrechte, August 2005. (PDF–Datei; 789 kB).

      13 EuGH, Urt .v. 30.09.09 – T–341/07 – ( Jose Maria Sison); EuGH, U.v. 18.01.07, – C–229/05 – (PKK und Osman Öcalan); EuGH, U.v. 12.12.06, – T–228/02 – (Volksmudschahedin Iran), alle: http://curia.europa.eu

      14 BVerfG, Beschluss v. 10.07.1989, InfAuslR 1990 S. 21 ff

      15 Patrick Glöckner: Der Nürnberger Prozess – Versuch einer juristischen Annäherung

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      Migration & Asyl (doublet) Innere Sicherheit (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) Politische Justiz (doublet) Europa (doublet)
      news-103 Thu, 11 Feb 2010 13:02:00 +0100 Ermittlungspannen und unbedingter Verurteilungswille – Zum Umgang der Berliner Polizei und Justiz mit mutmaßlichen politisch motivierten Straftaten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ermittlungspannen-und-unbedingter-verurteilungswille-zum-umgang-der-berliner-polizei-und-justiz-mit-mutmasslichen-politisch-motivierten-straftaten-103 Einladung zur Pressekonferenz, 15.2.2010, 11 - 11:30 Uhr
    1. Der polizeiliche Umgang mit Versammlungen – zwischen Provokation und Deeskalation


    2. Veranstalter:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein RAV e.V., www.rav.de
      Anwältinnen und Anwälte des Berliner Ermittlungsausschusses
      Kontakt: Rechtsanwalt Rüdiger Jung, Tel.: 030-889 1630. Mobil: 0175-5996267 Zeit:
      Montag, den 15. Februar 2010
      11.00 – 11.30 Uhr Ort:
      Dorotheenstädtische Buchhandlung
      Turmstraße 5
      10559 Berlin-Moabit
      (gegenüber Haupteingang Kriminalgericht Moabit)]]>
      Freie Advokatur (doublet) Politische Justiz (doublet)
      news-102 Fri, 29 Jan 2010 13:25:00 +0100 Freispruch für Yunus K. und Rigo B. Anwaltsverein protestiert gegen Kritik des Gerichts an Verteidigern und Medien. Polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen von Einseitigkeit geprägt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freispruch-fuer-yunus-k-und-rigo-b-anwaltsverein-protestiert-gegen-kritik-des-gerichts-an-verteidigern-und-medien-polizeiliche-und-staatsanwaltliche-ermittlungen-von-einseitigkeit-gepraegt-102 Pressemitteilung Gestern, am 28. Januar 2010, wurden Yunus K. und Rigo B. vom Landgericht Berlin nach fünf Monaten Hauptverhandlung vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Die beiden Schüler saßen zuvor gut sieben Monate in Untersuchungshaft.

      So sehr die Entscheidung der Strafkammer seitens des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) begrüßt wird, gibt die gestern vorgetragene mündliche Urteilsbegründung doch Anlass für Kritik:

      Die Strafkammer hatte den in dem Prozess verteidigenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten pauschal vorgeworfen, sich als Verteidiger unzulässig verhalten zu haben. Dies sei selbst in einem konfliktgeladenen Strafverfahren nicht hinnehmbar, so die Vorsitzende Richterin Müller.

      „Nur durch den engagierten Einsatz der Verteidigerinnen und Verteidiger konnten die Zweifel an der These der Staatsanwaltschaft untermauert und so letztendlich der Freispruch erzielt werden", erklärt dazu Rechtsanwältin Franziska Nedelmann für den Vorstand des RAV. „Wir weisen die Vorwürfe in aller Form zurück. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich korrekt verhalten. Wenn die Verteidigung  für ihre Mandanten nicht mehr mit den in der Strafprozessordnung vorgesehenen Mitteln arbeiten kann, ohne dafür vom Gericht gerügt zu werden, dann verdient das Wort Verteidigung seinen Namen nicht mehr."

      Ebenso wenig nachvollziehbar ist für den RAV die Kritik der Kammer an der Berichterstattung der Medien: „Es ist legitim und wünschenswert, dass die Presse ihrem Auftrag nachkommt, Vorgänge von öffentlichem Interesse kritisch zu begleiten", so Nedelmann vom RAV weiter. „Weder gab es eine Kampagne der Medien, noch haben die Medien den Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz vermissen lassen, wie es die Kammer in ihrer mündlichen Begründung behauptet."

      Der RAV bedauert weiterhin, dass die Strafkammer in der mündlichen Urteilsbegründung die Chance verpasst hat, deutliche Worte für den Status von Polizeizeugen zu finden. Die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Polizeibeamten müsse genauso überprüft werden wie die anderer Zeugen. „Es darf keine Zeugen 1. und 2. Klasse geben", erklärt Rechtsanwältin Nedelmann. „Polizeibeamte können sich genauso irren wie andere Zeugen auch."

      Der RAV, der den Prozess durch seine Mitglieder beobachten ließ, hat den Eindruck gewonnen, dass die polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen von Einseitigkeit geprägt waren. Vor dem Hintergrund nicht nur dieses Verfahrens und sondern auch anderer Freisprüche etwa in den Verfahren wegen Brandstiftung an Kraftfahrzeugen fordert der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein eine zügige und öffentliche Aufarbeitung dieses Verfahrens in der Justiz.


      Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und

      Rechtsanwälten. Seit 1978 verteidigt der RAV Bürger- und Menschenrechte und wirkt auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hin. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine notwendige Bedingung dar.

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      Politische Justiz (doublet)
      news-101 Fri, 08 Jan 2010 19:54:00 +0100 Ausweisung aus dem Recht? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ausweisung-aus-dem-recht-101 Veranstaltung, Berlin, 6.2.2010, 11 - 17 Uhr Das Ausweisungsrecht ist ein Sonderrecht, das ausschließlich nichtdeutsche Staatsangehörige trifft. Wird ein Mensch aus Deutschland ausgewiesen, so bedeutet dies nicht nur die Beendigung seines Aufenthaltsrechts und die zwangsweise Durchsetzung durch Abschiebung, sondern beinhaltet zugleich ein auf unbestimmte Zeit bestehendes Einreiseverbot in sämtliche Schengen-Staaten. Auch in den Fällen, in denen eine Abschiebung nicht durchgeführt werden kann, werden die Betroffenen lediglich geduldet und haben in alle Lebensbereichen mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen. Dies geht vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger Herabsetzung von öffentlichen Leistungen bis zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Welche Funktion erfüllt ein derartiges Rechtsinstitut in einer Gesellschaft, die sich selbst als Zuwanderungsgesellschaft bezeichnet? Kann das Instrumentarium der Ausweisung in einer europäischen, rechtsstaatlich und demokratisch verfassten Gesellschaft noch einen Platz beanspruchen? Ist die Staatsangehörigkeit einer Person ein angemessener Anknüpfungspunkt für eine Sanktion? Und: was hat das alles mit Integration zu tun? Der RAV wie auch der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen (akj-berlin) stehen dem Ausweisungsrecht kritisch gegenüber und laden zu einer anregenden rechtspolitischen Diskussion über Sinn und Unsinn dieses Rechtsinstituts ein. ReferentInnen:Moderation: Andrea Würdinger (Rechtsanwältin in Berlin und Vorsitzende des RAV) Prof. Alexy ist als Richter am OVG Bremen mit der alltäglichen Rechtsprechungspraxis im Ausweisungsrecht befasst. Er wird erörtern, inwiefern das deutsche Aufenthaltsgesetz überhaupt noch die aktuelle Rechtslage, die insbesondere von der Rechtsprechung der europäischen Gerichte, des Bundesverwaltungs- und Verfassungsgerichts geprägt ist, wiedergibt. Er wird die Frage aufwerfen, ob die aktuellen deutschen Gesetze vor dem Hintergrund dieser Entwicklung noch den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Normklarheit und Normsicherheit gerecht werden. Darüber hinaus wird er die Voraussetzungen darstellen, unter denen eine Ausweisung erfolgen kann und die diesbezüglichen Anknüpfungspunkte, wie Staatsangehörigkeit, Gefährlichkeit, und präventive Gefahrenabwehrerwägungen kritisch hinterfragen. Der Soziologe und Kulturwissenschaftler Tobias Schwarz wird sich mit den Begriffen der Assimilation, Integration und Inklusion beschäftigen und die Wechselwirkung zwischen öffentlicher Diskussion und Rechtssetzung im Ausweisungsrecht darstellen. Er wird kritisch auf die jüngsten Entwicklungen eingehen, nach denen vermehrt eine Pflicht zur Integration gefordert wird, und seine Forderung erläutern, das Ausweisungsrecht abzuschaffen. Die Rechtsanwältin und Diplom-Kriminologin Christine Graebsch nähert sich der Problematik mit der provokanten These: „Ausweisung aus dem Recht?“ und stellt in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung die unterschiedliche Behandlung von deutschen und ausländischen Straftätern unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr. Diese These wird bezogen auf (menschen-) rechtliche Grundgarantien und ihre rechtstatsächliche Geltung für MigrantInnen dargestellt. Sie wirft die Frage auf, ob und inwieweit sich die Ausweisung mit den Argumenten der Gefahrenabwehr rechtfertigen lässt oder eher gegenteilige Effekte nach sich zieht. Die Veranstaltung richtet sich gleichermaßen an rechtspolitisch Interessierte, Studierende, JuristInnen und politische Entscheidungsträger.

       

      Samstag den 6. Februar 2010
      von 11 bis 17 Uhr
      Humboldt-Universität Berlin, Juristische Fakultät
      Unter den Linden 9, 2. OG, Raum 213

      Während einer kleinen Mittagspause wird es Suppe und Getränke geben.

      Die Juristische Fakultät befindet sich im Gebäudekomplex Kommode / Altes Palais / Gouverneurshaus (Bebelplatz 1, Unter den Linden 9 und 11) am Bebelplatz gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte.

      S- & U- Bahnhof Friedrichstraße oder Bushaltestelle Staatsoper (Linien 100, 200, TXL)]]>
      news-100 Tue, 15 Dec 2009 14:22:00 +0100 Argentinische Diktaturprozesse: ECCHR-Prozessbeobachtung und Videoblog, Buenos Aires 2009/2010 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/argentinische-diktaturprozesse-ecchr-prozessbeobachtung-und-videoblog-buenos-aires-2009-2010-100 Mitteilung Videoblog. Der RAV ist Mitglied der „Koalition gegen Straflosigkeit“ und unterstützt diese seit vielen Jahren in ihrem Kampf um eine strafrechtlichen Verfolgung von schweren Menschenrechtsverstößen. ]]> Globale Gerechtigkeit (doublet) Völkerstrafrecht (doublet) news-99 Tue, 15 Dec 2009 11:40:00 +0100 Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde: Entschädigung für illegale Inhaftierung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/erfolgreiche-verfassungsbeschwerde-entschaedigung-fuer-illegale-inhaftierung-99 Mitteilung des Komitee für Grundrechte und Demokratie Verfassungsgericht begründet Mittel gegen renitente Polizeibehörden Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im November 2009 zwei Demonstrationsbeobachtern das Recht auf Schmerzensgeld zugesprochen (1 BvR 2853/08). Im Jahr 2001 waren Helga Dieter und Ulrich Billerbeck als Demonstrationsbeobachter des Komitee für Grundrechte und Demokratie im Wendland unterwegs. Außerhalb der Demonstrationsverbotszone wurden sie aus ihrem Auto heraus festgenommen und mehrere Stunden unter unzumutbaren Bedingungen in Gewahrsam gehalten. Im März 2007 stellte das Amtsgericht Uelzen die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung fest. Die bereits im Juli 2004 erhobene Amtshaftungsklage führte jedoch weder beim Landgericht Lüneburg noch beim Oberlandesgericht Celle zum Erfolg. Die Gerichte argumentierten, die „maßgebliche Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion“ sei „bereits durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme“ erfüllt. Die Geschichte der Wahrnehmung des Demonstrationsrechts ist voll von solchen Geschichten. Der „Hamburger Kessel“ vom 8. Juni 1986 war rechtswidrig. Die Zivilgerichte sprachen den Teilnehmern immerhin ein Schmerzensgeld von 200 DM zu. Die Anzahl der polizeilichen Kessel seit dieser Rechtsprechung ist ungezählt. Im Wendland wurden ganze Dörfer – rechtswidrig – eingekesselt. Solange dies allenfalls juristisch festgestellt wird, daraus aber keine Konsequenzen für die Polizei entstehen, bleiben diese Urteile folgenlos. Geringe Schmerzensgeldzahlungen, die sowieso nur selten durchgesetzte werden können, kann sie sozusagen aus der Portokasse bezahlen. Illegale Haft erfordert spürbare Konsequenzen Das BVerfG belehrt die Gerichte nun jedoch, dass nicht nur der „Schutzauftrag des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes einen Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens gebietet“. Wenn, wie hier, zusätzlich das Grundrecht auf Freiheit der Person betroffen ist, gilt dies erst recht. Gerade der illegale Freiheitsentzug gebietet einen angemessenen Ausgleich, um dem Verkümmern des Rechtsschutzes entgegenzuwirken. Des weiteren bemängelt das höchste Gericht, dass auch die Bedingungen des Gewahrsams allzu oberflächlich als unvermeidbar bei Großeinsätzen gerechtfertigt wurden. Es hätte geprüft werden müssen, ob die dadurch entstandenen Rechtseinbußen bei sorgfältiger Planung nicht hätten vermieden werden können. Aber nicht nur die Grundrechte aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 GG haben die unteren Gerichte nicht ausreichend gewürdigt. Zu beanstanden sei, dass das OLG die abschreckende Wirkung einer solchen Maßnahme auf die Ausübung von Grundrechten nicht erkannt hätte. Nicht nur derjenige, der eine derartige Behandlung erfahre, sondern auch alle potentiellen Demonstrationsteilnehmer könnten vom künftigen Gebrauch ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) abgeschreckt werden. Die Demonstrationsbeobachtung sei zudem durch dieses Grundrecht in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Das Gericht formuliert: „Zu beanstanden ist weiter, dass das Oberlandesgericht in der mindestens zehnstündigen Festsetzung der Beschwerdeführer keine nachhaltige Beeinträchtigung gesehen hat, ohne die abschreckende Wirkung zu erwägen, die einer derartigen Behandlung für den künftigen Gebrauch grundrechtlich garantierter Freiheiten – namentlich die durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Teilnahme an Demonstrationen oder deren von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Beobachtung – zukommen konnte und die der Rechtsbeeinträchtigung ein besonderes Gewicht verleihen kann.“ Rechtsschutz darf nicht verkümmern Die beiden Demonstrationsbeobachter hatten auf verhältnismäßig geringe Entschädigungen geklagt. Sie wollten für die je unterschiedlichen Grundrechtsverletzungen im Gewahrsam 500,- und 2000,- Euro Schmerzensgeld. Über die Höhe dieses Betrags wird das Landgericht Lüneburg nun zu entscheiden haben. Bei einem unverfänglichen, aber heimlich aufgenommenen Foto des Fürstenehepaares von Monaco hat der Bundesgerichtshof immerhin eine Entschädigung von 150.000 DM (dem Kleinkind) und 125.000 DM (der Mutter) zugesprochen. Erst wenn solche Beträge nicht mehr aus der Portokasse zu zahlen sind, wird die Polizei vielleicht ihre illegalen Vorgehensweisen etwas seltener einsetzen. Dafür bedarf es allerdings noch häufig des langen Klage-Atems. Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie]]> Demonstrationsfreiheit (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-98 Fri, 27 Nov 2009 15:04:00 +0100 Menschenrechtsschutz oder Staatenimmunität? Die Klage Deutschlands gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof /publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtsschutz-oder-staatenimmunitaet-die-klage-deutschlands-gegen-italien-vor-dem-internationalen-gerichtshof-98 Veranstaltung, Berlin, 3.12.2009 darauf, dass die italienischen Gerichte den Grundsatz der Staatenimmunität verletzt hätten. Dieser schließe es kategorisch aus, dass ein Staat vor Gerichten eines Staates verklagt werde. Die griechischen und italienischen Gerichte hatten demgegenüber festgestellt, dass die Durchsetzung der Menschenrechte vorrangig ist und der Grundsatz der Staatenimmunität jedenfalls bei Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen keine Geltung hat. Es ist zu befürchten, dass die zu erwartende Entscheidung des IGH nicht nur negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von Verfahren nicht entschädigter NS-Opfer zeitigen, sondern darüber hinaus in Zukunft die Durchsetzbarkeit von Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen generell erschweren, wenn nicht vereiteln kann. Zurzeit läuft beispielsweise ein Beschwerdeverfahren von Opfern aus dem serbischen Dorf Varvarin, das im Mai 1999 von NATO-Streitkräften bombardiert wurde, vor dem Bundesverfassungsgericht. Dabei geht es um die Durchsetzbarkeit unmittelbarer Ansprüche auf Entschädigung von Opfern von Kriegsverbrechen gegen die Bundesrepublik Deutschland. Jahrzehntelange internationale Bemühungen, Kriegsverbrechen strafrechtlich, aber auch zivilrechtlich zu sanktionieren drohen in dem auch über den Fall der NS-Entschädigungen hinaus hochbedeutenden IGH-Verfahren konterkariert zu werden. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) laden zu diesem Thema am 03. Dezember 2009 in den Räumen des ECCHR ab 18 Uhr zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung ein. Expertinnen und Experten aus der Menschenrechtsarbeit, der Politikwissenschaft, dem Völkerrecht sowie der Anwaltschaft diskutieren in zwei Podien die Stellung und Durchsetzbarkeit von individuellen Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen. Die möglichen Konsequenzen des Verfahrens vor dem IGH werden ebenso Gegenstand der Veranstaltung sein wie die Entschädigungspolitik Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.   Wir bitten um Anmeldung unter info@ecchr.eu und freuen uns auf Ihr Kommen! 3. Dezember 2009, 18:00 bis 21:30 Uhr, ECCHR, Zossener Straße 55-58, Aufgang D, 10961 Berlin  

                                  

      Programm 18:00 – 19:30: Entschädigungsansprüche von Opfern in bewaffneten Konflikten und deren Durchsetzbarkeit Völkerrechtliche Individualansprüche im Spannungsverhältnis von Recht und Politik (Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano/Universität Bremen) Die Entwicklung und heutige Bedeutung der Staatenimmunität bei schwersten Menschenrechtsverletzungen (Dr. Monika Lüke, Generalsekretärin Amnesty International und Beiratsmitglied des European Center for Constitutional and Human Rights) 20:00 – 21:30: Entschädigung von NS-Verbrechen Ein- und Ausschlüsse von NS-Opfern - Grundzüge der deutschen Entschädigungspolitik (Dr. Anja Hense) Der Fall Distomo - Staatenimmunität als Instrument der Entschädigungsverweigerung (Martin Klingner, Rechtsanwalt)   Moderation: Carsten Gericke (Rechtsanwalt, RAV)]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet) NS-Verbrechen (doublet)
      news-97 Fri, 27 Nov 2009 14:54:00 +0100 Filmen verboten - Atomkraftgegner wehren sich gegen Film- und Videoaufnahmen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmen-verboten-atomkraftgegner-wehren-sich-gegen-film-und-videoaufnahmen-97 Mitteilung BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.  ]]> Demonstrationsfreiheit (doublet) Überwachung Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-96 Wed, 25 Nov 2009 19:00:00 +0100 Letzter Ausgang aus Afghanistan. Perspektiven zur Beendigung des deutschen Militäreinsatzes. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/letzter-ausgang-aus-afghanistan-perspektiven-zur-beendigung-des-deutschen-militaereinsatzes-96 Republikanische Vesper - Mit welchen Schritten kann der Vorrang ziviler Entwicklungsziele wieder hergestellt werden?
      - Wie kann eine deutsche Exit-Strategie aussehen, die die Sicherheitsbedürfnisse afghanischer Bürgerinnen und Bürger, ziviler Aufbauprojekte und der westlichen Entwicklungshelfer berücksichtigt?
      - Wie kann diese Strategie international vernetzt werden? Für Impulsreferate haben wir eingeladen: - Ute Finckh-Krämer (Bund für Soziale Verteidigung)
      - Martin Kutscha (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin)
      - Moderation: Werner Koep-Kerstin (Humanistische Union). Die Vespern dienen dem freien und gleichberechtigten Austausch über zeitpolitische Fragen und sollen in ungezwungener Atmosphäre zur Diskussion unter den Beteiligten anregen. Zur Vesper gibt es Brot und Käse, Wasser und Wein. Die Republikanischen Vespern finden normalerweise an jedem letzten Donnerstag im Monat statt - nur diesmal ausnahmsweise bereits am Mittwoch. Veranstalter: Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Redaktion Ossietzky, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein & Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte

      Mittwoch, 25.11.2009 um 19:00 Uhr

      Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

      Tram M4, Haltestelle „Am Friedrichshain“, Bus 200 und 240

      ]]>
      news-95 Sun, 08 Nov 2009 17:52:00 +0100 Folter im „Kampf gegen den Terror“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/folter-im-kampf-gegen-den-terror-95 Veranstaltung, Hamburg, 25.11.2009 Universität Hamburg, Raum ESA H, Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude), 20146 Hamburg

      Rechtsanwalt Gonzalo Boyé berichtet über aktuelle Ermittlungen spanischer Strafverfolgungsbehörden gegen hochrangige US-Juristen, die mittels „Rechtsgutachten“ maßgeblich die Grundlage für das „System Guantanamo“ gelegt haben.

      Referenten: Rechtsanwalt Gonzalo Boyé (Madrid)
      Prof. Dr. Rainer Keller (Universität Hamburg)
      Moderation: Rechtsanwalt Carsten Gericke (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, RAV) Im März 2009 reichte der spanische Rechtsanwalt Gonzalo Boyé zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen in Spanien eine Strafanzeige gegen hochrangige Juristen der vormaligen US-Regierung ein, die durch vermeintliche Rechtsgutachten die Rechtfertigung für die Anwendung von Folter bei Verhören u.a. in dem Gefangenenlager Guantanamo geliefert haben. In der Folgezeit gelangten sowohl durch einen umfassenden Report des Internationalen Roten Kreuzes, aber auch durch einen internen Bericht der CIA eine Vielzahl weiterer grausamer Fakten über die Folterpraxen an die Öffentlichkeit. Eine strafrechtliche Aufarbeitung dieser Vorgänge steht jedoch auch nach dem Regierungswechsel in den USA bislang aus. Trotz erheblichen Drucks aus den USA und seitens der spanischen Justiz entschied der zuständige Ermittlungsrichter Baltasar Garzón Ende April 2009, das Verfahren zu eröffnen.

      Bereits im November 2006 hatten das New Yorker Center for Constitutional Rights (CCR), der RAV und andere Menschenrechtsorganisationen in Deutschland eine umfassende Strafanzeige auch hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der US-Juristen eingereicht. Dieses Gesuch lehnte Generalbundesanwältin Monika Harms im April 2007 ab.

      Die aktuellen Ermittlungen in Spanien können dazu beitragen, endlich effektiv die Hintergründe des „Systems Guantanamo“ und die maßgeblichen politischen Vorgänge in der damaligen US-Regierung zu durchleuchten und der Straflosigkeit der Folter ein Ende zu setzen.

      Gonzalo Boyé ist als Strafverteidiger tätig, vertrat aber u.a. auch Nebenkläger im Verfahren um die Terroranschläge in Madrid 2004. Er wird über den näheren Inhalt der aktuellen Strafanzeige ebenso berichten wie über die praktischen Hindernisse bei der staatlichen Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen.

      Prof. Rainer Keller lehrt an der Universität Hamburg u.a. Internationales Strafrecht und beschäftigt sich seit Jahren mit Möglichkeiten und Grenzen, durch internationale Strafverfolgung Menschenrechte effektiv zu schützen.

      Der Vortrag von Gonzalo Boyé wird in Englisch gehalten und übersetzt werden. Im Anschluss besteht ausreichend Raum für Fragen und Diskussion.

      Der Eintritt ist frei.

      Veranstalter:

      Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ), Amnesty International Bezirksverband Hamburg, DFG-VK-Ortsgruppe Bad Oldesloe, Hamburger Forum, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) mit freundlicher Unterstützung der Hagemann-Stiftung, der Holtfort-Stiftung sowie der Amnesty International Bezirksverbände Flensburg und Kiel  ]]>
      Strafanzeige gegen Rumsfeld (doublet) Folterverbot (doublet) Guantánamo (doublet
      news-94 Fri, 23 Oct 2009 12:56:00 +0200 Republikanische Vesper: Staatenimmunität bei Kriegsverbrechen? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/republikanische-vesper-staatenimmunitaet-bei-kriegsverbrechen-94 Republikanische Vesper NS-Verbrechen (doublet) news-93 Fri, 23 Oct 2009 09:43:00 +0200 Mitgliederversammlung mit anschließender Diskussion /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mitgliederversammlung-mit-anschliessender-diskussion-93 Berlin, 20.11.2009 news-91 Mon, 12 Oct 2009 14:36:00 +0200 Mumia Abu Jamal, Protagonist der Bewegung gegen die Todesstrafe, muss entlassen werden /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mumia-abu-jamal-protagonist-der-bewegung-gegen-die-todesstrafe-muss-entlassen-werden-91 Pressemitteilung
      Der RAV teilt die Auffassung des Verteidigers von Mumia Abu Jamal, Robert Bryan, der die schlampige Beweisaufnahme im Vorfeld des ersten Prozesses sowie rassistische Ressentiments bei der Zusammensetzung der Jury monierte. Der RAV unterstützt deshalb die Forderung von Mumia Abu Jamal und seinem Verteidiger nach einem neuen und fairen Prozess.

      Der RAV ergreift keine Partei für oder gegen eine Schuld des Journalisten Mumia Abu-Jamal an dem ihm zur Last gelegten Mord im Jahre 1981. In Übereinstimmung mit der europäischen Rechtsauffassung vertritt der RAV die Meinung, ein Gefangener müsse nach mehr als fünfundzwanzig Jahre Haft ein Recht auf Freilassung genießen. Mumia Abu Jamal wird von uns nicht nur als Betroffener, sondern auch als profilierter Protagonist der Bewegung gegen die Todesstrafe unterstützt.

      8. Oktober 2009, Berlin

      Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein ]]>
      news-92 Mon, 12 Oct 2009 10:52:00 +0200 Kontrollverluste. Interventionen gegen Überwachung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/kontrollverluste-interventionen-gegen-ueberwachung-92 Veranstaltung zur Buchmesse, Frankfurt/Main, 16.10.2009 "Gegen Buch Masse" anlässlich der Buchmesse in Frankfurt/Main. 

      Freitag, 16.10.2009, 20 UHR

      Faites votre jeu! Klapperfeldstraße 5, Frankfurt
      (NÄHE KONSTABLERWACHE)


      Veranstalter: P.A.C.K., Faites votre jeu!

       ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet) Innere Sicherheit (doublet)
      news-90 Mon, 21 Sep 2009 11:20:00 +0200 Die Kontrolle der Räume - Vorträge und Diskussion /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-kontrolle-der-raeume-vortraege-und-diskussion-90 Veranstaltung, Bremen, 24.9.2009 http://red-park.net). Forschungsschwerpunkte sind Machtanalytik, der urbane Alltag und Performance-Theorie. Peer Stolle ist Rechtsanwalt in Berlin und beschäftigt sich mit den Folgen staatlicher Terrorismusbekämpfung, der Erweiterung polizeilicher Eingriffsbefugnisse und modernen Formen sozialer Kontrolle. Er ist Mitglied im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und zusammen mit Tobias Singelnstein Autor des Buches »Die Sicherheitsgesellschaft. Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert«.  Nicole Vrenegor, Politologin und Journalistin, lebt und arbeitet in Hamburg. Sie ist Redakteurin der Monatszeitung »ak - analyse und kritik«, aktiv in der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) und gehört zum Archiv »Kultur & Soziale Bewegung« . Dr. Jan Wehrheim lehrt und forscht seit vielen Jahren zu Fragen von Stadtentwicklung, Überwachung, Kontrolle und sozialer Ausgrenzung. Er ist Autor bzw. Herausgeber der Bücher "Die überwachte Stadt" (2006), "Shopping Malls - interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps" (2007) sowie "Der Fremde und die Ordnung der Räume" (2009).]]> Innere Sicherheit (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet) news-89 Tue, 15 Sep 2009 16:34:00 +0200 Gegen Strafverschärfungen im Jugendstrafrecht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-strafverschaerfungen-im-jugendstrafrecht-89 Pressemitteilung Strafverschärfungen führen zum Anstieg der Kriminalität Die Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, wie sie von der Union gefordert wird, ist – erneut - überflüssig. Sie erscheint als geradezu gebetsmühlenartiger gänzlich unfundierter Ruf nach einer unsinnigen Gesetzesänderung, für die keinerlei Bedarf besteht.

      Erneut wird eine schrecklicher Einzelfall medial ausgewalzt und für Wahlkampfzwecke ausgeschlachtet, um das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung weiter zu schüren und diese glauben zu machen, eine härtere „Gangart“ und Verschärfung des Jugendstrafrechts sei zur Verhinderung gleichartiger Taten geeignet. Das Gegenteil ist der Fall. Wiederholt hat die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. darauf hingewiesen, dass die Statistik belegt, dass eine Verschärfung des Jugendstrafrechts einen Anstieg der Kriminalität bedingen wird. Ein Blick auf die Rückfallquoten spricht eindeutig gegen längere Haftstrafen. Achtzig Prozent der Jugendlichen, die Haft oder Arrest verbüßt haben, werden nach ihrer Entlassung rückfällig. Über einen bestimmten Zeitraum hinaus, den Experten mit etwa vier Jahren bemessen, entfaltet Jugendstrafe keinerlei positive erzieherische Wirkung. Gerade der vorliegende Fall eignet sich zur Begründung der von der Union erhobenen Forderungen überhaupt nicht. Soweit die Union erneut die Einführung eines sog. Warnschussarrestes fordert, sei darauf hingewiesen, dass der Presseberichterstattung über die Münchener Tatverdächtigen zu entnehmen ist, dass jedenfalls einer der Beschuldigten bereits vier Wochen Dauerarrest und U-Haft in anderer Sache verbüßt hat. Die Statistik belegt, dass Jugendliche, die Haft beziehungsweise Jugendarrest verbüßt haben, eine höhere Rückfallquote aufweisen, als diejenigen, die mit anderen Sanktionen konfrontiert worden sind. Der vorliegende Fall bestätigt die Statistik. Dies führt die Forderung nach der Einführung eines Warnschussarrestes ad absurdum. Wenn darüber hinaus der Bevölkerung suggeriert wird, mit der Hochsetzung der Höchststrafe von zehn auf fünfzehn Jahre sei dem Problem beizukommen, kann auch dies nur als hilflose und plakative Wahlkampfforderung qualifiziert werden. Die Botschaft, härtere Strafen entfalteten eine höhere Abschreckung, ist gerade im Be-reich schwerer Gewaltdelikte schlichtweg falsch. Es erscheint geradezu naiv anzunehmen, die Täter des in der Berichterstattung als „S-Bahn-Mord“ bezeichneten Geschehens hätten von der Tat abgelassen, wenn sich auch der jugendliche Täter bewusst gemacht hätte, dass ihm anstelle des Strafrahmens von derzeit bis zu 10 Jahren Jugendstrafe eine solche von fünfzehn Jahren drohen würde. Dem bereits 18-jährigen Täter droht nicht nur eine fünfzehnjährige Jugendstrafe, hier steht lebenslang im Raum. Auch dies hat offenbar keinerlei abschreckende Wirkung entfaltet. Auch hier belegt die Statistik, dass Strafverschärfungen nichts bringen – außer einem Anstieg der Kriminalität. Mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz wurden 1998 die Strafrahmen gerade für die Körperverletzungsdelikte teilweise drastisch erhöht. So wurde etwa die Höchststrafe für die gefährliche Körperverletzung von fünf auf zehn Jahre verdoppelt. Gerade in diesem Bereich von Taten soll die Statistik seitdem einen deutlichen Anstieg verzeichnen. Demzufolge ist auch die Forderung der Union nach einer „restriktiveren“ Regelung zur Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende sinnlos. Ganz offenbar liegt die Ursache derartiger Gewaltexzesse nicht in der Überzeugung der Täter, mit einer milden Bestrafung davon zu kommen, sondern vielmehr in der Perspektivlosigkeit ihres Daseins – beide Tatverdächtige aus München sind laut Presseberichterstattung arbeits- und berufslos. Hier muss die Politik ansetzen. Rechtsanwältin Nicole Friedrich
      für den Vorstand]]>
      Strafprozessrecht (doublet) Innere Sicherheit (doublet)
      news-88 Fri, 04 Sep 2009 16:57:00 +0200 Meine Daten gehören mir! Informations- und Diskussionsveranstaltung zu (Gegen-)Strategien europäischer Sicherheitspolitik /publikationen/mitteilungen/mitteilung/meine-daten-gehoeren-mir-informations-und-diskussionsveranstaltung-zu-gegen-strategien-europaeischer-sicherheitspolitik-88 Veranstaltung, Berlin, 1.10.2009 Frei flutende Daten Das Sammeln von Daten durch die nationalen und die europäischen Institutionen, deren reibungsloser Austausch und deren ungehinderte technische Auswertung sind die zentrale Grundlage, auf der diese Entwicklungen beruhen. "Unsere" Daten fluten frei durch die Datensammlungen von Polizeien und Geheimdiensten und die Schlüsse, die sie daraus ziehen, sind nicht mehr von uns zu kontrollieren. Wir wollen informieren und Protestformen vorstellen - Datenschutz muss auch in der EU gelten - meine Daten gehören mir! * Freier Binnenmarkt für Polizeidaten: Vom Prinzip der "Verfügbarkeit" zu dem der "Konvergenz"; DNA- und Fingerabdruckdaten als Einstiegs"drogen" für einen umfassenden gegenseitigen Zugriff auf nationale Polizeidaten * Schengen Informationssystem (SIS), Visa Informationssystem (VIS) und mehr: das elektronische Instrumentarium der Festung Europa, die biometrischen Konzepte * "Troublemakers": der Austausch von Daten über DemonstrationsteilnehmerInnen und Fußball-Fans. Die bisherige Praxis, die nationalen Datensammlungen, die für diesen Austausch bereitgestellt werden, die Regelungen des Prüm-Vertrages, die Planungen für eine eigenständige Datenkategorie im SIS * Zur Notwendigkeit der Kampagne "Reclaim your data" - wir alle können uns beteiligen und unsere Daten zurückfordern. ReferentInnen: * Heiner Busch (Komitee für Grundrechte und Demokratie, Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP) * Angela Furmaniak (Rechtsanwältin) * Matthias Monroy (gipfelsoli, Kampagne "Reclaim your data") * Eric Töpfer (Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin)  
      Hintergrundinformationen zum Widerstand gegen das "Stockholm-Programm"
        Veranstalter: * Gipfelsoli (www.gipfelsoli.org) * Humanistische Union (www.humanistische-union.de) * Komitee für Grundrechte und Demokratie (www.grundrechtekomitee.de) * Neue Richtervereinigung (www.nrv-net.de) * Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein   Veranstaltungsort:
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Robert-Havemann-Saal
      Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Wegbeschreibung: Tramlinie M4 (z.B. vom Alexanderplatz) sowie Buslinien 200 und 240 - Haltestelle ist jeweils "Am Friedrichshain"  ]]>
      Überwachung Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-87 Tue, 01 Sep 2009 17:57:00 +0200 US-Deserteur André Shepherd braucht Asyl! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/us-deserteur-andre-shepherd-braucht-asyl-87 Aufruf zum Antikriegstag 2009  

      Sie finden die Erklärung als pdf-Datei auch unter www.Connection-eV.de/pdfs/erklärung_shepherd_09-09-01.pdf.

       

      Wortlaut der Erklärung:

       
      US-Deserteur André Shepherd braucht Asyl!

      André Shepherd desertierte aus der US-Armee und beantragte im November 2008 in Deutschland Asyl. Er stellt sich damit gegen eine Kriegs- und Besatzungspolitik, die im Namen des „Krieges gegen den Terror“ zu großem Leid, Zerstörungen und Hunderttausenden von Toten geführt hat, insbesondere in Irak und Afghanistan.

      André Shepherd verweigerte den Einsatz als Hubschraubermechaniker im Irak: „Bei einer weiteren Beteiligung wäre ich verantwortlich für zahlreiche völkerrechtswidrige Handlungen. Für mich war daher der Weg eindeutig: Ich musste raus aus dem Militär.“ Er machte zugleich deutlich, dass „auch die Gräueltaten in Afghanistan nicht heruntergespielt werden dürfen. Wenn Obama einen wirklichen Wandel will, muss er den ‘Krieg gegen den Terror’ vollständig beenden.“

      In seinem Asylantrag beruft sich André Shepherd auf die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union, die seit Oktober 2006 in Kraft ist. Mit ihr sollen die geschützt werden, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen.

      André Shepherds Entscheidung ist mutig angesichts der drohenden Konsequenzen. Auch unter einem US-Präsidenten, auf den viele Hoffnungen gesetzt werden, bleibt er von Strafverfolgung und mehrjähriger Haft bedroht. Zudem werden Deserteure unehrenhaft aus der Armee entlassen, womit sie in den USA als Verräter gelten, ausgegrenzt werden und z.B. kaum einen Job finden können.

      Wir betonen: Kriegsdienstverweigerung und Desertion sind mutige individuelle Schritte, sich nicht an Krieg, Kriegsverbrechen und militärischer Gewalt zu beteiligen. Das Nein zum Krieg ist ein wichtiger Schritt zur Beendigung des jeweiligen Krieges.

      Zum diesjährigen Antikriegstag erklären die unterzeichnenden Organisationen daher ihre Solidarität mit André Shepherd, der mit seiner Verweigerung ein entschiedenes Zeichen gegen den Krieg gesetzt hat. Die Organisationen fordern die Bundesregierung auf, ihm Asyl zu gewähren und generell Verweigerer und Verweigerinnen zu schützen, die sich den Verbrechen der Kriege entziehen und flüchten.

       

      Die unterzeichnenden Organisationen rufen zugleich dazu auf, für André Shepherd aktiv zu werden. Weitere Informationen sind über die untenstehenden Adressen zu erhalten.

      Unterzeichnet von folgenden Gruppen und Organisationen (Stand: 31.8.2009): Aachener Friedenspreis e.V.; American Voices Abroad Military Project; amnesty international, Gruppe 1363 (Emden); Ansbacher Friedensbündnis; Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier; Arbeitskreis Asyl, Offenbach; Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. (asfrab); Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung in der Ev.-luth. Kirche in Bayern; ARGE Wehrdienstverweigerung Salzburg, Österreich; Asylkreis Emden; Augsburger Friedensinitiative (AFI); Bayerischer Flüchtlingsrat; Bündnis gegen Rechts, Emden; Bund für Soziale Verteidigung (BSV); Bundesvorstand der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerer (EAK); Bundeswehr wegtreten Köln; Bürengruppe Paderborn; Bürgerprojekt AnStifter Stuttgart e.V.; Christinnen und Christen für den Frieden Dortmund / pax christi; Connection e.V.; Courage to Resist, USA; Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Bundesverband, Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, Gruppen Darmstadt, Hannover, Karlsruhe, Kleve, Lüdenscheid, Mainz, Mülheim/Oberhausen/Bottrop, München, Offenbach, Schweinfurt, Stuttgart und Wiesbaden; Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA); Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee; Die Linke , LV Bayern; Die Linke, KV Würzburg - Main-Spessart – Kitzingen; DKP Märkischer Kreis; Eritreische Antimilitaristische Initiative (EAI); European Bureau for Conscientious Objection – Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO); Federacija rabotnikov obrazovanija, nauk i techniki, Moskau; Flüchtlingsrat Hamburg e.V.; Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.; Forum voor Vredesaktie, Belgien; Freiburger Friedensforum; Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. Frankfurt; Friedensbüro Hannover; Friedensforum Düsseldorf; Friedensforum Emden; Friedensinitiative Landshut; Friedenspfarramt der Ev. Kirche in Hessen und Nassau; Friedenszentrum e.V. Braunschweig; Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) Münster; graswurzelrevolution; Haus International, Landshut; Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg; Heidelberger Friedensratschlag; Hessischer Flüchtlingsrat; Informationsstelle Militarisierung (IMI); Infostelle für Friedensarbeit; Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V., Deutsche Sektion (IPPNW); Internationale der KriegsdienstgegnerInnen (IdK) e.V.; Internationaler Versöhnungsbund - Deutscher Zweig; Iraq Veterans Against the War (IVAW), USA; Kampagne gegen Wehrpflicht Potsdam; Kölner Netzwerk „kein mensch ist illegal“; Komitee für Grundrechte und Demokratie; Kulturverein Solidarität e.V., Schweinfurt; Military Counseling Network; Motorradclubs Brigadistas Düsseldorf; Mouvement Chrétien pour la Paix (MCP), Belgien; Netzwerk Friedenskooperative; Oberhausener Friedensinitiative; Ohne Rüstung Leben (ORL); Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten (IKvu); Ökumenisches Netz Rhein Mosel Saar e.V.; Pax an - Arbeitskreis Frieden Köln; pax christi, deutsche Sektion sowie die Gruppen Rottenburg-Stuttgart und Offenbach; Pro Asyl; Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV); Rostocker Friedensbündnis; SAGA-Bündnis gegen Abschiebung, Freiburg; Stop the War Brigade – Vietnam Veterans Against the War Germany AI; TKDV-Initiativen Dresden und Frankfurt am Main; Tübingen Progressive Americans; Union Pacifiste de France (UPF); Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) Landesverband Nordrhein-Westfalen, Kreisverband Düsseldorf und Gruppe Heidelberg; War Resisters’ International (WRI); War Resisters Support Campaign, Kanada; Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden; Wetzlarer Friedenstreff; Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen; Zentrum für Freiwilligen-, Friedens- und Zivildienst der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck

       
      Weitere Infos bei Connection e.V., Tel.: 069-82375534, www.Connection-eV.de oder Military Counseling Network, Tel.: 06223-47506, www.mc-network.de

       

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      Migration & Asyl (doublet)
      news-85 Tue, 25 Aug 2009 12:51:00 +0200 Nimm dir dein Recht im Europa der Polizeien, hol dir deine Daten zurück! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/nimm-dir-dein-recht-im-europa-der-polizeien-hol-dir-deine-daten-zurueck-85 Kampagne zu Auskunftsersuchen in europäischen Datenbanken Weitere Informationen und das Angebot einer automatisierten Erstellung entsprechender Anschreiben finden sich unter:

      http://www.datenschmutz.de/cgi-bin/moin.cgi/AuskunftErsuchen

      Mehr zu den zukünftigen Plänen europäischer Innen- und Justizminister: http://stockholm.noblogs.org

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      Innere Sicherheit (doublet) Überwachung Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-75 Mon, 13 Jul 2009 18:30:00 +0200 Videoüberwachung, Kontrollen, Aufenthaltsverbote: Soziale Ausschluss und Normierung des öffentlichen Raums mittels Polizeirecht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/videoueberwachung-kontrollen-aufenthaltsverbote-soziale-ausschluss-und-normierung-des-oeffentlichen-raums-mittels-polizeirecht-75 Veranstaltung, Hamburg, 13.07.2009  

      Montag, 13. 7. 2009, 19 Uhr

      Universität Hamburg, Allendeplatz 1, 20146 Hamburg, Raum 138

      Eintritt frei

      Referenten:

      Jan Wehrheim, Universität Hamburg - Institut für Kriminologische Sozialforschung

      Ulf Treger, Medienproduzent, Mitglied von city.crime.control

      Carsten Gericke, Rechtsanwalt in Hamburg, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

       

       

      Veranstaltung der Gruppe Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ) in Zusammenarbeit mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV).

       

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      Polizeirecht (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-32 Fri, 26 Jun 2009 09:00:00 +0200 Frieden durch Recht? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/frieden-durch-recht-32 Tagung, Berlin, 26. - 27.06.2009 pdf) 1. Der I. Weltkrieg verursachte ca. 15 Millionen Kriegstote, der II. Weltkrieg mehr als 55 Millionen und in den über 200 Kriegen, die seit 1945 stattgefunden haben, kamen ca. 25 bis 35 Millionen Menschen um (ca. 70 bis 90 % waren Opfer aus der Zivilbevölkerung). Allein der 2003 begonnene US-geführte Angriffskrieg der "Koalition der Willigen" gegen Irak soll bis 2006 ca. 655.000 Menschen das Leben gekostet haben. Schon die Zahlen zeigen: Die Menschheit war in ihrer Geschichte – bis heute – nicht besonders produktiv bei der Beantwortung der Frage: Wie bringt man die vielfältigen und vielfach gegenläufigen Interessen sowie die auseinanderstrebenden Willen der Individuen, Gemeinschaften, Völker und Staaten in einen das friedliche Zusammenleben ermöglichenden Rahmen? Wie ist der Kampf aller gegen alle zu vermeiden, wie ist die Verfolgung individueller und gemeinsamer Interessen aufeinander abzustimmen? Soziologen sagen uns: Die Menschheit hat im Grunde bisher nur vier solcher Steuerungsmittel gefunden: Macht, Markt, Moral und eben das Recht. Das gilt nicht nur für den innergesellschaftlichen und innerstaatlichen Bereich, sondern auch für die internationalen Beziehungen.

      2. Recht kann Frieden nicht bewirken, aber es ist für Frieden unverzichtbar.
      Im Verhältnis von Recht und Macht liegt der bedeutendste Nutzen des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen darin, die Gewaltanwendung bei der Austragung und Lösung von Konflikten auf ein anderweitig nicht erreichbares Minimum zu beschränken. Macht reicht dazu nicht aus. Auch der Markt mit seinen strukturellen Defiziten kann dies nicht erreichen, ebenso wenig wie die Steuerungsressource Moral.
      Das Verhalten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte zueinander berechenbarer zu machen, gehört zu den wichtigsten friedenssichernden Funktionen des Völkerrechts.
      Völkerrecht schafft zudem institutionelle Rahmenbedingungen für den Verzicht oder jedenfalls die Begrenzung von Gewalt. Es stellt Regeln und Verfahren für die Austragung, Regelung und Beilegung von Streitigkeiten zur Verfügung. Hier haben vor allem auch internationale Organisationen und Institutionen, die ihrerseits auf völkerrechtlichen Verträgen und Abmachungen beruhen, ihre wichtige Funktion. Dazu gehört die im Angesicht der - von Deutschland ausgehenden und für mehr als 50 Millionen Menschen tödlichen - Massaker des 2. Weltkriegs geschaffene UN-Charta, eine der bedeutendsten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheitsgeschichte.

      3. Wir müssen dennoch immer wieder die bestürzende Erfahrung machen: Gerade die Normen des Völkerrechts, die auf die Bewahrung und Schaffung des Friedens ausgerichtet sind, aber auch die Gewaltverbote und Friedensgebote des nationalen Rechts werden immer wieder missachtet, gerade auch von denen, die einen Amtseid auf die Verfassung und damit zugleich auch auf das geltende Völkerrecht geleistet haben. Dies geschieht nicht nur durch Regierungen und Exekutivorgane, die sich in ihrer Außenpolitik nach ihren Worten immer nur für „den Frieden“ einsetzen. Es gilt auch für Gerichte, deren Entscheidungen friedensrechtliche Gebote fahrlässig übersehen, übergehen oder gar missachten. Die jüngere und jüngste Vergangenheit bietet dafür zahlreiche illustrative Beispiele, auch für Deutschland:
      • die aktive politische und militärische Beteiligung am Krieg der NATO-Staaten gegen Jugoslawien,
      • die direkte und indirekte Unterstützung für die US-geführte „Koalition der Willigen“ im Krieg gegen Irak (Gewährung von Überflugrechten, Gestattung der unkontrollierten Nutzung der inländischen Infrastruktur und Militärbasen, logistische und nachrichtendienstliche Kooperation bei der Kriegsführung bis hin zur Zielauswahl, Missachtung der Neutralitätspflichten aus dem V. Haager-Abkommen etc.),
      • die Hinnahme von oder gar Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen im „Krieg gegen den Terror“ (z.B. Duldung von Flügen im deutschen Luftraum und Nutzung des deutschen Territoriums im Rahmen von Renditions-Aktionen u.a. der CIA; Übernahme und Verwertung von „Folter-Geständnissen“; menschenrechtswidrige Schutzverweigerung für Guantanamo-Häftlinge z.B. im Falle Kurnaz; Behinderung der Strafverfolgung von Folter-Verantwortlichen),
      • die Weigerung, (auch) für Militäreinsätze der Bundeswehr und für die militärische Nutzung von ausländischen Militärbasen in Deutschland die obligatorische Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag anzuerkennen,
      • entgegen dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 weiterhin an der NATO-Nuklearstrategie festzuhalten, die die Androhung und den Einsatz von Atomwaffen vorsieht, und im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ diesen aktiv zu üben,
      • die fortlaufende Missachtung der in Art. VI des Atomwaffensperrvertrages normierten Verpflichtung aller Staaten, dafür einzutreten unverzüglich in redlicher Absicht Verhandlungen über eine vollständige nukleare Abrüstung aufzunehmen und zum Abschluss zu bringen.

      4. Dabei gibt es das „Friedensgebot“ des Grundgesetzes und der UN-Charta, das vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zu Bundeswehreinsätzen im Ausland vielfach rhetorisch herangezogen, jedoch in seinen Wirkungen weder praxisnah entfaltet noch hinreichend zur Wirksamkeit gebracht wird.
      Es ist deshalb dringend an der Zeit, die konkreten Inhalte und Funktion(en) der Friedensgebote des Grundgesetzes und des geltenden Völkerrechts neu zu vermessen. In welcher Weise können Juristinnen und Juristen bei deren Anwendung und praktischer Umsetzung wirkungsvoller mitwirken? Dazu gehört auch die kritische Frage, ob das geltende Völkerrecht in seinem heutigen Zuschnitt in der Lage ist, diese Friedensgebote implementieren zu helfen? Kann die feministische Kritik des Völkerrechts wichtige Beiträge dazu liefern, ggf. welche? Ist eine stärkere Verrechtlichung der internationalen Beziehungen sinnvoll und wünschenswert? Welche Rolle kann dabei innerstaatlichen und internationalen Gerichten zukommen? Empfiehlt es sich, z.B. bei Verletzungen des völkerrechtlichen Gewaltverbotes oder anderer völkerrechtlicher Delikte stärker auf strafrechtliche Verfahren gegen Entscheidungsträger zu setzen, in welcher Weise? Können zivilgerichtliche Schadensersatzklagen (Amtshaftung) dazu beitragen, den Krieg als Mittel der Politik unattraktiver zu machen?
      Zu diskutieren ist auch, ob sich die Herausbildung und Schaffung eines neuen Rechtsgebiets, des „Friedensrechts“ empfiehlt, um jedenfalls die Komplexität der friedensrechtlichen Quellen zu ordnen, inhaltlich zu klären und das Bewusstsein für die Zusammenhänge zu schärfen. Könnte so allgemein und insbesondere den Rechtsanwendern auch besser bewusst gemacht werden, welche friedensrechtlich relevanten Normen höherrangigen Rechts sie in ihrer Berufspraxis bei der Anwendung einfachen Rechts beachten müssen?

      5. Zur Diskussion dieser Fragen ruft die IALANA zusammen mit den Mitveranstaltern für den 26. und 27. Juni 2009 in- und ausländische Fachleute, Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, StrafrechtlerInnen, SozialwissenschaftlerInnen, PolitikerInnen, Studentinnen und Studenten, VerwaltungsjuristInnen und interessierte Bürgerinnen und Bürger in die Berliner Humboldt-Universität, um in Plenarveranstaltungen, Workshops und Panels Erfahrungen und Know How auszutauschen, Antworten zu finden und auch den Versuch zu unternehmen, ein Netzwerk für die weitere Kooperation von friedensrechtlich Interessierten zu schaffen. Es wäre schön, wenn Sie mittun würden.

      Berlin im April 2009 Veranstalter:
      IALANA (JuristInnen und Juristen gegen atomare biologische und chemische Waffen) in Zusammenarbeit mit:
      • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein e.v. (RAV)
      • European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH)
      • Neue Richtervereinigung e.V. (NRV)
      • RichterInnen und StaatsanwältInnen in Ver.di
      • The European Law Students‘ Association (ELSA)
      • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)
      • Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) Veranstaltungsort:
      Humboldt-Universität zu Berlin
      Fachbereich Jura
      Bebelplatz 1
      10117 Berlin
      (gegenüber von dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6) Anmeldungen:
      IALANA-Geschäftsstelle, Schützenstr. 6; 10117 Berlin
      Fax: +49.30.20654858
      Email:kongress@ialana.de (Stichwort: Kongress "Frieden durch Recht")

      Auskünfte:

      IALANA-Geschäftsstelle Tel. 030.20654857
      E-Mail-Anfragen bitte unter dem Stichwort "Frieden durch Recht" an kongress@ialana.de Teilnahmegebühr:
      Berufstätige: 30 Euro
      Studierende und Erwerbslose: 5 Euro
      Sonderregelungen sind nach Absprache mit dem Tagungssekretariat möglich.
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      Globale Gerechtigkeit (doublet)
      news-30 Wed, 20 May 2009 12:34:00 +0200 BKA-Gesetz: RAV erhebt Verfassungsbeschwerde /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bka-gesetz-rav-erhebt-verfassungsbeschwerde-30 Pressemitteilung vom 11.05.2009 Zusammenfassung der Beschwerdeschrift (PDF) entnommen werden. Für Fragen und Stellungnahmen steht Rechtsanwalt Sönke Hilbrans zur Verfügung.
      Tel: +49 (030) 4467920]]>
      Verfassungsbeschwerde BKA-Gesetz
      news-9 Tue, 19 May 2009 19:41:00 +0200 "Wenigstens hinsehen muss man doch..." - Die EU-Außengrenzen und das Europäische Flüchtlingsregime /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wenigstens-hinsehen-muss-man-doch-die-eu-aussengrenzen-und-das-europaeische-fluechtlingsregime-9 Veranstaltung, Berlin, 28.05.2009 afrikanische Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Seit 2007 steht er deshalb
      gemeinsam mit dem damaligen Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel im italienischen Agrigent wegen "Schlepperei" vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft beantragte jeweils 4 Jahre Gefängnis und 400.000 Euro Geldstrafe - das Urteil wird nunmehr für Juni erwartet.
      Stefan Schmidt berichtet von einem ganz eigenen Stück des Dramas, das sich tagtäglich kurz vor und kurz hinter den Mauern der „Festung Europa“
      abspielt. Zusammen möchten wir diskutieren, welche Perspektiven für eine
      menschenwürdige europäische Flüchtlingspolitik denkbar wären.

      Zur Vesper gibt es Brot und Käse, Wasser und Wein.
      Veranstalter: Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Redaktion Ossietzky, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein & Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte Donnerstag 28. 05. um 19:00 
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Robert-Havemann-Saal
      Greifwalderstr. 4
      10405 Berlin
      Anfahrt: Tramlinie M4 sowie Buslinien 200 und 240. Haltestelle ist jeweils
      "Am Friedrichshain".]]>
      Migration & Asyl (doublet) Europa (doublet)
      news-41 Mon, 18 May 2009 16:49:00 +0200 Grundrechte-Report 2009: Ex-Bundesverfassungsrichter mahnt sorgsameren Umgang mit Grundrechten an /publikationen/mitteilungen/mitteilung/grundrechte-report-2009-ex-bundesverfassungsrichter-mahnt-sorgsameren-umgang-mit-grundrechten-an-41 Ex-Bundesverfassungsrichter mahnt sorgsameren Umgang mit Grundrechten an Hassemer lobt anlässlich der Vorstellung des neuen Grundrechte-Reports gestiegenes Bewusstsein für Datenschutz. Zugleich fordert er ein striktes Verbot der Verwertung von Folter-Aussagen.

      Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Winfried Hassemer, hat zu einem sorgsameren Umgang mit den Grundrechten aufgerufen. "Wir beobachten in Gesetzgebung und Verwaltung einen allgemeinen Trend hin zu mehr Sicherheit und Prävention, der häufig zu Lasten der klassischen bürgerlichen Freiheiten geht", sagte Hassemer anlässlich der Vorstellung des Grundrechte-Reports 2009 am Montag in Karlsruhe. Als Beispiel nannte er die zunehmende Beschränkung der Demonstrationsfreiheit durch immer strengere Versammlungsgesetze.

      Kurz vor dem 60. Jubiläum des Grundgesetzes am 23.5.2009 zog Hassemer ein kritisches, aber auch positives Fazit der deutschen Verfassungswirklichkeit. "Insbesondere im Bereich des Datenschutzes erleben wir, dass ein schon fast tot geglaubtes Grundrecht neu an Bedeutung gewinnt, weil die Bürger durch die Überwachungsskandale in großen Unternehmen aufgeschreckt werden", sagte der ehemalige Bundesverfassungsrichter, der von 1991 bis 1996 auch hessischer Datenschutzbeauftragter war.

      Klar wandte der emeritierte Professor für Strafrecht der Universität Frankfurt sich gegen Tendenzen, zum Zweck der Verfolgung oder Verhütung von Terroranschlägen das Folterverbot des Grundgesetzes aufzuweichen. "Vor vergifteten Beweismitteln dürfen wir nicht die Augen verschließen. Wenn es belastbare Anzeichen gibt, dass Zeugenaussagen in ausländischen Gefängnissen unter Folter erzwungen wurden, dann muss ihre Verwendung sowohl deutsche Behörden als auch Gerichten strikt verboten sein."

      Für die Herausgeber des Grundrechte-Reports kritisierte Till Müller- Heidelberg, ehemaliger Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, einen abnehmenden Respekt der Politik gegenüber dem Grundgesetz. Als Beispiel nannte er die im vergangenen Jahr durch das Bundesverfassungsgericht verworfene Online-Durchsuchung: "In das neue BKA-Gesetz wurde die Erlaubnis dazu dann gleich wieder hineingeschrieben, zusammen mit einem Bündel von fragwürdigen Eingriffsermächtigungen - vom Belauschen von Berufsgeheimnisträgern bis zur schon tot geglaubten Rasterfahndung", sagte Müller-Heidelberg. Ebenso rügte er die Rechtsblindheit von Ermittlungsbehörden und sogar Gerichten, die immer wieder gegen die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zur Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz verstießen.

      Auch Betroffene kamen bei der Präsentation des Grundrechte-Reports 2009 zu Wort. So schilderte ein Totalverweigerer "erzieherische Maßnahmen" der Bundeswehr, die darauf hinausgelaufen seien, seine Gewissensentscheidung gegen die Wehrpflicht zu brechen. Der Anmelder einer Demonstration in Karlsruhe berichtete, wie er zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil Teilnehmer sich an vergleichsweise marginale Auflagen nicht gehalten hatten: Die Ordner seien der Polizei 15 Minuten zu spät vorgestellt worden, manche Teilnehmer "zu ähnlich gekleidet" gewesen.

      Der im Fischer Taschenbuch Verlag verlegte, 1997 erstmals erschienene "Grundrechte-Report" versteht sich als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Neun Bürger- und Menschenrechtsorganisationen dokumentieren darin jährlich den Umgang mit dem Grundgesetz. Er wird gemeinsam herausgegeben von: Humanistische Union, Gustav Heinemann- Initiative, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen o PRO ASYL, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen, Internationale Liga für Menschenrechte und der Neue Richtervereinigung.

      Grundrechte-Report 2009 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, M. Assall, M. Pelzer, A. Würdinger, M. Kutscha, R. Gössner und U.

      Engelfried; Preis 9,95 €; 256 Seiten; ISBN 978-3-596-18373-9; Fischer Taschenbuch Verlag; Juni 2009.

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      Innere Sicherheit (doublet)
      news-35 Fri, 15 May 2009 18:28:00 +0200 9. Fachtagung gegen Abschiebehaft /publikationen/mitteilungen/mitteilung/9-fachtagung-gegen-abschiebehaft-35 Tagung Tagungsprogramm (pdf)]]> Migration & Asyl (doublet) news-33 Mon, 20 Apr 2009 19:00:00 +0200 Keine Ruhe den NS-Kriegsverbrechern - Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ruhe-den-ns-kriegsverbrechern-keine-staatenimmunitaet-fuer-ns-kriegsverbrechen-33 Veranstaltungsreihe
      München
      Veranstaltung am Montag, 20. April 2009, 19.00 Uhr, Gasteig, Rosenheimer Straße 5, 81667 München
      mit
      Argyris Sfountouris (Griechenland) und Angiola Lescai (Italien)
      Martin Klingner, Rechtsanwalt von Distomo-Opfern in der Bundesrepublik Deutschland und
      Gabriele Heinecke, Rechtsanwältin (Mitglied im Bundesvorstand des RAV/ Vertreterin der Nebenklage in dem Prozess gegen Scheungraber)
      Moderation: Michael Backmund (Mitglied im Vorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) beim Ortsverband München)

      Unterstützer: Israelitische Kultusgemeinde München und Bayern, VVN/BDA München, Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, Neue Richtervereinigung (NRV) Landesverband Bayern, Arbeitskreis Aktiv gegen Rechts in ver.di München

      Berlin
      Filmvorführung „Ein Lied für Argyris“ am Dienstag, den 21.4.2009, 19.00 Uhr, Willi-Münzenberg-Saal im ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin (Nähe Ostbahnhof)
      Anschließende Diskussion mit Argyris Sfountouris und Informationen zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung um die Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen von Rechtsanwalt Martin Klinger (Hamburg).

      Den Haag

      Filmvorführung „Ein Lied für Argyris“ am Donnerstag, den 22.4.2009, 19.00 Uhr, Film Huis Den Haag, Spui 191, Den Hague
      Anschließende Diskussion mit Argyris Sfountouris und Informationen zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung um die Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen von Rechtsanwältin und Mitglied im Bundesvorstand des RAV Gabriele Heinecke und Rechtsanwalt Martin Klinger.

      Im Juni 1944 wütete die deutsche Wehrmacht als Besatzerin u.a. in Italien und in Griechenland. In Distomo, einer kleinen Ortschaft nicht weit von Delphi, ermorden am 10. Juni 1944 Angehörige der 4.SS-Polizei-Panzergrenadier-Division im Zuge einer sogenannten „Vergeltungsaktion“ 218 Dorfbewohner. Für das Massaker wurde kein Soldat je strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

      Argyris Sfountouris (Protagonist des Filmes „Ein Lied für Argyris“) war im Juni 1944 knapp 4 Jahre alt und überlebte durch Zufall. Er verlor seine Eltern und 30 Familienangehörige. Obwohl der Areopag, das höchste griechische Gericht, im Mai 2000 die Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig verpflichtete, eine Summe von insgesamt 28 Millionen Euro Entschädigung an die Opfer aus Distomo zu zahlen, hat er wie die anderen Überlebenden und Angehörigen bis zu heutigen Tage keinen Cent gesehen.

      Auch vor italienischen Gerichten haben inzwischen italienische Opfer der deutschen Besatzer erfolgreich auf Entschädigung, die griechischen Opfer erfolgreich auf Vollstreckbarkeit ihres griechischen Rechtstitels gegen deutsches Eigentum in Italien geklagt. Deutschland hat eingewendet, es habe sich jeweils um „hoheitliche Maßnahmen“ gehandelt, und in allen Entschädigungsverfahren „Staatenimmunität“ für die Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen gefordert. Dieses Argument haben sowohl der Areopag als auch der italienische Kassationshof zurück gewiesen. Um der Vollstreckung der Entschädigungsansprüche zu entgehen, hat die Bundesregierung im Dezember 2008 Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag erhoben. Deutschland versucht den Rollentausch und stellt sich in diesem Verfahren als Opfer dar.

      In Falzano di Cortona, einem kleinen toskanischen Dorf, ermorden am 27. Juni 1944 Angehörige des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 im Zuge einer „Vergeltungsaktion“ am Widerstand der Partisanen völlig unbeteiligte Dorfbewohner. Bei Durchkämmungen werden eine 74-jährige Frau, ein 14-jähriger Junge sowie 3 Männer im Alter zwischen 21 und 55 Jahren erschossen. 13 Männer zwischen 15 und 74 Jahren werden festgenommen, 11 von ihnen in die „Casa Canicci“ gesperrt. Das Haus wird vermint und mit den Eingesperrten in die Luft gesprengt. Wie durch ein Wunder überlebt der damals 15-jährige Gino M.; Angiola Lescai verlor bei dem Massaker zwei Angehörige ihrer Familie.

      Die verantwortlichen Offiziere der Einheit, Herbert Stommel - Bataillonskommandeur - und Josef Scheungraber – Kompaniechef – wurden im September 2006 vom Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Da eine Auslieferung nach deutschem Recht nicht möglich ist, wird gegen den noch verhandlungsfähigen 90-jährigen Josef Scheungraber seit September 2008 vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts München wegen vielfachen Mordes verhandelt. 65 Jahre nach dem Massaker sind viele Zeugen verstorben, die Beweisaufnahme ist schwierig, der Ausgang ungewiss.

      Die Veranstaltung in München bildet den Auftakt einer Veranstaltungsreihe, die in Berlin und Den Haag fortgesetzt wird. Ziel ist es, auf den Skandal aufmerksam zu machen, dass die Bundesrepublik Deutschland versucht, sich aus der Verantwortung für NS-Verbrechen gegen die Menschheit zu stehlen.
      Die Veranstaltungsreihe wird gefördert durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).


      Weitere Informationen: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet) NS-Verbrechen (doublet)
      news-74 Wed, 15 Apr 2009 18:01:00 +0200 Widerstand gegen das "Stockholm-Programm" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/widerstand-gegen-das-stockholm-programm-74 Stellungnahme Erklärung des Europäischen Bürgerrechtsnetzwerks (ECLN) zum neuen Fünfjahresplan der EU zur Justiz- und Innenpolitik [1,2]

      Das "Stockholm-Programm" legt die Agenda für die europäische Justiz-und Innenpolitik sowie die Politik zur Inneren Sicherheit von 2009 bis 2014 fest. Die EU hat bereits durch die Schaffung militarisierter Grenzen, die Verpflichtung zu einem proaktiven Überwachungsregime und durch die zunehmend aggressive Außen-und Verteidigungspolitik einen bedenklich autoritären Charakter angenommen. Die laufende Diskussion unter politischen Entscheidungsträgern der EU lässt erwarten, dass dieser Ansatz in den nächsten fünf Jahren vertieft und ausgeweitet wird. Es ist davon auszugehen, dass das "Stockholm-Programm", das auf den Abschlussbericht der EU-Zukunftsgruppe gründet -eingehend analysiert in "The Shape of Things to Come"(**) [3] -, im Dezember unter der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft vom Europäischen Rat (den 27 Regierungen) verabschiedet wird.

      Wir machen uns große Sorgen angesichts dieser Entwicklungen und haben deshalb die Initiative ergriffen, dieÖffentlichkeit über diesen Angriff auf die demokratischen Rechte und die Verschlechterung der Menschenrechtslage in Europa und jenseits von Europa zu informieren. Wir rufen Bürgerrechtsgruppen und Einzelpersonen auf, ihre Meinung über das Stockholm-Programm zu äußern und an einem demokratischen Europa zu arbeiten.

      Hintergrund: Tampere, Den Haag und Stockholm
      Die EU ist seit mehr als einem Jahrzehnt dabei, die sogenannte "Zone für Freiheit, Sicherheit und Recht" Gesetze und Politik zu Polizeizusammenarbeit, Terrorabwehr, Einwanderung, Asyl und Grenzkontrollen - zu entwickeln. Sie behauptet, die Bürgerrechte gewahrt und in ihrer Politik den Schutz der Privatsphäre berücksichtigt zu haben. Viele sind jedoch anderer Meinung und argumentieren, dass die EU die Menschenrechte und demokratischen Standards nicht einhält, auf denen sie zu gründen behauptet. Das Stockholm Programm baut auf den zwei vorangegangenen Fünfjahresplänen auf - dem von Tampere-(19992004) und dem Den Haager-Programm (2005-2009) -, die beide ohne jegliche Beteiligung von Parlamenten oder Zivilgesellschaft ausgearbeitet und verabschiedet wurden. Während die EU-Verträge, wie Amsterdam (oder Lissabon, wenn er angenommen wird), die rechtliche Grundlage für die Gesetzgebung bilden, legen die Fünfjahrespläne fest, wie die Befugnisse eingesetzt werden, indem sie die Parameter für die künftige Politik und Praxis bestimmen.
      Diesmal ist der Ablauf ein wenig anders. Im Jahr 2007 hat der Rat (27 EU-Regierungen) die "Zukunftsgruppe" eingesetzt, die ihren Bericht(**) im Juli 2007 herausgegeben hat. Dieser beinhaltet die Agenda für einen Kommissionsvorschlag, zu dem die nationalen Parlamente sowie das Europäische Parlament "konsultiert" werden - die letzte Entscheidung liegt jedoch beim Rat allein.
      Es wird deutlich, wie viel bereits verloren ist und wie viel auf dem Spiel steht.

       

      Die totale Überwachung installieren
      Die EU ist in den von ihr zur Überwachung ihrer Bürger verabschiedeten Gesetzen wesentlich weitergegangen als die USA. Während der PATRIOT ACT eine traurige, allgemeine Bekanntheit erlangt hat, hat die EU still und leise die Gesetze zur obligatorischen Aufnahme von Fingerabdrücken in alle EU-Pässe, Visa und Aufenthaltsgenehmigungen verabschiedet sowie die obligatorische Speicherung aller Telekommunikationsdaten (unsere Telephon-, E-Mail-und Internetprotokolle) und aller Fluggastdaten (von Passagieren nach, aus und durch Europa) - zum Zweck der Strafverfolgung.
      Auf der Grundlage der nationalen Gesetze, die EU-Recht umsetzen, machen die staatlichen Stellen sich daran, ein zuvor nicht vorstellbar detailliertes Profil des privaten und politischen Lebens ihrer Bürger zu erstellen, oftmals ohne jegliche Datenschutzstandards, richterliche oder demokratische Kontrollen.
      Laut der EU-"Zukunftsgruppe" ist dies lediglich der Anfang eines "digitalen Tsunamis", der die Strafverfolgung revolutionieren soll, indem er der Polizei und den Geheimdiensten eine ungeheure Menge an Informationen bereitstellt. Das EU-Datenschutzrecht, nach dem Überwachung fast ausgeschlossen ist, wurde damit bereits hinter sich gelassen. Das Recht des einzelnen auf Privatsphäre und individuelle Freiheiten wird auf fatale Weise ausgehöhlt.
      Die EU finanziert zugleich die Entwicklung einer europäischen "Heimatschutz"-Industrie, indem sie europäische Unternehmen mit Milliarden von Euro subventioniert, damit diese auf dem lukrativen Markt für Kriegsgerät und Sicherheitstechnologie mit dem militärisch-industriellen Komplex der USA konkurrieren können. Im Gegenzug üben die Unternehmen einen wachsenden und unüberprüfbaren Einfluss auf die Sicherheitspolitik der EU aus.
      Dies ist in den nächsten fünf Jahren zu erwarten: ein EU-Personalausweis und -Bevölkerungsregister, "Online"- Durchsuchungen von Computerfestplatten durch die Polizei, Internetüberwachungssysteme, Satellitenüberwachung, automatisierte Ausgangs- und Zugangssysteme, die von Maschinen betrieben werden, autonome Zielsysteme, Risikoanalysen- und Profilerstellungssysteme.

       

      Festung Europa: Von der Grenzkontrolle zur sozialen Kontrolle
      Seit Ende der 1970er Jahre führen die EU-Mitgliedstaaten und seit kürzerem auch EU-Institutionen einen selektiven Krieg gegen Migration. In den 1970ern wurden die Möglichkeiten zur Arbeitsimmigration eingeschränkt, gefolgt von der Installation substantieller und verfahrensrechtlicher Barrieren für die Beantragung und Erteilung von Asyl zu Beginn der 90er. Ende der 90er wurden die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt und militarisiert, gefolgt von der allmählichen Verlagerung der Migrationskontrolle in den Bereich jenseits der Grenzen mit Hilfe von Rückübernahmeabkommen mit Drittländern sowie Internierungszentren rund um die EU sowie FRONTEX, die im Mittelmeer patrouilliert.
      Es handelt sich um einen selektiven Krieg gegen Migration, weil sich die restriktiven Maßnahmen der EU besonders gegen jene richten, die aus Armut und vor Verfolgung fliehen: während Industriestaaten "weiß gelistet" bleiben, werden die armen Länder auf die "schwarze Liste" für EU-Visa verbannt und werden gegen ihre Bürger restriktive Kontrollen eingesetzt. Während eine sich schnell entwickelnde, militärisch ausgerichtete EU-Grenzpolizei (FRONTEX) und eine Reihe zentraler Datenbanken (SIS, SIS II, Eurodac, VIS) geschaffen werden, um Migration ohne Papiere oder die irreguläre Migration auf globaler Ebene zu "bekämpfen", werden gut ausgebildete Fachkräfte zur Einwanderung ermutigt, um das alternde Arbeitskräftepotential der EU zu ersetzen, den dortigen Lebensstandard zu halten und die "Wettbewerbsfähigkeit" der EU in der globalen Marktwirtschaft zu sichern. Zur gleichen Zeit wird die Arbeit von Migranten ohne Papiere, von Illegalisierten, die ohne arbeits- und sozialrechtlichen Schutz arbeiten -und ständig von Abschiebung bedroht sind -in Europa schamlos ausgebeutet. Deren Arbeit kommt Europas produktivem Wirtschaftssektor zugute, der Landwirtschaft und der Bauwirtschaft, sowie dem Dienstleistungsbereich und der reproduktiven Wirtschaft, insbesondere dem Reinigungs-, Hotel- und Restaurantsektor sowie den Privathaushalten. Es ist weithin bekannt, dass die EU-Wirtschaft auf die Arbeit der Migranten angewiesen ist, dennoch verweigern die Regierungen den Arbeitnehmern in klarer Verletzung der internationalen Schutzstandards, die in der EU-eigenen Menschenrechtskonvention wie auch denen der UNO oder der ILO niedergelegt sind, systematisch ihre Arbeits-und Menschenrechte.
      Während EU-Politiker die Verletzung der internationalen Menschenrechte durchweg ignoriert und sogar dazu ermutigt haben, haben Aktivisten für soziale Menschenrechte Belege für die "tödliche Realität" der ausschließenden Immigrations- und Asylpolitik geliefert. Sie haben fast 10.000 Todesfälle dokumentiert, die eine direkte Folge der "Festung Europa" darstellen. Es ist eine erdrückende Anklage gegen neoliberale Globalisierung. Während um des Profits bestimmter Industrien willen zur Reise um die Welt ermutigt wird, wird Reisen um des Überlebens willen verurteilt. Zur gleichen Zeit wird der wirtschaftliche Beitrag, den Migranten, die in Niedriglohnsparten arbeiten, für die Zielländer leisten, von diesen Ländern nicht anerkannt.
      Der Apparat und die Institutionen, die geschaffen wurden, um Immigration in die EU zu kontrollieren, dehnen sich rasch aus. Die Grenzkontrollen entwickeln sich kontinuierlich zu einer breiteren Form sozialer Kontrolle, die nicht allein Migranten, sondern alle Bürger betrifft. Flughäfen und Außengrenzen werden schnell zu Polizei- und Militärkontrollpunkten, an denen ein jeder einer ausgedehnten Überprüfung und Sicherheitskontrolle unterworfen wird. Diese Infrastruktur entwickelt sich zu einem wuchernden, datengestützten Netz, das sich von den Grenzen her ausbreitet, um schließlich ganze Territorien und Bevölkerungen einzufangen.
      Dies ist in den nächsten fünf Jahren zu erwarten: E-Grenzen, Fahndungssysteme für Passagiere, ein EU-"Zugangs/Ausgangs"-System, Drohnen zur Grenzüberwachung, gemeinsame EU-Abschiebeflüge, spezielle EU-Abschiebeflugzeuge, EU-finanzierte Internierungszentren und Flüchtlingslager in Drittstaaten.

       

      Die Militarisierung der Sicherheit, die Versicherheitlichung von allem
      Die EU befindet sich mitten in einem Paradigmenwechsel bezüglich der Art und Weise wie Europa und der Rest der Welt kontrolliert werden. Das ist das Ergebnis einer Reihe miteinander verknüpfter historischer Trends, wie die allmähliche Verwischung der Grenzen zwischen Polizei- und Militäreinsatz und zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit, der weitverbreitete Einsatz von Überwachungstechnologien und die Entwicklung eines eigenen Komplexes der Sicherheitsindustrie, des wirtschaftlichen Motors für diese Entwicklungen.
      Wir erleben zur Zeit die politische "Versicherheitlichung" einer Unmenge komplexer politischer Themen, angefangen von der Nahrungsmittel- und Energieversorgung bis hin zu komplexen sozialen und ökologischen Phänomenen wie Klimawandel und Migration. Das Ergebnis ist eine zunehmend sicherheitspolitisch militarisierte Herangehensweise an anhaltende soziale und wirtschaftliche Probleme. In Zeiten erhöhter globaler Unsicherheit besteht die Gefahr, dass die Frage der Legalität gegenüber dem Ziel, die Bedrohung zu beseitigen, in den Hintergrund tritt. Wie die NATO positioniert sich die EU neu als Weltpolizist und entwickelt die Voraussetzungen, um in gescheiterten Staaten und Konfliktzonen einzugreifen, den zu erwartenden Folgen von Klimawandel, Energiekrise, Nahrungsmittelkrise und "unkontrollierten" oder autonomen Migrationsbewegungen entgegenzutreten und Menschenhandel, Terrorismus und Piraterie auf hoher See zu bekämpfen.
      Die EU geht den gleichen militaristischen Weg bei sozialen Konflikten und Krisenmanagement innerhalb Europas. Die EU-Politik zur Kontrolle von Gipfeln und Protesten gegen internationale Organisationen, zum Schutz wichtiger Infrastruktur, der zivile Notstand, Krisenmanagement und Katastrophenschutz basieren jeweils auf der gleichen Strategie: die Situation mit Gewalt kontrollieren; intervenieren, um Bedrohungen und Opposition zu bekämpfen. Auf diese Weise wird man auch verfahren, falls die aktuelle ökonomische Krise zu vermehrten sozialen Spannungen und Protesten führt.
      Dies ist von den nächsten fünf Jahren zu erwarten: Ausbau der paramilitärischen europäischen Gendarmerieeinheiten, Aufbau von EU-Kampfgruppen, Krisenmangementmissionen in Afrika, permanente EU-Militärkontrollen in Mittelmeer und Atlantik.

       

      Ein rechenschaftsfreier EU-Staatsapparat
      Mit der Entwicklung und Umsetzung dieser Strategien geht die Entwicklung eines immer ausgeklügelteren internen und externen Sicherheitsapparats unter der Schirmherrschaft der EU einher. Dieser besteht aus Strafverfolgungs- und Sicherheitsagenturen (die europäische Polizeibehörde EUROPOL, die Behörde für die Zusammenarbeit der Justiz EUROJUST und das gemeinsame Lagezentrum SITCEN), EU-Datenbanken und -Informationssystemen (Polizei- und Zollinformationen, Verbrechens- und Immigrationsstatistiken, DNA-und Fingerabdrücke), paramilitärischen Organisationen wie FRONTEX und der Europäischen Polizeitruppe, einer wachsenden militärischen Leistungsfähigkeit und einem Netzwerk von Verantwortlichen, die kaum zur Rechenschaft gezogen werden können, das die allgemeinen Regeln und die Politik der EU täglich weiterentwickelt. Dieser Apparat wird mit jedem Vorschlag zur "Harmonisierung", "Interoperabilität" oder "Konvergenz" in Recht und Praxis der Mitgliedstaaten ausgeweitet. Dies ist von den nächsten fünf Jahren zu erwarten: Mehr Macht für die EU-Behörden, Vernetzung nationaler Polizeisysteme, eine EU-Verbrechensdatei, ein Ständiger EU-Ausschuss zur Inneren Sicherheit [4] (COSI), der sich mit Einsatzfragen befasst.

       

       

      Aufruf zum Wandel
      Die an Sicherheit orientierte Antwort auf soziale und wirtschaftliche Konflikte ist eine Wahl und nicht im mindesten ein notwendiges Übel. Terrorismus und gewaltsame Konflikte sind das Ergebnis spezifischer sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeiten, einer ungleichen Verteilung des weltweiten Wohlstands und anhaltender Armut. Diese Ungleichheiten und Ungleichgewichte auf der lokalen, regionalen und globalen Ebene anzugehen, sollte auf jeder politischen Agenda an erster Stelle stehen. Die Wahl, Konflikte mit Waffengewalt, Datensammlungen, präventiven Polizeimaßnahmen und Überwachung zu beantworten, dient den spezifischen Interessen einiger weniger, aber ganz sicher nicht den Interessen der globalen oder nationalen Bevölkerungen.
      Wir fordern einen Wandel der aktuellen politischen Agenda in Richtung des Schutzes der sozialen, wirtschaftlichen sowie der allgemeinen Menschenrechte. Die Stockholm-Agenda und viele weitere ihr vorausgegangene Strategien der Justiz- und Innenpolitik zu Migration, Terrorismus, Polizeiarbeit und Sicherheit stellen eine deutliche Verletzung der demokratischen Standards und der Menschenrechte dar. Daher fordern wir die Rücknahme der Antiterrorgesetzgebung und restriktiven Migrationsgesetze und die Schaffung eines wirklich demokratischen politischen und Wirtschaftssystems.
      Wir rufen alle dazu auf, sich an den Diskussionen über das Stockholm-Programm zu beteiligen, sich selbst und andere zu informieren und die eigenen Ansichten kundzutun und Freiheit und Demokratie gegen die Überwachungsgesellschaft zu verteidigen, zu der die EU sich entwickelt.

       

      April 2009

      Erklärung "Widerstand gegen das Stockholm-Programm" (pdf)

       

      (*) Als Download erhältlich unter http://www.statewatch.org/analyses/the-shape-of-things-to-come.pdf, als Buch erschienen bei Spokesman Books (£5.99, 80 Seiten, Paperback, ISBN: 978 085124 7601), siehe http://www.spokesmanbooks.com/acatalog/Socialist_Renewal.html#a436.

       

      Eine Dokumentation zum Stockholm-Programm ist zu finden unter http://www.statewatch.org/future-group.htm

       

      Weitere Hintergrundinformation: http://stockholm.noblogs.org/

       

      Kontakt für weitere Informationen:

      ECLN -European Civil Liberties Network

      Tel: +44 (0)20 8802 1882

      Email: info@ecln.org

      http://www.ecln.org/

       

      Übersetzung aus dem Englischen: Redaktion Schattenblick

       

      Anmerkungen der Redaktion Schattenblick:

       

      [1] übersetzt von und veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2009; überarbeitet vom Komitee für Grundrechte und Demokratie; im Zweifel gilt das englische Original

      [2] European Civil Liberties Network -deutsche Fassung der Gründungserklärung siehe http://www.ecln.org/about_de.html

      [3] Die Gestalt der Dinge, die kommen werden / Die Kontur der Zukunft

      [4] EU Standing Committee On Internal Security - COSI

      Der RAV ist Teil des Europäischen Bürgerrechtsnetzwerks ECLN.
      Die Gründungserklärung des ECLN und eine Liste der Gruppen und Einzelpersonen, die an der Gründung beteiligt waren oder das ECLN unterstützen ist abrufbar unter http://www.ecln.org/about_de.html.

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      Europa (doublet) Repression in Europa (doublet) Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-36 Fri, 03 Apr 2009 18:00:00 +0200 Straflosigkeit von Folter: Lang ersehnter Schlussstrich oder Kontinuität? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/straflosigkeit-von-folter-lang-ersehnter-schlussstrich-oder-kontinuitaet-36 Veranstaltung, Berlin, 3.04.2009
      Die Referentinnen und Referenten werden über die aktuellen rechtlichen und politischen Entwicklungen in den USA und Europa berichten:

      Michael Ratner, (CCR), New York, (ECCHR), Berlin
      Pardiss Kebriaei, CCR, New York
      Andrea Würdinger, (RAV), Berlin
      Wolfgang Kaleck, ECCHR, Berlin Moderation: Carsten Gericke, (RAV), Hamburg Veranstalter: RAV, akj, ECCHR Freitag 3. April 18:00 Uhr, Humboldt-Universität zu Berlin,
      Unter den Linden 6, 10099 Berlin, Hauptgebäude, 2. OG, Raum 3075]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet) Folterverbot (doublet) Guantánamo (doublet Völkerstrafrecht (doublet)
      news-31 Fri, 27 Feb 2009 16:29:00 +0100 Bundesverfassungsgericht setzt Verschärfung des Versammlungsrechts in Bayern außer Kraft /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundesverfassungsgericht-setzt-verschaerfung-des-versammlungsrechts-in-bayern-ausser-kraft-31 Pressemitteilung vom 27.2.2009
      Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen Großteil der
      Bußgeldvorschriften des Bayrischen Versammlungsgesetzes sowie das Recht, anlasslos jede Demonstration zu filmen vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – außer Kraft gesetzt. (Beschluss vom 17. Februar 2009
      – 1 BvR 2492/08 –). Das Bundesverfassungsgericht darf eine Regelung nur dann vorläufig außer Kraft setzen, wenn durch die Geltung des Gesetzes erhebliche Nachteile entstehen und eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann.
      Wer in Bayern demonstrierte, sah sich seit Oktober letzten Jahres mit einer Vielzahl von neuen Ge- und Verboten konfrontiert, deren Nichteinhaltung empfindliche Bußgelder nach sich ziehen sollte. Außerdem mussten alle damit rechnen, bei der Ausübung ihres Grundrechts gefilmt zu werden. Bayern hatte als erstes aller Bundesländer von seiner neuen Länder-Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht Gebrauch gemacht. Weitere Länder-Versammlungsgesetze sind geplant oder schon im Gesetzgebungsverfahren. Das Bayrische Gesetz diente in Niedersachsen als Vorlage.
      Das Bundesverfassungsgericht befürchtete, dass Bürgerinnen und Bürger durch das Gesetz vom Demonstrieren abgeschreckt werden könnten. Ohne die Machtkritik durch das Volk entstünde jedoch ein schwerer Schaden für die Grundrechte einzelner und das freiheitlich-demokratische Gemeinwesen.
      Der RAV begrüßt die Entscheidung. Zugleich zeigt sich der Vorstand besorgt darüber, wie häufig das Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit korrigierend eingreifen muss. Eine Vielzahl weiterer Verfassungsbeschwerden, unter anderem zu weitreichenden Demonstrationsverboten bei Castor-Transportensind noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig. „Offensichtlich ist den Parlamentariern und Versammlungsbehörden das Grundrechtsbewusstsein abhanden gekommen, so dass sie immer wieder vom Verfassungsgericht belehrt werden müssen“, so Karen Ullmann, RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwältin in Hamburg. „Es ist bemerkenswert und zeigt den Trend der Zeit, dass die Länder ihre neue Gesetzgebungskompetenz ausschließlich nutzen, um das geltende Recht zu verschärfen, anstatt endlich verständliche und grundrechtsfreundliche Regeln zu schaffen.“
      Die nächste Probe für die Versammlungsfreiheit stellt sich bei der Nato-Tagung Anfang April in Strasbourg. Auch auf deutscher Seite sind zahlreiche Gegendemonstrationen geplant. Die Demokratie der Straße darf nicht, wie regelmäßig im Wendland oder auch beim G8-Gipfel, polizeitaktischen Erwägungen geopfert werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht deutlich, dass eine Rückkehr von der Grundrechts-Demontage durch Gesetzgebung und Polizei hin zu effektivem Grundrechtsschutz auf der Straße dringend notwendig ist.

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      Demonstrationsfreiheit (doublet)
      news-37 Tue, 24 Feb 2009 20:00:00 +0100 Do It Yourself: Identitätsverschleierung und Datensicherheit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/do-it-yourself-identitaetsverschleierung-und-datensicherheit-37 Veranstaltung
      Welche Daten sind auf dem Chip im Reisepass gespeichert und was passiert, wenn der Pass in der Mikrowelle landet? Wie lässt sich die Datenspur im Internet verwischen? Und warum ist es in manchen Situationen am besten, sein Handy wegzuwerfen?
      Das Verschleudern von persönlichen Daten ist mittlerweile so normal, dass man sich nicht einmal mehr fragt, welche Räume man sich nimmt, wenn man die Türen offen lässt. Vom Online-Shopping bis zum Social Web, vom Zeitungsrätsel bis zum Abonnement, von der Gesundheitskarte bis zur Steuernummer – selten fühlt man sich bemüßigt, eingeforderte Daten oder deren Speicherung zu verweigern. Im Zweifel gewinnt der Rabatt gegen den Stress. Über diesen rasanten Verlust des Datensicherheitsbewusstseins freuen sich vor allem Wirtschaft und Regierung.

      Am 24. Februar erklären Constanze Kurz und Frank Rieger vom CCC, wie Datensicherheit auch Vergnügen bereiten kann. Denn Wissen bedeutet Selbstermächtigung: Wer eine Email verschicken kann, kann sie auch verschlüsseln. Wer im Internet surfen kann, kann die Spuren auch anonymisieren. Wer ein Handy nutzt, sollte wissen, was ein IMSI-Catcher ist und wie die Polizei ihn bei Großdemonstrationen einsetzt.
      Die Veranstaltung im Salon mit Elbblick informiert darüber, was mit den Daten passiert, welche Entscheidungen man treffen und wie man einfache Maßnahmen gegen die technische Überwachung ergreifen kann.

      Veranstaltet vom Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein und dem re[h]tro frauentag beim Freien Sender Kombinat FSK

      Die Veranstaltung wird durch die Holtfort-Stiftung unterstützt. Dienstag, 24. Februar 2009, 20:00 Uhr
      Golden Pudel Salon, Am St. Pauli Fischmarkt 27, 20359 Hamburg, 1. OG]]>
      Innere Sicherheit (doublet) Überwachung
      news-38 Tue, 24 Feb 2009 19:00:00 +0100 Vortrag und Lesung mit Christian Bommarius: Das Grundgesetz. Eine Biographie /publikationen/mitteilungen/mitteilung/vortrag-und-lesung-mit-christian-bommarius-das-grundgesetz-eine-biographie-38 Veranstaltung, 24.02.2009
      (Aus: Christian Bommarius, Das Grundgesetz. Eine Biographie)

      Der Buchautor und Journalist ("Berliner Zeitung") wird zum Thema seines im Januar 2009 im Rowohlt-Verlag erschienenen Buches einen Vortrag halten. Er wird biografische und politische Geschichten erzählen, die den Entstehungsprozess des Grundgesetzes erhellen. Eine besondere Rolle werden die Menschenwürde und das Folterverbot sowie die Grundrechte spielen.

      Unter dem Titel "Chronik einer Belagerung" beschreibt er, wie die Freiheitsgarantien des Grundgesetzes, "eine Verfassung im Ausnahmezustand, im Notstand geschrieben" von Politikern (Notstandsgesetze, Luftsicherheitsgesetz), mitunter aber auch vom Bundesverfassungsgericht (Urteil zum Asylrecht) im Laufe der Jahre zurechtgestutzt wurden und wie sich das Gesetz und sein verbindlichster Interpret, das Bundesverfassungsgericht, zur Zeit im Belagerungszustand befindet und mittels "Kanonaden von Sicherheitsgesetzen" sturmreif geschossen werden soll.
      Moderation: Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck (RAV) 24. Februar 2009, 19.00 Uhr Literaturhaus, großer Saal, Fasanenstrasse 23, 10719 Berlin U-Bahnstation Kurfürstendamm (U-1 und U-9)]]>
      Innere Sicherheit (doublet)
      news-34 Thu, 25 Sep 2008 19:04:00 +0200 Stellungnahme zum Gesetz zur Überarbeitung des Untersuchungshaftrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-gesetz-zur-ueberarbeitung-des-untersuchungshaftrechts-34 Gesetzgebungsverfahren (pdf)  ]]> Strafprozessrecht (doublet) news-39 Tue, 23 Sep 2008 20:00:00 +0200 Personelle und inhaltliche Kontinuitäten am Bundesgerichtshof: Folgen der gescheiterten Entnazifizierung der Justiz nach 1945 /publikationen/mitteilungen/mitteilung/personelle-und-inhaltliche-kontinuitaeten-am-bundesgerichtshof-folgen-der-gescheiterten-entnazifizierung-der-justiz-nach-1945-39 Veranstaltung, Berlin, 23.9.2008
      Klaus-Detlev Godau-Schüttke, 1942 geboren, war bis 2007 Richter am Landgericht Itzehoe. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit dem Themengebiet der Kontinuitäten in der bundesdeutschen Justiz nach 1945. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zum Thema gehören: Der Bundesgerichtshof. Justiz in Deutschland (2005), Die Heyde/Sawade-Affäre (1998) sowie Die „Renazifizierung“ der schleswig-holsteinischen Justiz nach 1945 (1993).

      Hannes Honecker ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins e.V.

      Dienstag 23. September 2008 20.00 Uhr

      Vortrag: Dr. Klaus-Detlev Godau-Schüttke, Itzehoe
      Moderation: Hannes Honecker, Berlin
      Martin-Gropius-Bau Kinosaal
      Niederkirchnerstr. 7 | 10963 Berlin-Kreuzberg
      - Eintritt frei -]]>
      NS-Verbrechen (doublet)
      news-71 Thu, 17 Jul 2008 18:26:00 +0200 Gewalt in Bolzaneto wurde bestätigt: Wir haben die Wahrheit, aber keine Gerechtigkeit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gewalt-in-bolzaneto-wurde-bestaetigt-wir-haben-die-wahrheit-aber-keine-gerechtigkeit-71 Pressemitteilung der EDA/AEDvom 17.7.2008 Sieben Jahre nach den Vorkommnissen und vier Jahre nach Prozesseröffnung hat das Gericht in Genua den Opfern des Bolzaneto-Lagers teilweise Gerechtigkeit widerfahren lassen.

      Das Gericht hat die schlimmsten Verletzungen der Grundrechte bestätigt, u. a. die unmenschliche Behandlung Gefangener und die Gewaltanwendung. Alle Beamten, die für die Struktur verantwortlich waren, wurden verurteilt. Wir warten nun die Urteilsbegründungen ab, um die zur Zeit noch unklaren Punkte bewerten zu können, z. B. der Freispruch einiger Beschuldigter, die augenscheinlich eine Falschaussage geleistet haben, und die milden Strafen, die teilweise verhängt wurden. Die Tatsache, dass es kein Gesetz zur Bestrafung von Folter gibt, sowie das geschlossene Stillschweigen der Polizeikräfte haben verhindert, dass trotz der schwerwiegenden Fakten härtere Strafen ausgesprochen wurden.

      Hintergrund:
      Im so genannten Bolzaneto-Prozess werden mutmaßliche Misshandlungen an Demonstranten durch Polizisten und Wachpersonal im Rahmen des G8-Gipfels in Genua (Italien) in der Polizeikaserne Bolzaneto verhandelt.
      Während der Demonstrationen, die 2001 in Genua gegen den G8-Gipfel stattfanden, kam es zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen Globalisierungskritikern und den italienischen Sicherheitskräften. Viele Demonstranten wurden verhaftet, ca. 300 von ihnen in der Kaserne Bolzaneto, die als provisorische Gefangenensammelstelle diente, für wenige Tage festgehalten. Hier soll es zu gewalttätigen Übergriffen, Misshandlungen und Folterungen gegen die Insassen gekommen sein. Im einzelnen gibt es Schilderungen von erzwungenem stundenlangen Stehen, Schlafentzug, Verweigerung des Toilettenbesuchs, Androhung sexueller Gewalt, Erniedrigung insbesondere in Verbindung mit dem Zwang, sich ausziehen zu müssen und im allgemeinen über massive Gewaltanwendung. Insassen berichten, dass sie gezwungen wurden faschistische Lieder zu singen. Ärzten und Pflegepersonal wird mangelnde Versorgung der vielen Verletzten unter den Inhaftierten vorgeworfen, anderen unterlassene Hilfeleistung oder schlichte Duldung der Vorgänge. Insgesamt müssen sich 45 Angeklagte für Körperverletzungen und Verletzung der Amtspflicht verantworten. Im Oktober 2005 wurde die Hauptverhandlung eröffnet.

      Weitere Informationen finden sie unter dem folgenden Link. Diese Informationen sind auf Englisch, Italienisch und Französisch zugänglich. www.aeud.org

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      Repression in Europa (doublet)
      news-40 Fri, 18 Apr 2008 16:20:00 +0200 Drohendes Berufsverbot für die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin in der Türkei /publikationen/mitteilungen/mitteilung/drohendes-berufsverbot-fuer-die-rechtsanwaeltin-und-menschenrechtsaktivistin-eren-keskin-in-der-tuerkei-40 Pressemitteilung vom 11.04.2008 Unsere Kollegin Eren Keskin, bekannt für ihr unermüdliches und mutiges Engagement für Menschen- und Freiheitsrechte in der Türkei, wurde am 20.03.08 durch das Amtsgericht Kartal/ Istanbul zu 6 Monaten und 20 Tagen Haft sowie einer Geldstrafe in Höhe von 4000 NTLira (ca. 2000 €) gem. Art. 301 Abs. 2 Türkisches Strafgesetzbuch wegen Verunglimpfung und Herabwürdigung des Türkischen Militärs verurteilt. Strafverschärfend wurde gem. Absatz 3 des Art. 301 TStGB  bewertet, dass die Tat durch eine türkische Staatsangehörige im Ausland begangen wurde.

      Der Verurteilung liegt ein Interview zu Grunde, welches in der Zeitung „Tagesspiegel“ vom 24.06.2006 veröffentlicht wurde und in welchem Rechtsanwältin Keskin erneut ihre Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass die Politik der Türkei nach wie vor vom Militär bestimmt wird und ein Zusammenschluss von Personen, welcher bei der Abteilung für Sonderkriegsführung beim Generalstab angesiedelt ist, mit aller Macht die Aufrechterhaltung der autoritären Staatsordnung zu bewirken versucht. Sie sei der Ansicht, dass auch der Anschlag auf das oberste Verwaltungsgericht in der Türkei durch diese Kräfte lanciert worden sei, um so Angst und Schrecken vor einer vermeintlich islamischen Gefahr zu schüren, hierdurch von den eigentlichen Demokratisierungsproblemen der Türkei abzulenken und auf diese Art die Macht des Militärs zu stärken.

      In der mündlichen Verhandlung berief sich die Kollegin Eren Keskin auf die Meinungs- und Äußerungsfreiheit:  „Es ist meine Überzeugung, dass das Militär die Demokratisierung der Türkei behindert. Ich bin der Ansicht, dass das Militär zu großen Einfluss auf die Justiz und Politik der Türkei ausübt und dass es sich daraus zurückziehen sollte. Ich habe damit nicht die Armee herabwürdigen, sondern meine politische Meinung äußern wollen. Ich bin der Überzeugung, dass das keine Straftat sein kann.“

      Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt. Etliche Strafverfahren ähnlichen Hintergrunds gegen Eren Keskin sind noch anhängig oder befinden sich in der Rechtsmittelinstanz. Aber nicht nur die drohende Haft soll unsere Kollegin zum Schweigen bringen.

      Auf die Aufforderung des Präsidiums des militärischen Generalstabs hin hat die Rechtsanwaltskammer Istanbul schon mit Beschluss vom 06.12.2007 ein Disziplinarverfahren gegen Eren Keskin eingeleitet, an dessen Ende ein erneutes Berufsausübungsverbot droht. Allein die breite öffentliche Diskussion dieser Entscheidung hat bereits jetzt dazu geführt, dass Mandantinnen und Mandanten eingeschüchtert das Mandat entziehen und sich aus Angst kaum noch Menschen mit ihrer Sache an die Kollegin Keskin wenden, so dass diese auch existenziell in eine Notlage gerät.

      Bereits am 12.07.2002 hatte die Nationale Anwaltskammer der Türkei ein einjähriges Berufsausübungsverbot gegen Eren Keskin verhängt, welches durch das Justizministerium bestätigt worden war. Auch damals lagen Verurteilungen wegen Meinungsäußerungsdelikten dem Entzug der Zulassung zu Grunde.

      Wir fordern die Anwaltskammer auf, Kolleginnen und Kollegen, welche von ihrem unveräußerlichen Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, nicht in ihrer Berufsausübung zu behindern, sondern sich stützend hinter diese zu stellen und so die freie Advokatur und die Menschenrechte in der Türkei zu stärken.

       

       
      Berlin, 11.04.08

      Jutta Hermanns für den RAV  ]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet) Freie Advokatur (doublet)
      news-43 Fri, 15 Feb 2008 16:18:00 +0100 Wen schützt die Bundeswehr in Afghanistan? – Welche Rolle können/müssen zivile Konfliktlösungsstrategien im Friedensprozess in Afghanistan spielen? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/wen-schuetzt-die-bundeswehr-in-afghanistan-welche-rolle-koennen-muessen-zivile-konfliktloesungsstrategien-im-friedensprozess-in-afghanistan-spielen-43 Veranstaltung, Berlin, 15.2.2008 Bleibt es dabei: Krieg löst keine Probleme, sondern verschärft sie?
      Die verbale Ablehnung von Krieg schafft noch keinen Frieden. Kontrovers diskutiert werden Strategien mit oder ohne Militär, die Frieden sichern sollen.
      Das Völkerrecht wird zur Begründung unterschiedlicher Friedensstrategien herangezogen, ge- und auch missbraucht.
      Die Rolle von Militär, die Bedeutung und Funktion von Hilfsorganisationen und humanitärer Hilfen, die Möglichkeiten der zivilen Konfliktregulierung und der Konflikt-Prävention sind zentrale Stichworte dieser Debatten. Geht es in Afghanistan auch um imperiale Interessen, den Zugang zu Rohstoffen und Ressourcen in dieser Weltregion? Welche Rolle spielen Fragen der „Bündnis-Solidarität“? Welche strategischen Interessen verbergen sich hinter dem Konzept des „War on Terror“?

      Wir wollen mit der Veranstaltung, mit Experten, für ein wenig mehr Klarheit sorgen, Positionen verdeutlichen, für einen Frieden ohne Gewalt werben.

      Mit
      Christoph Strässer, MdB, SPD
      Winfried Nachtwei, MdB, Bündnis 90/Die Grünen
      Wolfgang Gehrcke, MdB, Die Linke
      Cornelia Brinkmann, langjährige Tätigkeit im Rahmen ziviler Konflikt-Bearbeitung in Afghanistan, ZFD
      Dr. Reinhard Mutz (angefragt), Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (ISFH)
      Moderation: Rechtsanwalt Otto Jäckel, Vorstand der IALANA Eine Diskussionsveranstaltung der IALANA und des RAV am Freitag, den 15. Februar 2008 um 19.00 Uhr in Berlin, Glinkastraße 5 (U-Bahn-Station Mohrenstrasse (U2)), Versammlungsraum Erdgeschoss.]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet)
      news-42 Mon, 17 Dec 2007 16:14:00 +0100 Null Toleranz für die Versammlungsfreiheit? Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und Überwachungsstaat“ am 15. Dezember in Hamburg: Grundrechte mit Polizeistiefeln getreten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/null-toleranz-fuer-die-versammlungsfreiheit-demonstration-gegen-sicherheitswahn-und-ueberwachungsstaat-am-15-dezember-in-hamburg-grundrechte-mit-polizeistiefeln-getreten-42 Pressemitteilung vom 17.12.2007 Demonstrationsfreiheit (doublet) news-70 Thu, 06 Dec 2007 18:21:00 +0100 Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2007 an den Anwaltlicher Notdienst/Legal Team/Buchneuerscheinung "Feindbild Demonstrant" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verleihung-der-carl-von-ossietzky-medaille-2007-an-den-anwaltlicher-notdienst-legal-team-buchneuerscheinung-feindbild-demonstrant-70 Pressemitteilung vom 6.12.2008 Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team zum G8-Gipfel in Heiligendamm wird am Sonntag, dem 9. Dezember, von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2007 ausgezeichnet. Für den Anwaltlichen Notdienst nehmen die Rechtsanwältinnen Verina Speckin (Rostock), Silke Studzinsky (Berlin) und Undine Weyers (Berlin) die Auszeichnung entgegen.

      Unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und in Kooperation mit der Strafverteidigervereinigung Mecklenburg-Vorpommern sowie mehreren Ermittlungsauschüssen wurde für die Zeit der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Rostock Anfang Juni diesen Jahres ein Anwaltlicher Notdienst/Legal Team eingerichtet. Mehr als 100 KollegInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Belgien, Spanien und Griechenland beteiligten sich daran ehrenamtlich.

      Aus Anlass des Tages der Menschenrechte, dem 10. Dezember, verleiht die Internationale Liga für Menschenrechte in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille an den Anwaltlichen Notdienst/Legal Team. Die Internationale Liga für Menschenrechte würdigt damit "eine Gruppe, deren Mitglieder im Kampf für die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte während der Proteste gegen den G8-Gipfel in und um Heiligendamm Vorbildliches geleistet haben". Schon im November war der Anwaltliche Notdienst/Legal Team mit dem Preis "pro reo" der AG Strafverteidigung des Deutschen Anwaltsvereins ausgezeichnet worden.

      Zeitgleich mit der Preisverleihung erscheint das Buch "Feindbild Demonstrant. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienst/Legal Team" im Verlag Assoziation A. Die Beiträge beschäftigen sich u.a. mit verschiedenen Aspekten des modernisierten präventiven Sicherheitsstaats, der Verteidigung elementarer Grund- und Bürgerrechte und den Erfahrungen des Anwaltlichen Notdienstes. RechtsanwältInnen, JournalistInnen und ProtestbeobachterInnen analysieren hier die Facetten dieses "größten Polizeiansatzes aller Zeiten in Deutschland": mit den Razzien und der Kriminalisierung der GipfelkritikerInnen im Vorfeld, der gezielten Desinformationspolitik, den gravierenden Einschränkungen des Demonstrationsrechts, der Entfesselung des Polizeiapparats, der Beschneidung der Rechte von Inhaftierten sowie dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

      Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team leistete nicht nur den über 1.000 Fest- und Ingewahrsamgenommenen der Rostocker Protesttage rechtlichen Beistand. Die Haftunterbringung sowie die Vorführung vor den gesetzlichen Richter wurden ebenso zum Gegenstand anwaltlicher Arbeit wie die Dokumentation massenhafter Grundrechtsverletzungen durch die Polizei und die öffentliche Berichterstattung hierüber. KollegInnen des Notdienstes vertraten auch die OrganisatorInnen verschiedener Demonstrationen und Aktionen vor den Gerichten – bis hin zum Bundesverfassungsgericht, um juristisch gegen die massiven Einschränkungen der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit durch die Sicherheitsbehörden vorzugehen. Zudem begleiteten KollegInnen des Anwaltlichen Notdienstes/Legal Team auch Demonstrationen und boten auf der Straße rechtlichen Beistand. Dabei waren sie mit massiven Behinderungen ihrer anwaltlichen Tätigkeit bis hin zu Gewaltanwendung durch Polizeibeamte konfrontiert.


      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein/Legal Team (Hg.): Feindbild Demonstrant Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes. Assoziation A, Berlin 2007. ISBN 978-3-935936-68-2. 176 Seiten. 10 Euro.

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      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-66 Fri, 23 Nov 2007 17:49:00 +0100 Polizeiliche Übergriffe und Gegenstrategien /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeiliche-uebergriffe-und-gegenstrategien-66 Veranstaltung, Berlin, 23.11.2007
      Moderation: Heike Kleffner Freitag, 23. November 2007, 17-20 Uhr Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin Raum 3094 (Hauptgebäude, Seitenflügel, 3. OG)

      Eine Veranstaltung von amnesty international (ai) und dem RAV
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      Polizeirecht (doublet)
      news-69 Tue, 20 Nov 2007 18:15:00 +0100 Sammelklagen gegen willkürliche und menschenunwürdige Inhaftierung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sammelklagen-gegen-willkuerliche-und-menschenunwuerdige-inhaftierung-69 Pressemitteilung vom 20.11.2007
      Hintergrund: Nachdem am frühen Morgen des 7. Juni 2007 auf einer Straße zwischen den Ortschaften Kühlungsborn und Kröppelin von Unbekannten eine brennende Barrikade errichtet worden war, ließ die Polizei ab 7.30 Uhr in den umliegenden Waldstücken wahllos alle Personen verhaften, die sich auf dem Weg zu Protestaktionen gegen den G8-Gipfel befanden. Obwohl sich aus den Akten ergibt, dass ein Eilrichter bereits gegen 15.30 Uhr für etliche der Betroffenen ausdrücklich die sofortige Freilassung verfügt hatte, wurden sie teilweise bis in die Nachtstunden des Folgetages in Käfigzellen der BAO Kavala festgehalten.

      "Laut Aktenlage hat sich die Polizeibehörde Kavala damit sogar über gerichtliche Entscheidungen hinweg gesetzt," kritisiert Rechtsanwältin Karen Ullmann.

      Sie hat wegen dieser Vorgänge bereits am 14. August 2007 Strafanzeige u.a. wegen Freiheitsberaubung gegen die verantwortlichen Polizeibeamten -- u.a. gegen KOR Krense als Leiter der Gefangenensammelstellen - bei der Staatsanwaltschaft Rostock erstattet.

      Unmittelbar nach dem G8-Gipfel leitete die Polizei gegen alle 193 in der "Kühlung" festgenommenen GlobalisierungskritikerInnen ein Strafverfahren wegen "gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr" (§ 315 b StGB) ein. Die Verfahren wurden jedoch bereits im September 2007 durch die Staatsanwaltschaft Rostock wieder eingestellt. Begründet wurde dies mit der ausdrücklichen Feststellung, dass alle Personen in dem Waldstück festgenommen wurden, ohne dass irgendein Bezug zur Errichtung der Straßenblockade bestand.

      Mit den nun gemeinsam eingereichten Klagen setzen sich die Betroffenen zur Wehr. Sie wollen zum einen gerichtlich festgestellt wissen, dass die Freiheitsentziehungen rechtswidrig waren. Denn: "Das Vorgehen der BAO Kavala war willkürlich und ohne jede Tatsachengrundlage und wurde dann auch noch trotz gegenteiliger Richterentscheidungen fortgesetzt," so Rechtsanwältin Britta Eder.

      Zum anderen soll die Menschenunwürdigkeit der Unterbringung und die
      Vereitelung von Rechtsschutz durch die BAO Kavala gerichtlich
      festgestellt werden, insbesondere:
      * die stundenlange Unterbringung mit bis zu 50 Gefangenen unter
      Aufhebung jeglicher Privatsphäre in teilweise durchgehend
      beleuchteten und videoüberwachten Käfigzellen;
      * die ebenso rechtswidrige wie schikanöse Fesselung von Gefangenen
      mittels sog. Kabelbinder selbst in den Käfigzellen
      * und die Verweigerung von Telefonaten zur Kontaktaufnahme mit
      RechtsanwältInnen.

      Bereits während des G8-Gipfels waren die Haftbedingungen in den
      Gefangenensammelstellen vom Anwaltlichen Notdienst und verschiedenen Menschenrechtsgruppen kritisiert worden.

      Neben der Rehabilitierung der Betroffenen geht es bei den Feststellungsklagen auch um die Desinformationspolitik seitens der BAO Kavala und des Schweriner Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Insbesondere Innenminister Caffier hatte nach dem G8-Gipfel mehrfach gegenüber Medien und Parlamentsausschüssen versucht, die Massenverhaftungen als legitim darzustellen, die unmenschlichenHaftbedingungen zu bagatellisieren sowie die Fesselung in den Gefangenensammelstellen und die Verweigerung von Anwaltskontakten zu leugnen.

      "Eine ernsthafte parlamentarische Aufarbeitung der vielfältigen Grundrechtsverstöße anlässlich des G8-Gipfels hat bislang nicht stattgefunden und war offensichtlich nicht gewollt. Es ist leider einmal mehr an der Justiz, der Politik die rechtsstaatlichen Standards aufzuzeigen. Wir hoffen daher auch, dass sich das Verwaltungsgericht
      zügig mit den Sachverhalten befasst," sagt Rechtsanwalt Carsten Gericke.

      Für weitergehende Informationen und Fragen:

      Rechtsanwältin Britta Eder/Rechtsanwältin Karen Ullmann
      Tel.: 040/32033756 Tel.:040/99993906

      Rechtsanwalt Carsten Gericke/Rechtsanwalt Felix Isensee
      Tel: 040/43135110 Tel.:0331/5817779]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-68 Fri, 09 Nov 2007 18:12:00 +0100 Anwaltlicher Notdienst zum G8-Gipfel in Heiligendamm erhält „pro reo“-Preis des Strafrechtsauschusses des Deutschen Anwaltsvereins /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-zum-g8-gipfel-in-heiligendamm-erhaelt-pro-reo-preis-des-strafrechtsauschusses-des-deutschen-anwaltsvereins-68 Pressemitteilung vom 9.11.2007
      Unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und in Kooperation mit der Strafverteidigervereinigung Mecklenburg-Vorpommern sowie mehreren Ermittlungsauschüssen wurde für die Zeit der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Rostock Anfang Juni diesen Jahres ein Anwaltlicher Notdienst/Legal Team eingerichtet. Mehr als 100 KollegInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Belgien, Spanien und Griechenland beteiligten sich daran ehrenamtlich.

      Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team leistete nicht nur den über 1.000 Fest- und Ingewahrsahmgenommenen der Rostocker Protesttage rechtlichen Beistand. Die Haftunterbringung sowie die Vorführung vor den gesetzlichen RichterInnen wurden ebenso zum Gegenstand anwaltlicher Arbeit wie die Dokumentation massenhafter Grundrechtsverletzungen durch die Polizei und die öffentliche Berichterstattung hierüber. KollegInnen des Notdienstes vertraten auch die OrganisatorInnen verschiedener Demonstrationen und Aktionen vor den Gerichten – bis hin zum Bundesverfassungsgericht, um juristisch gegen die massiven Einschränkungen der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit durch die Sicherheitsbehörden vorzugehen. Zudem begleiteten KollegInnen des Anwaltlichen Notdienstes/Legal Team auch Demonstrationen und boten auf der Straße rechtlichen Beistand. Dabei waren sie mit massiven Behinderungen ihrer anwaltlichen Tätigkeit bis hin zu Gewaltanwendung durch Polizeibeamte konfrontiert.

      Der AG Strafrecht des DAV würdigt mit dem Preis „pro reo“ die weit über den Bereich der Strafverteidigung hinausgehende professionelle Arbeit der im Notdienst arbeitenden KollegInnen. Diese vereinigten in fast einzigartiger Art und Weise ExpertInnen im Bereich der Strafverteidigung, des Polizeirechts, des Versammlungsrechts, des polizeilichen Freiheitsentziehungsrechts, des Datenschutzrechtes und des Verfassungsrechts.

      “Die elementaren Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit werden in den Gerichtssälen, aber auch auf der Straße, auf Veranstaltungen und Demonstrationen verteidigt,” sagt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV. “Der Preis der AG Strafrecht des DAV ist gleichzeitig auch eine Ermutigung, in diesem Engagement nicht nachzulassen.” Preisverleihung: Samstag, den 10.11.2007, um 11.15 Uhr im Grand Elysee Hotel, Hamburg ]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-67 Thu, 01 Nov 2007 18:09:00 +0100 Strafverfahren gegen G8-Gegner wegen „Autobahnblockade“ in Rostock-Laage eingestellt – Betroffene erstatten Anzeige gegen die ermittelnden Polizeibeamten wegen Freiheitsentziehung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-g8-gegner-wegen-autobahnblockade-in-rostock-laage-eingestellt-betroffene-erstatten-anzeige-gegen-die-ermittelnden-polizeibeamten-wegen-freiheitsentziehung-67 Pressemeldung 1.11.2007 Die Staatsanwaltschaft rügt das pauschale Vorgehen der Polizei gegen 98 Mitfahrer der Pkws, die bei einer angeblichen Autobahnblockade festgenommen wurden. Die mittlerweile aufgelöste Sonderbehörde Kavala und das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns hielt sich nicht an die rechtlichen Vorgaben der Staatsanwaltschaft Rostock und überzog willkürlich mutmaßliche Gipfelgegner mit Ermittlungsverfahren.

      Am 6.Juni 2007 waren 98 Personen auf der BAB vom Flughafen Laage nach Rostock von der Polizei auf einen Parkplatz geleitet und dort festgenommen worden. Der Vorwurf lautet, sämtliche 98 festgenommenen Personen hätten gemeinsam mit insgesamt 23 Fahrzeugen versucht, eine Autobahn zu blockieren und sich damit der "kollektiven Nötigung" und eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht. Alle Betroffenen waren mehr als 2 Stunden gefesselt in einem Polizeikessel auf dem Parkplatz festgehalten und dann in die Gefangenensammelstelle Industriestraße verbracht worden. Dort waren sie in Massenkäfigen verwahrt worden. Im Kessel und später in der Gefangenensammelstelle war ihnen der Kontakt zu den AnwältInnen des anwaltlichen Notdienstes verweigert worden. Erst kurz vor Mitternacht war ein Teil der Betroffenen sukzessive entlassen worden, ohne dass sie einen Richter sahen. Etwa 15 Personen wurden erst lange nach Mitternacht den Eilrichtern vorgeführt, die dann die Freilassung verfügten, weil gegen alle Betroffenen nichts vorlag.

      Die ehemalige Sonderpolizeibehörde Kavala leitete entgegen der rechtlichen Einschätzung der Staatsanwaltschaft Rostock gegen alle Betroffenen ein Ermittlungsverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft verfügte darauf am 5. September 2007 die Einstellung der Verfahren.

      Sie führt in ihrer Einstellungsverfügung aus:

      "Ein Blockieren dieser Autobahn ist bereits möglich, wenn nur zwei Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit bis zum Stillstand verringern (...). Nicht ermittelt worden ist, warum aber genau 23 Fahrzeugführer aktiv an dem Abbremsen und dem "Hindernis bereiten" beteiligt gewesen sein sollen.

      Unverständlich (...) ist weiterhin, warum gegen 86 Fahrzeuginsassen Strafanzeige wegen Mittäterschaft erstattet worden ist. Es heißt dazu in der Strafanzeige lediglich, dass diese "durch ihre Passivität" das Handeln der anderen Fahrzeugführer billigten."

      Der Einstellungsvermerk führt weiter aus, dass "demonstrative Blockaden" nur dann Nötigung darstellen können, wenn Gewalt gegen Dritte ausgeübt wird. Die Ausübung von Zwang als Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit für politische Ziele sei zwar im einzelnen umstritten, setzt aber eine "Verwerflichkeit" im Verhältnis von Zweck und Mittel voraus, die hier nicht ersichtlich gewesen sei.

      Die Staatsanwaltschaft hat daher die Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit der vermeintlichen Autobahnblockade angeordnet.

      Noch immer führt das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns in seinen Abschlußberichten diese Ermittlungsverfahren als Beweis der "Gewaltbereitschaft" der Gipfelgegner auf. Augenscheinlich nutzten Innenministerium und seine ehemalige Sonderbehörde Ermittlungsverfahren auch gegen rechtliche Bedenken zur Sanktionierung von Gipfelgegnern und zu politischen Zwecken.

      Einige der Betroffenen haben nun eigene Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung gegen die Polizei einreicht. Auch sind noch Verfahren vor dem Amtsgericht Rostock, dem Landgericht Rostock und dem Verwaltungsgericht Schwerin wegen nachträglicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung, der Fesselung und der Käfighaltung noch anhängig.


      Kontakt:
      Rechtsanwältin Ulrike Donat
      Holstenstr. 194 c, 22765 Hamburg
      040 - 39 10 61 80

      Rechtsanwältin Karen Ullmann
      Bergiussstr. 22, 22765 Hamburg
      040 - 9999 3906

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      Politische Justiz (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-47 Thu, 25 Oct 2007 16:51:00 +0200 Mitteilung an die Presse im Fall Andrej H. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mitteilung-an-die-presse-im-fall-andrej-h-47 Pressemitteilung 25.10.2007 Politische Justiz (doublet) news-48 Sun, 30 Sep 2007 16:56:00 +0200 Ist jetzt alles Terrorismus? Die politische Dimension des § 129a /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ist-jetzt-alles-terrorismus-die-politische-dimension-des-129a-48 Veranstaltung, Berlin, 30.9.2007 Informationsveranstaltung zum aktuellen § 129a-Verfahren in Berlin und zur Sicherheitspolitik der Bundesregierung

      Ende Juli 2007 wurden sieben Personen in Berlin von der Generalbundesanwaltschaft beschuldigt, Mitglieder einer 'terroristischen' Vereinigung, der 'militanten gruppe' (mg), zu sein (nach § 129a Strafgesetzbuch). Vier von ihnen wurden verhaftet. Drei befinden sich noch immer unter verschärften Haftbedingungen in Untersuchungshaft. Sie werden beschuldigt, an Fahrzeugen der Bundeswehr Brandsätze angebracht zu haben. Die anderen vier werden einer Art intellektueller Täterschaft bezichtigt. Ihre wissenschaftlichen und journalistischen Publikationen enthalten Begriffe, die auch in Bekennerschreiben der 'mg' zu finden sein sollen. Ihnen wird vorgeworfen, sich an Debatten zu beteiligen, die etwa die gegenwärtigen Militäreinsätze der Bundesregierung, die Umstrukturierung von Städten oder Stadtteilen oder den Ausbau des Sicherheitsstaats kritisieren. Der Vorwurf der Generalbundesanwaltschaft, dass es sich bei den sieben Personen um eine 'terroristische Vereinigung' handeln soll, baut auf abenteuerlichen Konstrukten auf.

      Die Vorfälle sind vorläufiger Höhepunkt einer Kriminalisierungs- und Stigmatisierungskampagne von kritischer Wissenschaft und politischer Praxis, die stark an die 1980er Jahre erinnert. Gleichzeitig sind sie Ausdruck einer zunehmenden Einschränkung politischer Grundrechte. Wenn es aufgrund des bundesanwaltschaftlichen Konstrukts zu Verurteilungen kommt, werden wir in einer anderen Republik leben. Dann könnten zukünftig alle kriminalisiert werden, die sich kritisch mit staatlicher Politik und ökonomischer Macht auseinandersetzen.

      Die vier der 'intellektuellen Täterschaft' Beschuldigten werden bereits seit September 2006 rund um die Uhr überwacht. Die drei derzeit Inhaftierten wurden überwacht, nachdem sich im April 2007 einer von ihnen mit einem der vier, die der 'intellektuellen Täterschaft' beschuldigt werden, 'konspirativ' getroffen haben soll. Was Gegenstand dieser Treffen gewesen sein soll, kann die Generalbundesanwaltschaft nicht sagen.

      Bisher haben im In- und Ausland eine Vielzahl von Initiativen und Tausende von Einzelpersonen Aufrufe unterschrieben und die Generalbundesanwaltschaft aufgefordert, das Verfahren nach § 129a sofort einzustellen. Dennoch scheint die Tragweite dieser Geschehnisse noch nicht öffentlich wahrgenommen zu werden. Es handelt sich hier nicht um einen Einzelfall. Vielmehr zeigen diese Ereignisse den Wandel des bürgerlichen Rechtsstaats zum präventiven Sicherheitsstaat – im Namen eines angeblichen Kampfes gegen den 'Terror'.

      Das Konstrukt einer 'terroristischen Vereinigung' durch die Bundesanwaltschaft mit Hilfe des § 129a ist für die breite Öffentlichkeit kaum verständlich. Noch weniger verstanden wird bisher jedoch, welche Folgen dieses Verfahren für kritische Wissenschaft, Kunst und politisches Engagement haben wird. Die Freiheit der Rede, des künstlerischen Ausdrucks und der politischen Praxis drohen in einem Klima der Angst zu ersticken.

      Die Veranstaltung wird über den aktuellen Fall und über den § 129a
      informieren: Welche Geschichte hat der § 129a? Welchen Zweck hat dieser Paragraf heute? Sind politische Interessen im Spiel oder zeigt sich in seiner Anwendung nur die normale Funktionsweise der so genannten Inneren Sicherheit? Welche Gesetzesänderungen stehen an? Was bedeutet dies für politisches Engagement und kritische Wissenschaft? Werden demokratische Grundrechte aufgegeben?

      Es sprechen:

      • Christina Clemm (Rechtsanwältin) informiert zum aktuellen Stand des Verfahrens in Berlin.
      • Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte) klärt über die historische und gegenwärtige Bedeutung des § 129 a, seine justizpolitischen Implikationen und dessen europäische Dimension auf.
      • Dr. Fritz Storim (Politischer Aktivist und von mehreren Strafverfahren nach dem § 129a betroffen; Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz, MAUS e.V., Bremen) verdeutlicht, welche Auswirkungen dieser Paragraf – ohne dass Straftaten nachgewiesen werden – auf die davon Betroffenen hat.
      • Prof. Dr. Roland Roth (Hochschule Magdeburg-Stendal, Komitee für Grundrechte und Demokratie) beschreibt die gegenwärtigen Bestrebungen der Bundesregierung, über den § 129a hinaus weitere Überwachungsmaßnahmen, Strafgesetze und Kriminalisierungen einzuführen – und er zeigt, was derartige Kriminalisierungen bereits heute für soziale Bewegungen bedeuten.
      • Dr. Britta Grell (Moderation, INURA. International Network of Urban Research and Action, Berlin)


      Sonntag, 30. September 2007, 11.00 – 13.30 Uhr
      Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
      Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
      Linienstraße 227, 10178 Berlin
      [Anfahrt: U 2 Rosa-Luxemburg-Platz
      S-Bahn Alexanderplatz
      Busse: 200, 240, TXL ; Tram: M2, M8 an der Torstraße]
       
      Veranstalter:
      Bündnis für die Einstellung des § 129a-Verfahrens, Berlin
      akj-berlin. arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin
      Berliner MieterGemeinschaft e.V.
      Berliner Sozialforum
      FelS – Für eine linke Strömung
      INURA – International Network for Urban Research and Action, Berlin
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      PROKLA – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
      RAV – Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Rosa Luxemburg Stiftung
      Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte, Vorstand
      Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

      Unterstützer:
      ak – analyse & kritik
      Zeitschrift telegraph]]>
      Innere Sicherheit (doublet) Politische Justiz (doublet)
      news-65 Mon, 27 Aug 2007 17:47:00 +0200 Verwaltungsgericht Schwerin soll Rechtswidrigkeit der Tornado-Aufklärungsflüge gegen Globalisierungskritiker feststellen - "Einsatz von Militär gegen Bürgerinnen und Bürger darf nicht zur Normalität werden." /publikationen/mitteilungen/mitteilung/verwaltungsgericht-schwerin-soll-rechtswidrigkeit-der-tornado-aufklaerungsfluege-gegen-globalisierungskritiker-feststellen-einsatz-von-militaer-gegen-buergerinnen-und-buerger-darf-nicht-zur-normalitaet-werden-65 Pressemitteilung 27.8.2007
      Die Kläger - einer der Pächter des Camp-Geländes und zwei Mitglieder des Bundesvorstands der Jugendorganisation von Bündnis90/DIE GRÜNEN hielten sich während der mittlerweile vom Bundesverteidigungsministerium eingeräumten Tornado-Aufklärungsflüge am 5. Juni über dem Camp Reddelich bei Rostock auf. Sie wurden - ebenso wie tausende weiterer Camp-TeilnehmerInnen - von den Infrarotkameras der Tornados gefilmt. Zudem fühlten sie sich durch den niedrigen Überflug der Kampfflugzeuge massiv bedroht.

      "Mit der Klage beim Verwaltungsgericht Schwerin wird deutlich gemacht, dass der Tornado-Einsatz die Grundrechte der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung, Demonstrations- und Meinungsfreiheit verletzt," so Rechtsanwalt Sönke Hilbrans. Denn die angefertigten Luftbilder betreffen die Kläger und mehrere tausend weitere GlobalisierungskritikerInnen in ihrem Recht auf unbeobachtetes Auftreten in der Öffentlichkeit als Aspekt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wie es in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert ist.

      "Der Einsatz von Militär gegen Bürgerinnen und Bürger darf nicht zur Normalität werden," betont Rechtsanwalt Hilbrans. Angesichts der Tatsache, dass die politisch Verantwortlichen bislang keine Konsequenzen aus der Affäre gezogen haben, müssten nun die Gerichte den Schutz der Bürgerrechte wieder herstellen und der Bundeswehr - ähnlich wie bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam gegen das so genannte "Bombodrom" bei Wittstock - Grenzen setzen.

      Kontakt:
      RA Sönke Hilbrans: +49 30 446792 16 | www.diefirma.net |
      kanzlei@diefirma.net
      Gipfelsoli Infogruppe: +49 160 953 14 023 | www.gipfelsoli.org]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-73 Wed, 08 Aug 2007 16:45:00 +0200 Die Türkei und der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-tuerkei-und-der-internationale-pakt-ueber-buergerliche-und-politische-rechte-der-vereinten-nationen-73 Stellungnahme (IPwskR). Rechtsanwältin Jutta Hermanns stellt die wesentliche Inhalte des IPbpR vor und untersucht, welche Konsequenzen sich nach dem Beitritt der Türkei zu diesem Pakt für die dort lebende kurdische Bevölkerung ergeben. Artikel lesen (pdf)]]> Globale Gerechtigkeit (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet) news-64 Fri, 13 Jul 2007 17:44:00 +0200 Polizei setzt gezielte Desinformation fort – Zur Rede des Innenministers Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU) zu den Polizeieinsätzen anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm /publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizei-setzt-gezielte-desinformation-fort-zur-rede-des-innenministers-mecklenburg-vorpommern-lorenz-caffier-cdu-zu-den-polizeieinsaetzen-anlaesslich-des-g8-gipfels-in-heiligendamm-64 Pressemitteilung vom 13.7.2007 In einer vorab verbreiteten Rede vor dem Innenausschuss im Schweriner Landtag am heuti-gen Freitag leugnet Innenminister Lorenz Caffier (CDU) die Behinderung der anwaltlichen Tätigkeit vor Ort und in den Gefangenensammelstellen ebenso wie die Fesselungen der Gefangenen in den Zellen. Laut Caffier sei es zu 433 Anfragen nach Gefangenen von RechtsanwältInnen gekommen, die alle in Kontaktaufnahmen zu den MandantInnen endeten.

      Viele Betroffene bestätigen gegenüber VertreterInnen des Anwaltlichen Notdienstes, dass ihren Bitten nach einem Anwaltskontakt nicht nachgekommen wurde. Außerdem wurde AnwältInnen, die die Gefangenen direkt nach der Festnahme betreuen wollten, die Kontaktaufnahme verweigert mit der Begründung, diese sei nur in der Gefangenensammelstelle (Gesa) möglich. Dort wurde den AnwältInnen dann die Kontaktaufnahme verweigert, weil sie keine Namen der Betroffenen nennen konnten – den AnwältInnen vor Ort war jedoch verweigert worden, die Namen der Betroffenen aufzunehmen. Vor dem 6. Juni 2007 durfte jede/r Anwal-tIn in der Gesa nur den Namen einer Person nennen, nach der dann, teilweise bis zu einer Stunde, gesucht wurde. Anfragen nach weiteren MandantInnen wurden während dieser Zeit nicht entgegen genommen. Mindestens zwei Mal wurden alle AnwältInnen der Gefangenen-sammelstelle Industriestraße verwiesen.

      Am 06. Juni 2007 wurde den AnwältInnen vor Ort mitgeteilt, Anfragen nach MandantInnen müssten nunmehr telefonisch an eine/n bestimmte/n SachbearbeiterIn gerichtet werden. Die-se/r vermerke dann in der elektronischen Akte, dass ein/e RechtsanwältIn nach dem Man-danten gefragt habe. Es ist möglich, dass deshalb das Datensystem der Polizei 433 Anwaltskontakte ausweist. Wenn die/der für die Person zuständige SachbearbeiterIn diese Akte öffne, würde sie/er den Vermerk sehen und die/den AnwältIn benachrichtigen. Eine direkte Kontaktaufnahme der vor Ort anwesenden RechtsanwältInnen zu den Betroffenen nach An-frage war daher gerade nicht möglich, zumal es regelmäßig viele Stunden dauerte, bis den einzelnen Gefangenen einzelne SachbearbeiterInnen zugeordnet wurden.

      Auch für die stundenlange Fesselung der in Gewahrsam Genommenen in den Zellen gibt es viele Zeugen. Betroffen war unter anderem eine Gruppe, die am 7. Juni 2007 in einem Wald-stück mit dem Vorwurf festgenommen worden war, eine Barrikade angezündet zu haben. Es handelte sich um ca. 150 Personen, die gegen Mittag in der Gesa Ulmenstraße eintrafen. Ein Betroffener: "Es war ca. 14:00/14:30 Uhr. Wir saßen oder lagen alle gefesselt auf dem nackten Betonboden. Innerhalb von einer 3/4 bis 1 Stunde füllte sich der Käfig immer mehr. Ab der 30. Person beschwerten wir uns, dass es zu voll sei und versuchten, uns vor den Ein-gang zu stellen. Doch die Polizisten drückten immer noch mehr Männer in den Käfig, bis wir schließlich genau 50 Personen waren. "Da passt noch einer rein" war immer die Antwort. Wir kauerten wie die Tiere in dem viel zu vollen Käfig. Auch bei Toilettengängen wurden die Fesseln nicht gelöst. Erst um 18:00 Uhr kam eine neue Schicht, die die Fesseln entfernte. Schon zu Beginn der Festnahme und noch einmal bei der Aufnahme in der Gesa habe ich darum gebeten, telefonieren zu können und einen Rechtsanwalt sehen zu dürfen. Beides wurde mir versagt".

      Offensichtlich war die Polizei nicht nur damit überfordert, die Vielzahl von Gefangenen abzu-arbeiten, sondern auch rechtsstaatliche Standards wie Anwaltszugang, menschenwürdige Behandlung und unverzügliche Richterentscheidung sicherzustellen. In dem durch die man-gelhafte polizeiliche Organisation bei Masseningewahrsamnahmen vorprogrammierten Chaos wurde die Arbeit der Polizei durch engagierte AnwältInnen "gestört", die versucht haben, die Rechtsverletzungen der Polizei zu begrenzen und den Betroffenen Rechtsschutz zu ge-währen.

      „Wenn die Polizei das Recht von Gefangenen auf anwaltlichen Beistand als Störung empfindet, weist dies einmal mehr auf die fehlende Bereitschaft der Polizei hin, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren“, sagt Rechtsanwältin Ullmann vom RAV.

      Innenminister Lorenz Caffier behauptet nun, der RAV sei an einem konstruktiven Dialog nie interessiert gewesen, außerdem seien ständig wechselnde Personen im Namen des RAV aufgetreten. „Dies können wir nur als Versuch werten, von dem rechtswidrigen Polizeiverhal-ten vor Ort, der unzulänglichen Organisation der Gefangennahmen und der Vielzahl von er-schreckenden Betroffenenberichten dadurch abzulenken, dass der Überbringer der schlechten Nachricht stellvertretend für die Ursache zur Verantwortung gezogen werden soll. Dieses Verhalten zeigt, dass die Polizei nicht an einer Aufklärung der Vorkommnisse interessiert ist, sondern allein daran, ihre rechtswidrigen Standards bei Masseningewahrsamnahmen zu verteidigen und von Kritik an ihrem Verhalten abzulenken. Bei den von Innenminister Caffier verbreiteten Falschmeldungen muss mittlerweile leider von einer gezielten Desinformationskampagne gesprochen werden“ so Rechtsanwältin Ullmann.

      Bei Bedarf stellt der RAV für MedienvertreterInnen auf Anfrage Kontakt zu Betroffenen und vor Ort tätigen AnwältInnen her. Zur Rede des Innenministers Caffier: http://www.mv-zeitung.de/article-print-15580.html

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      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-63 Wed, 27 Jun 2007 17:38:00 +0200 Hearing "Was geschah in Heiligendamm?" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/hearing-was-geschah-in-heiligendamm-63 Pressemitteilung vom 27.06.2007 Nach dem fünfstündigen Hearing "Was geschah in Heiligendamm?" erheben die Veranstalter massive Vorwürfe gegen Polizei und Politik und fordern Konsequenzen zur Bewahrung der Bürger- und Freiheitsrechte. Bei der gestrigen Anhörung in den Räumen der Gewerkschaft ver.di in Berlin kamen über 30 Zeuginnen und Zeugen zum Ablauf der G8-Protestwoche zu Wort.

      Die Planung des Polizeieinsatzes war von Anfang an auf Eskalation ausgelegt. Politische Zielvorgabe war die weiträumige und totale Abschottung der Gipfelteilnehmer von ihren Kritikerinnen und Kinder. Dabei kam es zu einer weit reichenden Außerkraftsetzung von rechtsstaatlichen Schutzstandards und bürgerlichen Freiheitsrechten. Die Folge war die Behinderung und Unterbindung von politischem Protest.

      Die polizeiliche Sonderbehörde Kavala setzte diese Vorgaben in einem obrigkeitsstaatlichen Einsatzkonzept um. Geheimdienste, Bundeswehr und die Länderpolizeien wurden gegen das verfassungsrechtliche Trennungsgebot in den Planungen und ihrer Umsetzung integriert.

      Das Versammlungsrecht wurde mit den weiträumigen Demonstrationsverboten schwer beschädigt. Den Demonstranten blieb es in Heiligendamm überlassen, Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht zu verteidigen und sich dazu auch über rechtswidrige Verbote hinwegzusetzen. Die unzähligen polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld, bei den Grenzkontrollen und der Anreise, Schikanen gegenüber den Campenden, willkürliche Kontrollen und Platzverweise verschärften die Einschüchterung weiter.

      Der Datenschutzbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Neumann, bezeichnete die massiven Datenerhebungen, die zu keinen Verfahren führten, im Hearing zutreffend als "rechtswidrigen Überwachungsdruck".


      Die Behörde Kavala bediente sich der Propaganda und Provokation. Die vielen gezielten Falschmeldungen z.B. über Vermummungen und Steinewerfer in absolut friedfertigen Demonstrationen oder die angebliche "Säureattacke" durch Clowns führten auch zur weiteren Aufladung des Feindbildes bei den eingesetzten Beamten. Vielfach kam es zu willkürlichen Übergriffen auf Demonstrierende. Eine Gruppe von Fahrradfahrern wurde auf dem Heimweg ohne jeden Anlass mit Pfefferspray und Schlagstöcken attackiert.
      Mindestens zwei Personen erlitten schwere Augenverletzungen, hervorgerufen durch den harten Strahl von Wasserwerfern. Dies muss nach Ansicht der Veranstalter aufgeklärt werden und zu Strafverfahren führen. Durch die eidesstattliche Versicherung eines Zeugen wurde beim Hearing auch der gezielte Einsatz von Zivilbeamten als agents provocateurs untermauert.
      Deeskalation ging immer wieder von besonnenen Demonstrierenden aus - nicht von der Polizei. Das gilt auch für die Auseinandersetzungen während der Großdemonstration am Samstag, bei dem sich Hunderte an den Straßenschlachten mit der Polizei beteiligt hatten und viele Unbeteiligte durch prügelnde Polizei, Reizgas- und Wasserwerfereinsätze an Leib und Leben bedroht waren. Ein Symbol dafür ist der vielfache Einsatz der selbständig agierenden Beweis- und Festnahmeeinheiten (BFE), die bei den Auseinandersetzungen am Rande der Rostocker Großdemonstration maßgeblich beteiligt waren. Die Beruhigung kam erst nach intensiven Bemühungen eigener Ordner und Demonstranten zustande. Die Polizeieinheiten mussten mühselig (auch durch Kollegen) überzeugt werden, deeskalierende Absprachen zwischen Demonstrationsleitung und Polizeiführung einzuhalten.

      Betont wurde beim Hearing, dass es durchaus besonnene Polizeiführer und -einheiten gab, die sich korrekt, freundlich und deeskalierend verhielten - und auch bei Kavala gegen unsinnige Befehle intervenierten.

      Bei den Ingewahrsamnahmen und in den Gefangenensammelstellen wurde den Betroffenen seitens Kavala systematisch der Rechtsbeistand verweigert. Anwältinnen und Anwälte wurde der Zugang verweigert, obwohl die Inhaftierten nach anwaltlicher Unterstützung verlangten. Dabei wurde das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt. Die Polizei bestimmte darüber, ob Anwältinnen und Anwälte Zugang zu den in den Gefangenensammelstellen tätigen Richtern gewährt wurde oder nicht. Die Richter waren mit einem Schild "Kavala Justiz" gekennzeichnet. Sie präsentierten sich damit als Teil der Exekutive.

      Die rechtswidrige Ingewahrsamnahme unter fadenscheinigen Gründen war kein Einzelfall, sondern die Regel. Die Situation in den Gefangenensammelstellen war menschenunwürdig. Die oftmals tagelange Unterbringung in Käfigen bei permanenter Überwachung und Beleuchtung, die stundenlange Verzögerung der Freilassung trotz richterlichen Beschlusses und die Durchsuchung der Inhaftierten unter völligem Entkleiden verletzen die Menschenrechte von Gefangenen.

      Die Veranstalter des Hearings fordern daher parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum Verhalten der Polizei. Es muss ermittelt werden, wer für Planung und Einsatz bei Polizei, Bundeswehr und Politik verantwortlich war. Darüber hinaus ist endlich eine durchgehende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte einzuführen, um die Polizei bei rechtswidrigem Verhalten identifizieren zu können. Die Veranstalter betonen, dass letztlich die Politik für die Wahrung der Freiheitsrechte und ein rechtsstaatliches Vorgehen der Sicherheitsbehörden verantwortlich ist. Wer von der Polizei einen absolut störungsfreien G8-Gipfel ohne Wahrnehmung von Protest fordert, verlangt die
      Verletzung der Verhältnismäßigkeit.

      Ansprechpartner für die Veranstalter:
      · Manfred Stenner, Netzwerk Friedenskooperative,
      Tel. 0177-6014894
      · Matthias Monroy, Gipfelsoli Infogruppe, Tel. 0160-95314023
      · Michael Hiller, Rote Hilfe e.V., Tel. 0178-1489738
      · Peer Stolle, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein,
      Tel. 01577-4704760
      · Sven Giegold, Attac Deutschland, Tel. 0163-5957590

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      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-72 Tue, 26 Jun 2007 02:06:00 +0200 Die Türkei und die Minderheitenrechte am Beispiel der kurdischen Sprache /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-tuerkei-und-die-minderheitenrechte-am-beispiel-der-kurdischen-sprache-72 Stellungnahme Artikel lesen (pdf)
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      Globale Gerechtigkeit (doublet) Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-62 Tue, 19 Jun 2007 17:36:00 +0200 Anwaltlicher Notdienst/Legal Team ist erschrocken über das Ausmaß polizeilicher Übergriffe während des G8 und fordert die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-legal-team-ist-erschrocken-ueber-das-ausmass-polizeilicher-uebergriffe-waehrend-des-g8-und-fordert-die-einrichtung-eines-parlamentarischen-untersuchungsausschusses-62 Pressemitteilung vom 19.06.2007
      Im folgenden nur einige der gravierendsten Beispiele:
      Einem Ingewahrsamgenommenen wurde bei der Festnahme ein T-Shirt über den Kopf gezogen und im Nacken verknotet, so daß er nicht mehr sehen konnte. Er wurde gefesselt und mehrmals mit dem Kopf auf den Boden geschlagen.

      Eine Vielzahl von Menschen wurde bei der Festnahme geschlagen und verletzt und ohne ärztliche Versorgung in Gewahrsam genommen. Einem Clown wurde grundlos eine ca. 30cm große Gasflasche ins Gesichtgeschlagen. Clowns wurden gezwungen Wasser aus ihren Wasserpistolen zu trinken.

      Festgenommenen wurden in den Gefangensammelstellen, neben der Unterbringung in Käfigen Medikamente und Hilfsmittel wie z.b. Asthmaspray und Brillen abgenommen. Mehr als 50 Personen waren über einen Zeitraum 11 Stunden mit Kabelbindern mit den Händen auf dem Rücken gefesselt.

      Mindestens drei Betroffene wurden nach der Ingewahrsamnahme oder während Demonstrationen geschlagen, in hilflose Lagen versetzt und mit dem Tode bedroht. In jedem Fall wurde eine - wenn dann Logik - eröffnet und bei Nichtaussage oder Weiterprotestieren die Tötung durch Polizeibeamte angedroht. In einem Fall wurde auch das Verschwindenlassen angekündigt.

      Bei Kontrollen an einer S-Bahn Station nahe dem Camp Rostock Fischereihafen griffen Polizeibeamte Frauen in den Schritt und machten dabei anstößige Geräusche. Darüber hinaus mussten sich mehrere Frauen bei Kontrollen vor männlichen Beamten ausziehen.

      Der anwaltliche Notdienst ist erschrocken über eine derartige Praxis der Polizei und die Vielzahl und Vehemenz der Übergriffe und fordert die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klärung der Übergriffe. „Diese Vorfälle sind in ihrer Gesamtheit erschreckend und beängstigend zugleich, insbesondere in einem Staat, der für sich in Anspruch nimmt, ein rechtstaatlicher zu sein. Um dieser Willkür Einhalt zu gebieten, müssen sämtliche PolizeibeamtInnen offen eine Dienstnummer tragen, um Schwarze Schafe zur Verantwortung ziehen zu können“ sagt Dirk Audörsch einer der Anwälte des Legal Teams.

      Eine brutale Praxis wie diese lässt sich u.a. dadurch erklären, dass PolitikerInnen schon im Vorfeld des G8 die pauschale Stigmatisierung und Kriminalisierung der Protestbewegung betrieben haben. Diese Feindbildschaffung sowie die, in Zusammenhang damit, auf Eskalation angelegte Polizeistrategie machten es den Beamten möglich protestierende Menschen als Objekte zu betrachten und Übergriffe als normales und geduldetes Vorgehen anzusehen. Das ist durch nichts zu entschuldigen und nicht hinnehmbar.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Polizeirecht (doublet)
      news-61 Thu, 07 Jun 2007 17:32:00 +0200 AnwältInnen demonstrieren vor der Gefangenensammelstelle Industriestraße /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaeltinnen-demonstrieren-vor-der-gefangenensammelstelle-industriestrasse-61 Pressemitteilung vom 7.6.2007 Motto der Anwaltsdemonstration "Für faire Verfahren und freien Zugang zu den Verhafteten" /Hungerstreik von sechs Ingewahrsamgenommenen in der JVA Lübeck

      Um gegen die Behinderung ihrer anwaltlichen Arbeit zu protestieren, werden
      heute Nachmittag ab 15Uhr AnwältInnen des Legal Teams/Anwaltlicher Notdienst vor der Gefangenensammelstelle Industriestraße in Rostock-Schmarl
      demonstrieren. Mit dem Motto "für faire Verfahren und freien Zugang zu den
      Verhafteten" wollen die AnwältInnen auf die unhaltbaren Zustände in der
      Gefangenensammelstellen der BAO Kavala aufmerksam machen. Nach Informationen des Legal Team/Anwaltlicher Notdienst sitzen in der Gesa Industriestraße zur Zeit an die einhundert Menschen ein. Die Mehrheit von ihnen verlangt anwaltlichen Beistand, der ihnen durch die BAO Kavala verwehrt wird.

      Das Recht auf unverzüglichen anwaltlichen Beistand gehört zu den Grundrechten nach einem Freiheitsentzug. Zudem hindert die BAO Kavala die AnwältInnen an der freien Berufsausübung, wenn sie den AnwältInnen Beratungsgespräche mit den Inhaftierten verweigert. Um diesen Skandal öffentlich zu machen, haben sich die AnwältInnen zu dieser ungewöhnlichen Aktion entschieden.

      Heute morgen um 6 Uhr wurden sechs sich in Gewahrsam befindende junge Männer aus der JVA Bützow in die JVA Lübeck verbracht. Gegenüber den Betroffenen wurde die Maßnahme mit der Bemerkung begründet, es gäbe Platzprobleme vor Ort. Unter den Betroffenen befindet sich ein 23-Jähriger, der am Abend des 3. Juni nach dem Konzert am Stadthafen von Polizeibeamten aus Baden-Württemberg brutal misshandelt wurde. Der junge Mann befindet sich auf richterliche Anordnung bis zum 9. Juni, 12 Uhr in Gewahrsam. Obwohl die sechs jungen Männer sich nicht in Untersuchungshaft befinden, werden sie in der JVA Lübeck in Einzelzellen festgehalten. Zudem werden ihnen Telefonate mit ihren AnwältInnen verweigert.

      Aus Protest gegen diese Behandlung sind die jungen Männer in Hungerstreik getreten.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-60 Wed, 06 Jun 2007 17:30:00 +0200 Anwaltlicher Notdienst stellt erfolgreich Eilanträge gegen Platzverweise /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-stellt-erfolgreich-eilantraege-gegen-platzverweise-60 Pressemitteilung vom 6.6.2007
      Inzwischen liegen dem Legal Team/Anwaltlichen Notdienst mehrere Platzverweise vor, die über einen Zeitraum von 3. bis zum 9. Juni andauern und das gesamte Stadtgebiet von Rostock sowie den Landkreis Bad Doberan umfassen. Andere Betroffene haben Platzverweise für den Innenstadtbereich von Rostock erhalten – einer so genannten Zonen 100 und 101. Diese Platzverweise umfassen dann beispielsweise auch den Stadthafen, so dass die Betroffenen die dortigen kulturellen Veranstaltungen nicht mehr besuchen können. Andere Platzverweise umfassen eine so genannte Zone EA7, die von Warnemünde bis Roggentin und Groß Schwaaß reicht.

      An das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst wenden sich derzeit eine Vielzahl von verängstigten Betroffenen. Denn zum einen kann ein Verstoß gegen den Platzverweis zu einer Ingewahrsamnahme führen. Zum anderen können mehrere Platzverweise dazu führen, dass die Betroffenen in die überregionale Polizeidatei „gewaltbereite Störer“ aufgenommen und bei zukünftigen Demonstrationen in Vorbeugegewahrsam genommen werden.

      Das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst rät daher allen Betroffenen, Widerspruch mit kurzer Fristsetzung gegen den Platzverweis einzulegen. Bei Ablehnung des Widerspruchs durch die BAO Kavala werden beim Verwaltungsgericht Schwerin Eilanträge auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gestellt. Bislang hat das VG Schwerin in mehreren Fällen positiv entschieden und die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wieder hergestellt.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) Polizeirecht (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-59 Wed, 06 Jun 2007 17:28:00 +0200 AnwältInnen wehren sich gegen erschwerte Bedingungen für Anwaltlichen Notdienst /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaeltinnen-wehren-sich-gegen-erschwerte-bedingungen-fuer-anwaltlichen-notdienst-59 Pressemitteilung vom 6.6.2007 Nach den ersten drei Tagen, in denen das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst in Rostock bei den Protesten gegen das G8-Gipfeltreffen arbeitet, sind die über einhundert AnwältInnen des Legal Teams besorgt über die sich verschlechternden anwaltlichen Arbeitsbedingungen auf der Straße und in der Gefangenensammelstelle Industriestraße in Rostock. Die Situation, mit der die AnwältInnen unter anderem bei den Demonstrationen der vergangenen Tage konfrontiert war, wird von der Ordnungsbehörde als "polizeilicher Notstand" bezeichnet. Um die Grundrechte der Betroffenen zu wahren, organisiert das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst daher auch AnwältInnen die auf der Straße Protestorganisatoren und -teilnehmerInnen begleiten. Diese AnwältInnen sind deutlich mit gelben Leuchtwesten mit der Aufschrift "Legal Team" gekennzeichnet.

      "Unter den außergewöhnlichen Bedingungen der Demonstrationen der letzten Tage ist ein anwaltlicher Beistand nur zu gewährleisten, wenn möglichst direkt nach der Festnahme durch die Polizei eine kurze anwaltliche Kontaktaufnahme erfolgen kann", sagt ein Sprecher des Legal Teams. Dies ist der BAO Kavala bekannt. Trotzdem wurden in den vergangenen drei Tagen AnwältInne des Legal Teams auf der Straße bei der Ausübung ihrer anwaltlichen Tätigkeit behindert. Zwei AnwältInnen wurden von beamten zu Boden gestoßen, in mehreren Fällen wurden AnwältInnen Schläge angedroht für den Fall, dass sie nicht "das Maul halten" und aufhören würden, Festgenommene nach ihren Namen zu fragen. Darüber hinaus hat die BAO Kavala in der Gefangenensammelstelle Industriestraße angekündigt, dass dortige Anwaltszimmer ab heute Nachmittag zu schließen. Den AnwältInnen wurde eröffnet, sie sollten draußen vor dem Gebäude warten, bis man ihre Mandanten gefunden habe. Angesichts der langen Zeit, die dies in einigen Fällen in Anspruch hält und den bekannten instabilen Wetterverhältnissen in Rostock, kann man das durchaus als Schikane bezeichnen.]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-58 Sun, 03 Jun 2007 17:26:00 +0200 Ernüchternde erste Bilanz des anwaltlichen Notdienstes /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ernuechternde-erste-bilanz-des-anwaltlichen-notdienstes-58 Pressemitteilung vom 3.6.2007
      Aus Sicht des Legal Teams ist die Situation der Festgenommen immer noch dadurch bestimmt, dass die BOA Kavala den anwaltliche Beistand und Kontaktaufnahme zu MandantInnen behindert. Betroffene wurden z.B. bis zu neun Stunden in Gefangenensammelstellen (Gesa) festgehalten, ohne dass ihnen die Kontaktaufnahme zu Anwältinnnen ermöglicht wurde. Obwohl Anwälte Zutritt zu ihren MandantInnen verlangten, wurden sie entweder abgewiesen oder den Mandanten mitgeteilt, dass keine Anwälte zu erreichen seien.

      Seit gestern Abend hat die BAO Kavala „Anwaltsbetreuer“ eingesetzt. „Sie verhindern eher den Zugang zu MandantInnen als ihn zu gewähren. Grund dafür ist die personelle Unterbelegung der Polizei Vorort sowie die unnötige Komplikation des Verfahrens seitens der ‚Anwaltsbetreuer’. Dadurch wird schlichtweg der zeitnahe Zugang, auf den es einen rechtlichen Anspruch gibt, verhindert“, kritisiert Rechtsanwältin Silke Studzinsky vom anwaltlichen Notdienst des RAV.

      Bezeichnend für die Situation der Inhaftierten ist darüber hinaus auch, dass Eilrichter Entscheidung über die Länge der Ingewahrsamnahmen mit dem Verweis auf nicht vorhandene Akten verwehrten. Entsprechend der geltenden Rechtsprechung ist jedoch bei Ingewahrsamnahmen ein unverzüglicher richterlicher Entscheid notwendig. Erst auf telefonische Intervention des Europaparlamentariers Tobias Pflüger wurden die benannten Rechte gewährt.

      „Beim Umgang mit Ingewahrsamgenommenen werden normale rechtstaatliche Abläufe außer Kraft gesetzt. Das reiht sich nahtlos in das übertriebene und brutale Vorgehen der Polizei am gestrigen Tag ein“, kommentiert Tobias Pflüger MdEP GUE/NGL seine Erfahrungen.

      Der anwaltliche Notdienst betrachtet die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Polizei und der BAO Kavala während und im Nachfeld der Auftaktdemonstration gegen den G8 Gipfel mit großer Sorge. In diesem Zusammenhang weist der RAV darauf hin, dass Betroffenen ab dem Zeitpunkt der Verhaftung - unabhängig von etwaigen Vorwürfen - ein Anrecht auf anwaltlichen Beistand haben. Eine Verweigerung oder Verzögerung dieses Zugangs bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-57 Thu, 31 May 2007 17:24:00 +0200 Versuch der Verhinderung kritischer Berichterstattung durch Akkreditierungsentzug /publikationen/mitteilungen/mitteilung/versuch-der-verhinderung-kritischer-berichterstattung-durch-akkreditierungsentzug-57 Pressemitteilung vom 31.5.2007
      Mittlerweile hat Majchrzak Widerspruch eingereicht. Da in der Akkreditierungsstelle in Kühlungsborn eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anerkannt wird, reicht der Anwalt des Journalisten nun Klage beim Verwaltungsgericht ein.

      „Der anwaltliche Notdienst des RAV sieht in dem Umgang der BPA mit Akkreditierungen einen Eingriff in die Pressefreiheit. Es drängt sich der Eindruck auf, dass auf diese Weise eine kritische Berichterstattung verhindert werden soll“, so Sönke Hilbrans, der Anwalt des Betroffenen.]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-56 Thu, 31 May 2007 17:22:00 +0200 Legal Team/Anwaltlicher Notdienst bietet Rechtsbeistand für Festgenommene und bei polizeilichem Fehlverhalten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/legal-team-anwaltlicher-notdienst-bietet-rechtsbeistand-fuer-festgenommene-und-bei-polizeilichem-fehlverhalten-56 Pressemitteilung vom 31.5.2007
      Unter der Telefonnummer 038204-768111 können sich Festgenommene, aber auch ZeugInnen von Festnahmen oder polizeilichem Fehlverhalten beim Legal Team melden. RechtsanwältInnen versuchen dann, das Recht jedes Betroffenen auf rechtliche Beratung und Vertretung bei Polizei und Justiz durchzusetzen und weitere Grundrechtsverletzungen zu unterbinden.

      Für MedienvertreterInnen ist der Presseservice des Legal Teams und des RAV zu den G-8 Protesten unter den Telefonnummern 01577-4704760, 0163-6195151 und 0179-4608473 zu erreichen.

      Der Presseservice informiert u.a. über die Anzahl von Verhaftungen, Einreiseverboten und den Stand der Beschwerden gegen die Demonstratiosnverbote und vermittelt AnsprechpartnerInnen aus dem Legal Team.]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-55 Wed, 30 May 2007 17:18:00 +0200 Mündliche Anhörung am OVG Greifswald zu Demonstrationsverbot in Heiligendamm /publikationen/mitteilungen/mitteilung/muendliche-anhoerung-am-ovg-greifswald-zu-demonstrationsverbot-in-heiligendamm-55 Pressemitteilung vom 30.5.2007
      Das VG Schwerin hatte das Verbot des Sternmarsches durch die BAO Kavala zwar aufgehoben – allerdings nur bis zum Zaun, der den Gipfelaustragungsort weiträumig absperrt.

      Mit der Beschwerde wollen die OrganisatorInnen erreichen, dass der Protest der GlobalisierungskritikerInnen „in Sicht und Hörweite“ der G-8 Regierungschefs stattfinden kann. Sie berufen sich dabei auf das so genannte Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1985, und sind gleichzeitig bereit, die Zahl der TeilnehmerInnen des Sternmarsches zu begrenzen.

      Die BAO Kavala hat ihrerseits Beschwerde gegen die weitgehende Aufhebung ihrer Allgemeinverfügung – mit der u.a. eine zweite Sperrzone für Proteste vor dem Zaun durchgesetzt werden soll - eingelegt. Die Sicherheitsbehörden streben nach wie vor ein flächendeckendes Demonstrationsverbot auf einer Fläche von ca. 40 Quadratkilometern rings um Heiligendamm an.

      An der mündlichen Verhandlung am OVG Greifswald nehmen Vertreter der Sternmarsch-OrganisatorInnen teil. Da die Verhandlung nicht öffentlich ist, steht Ihnen Rechtsanwalt Carsten Gericke als Prozessbevollmächtigter der Sternmarsch-OrganisatorInnen im Anschluss an den Termin für Auskünfte zur Verfügung.

      Obwohl die juristische Auseinandersetzung um die Demonstrationen noch andauert, versucht die BAO Kavala und ihr zugeteilte Polizeieinheiten anreisende GlobalisierungskritikerInnen durch Schikanen und Willkür einzuschüchtern. Über fünf Stunden wurde am gestrigen Dienstag beispielsweise bei Neubukow ein Konvoi von zehn LKW, auf denen sich u.a. eine größere Anzahl von Fahrrädern befand, auf dem Weg zum angemeldeten Camp der GlobalisierungskritikerInnen in Wichmannsdorf festgehalten. Die polizeiliche Begründung, es könne sich um gestohlene Fahrräder handeln und dies müsse nun überprüft werden, entbehrte jeglicher Grundlage. Als die Fahrzeuge gegen 21 Uhr abends zu Ende durchsucht waren, durften die Betroffenen nur im Konvoi und unter Polizeibegleitung weiterfahren. Zudem wurde ihnen von der Polizei untersagt, die LKW am Camp in Wichmannsdorf zu entladen mit der offensichtlich falschen Begründung, das Camp sei nicht genehmigt.

      „Hier handelt es sich um eine weitere willkürliche Maßnahme, die der Einschüchterung dienen soll,“ so der Prozessbevollmächtigte der OrganisatorInnen des Sternmarsches, Rechtsanwalt Carsten Gericke vom Bundesvorstand des RAV. ]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-54 Wed, 30 May 2007 17:15:00 +0200 Die Einschränkung der Grundrechte im Zusammenhang mit dem G8 in Heiligendamm - Die Bundesrepublik auf dem Weg zum Feindstrafrecht? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-einschraenkung-der-grundrechte-im-zusammenhang-mit-dem-g8-in-heiligendamm-die-bundesrepublik-auf-dem-weg-zum-feindstrafrecht-54 Veranstaltung, Hamburg, 30.5.2007  

      Diskussionsveranstaltung am 30.05.07 um 19:00 Uhr an der Universität Hamburg mit: Antje Möller (Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft/GAL) Prof. Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestags/Die Linke) Rechtsanwältin Britta Eder (Vorstandmitglied des RAV) Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel werden zur Zeit die Grundrechte in Frage gestellt und missachtet. Das gilt bezüglich des Rechts auf Versammlung, des Rechts auf freie Meinungsäußerung, des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung, des Briefgeheimnisses und weiterer Grund- und Freiheitsrechte. Mit nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen gestützten Durchsuchungsbeschlüssen wurden bundesweit unter Berufung auf den § 129a StGB ca. 60 Wohnungen und Projekte durchsucht. Mit 129a-Ermittlungen sind die gravierendsten Eingriffsbefugnisse verbunden: Telefon- und Raumüberwachung, Einsatz von verdeckten Ermittlern und auch Durchsuchungen. In Hamburg wird Presseberichten zufolge darüber hinaus die Post bestimmter Bezirke von Beamten des LKA und BKA kontrolliert. An der Hamburger Universität sprach die Polizei Professoren an und wollte von Ihnen die Namen von Studierenden erfahren, die G8-kritisch sind. Darüber hinaus wurde ein PKW beschlagnahmt weil in ihm Flugblätter zum G8 und angemalte Steine sichtbar waren. Neben einem Zaun, der im Abstand von 12 km rings um den Gipfelaustragungsort in Heiligendamm installiert worden ist, wird versucht jeglichen Protest vor Ort unmöglich zu machen. Zusätzlich wurde mit Hilfe einer Allgemeinverfügung faktisch eine Bannmeile um den Zaun geschaffen, in der in der Zeit vom 30.05. bis zum 08.06.2007 jegliche angemeldeten und unangemeldeten Demonstrationen in einem weiträumigen Gebiet untersagt werden sollen. Von dieser Sperrzone sind auch bereits seit Monaten angemeldete Demonstrationen betroffen. Die Globalisierungskritiker werden von den Versammlungsbehörden zur juristischen Auseinandersetzung vor den Gerichten genötigt, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durchzusetzen. Die Polizeibehörden sind nicht bereit im Vorfeld der Proteste gegen das Treffen der G8 in Heiligendamm und Hamburg, z.b. zum Treffen der Außenminister, mit AnwältInnen deeskalierende Maßnahmen zu erörtern und notwendige Grundrechtsgewährungen zuzusagen. In den letzten Wochen wurden bereits Demonstrationen in Hamburg durch unrechtmäßige Wasserwerfereinsätze und Ingewahrsamnahmen von Seiten der Polizei eskaliert. Auch durch gezielte Tabubrüche seitens der Politik (Diskussion über die Aufweichung des Folterverbots und die Ermöglichung von Einsätzen der Bundeswehr im Inland, das Schüren von Terrorismusangst usw.) wird die Idee der Grundrechte als Abwehrrecht der Menschen gegenüber dem Staat ad Absurdum geführt. Die Veranstaltung soll der aktuellen Diskussion der grundrechtsrelevanten Themen dienen und die rechtlichen und politischen Zusammenhänge verdeutlichen. Die Konzeption des Feindstrafrechts beschreibt in der rechtspolitischen Diskussion die Aushebelung individueller Grund- und Menschenrechte vor dem Hintergrund so genannter kollektiver Sicherheitsbedürfnisse. Uni Hamburg, Hauptgebäude, Edmund Siemers Allee1, Hörsaal C, Mittwoch der 30.05.2007 um 19.00 Uhr]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-53 Tue, 29 May 2007 17:14:00 +0200 Anwaltlicher Notdienst des RAV zum G8 Gipfel eingerichtet – Nummer des EA jetzt eingerichtet /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-des-rav-zum-g8-gipfel-eingerichtet-nummer-des-ea-jetzt-eingerichtet-53 Pressemitteilung vom 29.5.2007
      Zur Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren in der Zeit der Proteste rund um den G8-Gipfel haben RAV und die Vereinigung der Strafverteidiger Mecklenburg Vorpommern einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. In diesem Rahmen arbeiten wir eng mit dem in dieser Zeit vorhandenen Ermittlungsausschuss (EA) zusammen und sind über diesen für alle DemonstrantInnen 24 Stunden erreichbar. Die Nummer des EA lautet: 038204 – 768111 ist ab dem 28.Mai erreichbar.

      Die Anwältinnen und Anwälte werden im Rahmen des Notdienstes verschiedene Bereiche abdecken. Bei Demonstrationen oder anderen Aktionen werden wir unmittelbar vor Ort sein, um die Betroffenen bei der Verwirklichung und Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen und gegenüber der Polizei zu vertreten. Darüber hinaus ist uns wichtig in den Gefangenensammelstellen präsent zu sein und insbesondere bei richterlichen Anhörungen die Betroffenen zu vertreten. Es kann also jeder Mensch zu jeder Zeit beim EA anrufen um anwaltlich vertreten zu werden. Ein sofortiger Anruf steht auch jedem der In Gewahrsam oder festgenommen wird zu.]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-52 Tue, 29 May 2007 17:10:00 +0200 Studierendendemonstration gegen den G8 - Einschränkung des Versammlungsrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/studierendendemonstration-gegen-den-g8-einschraenkung-des-versammlungsrechts-52 Pressemitteilung vom 29.5.2007
      Da die Polizeibehörden nicht bereit waren im Vorfeld der Proteste, z.b. der Studierendendemonstration und der anstehenden Demonstration zum Treffen der Außenminister, mit Anwälten deeskalierende Maßnahmen zu erörtern und notwendige Grundrechtsgewährungen zuzusagen, war ein derartiges Vorgehen zu befürchten. Notwendig gewesen wäre u.a. die Einrichtung eines verwaltungsgerichtlichen Eildienstes, der Vorort entstehende Fragen sofort entscheiden hätte können. So konnte der leitende Polizeiführer, LPD Born, der schon im vornhinein jegliches Gespräch mit der Anwaltschaft ablehnte, nahezu zynisch auf den nachträglichen Rechtsschutz verweisen. Die Polizei verweigerte darüber hinaus, sich mit schriftlichen und mündlichen Widersprüchen auseinander zu setzen.

      Von der friedlichen Demonstration der Studierenden ging keinerlei Gefahr aus. Trotzdem wurde die Demonstration ständig gestoppt, mit rechtswidrigen Auflagen versehen und darüber hinaus ohne rechtliche Grundlage gefilmt. Eine der Auflagen bestand darin, wie in Hamburg üblich, keine Seitentransparente über 1,50 Länge mitzuführen. Schon zu Beginn wurde die Demonstration von dem martialischen Polizeiaufgebot brutal gestoppt. In dieser Situation wurde der Anmelder gewaltsam daran gehindert mit dem Einsatzleiter Kontakt aufzunehmen und die Situation zu deeskalieren. Um die Exekutive in ihre rechtlichen Schranken zu verweisen wäre der benannte verwaltungsgerichtliche Eildienst notwendig gewesen. „Nur dem besonnen verhalten der DemonstrantInnen ist es zu verdanken, dass das martialische und bedrohliche Auftreten der Polizei nicht zu einer gewalttätigen Eskalation geführt hat“, kommentiert Rechtsanwältin Britta Eder, Vorstandsmitglied des RAV.

      Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel werden zur Zeit massiv die Grundrechte in Frage gestellt und missachtet. Die gesamte soziale Bewegung soll anscheinend diskreditiert und kriminalisiert werden. Hierbei wird das Recht auf Versammlung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und weitere Grund- und Freiheitsrechte teilweise ausgehebelt. Da die Polizeiführung für die Demonstration gegen das Treffen der Außenminister (ASEM) eine niedrige Einsatzschwelle angekündigt hat, befürchtet der anwaltliche Notdienst des RAV bezüglich unangekündigter Wasserwerfereinsätze, massenweisen Freiheitsentziehungen und weiteren Eskalationsaspekten schlimmstes.

       

       

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      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-51 Fri, 25 May 2007 17:07:00 +0200 Anwaltlicher Notdienst des RAV kritisiert unhaltbare Grundrechteingriffe im Zusammenhang mit 129a Verfahren /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-des-rav-kritisiert-unhaltbare-grundrechteingriffe-im-zusammenhang-mit-129a-verfahren-51 Pressemitteilung vom 25.5.2007 Bei der Fahndung nach so genannten militanten Globalisierungsgegnern führt das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) zur Zeit umfangreiche Briefkontrollen durch. Ganze Stadtteile sind dabei von „Vorfeldermittlungen“ betroffen. An der Universität Hamburg versuchten Polizeibeamten einen Professor über vermeintliche G8 GegnerInnen zu befragen.

       

      Im Briefzentrum Hamburg-Mitte kontrollieren, einem Bericht der tageszeitung (taz) vom 25.05.07 zufolge, derzeit ca. ein Dutzend Beamte des LKA Hamburg unter Federführung des BKA die Postsendungen mehrerer Zustellungsbezirke - vor allem diejenigen der Stadtteile Altona, St. Pauli, Eimsbüttel sowie des Schanzen- und des Karoviertels. In diesem Rahmen werden, dem Bericht nach, verdächtig erscheinende Postsendungen abgefangen und geöffnet. Auch einzelne Postkastenentleerer seien vom LKA genötigt worden Briefe kontrollieren und beschlagnahmen zu lassen. Ziel der Aktion ist scheinbar mögliche Bekennerbriefe an die Medien frühzeitig abzufangen.

       

      Die Ermittlungen stehen in Zusammenhang mit den ca. 60 Hausdurchsuchungen aufgrund des §129a Strafgesetzbuch. Der anwaltliche Notdienst des RAV kritisiert das die Grundrechte einer Vielzahl von Menschen durch das Bundeskriminalamt (BKA) und das LKA Hamburg immer weitergehend missachtet werden, um gegen G8 GegnerInnen vorzugehen. Um soziale Bewegungen zu kriminalisieren wird §129a aufgrund seiner weitgehend Auslegungsmöglichkeiten genutzt. Ca. 97% aller Verfahren werden nach erheblichen Datenerhebungen ohne Prozess eingestellt. Im Fall der Postkontrollen ist er allerdings nicht anwendbar.

      Rechtsanwalt Sönke Hilbrans sagt dazu: "Welche Opfer sollen die Bürgerinnen und Bürger ganzer Stadteile für das Gipfeltreffen noch bringen? Nicht nur durch die Entnahme von Geruchsproben, sondern jetzt auch bei der Postkontrolle greifen manche Sicherheitsbehörden immer unverblümter zu Stasi- Methoden. Es gibt offenbar Minister und Polizisten, denen das Maß für rechtsstaatlich angemessenes Handeln abhanden gekommen ist. Wenn die Justiz sie nicht endlich aufhält, ist das Land auf dem Weg in eine andere Republik."

       

      Auch an der Universität Hamburg wurden Polizeibeamte im Zusammenhang mit den Gipfelprotesten aktiv. In der Pause einer Vorlesung über „Angst als sozialdisziplinierende Maßnahme“ versuchten zwei PolizistInnen einen Lehrenden der Universität Hamburg dazu zu bewegen, ihnen pauschal und ohne Benennung weiterer Gründe die Namen vermeintlicher G8 GegnerInnen zu nennen. Der Professor wies dies entschieden zurück und bat die BeamtInnen das Gebäude wieder zu verlassen. „Der Versuch Lehrende dazu zu bewegen StudentInnen zu denunzieren, die politisch aktiv sind, ist meiner Ansicht nach ein Skandal. Hier wird sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) als auch die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3) massiv beeinträchtigt. Offensichtlich reicht bereits eine globalisierungskritische Äußerung in einer Vorlesung um in den Fokus der Polizei zu geraten. Ein solches Vorgehen ist inakzeptabel“ kommentiert Britta Eder, Vorstandsmitglied im RAV diese Vorgehen.

      Der anwaltliche Notdienst des RAV betrachtet mit großer Sorge das Globalisierungsgegner unter einen Generalverdacht und somit kriminalisiert werden. Das Grundrecht auf demokratische Proteste soll so anscheinend delegitimiert werden. Die Menschen werden im Falle politischer Aktivität seitens der Polizeibehörden zu Feinden erklärt. Die Anwendung von Feindstrafrecht sollte jedoch kein Mittel rechtlicher Praxis in demokratischen Staaten sein.

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      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Politische Justiz (doublet)
      news-50 Tue, 15 May 2007 17:05:00 +0200 Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein kritisiert polizeiliches Demonstrationsverbot gegen den G8-Gipfel als „eklatante Verletzung des Grundrechts auf Protest“ - Unterstützung für Betroffene zugesagt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/republikanischer-anwaeltinnen-und-anwaelteverein-kritisiert-polizeiliches-demonstrationsverbot-gegen-den-g8-gipfel-als-eklatante-verletzung-des-grundrechts-auf-protest-unterstuetzung-fuer-betroffene-zugesagt-50 Pressemitteilung vom 15.5.2007
      Schon bislang hatten die Sicherheitsbehörden durch einen Zaun, der im Abstand von 12 km rings um den Gipfelaustragungsort Heiligendamm installiert worden ist, jeglichen Protest vor Ort unmöglich gemacht. Mit der Allgemeinverfügung schaffen die Sicherheitsbehörden nun faktisch eine Bannmeile für den Zaun, in der in der Zeit vom 30.5. bis zum 8.6.2007 jegliche angemeldeten und unangemeldeten Demonstrationen in einem Gebiet, das von Börgerende-Rethwisch bis Bad Doberan und Steffenshagen reicht, untersagt werden. Dieses Gebiet, das von der BAO Kavala als Zone II bezeichnet wird, ist wesentlich größer als die Kernzone innerhalb des Zauns um Heiligendamm. Von der Allgemeinverfügung sind seit Monaten angemeldete und geplante Protestaktionen betroffen. Bislang sind von der BAO Kavala lediglich 10 von 60 angemeldeten Protestaktionen genehmigt worden. Die Begründung der Demonstrationsverbote mit dem Satz: Die Beschränkung des Versammlungsrechts sei „unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht nur erforderlich, sondern auch verhältnismäßig,“ kann vor diesem Hintergrund nur als zynisch bezeichnet werden.

      „Diese eklatante Verletzung des Grundrechts auf Protest ist nicht hinnehmbar,“ kritisiert Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins diese Allgemeinverfügung. „Der RAV geht davon aus, dass dagegen mit allen verfügbaren juristischen Mitteln vorgegangen wird und unterstützt die Betroffenen dabei.“

      Aus Sicht des RAV treiben die Sicherheitsbehörden mit der nunmehr erlassenen Allgemeinverfügung die Politik der Abschottung des G8-Gipfels vor Protest sowie ihre Strategie der Eskalation bewusst voran. Alle Erklärungen, Protest gegen die Politik der G8 sei willkommen, haben sich spätestens jetzt als hinfällig erwiesen. Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal an das sogenannte Brokdorf-Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Die obersten Richter stellten schon 1985 fest, das Recht auf Protest am Ort des Geschehens sei ein „notwendiges Korrektiv für politische Fehlentscheidungen und unverzichtbarer Bestandteil repräsentativer Demokratie.“ Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird durch die BAO Kavala offensichtlich ignoriert.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-49 Mon, 14 May 2007 17:01:00 +0200 Der RAV kritisiert das unkooperative Verhalten der Polizei im Vorfeld des G8 Gipfels /publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-rav-kritisiert-das-unkooperative-verhalten-der-polizei-im-vorfeld-des-g8-gipfels-49 Pressemitteilung vom 14.5.2007
      Zur Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren in der Zeit der Proteste rund um den G8-Gipfel haben RAV und die VdSMV einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. Um zu einem reibungslosen Ablauf der Großveranstaltung beizutragen, streben die Anwältinnen und Anwälte verbindliche Absprachen und konkrete Zusagen seitens der BAO „Kavala“ der Polizeidirektion Rostock für die bevorstehenden Polizeieinsätze im Rahmen der G8 Proteste an.

      Zur Sicherung von Freiheits- und Grundrechten und zur Vermeidung willkürlichen Polizeihandelns sind Vereinbarungen zwischen Polizei und Anwaltschaft im Vorfeld derartiger Großereignisse notwendig. Nur auf diese Weise kann Rechtsverstößen seitens der Staatsgewalt effektiv vorgebeugt werden. Die erforderlichen Voraussetzungen für eine adäquate anwaltliche Arbeit für die von Polizeimaßahmen Betroffene können nur so gewährleistet werden.

      Zum Zweck der Sicherung der rechtstaatlichen Vorgaben wurden die Verantwortlichen der BAO „Kavala“ durch den anwaltlichen Notdienst am 3.4.2007 mündlich in einem gemeinsamen Gespräch und nach zugesagter und nicht erteilter Antwort schriftlich mit einem Zeitrahmen für eine Antwort bis zum 4.5.2007 vergeblich zu verbindlichen Zusagen aufgefordert. Das wesentliche Anliegen der AnwältInnen ist die Erörterung der Sicherstellung der freien Berufsausübung der Anwaltschaft und ihrer MitarbeiterInnen, die Sicherung des Zugangs zu Betroffenen in den Gefangenensammelstellen und im evtl. in Sperrzonen befindlichen „Einsatzraum“, z.B. im sogenannten polizeilichen „Kessel“, die Einhaltung von Grundrechten wie z.B. die Gewährleistung von Telefonaten für Betroffene einer freiheitsentziehenden Maßnahme, die Verhinderung unverhältnismäßiger Polizeimaßnahmen (z.B. ED Behandlung trotz mitgeführtem Identitätsnachweis oder die Anfertigung von Fotos bei jeder Festnahme), die Gewährleistung einer zeitnahen Richtervorführung auch bei Freiheitsentziehungen „im freien Felde“, Ausstattung der Gefangenensammelstellen mit Anwaltszimmern und ausreichenden Besprechungsräumen sowie das Mitteilen der Ansprechpartner des Führungs- und Lagestabes der Polizei.

      „Die Verweigerungshaltung der BAO „Kavala“ werten wir als mangelnde Kooperationsbereitschaft mit dem anwaltlichen Notdienst. Die genannten Fragen sind im Rahmen der Castor-Transporte und anderer Großveranstaltungen einschlägig als Probleme bekannt. Die Rechte der Betroffenen und ihrer Anwälte sind durch zahlreiche gerichtliche Entscheidungen bestätigt worden“ kommentiert Britta Eder, Mitglied im Vorstand des RAV, die Erfahrungen und das bisherige Vorgehen der Polizei.

      Der RAV befürchtet aufgrund der bisherigen Kooperationsverweigerung, dass seitens der BAO „Kavala“ wenig Interesse an der Anwendung einer deeskalierenden Polizeistrategie besteht. Die Tatsache, dass Zusagen nicht eingehalten werden, macht deutlich, dass sich die Polizei ihrer Verantwortung für einen reibungslosen Ablauf des G8-Gipfels entzieht. „Der RAV hält demgegenüber die sofortige Erörterung der rechtlichen Verfahrensweisen für eine notwendige Voraussetzung einer rechtstaatlich orientierten Bewältigung der skizzierten Problemlage“ bekräftigt Britta Eder.]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-46 Thu, 10 May 2007 16:31:00 +0200 G8-Gipfel: Kriminalisierung des G8-Protests /publikationen/mitteilungen/mitteilung/g8-gipfel-kriminalisierung-des-g8-protests-46 Pressemitteilung vom 10.5.2007
      Besonderen Augenmerk legte die BAW auf Computer, Festplatten sowie den alternativen Server SO36.net. Viele linke und alternative Projekte haben ihre Webseiten, Mailinglisten und Mailadressen dort abgelegt. Eine Vielzahl von Computern und Laptops - auch Dritter, Nichtbeschuldigter - wurde beschlagnahmt. Damit soll ganz offenkundig die Kommunikationsstruktur der Anti-G8-Bewegung empfindlich gestört werden. Eines der den Maßnahmen zugrunde liegenden beiden Ermittlungsverfahren richtet sich gegen die "militante gruppe" (mg) und dauert bereits länger an. Die Durchsuchungsbeschlüsse konstruieren einen Zusammenhang zwischen einem alten 129a-Verfahren und angeblichen Plänen zur Störung oder Verhinderung des G8-Gipfels.

      Wie üblich werden die weiten Handlungsspielräume eines §129a- Verfahrens genutzt, um offen und öffentlichkeitswirksam Daten zu sammeln. Regelmäßig bringen § 129a StGB-Verfahren mit großem Ermittlungsaufwand zwar Massen an Information. Verurteilungen sind allerdings rar. Rechtsanwalt Hannes Honecker, Geschäftsführer des RAV : „Die Durchsuchungsaktionen vor dem G8 Gipfel zielen vornehmlich auf die öffentliche Meinung. Sie dienen einerseits der Einschüchterung der Protestbewegung und zwar auch der breiten Masse der 100.000 zum Gipfel erwarteten Demonstranten, andererseits der Delegitimation der Kritik durch Kriminalisierung“.

      Die Massendurchsuchungen mit hohem Aufwand und medialem Effekt zeigen, wie notwendig es ist, sowohl auf der justiziellen als auch auf der politischen Ebene den Kriminalisierungseffekten entgegen zu treten. Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV : „Der RAV fordert seit Jahren die Abschaffung der in den 70ern Jahren eingeführten Anti-Terrorvorschriften im Strafgesetzbuch und Strafprozessrecht und vor allem der zentralen Vorschrift des § 129 a StGB. Diese Ausnahmeregelungen sind mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht unvereinbar und wurden schon in der Vergangenheit oft zur Bekämpfung unliebsamer politischer Bewegungen eingesetzt“.

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein bereitet seit Monaten einen anwaltlichen Notdienst während des G8 Gipfels in Rostock-Heiligendamm vor. Dieser Notdienst, an dem über 100 Anwältinnen und Anwälte aus dem In- und Ausland teilnehmen will den rechtlichen Schutz des Protestes gegen den G8-Gipfel sichern und soll verhindern helfen, dass legitimer Protest durch Kriminalisierung unterbleibt, verhindert oder eingeschränkt wird.]]>
      Politische Justiz (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
      news-44 Sat, 28 Apr 2007 16:21:00 +0200 Freiheit stirbt mit Sicherheit? /publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-stirbt-mit-sicherheit-44 Veranstaltung, Rostock, 28.4.2007
      Rechtsanwalt Sönke Hilbrans (Berlin) Datenbanken, Meldeauflagen, Kontrollstellen
      - Bewegungsfreiheit bei Gipfelprotesten -
      Rechtsanwältin Ulrike Donat (Hamburg) Freiheitsentziehungen bei Protesten
      -Erfahrungen aus dem Wendland -
      Elke Steven (Köln) Gipfelproteste und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
      - Erfahrungen aus der Demonstrationsbeobachtung -
      Tilman Jeremias (Rostock) Polizeieinsätze und Demonstrationsfreiheit
      - Der 1. Mai 2006 in Rostock -

      Eine gemeinsame Veranstaltung von:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      StadtgesprächeRostock
      und Soziale Bildung e. V.
      Mit Unterstützung des AStA der Uni Rostock Veranstaltungort:
      Universität Rostock / 28.04.07 / 19:00 Uhr

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      Demonstrationsfreiheit (doublet) G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Polizeirecht (doublet) Innere Sicherheit (doublet)
      news-45 Tue, 17 Apr 2007 16:27:00 +0200 Anwaltlicher Notdienst auf dem G-8 Gipfel 2007: Gemeinsamer Aufruf des RAV und des Organisationsbüros der Strafverteidigervereinigungen zur Verteidigung demokratischer Grundrechte /publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-auf-dem-g-8-gipfel-2007-gemeinsamer-aufruf-des-rav-und-des-organisationsbueros-der-strafverteidigervereinigungen-zur-verteidigung-demokratischer-grundrechte-45 Pressemitteilung vom 17.4.2007
      Anfang Juni 2007 treffen sich die Regierungschefs der G 8 in Heiligendamm bei Rostock. Mit ihnen werden etliche Tausend anreisen, um gegen die Politik der G 8 zu demonstrieren. Erwartungsgemäß wird es zu großflächigen Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten kommen. Bereits jetzt wird geplant, wie Protestierer an Grenzen zurück- oder auf dem flachen Land festgehalten werden können, wie man Demonstrationen vom Gipfeltreffen fernhalten und große Gruppen in vorübergehenden Gewahrsam nehmen kann. Landesregierung und Polizei rüsten sich und die öffentliche Erwartung mit dramatischen Schilderungen der angeblich zu erwartenden Gewalttätigkeiten auf und bereiten so das Klima für massive Polizeieinsätze.

      Der vielstimmige Protest, der sich gegen den Gipfel formiert, droht so schon im Vorfeld kriminalisiert zu werden. Kritische Gegenstimmen sollen und müssen sich versammeln und artikulieren können. Die Verteidigung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist nicht nur in Gerichtssälen und nach der Strafprozessordnung erforderlich. Freiheit wird nicht nur im Strafverfahren und mit dem Haftbefehl eingeschränkt. Gravierende Einschnitte in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit finden bereits auf der Straße statt und werden angesichts des polizeilichen Sicherheitskonzepts absehbar auch während des G8 Gipfels stattfinden. Diese Rechte müssen effektiv verteidigt werden - auf der Straße, auf Veranstaltungen, vor der Einsatzleitung der Polizei und vor Bereitschaftsgerichten.

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie der Strafverteidigerinnen- und Strafverteidigerverein Mecklenburg-Vorpommerns werden zwischen dem 15. Mai und dem 30. Juni 2007 ad-hoc-Büros in Rostock und Bad Doberan für einen anwaltlichen Notdienst einrichten. Der Notdienst wird sich in Zusammenarbeit mit dem Ermittlungsausschuss um effektiven Rechtsschutz gegen unrechtmäßige Masseningewahrsamnahmen, gegen Einreiseverbote und Zurückhalten von Bussen mit Demonstranten auf dem Lande, gegen unrechtmäßigen Unterbindungsgewahrsam und die Beschlagnahme von Flugblättern und Transparenten einsetzen. Hierzu wurden schon erste Kontakte mit Bereitschaftsgerichten
      geknüpft, der Zugang von Anwälten zu Gefangenensammelstellen gesichert und ein Büro mit einer kompletten Infrastruktur eingerichtet.]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet) Demonstrationsfreiheit (doublet)
      news-2 Mon, 13 Nov 2006 13:16:00 +0100 Strafanzeige gegen Rumsfeld wird der Öffentlichkeit vorgestellt /publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-gegen-rumsfeld-wird-der-oeffentlichkeit-vorgestellt-2 Pressemitteilung vom 13.11.2006 Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck vertritt mit der Strafanzeige zwölf Folterüberlebende, elf ehemalige Insassen von Abu Ghraib sowie einen Gefangenen in Guantanamo Bay wegen Straftaten, die Verbrechen nach dem 2002 in Deutschland in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuch darstellen. „Zwei Jahre nach der Einreichung der ersten Strafanzeige in Deutschland kann das Fehlen und die Weigerung der Ermittlungsbehörden in den USA, Ermittlungen gegen hochrangige Verantwortliche zu führen, nicht deutlicher zu Tage treten“, sagt Michael Ratner, Präsident des CCR. „Der kürzlich verabschiedete Military Commissions Akt, der zur Amnestierung der mutmaßlichen Kriegsverbrechen führt, ist sicherlich das deutlichste Zeichen des fehlenden Willens zur Strafverfolgung in den USA. Diese Straftaten sind nicht die Fehltritte einiger fauler Äpfel; sie waren geplant und durchgeführt auf der höchsten Ebene der US-Regierung.“ Die Strafanzeige wird begleitet von einer Anzahl von Gutachten namhafter Experten. Wir veröffentlichen an dieser Stelle die Gutachten von  Bill Bowring, Jordan Paust, Ben Davies, Richard Falk, Jules Lobel, und Michael Bothe/ Andreas Fischer- Lescano. Ferner fügen wir die Aussagen wichtiger Zeugen bei: David DeBatto, Gitanjali S. Gutierrez, Janis Karpinski. Die website des CCR mit englischsprachigen Materialien und einer Übersetzung finden Sie hier.http://www.ccr-ny.org/v2/GermanCase2006/Germancase.asp]]> Strafanzeige gegen Rumsfeld (doublet) news-276 Flüchtlingsschutz in Europa_10 Jahre Dublin II-Verordnung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluechtlingsschutz-in-europa-10-jahre-dublin-ii-verordnung-276 Vortrag und Diskussion Dr. Maria-Teresa Gil-Bazo,  Refugee Studies Centre, University of Oxford/Newcastle Law School, University of Newcastle Die Dublin II-Verordnung regelt die Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten für Flüchtlinge innerhalb der EU. Die dort geregelte Zuständigkeit des Ersteinreisestaates führt dazu, dass sich die EU-Staaten, in denen die Flüchtlinge letztlich um Schutz nachsuchen oder nachsuchen wollen, für unzuständig erklären können (Drittstaatenregelung). Stattdessen verweisen sie auf die Zuständigkeit des Staates der Ersteinreise und praktizieren damit ein System innereuropäischer Abschiebungen. Nach Einfügung der Drittstaatenregelung in das Grundgesetz bringt dessen Export nach Europa Flüchtlinge in eine verzweifelte Situation: Angekommen in Deutschland, sollen sie nach Malta, Italien, Ungarn, Griechenland oder Litauen, wo ihnen Haft oder Obdachlosigkeit drohen, ohne dass ihnen ein menschen- und europarechtlichen Mindeststandards genügendes Asylsystem zur Verfügung stünde. Die anstehende Reform der Dublin II-Verordnung in Gestalt der wohl ab Herbst geltenden Dublin III-Verordnung wird an dieser Struktur nichts ändern. Die Prämisse dieses Konzepts ist ein nicht mehr hinterfragter Bestandteil des europäischen Flüchtlingsrechts geworden. Sie war Ausgangspunkt der Harmonisierung des Asylrechts, basierend auf der Fiktion, dass es einheitliche asylrechtliche Standards in Europa gebe. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Anwendung, Legitimität und Legalität dieses Konzepts. Ist es völkerrechtlich, europarechtlich und menschenrechtlich zulässig, dass die Staaten ihre Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden, z.B. nach der Genfer Flüchtlingskonvention, an andere Staaten delegieren? Oder ist es 20 Jahre nach Änderung des Asylgrundrechts höchste Zeit, die deutsche und europäische Asylpolitik grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen? Der Vortrag ist in englischer Sprache. Es besteht die Möglichkeit, sich an der Diskussion in deutscher Sprache zu beteiligen. Zeit: Freitag, 22. März 2013, 18.00 Uhr Ort: Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 9 (Altes Palais), Raum 213, 10099 Berlin
      S- und U-Bahnhof Friedrichstraße oder Bushaltestelle Staatsoper (Linien 100, 200, TXL) Veranstalter:
      Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit dem RAV, borderline europe und dem akj-berlin.
      Realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Flüchtlingsschutz in Europa_10 Jahre Dublin II-Verordnung (PDF)]]>
      Migration & Asyl (doublet) Empfehlung (Termine)
      Sie sind hier: RAV > PublikationenMitteilungen
      Dummy Titlehttp://example.comen-gbTYPO3 NewsThu, 28 Mar 2024 08:45:31 +0100Thu, 28 Mar 2024 08:45:31 +0100TYPO3 EXT:newsnews-1026Fri, 22 Mar 2024 08:01:28 +0100Zusammen für Demokratie<br />Im Bund. Vor Ort. Für Alle./publikationen/mitteilungen/mitteilung/zusammen-fuer-demokratieim-bund-vor-ort-fuer-alle-1026Als Anwaltsorganisation nehmen wir die politischen Angriffe auf die Menschen- und Bürgerrechte und auf den demokratischen Zusammenhalt in dieser Gesellschaft sehr genau wahr. Deshalb ist es für uns selbstverständlich, als Teil eines großen zivilgesellschaftlichen Bündnisses für Solidarität und die Verteidigung der Demokratie zu kämpfen und gemeinsam gegen die Gefahr von rechts vorzugehen.  
      Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV

      https://www.zusammen-fuer-demokratie.de/

      Es geht uns alle an: Gemeinsam Demokratie und Menschenrechte verteidigen!

      Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft.

      Wir treten ein für die unteilbaren Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und eine klimagerechte Zukunft. Wir stehen für eine vielfältige, freie und offene Gesellschaft. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie und alle, die hier leben, gegen die Angriffe der extremen Rechten.

      Uns verbindet die Überzeugung, dass jeder Mensch die gleiche Würde hat. Wir setzen uns ein für das Recht eines jeden Menschen auf ein gutes und friedliches Leben in einer gesunden Umwelt – auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, angemessenen Wohnraum, auf gute Bildung und Gesundheitsversorgung, auf freie Religionsausübung. Wir stehen auf gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde und der Schutz vor Verfolgung sind für uns nicht verhandelbar.

      Es ist an der Zeit, diese Werte mit vereinten Kräften zu verteidigen.

      Denn extreme Rechte wie die AfD wollen diese Grundfesten unserer Gesellschaft zerstören. Sie sind die Stichwortgeber für einen Diskurs des Ausschlusses, der Ungleichheit und des Antifeminismus; für Gewalt, Terror und Bedrohungen. Rassistische, antisemitische und queerfeindliche Angriffe beeinträchtigen schon lange den Alltag vieler Menschen. Täglich ereignen sich mindestens fünf rechte Gewalttaten mit existenziellen Folgen für die Betroffenen. Menschen mit Behinderungen erleben Ausgrenzung und Abwertung. Engagierte werden bedrängt und mit Morddrohungen konfrontiert. Gelingt es der extremen Rechten weiter an Einfluss zu gewinnen – gar an Regierungsmacht zu kommen – drohen massenhafte Vertreibungen.

      Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Bedrohung entschieden entgegenstellen. Solidarisch und in unserer ganzen Vielfalt!

      In diesen Zeiten braucht es mehr denn je eine Politik, die soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Spaltung bekämpft, statt die Gräben zu vertiefen.

      Bei den anstehenden Wahlen in Deutschland und Europa droht, dass die AfD und andere extrem rechte Parteien weiter gestärkt werden. Noch können wir diese Entwicklung stoppen. Wir haben die Wahl.

      Nie wieder ist jetzt!

      https://www.zusammen-fuer-demokratie.de/

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      GrundrechteRechtsextremismus
      news-1023Wed, 06 Mar 2024 16:22:00 +0100Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts - Schwerpunkt: Iran/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-schwerpunkt-iran-1023Aktions-Bericht vom 24. Januar 2024Zum Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts am 24. Januar widmete sich der RAV im Jahr 2024 gleich mit mehreren Veranstaltungen dem Iran. Dort hatte der Tod von Jina Masha Amini 2022 landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime seither mit grausamer Gewalt begegnet. Alle paar Tage werden Menschen hingerichtet, im vergangenen Jahr waren es mindestens 600. Menschenrechte werden massenhaft verletzt.

      „Doch ausgerechnet im Iran, wo sie so bitternötig wäre, ist anwaltliche Vertretung nur noch schwer möglich“, erklärte der Vorsitzende des RAV-Vorstands, Dr. Peer Stolle, bereits vorab in der Einladung. Das Mullah-Regime handele willkürlich und Anwält*innen würden verfolgt. Ihnen werde oft das gleiche vorgeworfen wie ihren Mandant*innen, so Stolle. RAV-Mitglied Nasrin Karimi, die aus Teheran stammt und sich heute in Berlin engagiert, erinnerte daran: „Das Land war 2009 schon einmal im Fokus, doch auch 15 Jahre später ist die Lage katastrophal.“

      Die Anwältin wies zudem darauf hin: „Seit seiner Entstehung verletzt das Regime durchweg das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung. Und das, obwohl der Iran seit 1975 Mitglied des Internationalen Pakts über bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ist.“ Mehr Informationen zur Lage im Iran finden sich zudem im aktuellen Bericht der Europäischen Demokratischen Anwält*innen (EDA).

      Veranstaltung mit iranischem Anwalt Sina Yousefi in Berlin

      Welchen Gefahren sind Anwält*innen im Iran konkret ausgesetzt? Darüber informierte am Vorabend des Aktionstags der nach Deutschland geflüchtete Anwalt Sina Yousefi in den Räumen der Berliner Rechtsanwaltskammer, die die Veranstaltung gemeinsam mit DAV und RAV organisiert hatte. Es moderierte die Aktivistin und Journalistin Daniela Sepehri, es dolmetschte Dr. Sosan Jafari.

      Anwalt Yousefi erinnerte an die zu diesem Zeitpunkt fünf inhaftierten Anwält*innen: Khosro Alikordi, Amirsalar Davoudi, Mohammad Najafi, Arash Keykhosravi und Jalal Fatemi. Weitere warteten noch auf die Vollstreckung der Haftstrafe. Anschließend erklärte er das Justizsystem, schilderte die Arbeitsbedingungen, beantwortete zahlreiche Fragen des Publikums in dem voll besetzten Raum und bedankte sich herzlich für die Unterstützung aus Deutschland.

      „Je entschlossener Anwältinnen und Anwälte für ihre Unabhängigkeit kämpfen, desto stärker werden sie verfolgt“, ergänzte Karimi. „Aufgrund der verschärften Regelungen der Strafprozessordnung sind politische Gefangene gezwungen, sich an ‚Vertrauensanwälte‘ zu wenden, die die Oberste Justizbehörde des Landes zugelassen hat. Und die sind ganz und gar nicht unabhängig.“

      „Hochachtung vor den Kolleg*innen“

      „Ich habe Hochachtung vor dem Mut, mit dem viele Kolleg*innen im Iran diesen Kampf seit Jahrzehnten tagtäglich führen und dabei wörtlich alles riskieren. Viele Kolleg*innen im Iran zahlen mit ihrer Gesundheit, ihrer beruflichen Existenz, manche gar mit ihrem Leben", sagte Ursula Groos. Die Rechtsanwältin ist Teil des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Berlin, stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte sowie Mitglied im RAV.

      Sie betonte, wie wichtig die freie Berufsausübung ist und dankte den Kolleg*innen im Iran für ihren Kampf. „Sie kämpfen auch für uns. Denn die Menschenrechte – und somit wir alle – werden geschwächt, solange deren Ausübung auch nur einem einzigen Menschen vorenthalten wird.“

      50 Personen vor der Iranischen Botschaft in Berlin

      Am 24. Januar 2024 demonstrierten ca. 50 Personen vor der iranischen Botschaft in Berlin vom RAV, in Kooperation mit der Rechtsanwaltskammer Berlin und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen sowie der VDJ. Dabei wurde die Petition der Foundation of the Endagered Lawyer verlesen, die eine Vielzahl von Rechtsanwaltsorganisationen weltweit unterzeichnet hatte. Der Vorsitzende des RAV, Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, hat in einem Redebeitrag auf die Situation des Kollegen Amirsalar Davoudi hingewiesen, der seit 2018 inhaftiert ist und für den der RAV eine Patenschaft übernommen hat. Der RAV fordert dringend seine Freilassung. Die Kollegin Nasrin Karimi wies zudem auf das Schicksal vieler weitere Kolleginnen und Kollegen hin, die teilweise bei den Protesten getötet wurden oder inhaftiert sind.

      Hamburg nähert sich dem Thema künstlerisch

      Auch in Hamburg gab es am 24. Januar um 15 Uhr einen Protest vor dem iranischen Konsulat. Einige der 12 Anwält*innen sind in ihren Roben erschienen, die Kolleg*innen Maede Soltani und Afrouz Maghzi hielten Reden. Dann wurde eine Schweigeminute in Gedenken an die tags zuvor im Iran Hingerichteten abgehalten.

      Fortgesetzt wurde die Veranstaltung ab 17 Uhr in den Räumen von Kölibri/GWA in St. Pauli, in Kooperation mit dem Verein Interkulturelle Werkstatt e.V. Zu sehen war eine Ausstellung des queeren Aktivisten und Künstlers Ashkan Shabani. Er führte persönlich durch eine interaktive Lichtinstallation und stimmte so auf einen Abend voller Austausch und Erkenntnis ein.

      Bei einer anschließenden Theater-Performance der Gruppe Drang und der Initiative Splitter im Exil ging es um das Trauma des ehemaligen Teheraner Universitätsdozenten Ali Fathi. Bei einer Demonstration im Iran im Jahr 1981 hatten ihn Splitter einer Handgranate getroffen. Er flüchtete nach Deutschland und stellte fest: Die Granate, die ihn verletzte, war in dem Land, produziert worden, das ihm Zuflucht gewährte: Deutschland. Basierend auf dieser Erfahrung hat er ein Theaterstück geschrieben.

      Die ehemalige politische Gefangene Shohreh Ganbary sprach über ihre persönliche Erfahrung in der Isolationshaft. Besonders erschüttert hat, unter welchen Bedingungen Schwangere in der Haft Kinder zur Welt bringen. Doch Ganbary übte auch Widerstand in Form von Kunst, die sie an diesem Abend in Hamburg präsentierte.

      Zudem wurde der Film "Sie Töteten" von der Maahaa Gruppe und der Regisseurin Maryam Soleimani Rad gezeigt. Er bot einen Überblick über die Gewaltwellen, in denen das Regime seit seiner Machtübernahme Regimekritiker*innen ermordet hat. Trotz der schweren Themen herrschte eine einladende Stimmung, im Raum duftete es nach einer köstlichen Suppe, die deutschen und iranischen Kolleg*innen begegneten sich in einer warmen, herzlichen Stimmung.

      Was ist der 24. Januar für ein Tag?

      Der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts wird jeden 24. Januar in mehreren Städten, Ländern und Kontinenten abgehalten. Gelegentlich ist auch von „Tag des gefährdeten Anwalts“ oder des „Anwalts in Gefahr“ die Rede, gemeint ist immer dasselbe. Auf Englisch heißt er „Day of the Endangered Lawyer“. Etabliert haben ihn 2009 die EDA. Das Datum 24. Januar geht zurück auf einen Mord im Jahr 1977: Damals töteten in Madrid Faschisten drei Gewerkschaftsanwälte in deren Kanzlei. Vergangenes Jahr war der Tag Afghanistan gewidmet, 2022 stand Kolumbien im Fokus.

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      IranTag des bedrohten Anwalts
      news-1020Tue, 05 Mar 2024 08:16:16 +0100Schmerzgriffe als polizeiliche Praxis: Menschenrechte schützen, Polizeigewalt entgegentreten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/schmerzgriffe-als-polizeiliche-praxis-menschenrechte-schuetzen-polizeigewalt-entgegentreten-1020ABSAGE: Veranstaltung, 20.3.24 in BerlinAchtung: Veranstaltungsabsage und traurige Nachricht

      Leider kann die Veranstaltung „Schmerzgriffe als polizeiliche Praxis: Menschenrechte schützen, Polizeigewalt entgegentreten“ am Mittwoch nicht stattfinden und wird auf unbestimmte Zeit verschoben.

      Biplab Basu, Mitbegründer von Reachout und der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt sowie Mitveranstalter und Panelist der Podiumsdiskussion, ist leider in der Nacht zum 14.3. verstorben. Sein unermüdlicher Einsatz für Gerechtigkeit wird unfassbar fehlen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Mitstreiter*innen und den vielen Menschen, die er durch sein Engagement berührt und geprägt hat.  

      https://www.instagram.com/p/C4iyirzMjf2/?igsh=bmJleG5lZjFreXly

      Wenn es Neuigkeiten zur Veranstaltung gibt, teilen die Veranstalter*innen diese auf ihren Kanälen.

      *******

      Sogenannte Schmerzgriffe gehören in vielen Bundesländern zur polizeilichen Praxis - und haben erschreckende Normalität erlangt. Betroffene rassistischer Polizeieinsätze erleben diese Praxis schon lange und auch Klimaprotestierende sind zunehmend von Schmerzgriffen betroffen. Aus menschenrechtlicher Sicht ist der Einsatz von Schmerzgriffen höchst problematisch.   

      Doch wie wirken Schmerzgriffe eigentlich genau? Was richten sie im menschlichen Körper an? Wie sind sie als polizeiliche Maßnahme rechtlich zu bewerten? Können Schmerzgriffe juristisch unter den Folterbegriff der Europäischen Menschenrechtskonvention gefasst werden? Wie kann die Zivilgesellschaft sich gemeinsam positionieren und solidarisch zeigen gegen diese sich zunehmend verselbstständigenden Polizeipraktiken?  

      Über diese und weitere Fragen sprechen Biplab Basu, Luisa Paßlick, Joschka Selinger, Lars Ritter und Michèle Winkler gemeinsam auf dem Podium. Es wird die Problematik von Polizeigewalt aufgezeigt, gezielt über Lösungsansätze gesprochen und diskutiert, was es braucht, um Menschenrechte zu schützen. 

      Diskussionsteilnehmende
      Biplab Basu, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
      Luisa Paßlick, Verein demokratischer Ärzt*innen
      Joschka Selinger, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
      Lars Ritter, Letzte Generation
      Moderation:  Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. 

      Die Veranstaltung findet am Mittwoch, den 20.03.2024 um 18.30 Uhr im Nachbarschaftshaus Urbanstraße (Urbanstraße 21) in Berlin statt. Der Eintritt ist frei.  

      Wir bitten bis zum 18. März um Anmeldung unter diesem Link

      Die Podiumsdiskussion findet in deutscher Sprache statt. Eine Übersetzung ins Englische versuchen wir nach Bedarf anzubieten. Bitte vermerken Sie in der Anmeldung, ob Sie eine Übersetzung ins Englische wünschen.

      Veranstalter:
      Amnesty International Deutschland e.V.
      Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
      Green Legal Impact e.V.
      Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
      Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Verein demokratischer Ärzt*innen

      Einladung als PDF (dt/eng)

      *******************

      Pain grips as police practice: protecting human rights, countering police violence.

      The event will take place on Wednesday, March 20, 2024 at 18.30 in the Nachbarschaftshaus Urbanstraße (Urbanstraße 21) in Berlin. Admission is free. The venue is accessible.

      Please register by March 18 at this link.  

      The panel discussion will be held in German. A translation into English may be be provided if required. Please note in the registration form by March 12 whether you would like a translation into English.

      So-called pain grips are routinely used by police in many federal states - and have become alarmingly normal. Those affected by racist police measures have been experiencing this practice for a long time and climate protesters are also increasingly affected by the technique. From a human rights perspective, the use of pain grips is highly problematic.  

      But how exactly do pain grips actually work? What do they do to the human body? How can they to be assessed legally as a police measure? Can pain grips be legally classified as torture under the European Convention on Human Rights? How can the civil society position itself collectively and show solidarity against these increasingly wide-spread police practices? 

      These and other questions will be discussed by Biplab Basu, Luisa Paßlick, Joschka Selinger, Lars Ritter and Michèle Winkler on the podium. The issue of police violence will be highlighted, specific solutions and the questions of what it takes to protect human rights in this context will be discussed.

      Participants in the discussion
      Biplab Basu, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
      Luisa Paßlick, Verein demokratischer Ärzt*innen
      Joschka Selinger, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
      Lars Ritter, Letzte Generation
      Moderation:  Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. 

      Click here for the event. Please spread the word and share this email. Thank you!

      With best regards,

      Amnesty International Deutschland e.V.
      Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
      Green Legal Impact e.V.
      Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
      Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Verein demokratischer Ärzt*innen

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      PolizeiPolizeigewaltVeranstaltungen
      news-1017Wed, 28 Feb 2024 13:40:35 +0100NEIN zur Bezahlkarte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nein-zur-bezahlkarte-1017Offener Brief, 28.2.2024

      Sehr geehrte Frau Senatorin Kiziltepe,
      sehr geehrter Regierender Bürgermeister Wegner,
      sehr geehrte Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses,

      mit der Einführung der Bezahlkarte für Bezieher*innen von Leistungen nach dem AsylbLG wird die Büchse der Pandora geöffnet – ein Instrument, das das Potenzial der absoluten Kontrolle, Überwachung und Restriktion bietet.

      Wir, ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, lehnen die Bezahlkarte strikt ab und fordern Berlin dazu auf, aus dem Vergabeverfahren auszusteigen.

      Entmündigend

      Die Bezahlkarte eröffnet die Möglichkeit, massiv in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen einzugreifen. Es kann von außen reglementiert werden, welche Waren Menschen wo einkaufen können, ob und wieviel Bargeld sie abheben dürfen und Überweisungen ins In- und Ausland werden ihnen komplett untersagt.

      Das wird den Alltag der Menschen enorm einschränken: Die Raten für den Rechtsbeistand, Geld für die Klassenfahrt oder die Möglichkeit, Dinge günstig auf dem Flohmarkt zu kaufen – all das wird für die Betroffenen nicht mehr möglich sein. Der Alltag von Geflüchteten mit Behinderung würde durch die Bezahlkarte im besonderen Maße beeinträchtigt werden und das Risiko einer gesundheitlichen Unterversorgung erhöhen – so können etwa der Fahrdienstleister oder auch die Kosten für Gebärden- Dolmetscherdienste nur per Überweisung bezahlt werden.

      Verfassungswidrig

      In Artikel 1 GG heißt es, die Würde des Menschen ist unantastbar. Empfänger*innen von Leistungen nach dem AsylbLG erhalten nicht nur Leistungen unterhalb des Existenzminimums (knapp 20% weniger als Bügergeldempfänger*innen). Mit der Bezahlkarte können sie über dieses wenige Geld noch nicht einmal frei entscheiden. Das dahinterstehende Ziel haben die Politiker*innen klar formuliert: Man will die Zahl der Asylsuchenden „deutlich und effektiv“ senken. Sozialleistungen werden somit als Abschreckungsinstrument missbraucht.

      Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil bereits 2012 festgestellt, dass die Menschenwürde nicht für migrationspolitische Zwecke relativiert werden darf. Aber genau das passiert gerade.

      Diskriminierend

      Asylsuchende werden einmal mehr als Menschen zweiter Klasse behandelt. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist bereits zutiefst diskriminierend, da es u.a. besagt, dass es eine Gruppe von Menschen in Deutschland gibt, die scheinbar nicht würdig sind, das hier geltende Existenzminimum zu erhalten.

      Mit der neuen Bezahlkarte werden diese Menschen noch weiter entrechtet. Kaum vorstellbar, welch ein Aufschrei durch die Gesellschaft ginge, wenn man gleiches mit deutschen Bürgergeldempfänger*innen machen würde.

      Stigmatisierend

      Asylsuchenden Menschen wird pauschal unterstellt, in erster Linie wegen monetärer Anreize nach Deutschland zu kommen. Dabei wurde in der Migrationsforschung und selbst durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages längst festgestellt, dass wesentlich für die Wahl eines Ziellandes die familiären und sozialen Bindungen, Bildungs- und Arbeitsperspektiven sowie rechtsstaatliche Sicherheit einer demokratisch verfassten Gesellschaft sind. Menschen fliehen in erster Linie vor Krieg, Unterdrückung und humanitären Notlagen. Ökonomische Faktoren greifen für die Erklärung von Fluchtbewegungen viel zu kurz.

      Dennoch wird Asylsuchenden vorgeworfen, das Sozialhilfesystem „auszunutzen“. Es wird behauptet, dass Menschen, die Asylbewerberleistungen beziehen, von diesem wenigen Geld auch noch etwas an ihre Familien im Herkunftsland überweisen. Wenn Menschen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen, wo anfangs alle leben müssen und manche auch für die gesamte Zeit ihres Aufenthalts in

      Deutschland, dann erhalten sie einen monatlichen Barbetrag von maximal 204 € pro erwachsene alleinstehende Person. Wenn es den Menschen durch äußerste Sparsamkeit gelingt, 20-30 € davon zur Seite zu legen, um damit ihre Familien in Afghanistan, Syrien, Eritrea oder sonst wo zu unterstützen, ist fraglich, was daran verwerflich sein soll und worin der Sozialhilfemissbrauch liegt.

      Diese falschen Beschuldigungen sind populistisch und nähren Vorurteile und Ressentiments in der Gesellschaft gegenüber Geflüchteten.

      Fehlannahmen

      Das zynische Ziel der Bezahlkarte ist Abschreckung. Doch niemand lässt sich auf eine gefährliche und oft auch sehr kostspielige Flucht ein, nur weil er*sie in Deutschland Bargeld erhält. Im Umkehrschluss wird eine Bezahlkarte auch niemanden abschrecken. Es wird die Menschen nur noch mehr entrechten und diese scheibchenweise Entrechtung stärkt am Ende nur rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen und Parteien.

      Was Menschen aus dem Ausland auf lange Sicht eher abschrecken wird, sind die rassistischen und migrationsfeindlichen Töne von immer mehr Politiker*innen. Doch davon werden auch die Fachkräfte abgeschreckt, die die deutsche Wirtschaft eigentlich so dringend hier haben möchte.

      Mindeststandards

      Noch ist unklar, wie die Karte in Berlin ausgestaltet sein wird und welche „Mindeststandards“ gelten. Klar ist jedoch, dass sie den Leistungsträgern die technischen Möglichkeiten bietet, die Handlungsfreiheit der Karteninhaber*innen massiv einzuschränken. Das heißt, es besteht die Möglichkeit, den Kauf bestimmter Waren und Dienstleistungen zu regulieren, die Bezahlfunktion örtlich zu beschränken, Überweisungen auszuschließen und die Karte jederzeit zu sperren.

      Die Bezahlkarte erinnert an das diskriminierende Chipkartensystem, das der Berliner Senat 2003 aufgrund des massiven zivilgesellschaftlichen Protestes wieder abgeschafft und durch Bargeldzahlungen ersetzt hat.

      Alternative

      Bargeld allein ist sicher nicht das Nonplusultra. Es ist für alle Beteiligten von Vorteil, wenn das monatliche Schlangestehen für die Auszahlung der Leistungen vermieden wird und eine Wahlfreiheit zwischen digitaler und barer Bezahlung gegeben ist. Deshalb befürworten wir, dass allen asylsuchenden Menschen ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung ein kostenloses Bürgerkonto zur Verfügung gestellt wird.

      Asylsuchende haben gemäß dem Zahlungskontengesetz einen Anspruch auf den Abschluss eines Basiskontovertrags. Solch ein Konto hat den Vorteil, dass AsylbLG-Empfänger*innen genauso wie alle anderen Menschen selbstbestimmt über ihr Geld entscheiden können UND dass Sozialbehörden entlastet werden, da sie die Leistungen einfach auf das Konto überweisen können.

      Mit dieser Praxis hat Berlin bereits positive Erfahrungen gemacht. 2015 hat die Sparkasse zwei Kundencenter speziell für Geflüchtete eröffnet. Leider wurde dieses spezialisierte Beratungssystem eingestellt. Diese Praxis der Basiskontoeröffnung muss in Berlin wieder forciert werden, anstatt weiter dem humanitären wie rechtlichen Abwärtstrend zu folgen.

      Berlin darf sich am Vergabeverfahren für die Bezahlkarte nicht beteiligen. Hier ist kein Platz für Stigmatisierung und Entrechtung geflüchteter Menschen!

      Unterzeichnende Organisationen:

      Amaro Drom e.V.
      Amoro Foro e.V.
      Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
      AWO Kreisverband Mitte e.V.
      BARE Bündnis
      Be an Angel e.V.
      Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
      Berliner Aids-Hilfe e.V.
      Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
      BIG e.V.
      BumF e.V.
      BZSL – Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V.
      Diakoniewerk Simeon gGmbH
      Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V.
      Each One Teach One (EOTO) e.V.
      Fixpunkt e.V.
      Flüchtlingsrat Berlin
      Frauenhaus Cocon
      FRAUENRAUM - Fachberatungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt
      Frauen für Frauen in Konflikt- und Gewaltsituationen e. V.
      Frauenselbsthilfe – Frauen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen e.V
      Frauenzentrum Paula Panke e.V.
      Frauenzimmer e.V.
      GLADT e.V.
      HÎNBÛN
      Integrationsbüro des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin
      Interkulturelle Initiative e.V.
      JUMEN e.V.
      Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB)
      Korientation e.V.
      Kurdisches Zentrum e.V.
      LARA – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*
      MeG betreutes Wohnen gGmbH
      Migrationsrat Berlin e.V.
      Pfarrerin der Evangeliums-Kirchengemeinde Margareta Trende '
      REACH OUT
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Sea-Watch e.V.
      Seebrücke Berlin e.V.
      SOLWODI Berlin e.V.
      Sprungbrett Zukunft e.V.
      S27 – Kunst und Bildung, Verein zur Förderung der Interkulturellen Jugendarbeit e.V.
      terre des hommes Deutschland e.V.
      Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg
      Verein Iranischer Geflüchteter
      VIA Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V.
      Wedding hilft e.V.
      WiR Netzwerk
      Willkommensbündnis für geflüchtete Menschen in Steglitz-Zehlendorf
      xart splitta
      XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.

      Offener Brief als PDF

      ]]>PressemitteilungMigration & Asylnews-1016Mon, 19 Feb 2024 11:34:22 +0100„Einzelfälle“ mit System: Tödliche Polizeigewalt vor Gericht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einzelfaelle-mit-system-toedliche-polizeigewalt-vor-gericht-1016Veranstaltung am 21.2.2024 in Berlin

      21. Februar, 19.30 Uhr, SO36, Oranienstraße 190, Berlin-Kreuzberg
      Mit Verdolmetschung (EN/FR), Eintritt frei

      Auf YouTube hier zu verfolgen: https://www.youtube.com/watch?v=_a-03h7r9ac

      Veranstaltung mit dem Solidaritätskreis Justice for Mouhamed (Dortmund) und der Initiative 2. Mai (Mannheim)

      Polizeigewalt gegenüber Menschen mit Rassismuserfahrung hat in Deutschland System: Überdurchschnittlich oft sind sie unter den Opfern tödlicher Polizeischüsse, tödlich verlaufender Einsätze und Tod im Gewahrsam. In rund drei Viertel dieser Fälle waren die Toten in einer psychischen Ausnahmesituation; ein zusätzlicher Gefährdungsfaktor ist die gesellschaftliche Ausgrenzung Armutsbetroffener. In der öffentlichen Darstellung setzt sich nach einem tödlichen Polizeieinsatz oft das Narrativ der Polizei durch, dass die Gewalt verharmlost und durch eine Täter-Opfer-Umkehr rechtfertigt. Nur selten führen Ermittlungen in solchen Fällen zur Anklage gegen die Täter*innen, noch seltener kommt es zu Verurteilungen. Deshalb ist von besonderer Bedeutung, dass momentan gleich mehrere Gerichtsprozesse wegen tödlicher Polizeigewalt unter solidarischer Prozessbegleitung stattfinden.

      In Dortmund begann im Dezember der Strafprozess gegen fünf Polizist*innen, die am 8. August 2022 den jugendlichen Geflüchteten Mouhamed Lamine Dramé aus dem Senegal mit Pfefferspray und Tasern traktiert und schließlich mit fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole getötet haben. Dem 16-Jährigen legte die Dortmunder Polizei noch Handschellen an, als dieser schon im Sterben lag. Darüber hinaus versetzte der Einsatzleiter dem bereits am Boden Liegenden sogar noch einen Tritt. Diese Beobachtung hat ein Betreuer als Augenzeuge vor Gericht ausgesagt. Er hatte wegen der Befürchtung, Mouhamed könne sich selbst verletzen, die Polizei gerufen. Selbst die Staatsanwaltschaft hält das Vorgehen der Polizei für übermäßige Gewalt. Der Todesschütze muss sich deshalb wegen Totschlags, drei Beamt*innen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und der Einsatzleiter wegen Anstiftung verantworten.

      Seit Januar stehen in Mannheim zwei Polizisten vor Gericht, die am 2. Mai 2022 Ante P. mit Pfefferspray und Schlägen überwältigten, am Boden auf dem Bauch liegend festhielten, mit Handschellen fesselten und – laut Gutachten der Rechtsmedizin in Heidelberg – dabei erstickten. Der 47-jährige hatte eine psychische Erkrankung und lebte seit 33 Jahren selbstständig in einer eigenen Wohnung. Sein behandelnder Arzt am Zentrum für seelische Gesundheit hatte die Polizei gerufen, da er besorgt war, dass Ante P. sich in Gefahr bringen könnte. Am Tattag waren am Marktplatz, einem migrantischen Viertel der Stadt, rund 70 Zeug*innen vor Ort, die 120 Bilder und Videos aufgenommen haben. Auch diesen Aufnahmen ist es zu verdanken, dass es nun zu einem Gerichtsprozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Amt und fahrlässiger Tötung durch Unterlassen kommt. Kurz vor seinem Tod sagte Ante P.: „Ich will einen Richter“.

      In Dortmund und Mannheim unterstützen die Soligruppen auch die Nebenklage von Angehörigen der Opfer. Sie fordern Gerechtigkeit für die Getöteten und Konsequenzen für Täter*innen. Auf der Veranstaltung im SO36 berichten sie über die ersten Verhandlungstage, die Verteidigungsstrategie der Angeklagten und ihre Erfahrungen als solidarische Prozessbegleiter*innen. Darüber hinaus sollen politische Forderungen diskutiert werden, um tödliche Polizeigewalt effektiv zu bekämpfen.

      Die Veranstaltung wird auf Deutsch live auf YouTube übertragen, den Streaming-Link erfahrt ihr einige Tage vorher über die Sozialen Medien der beteiligten Gruppen.

      Veranstaltende: Solidaritätskreis Justice for Mouhamed | Initiative 2. Mai | Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/ CILIP | Recherchegruppe Death in Custody | Grundrechtekomitee | KOP Berlin | ISKS Berlin | Rote Hilfe OG Berlin | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

      Plakat (PDF)

      ]]>PolizeigewaltVeranstaltungennews-1015Fri, 09 Feb 2024 14:12:42 +0100Hold the Date and Call for Nominations for the Ebru Timtik Award 14 June 2024/publikationen/mitteilungen/mitteilung/hold-the-date-and-call-for-nominations-for-the-ebru-timtik-award-14-june-2024-1015Focus Country of 2024: PhilippinesIn 2021, a group of lawyers and lawyers’ organisations came together to establish an annual International Fair Trial Day (IFTD) to be observed every year on 14 June. This initiative is supported by more than 100 legal associations across the world, all of which are committed to the vital importance of the right to a fair trial and the serious challenges to due process rights worldwide. They established a Steering Group for the organisation of IFTD.

      The Steering Group agreed that in each subsequent year, one country - where fair trial rights are being systemically violated - would be chosen as the focus country, and an event would be organised to mark IFTD, as well as a series of activities around the event to draw attention to the situation in that country. The events include holding a conference on systemic fair trial issues and making a public statement with concrete recommendations on how to tackle these.

      The decision to establish an IFTD was also accompanied by the establishment of the Ebru Timtik Award. Ebru Timtik is a lawyer from Turkey who lost her life on 27 August 2020 as a result of a 238-day hunger strike she undertook to protest against the systemic violations of fair trial rights which people in Turkey are facing. Every year, on the occasion of the IFTD, the Ebru Timtik Award is granted by an independent jury to an individual or individuals and/or an organisation who have or which has made a significant contribution to the defence and promotion of the right to a fair trial in the focus country.

      The first IFTD focus country chosen was Turkey, in 2021. A virtual conference was held on 14 June 2021, to mark the occasion. The first Ebru Timtik Award was granted posthumously to Ebru Timtik herself. The second conference, which focused on the systemic fair trial issues in Egypt, took place in Palermo, Italy on 17-18 June 2022. Mohamed El-Baqer and Haitham Mohammadein, two Egyptian human rights lawyers who were in detention at the time, received the Ebru Timtik Award. In 2023, the focus country was Mexico. Legal professional organisations, bar associations, and civil society organisations from Mexico and across the world gathered for the 2023 IFTD conference held in Mexico City on 14 June 2023. The winners of the Ebru Timtik Award 2023 were two feminist lawyers, Alicia de los Ríos Merino and Ana Yeli Pérez Garrido, who were celebrated for their tireless work to address the justice struggle for the systemic issue of enforced disappearances and violence against women in Mexico.

      2024 International Fair Trial Day Focus Country: Philippines

      The Steering Group has expanded since 2021 to include a number of other prominent organisations taking part in the work, all as listed below. Several nominations were received for this year’s IFTD focus country. Following due consideration of the proposals, the Philippines has been chosen as the focus country of 2024. This decision is based on the following:

      a) Independence of judges and lawyers

      The guarantee of an independent judiciary and legal profession is core rule of law principle, and the independence of judges and lawyers is indispensable for the operation of a judicial system that ensures fair trials. Such independence has been under serious threat in the Philippines for a long time. In the 15 years from September 2007 to December 2022, a total of 271 incidents of what appear to be work-related attacks on Filipino lawyers and judges have been recorded by the National Union of Peoples’ Lawyers[1] Out of these, there were 86 unlawful killings and at least 185 other forms of attacks such as attempted killings, threats, intimidation, surveillance, and labelling or vilification. Targeted in these attacks were 20 judges (including two retired/former judges) and 165 lawyers (including both those in public service and private practice). The peak of the attacks were recorded during the term of former President Rodrigo Duterte from 2016-2022. Under the tenure of the current President Ferdinand Marcos Jr., 41 attacks and threats were monitored from 1 July 2022 to 31 December 2023, including three killings of lawyers.[2] The pressure on the legal community is therefore still strong, given also that  various other forms of harassment  and persecution of legal professionals persist, including the “red tagging”[3] of legal professionals.  A culture of impunity is predominant in respect of these unlawful actions.. They go hand-in-hand with the continued constriction of civic space and, human rights defenders, and political activists. The red-tagging is often followed by the filing of trumped-up charges and, in some cases, terrorism prosecutions.[4]

      In their joint communication to the Philippine government dated 15 June 2023, Margaret Satterthwaite, UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers, and Fionnuala Ní Aoiláin, UN Special Rapporteur on the protection and promotion of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, raised the vulnerable situation of Filipino human rights lawyers and judges, particularly victims of a killing, an attempted killing, arbitrary surveillance, and red-tagging as “communist terrorists” or “terrorists”.[5] They cautioned the Philippine government:

      “The reported abuses are alarming on their own, but they are even more troubling as targeted attacks on legal workers that appear to be aimed at leaving communities without legal assistance. Such acts interfere with the ability of lawyers and paralegals to perform their professional functions without intimidation, hindrance, harassment or improper interference. If confirmed, the reported instances of red-tagging would also violate the rule that lawyers should not be identified with their clients or their clients’ causes.”

      b) Drug-related extrajudicial killings and accountability

      Despite President Marcos’ claims that the “war on drugs” initiated by his predecessor, Rodrigo Duterte, will have a “new face” aimed at drug rehabilitation, drug-related extrajudicial killings have continued. Marcos has not rescinded the executive orders that provide overbroad authority to the police to conduct anti-drug raids and operations under procedures that effectively facilitate extrajudicial executions, and are the legal basis used by the police to try to justify unlawful killings. From 30 June 2022, when Marcos assumed office, until 15 October 2023, the Dahas Project of the University of the Philippines Diliman’s Third World Studies Center has documented 438 drug-related fatalities in 471 days, averaging nearly one death per day.

      There is little or no accountability for these killings. From 6,252 deaths from police operations, based on official figures (though estimated by human rights groups to be 30,000 including unlawful killings by unidentified gunmen), only two cases have resulted in the conviction of police officers.[6] The majority of these cases remain uninvestigated and unresolved.

      The International Criminal Court (ICC) in July 2023 resumed its investigation into possible crimes against humanity committed in the context of the “war on drugs”, following the failure of the Philippine government to prove that it was genuinely and properly investigating the same.[7] President Marcos has maintained that the Philippines will not cooperate with the investigation,[8] while progress in the domestic review is unclear. The constitutionally independent Commission of Human Rights (CHR) remains excluded from the probe[9] despite a definitive finding of impunity in cases it has investigated, stating in an April 2022 report:

      “Overall, the CHR finds that the government has failed in its obligation to respect and protect the human rights of every citizen, in particular, victims of drug-related killings. It has encouraged a culture of impunity that shields perpetrators from being held to account.”[10]

      During the Universal Periodic Review (UPR) of the Philippines’ human rights record in 2023, several states and the UN High Commissioner on Human Rights urged the Philippine government to rejoin the ICC as a State party to the Rome Statute and conduct prompt, impartial, thorough and transparent investigations into all killings and other human rights violations committed in the context of the drug war.[11]

      c) Targeting of activists, rights defenders, and civil society organisations through counterterrorism measures

      The Anti-Terrorism Act that took effect in July 2020 provides the state significant powers, including the designation of terrorists or terrorist organisations, the surveillance and interception of communications, inquiries into bank deposits, and freezing of assets. Human rights advocates have strongly criticised the broad definition of terrorism under the law and warned of the potential for its misuse. Acting on dozens of lawsuits challenging the constitutionality of the law, the Supreme Court in 2021 declared most assailed provisions as “not unconstitutional” under a facial challenge, striking down only a proviso in the definition that could result in the criminalisation of legitimate actions like protests and strikes, as well as the mode of adopting designations of foreign and supranational jurisdictions.[12]

      The Philippine government has exploited the ambiguous and sweeping definition of terrorism, leveraging its extensive authority under the Anti-Terrorism Act to obscure armed conflict, dissent, advocacy, and protest by categorising them as acts of terrorism. Consequently, counterterrorism measures have exacerbated violations of fundamental rights and freedoms, a trend that was started by the counterinsurgency entity, the National Task Force to End Local Communist Armed Conflict (NTF-ELCAC).

      Trumped-up charges of “terrorism”, “material support for terrorists”, and “facilitating the commission of terrorism” have already falsely implicated local community organisers and rights defenders, including paralegal volunteers and clergy conducting humanitarian missions in poor and militarised communities. Four indigenous peoples’ rights activists, a community doctor, and several peace consultants have also been designated as “terrorists,” and their bank accounts and those of their family members and organisations were frozen. Two cases for financing terrorism are now being tried against a community journalist and a lay worker and staff of religious groups, some of whom had been detained following illegal office raids and planting of evidence.[13]

      Using its broad authority to ex parte investigate bank deposits and freeze assets without delay under the Anti-Terrorism Act (ATA) and the Terrorism Financing Prevention and Suppression Act of 2011 (TFPSA), the Anti-Money Laundering Council (AMLC) and the Anti-Terrorism Council (ATC) have implemented targeted financial sanctions against church groups and non-profit organisations (NPOs), including civil forfeiture proceedings, jeopardising their very existence and withholding crucial assistance from their intended beneficiaries.

      At the same time, the Philippine government has imposed burdensome regulations on NPOs based on amorphous concepts of “beneficial ownership” and “related accounts” to comply with recommendations of the Financial Action Task Force (FATF), particularly on the so-called protection of NPOs from misuse by terrorist organisations (Recommendation No. 8). These have resulted in their exclusion from financial services by banks and deprived them of their right to seek, secure, and use resources.

      Under the ATA and the TFPSA, parties are not afforded the right to notice and hearing before they are designated as “terrorists” or “terrorist organisations” or their assets are frozen. Freeze orders and criminal prosecutions are also issued and initiated based on secret evidence, mostly perjured testimonies from alleged former rebels. Although the Philippine Supreme Court has recently introduced rules[14] that offer judicial safeguards and remedies under the ATA and the TFPSA, it is contended that they cannot adequately rectify, let alone address the fundamental flaws inherent in these laws.[15]

      In a joint communication to the Philippine government dated 10 October 2023,[16] six UN Special Rapporteurs expressed grave concerns on the judicial harassment, red-tagging, office raids, and targeted financial sanctions against religious groups; human rights, indigenous and humanitarian organisations; rights defenders; indigenous peoples; journalists; and lawyers in the name of countering terrorism and terrorist financing. They stressed that “any rights limitations in the name of the fight against terrorism and the financing of terrorism must meet the objective criteria of proportionality, necessity, legality and non-discrimination under international law”[17] and “any terrorism-related listing and asset freezing procedure must comport with due process and procedural rights, including the right to fair trial, the presumption of innocence, the right to appeal, and a right to effective protection by the courts”.[18]

      d) Torture and other cruel, inhuman or degrading treatment

      The congestion rate in penal facilities under the Bureau of Corrections (BuCor) stands at 421%,[19] while pre-conviction detention facilities under the Bureau of Jail Management and Penology (BJMP) are operating at 367% of official capacity.[20]

      These overcrowded conditions lead to routine disregard and violation of international law standards such as International Covenant on Civil and Political Rights, the Convention against Torture and the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (Mandela Rules) and the United Nations Rules for the Treatment of Women Prisoners and Non-custodial Measures for Women Offenders (Bangkok Rules).[21] Instances of prohibited practices such as torture (including psychological torture) and other proscribed ill-.-treatment, including corporal punishment, and degrading strip searches of visitors,[22] persist. Adequate provisions for sleeping facilities, sanitary and hygiene installations, health care services, nutritional food, drinking water, and access to reading materials are often neglected. The daily meal allowance, ranging from PhP39 to PhP70, is deemed insufficient.[23]

      The inhumane conditions in jails contribute to a high mortality rate, with approximately 5,200 prisoners dying annually at the New Bilibid Prisons,[24] and 300 to 800 deaths each year in BJMP jails.[25] A nominal PhP15 daily medical allowance per detainee is allocated by the government, further exacerbating the inadequate support for detainees’ well-being.[26] The plight of vulnerable prisoners, such as nursing mothers and their infants, the elderly, and those afflicted with life-threatening diseases, became most pronounced during the COVID-19 pandemic.

      Despite the existence of the Anti-Torture Law in the Philippines, Karapatan has recorded 488 instances of torture since July 2010. Among these cases, 244 occurred during the Benigno S. Aquino III administration, 233 during the Rodrigo Duterte administration, and 11 during the Ferdinand Marcos Jr. administration.[27]

      These cases consistently reveal a pattern of deliberate violations prohibited by international and domestic legal law and standards on detention, torture, and cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment by State agents. This includes the victims being subjected to red-tagging, which has historically led to more severe violations like extrajudicial killings, enforced disappearances, arbitrary or illegal arrest or detention, and torture and ill-treatment.[28]

      Patterns in these cases involve the use of secret detention facilities or safe houses by State agents, despite Philippine laws prohibiting such practices. The victims often experience physical and psychological torture or other proscribed ill-treatment; coercion to sign documents with perjured statements; denial of access to counsel of their own choice; no or restricted access and visitation by family members or human rights groups; and red-tagging within detention facilities.[29] Human rights lawyers have witnessed how their clients were deprived of their right to be assisted by counsel at all times in order to force them into fake surrenders or guilty pleas.

      During its recent second visit to the Philippines, the UN Subcommittee on Prevention of Torture and Other Cruel, Inhuman, or Degrading Treatment or Punishment (SPT) visited over 40 places of deprivation of liberty in the country, conducted confidential interviews with staff members and persons deprived of liberty, and examined the treatment of individuals in different stages of the criminal justice system. Following the visit, the SPT called on the Philippines to fast-track the adoption of the bills to designate the National Preventive Mechanism.[30]

      e) Arbitrary detention

      The Philippine jail population stands at 130,000 in detention (pre-conviction) facilities, and 50,000 in penal facilities. Drug arrests have been the major driver of jail and prison congestion in the Philippines. More than 70% of the BJMP detainee population and BuCor convicted population are arrested for drug offences.[31] The arrests have continued under the present administration; the police chief has reported that it made 16,463 arrests in drug-related operations in its first 100 days of office.[32]

      The absence of clarity as to how many of these cases relate to the drug trade as opposed to personal drug use and how many persons were convicted, released or remain in pretrial detention, combined with irregularities in due process especially in cases of undercover operations, gives rise to concerns that numerous cases may constitute arbitrary detention.

      The continuing weaponisation of penal laws against rights defenders and political activists has also brought the number of political prisoners to 795, as of 30 November 2023. Out of this number, there are 98 with life-threatening illnesses and 78 elderly persons.[33]

      In its submission to the 2022 UPR of the Philippines, the NUPL described the Philippine government’s use, circumvention, reinterpretation, or reinventing of the law to justify or legitimise State action or repression, which has resulted in a high incidence of arbitrary detention in the country. The planting of evidence, particularly firearms, ammunition, explosives, and explosive devices, remains to be a modus operandi of law enforcement authorities as a means of placing targeted individuals in custody. Both drug-related and politically-related arrests stem from a conscious government policy of identifying and neutralising “enemies of the state”.

      The writ of habeas corpus has proven to be ineffective, as security forces undermine the process by fabricating “evidence” to expedite the filing of indictments. In turn, the courts routinely dismiss the victims’ petitions, citing them as “moot and academic”, in accordance with the prevailing doctrine in the 1985 case of Ilagan v. Enrile.[34] The Philippines’ legal framework for lawful arrest and detention may be robust, but this legality has not prevented arbitrary arrest and detention.

      Pressure by international actors, and solidarity and support to the Filipino legal community, remain crucial to improve the human rights situation in the Philippines. The 2024 IFTD offers a concrete possibility of bringing about change, and promises to have a strong impact with strategic analysis of policy and systemic conditions.

      Call for nominations for the Ebru Timtik Award

      The Steering Group of the IFTD would like to also invite you to nominate one or more individual(s) or an organisation for the Ebru Timtik Award from amongst those who have demonstrated outstanding commitment and sacrifice in upholding fundamental values related to the right to a fair trial in the Philippines. The individual(s) or organisation nominated for the award must be or have been active in defending and or promoting the right to a fair trial in the Philippines through either a recent outstanding piece of work in relation to this fundamental right or their distinguished long-term involvement in fair trial issues.

      The deadline for nominations is 1 May 2024. To nominate, please send your nominations to nominationsetaward@gmail.com in English and kindly include: (1) the candidate’s detailed bio, (2) a letter signed by the nominating organisation/group of individuals explaining the reasons why they/it consider(s) that the candidate should be granted the Award, and (3) one recommendation/supporting letter from an unrelated, external organisation, if the application is submitted by a group of individuals.

      For the details of the award criteria and process please see “Selection criteria for the grant of the Ebru Timtik Fair Trial Award”. After the deadline, a jury composed of independent individuals who are experienced with the right to a fair trial, including one or more from the focus country, will review and assess the nominations and determine the award recipient(s).

      Signatures:

      • Avocats Européens Démocrates / European Democratic Lawyers (AED)
      • Bar Human Rights Committee of England and Wales (BHRC)
      • Barreau Nantes / Nantes Bar Association
      • Consiglio Nazionale Forense / National Bar Council of Italy (CNF)
      • Çağdaş Hukukçular Derneği / Progressive Lawyers’ Association (ÇHD)
      • Defense Sans Frontiere – Avocats Solidaires (DSF-AS)
      • European Association of Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH)
      • Federation Barreauz D’Europe / Federation of Europan Bars (FBE)
      • International Association of Democratic Lawyers (IADL)
      • International Bar Association Human Rights Institute (IBahri)
      • International Commission of Jurists (ICJ)
      • International Observatory for Lawyers (OIAD)
      • Lawyers for Lawyers (L4L)
      • Ordine degli Avvocati di Bologna / Bologna Bar Association
      • Özgürlük İçin Hukukçular Derneği / Association of Lawyers for Freedom (ÖHD)
      • Republikanischer Antwaltinnen- und Anwalteverein e.V / Republican Lawyers Association (RAV)
      • The Law Society of England and Wales (LSEW)
      • Union Internationale des Avocats Institut pour l’État de Droit / The International Association of Lawyers Institute for the Rule of Law (UIA-IROL)   

      [1]National Union of Peoples’ Lawyers, Under Siege: Attacks and Threats on Filipino Lawyers and Judges.

      [2] Ibid.

      [4] “Red-tagging” in this context means the practice by the security forces or government officials or “shills” (individuals who attempt to give credibility to a person or organization without disclosing that they have a close relationship with the said person or organization involved) of subjecting individuals or organizations critical or not fully supportive of the actions of the government to malicious harassment and blacklisting N. This tagging identifies these individuals and organizations as communists or terrorists or both. It produces a chilling effect on general discourse and can encourage assassinations and retaliations.

      [11] Report on the Philippines of the Working Group of the Universal Periodic Review, A/HRC/52/13, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G23/081/56/PDF/G2308156.pdf.

      [15] NUPL Press Statement, January 5, 2024, Rights lawyers note measures to provide judicial safeguards and remedies under challenged Terror Law; but raise serious concerns on certain provisions.

      [17] Ibid., p.11.

      [18] Ibid., p.12.

      [21] Karapatan Alliance Philippines Submission to the UN Subcommittee on Prevention of Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (SPT), November 2023.

      [27] Supra note 21.

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      International Fair Trial Day (IFTD)
      news-1013Fri, 02 Feb 2024 12:32:22 +0100RAV kritisiert Beschneidung der Oppositionsrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kritisiert-beschneidung-der-oppositionsrechte-1013RAV-Pressemitteilung, 2.2.2024Bundestagsgruppen dürfen nur zehn Anfragen pro Monat stellen

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) kritisiert die Entscheidung der Regierungsfraktionen, dass Die Linke, bestehend aus 28 Abgeordneten, künftig nur noch zehn Kleine oder Große Anfragen pro Monat stellen darf. Der Bundestag hat dies am Freitagvormittag auf Empfehlung des Ältestenrats beschlossen.

      »Diese Beschneidung der Oppositionsrechte ist bedenklich, gerade in diesen Zeiten, in denen unsere Demokratie von Parteien wie der AfD sowieso schon unter Beschuss steht«, sagt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Die Rechte der Opposition sind ein Kern der Demokratie, sie müssen gewahrt werden«.

      Vorausgegangen war die Spaltung der Linksfraktion vergangenes Jahr. Diesen Freitag sind dann 28 Abgeordnete als parlamentarische Gruppe „Die Linke“ anerkannt worden und 10 weitere Abgeordnete als Gruppe „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“. Beiden Gruppen gesteht die Regierungsmehrheit nun bis zu zehn Kleinen oder Großen Anfragen pro Kalendermonat zu.

      Wir fordern ein unbegrenztes Fragerecht für alle Gruppen in der Opposition“, so Stolle.

      In der aktuellen Legislaturperiode hatte die Linksfraktion nach eigenen Angaben mindestens 966 Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt, in der vergangenen Legislaturperiode insgesamt 2.800, also circa 58 im Monat. „Die nun beschlossene Reduktion auf 10 Anfragen im Monat steht nicht im Verhältnis zur Reduktion der Zahl der Abgeordneten von Die Linke“, bemerkt Stolle.

      Für die Arbeit der Rechtsanwält*innen des RAV sind die Anfragen der Linken von großer Bedeutung. Als Beispiele nennt Stolle Anfragen, die zur Aufarbeitung der Terrorserie des NSU beitragen, ebenso wie zur polizeilichen Datenspeicherung, etwa von Fußballfans, oder zum Zeugnisverweigerungsrecht für Menschen in sozialen Berufen. „Die Anfragen der Linken und die Antworten darauf liefern wertvolle Informationen, die anders niemals ans Licht kommen würden“, erklärt Stolle.

      Hier die PM zum Download (PDF).

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      Pressemitteilung
      news-1012Tue, 30 Jan 2024 11:34:49 +0100BMJ: Eckpunkte zum Kindschaftsrecht und zum Abstammungsrecht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bmj-eckpunkte-zum-kindschaftsrecht-und-zum-abstammungsrecht-1012RAV-Stellungnahme, 30.1.2024Stellungnahme des RAV

      auf die vorgelegten Eckpunkte zum Kindschaftsrecht und zum Abstammungsrecht:

      • Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Kindschaftsrechts: Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht.
      • Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Abstammungsrechts
       

      Verfasser: Dirk Siegfried, Rechtsanwalt & Notar

      I.  Eckpunkte für die Reform des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Adoptionsrechts

      Diese Eckpunkte unterstützen wir in vollem Umfang. Sie sind kindeswohlorientiert und gehen etliche praxisrelevante Probleme an, wie z.B. die Mängel beim Schutz vor häuslicher Gewalt. Zu ergänzen wären diese Eckpunkte aus unserer Sicht um einen weiteren Punkt:

      §§ 9a AdVermiG, 196a FamFG sollten ersatzlos gestrichen werden. Die Vorschriften belasten die Adoptionsverfahren mit unnötiger Bürokratie. Die Sanktion des § 196a FamFG ist ferner kindeswohlwidrig, da sie Ausnahmen zum Wohl des Kindes nicht zulässt. Sie ist zudem in Fällen, in denen das Kind in eine bestehende Gemeinschaft nach § 1766a BGB hineingeboren wurde, unpraktikabel, da sich häufig vor Einleitung des Verfahrens nicht vorhersehen lässt, ob das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1766a BGB bejaht.

      II. Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts

      Auch in diesen Eckpunkten sind zahlreiche Anliegen angesprochen, die wir unterstützen, z.B. die Besetzung der zweiten Elternstelle durch eine Frau ohne Adoptionsverfahren sowie präkonzeptionelle Elternschaftsvereinbarungen. In unserer nachfolgenden Stellungnahme möchten wir uns auf die aus unserer Sicht kritischen Punkte und auf die „Reformvorschläge im Einzelnen“ unter IV. des Eckpunktepapiers beschränken:

      1. Personen ohne Angabe eines Geschlechts im Personenstandsregister oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ und Personen, die den Geschlechtseintrag geändert haben

      Schon die Überschrift „Eintrag der Elternschaft im Personenstandsregister“ unter IV.1.b) der Eckpunkte verkennt das Problem. Es geht nicht nur darum, wie eine Elternschaft im Personenstandsregister eingetragen wird. Vielmehr wird diesen Personen aktuell in vielen Fällen die Elternschaft (ohne Adoption) verwehrt: So können z.B. Personen ohne Geschlechtseintrag die zweite Elternstelle aktuell über § 1592 Nrn. 1 und 2 BGB zumindest nach herrschender Auffassung überhaupt nicht einnehmen. Es muss also zuvörderst einmal darum gehen, die bestehende verfassungswidrige Diskriminierung (vgl. BVerfG, B. vom 10.10.2017, 1 BvR 2019/16) zu beseitigen und die Elternschaft überhaupt erst zu ermöglichen. Bevor sie dann eingetragen werden kann.

      Ohnehin sind die Eckpunkte in diesem Punkt völlig unklar: Die unter IV.1.b) offengelassene Frage ist ja, was denn die „allgemeinen Regelungen des Personenstandsrechts“ besagen. Besagen sie z.B., dass die Elternstellen geschlechtsunabhängig besetzt werden und dann entsprechend dem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag des jeweiligen Elternteils mit „Mutter“ oder „Vater“ oder „Elternteil“ benannt werden? Oder gerade nicht? Der Umstand, dass die Eckpunkte diese sich aufdrängende Frage so leichtfüßig umgehen, lässt befürchten, dass es beim bisherigen verfassungswidrigen Zustand bleiben soll bzw. dieser für Personen ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ noch vertieft werden würde. Diese könnten sich nicht einmal mehr auf eine nachträglich entstandene Lückenhaftigkeit des Gesetzes berufen, wenn diese Lücke nun zementiert wird. Das wäre sowieso inakzeptabel, aber auch mit den Zusagen beim Entwurf des SBGG nicht zu vereinbaren. Es wird auf Seite 59 unten des SBGG-E vielmehr ausdrücklich erklärt, dass es sich dort nur um eine Übergangslösung bis zur anstehenden Reform des Abstammungsrechts handelt. Diese Zusage muss eingehalten werden.

      2. Mangelhafte Rückwirkung

      Die Eckpunkte sehen – unter IV.8. – nur für eine Fallgruppe, die der Kinder, die in eine Ehe zweier Frauen hineingeboren wurden, eine Rückwirkung vor. Selbst für diese Fallgruppe ist die vorgesehene Rückwirkung mangelhaft: Es ist nicht begründbar, die gemeinsame Elternschaft beider Frauen noch von einer Elternschaftsanerkennung abhängig zu machen. Vielmehr muss die formlose Anzeige gegenüber dem Standesamt genügen.

      Vor allem aber ist zu beanstanden, dass für andere Eltern und deren Kinder eine Rückwirkung überhaupt nicht vorgesehen ist - nicht für nicht verheiratete Frauenpaare, nicht für Personen ohne Geschlechtseintrag oder mit Geschlechtseintrag „divers“ und auch nicht für Eltern mit einer Änderung des Personenstands. Dies ist weder mit den Interessen dieser Eltern und ihrer Kinder zu vereinbaren, noch mit dem Ziel der Entlastung von Gerichten und Behörden. Diese bleiben und werden vielmehr durch die Fortführung der dort noch anhängigen Verfahren und durch weitere, derzeit noch nicht anhängige Verfahren belastet, in die die Eltern durch die fehlende Rückwirkung gezwungen werden.

      Auch der unter IV.8. vorgesehene Rückwirkungszeitpunkt ist völlig unzureichend. Es sollte zumindest der Zeitpunkt des Urteils des BVerfG zur „Sukzessivadoption“ vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, maßgeblich sein.

      3. Abkehr vom Vorrang des Kindeswohls

      Besonders besorgniserregend ist die unverhohlene Abkehr der Eckpunkte vom Vorrang des Kindeswohls: Bisher war das Kindeswohl unbestritten der entscheidende Aspekt des Abstammungsrechts. So hat das BVerfG im Urteil vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, unter Rn. 49 ausgeführt:

      „Das Kindeswohl ist wesensbestimmender Bestandteil des Art. 6 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 108, 82 <102>). Die verfassungsrechtliche Gewährleistung dient in erster Linie dem Schutz des Kindes. Sie beruht auf dem Gedanken, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Das Elternrecht ist um des Kindes willen gegen Eingriffe des Staates geschützt (vgl. BVerfGE 59, 360 <376 f.>; 61, 358 <371 f.>).“

      Die Eckpunkte verstoßen hiergegen in zweierlei Hinsicht:

      Es liegt im Kindeswohl, eine möglichst baldige zuverlässige Zuordnung der Elternschaft zu erhalten. Die Eckpunkte sehen in IV.3.a) und b) für Fälle, in denen es bisher diese zuverlässige Zuordnung gab, aufwändige Prüfungsverfahren und ein Aufschieben der Eltern-Kind- Zuordnung vor. Bereits dies ist mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren.

      Unter IV.3.b) wird ferner lediglich erklärt, das Kindeswohl habe „Bedeutung“. Es „kann“ der „entscheidende Faktor“ sein. Das ist wesentlich weniger als bisher unstreitig und vom BVerfG für maßgeblich angesehen. Unverhohlen findet hier ein Paradigmenwechsel weg vom Kindeswohl und hin zu angeblichen Interessen leiblicher Väter statt. Dies ist sowieso unzulässig und nicht einmal durch die geltend gemachten Interessen leiblicher Väter geboten:

      Der auf Seite 10 oben der Eckpunkte aufgeführte Beispielsfall lässt sich schon nach aktuellem Recht leicht dadurch lösen, dass der leibliche Vater die Vaterschaft des „Sperrvaters“ anfechten kann, wenn keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Diese Einschränkung liegt im Wohl des Kindes. Weitergehende Anfechtungsrechte sind kindeswohlwidrig.

      Schon deswegen ist auch der unter IV.3.b) vorgesehenen „Interessenabwägung“ zu widersprechen. Völlig unklar ist auch, was mit der anzustellenden Erwägung gemeint sein soll, „ab wann sich der leibliche Vater um das Kind bemüht hat“. Von Bedeutung könnte allenfalls sein, ab wann er sich um die rechtliche Elternschaft bemüht hat. Das wäre aktuell schon im Rahmen einer vorgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung möglich und zukünftig auch im Rahmen einer präkonzeptionellen Elternschaftsvereinbarung bzw. Vaterschaftsanerkennung. So dass es im Wesentlichen um die Fälle ginge, in denen die leiblichen Väter es unterlassen haben, sich rechtzeitig um die rechtliche Vaterschaft zu bemühen bzw. diese der Mutter anzubieten. Es zeigt sich hier zum einen, wie wichtig es ist, den Beteiligten Möglichkeiten zu bieten, frühzeitig Rechtssicherheit zu erzeugen, zum anderen, dass Kindern die von ihnen dringend benötigte Rechtssicherheit nicht im Interesse leiblicher Väter, die von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht haben, verweigert werden darf.

      4. Bevormundung nicht verheirateter Mütter

      Bis zum Kindschaftsrechtsreformgesetz 1996 war zur Vaterschaftsanerkennung nicht die Zustimmung der Mutter, sondern die des Kindes, vertreten durch das Jugendamt, erforderlich. Dies hat die damalige Bundesregierung sich wie folgt erklärt: „Dies erklärt sich aus dem System der Amtspflegschaft und dem darin liegenden Misstrauen gegenüber der Mutter eines nichtehelichen Kindes.“ (vgl. BT-Drucksache 13/4899, S. 54) und folgerichtig abgeschafft.

      Mit den Eckpunkten soll das Rad nun offenbar zum Teil wieder zurückgedreht werden, wenn die Zustimmung der Mutter nun doch wieder in bestimmten Fällen unter den Vorbehalt der Überprüfung durch das Familiengericht und das Jugendamt gestellt werden soll.

      Das darin zum Ausdruck kommende Misstrauen und die damit verbundene Bevormundung sind sachlich nicht gerechtfertigt und mit Art. 6 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.

      5. Präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennungen

      Es ist den Eckpunkten nicht sicher zu entnehmen, ob zukünftig präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennungen zulässig sein sollen. Wir halten dies für dringend geboten. Nur so kann Eltern die Möglichkeit geboten werden, schon vor der Zeugung Rechtssicherheit bezüglich der Eltern-Kind-Zuordnung zu schaffen. Dies liegt im Interesse aller Beteiligter, vor allem der Kinder, die ihre Zeugung dem Vertrauen in diese Rechtssicherheit verdanken.

      6. Keine Strafbarkeit der Beteiligung an einer Zeugung mittels Bechermethode

      Die Mitwirkung an der Zeugung mittels Bechermethode ist bereits nach aktuellem Recht nicht strafbar (vgl. Siegfried, FamRZ 2019, 1979). Das wird zwar z.T. behauptet. Deswegen ist eine „Klarstellung“ – wie unter IV.8. der Eckpunkte in Aussicht genommen – sicher sinnvoll. Die Klarstellung darf sich aber nicht nur auf den Wunschelternteil beziehen. Sie muss vielmehr für alle an der Zeugung mitwirkenden Personen gelten, um diese nicht einer aktuell überhaupt nicht bestehenden Strafbarkeit zu unterwerfen.

      7. Keine Verschärfung der Regelungen zur Bekämpfung „missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen“

      Unter IV.6. der Eckpunkte werden Verschärfungen der Regelungen zur Bekämpfung „missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen“ in Aussicht gestellt. Zwar nicht für dieses Reformvorhaben. Wir möchten hierzu gleichwohl klarstellen, dass wir solche Verschärfungen nicht für gerechtfertigt halten. Wir verweisen hierzu auf die nochmals als Anlage beigefügte gemeinsame Stellungnahme von DAV und RAV vom 06.05.2022, wonach vielmehr die Aufhebung der Regelungen in §§ 1597a BGB, und 85a AufenthG angemessen ist.

      Berlin, 30.01.2024

      Stellungnahme als PDF

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      Stellungnahmen
      news-1011Mon, 29 Jan 2024 10:31:41 +0100Rechtsstaat und Demokratie gegen den Angriff von rechts verteidigen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsstaat-und-demokratie-gegen-den-angriff-von-rechts-verteidigen-1011RAV-Aufruf zur Teilnahme an der Menschenkette um den Bundestag. "Hand in Hand" am 3.2.2024Update, 2.2.24: Als Treffpunkt für Jurist*innen schlagen wir den südlichen Eingang des Paul-Löbe-Hauses bei den Fahrradständern  vor. Vom Hauptbahnhof und über U- 5 bis  Bundestag ist das Paul-Löbe-Haus sehr gut erreichbar und bei Regen bietet der Eingang einen Unterstand.

      Gemeinsam für Solidarität und die offene Gesellschaft auf die Straße gehen

      Der RAV ruft zur Teilnahme an der Menschenkette um den Bundestag des Netzwerkes „Hand in Hand“ am 3. Februar um 13.00 Uhr in Berlin auf.

      Als Anwältinnen und Anwälte beobachten wir seit langer Zeit, wie sich die Angriffe auf fundamentale rechtsstaatliche Grundlagen verschärfen und die Gleichheit der Menschen offen in Frage gestellt wird.

      Die Verteidigung von Menschenrechten und den Schutz von Minderheiten verstehen wir als Kern unserer anwaltlichen Aufgabe. In diesem Sinne haben wir auch unser Engagement in dem #unteilbar-Bündnis verstanden.

      Es geht jetzt darum, über all das Trennende hinweg in einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis diese Demokratie, die demokratischen Institutionen und die rechtsstaatlichen Errungenschaften zu verteidigen. Die Politik ist aufgefordert, die rechten Diskurse zu brechen und offensiv für die solidarische Gesellschaft einzutreten. Der Kampf gegen Rechtsradikalismus wird nicht durch ein Zurückweichen und die Aufgabe rechtsstaatlicher Positionen gewonnen.

      #WirSindDieBrandmauer

      Alle Infos unter: https://gemeinsam-hand-in-hand.org/

      Aufruf als PDF

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      news-1010Tue, 23 Jan 2024 11:30:17 +0100Kundgebung vor der Botschaft der islamischen Republik Iran/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-vor-der-botschaft-der-islamischen-republik-iran-1-101024.1.2024 um 13 hGemeinsam mit der Stiftung „Day of the Endangered Lawyer“ und einem internationalen Netzwerk von Anwältinnen/Anwälten- und Juristinnen/Juristen-Organisationen rufen die Rechtsanwaltskammer Berlin und der RAV zudem zu einer

      Kundgebung am 24.01.2024 um 13 Uhr vor der iranischen Botschaft, Podbielskiallee 67, 14195 Berlin auf, um dort unsere Solidarität mit den Kolleg*innen im Iran auszudrücken und ihre Freilassung zu fordern.

      Wir würden uns über zahlreiches Erscheinen freuen und rufen alle Kolleginnen und Kollegen auf, wenn möglich in Robe an der Versammlung teilzunehmen.

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      IranTag des bedrohten Anwalts
      news-1008Fri, 19 Jan 2024 10:41:23 +0100Jahrestag der Anerkennung des Genozids durch den Bundestag/publikationen/mitteilungen/mitteilung/jahrestag-der-anerkennung-des-genozids-durch-den-bundestag-1008Pressemitteilung, 19.1.24. RAV fordert Abschiebestopp für jesidische GeflüchteteAm 19. Januar 2023 hat der Bundestag die Verbrechen des Islamischen Staats (IS) an den Jesid*innen als Völkermord anerkannt.

      Im Rahmen seines Beschlusses stellte der Bundestag fest, dass auch neun Jahre nach dem Genozid Verfolgung und Diskriminierung von Jesid*innen im Irak noch immer andauern.

      Heute, ein Jahr nach dem Anerkennungsbeschluss, ist die Lage von jesidischen Schutzsuchenden in der Bundesrepublik dagegen von akuter Angst vor Abschiebung geprägt.

      Laut Auswärtigem Amt und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei durch den militärischen Sieg über den IS im Irak jegliche Verfolgungsgefahr für Jesid*innen gebannt.

      Dass die Opfer des Genozids noch immer schwer unter dessen Folgen leiden, wird in der deutschen Asylpraxis nicht hinreichend berücksichtigt. Hunderttausende Jesid*innen leben noch immer als Vertriebene unter teils menschenunwürdigen Bedingungen in kurdischen Flüchtlingslagern. Ein Wiederaufbau jesidischer Siedlungsgebiete ist aufgrund anhaltender Konflikte in der Region Shingal nicht abzusehen und offensichtlich nicht im Interesse der lokalen Konfliktparteien.

      Nach geheimen Absprachen zwischen dem Irak und der Bundesregierung bereits im April 2023, werden irakische Schutzsuchende seit Sommer 2023 erstmalig seit fast 20 Jahren wieder abgeschoben. Unter den bisher abgeschobenen befanden sich bereits rund 20 Jesiden.

      Der RAV fordert Abschiebungen von Jesid*innen zu stoppen und ein Bleiberecht zu ermöglichen.

      PM als Download (PDF)

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-1006Wed, 17 Jan 2024 08:00:00 +0100Landgericht Hamburg verhandelt Verfahren gegen Demonstrierende vom G20-Gipfel/publikationen/mitteilungen/mitteilung/landgericht-hamburg-verhandelt-verfahren-gegen-demonstrierende-vom-g20-gipfel-1006Pressemitteilung, 17.1.2024Der RAV fordert: Angriffe der Hamburger Staatsanwaltschaft auf die Versammlungsfreiheit müssen aufhören

      Am 18.01.2024 soll in Hamburg erneut ein Gerichtsverfahren gegen sechs Angeklagte beginnen, denen die Teilnahme an einer Demonstration gegen den G20-Gipfel im Sommer 2017 vorgeworfen wird.

      Wie bereits in vorherigen Verfahren (Fabio V. || Rondenbarg-Prozess geplatzt), die allesamt ergebnislos wieder beendet wurden, wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg den sechs Angeklagten nicht etwa eine eigene gewalttätige Handlung, sondern allein die Teilnahme an der Versammlung am Rondenbarg vor, die von Einheiten der Bundespolizei und der Polizei Hamburg vor Ort gewaltsam aufgelöst wurde.

      Dabei ist seit der Liberalisierung des entsprechenden Landfriedensbruch-Paragraphen in den siebziger Jahren klar, dass die bloße Teilnahme an einer Versammlung selbst dann, wenn diese einen gewaltsamen Verlauf nimmt, nicht der Strafbarkeit des § 125 StGB unterfällt. Nur diejenigen, die selbst als Täter*in oder Teilnehmende aktiv gewalttätig – etwa gegen Polizeibeamt*innen – agieren, können sich nach der entschärften Fassung strafbar machen, eine Einschränkung, die die CDU jüngst im Bundestag wieder abzuschaffen versuchte – indes erfolglos. Um diese eindeutige Gesetzeslage zu torpedieren, behauptet die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift entgegen der tatsächlichen Faktenlage, es habe sich nicht um eine Demonstration gehandelt.

      Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV e.V., kritisiert die Haltung der Hamburger Staatsanwaltschaft: „Die nach wie vor pauschale Weigerung der Staatsanwaltschaft, die Verfahren gegen die damals jungen Demonstrierenden nach nunmehr annähernd sieben Jahren einzustellen, ist nicht nachvollziehbar. Sie lässt befürchten, dass mit der Belastung der Angeklagten durch die nun bis in den Sommer hinein nötigen Anreise zu 28 Verhandlungsterminen eine Sanktion, die auf juristischem Wege nicht erreicht werden kann, durch faktische Einschnitte in den Alltag hervorgerufen werden soll. Dies ist rechtsstaatlich nicht hinnehmbar.

      PM als Download (PDF)

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      G20-Gipfel Hamburg 2017
      news-1007Wed, 17 Jan 2024 06:03:56 +0100Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts 2024/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-2024hamburg-1007Veranstaltung: 24.01.2024, 17-21 h, Hamburg: Talk, Performance, Videoinstallation. Hamburg || Kundgebung: 24.01.2024 um 15 h vor dem iranischen Konsulat, Bebelallee 18, 22299 Hamburg Solidarität mit unseren bedrohten Kolleg*innen im Iran
      (hier folgend die Aktivitäten in Hamburg. Zu der Veranstaltung am 23.1.14 und der Kundgebung vor der iranischen Botschaft in Berlin s. hier)

      Anlässlich des Tages der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts, der sich 2024 der Situation der Kolleginnen und Kollegen im Iran sind in Hamburg folgende Aktivitäten/Veranstaltungen geplant:

      24.1.24 um 15 h: Kundgebung vor dem Konsulat der Islamischen Republik Iran, Bebelallee 18, 22299 Hamburg. Kolleg*innen sind aufgerufen, an der Kundgebung in Robe teilzunehmen.
      Aufruf als PDF

      24.1.24 von 17 - 21 h: Talk, Performance, Videoinstallation. GWA St. Pauli, Hein-Köllisch-Platz 11, 20359 Hamburg
      Poster als PDF

      In der Zeit von 17 bis 21 Uhr wollen wir, RAV e.V. und IKW e.V., im Kölibri/GWA St. Pauli die aktuelle Verfolgung unserer Kolleg*innen historisch und gesamtgesellschaftlich kontextualisieren.

      Mittels einer Theaterperformance der Theatergruppe drang „mad in Germany Splitter im Exil" wird auf die Kontinuität deutscher Waffenlieferungen an das iranische Regime von der sogenannten Kulturrevolution bis heute, mehr als einem Jahr nach dem Mord an Jina Mahsa Amini zu Bekämpfung der Protestbewegung Jin Jian Azadi hingewiesen. 
      Mittels der Videoinstallation, Queer Life Freedom von und mit Ashkan Shabani, lgbtiq+ Aktivist und queerer Fotojournalist aus dem Iran und Gesprächen mit Aktivist*innen, Shohreh Ghanbary, ehemals Inhaftierte im Iran, Aktivistin und Künstlerin, Afrooz Maghzi, iranische Anwältin und Rechtsrecherche, Made Soltani, Tochter des iranischen Anwalts Abdolfattah Soltani  wird die Gewalt auch gegenüber der queeren Bewegung eingeordnet.

      Die Veranstaltung wird vom RAV e.V. und IKW e.V. organisiert und findet in Kooperation mit der GWA St. Pauli e.V. statt. Der Eintritt in diese vielfältigen und recht aufwändigen Veranstaltungen ist frei, wobei wir uns über Spenden dafür sehr freuen würden: https://ikw-hamburg.de/kontakt-spenden/. Bitte verwendet als Zweck "mujeres 24.01.24

      Es werden da sein:
      Maryam Srad (Videoaktivistin)
      Ashkan Shabani (Künstler und Journalist) mit der Ausstellung queer life freedom
      Afrooz Maghzi (iranische Anwältin und Soziologin)
      Maede Soltani (Aktivistin und Tochter des iranischen Anwalts Abdolfatta Soltani)
      Shohre Ghanbari ( Aktivistin, Künstlerin; ehemalige politische Gefangene)
      Ali Fathi (Splitter im Exil mad in Germany)
      Die Theatergruppe Drang aus Berlin

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      news-1014Tue, 16 Jan 2024 10:32:00 +0100Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts am 24. Januar 2024/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-am-24-januar-2024-1014Presseankündigung, 16.1.2024Sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten,

      mit der Auspeitschung von Frauen, Streit über Öltanker im Golf von Oman oder der Finanzierung des Hamas-Terrors in Gaza macht der Iran täglich Schlagzeilen – weniger wissen wir über die rechtliche Lage und die Arbeit von Anwält*innen in der Islamischen Republik. Aus erster Hand darüber berichten kann der Rechtsanwalt Sina Yousefi. Er hat es geschafft, dem Gewaltregime und dem Gefängnis zu entkommen.

      Jetzt ist Yousefi in Berlin und steht für Interviews zur Verfügung (auf Wunsch exklusiv, mehr Infos zur Person s.u.). Möglich ist ein Gespräch vor oder auf unseren Veranstaltungen zum Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts (Termine s.u.). Dieser widmet sich dieses Jahr dem Iran. Dort hatte der Tod von Jina Masha Amini 2022 landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime mit grausamer Gewalt begegnet. Mindestens 600 Menschen wurden im vergangenen Jahr hingerichtet, Menschenrechte werden massenhaft verletzt.

      Ausgerechnet im Iran, wo sie so bitter nötig wäre, ist anwaltliche Vertretung nur noch schwer möglich“, erklärt Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV. Das Mullah-Regime handele willkürlich und die Anwält*innen selbst würden verfolgt. Ihnen werde oft das gleiche vorgeworfen wie ihren Mandant*innen, so Stolle. Mindestens fünf Anwält*innen sitzen im Iran derzeit im Gefängnis. Einer davon ist Amirsalar Davoudi. Für ihn hat der RAV eine Patenschaft übernommen.Unser Kollege Armisalar Davoudi und alle anderen Kolleg*innen müssen freigelassen werden“, fordert der RAV-Vorstandsvorsitzende. „Rechtsanwält*innen, die einfach nur ihre Arbeit machen, gehören nicht ins Gefängnis – weder im Iran noch in irgendeinem anderen Land der Welt“, so Stolle weiter. Stolle weist zudem auf Deutschlands Verantwortung hin: „Demokratische Rechtsstaaten tragen eine Mitschuld an der Unterdrückung, wenn sie weiterhin Wirtschaftsbeziehungen und Handel mit dem Gewaltregime zulassen“, kritisiert Stolle. Er fordert von der Bundesregierung ebenso wie von deutschen Unternehmen: „Keine Zusammenarbeit mit dem Regime, bis alle gefangenen Anwält*innen frei sind! Der Iran muss die Menschenrechte achten.

      Veranstaltungen des RAV:

      • 23. Januar, 18 Uhr: Informationsveranstaltung des RAV in Berlin zusammen mit der Berliner Rechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltverein (DAV). Rechtsanwalt Sina Yousefi berichtet, wie das iranische Regime gegen Rechtsanwält*innen vorgeht.
        Ort: Littenstr. 9, 4. Etage, 10179 Berlin. Einlass ab 17.30, für Übersetzung ist gesorgt.
      • 24. Januar, 13 Uhr: RAV-Kundgebung in Robe vor der iranischen Botschaft in Berlin und Übergabe des neuen EDA-Reports zur Situation von Rechtsanwält*innen im Iran.
        Ort: Kreuzung Podbielskiallee/Drygalskistraße, Berlin.
      • 24. Januar, 17 Uhr: Mit einer Performance, einer Videoinstallation und einem Fachgespräch macht der RAV in Hamburg auf das Thema aufmerksam. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Verein Interkulturelle Werkstatt e.V. statt.
        Ort: Kölibri/GWA, Hein-Köllisch-Platz 12, 20359 Hamburg.
       

      Der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts wird jeden 24. Januar in mehreren Städten, Ländern und Kontinenten abgehalten. Vergangenes Jahr war der Tag Afghanistan gewidmet, 2022 ging es um Kolumbien. Etabliert haben den Aktionstag 2009 die Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA), die damit einem Mord von 1977 gedenken: Damals töteten Faschisten drei Gewerkschaftsanwälte in deren Kanzlei in Madrid.

      „Der Iran verletzt das internationale Recht“

      Im Jahr 2009 war der Iran schon mal das Fokus-Land, doch 15 Jahre später ist die Lage weiterhin katastrophal“, erklärt Nasrin Karimi. Die in Teheran geborene und in Berlin tätige Rechtsanwältin ist Mitglied im RAV und Expertin für deutsch-iranisches Recht sowie für Familien- und Erbrecht. „Das iranische Regime verletzt seit seiner Entstehung durchweg das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung.“ Und das, obwohl der Iran seit 1975 Mitglied des Internationalen Pakts über bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ist.

      Karimi betont: „Je entschlossener Anwälte für ihre Unabhängigkeit kämpfen, desto stärker werden sie verfolgt. Aufgrund der verschärften Regelungen der Strafprozessordnung sind politische Gefangene gezwungen, sich an Anwälte zu wenden, die die Oberste Justizbehörde des Landes als ‚Vertrauensanwälte‘ zugelassen hat. Die sind nicht unabhängig".“

      Mehr über das Justizsystem des Iran, die Praxis der Rechtsprechung und vor allem über Alltag und Arbeitsbedingungen von Anwält*innen im Iran erfahren Sie bei unseren Veranstaltungen, zu denen wir sie herzlich einladen!

       Weitere Informationen:


      Die Presseankündigung als Download (PDF), hier auch mit weiteren Informationen zu Rechtsanwalt Sina Yousefi.

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      Tag des bedrohten AnwaltsPressemitteilung
      news-1005Mon, 15 Jan 2024 10:17:10 +0100Juristische Organisationen verurteilen rechtsextremistischen "Masterplan" aufs Schärfste/publikationen/mitteilungen/mitteilung/juristische-organisationen-verurteilen-rechtsextremistischen-masterplan-aufs-schaerfste-1005Gemeinsames Statement, 15.1.24Was im November im kleinen Kreis nahe Potsdam entworfen wurde, ist mehr als nur eine schauerliche Vision. Es ist ein Angriff auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat. Die massenhafte Deportation von Menschen aus Deutschland darf nie wieder Realität werden. Die gesetzliche Legitimation solcher Phantasien muss mit allen juristischen und politischen Mitteln verhindert werden. Dieses Treffen darf sich in der Rückschau nicht als „zweite Wannseekonferenz“ entpuppen.

      Die unterzeichnenden juristischen Organisationen stellen sich entschlossen gegen das skizzierte Konzept und das dahinterstehende Menschen- und Weltbild, das nicht nur unzähligen in Deutschland tätigen Juristinnen und Juristen, sondern uns allen nicht wieder gutzumachenden und dauerhaften Schaden zufügen würde.

      Die unterzeichnenden Organisationen

      Bundesrechtsanwaltskammer
      Deutscher Anwaltverein
      Deutscher Juristinnenbund
      Deutscher Richterbund
      Neue Richtervereinigung
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen
       

      Das gemeinsame Statement als Download (PDF), das weitere Zeichnungen enthält, die nach Veröffentlichung eingegangen sind. Diese sind:

      Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger
      Bundesverband der Unternehmensjuristen
      Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften
      Deutsche Strafverteidiger
      Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung
      EDV-Gerichtstag

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      Rechtsextremismus
      news-1004Mon, 15 Jan 2024 08:58:07 +0100Strafrechtsreform zur Abschaffung von § 353d Nr. 3 StGB nutzen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafrechtsreform-zur-abschaffung-von-353d-nr-3-stgb-nutzen-1004Gemeinsame Stellungnahme, 11.1.24Gemeinsame Stellungnahme der Organisationen:
      Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
      Netzwerk Recherche e.V.
      Deutscher Journalisten-Verband
      Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di)
      Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
      Reporter ohne Grenzen e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

      Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien enthält den Auftrag, das Strafgesetzbuch systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche zu überprüfen. Dabei soll ein Fokus auf historisch überholten Straftatbeständen, der Modernisierung des Strafrechts und der schnellen Entlastung der Justiz liegen.[1] Das Bundesministerium der Justiz hat kürzlich Eckpunkte für die anstehende Reform vorgelegt.[2] Jedenfalls an einer Stelle enthält der Vorschlag aus Sicht der Unterzeichnenden eine erhebliche Lücke: Der Gesetzgeber sollte die Reform zur Abschaffung von § 353d Nr. 3 StGB nutzen, jedenfalls aber den Straftatbestand an die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) anpassen und eine Ausnahme für Medienschaffende vorsehen. Die Norm richtet sich nach ihrer Entstehungsgeschichte in erster Linie gegen die Presse, wird schon seit langem kritisiert und aktuell im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Gerichtsbeschlüssen zur Letzten Generation diskutiert.[3]

      Nach § 353d Nr. 3 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer den Wortlaut der Anklageschrift oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens ganz oder in wesentlichen Teilen öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Die Norm soll Verfahrensbeteiligte (Laienrichter und Zeugen) davor schützen, durch die vorzeitige Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt zu werden, sowie die Persönlichkeitsrechte der vom Verfahren Betroffenen wahren.[4] Eine Feststellung, ob diese Schutzgüter im Einzelfall überhaupt betroffen sind, oder eine Abwägung, etwa mit dem für die Medien streitenden öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung, sieht sie nicht vor.

      § 353d Nr. 3 StGB greift damit in die Pressefreiheit ein. Das strikte Veröffentlichungsverbot unter Androhung einer Freiheitsstrafe entfaltet eine erhebliche Abschreckungswirkung für die Presseberichterstattung, verstärkt durch den unklaren Anwendungsbereich der Norm. Was „amtliche Dokumente“ sind,[5] ist ebenso umstritten wie die Fragen, wann ein Verfahren abgeschlossen[6] ist oder eine Veröffentlichung in „wesentlichen Teilen“ erfolgt.[7] Das Veröffentlichungsverbot kann
      demgegenüber seinen Schutzzweck kaum erreichen. Die Norm verbietet allein die Wiedergabe im Wortlaut, die sinngemäße Wiedergabe ist Medien hingegen gestattet.[8] Gerade die wortlautgetreue Veröffentlichung gewährleistet in Fällen von großem
      öffentlichen Interesse die sachliche und faktenbasierte Auseinandersetzung mit den Akteninhalten. Darüber hinaus gehört es gerade zum Kern journalistischer Sorgfaltspflichten, die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen zu schützen und eine Abwägung im Einzelfall zu treffen, ob und unter welchen Umständen die Veröffentlichung gerechtfertigt ist, etwa durch umfangreiche Anonymisierungen. Diese über zivilrechtliche Ansprüche abgesicherte Pflicht besteht unabhängig von der
      Strafbarkeit nach § 353d Nr. 3 StGB. Eine Schutzlücke droht daher nicht.

      Dementsprechend forderten bereits vor mehr als zehn Jahren Medienverbände[9] sowie die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen[10] und der FDP[11] die Abschaffung der Norm. Die Einschätzung der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wonach die Norm korrekte Berichterstattung kriminalisiere und es zugleich höchst fraglich sei, ob sie das Ziel des Gesetzgebers erreichen könne,[12] trifft weiter zu. Zwischenzeitlich hat zudem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mehrfach entschieden, dass eine Verurteilung von Medienangehörigen wegen der Veröffentlichung von Dokumenten aus Strafverfahren gegen die EMRK verstößt, wenn die Gerichte zuvor keine Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung oder der Unschuldsvermutung festgestellt und mit den Rechten der Presse abgewogen haben.[13] Auch der Bundesgerichtshof äußerte kürzlich Zweifel, ob die Norm verfassungs- und konventionsmäßig ist.[14]

      In der Gesamtschau ist jedenfalls die Anpassung von § 353d Nr. 3 StGB an die Gewährleistungen der Pressefreiheit nicht nur rechtspolitisch geboten, sondern auch verfassungsrechtlich zwingend.

      Kontakte:
      Deutscher Journalisten-Verband
      Christoph Brill: brill@djv.de

      Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
      Benjamin Lück: benjamin.lueck@freiheitsrechte.org

      Reporter ohne Grenzen e.V.
      Nicola Bier: nicola.bier@reporter-ohne-grenzen.de

      Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
      Hannah Vos: hannah.vos@okfn.de

      Netzwerk Recherche e.V.
      Dr. Thomas Schnedler: schnedler@netzwerkrecherche.de

      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Dr. Lukas Theune: kontakt@rav.de

      Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di)
      Matthias von Fintel: matthias.vonfintel@verdi.de

      [1] Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und FDP, S. 106.
      [2] Bundesministerium der Justiz (BMJ), Eckpunkte zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs, November 2023, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Modernisierung_Strafgesetzbuch.html.
      [3] Siehe nur Süddeutsche Zeitung, Verklagt vom Staat, 4. Dezember 2023, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/medien/fragdenstaat-353d-bundesverfassungsgericht-1.6313936; Legal Tribune Online, 25. August 2023, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/353d-stgb-reform-noetig-bgh-urteil-zitieren-urteil-presse/.
      [4] BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.06.2014 – 2 BvR 429/12, Rn. 25-27.
      [5] Dazu zuletzt BGH, Urteil vom 16. Mai 2023, Az. VI ZR 116/22.
      [6] Vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 2. September 2013 - 629 Qs 34/13: „um die Bestimmtheit der Vorschrift […] dürfte es schlechter denn je stehen.“
      [7] Siehe zu Unterschieden in der Rechtsprechung etwa Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20. Juli 2016 – (1) 53 Ss 3/16 (18/16) und LG Amberg, Beschluss vom 9. Februar 2015 - 11 Qs 5/15.
      [8] BVerfG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 1 BvL 15/84, Rn. 25.
      [9] ARD, BDZV, DJV, Deutscher Presserat, VDZ, Ver.di, VPRT und ZDF, Gemeinsame Stellungnahme vom 9. Juni 2010, Seite 9, abrufbar unter https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/INFOS/Themen/Medienpolitik/Presserecht/Quellenschutz/PrStG-E-21-06-10.pdf.
      [10] Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit in Straf- und Strafprozessrecht, BT-Drs. 16/576.
      [11] Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Pressefreiheit, BT-Drs. 16/956.
      [12] Leutheusser-Schnarrenberger, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2007, 249 (251).
      [13] EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011, Pinto Coelho v. Portugal – 28439/08.
      [14] BGH, Urteil vom 16. Mai 2023, Az. VI ZR 116/22, Rn. 18.

      StN als Download (PDF)

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      Presserecht
      news-1003Fri, 12 Jan 2024 05:47:59 +0100Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts 2024<br />Solidarität mit unseren bedrohten Kolleg*innen im Iran/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-2024solidaritaet-mit-unseren-bedrohten-kolleginnen-im-iran-1003Informationsveranstaltung: 23.01.2024 um 18 h, Littenstraße in Berlin || Kundgebung: 24.01.2024 um 13 h vor der iranischen Botschaft, Podbielskiallee in Berlin Anlässlich des Tages der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts, der sich 2024 der Situation der Kolleginnen und Kollegen im Iran widmet, veranstaltet die Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK-Berlin) gemeinsam mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und dem Deutschen Anwaltsverein (DAV) eine Informations- und Diskussionsveranstaltung.

      Jedes Jahr am 24. Januar wird der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts begangen.
      In diesem Jahr steht der Iran im Fokus. Dort hatte 2022 der Tod von Jina Masha Amini landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime seither mit grausamer Gewalt begegnet. Mindestens 600 Menschen wurden 2023 hingerichtet, Menschenrechte werden massenhaft verletzt. Mehrere unserer Kolleg*innen, darunter Rechtsanwalt Amirsalar Davoudi, für den der RAV eine Patenschaft übernommen hat, befinden sich allein wegen ihrer beruflichen Tätigkeit momentan dort in Haft.

      Bei der Veranstaltung wird unser iranischer Kollege Rechtsanwalt Sina Yousefi berichten, wie das Regime gegen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen vorgeht. Er wird uns weiter über die Besonderheiten des iranischen Rechtssystems und der Arbeit von Rechtsanwält*innen in der Verteidigung der Rechte ihrer Mandant*innen informieren. Rechtsanwalt Yousefi wurde selbst durch das Regime verfolgt, konnte 2023 aus dem Iran fliehen und lebt jetzt in Berlin.

      Außerdem wollen wir auf der Veranstaltung darüber sprechen, wie wir (weiter) unsere bedrohten Kolleg*innen im Iran unterstützen können.

      Durch die Veranstaltung führt die Aktivistin und Journalistin Daniela Sepehri, profunde Kennerin der Menschenrechtssituation im Iran.

      Die Informationsveranstaltung findet am 23.01.2024 um 18 Uhr in den Räumen der Berliner Rechtsanwaltskammer, Littenstr. 9, 4. Etage, 10179 Berlin statt. Einlass ab 17:30 Uhr.

      Wir laden alle herzlich ein, an der Veranstaltung teilzunehmen.

      Für eine Übersetzung von Farsi nach Deutsch ist gesorgt.

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      Gemeinsam mit der Stiftung „Day of the Endangered Lawyer“ und einem internationalen Netzwerk von Anwältinnen/Anwälten- und Juristinnen/Juristen-Organisationen rufen die Rechtsanwaltskammer Berlin und der RAV zudem zu einer

      Kundgebung am 24.01.2024 um 13 Uhr vor der iranischen Botschaft, Podbielskiallee 67, 14195 Berlin auf, um dort unsere Solidarität mit den Kolleg*innen im Iran auszudrücken und ihre Freilassung zu fordern.

      Wir würden uns über zahlreiches Erscheinen freuen und rufen alle Kolleginnen und Kollegen auf, wenn möglich in Robe an der Versammlung teilzunehmen.

      Einladungen als Download (PDF)

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      news-1002Fri, 05 Jan 2024 08:10:03 +0100Gefangen & Wohnungslos/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gefangen-wohnungslos-1002Buchvorstellung - Lesung – Diskussion, 17.1.24 um 17 h in BerlinKlaus Jünschke war monatelang in den Justizvollzugsanstalten Köln, Siegburg und Rheinbach und hat dort mit Häftlingen gesprochen, die vor ihrer Haft wohnungs- bzw. obdachlos waren – und danach mit größter  Wahrscheinlichkeit auch wieder sind.
      Aus ihren Erzählungen über die Gründe, die zur Inhaftierung führten, aus den Berichten über die Haftsituation und die Zukunftsaussichten ist das Buch „Gefangen & Wohnungslos“ entstanden. Es informiert die Öffentlichkeit über eine soziale Notlage, deren Behebung längst überfällig ist.

      Um armen und wohnungslosigkeitserfahrenen Menschen zu ermöglichen, dabei zu sein, ist die Lesung kostenfrei und es wird auch etwas zu Essen und zu Trinken geben. Kommt vorbei!!

      "Gefangen & Wohnungslos"
      Buchvorstellung - Lesung – Diskussion
      Mi, 17.01.2024, 17:00
      Mit dem Autor Klaus Jünschke, Köln

      Haus der Demokratie | Greifswalder Str. 4  | 10405 Berlin

      Tram M4, Bus 142 + 200, Haltestelle "Am Friedrichshain"
      Eintritt frei (Spenden erwünscht)
      Essen & Trinken für alle – Beginn der Lesung 18:00

      Eine Veranstaltung der Wohnungslosen_Stiftung & Klaus Jünschke. Moderation: Stefan Schneider
      Eine VA in Kooperation mit dem RAV u.a.

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      SozialrechtVeranstaltungen
      news-994Mon, 04 Dec 2023 10:49:12 +0100RAV befürchtet vollständige Aushöhlung des europäischen Asylrechts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-befuerchtet-vollstaendige-aushoehlung-des-europaeischen-asylrechts-994Presseinfo vom 4. Dezember 2023: Fachgespräch am 07.12.2023 um 18 Uhr zur GEAS-ReformAus Sicht des RAV führt die von der EU angestrebte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu einer fast vollständigen Entrechtung von Schutzsuchenden – sollte die Reform wie geplant umgesetzt werden. Der RAV lädt daher unter dem Titel "Mehr als diskussionswürdig: Die Reform des Europäischen Asylsystems" zu einem Fachgespräch am Donnerstag, 7.12.23 um 18 hHU Berlin,  Unter den Linden 6, Raum 2094 ein. Die Veranstaltung kann auch im Stream verfolgt werden.

      Es soll das unübersichtliche Reformpaket kritisch beleuchtet werden. Denn darin verbergen sich verschiedene Reglungen, die einen gravierenden Einschnitt in die Rechte Schutzbedürftiger bedeuten und die bislang geltenden Verfahrensgarantien fast vollständig aufgeben. 

      Zu den gravierendsten Eingriffen gehören

      • mehrmonatige Haftzeiten ohne gerichtliche Anordnung oder Kontrolle
      • Einschränkung der Möglichkeiten gerichtlicher Kontrolle von Asylentscheidungen
      • Umgehung der Genfer Flüchtlingskonvention
         

      Rechtsanwältin Berenice Böhlo aus dem RAV-Vorstand sagt dazu: „Mit den Verordnungs-Entwürfen senkt die Europäische Union menschenrechtliche Standards für den Umgang mit Asylbewerber*innen auf ein beschämend niedriges Niveau. Damit verrät sie die Grundwerte, auf denen sie aufbaut. Mit den Entwürfen will die EU Handlungsfähigkeit und eine harte Hand im Umgang mit Migrant*innen demonstrieren. Sie nutzt dafür eine Politik, die lang und hart erkämpfte Grundsätze zum Schutz von Verfolgten und zur Integration von Menschen mit Fluchtgeschichte mit einem Handstreich aufgibt. Werden an den Entwürfen keine substanziellen Veränderungen vorgenommen, muss die GEAS-Reform konsequent verhindert werden.

      In Deutschland werden die geplanten Änderungen von einer schrill geführten Debatte begleitet. Auch Vertreter*innen von Parteien, die ein Menschenrechte verteidigendes Selbstverständnis für sich in Anspruch nehmen, setzen sich vehement für die Verschärfung des GEAS ein. Sie schaffen so ein Abschreckungsszenario, in dem aus Flucht „irreguläre Migration“ wird, die es zu unterbinden gilt. Selten findet dabei eine sachliche Auseinandersetzung mit den geplanten Änderungen statt.

      Um diesem Diskurs entgegenzuwirken veranstaltet der RAV gemeinsam mit der Refugee Law Clinic Berlin und der Professur für Recht und Migration der HU Berlin am 07.12.2023 eine Informationsveranstaltung. Sie findet parallel zum geplanten Ende der Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Kommission und Minister*innenrat statt. Bei der Veranstaltung werden Prof. Dr. Pauline Endres de Oliveira (HU Berlin), Dr. Bernd Kasparek (HU Berlin) und Catharina Ziebritzki (Equal Rights Beyond Borders) über den Stand des GEAS-Reformprozesses informieren und diesen inhaltlich einordnen. Moderiert wird die Veranstaltung von dem Journalisten Christian Jakob (TAZ).

      Parallel wird ein >>> Fact-Sheet <<< veröffentlicht, das die maßgeblichen Änderungen der Reform zusammenfasst.

      Für die Veranstaltung wird um Anmeldung an kontakt@rav.de gebeten.
      Als Ansprechpartner steht für Sie zur Verfügung: Julius Becker, Rechtsanwalt, becker@blkr-berlin.de

      Presseinfo als PDF
      Flyer als PDF

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      PressemitteilungMigration & AsylVeranstaltungen
      news-991Fri, 24 Nov 2023 11:33:41 +0100Massive Kritik der AG Migrationsrecht Süd des RAV an bayerischem Beschluss, bei der Bezahlkarte für Geflüchtete vorpreschen zu wollen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/massive-kritik-der-ag-migrationsrecht-sued-des-rav-an-bayerischem-beschluss-bei-der-bezahlkarte-fuer-gefluechtete-vorpreschen-zu-wollen-991Pressemitteilung, 24.11.23Populistisches Vorhaben greift ungerechtfertigt in Grundrechte von Geflüchteten ein und ist weder sach- noch zweckgerecht.

      In der vergangenen Woche beschloss das bayerische Kabinett die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete. Das Vorhaben sei ein Mittel zur Verringerung von "Zuzugsanreizen und der Finanzierung von Schlepperkriminalität". Außerdem wolle Bayern Vorreiter sein, die Beschlüsse aus dem Bund-Länder-Gipfel Anfang November umzusetzen.

      Der RAV betrachtet das Vorhaben als populistische Symbolpolitik und kritisiert den erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen. „Betroffen sei vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal von der AG Migrationsrecht Süd des RAV, „Mittels der Datenerhebung über ihre Einkäufe kann eine Kontrolle der Migrant*innen stattfinden, was auch die Erstellung von Bewegungsprofilen ermöglichen würde.

      Der Rechtsanwalt erklärt weiter: „Auch drohen erhebliche Einschränkungen in der allgemeinen Handlungsfreiheit, wenn die Sperrung bestimmter Waren und regionale Beschränkungen erfolgen, und wir befürchten schwerwiegende Verletzungen des Datenschutzes unserer Mandant*innen, insbesondere bei der übereilten Umsetzung hier in Bayern.“ 

      Zudem ist das Vorhaben weder sach- noch zweckgerecht: In der Erfahrung der Migrationsrechtsanwält*innen würden Schleuser*innen in der Regel nicht nach der Flucht bezahlt, und die Betroffenen unterstützen ihre Verwandten im Ausland meistens erst dann, wenn sie selbst arbeiteten und Geld verdienten. Dies sei gleichzeitig ein Hauptanliegen der Betroffenen: die Unabhängigkeit von Sozialleistungen.

      Zudem gibt es keine seriöse Quelle, die Bargeldauszahlung als Pullfaktor für Migration bestätigt. Die Migrationsforschung (*) zweifelt am schematischen System der Pull/Push-Faktoren als Erklärung für Fluchtentscheidungen und betont stattdessen die Bedeutung rechtsstaatlicher Garantien, die hier - zumindest auf dem Papier - für Alle gelte. 

      Die geplante Beschränkung führe schließlich zu Entmündigung der Betroffenen auch im Bereich Ernährung, wenn bestimmte - bspw. afrikanische - Lebensmittel bayernweit nur in München oder Nürnberg in Fachgeschäften erworben werden können, gleichzeitig Geflüchtete oft in ländlichen Kommunen untergebracht werden. Wenn Betroffene zudem an jeder Kasse als Asylbewerber*innen erkennbar sind, kein Onlinekauf möglich ist und "bestimmte Händler" ausgeschlossen sein sollen, resultiert das in weiterer Diskriminierung und Stigmatisierung der Betroffenen. Das System der Bezahlkarten hieße, dass jenseits großer Händler*innen keine Käufe getätigt werden könnten. Betroffen wären u.a. Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkte oder Schulfeste, Käufe bei Straßenhändler*innen, private Käufe von Gebrauchtartikeln, Tickets im ÖPNV oder Toilettengebühren. Das Gegenteil von Integration wäre die Folge.

      Auch wie Geldzahlungen für die Beschaffung von Personalpapieren aus der Heimat erfolgen sollen, die von den Ausländerbehörden regelmäßig gefordert werden, oder wie die Menschen ihre rechtliche Vertretung finanzieren sollen, ist nicht geklärt. Die überwiegende Zahl der asylrechtlichen Mandant*innen kommt für die Gebühren selbst auf; Prozesskostenhilfe wird regelmäßig abgelehnt. 

      Die massiven Eingriffe in die Rechte auf Handlungsfreiheit, informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz und Bewegungsfreiheit halten die Rechtsanwält*innen vom RAV für ungerechtfertigt. Die bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, von diesem populistischen Schnellschuss Abstand zu nehmen und sich stattdessen auf rechtlich und praktisch durchdachte Lösungen zu konzentrieren.

      * Z.B. Oliviero Angeli, wissenschaftlicher Koordinator des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) an der Technischen Universität Dresden.

      Kontakt:
      Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Email: yunus.ziyal@anw-nbg.de
      oder Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV

      PM als Download (PDF)

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      SozialrechtMigration & Asyl
      news-990Tue, 21 Nov 2023 10:38:26 +010030 Jahre sind genug!<br />Schluss mit der Repression gegen kurdische Vereine und Aktivist*innen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/30-jahre-sind-genugschluss-mit-der-repression-gegen-kurdische-vereine-und-aktivistinnen-990Pressemitteilung, 21.11.23Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) fordert: Das PKK-Verbot muss aufgehoben werden. Seit dem 22.11.1993 unterliegt die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in Deutschland einem Betätigungsverbot.

       „Es gibt keine Gründe, das PKK-Verbot aufrecht zu erhalten“, erklärt der Geschäftsführer Lukas Theune. »Auf Grundlage dieser Entscheidung werden Tausende Menschen verfolgt, die sich politisch engagieren. Das darf in einer Demokratie nicht der Fall sein«, so Theune weiter.

      Die PKK gefährdet weder die öffentliche Sicherheit in Deutschland, noch begeht sie hier Straftaten. Durch das Betätigungsverbot wurde in der deutschen Gesellschaft ein Negativbild von Kurdinnen und Kurden erzeugt, das gravierende Folgen für ihr Alltagsleben hat. Vielen Geflüchteten wurde die Asylanerkennung wieder aberkannt. Hier aufgewachsene Jugendliche werden nicht eingebürgert, weil sie sich für die Rechte der Kurd*innen in der Türkei einsetzen und auf die täglich in der Türkei stattfindenden Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen.

      Seit Verhängung des PKK-Verbots sind Kurdinnen und Kurden in Deutschland von Grundrechtseinschränkungen und Kriminalisierung, von Diskriminierung, Ausgrenzung und Misstrauen betroffen, wenn sie sich beispielsweise gegen völkerrechtswidrige Einsätze des türkischen Militärs wenden, das im Auftrag der türkischen Regierung nicht vor Giftgas und Bombardierung von zumeist kurdischen Zivilist*innen zurückschreckt.

      Die deutsche Regierung muss sich entscheiden: für eine wertebasierte Außenpolitik gegenüber der türkischen Regierung, für allgemeingültige Menschenrechte und für den Schutz von Minderheiten. Oder für eine opportunistische Politik der Machtspiele auf Kosten einer der größten Minderheiten in Deutschland, nämlich der kurdischstämmigen Bevölkerung, die durch das Betätigungsverbot systematisch kriminalisiert wird.

      Wir als RAV stehen klar an der Seite derjenigen, die hier von Repression, Überwachung und Einschüchterung betroffen sind. Wir fordern: Weg mit dem Betätigungsverbot!

      Kontakt:
      Dr. Lukas Theune, RAV-Geschäftsführer
      Email: lukas.theune@rav.de
      Tel. 030 417 23 555

      PM als Download (PDF)

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      PKK
      news-989Tue, 14 Nov 2023 17:29:59 +0100Mehr als diskussionswürdig: Die Reform des Europäischen Asylsystems/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mehr-als-diskussionswuerdig-die-reform-des-europaeischen-asylsystems-989Veranstaltung am 7.12.23 in Berlin und als StreamAm 8.6.23 hat sich der EU-Innenrat auf tiefgreifende Reformen und Verschärfungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Die Reformvorschläge befinden sich derzeit im EU-Gesetzgebungsverfahren und werden im Falle ihrer Verabschiedung weitreichende Folgen für Schutzsuchende in Europa haben. Angesichts der Vielzahl an geplanten Neuregelungen herrscht weitgehend noch Unkenntnis über deren Details und was diese in der Praxis bedeuten können.

      Welche Konsequenzen die GEAS-Reform für die Menschenrechte von Schutzsuchenden haben und inwieweit die Vorschläge im Widerspruch zu internationalem Recht stehen, wollen wir am

      7.12.23 um 18 h

      erörtern.

      Sprechen werden:
      Prof.in Dr.in Pauline Endres de Oliveira, HU Berlin
      Catharina Ziebritzki, Equal Rights Beyond Borders, Berlin
      Dr. Bernd Kasparek, HU Berlin

      Moderation: Christian Jakob, Journalist

      Im Anschluss besteht der Raum für Fragen und Diskussion.

      Ort:
      Humboldt Universität zu Berlin
      Unter den Linden 6
      Raum 2094

      Der Veranstaltung kann auch im Stream verfolgt werden: https://hu-berlin.zoom.us/j/63360797773?pwd=N0xWQzcwTWkyUkFiOTdGK3NiakM1UT09#success

      Veranstalter:
      RAV, RLC-Berlin, Professur für Migration und Recht der HU-Berlin

      Fact Sheet zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (PDF)

      Flyer (PDF)
       

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      news-987Mon, 13 Nov 2023 08:28:56 +0100Bar Associations and International Lawyers’ Organisations Call for the Protection of Lawyers in Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bar-associations-and-international-lawyers-organisations-call-for-the-protection-of-lawyers-in-iran-987Joint Statement, 10.11.2023NAZANIN SALARI
      MAHMOUD TARAVAT-RUY
      MASOUD AHMADIAN

      The impending trial of Nazanin Salari, Mahmoud Taravat-Ruy, and Masoud Ahmadian in the Shiraz Islamic Revolution Court on November 11 is a stark reminder of the persistent assault on human rights and freedom of expression in Iran. Accused of "cooperation with 'hostile' countries," "assembly and collusion to act against national security," and "propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran," these lawyers have become targets of a system that seeks to silence their unwavering commitment to justice and their efforts to advocate for positive change.

      Nazanin Salari is a lawyer and a member of the Fars Bar Association. She was also the former Head of the Human Rights Commission at the Fars Bar Association. She is a women's rights advocate and a human rights activist. She was initially arrested in November 2020 and was charged with “cooperation with ‘hostile’ countries”, “assembly and collusion to act against national security”, and “propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran. She was arrested again in November 2022 while peacefully demonstrating in front of the Shiraz Bar Association to show her support for the "Woman, Life, Freedom" national uprising, which was in response to the murder of Jina Mahsa Amini, a 22-year-old girl from Saqqez, by the morality police in Tehran. She was then released on bail on 19 November 2022. She was charged with “inciting people to corruption and prostitution” and “appearing in public places without hijab”. The court sessions for these charges were held on the 5th and 7th of November 2023.

       

      Mahmoud Taravat-Ruy is a lawyer, member and former President of the Fars Bar Association. He is a human rights activist and has provided legal counsel for numerous political and conscientious defendants. Mahmoud Taravat-Ruy was initially arrested in November 2020 and was charged with “cooperation with ‘hostile’ countries”, “assembly and collusion to act against national security”, and “propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran. He was rearrested in November 2022 during a peaceful gathering in front of the Shiraz Bar Association to show his support for protestors who took to the streets after the death of Jina Mahsa Amini. He was released on bail on 19 November 2022 and charged with “assembly and collusion to act against national security”. The court sessions for these charges were held on 5th and 7th of November 2023.

      Masoud Ahmadian Asadabadi is a lawyer and member of the Fars Bar Association. He is a human rights activist and an advocate for women’s and children's rights and has provided legal counsel for many political and conscientious defendants. Mr Ahmadian is representing Mr Taravat-Ruy and Ms Salari in their 2022 cases but was himself also arrested in November 2020 and charged with “cooperation with ‘hostile’ countries”, “assembly and collusion to act against national security”, and “propagandistic activity against the Islamic Republic of Iran” for his human rights work.

      The court hearing of these three lawyers will be held on Saturday 11 November 2023 at 8:00 a.m. (Iran Standard Time) at Branch One of the Revolutionary Court in Shiraz.

      Practising as a lawyer, defending human rights, taking part in international scientific and academic meetings and working to improve the law are very often described as criminal activities by the regime. These justifications are used by the state to overlook the human rights violations carried out by the regime. The Ministry of Intelligence’s assertion that these defenders of human rights are criminals is an affront to the principles of justice and equity.

      The undersigned organisations stand in solidarity with Nazanin Salari, Mahmoud Taravat-Roui, Masoud Ahmadian, and all the lawyers who fight for human rights and a more just society in Iran.

      The undersigned organizations intend to reiterate, with the utmost firmness, to the Islamic Republic of Iran, the Basic Principles of the United Nations on the Role of Lawyers, particularly Article 16, which states:

      16. Governments shall ensure that lawyers (a) are able to perform all of their professional functions without intimidation, hindrance, harassment or improper interference; (…) and (c) shall not suffer, or be threatened with, prosecution or administrative, economic or other sanctions for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics.

      The international community must condemn this blatant violation of fundamental rights and call for the immediate cessation of these unjust proceedings. The world is watching, and we will not remain silent in the face of such grave injustice.

      Signatories:

      1. International Bar Association’s Human Rights Institute
      2. International Observatory for Lawyers in Danger
      3. Centre for Supports of Human Rights (CSHR)
      4. Lawyers for Lawyers
      5. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
      6. Defence Commission of the Barcelona Bar Association
      7. AED - European Democratic Lawyers
      8. The Hanseatic Bar of Hamburg (Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg)
      9. The German Bar Association
      10. Geneva Bar Association (Ordre des Avocats Genève)
      11. The German Federal Bar (Bundesrechtsanwaltskammer, BRAK)


      Statement als PDF

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      IranRepression gegen Rechtsanwälte
      news-986Tue, 07 Nov 2023 12:42:03 +0100„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“ (Primo Levi)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/es-ist-geschehen-und-folglich-kann-es-wieder-geschehen-primo-levi-986Aufruf zur Teilnahme an der Gedenkdemonstration am 9. November 2023 um 18.00 Uhr am Mahnmal Levetzowstraße 7-8, 10555 Berlin85 Jahre nach der Reichspogromnacht ist jüdisches Leben so gefährdet wie lange nicht mehr. Im Zuge des von Hamas und Islamischem Dschihad zu verantwortenden Massakers an vorwiegend jüdischen Zivilist*innen in Israel kam und kommt es auch weltweit und in Deutschland zu antisemitischen Angriffen. Rechtfertigungen des Massenmordes, der Brandanschlag auf die Kahal Adass Jisroel Synagoge in Berlin-Mitte, Markierungen von Häusern mit Davidsternen sind nur ein Ausschnitt aus der Vielzahl von Bedrohungen und Gefährdungen von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Gleichzeitig steigt auch die Anzahl und das Ausmaß rechter, neonazistischer antisemitischer Straftaten und Gewalt Jahr für Jahr an. Der 7. Oktober 2023 stellt eine Zäsur dar. Das „Nie wieder“, von dem wir immer sprechen, ist jetzt.

      In dieser Zeit ist es für uns als Organisation von Rechtsanwält*innen, die sich dem Schutz und der Verteidigung der unteilbaren Menschenrechte verpflichtet fühlen, wichtig, sich solidarisch zu erklären, mit allen Jüdinnen und Juden weltweit, die derzeit angegriffen und bedroht werden; in Deutschland, in Israel, in den USA oder anderswo. Das Eintreten für Menschenrechte bedeutet für uns auch das entschiedene Eintreten gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Menschenfeindlichkeit.

      Deswegen rufen wir auf zur Teilnahme an der jährlich stattfindenden Gedenkdemonstration in Berlin-Moabit für die Opfer der Reichspogromnacht und der Shoah. Wir würden uns freuen, viele unserer Kolleg*innen dort wiederzusehen.

      Der Vorstand des RAV:
      Dr. Peer Stolle, Franziska Nedelmann, Berenice Böhlo, Dr. Björn Elberling, Angela Furmaniak, Antonella Giamattei, Anna Gilsbach, Benjamin Hersch, Waltraut Verleih

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      news-985Tue, 07 Nov 2023 06:55:12 +0100Geplantes, neues Abschiebegesetz schränkt Grundrechte von Betroffenen weiter massiv ein/publikationen/mitteilungen/mitteilung/geplantes-neues-abschiebegesetz-schraenkt-grundrechte-von-betroffenen-weiter-massiv-ein-985Gemeinsame Presseinformation des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. und des Abschiebungsreporting NRW, 7.11.2023Am 25.10.20023 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf zum sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetz verabschiedet und an Bundestag und Bundesrat übermittelt.[1]

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. sowie das dem Grundrechtekomitee angegliederte Projekt Abschiebungsreporting NRW kritisieren vor allem die weitreichenden Eingriffe in Grundrechte, namentlich in das Recht auf Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf Privatsphäre sowie den Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen sowie das Gesetzgebungsverfahren selbst scharf. Der 72-seitige Referent:innenentwurf wurde den Verbänden ohne sachlichen Grund mit einer Stellungnahme-Frist von nur 48 Stunden übermittelt. Eine ernsthafte fachliche Auseinandersetzung mit Expert:innen ist seitens der Bundesregierung offensichtlich nicht erwünscht.

      Julia Schulze Buxloh vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. erklärt.:

      Eine Vielzahl der geplanten Regelungen ist eindeutig verfassungs- und europarechtswidrig. Statt eines Überbietungswettbewerbs an Schäbigkeiten und verfassungswidriger Scheinlösungen brauchen wir sachgerechte Debatten und eine menschenrechtskonforme Politik.

      Britta Rabe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. kritisiert:

      Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ enthält populistisch motivierte Maßnahmen. Mit noch unnachgiebigerer Härte und Mitteln der Gewalt – wie Inhaftierung und polizeilicher Kontrolle und Disziplinierung – soll gegen Menschen vorgegangen werden. Ziel ist vor allem, Geflüchtete als angeblich unberechtigt „Leistungen erschleichende“ Straftäter:innen rassistisch zu markieren.

      Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW stellt fest:

      Dieses Gesetz wird sein propagiertes Ziel nicht erreichen. Schon jetzt werden Rechte von Betroffenen bei Abschiebungen verletzt, wie wir aus den Recherchen und Dokumentationen des Abschiebungsreporting NRW wissen. Die geplante Einschränkung von Grundrechten steht in keinerlei Verhältnis zu den von der Bundesregierung propagierten zusätzlichen 600 Abschiebungen pro Jahr.“ 

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. und das daran angegliederte Abschiebungsreporting NRW fordern daher – auch angesichts der weiteren Verschärfungen, die aktuell diskutiert werden – Bundesregierung, Bundesrat und Parlament zu einer grundlegenden Umkehr in der Migrationspolitik auf. Es braucht eine progressive Politik, die sich endlich traut, den Menschenrechtsschutz in den Mittelpunkt zu stellen, den Fakt von immerwährenden Migrationsbewegungen anzuerkennen und positiv zu gestalten.

      Hintergrundinformationen: Zu einigen vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im Einzelnen:

      • Die Ausweitung der Inhaftierungsmöglichkeiten von Geflüchteten (§ 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG – E): Abschiebehaft soll etwa auch immer dann angeordnet werden, wenn feststeht, dass die Abschiebung innerhalb von sechs Monaten und nicht mehr wie zuvor innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann.
      • Die Fortdauer und die Anordnung von Abschiebungshaft (§ 71 Abs. 8 AsylG – E) soll künftig zudem unabhängig von etwaigen Asylantragstellungen und Folgeanträgen möglich sein. Dies wird dazu führen, dass Menschen gezielt in eine nicht endende Situation von Furcht vor möglicher Haft gedrängt werden.
      • Der sogenannte Ausreisegewahrsam (§ 62b Abs. 1 AufenthG– E) soll von zehn auf 28 Tage erhöht werden. Dieser kann schon jetzt unter noch geringeren Voraussetzungen als die Abschiebungshaft verhängt werden, etwa auch ohne vorliegende Fluchtgefahr. In der Praxis wird der Ausreisegewahrsam zudem meist unrechtmäßig in den gleichen Haftanstalten vollzogen wie andere Formen der Abschiebungshaft.
      • All diese Maßnahmen werden geplant, obwohl bereits jetzt häufig Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam im Nachhinein von Gerichten als rechtswidrig eingestuft werden.[2] Neben dem generell massiven Eingriff in das Freiheitsrecht der Betroffenen wird diese Regelung entsprechend zu noch mehr rechtswidriger Haft führen. Auch werden die Gerichte noch weiter belastet.
      • Ausweitung der Befugnis für staatliche Behörden, in Privaträume einzudringen (§ 48 Abs. 3 AufenthG – E): Der Schutz der Privatsphäre und die Unverletzlichkeit der Wohnung, die in Art. 13 GG grundrechtlich geschützt sind, werden in Zukunft für Geflüchtete und Menschen mit prekärem Aufenthaltsrecht noch weiter eingeschränkt. So soll in Sammelunterkünften zukünftig auch in Räume von Dritten eingedrungen werden können. Diese anderen Räume sollen nach Personen, die abgeschoben werden sollen, durchsucht werden dürfen. Der Richtervorbehalt, den es zur Durchsuchung von Wohnungen bedarf, wird schon derzeit regelmäßig missachtet. Mit der Erweiterung der Befugnisse zum Nachteil von Dritten steht zu befürchten, dass der Richtervorbehalt noch weniger beachtet werden wird. Dies stellt einen erheblichen Verstoß gegen Art. 13 GG dar.  Diese rechtlich explizite Billigung dient vor allem der Legitimierung behördlicher Schikanen, die alle Bewohner:innen von Gemeinschaftsunterkünften in Angst versetzen wird und zu weiterer Traumatisierung führen kann.
        Dem Gesetzgeber ist bei alledem zudem bekannt, dass die Frage der Unverletzlichkeit von Wohnraum bei Abschiebungen derzeit beim Bundesverfassungsgericht zur Klärung anhängig ist. Diese Entscheidung wird aber bewusst nicht abgewartet.  
      • Nichtankündigung von Abschiebungen (§ 60a Abs. 5a AufenthG – E): Laut Gesetzentwurf soll die einmonatige Ankündigungspflicht für Abschiebungen, denen eine mindestens einjährige Duldung vorausging, die widerrufen wurde, gestrichen werden.

      Hierbei soll lediglich eine Ausnahme für Familien mit Kindern unter 12 Jahren gelten. Die Nichtankündigung von Abschiebungen schränkt schon bisher den effektiven Rechtsschutz der Betroffenen massiv ein. Nun soll diese Praxis ausgeweitet werden. Dabei wird sie von den Betroffenen oft als besonders unwürdig beschrieben. Abzuschiebende Menschen können sich nicht auf die Ausreise vorbereiten, sich nicht verabschieden oder die Auflösung ihres Haushaltes organisieren.

      • Weiter ist vorgesehen, dass künftig auch abzuschiebenden Ausländer:innen in Haft oder im öffentlichen Gewahrsam die Abschiebung nicht mehr angekündigt werden soll (§ 59 Abs. 5 S. 2 AufenthG – E).

      Dabei ist einer der oft genannten Gründe für die Nichtnennung der Abschiebetermine, dass die Betroffenen sich sonst verborgen halten könnten. Genau dies ist in Haft oder öffentlichem Gewahrsam aber gerade nicht möglich. Daher kann diese Maßnahme im Gesetzentwurf nur so interpretiert werden, dass auch hier die Rechte der Betroffenen weiter eingeschränkt werden sollen. Effektiver Rechtsschutz wird verhindert. Der Gesetzentwurf selbst nennt nämlich als Grund der Maßnahme einzig die Entlastung der Ausländerbehörden.  

      • Erweiterung der Strafbarkeit: (§§ 15 Abs. 2, 85 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG – E)

      Falsche oder unvollständige Angaben im Asyl- sowie Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren sollen zukünftig strafbar werden. Haben bislang falsche oder unvollständige Angaben zur Ablehnung des Asylgesuchs oder zum Verlust des Schutzstatus führen können, wird hier nun zusätzlich mit dem schärfsten Schwert des Rechtsstaates agiert. Diese Regelung verstößt gegen den Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, der einen grundlegenden Baustein unseres Rechtsstaates darstellt. Zum anderen wird damit Asylsuchenden die Sicherheit genommen, dass der Inhalt der Anhörung vertraulich bleibt, was für viele eine grundlegende Voraussetzung ist, über erlebte Verfolgung sprechen zu können.

      Auch sind Eingriffe in die Berufsfreiheit von Anwält:innen und Berater:innen zu befürchten, sollten die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen angehalten sein, auch gegenüber diesen zu ermitteln. Einhergehend könnte damit eine Pflicht, eine erschöpfende Prüfung der Wahrheit des Vortrages vorzunehmen, was die Beratungstätigkeit verunmöglichen könnte. Zudem wird dieses Vorhaben zur ohnehin schon bestehenden Überlastung der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte beitragen.

      • Ausweitung der Ausweisungsgründe: (§ 54 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG – E): Die bereits äußerst weit gefassten Ausweisungsinteressen[3] sollen noch einmal erweitert werden. Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse soll zukünftig bereits dann bestehen, „wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass [eine Person] einer Vereinigung im Sinne des § 129 des Strafgesetzbuches angehört oder angehört hat“. Eine rechtskräftige Verurteilung wird folglich nicht erforderlich sein; bereits Ermittlungsverfahren oder gar Bewertungen der Ausländerbehörden können ausreichen, um die betroffene Person mit dem scharfen Damoklesschwert der Aufenthaltsbeendigung zu konfrontieren. Vor dem Hintergrund,

      - dass bereits jetzt eine hohe Anzahl an Ermittlungsverfahren gem. § 129 StGB geführt wird, ohne, dass jedoch die Verdachtsmomente für eine Verurteilung schließlich genügen,

      - dass bereits jetzt u.a. § 129 StGB in Zusammenhang mit sog. „Clan“-Kriminalität gebracht wird – erneut ohne entsprechende strafgerichtliche Verurteilung – und damit rassistisch konnotiert gegen Personen vorgegangen wird,

      - dass zunehmend Ermittlungsverfahren gem. § 129 StGB gegen Antifaschist:innen und Klimaaktivist:innen eingeleitet werden, um missliebige politische Haltungen zu kriminalisieren, wird hiermit ein Instrument geschaffen, dass aus hiesiger Sicht demokratischem Recht widerspricht: Die Ausweisung von Betroffenen wird lediglich aufgrund einer Verdachtslage möglich.

      • Die Gründe, ein Asylverfahren als „offensichtlich unbegründet“ abzulehnen, sollen ausge-weitet werden (§ 30 Abs. 1 AsylG – E). Dies verstößt gegen Unionsrecht und verkürzt erneut den Rechtsschutz, gerade für diejenigen, die ihn am dringendsten benötigen: Geflüchtete, und damit besonders schutzbedürftige Personen. Diese Erweiterung ist ein weiterer Ausdruck davon, Geflüchtete unter den Verdacht zu stellen, „Betrüger“ und „Asyl-Erschleicher“ zu sein.
       

      Kontakte:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Julia Schulze Buxloh
      Telefon: +49 (0)30 41 72 35 55
      E-Mail: kontakt@rav.de

      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Britta Rabe
      Telefon: 0221 / 972 69 -20 und -30
      E-Mail: brittarabe@grundrechtekomitee.de, info@grundrechtekomitee.de

      Abschiebungsreporting NRW
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
      Sebastian Rose
      Telefon 0221 / 972 69 32
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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-984Fri, 03 Nov 2023 13:32:49 +0100Gesetzentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzentwurf-der-bundesregierung-zum-kontrollierten-umgang-mit-cannabis-984Stellungnahme des RAV vom 3.11.23Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) (BT-Drs. 20/8763) anlässlich der Anhörung im BT-Gesundheitsausschuss am 06. November 2023.

      Verfasser: Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt in Bremen

      Vorbemerkungen

      Einerseits: Der Einstieg in die Entkriminalisierung der Drogenpolitik ist überfällig, das CanG ist ein wichtiger, wenn auch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung (immerhin: der zweite Schritt zu gewerblichen Modellprojekten wird bereits angekündigt: S. 68 – möge es nicht bei Ankündigungen bleiben).

      Andererseits: Man ersetze in dem GesE zum KCanG das Wort Cannabis durch Alkohol und die Absurdität der gesamten Konstruktion springt ins Auge.

      Allerdings: Internationales und Europarecht werden als Hemmschuhe in Stellung gebracht (BT-Drs. S. 69 ff.); dass dabei letztlich nur die ‚Flucht‘ in das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit weiterhelfen soll, greift zu kurz. Soweit in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung des BVerfG vom 27.04.1994 (BVerfGE 90, 145) Bezug genommen wird (aaO), ist gleichermaßen die aktuelle Entscheidung vom 14.06.2023 (2 BvL 3/20 u.a., Rn. 68 ff.) in den Blick zu nehmen: Dass dort auch im Jahre 2023 noch immer unverhohlen auf den „europäischen Kulturkreis“ verwiesen wird, in dem man den Alkoholkonsum „nicht effektiv unterbinden könne“ (aaO Rn. 103 f.), hinterlässt Fassungslosigkeit und provoziert ein süffisantes „na denn: Prost!“

      Außerdem: Der Konsum von illegalisierten Rauschmitteln war immer schon straffrei (und übrigens auch kein Bußgeldtatbestand, s. dazu u. 3.4), auch wenn es bekanntlich schwierig ist, straffrei zu konsumieren. So oder so irritiert jedoch der Antrag der CDU/CSU-Fraktion (BT-Drs. 20/8735), wenn es unter der Überschrift „Cannabislegalisierung stoppen“ u.a. heißt, eine „Legalisierung von … Konsum für alle Erwachsenen wird zu einer Ausweitung des Cannabiskonsums führen.“

      Der Schildower Kreis (Drogenpolitisches Netzwerk aus Wissenschaft und Praxis: SK) hat sich unter dem 24.07.2023 ebenso ausführlich wie fundiert zu dem diesem GesE zugrundeliegenden RefE geäußert. Der Verfasser (selbst SK-Mitglied) macht sich jene Stellungnahme zu eigen und verweist ergänzend darauf, auch um Wiederholungen zu vermeiden.

      1.

      Zielsetzung(en)

      Die in der Begründung des GesE zum CanG genannten Ziele – verbesserter Gesundheitsschutz, Stärkung cannabisbezogener Aufklärung und Prävention, Eindämmung illegaler Märkte für Cannabis, Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes, Kontrolle der Qualität von Konsumcannabis zum Verbraucherschutz, Verhinderung der Weitergabe verunreinigter Substanzen (BT-Drs. 20/8704 S. 1) – sind zu befürworten; dass sie mit dem geplanten Gesetz jedenfalls besser erreicht werden, als bei Beibehaltung des geltenden Rechts, ist fachlich weitgehend unstreitig.

      Die bisherige Drogenkontrollpolitik ist (übrigens nicht nur, was Cannabis betrifft) gerade in puncto Prohibition gescheitert. „Die bisherige restriktive Cannabis-Politik hat die Ziele eines ausreichenden Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutzes sowie einer wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität nicht erreicht. Eine große und weiter zunehmende Zahl von Menschen in Deutschland erwerben und konsumieren Cannabis vom Schwarzmarkt mit unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit und den Jugendschutz. Dieser gesellschaftlichen Realität stellt sich dieses Gesetz.“ (BT-Drs. aaO S. 70) Zu Recht! Auf die geplante Evaluation (§ 43 KCanG) mag man so oder so gespannt sein; der Versuchung, mögliche Ergebnisse der Evaluation in der Diskussion um das CanG vorwegzunehmen, ist zu widerstehen.

      Eher versteckt (unter F. Weitere Kosten, BT-Drs. aaO S. 4) findet auch die Entlastung der Gerichte Erwähnung, wo „voraussichtlich ... rund 225 Mio“ Euro jährlich eingespart werden sollen. Dabei wird unterschlagen, dass nicht nur gerichtliche Strafverfahren stark verringert werden, sondern vor allem auch der Aufwand bei Polizei und Staatsanwaltschaften (s. aber auch BT-Drs. aaO S. 84 f.).

      Eine ganz wesentliche Zielsetzung der Entkriminalisierung wird damit freilich nur indirekt thematisiert: Die polizeiliche und strafjustizielle Verfolgung von Cannabis-Konsument*innen zu reduzieren, den Kontrolldruck abzubauen und das notorische Kriminalisierungsrisiko zu senken.

      Unklar bleibt, was mit Schutz der Bevölkerung („Bürgerinnen und Bürger“) vor „den Folgen des … Cannabis-Konsums“ gemeint sein soll, zumal auch von indirekten Folgen die Rede ist (BT-Drs. aaO S. 1): Über den Nichtraucherschutz hinaus, der hier nicht gemeint sein kann, dienen die Konsumverbote (s.u. 3.4) dem Kinder- und Jugendschutz.

      2.
      Änderungen des BtMG (Art. 3) sowie BZRG und EGStGB (Art. 11 und 13)

      2.1
      BtMG ohne Cannabis

      Es ist konsequent (und letztlich auch gesetztechnisch überzeugend), Cannabis komplett aus dem Anwendungsbereich des BtMG zu nehmen (qua Änderung der Anlagen). „Die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG gelten daher in diesem Rahmen nicht mehr für cannabisbezogene Handlungen.“ (BT-Drs. aaO S. 128). Zu den neuen Strafbarkeitsvorschriften des KCanG bzw. des MedCanG, die insoweit die §§ 29 ff. BtMG vollständig ersetzen, wird andernorts Stellung genommen (s.u. 3.6).

      Es darf angenommen werden, dass tatbestandliche Unterschiede zwischen den §§ 29 ff. BtMG einerseits und § 34 KCanG sowie § 25 MedCanG andererseits und die auch daraus folgenden abweichenden Strafandrohungen gewollt sind, und das ist auch gut so. Insbesondere das Absehen von den horrenden Strafandrohungen der §§ 30, 30a BtMG, die oft zu einer ‚Flucht‘ in die minder schweren Fälle führen, um überhaupt noch zu einigermaßen angemessenen Strafen kommen zu können, ist zu begrüßen: „[Die] Einführung einer kontrollierten Weitergabe von Cannabis an Erwachsene zu nicht-medizinischen Zwecken ist eine Reaktion auf eine geänderte Risikobewertung, sodass geringere Strafrahmen sachgerecht sind.“ (BT-Drs. aaO S. 128)

      Insgesamt sollte noch deutlicher zum Ausdruck kommen, dass das neue Can-Recht keine Submaterie des Btm-Rechts darstellt, sondern eine eigenständige Rechtsmaterie vornehmlich im Bereich des Gesundheits-, Verbraucherschutz- sowie Kinder- und Jugendschutzrechts.

      2.2
      Änderungen zum BZR (§ 40 ff. KCanG und Art. 11) und des EGStGB (Art. 13)

      Die Regelungen zur Tilgungsfähigkeit (§§ 40 ff. KCanG) sind zu begrüßen; der damit verbundene Aufwand ist rechtsstaatlich hinzunehmen. Bemerkenswert ist, dass selbst der GesE von ca. 328.000 Betroffenen ausgeht (BT-Drs. aaO S. 85 und 88). Wegen der in § 40 Abs. 3 KCanG vorgesehenen Restriktionen (dazu BT-Drs. aaO S. 133) werden für zahlreiche weitere Fälle das Antragsverfahrens des BZRG greifen müssen.

      Art. 313 EGStGB soll hinsichtlich noch nicht vollstreckter Strafen entsprechend gelten (Art. 316o EGStGB des Entwurfs: müsste wohl Art. 316p werden, da Art. 316o inzwischen anderweitig belegt ist). Dass die Regelung dahingehend eingeschränkt werden soll, auch die Umstellung von Straftaten auf Ordnungswidrigkeiten nicht zu erfassen, überzeugt nicht (gilt entsprechend für die in § 48 BRZG vorgesehene Änderung). Für andere Fälle bliebe nur das Begnadigungsrecht.

      3.
      Einführung eines KCanG (Art. 1)

      Vorliegend soll primär zum KCanG Stellung genommen werden, beschränkt auf einige Einzelregelungen (und vorrangig aus strafrechtlicher und kriminalpolitischer Sicht):

      3.1
      Terminologisches (u.a. § 1 KCanG)

      Der Katalog des § 1 KCanG ist beeindruckend, aber ggf. nicht erschöpfend, was auch der Abgleich mit dem BtMG zeigt (das darauf ergänzend Bezug genommen werden soll, BT-Drs. aaO S. 92, überzeugt nicht). Insb. wäre es an der Zeit, gesetzgeberisch das Handeltreiben einzugrenzen: Die allzu extensive Rechtsprechung sollte nicht auch noch auf das neue Can-Recht übertragen werden. Entsprechendes gilt – soweit daran überhaupt festgehalten werden soll (dazu 3.3 und 3.6) – für die nicht geringe Menge.

      Cannabis ist zukünftig „kein Betäubungsmittel“ mehr (BT-Drs. aaO S. 150), und erst recht – wie gerne bei der Polizei, in Teilen der Justiz und der Medien dramatisiert – kein „Rauschgift“! Oder man soll – endlich – so ehrlich sein, auch Alkohol als Betäubungsmittel und Rauschgift zu klassifizieren.

      3.2
      Umgangs-Verbote (§ 2 KCanG) und Ausnahmen (Abs. 3)

      Dass ein Gesetz, das die bisherigen „Verbotsregelungen“ zu Recht als gescheitert einstuft (BT-Drs. aaO S. 1), beginnt mit einem umfassenden Verbot des Umgangs mit Cannabis (§ 2 Abs. 1), irritiert und ist wohl einerseits nur gesetzestechnisch zu erklären und andererseits (aaO S. 70) den internationalen und europarechtlichen Vorgaben geschuldet. Juristisch interessant sind „verwaltungsrechtliche“ Verbote (BT-Drs. aaO S. 92) allerdings nur, wenn Verstöße Konsequenzen zeitigen; deshalb sei dies erörtert, wo es um Straf- und Bußgeldvorschriften geht (s.u. 3.4, 3.6 und 3.7). Der SK (aaO S. 2) kritisiert gleichwohl zu Recht, dass der GesE weiterhin den Geist der Prohibition atmet.

      Entscheidend – gerade auch in puncto Strafbewehrung der Verbote – sind letztlich die Ausnahmen, also der Besitz gem. § 3, der private Eigenanbau gem. § 9 und der gemeinschaftliche Eigenanbau gem. §§ 11 ff. Weitere Ausnahmen ergeben sich – gesetztechnisch nicht ganz überzeugend (zumal der GesE in BT-Drs. aaO S. 93 die zulässigen Umgangsformen in § 2 als „abschließend“ begreift) – aus den Strafvorschiften zum Erwerb (§ 34 Abs. 1 Nr. 8 KCanG; s. dazu u. 3.3.2).

      Dass diese Ausnahmen nicht „in militärischen Bereichen der Bundeswehr“ gelten, lädt zum Schmunzeln ein – und zu fragwürdigen Umkehrschlüssen, denn es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass es auch andere Bereiche gibt, in denen die genannten Ausnahmen nicht gelten (aber dafür sah sich die Bundesgesetzgebung evtl. nicht zuständig).

      3.3
      Erlaubter Besitz (§ 3 KCanG) – nur – für „Erwachsene“?

      Im Hinblick auf die Ziele des Gesetzes (s.o. 1) ist es nachvollziehbar, dass Erlaubnisse nur für „Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben“, gelten. Was in der Regelungssystematik der Verbotssanktionierung (§§ 2 Abs. 1 iVm 34 Abs. 1) aber ggf. übersehen wurde: Wenn der unerlaubte Besitz weiterhin strafbar sein soll, könnte dies dahingehend missverstanden werden, dass sich Jugendliche in jedem Fall strafbar machen, da ihnen jeglicher Besitz untersagt bleibt (arg. § 3). Eine Klarstellung erscheint angezeigt, denn ein Sonderstrafrecht für Jugendliche wäre ein inakzeptables Novum – die Klarstellung ist bisher allerdings nur in der Begründung zu finden (BT-Drs. aaO S. 93 zu § 2 Abs. 4 Nr. 2 KCanG): Dier Rede ist von Fällen, dass „Minderjährige gegen das verwaltungsrechtliche Verbot verstoßen, sie sich aber im für Erwachsene straffreien Rahmen verhalten haben, sodass für sie keine Strafbarkeit gegeben ist“. Und an andere Stelle heißt es dazu (BT-Drs. aaO S. 129):

      § 2 Abs. 1 sieht für die Cannabis-Umgangsformen, die in § 34 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 genannt sind, ein grundsätzliches Verbot vor. Ausnahmen sind nach § 2 Abs. 3 nur für Volljährige vorgesehen. Das Konsumcannabisgesetz verfolgt im Sinne des Jugendschutzes die Intention, dass der Umgang mit Cannabis für Minderjährige verwaltungsrechtlich verboten bleibt (vgl. insb. § 5 Abs. 1). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – Strafrecht dient nur als ultima ratio – sollen aber die Handlungen, die Erwachsenen gestattet werden, auch für Minderjährige nicht strafbewehrt sein. Obwohl das verwaltungsrechtliche Umgangsverbot mit Cannabis für Minderjährige nach § 2 Abs. 1 also uneingeschränkt gilt, sind insb. die Straftatbestände § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6 und 8 (straffreier Besitz und Erwerb von Cannabis bis zu 25 g; straffreier gleichzeitiger Anbau von maximal drei Cannabispflanzen; straffreie Weitergabe von Cannabis unter sehr engen Grenzen) so ausgestaltet, dass eine Strafbarkeit für Jugendliche erst dann gegeben ist, wenn auch der zulässige Handlungsrahmen für Erwachsene überschritten ist. Soweit sich Minderjährige – wie Erwachsene – strafbar machen, gelten weiterhin nicht die allgemeinen Strafrahmen und Strafzumessungsvorschriften, sondern die besonderen Rechtsfolgenbestimmungen des JGG (§§ 2 Abs. 2, 5 ff.).

      Ohne diese Begründung ließe sich all das dem Gesetzestext allerdings nicht entnehmen.

      Dass der GesE hier (also in Bezug auf „Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben“, wenn auch nur in der Begründung) von „Erwachsenen“ spricht, irritiert zudem, da das Recht bisher Kinder und Jugendliche sowie Heranwachsende kennt (JGG; s. auch § 1 Nr. 18-20 KCanG), außerdem Volljährige.

      § 3 Abs. 1 und 2 KCanG sind die Schlüsselnormen für die Entkriminalisierung und deshalb grundsätzlich zu befürworten. Diskutabel sind die Mengen (vgl. auch BT-Drs. 20/8763 S. 11 und 20/8704 S. 196 f.) – zumal in Anbetracht einer verwirrenden Regelungstechnik (der BRat weist aaO zudem zutr. auf absehbare Konkurrenzprobleme hin):

      3.3.1
      Besitz

      Der Besitz „von bis zu 25 g Cannabis“ ist Volljährigen „zum Eigenkonsum“ erlaubt (§ 3 Abs. 1 KCanG). Dabei verzichtet auch die Begründung des GesE darauf, an Wirkstoffmengen anzuknüpfen, stattdessen wird lediglich auf „konsumfähiges getrocknetes Pflanzenmaterial“ abgestellt (BT-Drs. aaO S. 94; zu § 19 Abs. 3 S. 2 KCanG s. 3.3.2). Damit wird immerhin auch Abschied genommen von der „geringen Menge“ des § 31a Abs. 1 BtMG und von der Orientierung an den sog. „Konsumeinheiten“. Im Übrigen ist dem GesE allerdings nicht zu entnehmen, wie die max. Menge von 25 g Cannabis (bzw. 50 g bzgl. Erwerb, s.u.) begründet wird (ausf. dazu SK aaO S. 3 f.).

      3.3.2
      Erwerb und Entgegennahme

      Der Erwerb bzw. die Entgegennahme von Cannabis ist verboten (§ 2 Abs. 1 Nr. 8); eine Ausnahmeregelung i.S.d. § 3 (zum Besitz, s.o.) ist nicht vorgesehen, die Entgegennahme nur im Rahmen der geplanten Anbauvereinigungen. Die Botschaft irritiert: Du darfst Cannabis in bestimmten Mengen besitzen, aber nicht erwerben! Die Auflösung erfolgt – gesetzestechnisch nicht wirklich überzeugend – erst bei den Strafvorschriften: Der Erwerb bzw. die Entgegennahme von max. 25 g „pro Tag“ und max. 50 g „pro Monat“ (gemeint ist offenbar der Kalendermonat) ist zwar verboten (s.o.), aber nicht strafbar (arg. § 34 Abs. 1 Nr. 8).

      Der Systematik – und dem Grundansatz – des Gesetzes gemäß könnte unklar sein, welche Quelle des Erwerbs damit gemeint ist. Die folgende Klarstellung im GesE ist zu begrüßen, verbunden mit der Hoffnung, dass sich auch die spätere Strafverfolgungspraxis daran orientiert (BT-Drs. aaO S. 129):

      Dies gilt unabhängig davon, ob das Cannabis auf dem Schwarzmarkt oder auf legalem Weg erworben wurde. Dieser Ansatz ist sachgerecht, um die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten sowie aufwendige und unverhältnismäßige labortechnische Untersuchungen zu vermeiden.

      Da das KCanG zunächst einmal (und perspektivisch außerhalb von Modellprojekten) keinen legalen „Erwerb“ (gegen Entgelt) von Cannabis kennt, ist dieser bis auf Weiteres auf den Schwarzmarkt beschränkt, während das Gesetz im Übrigen die Entgegennahme im Rahmen von Anbauvereinigungen (§§ 19 ff.: „kontrollierte Weitergabe“) normiert, dies freilich – terminologisch nicht frei von Widersprüchen – nicht unentgeltlich (§ 25).

      Die Mengendifferenzierung hinsichtlich der Weitergabe an Heranwachsende (in § 19 Abs. 3 S. 2 KCanG: max. 30 g) und zusätzlich die Begrenzung auf einen „THC-Gehalt von 10 %“ ist nicht zu legitimieren – immerhin handelt es sich um dieselben Heranwachsenden, die unbegrenzte Mengen an Tabakerzeugnissen und sogar hochprozentigem Alkohol erwerben dürfen! Es irritiert zudem, dass sie zugleich Cannabis (ohne Begrenzung des THC-Gehalts) bis zu 50 g pro Monat straffrei erwerben oder entgegennehmen dürfen (arg. § 34 Abs. 1 Nr. 8 b).

      3.4
      Konsumverbote (§ 5 KCanG)

      Sanktionsbewehrte Konsumverbote waren dem BtMG bisher fremd (auch das JSchG kennt keine vergleichbaren Regelungen, vgl. §§ 9 f.); ob lokale Alkoholkonsumverbote in Teilen der Öffentlichkeit rechtmäßig sind, bleibt umstritten (vgl. nur Braun, Die Gemeinde 2018, 76 mwN).

      Die Regelungen des § 5 Abs. 2 KCanG erzeugen – das ist gerade am Beispiel einiger Städte bereits eindrucksvoll dargelegt worden (vgl. auch SK aaO S. 10) – flächendeckende Bannkreise. Die Entfernung von 200 m (und das heißt: 400 m im Durchmesser) von Schulen, Kinderspielplätzen sowie Kinder-/Jugendeinrichtungen und Sportstätten sowie schließlich Anbauvereinigungen schießt über das legitime Ziel im wahrsten Sinne des Wortes weit hinaus! Einmal mehr stellt sich hier – und gerade auch in Fußgängerzonen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5) – die Frage nach der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung des „öffentlichen Konsums von Alkohol“ (dass der GesE von „örtlichen Konsumverboten“ spricht, BT-Drs. aaO S. 131, stiftet zusätzlich Verwirrung). Dass im Hinblick auf die Kontrolle solcher Bannkreise erhebliche Vollzugsdefizite vorprogrammiert sind (so der BRat in BT-Drs. aaO S. 169; dagegen die BReg in BT-Drs. 20/8763 S. 3), was letztlich mit einer gewissen Willkür einhergehen wird, macht es nicht besser.

      3.5
      Anbauvereinigungen

      Der SK (aaO S. 7 ff.) hat sich umfassend zu den Regelungen die zukünftigen Anbauvereinigungen betreffend geäußert, insb. zu deren Realitätsgehalt: Dem ist hier nichts hinzuzufügen.

      3.6
      Strafbarkeiten

      Verstöße gegen die Verbote des § 2 Abs. 1 KCanG sollen durchweg strafbewehrt sein (§ 34 Abs. 1 KCanG), es sei denn, es sind Ausnahmen vorgesehen (s.o. 3.2). Bei aller Einsicht in die Vorgaben des internationalen und europäischen Rechts (s.o. vor 1.) ist keineswegs ausgemacht, dass alle Verbote strafbewehrt sein müssten: Gerade der Besitz größerer Mengen als erlaubt muss nicht mit Strafe bedroht sein (z.T. noch weitergehend: SK aaO S. 4 ff.).

      § 34 Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a) und b) stellen weiterhin – also ohne Abkehr vom BtMG – auf die „nicht geringe Menge“ ab; dazu der GesE (BT-Drs. aaO S. 130):

      Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit.

      Dies der Rechtsprechung zu überlassen, ist gewagt. Der SK (aaO S. 4 f.) hat überzeugend dargelegt, dass die besseren Gründe ohnehin dafür sprechen, auf die Kategorie der nicht geringen Menge ganz zu verzichten.

      Auch die Gewerbsmäßigkeit (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG) – wenngleich aus dem BtMG übernommen (dort §§ 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 30 Abs 1 Nr. 2) – ist in Frage zu stellen, trifft die Strafverschärfung in der strafjustiziellen Praxis doch v.a. sozial Schwächere und Drogenkonsument*innen.

      Wenn schließlich daran festgehalten werden soll, neben Schusswaffen auch andere gefährliche Gegenstände z.B. dafür genügen zu lassen, das bloße Sichverschaffen einer nicht geringen Menge Cannabis zum Verbrechen (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 a KCanG) hochzustufen, sollte klargestellt werden, dass sich dies allenfalls auf sog. gekorene ‚Waffen‘ beziehen kann. Dass Verbrechenstatbestände im neuen Can-Recht überhaupt unangebracht sind, hat der SK überzeugend dargelegt (aaO S. 4 ff.).

      3.7
      Ordnungswidrigkeiten

      Soweit der Verstoß gegen bestimmte Regularien bußgeldbewehrt sein soll, ist die Höhe der Geldbußen zu überdenken: Während § 17 Abs. 1 OWiG regelmäßig von max. 1.000 € ausgeht, sind in § 36 Abs. 2 KCanG Geldbußen von bis zu 100.000 € vorgesehen, in einigen Fällen ‚nur‘ von bis zu 30.000 €. Sogar der – ggf. auch nur fahrlässige – Konsum in einem Bannkreis (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) soll mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 € belegt werden können: Völlig unverhältnismäßig (vgl. auch SK aaO S. 6). Selbst das BtMG (dort § 32 Abs. 2) kennt ‚nur‘ Geldbußen bis zu 25.000 €.

      4.
      Hintertüren für Länder (wie z.B. Bayern)?

      Der bayrische Gesundheitsminister hat bereits angekündigt, man werde „alle rechtlich infrage kommenden juristischen Schritte ergreifen, um gegen das Gesetz vorzugehen, sollte es in Kraft treten“ (PM v. 28.09.2023).

      Bei Vorliegen der Voraussetzungen haben Antragstellende allerdings einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis (§§ 11, 12; vgl. auch BT-Drs. 20/8704 S. 183 und 20/8763 S. 8). Auch die §§ 12 Abs. 3 und 13 Abs. 4 bieten den zuständigen Behörden keinen Spielraum, „gegen das Gesetz vorzugehen“.

      Soweit § 11 Abs. 3 Ziff. 3 KCanG auf Rechtsvorschriften verweist, die „aufgrund dieses Gesetzes“ erlassen werden können, sind das zunächst einmal solche des Bundes (§§ 17 Abs. 4, 21 Abs. 4 und 27 Abs. 7). Letztlich macht gerade die Verordnungsermächtigung des § 30 KCanG deutlich, dass außerhalb dessen Anwendungsbereichs (betr. Zahl der Anbauvereinigungen; krit. dazu SK aaO S. 8) kein Raum ist für restriktive landesrechtliche Verordnungen.

      Es wird zukünftig strikt zu kontrollieren sein, dass Bundesrecht Landesrecht bricht (Art. 31 GG) und die Bundestreue eingehalten wird.

      Berlin/Bremen, den 03.11.2023

      StN als Download (PDF)

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      news-983Fri, 03 Nov 2023 08:15:48 +0100Urgent request for intervention in favour of Mrs Nasrin Sotoudeh/publikationen/mitteilungen/mitteilung/urgent-request-for-intervention-in-favour-of-mrs-nasrin-sotoudeh-983Gemeinsames Statement von internationalen Jurist*innenorganisationen, 2.11.23To:

      Ms. Margaret Satterthwaite
      UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers
      Email: hrc-sr-independencejl@un.org

      Ms. Mary Lawlor
      UN Special Rapporteur on the situation of Human Rights Defenders
      Email: defenders@ohchr.org

      Ms. Marija Pejčinović Burić
      Secretary General of the Council of Europe
      Fax: + 33 (0)3 88 41 27 99

      Ms. Dunja Mijatović
      Commissioner for Human Rights of the Council of Europe
      Email: commissioner@coe.int

      Ms. Roberta Metsola
      President of the European Parliament
      Email: roberta.metsola@europarl.europa.eu

      Mr. Charles Michel
      President of the European Council
      Email: ec.president@consilium.europa.eu

      Ms. Ursula von der Leyen
      President of the European Commission
      Email: ec-president-vdl@ec.europa.eu

      Mr. Juan Fernando López Aguilar
      President LIBE Committee of the European Parliament
      Email: juanfernando.lopezaguilar@europarl.europa.eu

      EEAS Iran Division
      Email: iran-division@eeas.europa.eu

      Venice, 31/10/2023

      Re: Urgent request for intervention in favour of Mrs Nasrin Sotoudeh

      Dear all,

      The undersigned organizations urge you to take concrete and urgent action in the case of Nasrin Sotoudeh, prominent and well-known lawyer and human rights defender [1].

      On Sunday, 29 October, the media broke the news that she had been arrested while attending the funeral of Armita Garavand, the 16-year-old girl who died after 28 days in a coma following her arrest by the infamous Morality Police in the Tehran metro[2].

      She was taken along with other arrested women to the Vozara detention centre, the same one in which Mahsa Amini died last year[3].

      She was scheduled to be heard in her case on Monday, 30 October, at Evin prison, but was not brought to court because she refused to wear a veil.

      She was then taken to Qarchak prison, known for its poor conditions of detention, and is currently on a hunger strike in protest, refusing both essential medication for her health and visits[4].

      The Iranian authorities must immediately and unconditionally free Nasrin Sotoudeh, drop all  charges against her and stop persecuting her for her efforts to protect, inter alia, women from discrimination and humiliation to which they are subjected in contravention of the principle of civilization enshrined in Article 1 of the Universal Declaration of Human Rights, ratified by Iran in 1948, according to which 'all human beings are born free and equal in dignity and rights' where dignity comes even before rights.

      Likewise, the international community, including the EU given its ongoing dialogue with Iran, must condemn all forms of violence, including executions, discrimination and persecution, recognizing the freedoms of thought, conscience, religion, expression, assembly and association, as well as the right to a fair trial, as foundations of civilized living.

      We Colleagues, Magistrates, NGOs and civil society are united and resolute in denouncing these violations of fundamental rights and freedoms and support human rights defenders. We no longer need martyrs to mourn, but heroes whose examples are to be followed.

      We request a concrete statement from you, a decisive commitment to end the judicial harassment of Nasrin Sotoudeh, recalling the tenets of the UN Declaration on Human Rights Defenders and the UN Basic Principles on the Role of Lawyers on the therein enshrined States’ responsibility[5].

      If we do not defend human rights defenders, who will defend human rights? [6] 

      We thank you for your attention and we look forward to your urgent and effective intervention.

      Best regards,

      Asociacion Libre de Abogadas y Abogados – Free Association of Lawyers
      ____________________________________________________________

      [1] Nasrin Sotoudeh, 60, mother of two, a distinguished Iranian human rights lawyer, was arrested for a second time on June 13, 2018 after she represented a woman facing imprisonment for peacefully protesting against Iran’s compulsory hijab law by removing it in public. Sotoudeh was informed that she had been detained based on a 5 year prison sentence that was issued against her in absentia in 2015 by a Revolutionary Court judge on the charge of “espionage in hiding”.

      On March 9, 2019, she received a copy of a court ruling issued after a one-day hearing held in absentia on December 30, 2018, by Branch 28 of the Islamic Revolution Court in Tehran. The Court found her guilty and sentenced her to 33 years in prison and 148 lashes on the following seven charges: “gathering and collusion against national security” (Article 610 of the Islamic Penal Code), “spreading propaganda against the system” (Article 500), “effective membership of the illegal and anti-security splinter groups Defenders of Human Rights Centre, LEGAM and National Council of Peace” (Article 498); “encouraging people to commit corruption and prostitution, and providing the means for it” (Article 639),“appearing without the sharia-sanctioned hijab at the premises of the magistrate’s office” (Article 638); “disrupting public order and calm” (Article 618) and “spreading falsehoods with intent to disturb the public opinion”(Article 698).
      She is currently serving her sentence although she is on medical furlough since July 2021, and continues to advocate for people’s basic human rights.
      For her commitment to the defence of human rights she has been honoured internationally with many prestigious awards such as PEN America’s 2011 Freedom to Write, the Sakharov Prize of the European Parliament in 2012, the Ludovic Trarieux International Human Rights Prize in 2018, the Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) Human Rights Award in 2019 and the Right Livelihood Award in 2020.

      [4] Confirmed by her husband Reza Khandan on his Facebook page, 30 October 2023. Jailed Iranian Activist Sotoudeh on Hunger and Medicine Strike, Iranwire, 31 October 2023.

      [5]Resolution n. 53/144 adopted by the UN General Assembly on December 9, 1998, Article 2 “1. Each State has a prime responsibility and duty to protect, promote and implement all human rights and fundamental freedoms, inter alia, by adopting such steps as may be necessary to create all conditions necessary in the social, economic, political and other fields, as well as the legal guarantees required to ensure that all persons under its jurisdiction, individually and in association with others, are able to enjoy all those rights and freedoms in practice. 2. Each State shall adopt such legislative, administrative and other steps as may be necessary to ensure that the rights and freedoms referred to in the present Declaration are effectively guaranteed.

      [6] Quote from Rosemary Nelson, lawyer and human rights defender killed by a car bomb in Lurgan, Northern Ireland, in 1999.

      **************************************************

      Avocats Européens Democrats / European Democratic Lawyers
      Avocats Sans Frontières / Lawyers Without Borders
      Avocats Sans Frontières / France
      Conseil National des Barreaux les Avocats – National Bar Council of France / France
      Consiglio Nazionale Forense / Italian National Bar Council
      Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) / Europe
      Défense Sans Frontière-Avocats Solidaires / France
      Deutscher Anwalt Verein – The German Bar Association / Germay
      European Criminal Bar Association
      European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights
      European Young Bar Association
      Fédération des Barreaux d'Europe
      Foundation Day of the Endangered Lawyer
      Giuristi Democratici - Democratic Jurists / Italy
      International Association of Lawyers, Institute for the Rule of Law
      International Association of People's Lawyers (IAPL), Monitoring Committee on Attacks on Lawyers
      Institut des Droits de l’Homme des Avocats Européens (IDHAE)
      Lawyers For Lawyers / The Netherlands
      Lawyers’ Rights Watch Canada
      Legal Team Italia / Italy
      National Association of Democratic Lawyers (NADEL) / South Africa
      Observatoire International des Avocats en Danger / International Observatory for Lawyers (OIAD)
      Ordine degli Avvocati di Venezia / Italy
      Ordre des Avocats Geneve - Geneva Bar Association / the Switzerland
      Ordre des Barreaux Francophones et Germanophone (AVOCATS.BE) - Association of French- and German-speaking Bar Associations / Belgium
      Özgürlük İçin Hukukçular Derneği – Association of Lawyers for Freedom / Turkey
      Progressive Lawyers' Association / Turkey
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) / Germany
      Syndicat des Avocats de France - Trade Union of Lawyers / France
      The Law Society of England and Wales
      Union of the Italian Criminal Chambers – Endangered Lawyers Observatory and Europe Observatory / Italy
      Verenigung Sociale Advocatuur Nederland - Netherlands Association of Social Advocates

      Download Statement (PDF)

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      IranRepression gegen Rechtsanwälte
      news-988Tue, 31 Oct 2023 13:03:00 +0100APPELL: Die Menschenwürde gilt für alle – auch für Geflüchtete! Gegen sozialrechtliche Verschärfungen und für die Abschaffung des Asylbewerberleistungssetzes/publikationen/mitteilungen/mitteilung/appell-die-menschenwuerde-gilt-fuer-alle-auch-fuer-gefluechtete-gegen-sozialrechtliche-verschaerfungen-und-fuer-die-abschaffung-des-asylbewerberleistungssetzes-988Gemeinsames Statement von 154 Organisationen, 31.10.2023

      Seit einigen Wochen werden beharrlich Sachleistungen und Leistungskürzungen für Geflüchtete gefordert. Dabei erhalten die Betroffenen schon jetzt vielfach lediglich die reduzierten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der Debatte werden Gruppen gegeneinander ausgespielt, und die Menschenwürde wird offen in Frage gestellt. Wir lehnen sozialrechtliche Verschärfungen ab und fordern: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft und die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden.

      Mit Bestürzung verfolgen wir die aktuelle politische Debatte über Asylsuchende, die zunehmend von sachfremden und menschenfeindlichen Forderungen dominiert wird. Die Diskussionen über Sozialleistungen sind dafür ein gutes Beispiel. Solange Geflüchtete bedürftig sind, haben sie Anspruch auf das sozialrechtlich definierte Existenzminimum. Nun geht es offenkundig darum, diesen grundlegenden Anspruch Asylsuchender einzuschränken, mit der Begründung, so könne die Zahl der Geflüchteten in Deutschland reduziert werden. Die im Raum stehenden Forderungen reichen von einer generellen Umstellung von Geld- auf Sachleistungen über diskriminierende Bezahlkarten und eine Kürzung des Existenzminimums bis hin zur Forderung, dass kranken Menschen eine medizinische Grundversorgung vorenthalten werden soll.

      Diese Debatte suggeriert, Geflüchtete seien die zentrale Ursache für die zweifellos vorhandenen gesellschaftlichen Missstände wie fehlender Wohnraum oder fehlende Schul- und Kitaplätze. Diese haben jedoch andere Ursachen und würden auch bestehen, wenn Deutschland keine Asylsuchenden aufnehmen würde. Geflüchtete werden so zu Sündenböcken für die verfehlte Sozialpolitik der letzten Jahre, ohne dass dadurch die tatsächlich bestehenden Probleme gelöst werden. Wer aber Scheinlösungen präsentiert, verspielt Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit.

      Bereits 2012 hat das Verfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Existenzminimum festgehalten und dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau (heute „Bürgergeld“) entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ (Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10) Mit anderen Worten: Sozialleistungen dürfen nicht gekürzt werden, um Menschen von der Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Rund zehn Jahre später, im Jahr 2022, verurteilte das Bundesverfassungsgericht eine zehnprozentige Kürzung der Grundleistungen für alleinstehende Geflüchtete, die in „Gemeinschaftsunterkünften“ leben müssen, als verfassungswidrig.

      Im Übrigen ist die Behauptung, bessere soziale Bedingungen würden zu mehr Schutzsuchenden führen, seit langer Zeit wissenschaftlich widerlegt. Bereits heute erhalten Geflüchtete vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen drastisch reduzierte Geldbeträge, neben einem Platz im Mehrbettzimmer, Kantinenessen und Hygienepaketen und einer oft unheilvoll verzögerten Gesundheitsversorgung. Kein Mensch, der aus einem Krieg oder vor politischer Verfolgung flieht, gibt die Flucht auf, weil er oder sie in Deutschland demnächst mit noch mehr Sachleistungen leben muss. Wenn in diesem Jahr 2023 das Bundesamt in über 70 Prozent aller Asylanträge, die bis September inhaltlich entschieden wurden, einen Schutzstatus feststellt, wird nur allzu deutlich, dass die Menschen nicht wegen der Sozialleistungen kommen, sondern hier Schutz suchen. Die Behauptung, von den geringen Asylbewerberleistungen würden relevante Geldbeträge in Herkunftsländer überwiesen oder im Nachhinein an Schlepper ausgehändigt, ist zynisch und realitätsfern.

      Die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip garantieren ein menschenwürdiges Existenzminimum - für alle Menschen. Wir sagen: Wer unterschiedliche Gruppen gegeneinander ausspielt und die Menschenwürde, Artikel 1 unserer Verfassung, offen in Frage stellt, wendet sich gegen zentrale Errungenschaften unserer Demokratie und des Sozialstaates. Und wer das durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum missachtet, unterminiert den Rechtsstaat. Wir erneuern deshalb den Appell, zu dem sich im laufenden Jahr bereits mehr als 200 Organisationen zusammenfanden: Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden.

      Appell als Download (PDF), hier auch mit der Liste der Unterzeichnenden

      ]]>SozialrechtBürger- und MenschenrechteMigration & Asylnews-981Tue, 26 Sep 2023 08:05:37 +0200International Fair Trial Day (IFTD) - Mexico 2023/publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-mexico-2023-981Joint statement: Conclusions and recommendations arising from the International Fair Trial Day Conference held in Mexico on June 14, 2023Legal professional organizations, bar associations, and civil society organisations from Mexico and across the world who gathered for the 2023 International Fair Trial Day conference held in Mexico City on 14 June are united in our condemnation of the injustices and grievous human rights abuses and violations taking place in Mexico.

      The discussions during the event, which focused on the systemic fair trial rights violations in the country and the interplay between this and the other widespread human rights issues, have led the organisers, participants, and supporters of the event to draw attention to the following serious concerns that were raised during the conference:

      1. Evidence has been provided by many actors and commentators that some of those responsible for administering justice in Mexico have failed to provide access to justice for victims of gross human rights violations and abuses. They also have failed to respect and ensure the fair trial rights of defendants during criminal proceedings, especially due to the inappropriate resort to pretrial detention and abusive practices against those deprived of their liberty. There is evidence of the widespread practice of torture and ill-treatment and corruption, as well as impunity for such practices, all of which is severely damaging respect for human rights and the rule of law in the country.

      2. Authorities from the executive branch continue to undermine judicial independence in the country, by constantly criticizing and undermining judges´ decisions, promoting demonstrations against the courts, and harassing independent judges and lawyers.

      3. The right to a fair trial is a basic human right enshrined in international law and the Mexican Constitution, but for many people in the country who are deprived of their liberty, denied access to justice, and refused effective redress for violations of their rights, it seems that this right is theoretical and illusory at best.

      4. There is substantial empirical evidence that prisons are filled with those experiencing poverty and other social and economic challenges. There is a severe over-representation of people from marginalised communities in prisons. We have seen evidence that they are funnelled into the criminal justice system through arbitrary arrests and prosecutions for minor offences, held for years in pretrial detention, and denied basic fair trial guarantees, including access to effective legal assistance and interpretation, all of which undermine their ability to defend themselves. 

      5. The undenied incarceration of human rights defenders and activists from the indigenous population, as well as the spurious criminal prosecutions and unfair trials brought against them, is tearing communities apart. This is further exacerbating the existing social disparities brought on by the ongoing disregard of their economic, social and cultural rights, apparent systemic racism, and human rights violations by the state agents. There is evidence that indigenous peoples who stand up for their autonomy and freedoms are subject to harassment and criminalisation, including through laws that disproportionately limit their right to protest. They are imprisoned for fighting for access to education, adequate health, housing, and clean water, and for opposing infrastructure projects and the actions of extractive industries that are causing substantial damage to the environment.

      6. Femicides and sexual and gender-based violence continues to be a serious concern for many girls and women across the country. There appears to be a culture of impunity that facilitates ongoing patterns of violence against women and undermines their access to justice. Allegations of crimes by the military, in particular, are not being effectively investigated, and those in positions of command and authority are abusing their powers and resources to evade accountability, creating an atmosphere of impunity for those who wield such powers.

      7. Those who seek justice for victims of enforced disappearances are being denied the support and redress they deserve. There is evidence that investigations, when they do take place, are ineffective, and impunity is rife, with over 100,000 missing persons still unaccounted for. In the absence of an institutional will and sufficient resources to carry out meaningful independent and effective investigations, the relatives, many of them women, are taking it into their own hands to seek truth and justice on behalf of the victims.

      8. Torture and ill treatment appear to be deeply rooted in the criminal justice system, especially during criminal investigations. While perpetrators continue to evade justice and accountability, victims endure the long-lasting physical and mental impact of their ill-treatment, and they suffer the injustice of unfair trials tainted by the use of information as evidence derived from torture or other inhuman rights abuses.

      9. Corruption is perceived to be endemic in the country, including in the justice system, further undermining the chances of obtaining fair and impartial justice, especially for people from disadvantaged backgrounds. This perception of corruption has severely damaged the public’s trust in criminal justice. Concerns about the effectiveness of the judiciary are being manipulated to justify executive interference in judicial independence, legal proceedings and harassment of judges, lawyers, and other criminal justice actors.

      10. Access to justice for the most vulnerable sections of the population is made even more difficult by the insufficient number of public defenders for federal offences, and by the fact that the funding of this structure is functionally dependent on the judiciary´s budget,  which might be subjected to cuts by the executive and legislative branches.

      We recognise and welcome efforts made by the Mexican authorities to address these challenges in recent years. There have been reforms to criminal procedure laws, new systems to facilitate more effective investigations and search of persons who are victims of enforced disappearances, and improved safeguards against torture and ill-treatment. However, these changes have produced mixed results, and efforts to implement better human rights protections have been hampered by a lack of capacity, expertise, resources, and ultimately political will. The prevalence of gender and racial discrimination serves as a further obstacle to access to justice.  

      It is a fundamental right of the people in Mexico, and a key pillar of the rule of law, to access fair, equal, and meaningful justice, without discrimination on any status grounds. They deserve systems and institutions that protect their rights, respect their dignity, and provide effective access to justice.

      It is the international and local human rights community’s role to fight for justice, and this is what we must do together by supporting one another and working together to highlight and tackle the root causes of injustice and unfairness. The systemic challenges that emerged as permeating the Mexican justice system require an equally systemic and genuine response. Mexican institutions need to be strengthened in order to restore public trust and confidence in their ability to fulfil their fundamental duty to uphold the law and to guarantee, in reality, equality, human rights, and access to justice.

      We urge the relevant Mexican authorities, including the government, to address these challenges:

      • By effective implementation of meaningful changes to tackle impunity and institutional discrimination that stain the justice system.
      • By reforming the practice of pre-trial detention to ensure that it is in compliance with fair trial principles and with recent judgments of the Inter-American Court of Human Rights.
      • By ensuring the implementation and proper resourcing of systems that guarantee access to justice and human rights for all.
      • By ensuring that victims of injustice are properly heard and that defendants are guaranteed their right to an effective defence and a fair trial.
      • By respecting and protecting judicial independence and by reassuring that governmental authorities refrain from unduly interfering in the justice system; and
      • By conducting impartial, prompt, and effective criminal investigations of gross human rights violations occurring in the country.
         

      Finally, we applaud and stand in solidarity with the brave and passionate human rights defenders of Mexico, including its community activists, human rights NGOs, lawyers, journalists, and academics who challenge the abuses of State and other organized power and demand justice for all. Their dedication to the cause of justice and fair trial rights in the face of unacceptable threats to their safety and dignity are an inspiration to us all.

      Download Statement (PDF)

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      news-980Tue, 12 Sep 2023 07:25:31 +0200Klimagerechtigkeit jetzt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/klimagerechtigkeit-jetzt-980Aufruf zur Teilnahme am globalen Klimastreik, 15.9.23Der RAV ruft gemeinsam mit den Lawyers4Future dazu auf, sich am 15.9.23 an den Klimaprotesten zu beteiligen.
      Angesichts der fortschreitenden Katastrophe können wir nicht untätig bleiben. Lasst uns mitmachen!

      Infos zu allen Aktionen in den verschiedenen Städten finden sich hier: https://www.klima-streik.org/demos

      In Berlin beginnt die Demo um 12:00 Uhr am Brandenburger Tor. Als RAV und Lawyers4Future treffen wir uns vor der Akademie der Künste, erkennbar sind wir an dem grünen Banner mit der Aufschrift „Klimagerechtigkeit jetzt!“ und RAV-Logo.

      In Dresden treffen sich die RAV-Mitglieder und Freund*innen mit einem identischen Banner um 13 Uhr am Postplatz (Käseglocke).

      In weiteren Städten bitten wir Euch sehr, Euch selbst zusammenzufinden.

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      Klimagerechtigkeit
      news-979Thu, 24 Aug 2023 18:43:29 +0200Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-fortentwicklung-des-voelkerstrafrechts-979Stellungnahme des RAV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, 24.08.23 Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts hat der RAV die hier folgende Stellungnahme eingereicht.

      Verfasser: Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt, Kiel/Leipzig

      Diese Stellungnahme beschränkt sich auf die angedachten Änderungen strafprozessualer Normen zur Nebenklage in Verfahren wegen Straftaten nach dem VStGB.

      Insoweit ist zunächst zu begrüßen, dass Verletzte von Straftaten nach dem VStGB ausdrücklich zur Nebenklage zugelassen werden sollen und dass Ihnen in etwa gleichem Maße wie Verletzten von Straftaten nach dem StGB auch das Recht auf Beistandsbeiordnung eingeräumt werden soll (vorgeschlagene Änderungen der §§ 395 und 397a StPO).

      Zu kritisieren ist dagegen, dass der Entwurf die gesetzgeberische Tendenz, die tatsächliche Teilnahme von Nebenkläger_innen am Verfahren dann vor allem als störend zu behandeln und einzuschränken, fortsetzt und mit einer Sonderregelung für Verletzte von VStGB-Taten noch auf die Spitze treibt.

      Das betrifft zum einen die Erweiterung der sog. „Pool-Lösung“, also der Möglichkeit, mehreren Verletzten auch gegen ihren Willen einen gemeinsamen anwaltlichen Beistand beizuordnen, § 397b StPO. Sollte diese Regelung nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers neben dem kodifizierten Regelbeispiel – mehrere Angehörige einer getöteten Person – v.a. „etwa bei Großschadensereignissen oder Umweltdelikten“ eingreifen (BT-Drs. 19/14747, S. 39), so wird sie in der gerichtlichen Praxis unproblematisch auch bei vorsätzlich gegen mehrere Personen gerichteten Taten für anwendbar gehalten; das Erfordernis der „gleichgelagerten Interessen“ wird zum Teil darauf reduziert, dass kein konkreter, eine gemeinsame Vertretung nach § 43a Abs. 4 BRAO ohnehin verbietender Interessenwiderspruch dargetan ist (so etwa Kammergericht, Beschluss vom 26.04.2021, 2 Ws 33/21, Rn. 7).

      Letztere Tendenz wird durch den vorliegenden Entwurf für Betroffene von VStGB-Verstößen zementiert: für sie sollen gleichgelagerte Interessen in der Regel anzunehmen sein, wenn den Taten „der gleiche Lebenssachverhalt“, also letztlich die gleiche prozessuale Tat, „zugrunde liegt“ (Entwurf S. 38 f.). Dass aber etwa verschiedene Überlebende eines Massakers oder verschiedene Betroffene von massenhaft als Kriegstaktik eingesetzter sexualisierter Gewalt „in ihrer Opfererfahrung in gleicher Weise betroffen sind“ (Entwurf S. 39), so dass ihre Interessen ganz unproblematisch von demselben Beistand vertreten werden können, stellt eine bloße Behauptung dar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum dies für Betroffene von VStGB-Straftaten – anders als für Betroffene von Straftaten nach dem StGB – gar als gesetzlicher Regelfall gelten soll.

      Daneben sieht der Entwurf für Betroffene von VStGB-Straftaten noch eine weitere Einschränkung ihrer Möglichkeit vor, tatsächlich aktiv am Prozess teilzunehmen: Ihre Verfahrensrechte sollen ausschließlich durch den anwaltlichen Beistand ausgeübt werden dürfen, wenn ihre Nebenklagebefugnis ausschließlich auf Straftaten nach dem VStGB beruht (geplante Einführung eines § 397b Abs. 4 StPO) – wenn es sich also um Fälle der Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips handelt. Als Begründung für diese Regelung werden im Entwurf ausschließlich Handhabbarkeitsbedenken angesichts der Vielzahl von Nebenklageberechtigten benannt (S. 39).

      Gerade angesichts der Tatsache, dass die Regelung für „reine“ VStGB-Verfahren immer und völlig unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Nebenklageberechtigten, für StGB-Verfahren dagegen unabhängig von der Zahl der Nebenklageberechtigten nie gelten soll, lässt allerdings den Eindruck entstehen, dass hinter der Regelung auch Erwägungen zu den besonderen Herausforderungen der Teilnahme von Drittstaatsangehörigen an solchen Verfahren stehen – denn wenn die StPO diesen ein Recht auf aktive Teilnahme am Strafprozess in Deutschland einräumt, muss sich etwa das Aufenthaltsrecht fragen lassen, ob das nicht auch ein Recht auf Einreise nach Deutschland zur Teilnahme am Verfahren implizieren muss, usw.

      Gerade die Tatsache, dass hier für Betroffene von Straftaten nach dem VStGB – also von Straftaten, die bundesdeutsche Gerichte häufig unter Anwendung des Weltrechtsprinzips verfolgen und bei denen Betroffene sich häufig nicht in Deutschland aufhalten – besondere Regelungen vorgesehen werden, lässt also den Eindruck entstehen, dass der Entwurf die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen beim und ihre aktive Teilnahme am Strafverfahren als besonders störend empfindet. Im Ergebnis sieht der Entwurf vor, dass einerseits bundesdeutsche Gerichte Strafgewalt über Territorium und Angehörige von Drittstaaten ausüben, dass aber andererseits die ebenfalls drittstaatsangehörigen Verletzten in ihrer Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, erheblich eingeschränkt werden – was wiederum auch die erhofften Wirkungen solcher Strafverfahren für betroffene Communities und Zivilgesellschaft in den jeweiligen Drittstaaten erheblich in Zweifel zieht.

      Einen solchen Umgang mit den Interessen betroffener Drittstaatsangehöriger hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 18. August 2020 zurecht als sehr problematisch angesehen. Dort hatten in einem Verfahren wegen des Vorwurfs von Staatsfolter in Syrien syrische Presseangehörige Zugang zu Übersetzungsmöglichkeiten beantragt, nachdem die bis dahin übliche „Flüsterübersetzung“ ins Arabische in Folge von Corona-Sicherheitsmaßnahmen unmöglich geworden war. Das war vom Oberlandesgericht mit Machbarkeitserwägungen und u.a. mit dem Argument abgelehnt worden, dass die Antragstellenden die Gerichtssprache nicht beherrschten, liege in ihrer Verantwortungssphäre. Dass dies verfassungsrechtlich jedenfalls problematisch war, begründete das Bundesverfassungsgericht in seiner einstweiligen Anordnung gerade auch mit der besonderen Situation eines Strafverfahrens unter Rückgriff auf das Weltrechtsprinzip: Denn es sei zu berücksichtigen,
      „dass es sich um ein Strafverfahren handelt, das – insbesondere in den Bevölkerungskreisen, für die die Beschwerdeführer zu berichten bezwecken – eine ungewöhnlich große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit naheliegend auch auf das Interesse von Medienvertretern stößt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dies gilt umso mehr angesichts des von den Beschwerdeführern betonten Umstands, dass die Bundesrepublik hier eine Gerichtszuständigkeit für sich beansprucht, die nach allgemeinen Grundsätzen nicht bestünde, sondern die gerade dem besonderen, die internationale Gemeinschaft als Ganze berührenden Charakter der infrage stehenden Straftaten geschuldet ist.“ (BVerfG, Beschluss vom 18.08.2020, – 1 BvR 1918/20, Rn. 11).

      Was für den Umgang mit Medien gilt, muss aber aus hiesiger Sicht erst recht für Betroffene von Verbrechen nach dem VStGB gelten: wenn bundesdeutsche Gerichte eine Gerichtszuständigkeit über Straftaten beanspruchen, die sich in Drittstaaten und gegen Drittstaatsangehörige ereignet haben, dann müssen sie den Geschädigten solcher Straftaten in gleicher Weise wie den Geschädigten innerstaatlich begangener Straftaten eine Teilnahme am Verfahren ermöglichen. Dass dies – für die deutschen Gerichte, aber möglicherweise in der Folge auch für andere deutsche Behörden – Herausforderungen mit sich bringt, liegt eben nicht in der Verantwortungssphäre der Betroffenen, sondern ist schlicht Ausfluss der Wahrnehmung des Weltrechtsprinzips.

      Dem RAV ist bewusst, dass die Beteiligung von drittstaatsangehörigen Betroffenen von VStGB-Straftaten besondere Herausforderungen mit sich bringt, die im hergebrachten System der Nebenklage nur schwer Berücksichtigung finden können, und dass core crimes i.S.d. VStGB auch durch ihr schieres Ausmaß noch einmal besondere Herausforderungen mit sich bringen können (vgl. aus der Praxis etwa den Bericht unseres Mitglieds Dieter Magsam, „Die Nebenklage im nationalen Völkerstrafprozess aus rechtspraktischer Perspektive“, in: Bock/Wagner (Hrsg.), Gerechtigkeit aus der Ferne? (Tagungsband), im Erscheinen, S. 135-145). Mit diesen Herausforderungen wird die deutsche Justiz und das deutsche Strafprozessrecht einen Umgang finden müssen, wollen deutsche Gerichte auch weiterhin eine Gerichtszuständigkeit nach dem Weltrechtsprinzip für sich beanspruchen. Es mag auch durchaus sein, dass hierfür bisher nicht vorhandene Regelungen angedacht werden müssen, um die Interessen der betroffenen Individuen und Communities und das Interesse an der Handhabbarkeit solcher Strafverfahren in Einklang zu bringen (vgl. etwa den Vorschlag einer „NGO-Nebenklage“ bei Magsam, a.a.O., S. 144 f.). Klar ist aus Sicht des RAV aber jedenfalls, dass die im Entwurf angelegte Behandlung von Verletzten von VStGB-Straftaten als „Nebenklageberechtigte zweiter Klasse“, deren Interessen einfach stellvertretend und gebündelt von einer_einem deutschen Rechtsanwält_in wahrgenommen werden können, nicht der richtige Weg ist.

      Berlin, 24.08.2023

      Die StN als PDF

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      Stellungnahmen
      news-978Fri, 28 Jul 2023 07:35:05 +0200Bilanz nach 6 Monaten Chancenaufenthalt: Keine Chance für alle!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bilanz-nach-6-monaten-chancenaufenthalt-keine-chance-fuer-alle-978Ergebnisse der Pressekonferenz: Bayerischer Flüchtlingsrat und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein sehen Befürchtungen bestätigt und fordern Nachbesserung, 27.7.23

      Der Bayerische Flüchtlingsrat und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) haben in den letzten Wochen Anwält:innen, Haupt- und Ehrenamtliche sowie Antragsteller:innen in Bayern nach ihren Erfahrungen zum neuen Chancenaufenthaltsrecht befragt und die Ergebnisse in der heutigen Pressekonferenz vorgestellt.

      Mit dem neuen Gesetz zum Chancenaufenthalt nach § 104c AufenthG wollte die Ampel-Koalition langjährig Geduldeten eine Perspektive geben. Bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum 01. Januar 2023 äußerten Migrationsrechtsanwält:innen und Menschenrechtsorganisationen Kritik, dass das Gesetz an zentralen Stellen fatale Lücken und Ungenauigkeiten aufweist.

      Nach gut sechs Monaten und einer Befragung unter den Kolleg:innen in Bayern sieht der RAV die Befürchtungen bestätigt, die sie als bayerische Migrationsrechtsanwält:innen in einem offenen Brief zum Chancen-Aufenthalt im Oktober 2022 äußerten“, teilt Rechtsanwältin Antonella Giamattei vom RAV mit.

      Auch wenn es durchaus positive Rückmeldungen gibt, zeichnen die geschilderten Fälle ein deutliches Bild. Unklarheiten und Schwachstellen im Gesetz geben Behörden einen großen Entscheidungsspielraum, der in Bayern häufig zulasten der Antragsteller:innen ausfällt. Ein Großteil der Personen, die bereits eine Ablehnung oder die Mitteilung über eine beabsichtigte Ablehnung erhalten haben, scheitert an formellen Erfordernissen, wie z.B. der fehlenden Duldung.

      Das Chancenaufenthaltsrecht setzt vorherige Duldungszeiten voraus. Diese werden in Bayern systematisch nicht erreicht, da statt einer Duldung immer wieder gesetzlich nicht geregelte Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt werden. Die Verweigerung oder der Entzug von Duldungen hat zur Folge, dass Betroffene aufgrund einseitiger Handlungen der Behörden aus dem Chancenaufenthalt herausfallen“, so Giamattei weiter.

      Über Umwege sorgen Ausländerbehörden dafür, dass die benötigten Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen. So werden plötzlich Duldungen ungültig gestempelt, aus heiterem Himmel Strafanzeigen wegen Passlosigkeit gestellt oder Ausweisungsverfahren wegen kleiner ausländerrechtlicher Vergehen eingeleitet. Personen, die bereits einen Pass abgegeben haben, erhalten keine Duldung mehr, da Ausländerbehörden keine Duldungsgründe mehr sehen. Personen, die noch keinen Pass abgegeben haben, erhalten Strafanzeigen wegen Passlosigkeit.

      Wer bereits einen Pass abgegeben hat, erhält im Zweifel keine Duldung mehr und somit keinen Chancenaufenthalt. Wer keinen Pass besitzt, sieht sich mit einem Strafverfahren konfrontiert und erhält ebenfalls keinen Chancenaufenthalt. Diese Behördenwillkür widerspricht grundlegenden rechtstaatlichen Prinzipien und ist nicht hinzunehmen!“, kritisiert Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

      Es scheint gezielte Einflussnahmen der Behörden zu geben, die eine Erteilung des Chancenaufenthalts erschweren oder gar verhindern. Einige Behörden bauen bereits bei der Antragstellung trickreiche Hürden ein, die Betroffene verunsichern oder gar von der Antragstellung abhalten: So werden mündlich oder schriftlich unnötige Dokumente und gar Pässe gefordert, die explizit nicht für den Chancenaufenthalt benötigt werden.

      Schon früher hat Bayern massiv Bleiberechtsregelungen unterwandert. Das muss ein Ende haben. Das Bundesinnenministerium muss dringend das Gesetz anpassen und eindeutige und unmissverständliche Weisungen herausgeben. Bayern sollte den Chancenaufenthalt als Chance begreifen, dem Fachkräftemangel sowie der Überlastung der Ausländerbehörden entgegenzusteuern“, fordert Weidhaase.

      Unsere Forderungen zur Anwendung des Chancenaufenthaltsrechts in Bayern:

      Unsere Forderungen zur Nachbesserung an den Bundesgesetzgeber/das Bundesinnenministerium:

      Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:

      Jana Weidhaase | Bayerischer Flüchtlingsrat | weidhaase@fluechtlingsrat-bayern.de    

      Antonella Giamattei | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | kanzlei@giamattei.de

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      Offener Brief RAV Migrationsrecht Süd, 31.10.2022: https://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/themen/auslaender_asylrecht/221031_OffenerBrief_Entwurf_des_so  g._Chancen-Aufenthaltsrechts_fin.pdf

      Anwendungshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht vom 27.01.2023, https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/wp-content/uploads/2023/02/StMI-IMS-vom-27.01.2023-zum-Chancen-Aufenthaltsrecht.pdf

      PM als PDF

      ]]>PressemitteilungMigration & Asylnews-977Fri, 21 Jul 2023 10:52:51 +0200Letzte Chance, die israelische Regierung und die sie unterstützenden Abgeordneten von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Justizreform in der Knesset abzulehnen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/letzte-chance-die-israelische-regierung-und-die-sie-unterstuetzenden-abgeordneten-von-der-notwendigkeit-zu-ueberzeugen-die-justizreform-in-der-knesset-abzulehnen-977Offener Brief der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), der Humanistischen Union (HU) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vom 20.07.2023 an das Auswärtige Amt und alle Parlamentarier:innen mit Kontakt nach Israel

      Die erste Stufe der Justizreform der Regierung unter Benjamin Netanjahu ist letzte Woche Montag zur ersten Lesung ins Parlament gekommen. Alles sieht danach aus, als wollte die Regierung die Reform gegen den Widerstand der Zivilbevölkerung durchs Parlament peitschen. An den Protesten gegen die als „Coup“ bezeichnete Reform beteiligen sich Organisationen aus allen Bereichen des zivilen Lebens, Akademiker:innen, Offiziere, Jurist:innen, Gewerkschaften und viele weitere. Seit Dezember 2022 gehen jeden Samstag Hunderttausende in Israel auf die Straße, um für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu demonstrieren. Nachdem die Reform ins Parlament gebracht wurde, haben sich die Proteste noch einmal verstärkt und es kam auch zu Fällen von Polizeigewalt gegen Demonstrierende.

      Die Gefahr für die israelische Demokratie ist real. Nicht umsonst hat US-Präsident Biden in aller Deutlichkeit dazu aufgerufen, die Reform zu stoppen. Das Gesetzespaket mit seinen über 189 Einzelgesetzen würde das demokratische Gefüge in Israel aus dem Gleichgewicht bringen. Die Regierung hat die erste Lesung des Gesetzes zur Änderung der Besetzung des Obersten Gerichts hinter sich gebracht. Dieses Verfahren ist deshalb so entscheidend, weil das Gericht in Israel die einzige verfassungsmäßige Institution darstellt, die nicht unmittelbar von der Regierung kontrolliert wird.

      Zurecht warnte Amnesty International:
      Sollte das Gesetz verabschiedet werden, wird der Oberste Gerichtshof Israels nahezu bedeutungslos, da die Regierung dessen Richterinnen und Richter ernennen würde und die Prüfung von Gesetzen durch den Obersten Gerichtshof umgehen könnte. Das heißt, die Rechte von Minderheiten und Einzelpersonen werden keinerlei Schutz mehr erfahren. Israel wird im besten Fall zu einer Pseudodemokratie werden, in der nur diejenigen bestimmen, die die Mehrheit bilden. Die Rechte aller Menschen – insbesondere aber die der Palästinenserinnen und Palästinenser – werden stärker gefährdet sein.

      Insbesondere für deutsche Juristen:innenorganisationen war diese Entwicklung Veranlassung, sich in Israel in Gesprächen mit Partnerorganisationen ein Bild zu verschaffen. Vertreter:innen der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung e.V. (DIJV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und des Bundesgerichtshofes (BGH) haben mit hochrangingen Repräsentanten aus Anwaltschaft, Justiz sowie Wissenschaft und Forschung in Tel Aviv und Jerusalem gesprochen. Sie kamen dabei zu der Schlussfolgerung:

      Die Justizreformen würden das Gleichgewicht zwischen Legislative, Exekutive und Judikative radikal verschieben und die Gewaltenteilung in Israel faktisch aufheben.

      Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) hat den ehemaligen Dekan der juristischen Fakultät der Universität in Haifa, Prof. Dr. Eli Salzberger, zu einer Vortragsreihe nach Deutschland eingeladen. In der Diskussion mit Herrn Salzberger kam noch einmal deutlich heraus, wie gefährlich die Reform für die Demokratie in Israel ist. Gleichzeitig war Prof. Salzberger überzeugt, dass die Einflussnahme auf israelische Politiker:innen durch ihre deutschen Amtskolleg:innen möglich ist.

      Die BRAK hat schon sehr früh den deutschen Justizminister aufgefordert, auf die israelische Regierung einzuwirken, damit sie Abstand von ihrem demokratiefeindlichen Projekt nimmt.

      Diese Aufforderung trifft nun alle deutschen Ministerien, insbesondere das Auswärtige Amt, und alle Parlamentarier:innen mit Kontakt nach Israel. Angesichts der unmittelbaren Drohung der Verabschiedung der Reform sind Politiker:innen auf allen Ebenen gefordert, ihre Ablehnung der Reform unzweideutig und mit Nachdruck gegenüber ihren israelischen Amtskolleg:innen zu formulieren. So könnte beispielsweise das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel unter die Bedingung gestellt werden, dass die israelische Regierung die Reform aufgibt.

      Solidarität kann es in der aktuellen Situation nur mit der demokratischen Protestbewegung in Israel geben. Mit ihr muss es unsere Bemühung sein, die rechtsstaatlichen Strukturen in Israel zum Schutz der Bürger- und Menschenrechte, insbesondere auch der Minderheiten in Israel, zu bewahren.

      Der offene Brief als PDF

      ]]>news-976Tue, 11 Jul 2023 11:28:38 +0200Offen bleiben!<br />Für eine solidarische Gesellschaft!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/offen-bleibenfuer-eine-solidarische-gesellschaft-976Aufruf zur Teilnahme, Demonstration am 16.7.23 in MünchenDer RAV ist Teil des Münchner Bündnisses „Offen bleiben“ und ruft dazu auf, an der Demonstration am kommenden Sonntag, den 16.07.2023 um 16 Uhr in München teilzunehmen.

      Offen bleiben“ ist ein zivilgesellschaftliches Bündnis von inzwischen [11.7.23] 163 Organisationen und mehr als 200 Einzelpersonen, die ein deutliches Signal für eine offene, solidarische Gesellschaft und gegen Abschottung setzen wollen.

      Als Kampagne wollen wir vor allem gegen die Beschlüsse auf europäischer Ebene zu GEAS protestieren, die für eine Vielzahl von Schutzsuchenden Grenzverfahren in haftähnlicher Unterbringung an den Außengrenzen Europas vorsehen. In diesen Grenzverfahren wird effektiver Rechtschutz für die Betroffenen unmöglich sein und das Recht auf Asyl weiter ausgehöhlt.

      Wir protestieren gegen Hetze und Stimmungsmache gegen Geflüchtete.

      Und wir glauben nicht, dass die Antwort auf soziale Krisen Abschottung heißen kann, wie es die Ampelregierung aktuell betreibt.

      Wir wollen: Offen bleiben!

      Die Demonstration startet um 16 Uhr am Gärtnerplatz in München und wird mit Bühnenprogramm um 17.30 Uhr am Marienplatz enden.

      Alle Infos sind zu finden unter: https://offen-bleiben-muenchen.de/.

      Werdet auch gerne Unterstützer*in von „Offen bleiben“ unter: https://offen-bleiben-muenchen.de/unterstuetzen/.

      ******************

      Aufruf:
      Grenzen zu, alles gut?
      Geflüchtete sind unser größtes Problem?
      Wir glauben nicht, dass sich da alle einig sind!
      Lasst uns gemeinsam laut werden gegen Abschottungs- und Scheuklappenpolitik!
      Lasst uns laut sein für Solidarität und Menschenrechte!

      Die EU höhlt das Recht auf Asyl gerade mit breiter politischer Unterstützung aus. Was früher nur rechte Parteien forderten, ist plötzlich Regierungsprogramm der Ampelkoalition.

      Das Bittere und Skandalöse daran ist, dass gerade die aktuelle Bundesregierung mit dem Versprechen angetreten ist, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen [zu] beenden. […]“. Jetzt verwirklicht sie Seehofers Traum.

      Statt Asylgründe individuell zu prüfen, will die EU Schnellverfahren an den Außengrenzen durchführen, ohne rechtliche Vertretung, unabhängige Beratung oder Rechtsmittel für Schutzsuchende. Anstatt für Ankommende menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen, sollen sie in Grenzlagern leben, die Haftanstalten gleichen und Entrechtung zum Standard machen. Statt Geflüchteten zu ermöglichen, sich in die Gesellschaft einzubringen, plant die Bundesregierung deren Abschiebungen und Inhaftierungen.

      Die riesigen Herausforderungen von Wohnraumnot, Gesundheitskräftemangel, Klimaschutz oder Kita-Knappheit brauchen politische Lösungen. Anstatt sie anzugehen, fordert die Bundesregierung Abschottung und Verhinderung von Flucht und Migration und bedient damit eine Scheindebatte. Dabei hat die gute, pragmatische Politik und die gemeinsame gesellschaftliche Anstrengung für Geflüchtete aus der Ukraine gezeigt: Wir können auch anders!

      Die Ampel sieht Abschottung als Antwort auf soziale Krisen – wir nicht!
      Wir wollen eine offene und solidarische Gesellschaft!
      Wir sagen: Offen Bleiben!

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      Bürger- und MenschenrechteMigration & Asyl
      news-974Wed, 05 Jul 2023 11:53:11 +0200Nein zur „Instrumentalisierung“ durch die Hintertür<br />Das Recht an den EU-Außengrenzen einhalten, nicht verbiegen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nein-zur-instrumentalisierung-durch-die-hintertuer-das-recht-an-den-eu-aussengrenzen-einhalten-nicht-verbiegen-974Appell von 55 Organisationen an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, 5.7.23

      Gerade erst haben die EU-Innenminister*innen sich auf verschärfte Grenzverfahren (unter Anwendung einer „Fiktion der Nicht-Einreise“, die absehbar zu Haft oder haftähnlicher Unterbringung führen wird), auf eine Ausweitung des Konzepts der „sicheren Drittstaaten“ sowie auf einen unzuverlässigen Solidaritätsmechanismus und die weitgehende Beibehaltung des Dublin-Systems geeinigt.

      Doch der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht: Es wird mit Hochdruck an einer weiteren massiven Verschärfung gearbeitet. Die schwedische EU-Präsidentschaft hatte noch auf den letzten Metern ihrer Präsidentschaft die „Verordnung für Ausnahmen im Falle von Krisen,Instrumentalisierung und höherer Gewalt“ (Stand 23. Juni 2023) auf den Weg gebracht, nun macht die spanische Präsidentschaft mit den Vorschlägen weiter. Es sollen unter anderem die Verzögerung von Registrierungen, die Verlängerung von Grenzverfahren – dann für so gut wie alle Gruppen von Geflüchteten – sowie massive Absenkungen bei den Unterbringungs- und Aufnahmestandards möglich werden. Der Verordnungsentwurf wird aktuell zwischen den EU-Staaten verhandelt.

      Die von der Bundesregierung für die GEAS-Reform gewünschten Ausnahmen vom Grenzverfahren für Kinder oder andere vulnerable Personen wären dem Verordnungsentwurf nach vom Tisch. Auch droht eine Legitimierung der Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen.

      Bereits im Dezember 2022 appellierten 35 Organisationen an die Bundesregierung, dem damaligen Vorstoß für eine Instrumentalisierungsverordnung nicht zuzustimmen. In ihrem Prioritätenpapier spricht sich die Bundesregierung gegen die Aufnahme der Verschärfungen im Fall einer Instrumentalisierung aus. Angesichts der nun beginnenden Verhandlungen im Rat über die Krisen-Verordnung, in die die Vorschläge im Falle der „Instrumentalisierung“ eingefügt wurden, fordern wir erneut mit Nachdruck: Die Bundesregierung muss bei ihrem „Nein“ zur Instrumentalisierungsverordnung bleiben und darf einer Einführung der Krisen- Verordnung nicht zustimmen.

      „Das Leid an den Außengrenzen beenden“

      Seit Jahren verüben Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an den Außengrenzen der EU – unter anderem mittels Notstandsmaßnahmen – schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungen. Der Ausnahmezustand wird dazu genutzt, den Schutzsuchenden den Zugang zu humanitärer Hilfe zu verwehren und die Öffentlichkeit auszuschließen, um die Gewalt an der Grenze zu verbergen. Statt frierenden Menschen in den Urwäldern an der Grenze zu Belarus medizinisch zu helfen und ihr Asylverfahren einzuleiten, prügeln polnische Grenzschützer sie über die Grenze zurück. Statt Menschen aus Seenot zu retten, drängt die griechische Küstenwache schutzsuchende Menschen auf der Ägäis Richtung Türkei.

      Das ist eine Krise der Menschlichkeit und eine Krise der Menschenrechte. Es ist auch eine Krise der Rechtsstaatlichkeit in der EU. Die Bundesregierung hat es sich mit dem Koalitionsvertrag zum Ziel gemacht, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen [zu] beenden“. Die nun diskutierte Verordnung wäre ein weiterer Schritt hin zu einem Europa, in dem grundlegende Werte wie Menschenwürde und Flüchtlingsschutz nicht zählen. Die Bundesregierung kann jetzt noch im Rat entscheidenden Einfluss nehmen.

      Recht einhalten, nicht verbiegen

      Der Entwurf der Verordnung für den Fall von Krise, Instrumentalisierung und höherer Gewalt sieht vor, europäische Vorschriften für Asylverfahren sowie für die Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden weit unter jedes erträgliche Minimum abzusenken. Im Falle einer Instrumentalisierung würde eine Regelung im Schengener Grenzkodex durch die Schließung von Grenzübergängen es fliehenden Menschen nahezu unmöglich machen, an den Außengrenzen einen Asylantrag zu stellen. Statt schutzsuchende Menschen zu schützen, erhöht besonders das Konzept der Instrumentalisierung sogar noch die Gefahr, dass diese illegal – und oft mit Gewalt – zurückgeschoben werden. Wenn es doch jemand schafft, einen Asylantrag zu stellen, erlaubt es die Verordnung, diese Person bis zu fünf Monate zu inhaftieren. Dies betrifft auch Traumatisierte, Menschen mit Behinderung, Familien und allein fliehende Kinder. An den Grenzen werden die Bedingungen, wie auf den griechischen Inseln und anderswo häufig genug gesehen, absehbar menschenunwürdig sein. Notwendige unabhängige rechtliche Beratung oder medizinische und psychologische Unterstützung werden kaum möglich sein.

      Nein zu einer Instrumentalisierung durch die Hintertür, Nein zum aktuellen Entwurf der Krisen-Verordnung

      Die Verordnung für den Fall von Krise, Instrumentalisierung und höherer Gewalt droht an den Außengrenzen den schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Europäisches Recht muss wieder angewendet werden – die vorgelegte Verordnung verbiegt aber das Recht und ermöglicht es, das geltende Recht an den Außengrenzen zu brechen. Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung eindringlich auf, dies nicht zuzulassen und in den Verhandlungen im Rat eine klare rote Linie zu ziehen.

      Unterzeichnende Organisationen, Stand 4. Juli 2023

      Bundesebene

      Ärzte ohne Grenzen e.V.
      Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
      Amnesty International Deutschland e.V.
      Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
      AWO Bundesverband e.V.
      borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
      Brot für die Welt
      Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V.
      Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.
      Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL
      Der Paritätische Gesamtverband
      Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.)
      Deutscher Caritasverband e.V.
      Diakonie Deutschland
      ECCHR: European Center for Constitutional and Human Rights
      ECPAT Deutschland e.V.
      Equal Rights Beyond Borders e.V.
      FORUM MENSCHENRECHTE – Netzwerk deutscher Menschenrechtsorganisationen
      IPPNW e.V. - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs /Ärzt*innen in sozialer Verantwortung
      Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
      Jugendliche ohne Grenzen
      JUMEN e.V. - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland
      Kindernothilfe e.V.
      KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      #LeaveNoOneBehind
      Lesben- und Schwulenverband (LSVD)
      medico international
      MISSION LIFELINE International e.V.
      Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.
      pax christi - Deutsche Sektion e.V.
      r42 - Sail and Rescue
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      RESQSHIP e.V.
      Sea-Watch
      Seebrücke
      SOLWODI Deutschland e.V.
      SOS Humanity
      Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus
      terre des hommes
      United4Rescue – Gemeinsam retten e.V.
      Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAM)
      ver.di Bundesmigrationsausschuss
      Zukunftsforum Familie e.V.

      Landesebene

      Arbeitsgemeinschaft der Diakonie in Rheinland-Pfalz
      Berlin hilft
      Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
      Diakonie Schleswig-Holstein
      Flüchtlingsräte der Bundesländer
      Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.
      Landesintegrationsrat NRW
      REFUGIO Thüringen
      Wir packen's an e.V. - Nothilfe für Geflüchtete
      XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
      Zentrum Überleben

      Statement als PDF

      ]]>Migration & Asylnews-973Mon, 26 Jun 2023 12:20:17 +0200Gegen den Ausverkauf der Rechte von Schutzsuchenden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-den-ausverkauf-der-rechte-von-schutzsuchenden-973Ganzseitige Anzeige in der TAZ, 17.6.23Empfehlung (Mitteilung)Migration & Asylnews-972Mon, 26 Jun 2023 08:40:06 +0200Keine Ausnahmegerichte für die „Letzte Generation“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ausnahmegerichte-fuer-die-letzte-generation-972Gemeinsame Erklärung von Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen und RAV, 20.06.2023Seit vergangener Woche ist ein neuer Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Tiergarten in Kraft, welcher die Einrichtung neuer Stellen vorsieht, die für beschleunigte Verfahren der Staatsanwaltschaft Berlin zuständig sind. Zugleich änderte die Staatsanwaltschaft Berlin ihren Geschäftsverteilungsplan und zog die Zuständigkeit für beschleunigte Verfahren – die grundsätzlich bei der Amtsanwaltschaft liegt – an sich. Davon betroffen sind derzeit ausschließlich Fälle der „Straßenblockaden“ der Letzten Generation.

      Diese Änderungen sind höchst problematisch bis hin zu verfassungsrechtlich bedenklich, da das Recht auf den gesetzlichen Richter faktisch ausgehebelt wird:

      Ganz grundsätzlich eignet sich strafrechtliche Beurteilung der „Straßenblockaden“ der Letzten Generation ohnehin nicht für das beschleunigte Verfahren: Diese sind nach § 417 StPO vielmehr nur zulässig, wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist. Ausweislich der obergerichtlichen Rechtsprechung ist dies bei Aktionen der Letzten Generation ausdrücklich nicht der Fall. Die Beweislage ist schwierig, die rechtliche Würdigung umstritten und uneinheitlich, schließlich sind in jedem einzelnen Fall verfassungsrechtliche Abwägungen zu treffen. Hierfür sind beschleunigte Verfahren gerade nicht gemacht.

      Unabhängig hiervon drängt sich der Eindruck auf, dass hier bewusst eine Sonderzuständigkeit für die Letzte Generation geschaffen wurde: Dieser Eindruck speist sich aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Regierungswechsel, hausinternen Gesprächen, den gleichzeitigen Änderungen der Geschäftsverteilungspläne von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Tiergarten – sowie dem Umstand, dass de facto nur die Fälle der Letzten Generation von dieser Änderung umfasst sind. Hier scheint es mithin allein um ein politisches Signal in der ohnehin schon von Populismus geprägten Debatte zu gehen, wobei dies wieder einmal zulasten der Beschuldigten- und Verfahrensrechte geht.

      Ausnahmegerichte sind nach Art. 101 GG aus rechtsstaatlichen sowie nicht zuletzt rechtshistorischen Gründen unzulässig: Sie stellen eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter dar. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Justiz in Bezug auf die Letzte Generation nicht mehr unabhängig handelt und das Recht auf den gesetzlichen Richter ausgehebelt wird. Die Garantie des gesetzlichen Richters soll gerade „der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird (BVerfGE 95, 322 (327); 118, 212 (239); 148, 69, Rn. 47). Diese Unabhängigkeit sehen wir durch das Vorgehen von Amtsgericht Tiergarten im Zusammenspiel mit der Staatsanwaltschaft Berlin konkret gefährdet.

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      Anfragen hierzu können über die Geschäftsstellen vermittelt werden
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen: 030–34781265 / info@strafverteidiger-berlin.de
      RAV: 030.417 235 55 / kontakt@rav.de

      Erklärung als PDF

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      news-971Mon, 19 Jun 2023 18:15:44 +0200RAV-Kongress verabschiedet Resolution_Gegen die Zerstörung des Rechts und den grenzenlosen Ausverkauf der Menschenrechte von Schutzsuchenden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kongress-verabschiedet-resolution-gegen-die-zerstoerung-des-rechts-und-den-grenzenlosen-ausverkauf-der-menschenrechte-von-schutzsuchenden-971Leipzig, 17.6.2023

      Gegen die Zerstörung des Rechts und den grenzenlosen Ausverkauf der Menschenrechte von Schutzsuchenden
      Für das Recht, Rechte zu haben
      Für das Recht auf ein individuelles und effektives Verfahren – Zugang zum Recht – für alle

      Am 8. Juni 2023 haben die Innenminister*innen der EU einen Frontalangriff auf den Rechtsstaat beschlossen. Die Inhaftierung von Schutzsuchenden, die Rechtlosstellung durch die Fiktion der Nicht-Einreise, die Hinnahme von massenhaften refugees in orbit[1] und Abschiebungen in vermeintlich sichere Drittstaaten werden als alleinige Antwort auf Verfolgung und Flucht, auf Kriege und Krisen der Gegenwart formuliert. Statt individuelle und effektive Asylverfahren zu stärken, werden Vereinbarungen mit autokratischen und rassistischen Regimen wie der Türkei und Tunesien vorangetrieben.

      Die Bundesregierung versucht, die Reform durch unwahre Behauptungen zu beschönigen, und bezeichnet sie als „Verschlechterung für wenige“ und „Verbesserung für viele.“ Tatsächlich können alle Schutzsuchenden durch die Anwendung des Drittstaatenkonzepts in das Grenzverfahren einbezogen werden – auch die vor den Taliban flüchtende afghanische Familie; auch eine Jina Amini, wenn sie vor ihrer Ermordung hätte flüchten können. Tatsächlich können alle Schutzsuchenden einschließlich Kinder inhaftiert werden. Allen Schutzsuchenden droht ein Schnellverfahren, in dem keine individuelle Prüfung stattfindet und effektiver Rechtsschutz nicht besteht.

      Pushbacks, Haft und Verfahrensunrecht prägen bereits jetzt die Behandlung von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen. Anstatt diese Verbrechen zu bekämpfen, werden sie nun unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung legalisiert.

      Wir stellen fest: Die Bundesregierung will sich in unvergleichlicher Geschichtsvergessenheit daran beteiligen, wie tragende Pfeiler des Rechtsstaats über Bord geworfen werden. Das aus den Lehren des Nationalsozialismus geborene Flüchtlingsrecht ist kein hehrer Grundsatz. Es geht um ein fundamentales Menschenrecht, das mit einem effektiven Verfahren flankiert werden muss. Schutzansprüche und Verfahrensrechte haben verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rang. Anstatt diese Rechte zu achten und zu schützen, betreibt die Bundesregierung eine Politik der Gewalt und der Abschottung – und wird damit den rechten und rassistischen Diskurs in Deutschland und die politische Rechte stärken statt schwächen, sie wird die Gefahr rassistischer Übergriffe erhöhen statt mindern.

      Das Recht auf Schutz und das Recht auf Rechte gilt für alle – jedwede Klassifizierung von Geflüchteten sowie die Inhaftierung und Isolation in Lagern ist ein Bruch mit rechtsstaatlichen Verfahren, in jedem Einzelfall!

      Wir sind auf neue Rechtskämpfe vorbereitet: Menschenwürde und Menschenrechte sind unteilbar!

       

      [1] refugee in orbit ist eine geflüchtete Person, die zwar nicht direkt in ein Land zurückgeschickt wird, in dem sie möglicherweise verfolgt wird, der aber Asyl verweigert wird oder die keinen Staat finden kann, der bereit ist, ihren Antrag zu prüfen, und der auf der ständigen Suche nach Asyl von einem Land zum anderen pendelt.

      Resolution als PDF

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      Migration & Asyl
      news-970Mon, 19 Jun 2023 18:05:13 +0200RAV-Kongress verabschiedet Resolution_Sofortiges Ende der Repression im Iran/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kongress-verabschiedet-resolution-sofortiges-ende-der-repression-im-iran-970Leipzig, 17.6.203

      Sofortiges Ende der Repression im Iran
      Sofortiger Stopp der Todesurteile im Iran
      Sofortige Freilassung unserer verfolgten Kolleg*innen im Iran

      Seit mehr als einem halben Jahr finden Proteste im Iran statt. Was als Protest gegen den Zwang zum Tragen eines Hijabs und die Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam begann, hat sich zu einer landesweiten Revolution ausgeweitet. Seit dem Beginn der Massenproteste hat die staatliche Repression ein neues Ausmaß erreicht. Mehr als 700 Menschen wurden seitdem hingerichtet.

      Wir als RAV zeigen uns solidarisch mit den Menschen im Iran, die für ihre elementaren Menschenrechte auf die Straße gehen, insbesondere den Frauen*, die gegen jahrzehntelange Unterdrückung und Demütigung kämpfen.

      Aufgrund ihrer Überzeugungen und aufgrund ihres Einsatzes für ihre Mandant*innen wurden über 60 unserer Kolleg*innen in den letzten Jahren in Haft genommen. Zwei von ihnen sitzen derzeit noch in Haft, die Rechtsanwälte Mohammad Najafi und Amirsalar Davoudi.

      Wir fordern ein Ende der Repression und vor allem die Abschaffung der Todesstrafe.
      Das Recht auf freie Advokatur ist nicht verhandelbar.
      Wir fordern ein sofortiges Ende der Behinderung und Einschränkung der anwaltlichen Tätigkeit im Iran.
      Unsere Kollegen Mohammad Najafi und Amirsalar Davoudi sind umgehend freizulassen.

      Frau! Leben! Freiheit!
      Jin! Jiyan! Azadî!

      Resolution Iran als PDF

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      Iran
      news-969Mon, 19 Jun 2023 17:26:00 +0200RAV-Kongress verabschiedet Resolution_Keine Kriminalisierung der Klimaaktivist*innen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kongress-verabschiedet-resolution-keine-kriminalisierung-der-klimaaktivistinnen-969Leipzig, 17.6.2023

      Keine Kriminalisierung der Klimaaktivist*innen
      Für einen gesellschaftlichen Dialog statt staatlicher Hetze
      Solidarität mit der Letzten Generation

      Die Reaktionen auf die Aktionen der „Letzten Generation“ haben in den letzten Monaten das gesellschaftliche Klima erheblich verschärft. Mit diffamierenden Bezeichnungen wie „Klimaterroristen“ und der Forderung nach harten Strafen fand eine durch weite Teile der Politik geschürte Hetzkampagne statt. Dies kommt einer innenpolitischen Feindbestimmung gleich. Als Folge dieser Stimmungsmache nimmt die Gewaltbereitschaft von Bürger*innen und Polizeibeamt*innen gegen die Aktivist*innen deutlich zu.

      Nicht die gravierenden politischen Versäumnisse in der Klimapolitik bestimmen den Diskurs, sondern allein die Kriminalisierungsversuche. Wer jetzt den § 129 StGB (kriminelle Vereinigung) anwenden will und härtere Strafen fordert, redet der Einschränkung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit das Wort. Hier bricht sich ein autoritäres Staats- und Demokratieverständnis Bahn.

      Wenn Bundesinnenministerin Faeser repressive Maßnahmen mit den Worten begründet, dass „der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen“ dürfe, wird die Bedeutung des Begriffs des Rechtsstaats in ihr Gegenteil verkehrt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat sich mit der öffentlichen Vorverurteilung der Letzten Generation und all ihrer Spender*innen an dieser Verkehrung des Rechtsstaatsgedankens beteiligt.

      Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams sind ein legitimer Bestandteil der Demonstrationsfreiheit. Sich jetzt hinter die Letzte Generation zu stellen, ist die Aufgabe alle derer, denen der Rechtsstaat am Herzen liegt. Die Frage, ob man die Aktionsformen im Einzelnen befürwortet oder nicht, tritt dahinter zurück.

      Und in den Worten des UN-Generalsekretärs António Guterres: „Klimaaktivisten haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je.“ 

      Wir fordern von der Bundesregierung ein Ende des Verfassungsbruchs, die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und endlich einen effektiven Klimaschutz!

      Wir fordern die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen die Aktivist*innen und Unterstützer*innen der Letzten Generation sowie die Abschaffung des § 129 StGB!

      Resolution Letzte Generation als PDF

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      news-968Thu, 15 Jun 2023 16:32:30 +0200Der RAV kritisiert massive Behinderung anwaltlicher Tätigkeit durch Polizei beim „Leipziger Kessel“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-rav-kritisiert-massive-behinderung-anwaltlicher-taetigkeit-durch-polizei-beim-leipziger-kessel-968Pressemitteilung, 15.6.2023Unterbindung und Einschränkung anwaltlicher Tätigkeiten bei dem Versammlungsgeschehen am Wochenende in Leipzig nach den Urteilen im "Antifa-Ost"-Prozess

      Im Rahmen der Proteste gegen die Verurteilung von Antifaschist*innen vorletzte Woche und gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Leipzig kam es als Reaktion hierauf verschiedentlich zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Sächsische Polizei. Insbesondere setzte die Polizei am Samstag, den 03.06.2023 etwa 1.000 ehemalige Teilnehmer*innen einer Versammlung in einem sogenannten „Leipziger Kessel“ am Alexis-Schumann-Platz fest.

      »Der RAV verurteilt das Vorgehen der Polizei aufs Schärfste. Rechtswidrig wurde den Betroffenen der Zugang zu vor Ort anwesenden Anwält*innen verweigert. Dass der sächsische Innenminister das fehlerhafte Vorgehen der Polizei beim „Leipziger Kessel“ deckt und Aufklärung verweigert, ist Ausdruck eines völlig verschobenen Diskurses, der autoritäre und rechte Strömungen weiter befeuert.«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV.

      Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 6 III c der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie § 137 Abs. 1 der Strafprozessordnung garantieren allen Beschuldigten in Strafverfahren, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem/einer Anwält*in verteidigen zu lassen. Mehreren im RAV organisierten Rechtsanwält*innen wurde trotz dieses grundlegenden Anspruchs der Betroffenen auf rechtlichen Beistand beim Leipziger Kessel der Kontakt mit sich darin befindenden Personen verweigert - und das, obwohl die Polizei bereits um 19:00 Uhr per Durchsage die Betroffenen als Beschuldigte in einem Strafverfahren über ihr Recht, sich anwaltlichen Beistand zu suchen, informierte.

      So wurde schon zu Beginn dieses „Leipziger Kessels" einer Kollegin das Gespräch oder auch nur die räumliche Annäherung an im Kessel befindliche Personen - notwendig zur ersten Kontaktaufnahme - verwehrt, obwohl zunächst Rufe nach Beistand zu vernehmen waren. Selbst eine Nachfrage bei den Betroffenen durch Polizeibeamt*innen, ob sie Kontakt mit der anwesenden Anwältin wünschten, wurde durch die Polizei ausgeschlossen.

      Weitere Versuche von Kolleg*innen, den Betroffenen Beistand zu leisten, wurden über die folgenden Stunden hinweg trotz Insistierens der Anwält*innen durch die Polizei verhindert. Erst gegen Mitternacht durften einige wenige Kolleg*innen in den abgesperrten Bereich und dort mit einzelnen minderjährigen Betroffenen sprechen. Dass diese, sich bereits seit Stunden im Kessel befindenden Jugendlichen in der Menge der Personen vor Ort durch die Anwält*innen gesucht werden konnten, wurde durch die Polizei vorher ebenso abgelehnt, wie der Vorschlag, dass dann die Beamt*innen die betreffenden Minderjährigen ausfindig machen könnten. Eine "bevorzugte Abarbeitung von Minderjährigen" war hier nicht zu erkennen.

      Dazu erklärt Rechtsanwalt Mark Feilitzsch aus Dresden:

      »Den etwa 1.000 Menschen im Leipziger Kessel wurde erklärt, dass sie Beschuldigte in einem Strafverfahren seien und das Recht hätten, einen Verteidiger hinzuzuziehen. Tatsächlich hat die Polizei jedoch genau das verhindert. Es ist zunehmend zu beobachten, dass im Zusammenhang mit politischen Protesten die anwaltliche Berufsausübung und damit der Zugang der Betroffenen zu rechtlichen Beistand behindert wird. Wenn – wie nun dieses Wochenende in Leipzig - viele Betroffene von den Nachmittagsstunden bis in den frühen Morgen ohne jeden Zugang zu anwaltlichem Beistand bleiben mussten, ist das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.«

      Aber nicht nur den Rechtsanwält*innen wurde der Zugang zu den Betroffenen verwehrt. Auch den am Polizeikessel erschienenen und nachfragenden Eltern wurden ihre Kinder stundenlang vorenthalten. Selbst bei den anschließenden Maßnahmen der Belehrung der Minderjährigen, der Beschlagnahme von deren Telefonen, Durchsuchung und Identitätsfeststellung wurde den Eltern kein Anwesenheitsrecht eingeräumt. Die durch das stundenlange Festhalten eingeschüchterten und erschöpften Jugendlichen wurden aufgefordert, an polizeilichen Maßnahmen mitzuwirken und z.B. die PIN ihrer beschlagnahmten Telefone herauszugeben.

      Dazu erklärt Rechtsanwältin Rita Belter aus Leipzig:

      »Das Verhalten der Einsatzbeamt*innen verletzte in willkürlicher Weise die Rechte der Betroffenen und die der Sorgeberechtigten. Nun werden sich die Gerichte mit einer Vielzahl von Erlebnissen und der Feststellung deren Rechtswidrigkeit auseinandersetzen müssen.«

      Eine weitere freiheitsentziehende Maßnahme wurde am 03.06.2023 vor dem Amtsgericht Leipzig vollzogen. Dort wurden ca. 20 - 25 Personen plötzlich von Polizeikräften zusammengedrängt und mit der Begründung, anlasslose Identitätsfeststellungen im Kontrollbereich vornehmen zu wollen, über zwei Stunden festgehalten. Die Identitätsfeststellung wurde - obwohl mehrfach angemahnt - erst 90 Minuten nach Kesselung begonnen. Zusätzlich erhielten alle dort Anwesenden einen grundlosen Platzverweis. Betroffen von diesen Maßnahmen war auch eine Rechtsanwältin, die unmittelbar nach der Haftvorführung ihres Mandanten bei dem Verlassen des Leipziger Amtsgerichts von den Polizeibeamt*innen mit in diesen Kessel gedrängt wurde und der ein Platzverweis nicht nur für das Gericht, sondern auch für den Ort ihrer Kanzlei ausgesprochen wurde.

      Verschiedentliche Versuche, eine Begründung für die nicht nachvollziehbaren Maßnahmen zu erhalten, scheiterten. Widersprüche wurden nicht aufgenommen.

      Auch mit diesem Vorfall werden sich die Gerichte beschäftigen müssen: Die betroffene Kollegin erhebt nun Klage zum Verwaltungsgericht gegen diesen schweren Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit.

      Ebenfalls wurde am darauf folgenden Sonntag jede Versammlung an der Gefangenensammelstelle an der Hauptwache der Polizei in Leipzig mit Verweis auf die Allgemeinverfügung ('Versammlungsverbot') unterbunden. Als am Sonntag wartende Eltern, Angehörige und Freund*innen der (teilweise vorläufig) Festgenommenen an der Dimitroffstrasse auf die Entlassung der Festgenommenen aus dem "Leipziger Kessel" warteten und versuchten, eine Versammlung anzumelden, wurden sie ebenfalls durch die Polizei gekesselt und Identitätsfeststellungsmaßnahmen unterzogen.

      Wir fordern die umfassende und lückenlose Aufklärung der offensichtlich rechtswidrigen Repressionsmaßnahmen, die Leipzig am Wochenende des 2. bis 4. Juni 2023 in einen grundrechtsfreien Raum verwandelt haben, sowie die Feststellung der Verantwortlichen für das widerrechtliche Vorgehen.
      **************

      Interviewanfragen können über die Geschäftsstelle vermittelt werden:
      030.417 235 55 / kontakt@rav.de

      Pressemitteilung als PDF

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      Pressemitteilung
      news-967Wed, 14 Jun 2023 07:35:52 +0200"Regime Change? Die Justizreform in Israel und der Widerstand dagegen"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/regime-change-die-justizreform-in-israel-und-der-widerstand-dagegen-967Vortrag von Prof. Dr. Eli Salzberger an der Humboldt-Uni Berlin am 19.6.23 und weitere Termine in HH, D'dorf, FFMSeit Ende 2022 hat Israel eine neue Regierung, die eine umfassende Veränderung des israelischen Staates anstrebt. Kritische Stimmen sprechen von „Regime Change“, einem „populistischen Verfassungsputsch“ oder sogar einem „Anschlag auf Israels Demokratie“. Im Zentrum der Kritik steht die sogenannte Justizreform, mit der die Macht des Höchsten Gerichts beschnitten werden soll, einem zentralen Akteur in der israelischen Demokratie. Es gilt als liberale Bastion und steht als solche schon länger im Fadenkreuz der israelischen Rechten.

      Viele befürchten durch die Reform das Ende der Gewaltenteilung. Sie glauben, dass die Justizreform sicherstellen soll, dass die Regierung ihre restlichen Pläne ohne institutionellen Widerstand durchsetzen kann: Einschränkung der Rechte vor allem der arabischen Bevölkerung Israels, von Frauen und LSBTIQ, Beschneidung des Streikrechts und der Pressefreiheit sowie eine weitere Verschärfung der Besatzung der palästinensischen Gebiete bis hin zu deren Annexion – der neuen Regierung wären praktisch kaum Grenzen gesetzt.

      Hiergegen hat sich ein umfassender Widerstand gebildet, der einmalig ist in der israelischen Geschichte: Woche für Woche gehen häufig mehr als hunderttausend Menschen auf die Straße. Unser Gast Eli Salzberger ist Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Haifa. Er ist Mitbegründer der „Koalition für Demokratie“, der mehr als 150 akademische Jurist:innen angehören, die sich seit Antritt der neuen Regierung gegen deren Pläne engagieren. Er wird über die aktuellen Pläne der neuen Regierung und den Widerstand auf der Straße und in der Wissenschaft berichten und im Anschluss mit uns diskutieren.

      Vortrag und Diskussion auf Englisch.

      19.06.2023 um 18 Uhr an der Humboldt-Universität zu Berlin
      Juristische Fakultät, Saal 213

      Einführung und Moderation:Prof. Dr. Florian Jeßberger

      Eine Veranstaltungsreihe der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)

      Im Kooperation mit:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Rechtsanwaltskammer Berlin
      akj an der Humboldt-Universität
      akj an der Uni Frankfurt/M
      Fachschaftsrat Rechtswissenschaft an der Uni Hamburg

      Weitere Termine:
      20.06. in Hamburg
      22.06. in Düsseldorf
      23.06. in Frankfurt/M

      Veranstaltungsflyer

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      Veranstaltungen
      news-966Mon, 12 Jun 2023 12:50:22 +0200Humanitäre und historische Verantwortung übernehmen: Keine Abschiebungen von Roma*, keine Abschiebungen nach Moldau. Moldau ist kein sicheres Herkunftsland!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/humanitaere-und-historische-verantwortung-uebernehmen-keine-abschiebungen-von-roma-keine-abschiebungen-nach-moldau-moldau-ist-kein-sicheres-herkunftsland-966Gemeinsamer offener Brief an Berlins Innensenatorin Iris Spranger, 12.6.23Sehr geehrte Frau Senatorin Spranger,

      wir wenden uns heute an Sie, weil wir die Abschiebepraxis des Landes Berlins – vor allem in die Republik Moldau und insbesondere von Roma* – nicht länger hinnehmen. Mit großer Sorge verfolgen wir zudem die Bestrebungen der Bundesregierung, Moldau zum sicheren Herkunftsstaat einzustufen.

      Seit Ende des Winterabschiebestopps am 31.3.2023 erfolgen aus Berlin fast wöchentlich Sammelabschiebungen in die Republik Moldau, wobei das Vorgehen der Vollzugsbehörden immer vehementer und gewaltvoller wird. Häufig werden Charter mit Doppeldestination eingesetzt und neben Moldau auch Ziele in den Westbalkanstaaten angeflogen. Auch während des Wintermoratoriums wurden fast 50 Menschen von Berlin nach Moldau abgeschoben.

      Familientrennungen und Abschiebung von schwer Kranken und Menschen mit Behinderung

      Bei den Abschiebungen kommt es regelmäßig zu Trennungen von Familien. Auch Familien mit sehr kleinen Kindern und schwangere Frauen sind davon betroffen. Diesen schweren Eingriff in den Schutz der Familieneinheit und Missachtung des Kindeswohls beobachten wir in dieser Häufigkeit vor allem bei Abschiebungen in die Republik Moldau. Wir kritisieren dies scharf! Das Recht auf Familie und Schutz des Kindeswohls können nicht dadurch verwirkt werden, dass ein Elternteil ggf. straffällig geworden ist, sich zum Zeitpunkt der Abschiebung woanders aufhält oder einen anderen rechtlichen Status hat als der Rest der Familie.

      Ebenso stellen wir fest, dass bei allen Sammelabschiebungen nach Moldau oder in die Westbalkanstaaten auch Erwachsene und Kinder abgeschoben werden, die an schweren Krankheiten leiden und/oder körperliche oder geistige Behinderungen haben, und die in ihren Herkunftsländern keinen ausreichenden Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Auch Frauen, die vor schwerster häuslicher Gewalt geflohen und traumatisiert sind, befinden sich regelmäßig unter den Abzuschiebenden.

      Nach unserem Eindruck prüft das Landesamt für Einwanderung das Vorliegen humanitärer Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen könnten, nicht oder nur unzureichend.[1] Selbst bei Menschen mit schwersten Erkrankungen/Behinderungen wird lediglich die reine Reisetauglichkeit geprüft. Weil so viele schwer kranke Menschen abgeschoben werden, begleiten regelmäßig Ärzt:innen und Sanitäter:innen die Flüge.

      Moldau ist kein sicheres Herkunftsland – vor allem nicht für Roma*

      Die Republik Moldau, eines der wirtschaftlich ärmsten Länder Europas,[2] leidet massiv unter den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: Energie und Lebensmittelpreise sind explosionsartig gestiegen, sehr viele Geflüchtete aus der Ukraine müssen untergebracht und versorgt werden.[3] Die Situation für von Armut betroffene Menschen in Moldau hat sich durch die rapide gestiegene Inflation erheblich zugespitzt. Darüber hinaus sind Regierung und Gesellschaft in Moldau aktuell von Destabilisierungsversuchen seitens des russischen Regimes und seiner Anhänger*innen in Moldau und der Region Transnistrien betroffen. Russland hat Moldau mehrfach mit einer Invasion gedroht.[4]

      Viele der aus Moldau und den Westbalkanstaaten nach Deutschland geflohenen Asylsuchenden sind Roma*. Es ist hinreichend bekannt, dass Roma* in der Republik Moldau ebenso wie in den Westbalkanstaaten teils schweren Diskriminierungen und seit Generationen bestehender Ausgrenzung in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgesetzt sind. Die tradierte gesellschaftliche Schlechterstellung der Roma* und der tief verwurzelte Antiziganismus in der Republik Moldau fußen auch in der 500 Jahre andauernden Versklavung von Roma* in den ehemaligen Fürstentümern Moldau und Walachei – dem Gebiet der heutigen Republik. Der Handel und Besitz von Roma* wurde erst 1855 untersagt.[5]

      Viele Roma* in Moldau leben in existenzbedrohender Armut. Häufig werden Personenstandsurkunden nicht ausgestellt. Hinzu kommen unzureichender Schutz vor häuslicher Gewalt, mangelnder Zugang zu Krankenversorgung, Sozialhilfeleistungen, Schulbildung, Rechtsschutz, Wohnraum und gesicherten Arbeitsverhältnissen.[6] Durch die Corona-Pandemie sowie aktuell durch den kriegsbedingten Wegfall Russlands und der Ukraine als Ziele temporärer Erwerbsmigration hat sich ihre Situation weiter massiv verschlechtert.

      Doch die mehrfach dokumentierte strukturelle Diskriminierung der Roma* in Moldau und in den Westbalkanstaaten findet weder Eingang in asylrechtlicher Hinsicht noch in humanitäre Abwägungen seitens des Landes Berlin.

       Europaweiter Genozid an Roma* zur Zeit der NS-Herrschaft

      Im Nationalsozialismus wurden Roma* und Sinti* mit dem Ziel ihrer Auslöschung europaweit verfolgt und systematisch ermordet. Sie waren ebenso wie die jüdische Bevölkerung Opfer eines Genozids, was die Bundesregierung jedoch erst 1982 formal anerkannte.[7]

      Deutschland hat gegenüber den Überlebenden und Nachfahren der Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Sinti* und Roma* eine besondere Verantwortung – auch gegenüber jenen, die aus ihren Herkunftsländern nach Deutschland fliehen!

      Doch Berlin entledigt sich ihrer durch Abschiebung, statt ihnen Schutz, Entschädigung und Anerkennung für das zugefügte Leid in der Vergangenheit zu bieten. Der über Generationen andauernde Re-Traumatisierungsprozess der Nachfahrern der Opfer nationalsozialistischer Vernichtungsstrategien des 20. Jahrhunderts als auch derer, die aufgrund ihrer Roma*-Identität bis in das 19. Jahrhundert versklavt wurden, setzt sich dadurch bis in die Gegenwart fort.

      Wir schließen uns der Unabhängigen Kommission Antiziganismus an, die in ihrem im Juli 2021 veröffentlichten Abschlussbericht schreibt:

      „Mit Blick auf die praktische Anwendung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ist klarzustellen, dass die in Deutschland lebenden Rom_nja aus historischen und humanitären Gründen als eine besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen sind. Landesregierungen und Ausländerbehörden sind aufgefordert, die Praxis der Abschiebung von Rom_nja sofort zu beenden.“ [8]

      Wir fordern einen Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik Berlins:

      Die asyl- und ausländerrechtlich geforderten Atteste kann nur vorlegen, wer auch Zugang zu medizinischer Versorgung in Berlin hat. Die seit Herbst 2021 bestehende Praxis der bis zu sechs Monate verzögerten Ausstellung der Gesundheitskarte als Nachweis der Behandlungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist rechtlich und humanitär unhaltbar. Der Berliner Senat muss den unverzüglichen Zugang für alle Asylsuchenden in Berlin zu ärztlicher Versorgung sicherstellen.

      Sehr geehrte Frau Spranger, wir appellieren an Sie: Bitte setzen Sie sich in Berlin wie auch bei der bevorstehenden Innenminister*innen-Konferenz für einen Richtungswechsel ein, hin zu einer auf Bleiberecht und Entschädigung ausgerichteten Politik gegenüber in Deutschland schutzsuchenden Roma*.

      Mit freundlichen Grüßen

      Die Erstunterzeichnenden

      Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. | BARE Berlin – Bündnis gegen Antiziganismus und Roma*-Empowerment | BBZ – Beratungszentrum und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant*innen | Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen | Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. | Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. | Bundes Roma Verband e.V. | Fabrik Osloer Straße e.V. | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Frauenkreise / Space2groW | Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V. | Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V. | InterAktiv e.V. | interkular gGmbH | Jugendliche ohne Grenzen | JUMEN e.V. | Kampagne Bleiberecht für Alle – statt Chancenfalle! | KommMit – für Geflüchtete und Migrant:innen e.V. | Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. | Kulturen im Kiez e.V. | Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung (LAMA) der GEW Berlin | LARA e.V. Mobile Beratung für geflüchtete Frauen die sexualisierte oder häusliche Gewalt erlebt haben | Leah Carola Czollek, Leiterin des Instituts Social Justice und Radical Diversity | Mediterranea Berlin e.V. | MeG betreutes Wohnen gGmbH | Moabit hilft e.V. | Prof. Dr. Gudrun Perko, Professorin an der Fachhochschule Potsdam und Leiterin des Instituts Social, Justice und Radical Diversity | Reistrommel e.V. |Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) | Roma Center e.V./ Roma Antidiscrimination Network | RomaniPhen e.V. | Solidaritätsdienst International e.V. (SODI) |Sprungbrett Zukunft Berlin e.V. | terre des hommes Deutschland e.V.| Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V. | VIA Regionalverband Berlin/Brandenburg | Volkssolidarität Berlin e.V. | Willkommensbündnis für geflüchtete Menschen in Steglitz-Zehlendorf | XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V. | Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

      Kontakt: Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030 22476 311, buero@fluechtlingsrat-berlin.de

      Fußnoten:

      (1) Vgl. u.a. Interview in der taz vom 25.05.2023: https://taz.de/Umgang-mit-Roma-aus-Moldau/!5933465/
      (2) Vgl. Information des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, www.bmz.de/de/laender/moldau/soziale-situation-107218
      (3) Moldau, mit einer Gesamtbevölkerung von 2.3 Millionen Einwohner*innen hat ca. 107.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Eine mehrfache Zahl an Geflüchteten ist über Moldau nach Westeuropa geflohen, musste aber zunächst in Moldau versorgt werden, vgl. https://data.unhcr.org/en/situations/ukraine
      (4) Siehe u.a. Reportage „Moldau – Ein Land im Schatten des Krieges“,  05.04.2023 in der ARD-Mediathek, www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/moldau-ein-land-im-schatten-des-krieges-100.html
      (5) Vgl. „Als Roma-Sklaven wie Gegenstände verkauft wurden“, FAZ, 18.05.2023, www.faz.net/aktuell/politik/ausland/roma-sklaven-nachkommen-fordern-reparationen-von-der-kirche-18887391.html?GEPC=s3
      [6] Vgl. Kristina Holzapfel, „Diskriminiert und abgelehnt: Rom*nja aus Moldau“, Hrsg. PRO ASYL und Flüchtlingsrat Berlin 2022, www.proasyl.de/news/diskriminiert-und-abgelehnt-romnja-aus-moldau/, zur Situation in Serbien u.a. Minority rights Group Europe (Hrsg:): „Roma in the Republic of Serbia: The Challenges of Discrimination“, 2021: https://minorityrights.org/publications/roma-serbia/
      [7] Exemplarisch für die systematische Tötung von Sinti* und Roma* im nationalsozialistischen Europa ist das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu nennen, in welches gezielt Sinti* und Roma* deportiert, interniert und ermordet wurden.
      [8] BMI (Hrsg.): „Perspektivwechsel. Nachholende Gerechtigkeit. Partizipation.“ Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, 2021, S. 16, www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/07/kommission-antiziganismus.html

      Der offene Brief als PDF

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-949Tue, 06 Jun 2023 08:00:00 +0200Das Recht auf Schutz darf nicht abgeschafft werden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-recht-auf-schutz-darf-nicht-abgeschafft-werden-949Offener Brief von Rechtsanwält*innen und Jurist*innen, 26.5.23Das Recht auf Schutz darf nicht abgeschafft werden
      Dem rechten Diskurs mit einer Politik der Menschenrechte entgegentreten

      Offener Brief von Rechtsanwält*innen und Jurist*innen

      An
      die Mitglieder der Bundesregierung
      die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
      die Ministerpräsident*innen der Bundesländer

      Freitag, 26.05.2023

      Wir stehen in diesen Tagen vor den massivsten Verschärfungen des Flüchtlingsrechts seit Jahrzehnten. Es erfolgt ein Paradigmenwechsel. Die Bundesregierung will das Asylverfahren demontieren und zu einem Schnellverfahren an den Außengrenzen machen.  Mit der Fiktion der Nicht-Einreise wird ein Zustand der Rechtslosigkeit statuiert. Dies wird mit der Einrichtung von Internierungslagern einhergehen. Flankierend dazu sollen auf nationaler Ebene Ausreisezentren geschaffen, Abschiebehaft ausgeweitet, die Liste sicherer Herkunftsstaaten verlängert und die Möglichkeiten des polizeilichen Zutritts zu Unterkünften zur Durchführung von Abschiebungen ausgebaut werden.

      Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag in der Migrationspolitik einen „Paradigmenwechsel“ – in entgegengesetzter Richtung – angekündigt, „um Geflüchtete zu schützen“, und verabredet, sich für „bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren“ auf europäischer Ebene einzusetzen.

      Nun betreibt sie eine Politik der Abschottung, in der die Menschen und ihre Rechte keinen Platz in den veröffentlichten Beschlüssen und Statements haben. Die von der Bundesregierung forcierten Änderungen auf nationaler und europäischer Ebene sind nicht nur eine der weiteren x-beliebigen Verschärfungen des Asylrechts – sie stellen das Recht von Geflüchteten, sie stellen den Rechtsstaat als solchen in Frage.

      Diese Politik wird keiner Kommune helfen, die Wohnraum und Infrastruktur benötigt. Diese Politik wird keiner und keinem der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen vor Ort helfen, die sich derzeit vor Ort mit aller Kraft einsetzen, um Geflüchtete aus der Ukraine oder Afghanistan beim Ankommen zu unterstützen.

      Diese Politik wird die Entrechtung und das Leid an den europäischen Außengrenzen eskalieren. Sie macht die Ausgrenzung von Geflüchteten in Deutschland und deren Inhaftierung und Abschiebung zu ihrem Markenkern. Statt ernsthaft Fluchtursachen zu bekämpfen, werden die Schutzsuchenden zum Problem erklärt.  

      Statt an dieser Spirale mitzudrehen, muss dem rechten Diskurs eine Politik der Menschenrechte entgegensetzt werden. Anstatt das Asylrecht faktisch abzuschaffen, müssen der Zugang zum Recht und ein effektives Flüchtlingsrecht gewährleistet werden.

      Konkret fordern wir:

      Das aus den Lehren des Nationalsozialismus geborene Flüchtlingsrecht ist kein hehrer Grundsatz. Es geht um ein fundamentales Menschenrecht, das mit einem effektiven Verfahren flankiert werden muss. Schutzansprüche und Verfahrensrechte haben verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rang. Wir fordern die Bundesregierung und die verantwortlichen Politiker*innen auf, sich auf Verfassung und Menschenrechte zu besinnen, anstatt in einer aufgeladenen Debatte tragende Grundpfeiler des Rechtsstaates über Bord zu werfen. 

      Ansprechpartner*innen:

      Rechtsanwältin Berenice Böhlo, boehlo [at] aufenthaltundsoziales.de
      Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert, lehnert [at] aufenthaltsrecht.net

      Der Offene Brief als PDF

      Unterzeichner*innen des offenen Briefes

      1) Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, Berlin
      2) Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, Leipzig/Berlin
      3) Ünal Zeran, Rechtsanwalt, Hamburg
      4) Kim Marie Horstmann, Rechtsanwältin, Bonn
      5) Lena Ronte, Rechtsanwältin, Frankfurt 
      6) Matija Vorih, Rechtsanwalt, Berlin 
      7) Mahsheed Momen, Rechtsanwältin, Wiesbaden
      8) Dominique Köstens, Rechtsanwältin, Bremen
      9) Yunus Ziyal, Rechtsanwalt, Nürnberg
      10) Carsten Ilius, Rechtsanwalt, Berlin
      11) Alexander Gorski, Rechtsanwalt, Berlin
      12) Felix Briesenick, Rechtsanwalt, Nürnberg
      13) Sebastian Röder, Rechtsanwalt, Singen
      14) Inigo Valdenebro, Rechtsanwalt, Berlin
      15) Gisela Seidler, Rechtsanwältin, München  
      16 ) Suraia Sabah-Turkmany, Rechtsanwältin, Hamburg
      17) Petra Isabel Schlagenhauf, Rechtsanwältin, Berlin
      18) Fiona Macdonald, Rechtsanwältin, Berlin
      19) Hannah Fleck, Rechtsanwältin, Bad Bentheim
      20) Friedrich Sauerbier, Rechtsanwalt, Berlin
      21) Julian Stöckl, Rechtsanwalt, München
      22) Thorsten Müller, Rechtsanwalt, Bremen
      23) Peter Holzschuher, Rechtsanwalt, Nürnberg
      24) Antonella Giamattei, Rechtsanwältin, München
      25) Jean-Claude Schöninger, Rechtsanwält, Lahr
      26) Volker Gerloff, Rechtsanwalt, Berlin
      27) Iris Ludwig, Rechtsanwältin, München
      28) Gabriele Heinecke, Rechtsanwältin, Hamburg
      29) Christina Clemm, Rechtsanwältin, Berlin
      30) Inken Stern, Rechtsanwältin, Berlin
      31) Michael Brenner, Rechtsanwalt, Nürnberg
      32) Waltraut Verleih, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      33) Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, Berlin
      34) Michaela Staufer, Rechtsanwältin, Landau
      35) Julia Röhrbein, Rechtsanwältin, Leipzig
      36) Robin Michalke, Rechtsanwalt, Leipzig
      37) Kamiar Ehsani, Rechtsanwalt, Kirchheim/Teck
      38) Thomas Voges, Rechtsanwalt, Leipzig
      39) Gerhard Howe, Rechtsanwalt, Berlin
      40) Thomas Stöckl, Rechtsanwalt, Leipzig
      41 ) Renate Ebrahaim, Rechtsanwältin, Berlin
      42) Katharina Fröbel, Rechtsanwältin , Berlin
      43) Thomas Moritz, Rechtsanwalt, Berlin
      44) Daniel Schmidt-Blümel, Rechtsanwalt , München 
      45) Annette Jansen, Rechtsanwältin, Berlin
      46) Raik Höfler, Rechtsanwalt, Leipzig
      47) Berenike Klapper, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      48) Shirin Fragner, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      49) Dr. Marco Bruns, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      50) Federico Traine, Rechtsanwalt Berlin
      51) Marina Link, Rechtsanwältin, Berlin
      52) Julius Engel, Rechtsanwalt, Berlin
      53) Linh Steffen, Rechtsanwältin, Berlin
      54) Lena Stehle, Rechtsanwältin Berlin
      55) Simon Hagemann, Rechtsanwalt, Göttingen
      56) Joachim Schürkens, Rechtsanwalt, Schweinfurt 
      57) David Hölscher, Rechtsanwalt, Berlin
      58) Christina Isbrandt, Rechtsanwältin, Bielefeld
      59) Dr. Jonathan Leuschner, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      60) Florian Weitkamp, ​​Rechtsanwalt, Berlin
      61) Lorenz Haase, Rechtsanwalt, München
      62) Miriam Frieding, Rechtsanwältin, Berlin
      63) Ronska Grimm, Rechtsanwälte , Berlin 
      64) Isabel Antz, Rechtsanwältin, Chemnitz
      65) Gilda Schönberg, Rechtsanwältin, Berlin   
      66) Yaşar Ohle, Rechtsanwalt, Berlin
      67) Andreas Eibelshäuser, Rechtsreferendar, Berlin
      68) Ursula Groos, Rechtsanwältin, Berlin
      69) Lea Voigt, Rechtsanwältin, Bremen
      70) Yasemin Kostik, Rechtsanwältin, Hamburg
      71) Dr. Saber Meglalu, Rechtsanwalt, Bremen
      72) Ralph Monneck, Rechtsanwalt, Berlin
      73) Carolin Helmecke, Rechtsanwältin, Dresden
      74) Jeanette Höpping, Rechtsanwältin , Berlin
      75) Dr. Annabelle Voßberg, Rechtsanwältin , Frankfurt am Main
      76 ) Regina Götz, Rechtsanwältin Berlin
      77) Junis Mustafa, Rechtsanwalt, Osnabrück
      78) Bernd Vetter, Rechtsanwalt, Hamburg 
      79) Undine Weyers, Rechtsanwältin , Berlin 
      80) Katrin Brockmann, Rechtsanwältin, Berlin
      81) Henning Meier, Rechtsanwalt, Köln
      82) Christian Mucha, Rechtsanwalt, Leipzig
      83) Joachim Schaller, Rechtsanwalt, Hamburg
      84) Heiko Habbe, Rechtsanwalt, Hamburg
      85) Stephanie Otrakci, Rechtsanwältin, Hannover
      86) Katrin Hildebrandt, Rechts7anwältin, Rostock
      87) Katja Herrlich, Rechtsanwältin, Frankfurt (Oder)
      88) Julia Schulze Buxloh, Rechtsanwältin, Köln
      89) Dagmar Schnürer, Rechtsanwältin, Berlin
      90) Marc Meyer, Rechtsanwalt, Hamburg
      91) Kathrin Kuhn, Rechtsanwältin, München
      92) Dr. Mark Swatek, Rechtsanwalt , Berlin
      93) Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
      94) Antonia Plettenberg, Rechtsanwältin (Syndicusrechtsanwältin), Münster
      95) Viktor Riad, Rechtsanwalt, Berlin
      96) Anne Nitschke, Rechtsanwältin, Dresden
      97) Wolfgang Berendsohn, Rechtsanwalt, Hamburg
      98) Oliver Wolf, Rechtsanwalt, Berlin
      99) Ulrike Köllner, Rechtsanwältin, München
      100) Anna Magdalena Busl, Rechtsanwältin, Bonn 
      101) Dr. Dr. Maximilian Pichl, Universität Kassel 
      102) Florian van Bracht, Rechtsanwalt, München
      103) Dr. Hanswerner Odendahl, Rechtsanwalt, Köln
      104) Maria Kalin, Rechtsanwältin, Ulm 
      105) Simone Rapp. Rechtsanwältin, Berlin
      106) Johannes Palm, Rechtsanwalt, Dortmund
      107) Harald Klinke, Rechtsanwalt, Bonn
      108) Stephanie Jörs, Rechtsanwältin, Lübeck
      109) Markus Morische, Rechtsanwalt, Cuxhaven
      110) Sophie Dittmeyer, Rechtsanwältin, Köln 
      111) Diana Blum, Rechtsanwältin, Berlin
      112) Teresa Amigo, Rechtsanwältin, Berlin
      113) Friedhelm Koch, Rechtsanwalt, Potsdam
      114) Dersim Coskun, Rechtsanwalt, Köln
      115) Jele Coskun, Rechtsanwalt, Köln
      116) Baki Coskun, Rechtsanwalt, Düsseldorf
      117) Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin, Berlin
      118) Nadine Arndt, Rechtsanwältin, Berlin
      119) Dr. Sven-U. Burkhardt, Rechtsanwalt, Dortmund 
      120) Christoph Tometten, LL.M. (Köln/Paris 1), Rechtsanwalt, Berlin
      121) Patricia Stelzer, Rechtsanwältin, Düsseldorf
      122) Anja Lederer,  Rechtsanwältin, Berlin
      123) Barbara Wessel, Rechtsanwältin, Berlin
      124) Cana Mungan, Rechtsanwältin, Berlin
      125) Antonio Leonhardt, Rechtsanwalt, Berlin
      126) Susanne Müller, Rechtsanwältin, Tellingstedt
      127) Felix Dengler, Rechtsassessor, Köln
      128) Jan Sürig, Rechtsanwalt, Bremen
      129) Ahmed Abed, Rechtsanwalt, Berlin
      130) Andreas Groß, Rechtsanwalt, Wiesbaden
      131) Ilka Quirling, Rechtsanwält:in, Hamburg 
      132) Victor Pfaff, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      133) Dr. Jan Benjamin Daniels, Rechtsanwalt, Bonn
      134) Jürgen Westerath, Rechtsanwalt, Mönchengladbach
      135) Annette Fölster, Rechtsanwältin, Berlin
      136) Florian Robbert, Rechtsanwalt, Berlin
      137) Ianka Pigors, Rechtsanwältin Hamburg
      138) Stephan Urbach, Rechtsanwalt, Essen 
      139) Regine Schönleber, Rechtsanwältin, Berlin
      140) Yasemin Akgün-Tasci, Hamburg
      141) Soraya Sharifi-Aghaei, Rechtsanwältin, Hamburg
      142) Thomas Korn, Rechtsanwalt, Berlin
      143) Nicolai Schneider, Rechtsanwalt, Hamburg
      144) Anke Thiesing-Rieck, Rechtsanwältin, Hamburg
      145) Ozan Atas, Rechtsanwalt, Mönchengladbach 
      146) Fabian Rust, Rechtsanwalt, Bremen
      147) Andreas Günzler, Rechtsanwalt, Berlin
      148) Helmut Bäcker, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      149) Michael Werner, Rechtsanwalt, Erlangen
      150) Franziska Andrae, Rechtsanwältin, Lübeck 
      151) Katrin Niedenthal, Rechtsanwältin, Bielefeld
      152) Marten Kaspar, Rechtsanwalt, Berlin
      153) Henrik Solf, Rechtsanwalt, Berlin
      154) Nora Ebeling, Rechtsanwältin, Berlin
      155) Iñigo Schmitt-Reinholtz, Rechtsanwalt, Nürnberg
      156) Peter Knitsch, Rechtsanwalt, Staatssekretär a.D., Erkrath
      157) Franziska Andrae,  Rechtsanwältin, Lübeck
      158) Eberhard Kunz, Rechtsanwalt, Wiesbaden
      159) Stephan Kuhn, Rechtsanwalt Frankfurt
      160) Lukas Sunnus, Rechtsanwalt, Berlin
      161) Claudia Reichel, Rechtsanwältin, Nürnberg
      162) Jenny Fleischer, Rechtsanwältin, Berlin
      163) Claire Deery, Rechtsanwältin, Göttingen
      164) Peter Fahlbusch, Rechtsanwalt, Hannover
      165) Ulrich Wittmann, Rechtsanwalt, Hamburg
      166) Axel Selbert, Rechtsanwalt, Kassel
      167) Bilal Alkatout, Rechtsanwalt, Berlin
      168) Christian Woldmann, Rechtsanwalt, Hamburg
      169) Catrin Hirte-Piel, Rechtsanwältin, Bielefeld
      170) Christoph Köhler, Rechtsanwalt, Leipzig
      171) Katrin Inga Kirstein, Rechtsanwältin, Hamburg
      172) Marie Krannich, Rechtsanwältin, Göttingen
      173) Markus Prottung, Rechtsanwalt, Hamburg
      174) Paulo Dias, Rechtsanwalt, Hannover
      175) Magdalena Gajczyk, Rechtsanwältin, Minden
      176) Dr. Sabine Mock, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      177) Jan Kurtz, Rechtsanwalt, Kiel
      178) Katharina Gruber, Rechtsanwältin, Hamburg
      179) Conrad Zimmer, Rechtsanwalt, Berlin
      180) Ralf Fischer, Rechtsanwalt, Berlin
      181) Wiebke Judith, Juristin und rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL
      182) Michael Heinz, Rechtsanwalt, Hamburg
      183) Mark Nerlinger, Rechtsanwalt, Hamburg
      184) Giannina Mangold, Rechtsanwältin, Nürnberg
      185) Klaus Piening, Rechtsanwalt a.D., Hamburg
      186) Zahra Oubensalh, Rechtsanwältin, Hannover 
      187) Dr. Robert Brockhaus, Rechtsanwalt, Berlin
      188) Jens Dieckmann, Rechtsanwalt, Bonn
      189) Sophie Baumann, Rechtsanwältin, Berlin
      190) Nasrin Karimi, Rechtsanwältin, Berlin
      191) Finn Pietruschka, Rechtsanwalt Berlin 
      192) Dr. Jannik Rienhoff, Rechtsanwalt, Marburg
      193) Werner Kannenberg, Jurist/Beamter, Berlin
      194) Christian Mertens, Rechtsanwalt, Köln
      195) Rolf Stahmann, Rechtsanwalt, Berlin
      196) Malte Engeler, Richter am Verwaltungsgericht und Mitglied der Neuen Richtervereinigung e.V. , Berlin
      197) Adrian Furtwängler, Rechtsanwalt, Berlin
      198) Elisa Costadura, Juristin bei IRAP, Berlin
      199) Philipp Stagnier, Rechtsanwalt, Köln
      200) Stephan Schneider, Rechtsanwalt, Berlin
      201) Ulrich Schönweiß. Rechtsanwalt, Nürnberg 
      202) Albert Lohmann, VorsRi am VG iR, Mitglied der Neuen Richtervereinigung, Bochum 
      203) Silke Born-Gotta, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      204) Astrid Meyerhöfer, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
      205) Joona Nissinen, Rechtsanwalt, Hamburg
      206) Werner Seufert, Rechtsanwalt, Karlsruhe 
      207) Katrin Kohoutek, Richterin und Mitglied der Neuen Richtervereinigung e.V., Hamburg
      208) Björn Stehn, Rechtsanwalt, Hamburg
      209) Udo Sürer, Rechtsanwalt, Lindau (Bodensee)
      210) Wilfried Hamm, Richter a.D. und Mitglied der Neuen Richtervereinigung
      211) Matthias Wisbar, Rechtsanwalt, Hamburg
      212) Katrin Angelos, Rechtsanwältin, Berlin 
      213) Luisa Hammer, Rechtsassesorin/Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Frankfurt am Main
      214) Michaela Ecker, Richterin a.D. und Mitglied der Neuen Richtervereinigung  e.V., Freiamt 
      215) Konrad Kramer, Verwaltungsrichter a.D. und Mitglied der Neuen Richtervereinigung
      216) Dr. Christian Schliemann Radbruch (ECCHR), Berlin
      217) Bijan Moini, Rechtsanwalt, Berlin
      218) Doreen Lindner, Ass.jur., VDJ Bundesvorstand
      219) Matthias Nübold, Rechtsanwalt, Berlin
      220) Jonas Deyda, Jurist und Doktorand, Leipzig
      221) Gwendolin Buddeberg, Rechtsanwältin, München 
      222) Anne Kling, Juristin, Berlin
      223) Dr. Christiane Rädel, Rechtsanwältin, Berlin
      224) Klemens Tönges, Rechtsanwalt, Oldenburg
      225) Thomas Oberhäuser, Rechtsanwalt, Ulm
      226) Marianne Krause, Richterin, Mitglied der Neuen Richtervereinigung 
      227) Ulrich Karpenstein, Rechtsanwalt, Berlin
      228) Ulrich Kraft, Rechtsanwalt, Berlin
      229) Sonja Benning, Rechtsanwältin, Berlin
      230) Marcel Keienborg, Rechtsanwalt, Düsseldorf
      231) Sophia Eckert, Juristin und Referentin für Flucht und Migration bei terre des hommes
      232) Benjamin Hersch, Rechtsanwalt, Berlin
      233) Michael Mai, Rechtsanwalt, Berlin
      234) Carola Handwerg, Rechtsanwältin, Berlin
      235) Simone Böhne, Rechtsanwältin, Greifswald
      236) Jana Siebeck, Rechtsanwältin, Berlin
      237) Saskia Piotrowski, Rechtsanwältin, Köln
      238) Michael Hiemann, Rechtsanwalt, Arnstadt
      239) Karen Chautard, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      240) Karolin Klempin, Rechtsanwältin, Lübeck
      241) Dieter Kierzynowski, Rechtsanwalt, Berlin
      242) Canan Bayram, Rechtsanwältin, Berlin 
      243) Mirco Beth, Rechtsanwalt, Hamburg
      244) Frauke Helmich, Rechtsanwältin, Westerkappeln
      245) Behnaz H. Ronasi, Rechtsanwältin, Berlin
      246) Lara Gaber, Rechtsanwältin, Köln
      247) Shehbaz Khan, Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
      248) Sarah Schwegler, Rechtsanwältin, Reutlingen 
      249) Csilla Ivanyi, Rechtsanwältin, Berlin
      250) Harald Genz-Kuna, Rechtsanwalt, Berlin
      251) Steven-Marc Jefferys, Rechtsanwalt, Berlin
      252) Gabriel Goritzka, Rechtsanwalt, Bremen
      253) Berndt Hintzelmann, Rechtsanwalt, Berlin
      254) Pauline Heim, Rechtsanwältin, Berlin
      255) Britta Lüers, Rechtsanwältin, Berlin
      256) Katharina Kraft, Berlin
      257) Susanne Schröder, Rechtsanwältin, Hannnover
      258) Oskar Hahn, Rechtsanwalt, Villingen-Schwenningen
      259) Esther Kleideiter, Rechtsanwältin, Berlin
      260) Christian Borschberg, Rechtsanwalt, Heidelberg
      261) Birgit Landgraf, Rechtsanwältin, Bochum
      262) Eike Richter, Rechtsanwalt, Berlin
      263) David Werdermann, Rechtsanwalt, Berlin
      264) Insa Graefe, Rechtsanwältin, Hamburg
      265) Hanna Henning Rechtsanwältin aus Hungen
      266) Rita Belter, Rechtsanwältin, Leipzig
      267) Alexander Paetow, Rechtsanwalt, Berlin
      268) Agnes Krol, Rechtsanwältin, Frankfurt
      269) Roman Fränkel, Rechtsanwalt, Frankfurt 
      270) Anya Lean, Juristin, Berlin
      271) Julius Becker, Rechtsanwalt, Berlin
      272) Jutta Bärthel, Rechtsanwältin, Hamburg
      273) Milan Martín, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      274) David Simon Nelle, Abiturient, Berlin 
      275) Christoph Unrath, Rechtsanwalt, München*
      276) Clara Bünger, Volljuristin, Berlin
      277) Oda Jentsch, Rechtsanwältin, Berlin
      278) Caroline von Wedel-Parlow, Rechtsanwältin Berlin
      279) Irene Lehmann, Rechtsanwältin, Frankfurt
      280) Maik Elster, Rechtsanwalt, Jena
      281) Jan Plischke, Rechtsanwalt, Linden
      282) Manfred Weidmann, Rechtsanwalt, Tübingen
      283) Anna Larissa Faust, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      284) Sven Adam, Rechtsanwalt, Göttingen
      285) Christina Koch, Rechtsanwältin, Berlin
      286) Sebastian Pukrop, Rechtsanwalt, Berlin
      287) Abdul R. Issa, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      288) Arne Semsrott, Projektleiter FragDenStaat, Berlin
      289) Cornelia Theel, Rechtsanwältin, Hamburg
      290) Dr. Andreas Engelmann, Rechtsanwalt und Bundessekretär der VDJ, Frankfurt
      291) Ingrid Meinecke, VRinVG und Mitglied der NRV e.V., Potsdam
      292) Imeke de Weldige, Rechtsanwältin Berlin
      293) Nazifa Wardak, Rechtsanwältin, Hamburg
      294) Ursula Wens, Rechtsanwältin Hamburg
      295) Vivian Kube, Rechtsanwältin, Berlin 
      296) Dr. Frank Bleckmann, VRiLG, Neue Richtervereinigung
      297) Markus Zöbelein, Rechtsanwalt, Wiesmoor
      298) Ulrich Engelfried, Dozent u. Autor, Mitglied der NRV Hamburg
      299) Heribert Golumbeck, Rechtsanwalt, Dortmund
      300) Manfred Alex, Rechtsanwalt, Hamburg
      301) Saadet Dindar, Rechtsanwältin, Bonn
      302) Katrin Lehmann, Vors.Ri HessVGH a.D., Mitglied NRV Hessen
      303) Roland Meister, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
      304) Yener Sözen, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
      305) Seyhan Gökkaya, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
      306) Stefan Wiesinger, Rechtsanwalt, München 
      307) Ferdinand Georgen, Richter am VG aD, Wiesbaden
      308) Aisha Irshad, Rechtsanwältin Hamburg 
      309) Marcus Lippe, Rechtsanwalt, Berlin
      310) Alexander Wilhelm, Rechtsanwalt, Augsburg
      311) Andrea Würdinger, Juristin, Referentin für Asyl-und Migrationsrecht
      312) Christopher Liebig, Rechtsanwalt, Bochum
      313) Till Kopplow, Rechtanwalt, Wiesbaden
      314) Angela Zaschka, MA Soz.manag. Asylzentrum Tübingen e.V.
      315) Eman Abou-Daher, Flüchtlingsberatung Asylzentrum Tübingen e.V.
      316) Anna Krug, Rechtsanwältin, Kassel
      317) Rudolf Jakobi-Jeutter, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      318) Günter Jung, Richter a.D. und Flüchtlingsberatung Reutlingen
      319 Frank Stierlin, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
      320) Christine Hoffmann, Rechtsanwältin, Bamberg
      321) Laura Klaffus, Rechtsanwältin, Rostock
      322) Dana Pietsch, Sozialberaterin, Ethnologin Asylzentrum Tübingen e.V.
      323) Alexander Dauch, Rechtsanwalt, Grünstadt
      324) Samuel Kupffer, Rechtsanwalt, Heidelberg
      325) Ulrike Horstmann, Rechtsanwältin, Hamburg
      326) Hagen Richter, Rechtsanwalt, Berlin
      327) Luci Crone, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      328) Farhad Bahlol, Rechtsanwalt, Bremen
      329) Franz Auer, Rechtsanwalt, Deuerling
      330) Hans Kölfen, Rechtsanwalt, Berlin
      331) Anna Münzner, Rechtsanwältin, Berlin
      332) Dr. Franz Bethäuser, Rechtsanwalt, München 
      333) Julian Hölzel, Rechtsanwalt, Berlin
      334) Teresa Quadt, Juristin/Doktorandin, Berlin
      335) Fritz Maier, Rechtsanwalt, München
      336) Marcel Kasprzyk, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      337) Canem Stocker-Latour, Rechtsanwältin, Frankfurt 
      338) Michael Oberwinder, Rechtsanwalt, Frankfurt 
      339) Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin, Dresden
      340) Theda Giencke, Rechtsanwältin, Berlin
      341) Josephine Koberling, Rechtsanwältin, Berlin
      342) Julia Bailey, Rechtsanwältin, Erlangen
      343) Doris Appel-Hamm, Richterin a.D., Bonn, Neue Richtervereinigung
      344) Ulrich v. Klinggräff, Rechtsanwalt,  Berlin
      345) Eberhard Reinecke, Rechtsanwalt, Köln
      346) Barbara Wilsing, Rechtsanwältin, Gießen
      347) Philipp Schönberger, Jurist, Berlin
      348) Daniel Marquard,  Rechtsanwalt, Hamburg
      349) Ko Watari, Rechtsanwältin, Hamburg
      350) Thomas  Frede, Rechtsanwalt,  Leverkusen 
      351) Matthias Schister, Rechtsanwalt, Berlin
      352) Hubert Heinhold,Rechtsanwalt,München
      353) Christof Momberger, Rechtsanwalt, Friedberg
      354) Ludwig Müller-Volck, Rechtsanwalt, Frankfurt
      355) Karl Krützmann Verwaltungsrichter i. R. Köln 
      356) Dr. Ralf Ritter, Rechtsanwalt, Hamburg
      357) Simon Welzel, Rechtsanwalt, Bremen
      358) Prof. (Yeditepe Univ. Istanbul) Dr. Rolf Gutmann, Rechtsanwalt, Schorndorf
      359) Anna Frölich, Rechtsanwältin, München
      360) Hubert Heinhold, Rechtsanwalt, München
      361) Mathes Breuer, Rechtsanwalt München
      362) Thomas Hessel, Rechtsanwalt, München
      363) Dirk Asche, Rechtsanwalt, München
      364) Annemarie Gaugel, Rechtsanwältin, München
      365) Hartmut Wächtler, Rechtsanwalt, München
      366) Lorenz Haase, Rechtsanwalt, München
      367) Sherly Huth, Rechtsanwältin, München
      368) Katharina Camerer, Rechtsanwältin, München
      369) Robert Pfeiffer, Rechtsassessor, München
      370) Lorenz Funk, Rechtsanwalt, Berlin
      371) Sandra Göke, Rechtsanwältin, Crailsheim
      372) Arne Dahm, Rechtsanwalt, Hamburg
      373) Arzu Kazak, Rechtsanwältin, Heidelberg
      374) Enno Jäger, Rechtsanwalt, Hamburg
      375) Thomas Jung, Rechtsbeistand, Stuttgart
      376) Gudrun Weckmann-Lautsch, Rechtsanwältin, Esslingen a.N.
      377) Bettina Feix , Rechtsanwältin, Bad Wörishofen
      378) Jens Neubert, Neue Richtervereinigung e.V., Hamburg
      379) Tobias Krenzel, Rechtsanwalt, Berlin
      380) Ernst Dietzfelbinger,  Rechtsanwalt, Calw
      381) Ursula Damson-Asadollah, Rechtsanwältin, Stuttgart
      382) Fiona Wiera, Rechtsanwältin, Remscheid
      383) Irene Kohlmann, Rechtsanwältin, Berlin
      384) Elvin Jabrayil, LL.M. Eur., Rechtsanwalt, Blankenheim
      385) Julia Kraft, Rechtsanwältin, Berlin
      386) Sabine Ziesemer, Juristin, Schwerin
      387) Prof. Dr. Christine Graebsch, Hochschullehrerin, Dortmund
      388) Katrin Reichel, Rechtsanwältin, Rostock
      389) Luisa Roßnagel, Richterin AG, NRV
      390) Sarah Johnecke, Rechtsanwältin, Köln
      391) Dr. Dominique Schimmel, Referentin BTV, Berlin 
      392) Cornelia Ganten-Lange, Rechtsanwältin, Hamburg
      393) Erna Hepp, Rechtsanwältin in Hamburg
      394) Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt, Bremen
      395) Luxcy Alex Lambert, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      396) Petra Siegers, Rechtsanwältin, Wiesloch
      397) Harald Schandl, Rechtsanwalt,  Freiburg
      398) Jasmina Trogrlic, Rechtsanwältin, Aachen 
      399) Natascha Raquet, Rechtsanwältin, Stuttgart
      400) Volker Schmidt, Rechtsanwalt, Stuttgart
      401) Ingvild Geyer-Stadie, Rechtsanwältin, München
      402) Herbert Bolk, Richter i.R., Bad Schwartau
      403) Gerd Nies, ehem. Rechtsanwalt, Gewerkschafter i.R., München
      404) Florian Haas, Rechtsanwalt, Starnberg
      405) Rüdiger Jung, Rechtsanwalt a.D., Berlin 
      406) Tanja Keller, Ri'in am ArbG, Regensburg
      407) Felix Beise, Rechtsanwalt, München
      408) Ulrike Birzer, Rechtsanwältin, Berlin
      409) Joachim Genge, Rechtsanwalt, Berlin
      410) Heike Geisweid , Rechtsanwältin, Bochum
      411) Constanze Zander-Böhm, Rechtsanwältin, Hamburg
      412) Holger Rothbauer
      413) Lena Babic, Rechtsanwältin, Mannheim
      414) Stefan Gräbner, Rechtsanwalt, Berlin
      415) Marie Ellersiek, Rechtsanwältin, Berlin
      416) Jesús Valdés Reyes, Rechtsanwalt, Offenburg
      417) Raphael Thomas, Rechtsanwalt, Berlin
      418) Angela Furmaniak, Rechtsanwältin, Lörrach 
      419) Reiner Hartdorf, Rechtsanwalt, Warendorf
      420) Fenna Busmann, Rechtsanwältin, Hamburg
      421) Lena Koch, Rechtsanwältin, Hamburg
      422) Petra Ladenburger, Rechtsanwältin, Köln
      423) Alexandra Braun, Rechtsanwältin, Marburg 
      424) Verina Speckin, Rechtsanwältin. Rostock
      425) Sabine Tittus, Rechtsanwältin, Nürnberg
      426) Nakibe Ademi, Rechtsanwältin, Hamburg 
      427) Elias Hanna, Rechtsanwalt, Bremen
      428) Ronja Ullrich, Rechtsanwältin, Bad Oldesloe 
      429) Dirk Weise, Rechtsanwalt,  Weil der Stadt
      430) Anette Schmidt, Rechtsanwältin, Hamburg
      431) Christine Siegrot, Rechtsanwältin, Hamburg 
      432) Christian Reischl, Rechtsanwalt, Köln
      433) marianne kunisch rechtsanwältin münchen
      434) Patrick Wischmann, Rechtsanwalt, Hannover
      435) Alexander Hoffmann. Rechtsanwalt, Kiel/Leipzig 
      436) Tim King, Rechtsanwalt, München 
      437) Dr. Wolf Molkentin, Rechtsanwalt, Kiel
      438) Hannah Rainer, Rechtsreferendarin, Berlin
      439) Dr. Jonathan Burmeister, Rechtsanwalt, Berlin
      440) Felicitas Selig, Rechtsanwältin
      441) Gesa Israel, Rechtsanwältin, Dresden
      442) Reinhard Bauer, Rechtsanwalt (bis 2015) Köln
      443) Reinhold Niemerg, Rechtsanwalt, Berlin 
      444) Michal Armbruster, Rechtsanwältin, Freiburg
      445) Carsten Oestmann, Rechtsanwalt, Ludwigsburg
      446) Friedrich Schikora, Rechtsanwalt, München 
      447) Johannes Santen, Rechtsanwalt, Hamburg
      448) Handan Ceylan, Rechtsanwältin, Berlin 
      449) Mark Feilitzsch, Rechtsanwalt, Dresden
      450) Felicitas Kohler, Rechtsanwältin, Dachau
      451) Antonia von der Behrens, Rechtsanwältin, Berlin 
      452) Marta Spichal, Rechtsanwältin, Berlin
      453) Berthold Fresenius, Rechtsanwalt, Frankfurt
      454) Dr. Bian Sukrow, Leitung der Law Clinic an der Bucerius Law School, Hamburg
      455) Michael Koch, Rechtsanwalt, Würzburg
      456) Christiane Koch, Rechtsanwältin, Würzburg 
      466) Johannes Hentschel, Rechtsanwalt, Göttingen
      467) Prof. Dr. Dorothee Frings, iR, Köln
      468) Anna Liora Boyn, Rechtsanwältin, Hamburg 
      469) Lino Miguel Peters, Rechtsanwalt, Hamburg
      470) Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa, Rechtsanwältin
      471) Prof. Dr. Frederik v. Harbou, Hochschullehrer, Ernst-Abbe-Hochschule Jena
      472) Volker Fritze, Rechtsanwalt, Bonn
      473) Stephen Helmes, Rechtsanwalt, Waldshut-Tiengen
      474) Sebastian Baunack, Rechtsanwalt, Berlin
      475) Ulrich Stege, Rechtsanwalt und Dozent, Turin (Italien)
      476) Rhea Nachtigall, Doktorandin, Justus-Liebig-Universität Gießen 
      477) Prof. Dr. Nora Markard, Professorin, Universität Münster
      478) René Bahns, Rechtsanwalt , Frankfurt
      479) Christian Möhlenbeck, Radebeul
      480) Sarah Lincoln, Rechtsanwältin, Berlin
      481) Pia Storf, Doktorandin/ wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Münster 
      482) Dr. Simon Herker, Rechtsreferendar, Berlin
      483) Michael Hummel, Rechtsanwalt, Baden-Baden
      484) Helga Rauh, Rechtsanwältin, Nürnberg
      485) Susanne Giesler, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
      486) Dr. Helene Heuser, Juristin, Hamburg
      487) Claudia Lind, Rechtsanwältin, Berlin
      488) Ernst Okolisan, Rechtsanwalt, Nürtingen
      489) Gülcin Güven, Rechtsanwältin, Berlin
      490) Heinrich Comes, Rechtsanwalt, Köln
      491) Juliane Linke, Rechtsanwältin, Berlin
      492) Charlotte Posch, Juristin, Berlin
      493) Philip Rusche, Jurist, Berlin
      494) Dr. Barbara Weiser, Juristin, Osnabrück 
      495) Dr. Bertold Huber, Vors. Richter am VG aD, Frankfurt aM
      496) Carolin Kaufmann, Rechtsanwältin, Berlin
      497) Malte C. Greisner, Rechtsanwalt, Berlin
      498) Björn Cziersky-Reis, Rechtsanwalt, Berlin
      499) Isabel Kienzle, Doktorandin, FAU Erlangen-Nürnberg
      500) Ralf Dittmar, Rechtsanwalt, Gießen
      501) Kerstin Becker, Juristin & Referentin für Flüchtlingspolitik, Berlin
      503) Heinz-Peter Nobert, Rechtsanwalt, Saarlouis
      504) Monika Maria Sommer, Rechtsanwältin, Berlin
      505) Lothar Hinz,  Rechtsanwalt, Hagen
      506) Susanne Bücken. Sozialwissenschaftlerin & Dozentin, Aachen
      507) Münevver Toktas, Rechtsanwältin, Köln 
      508) Florian Reicke, Rechtsanwalt, Berlin
      509) Maria Mammeri-Latzel, RiAG Berlin
      510) Prof. Dr. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt, Bremen
      511) Dr. Jahn-Rüdiger Albert, Rechtsanwalt, Fürth
      512) Johanna Mantel, Juristin & Lehrbeauftragte, Berlin
      513) Astrid Boxberg, Rechtsanwältin, Bonn
      514) Jan Bütepage, Rechtsanwalt, Bremen
      515) Tobias Hassler, Rechtsanwalt, Nürnberg
      516) Hubert Weber, Rechtsanwalt, München
      517) Bernhard Baumann-Czichon, Rechtsanwalt, Bremen 
      518) Elisabeth Faltinat, Juristin, Berlin
      519) Dr. Eckart Wähner, Rechtsanwalt, Berlin
      520) Cornelius Lüpke, Rechtsanwalt, Berlin
      521) Kristina Ratz, Rechtsanwältin, Frankfurt 
      522) Michaela Streibelt, Rechtsanwältin, Berlin
      523) Tim Engels, Rechtsanwalt, Düsseldorf
      524) Livia Giuliani, Juristin, Berlin 
      525) Bernhild Schömel, Rechtsanwältin, Kassel
      526) Jonathan Kießling, Doktorand, FAU Erlangen-Nürnberg
      527) Isaf Gün. Gewerkschaftssekretärin, IG Metall, Frankfurt 
      528) Servan Adsiz, Rechtsanwältin Köln/ Syndikusanwältin IGM Frankfurt
      529) Eva Reichert, Rechtsanwältin, Köln
      530) Marlene Stiller, Doktorandin, Universität Münster
      531) Marco Noli, Rechtsanwalt, München
      532) Linda Lübcke, Volljuristin, Berlin
      533) Ulrike Zecher, Rechtsanwältin, Berlin
      534) Jonas Teubner, Rechtsanwalt, Leipzig
      535) Jana Runge, Rechtsanwältin, Hamburg
      536) Katharina Söker, Rechtsschutzsekretärin, Berlin
      537) Leonie Därr, Rechtsanwältin, Berlin
      538) Nils Dietrich, Rechtsanwalt, Bremen
      539) Wiebke Poschmann, Rechtsanwältin, Berlin
      540) Vincent Walter, Referendar Magdeburg
      541) Anna Gilsbach, Rechtsanwältin, Berlin
      542) Christine Engels, Rechtsanwältin, Berlin
      543)Antje Becker, Volljuristin, Offenbach
      544) Rainer Willhoeft, Rechtsanwalt, Hamburg
      545) Markus Niedworok, Rechtsanwalt, Tübingen
      546) Shinta Zafiraki Sanyoto, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      547) Inga Matthes, Volljuristin, Berlin
      548) Yeter Kaplan , Rechtsanwältin, Köln 
      549) Stefan Dornow, Rechtsanwalt, Tutzing
      550) Moritz Assall, Justiziar, Hamburg 
      551) Joachim Schröder, Rechtsanwalt i.R.
      552) Dr. Franziska Meyer, Rechtsanwältin, Bremen
      553) Alexandra Pfeiffer, Rechtsanwältin, Berlin
      554) Lale Emiroglu, Rechtsanwältin, Münster
      555) Guido Steinke, Rechtsanwalt, Hamburg
      556) Zaineb Tahmaz, Rechtsanwältin, Berlin
      557) Petra Dervishaj, Rechtsanwältin, Hamburg
      558) Jakob Junghans, LL.M.oec, Jurist und Doktorand, Universität Halle
      559) Thomas Wings, Rechtsanwalt, Gelsenkirchen
      560) Barbara Brandbeck, Rechtsanwältin, Ettlingen
      561) Jörg Schmidt-Rohr,Rechtsanwalt, Wiesloch
      562) Carolin Runge, Juristin, Hannover 
      563) Hubert Weber, Rechtsanwalt, München
      564) Robert Nestler, Geschäftsführer, Equal Rights Beyond Borders, Berlin
      565) Lena Pfaff, Rechtsanwältin, Tübingen
      566) Birgit Große Stetzkamp, Rechtsanwältin, Münster
      567) Sonja Grass, Rechtsanwältin, Zweibrücken
      568) Prof. Dr. Klaus Riekenbrauk, Rechtsanwalt, Unkel
      569) Marie Melior, Rechtsanwältin, Berlin
      570) Anke Langensiepen, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
      571) Johanna Siemssen, Rechtsanwältin, Hamburg
      572) Andreas Barlang, Rechtsanwalt in Landau / Pfalz
      573) Alexander Wagner, Rechtsanwalt, Bremen
      574) Eva Dworschak, Rechtsanwältin, Bremen
      575) Marten Mittelstädt, Rechtsanwalt, Berlin
      576) Ilil Friedman, Rechtsanwältin, Berlin
      577) Matthias Höllerer, Rechtsanwalt, Ulm
      578) Michael Sack, Betreuer, München
      579) Thomas Wanie, Rechtsanwalt, Rostock
      580) Britta Jensen, Volljuristin, Hamburg
      581) Denise Honsberg-Schreiber, Rechtsanwältin, Eltville
      582) Adolf Sander, Rechtsanwalt u. Notar a. DD. 
      583) Moritz v. Hammerstein, Flüchtlingsberatung, Neuruppin
      584) Bernd Waldmann-Stocker, Rechtsanwalt aD, Berlin
      585) Michael Röder, Flüchtlingsberatung, Diepholz
      586) Bernadette Tusch, Fairbleib Südniedersachsen-Harz+
      587) Lutz Bucklitsch, Flüchtlingshilfe Iran, Berlin 
      588) Nicolas Chevreux, Rechtsberater, Berlin
      589) Klemens Roß, Jurist, Essen
      590) Wilko Zicht, Fraktionsjustiziar, Bremen
      591) Eva Weber, Geflüchtetenberaterin + Musikerin, Berlin
      592) Uta Liebau, Goslar Verein "Leben in der 
      593) Olivia Grote, Rechtsanwältin, Berlin
      594) Clarissa Haack, Juristin, München
      595) Thomas Barke Jurist und Vorstandsmitglied bei IBiS e.V. Oldenburg
      596) Klaus Walliczek, Jurist, Minden
      597) Marco Frank, Geschäftsführung, REFUGIUM Flüchtlingshilfe e.V.
      598) Kerstin Müller, Fachanwältin für MIgrationsrecht, Köln
      599) Greta von der Decken, Juristin, KommMit für Geflüchtete und Migrant:innen e.V.
      600) Anna-Magdalena Papadopoulos, Asylverfahrensberatung Erstaufnahmeeinrichtung Bonn
      601) Michael Wulf, Rechtsanwalt, Kiel
      602) Laura Elaine Hoffmann, Rechtsanwältin, Hildesheim
      603) Jana Laurentius, Rechtsanwältin, Bonn
      604) Martin Javitz, Rechtsanwalt, Stuttgart
      605) Gunter Christ, Rechtsanwalt, Köln
      606) Martina Habermann, Rechtsanwältin, Soltau
      607) Barbara Neander, Rechtsanwältin, Bremen
      608) Engin Sanli, Rechtsanwalt, Stuttgart
      609) Tim Schröder, Rechtsanwalt, Hamburg
      610) Zeljko Grgic, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      611) Muska Helmand, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main 
      612) Claudia Vogel, Rechtsanwältin, Freiburg
      613) Assal Pezeshkian, Rechtsanwältin, Düsseldorf
      614) Martina Dieterich, Rechtsanwältin, Bremen
      615) Wiebke Schmidt, Rechtsanwältin, Dortmund
      616) Inga Schulz, Rechtsanwältin, Berlin
      617) Yvo Dengs, Rechtsanwalt, Hamburg
      618) Sonja Plückebaum, Rechtsanwältin, Darmstadt
      619) Thomas Kühle, Rechtsanwalt, Lingen
      620) Birgit Sieger, Rechtsanwältin Düsseldorf
      621) Elke Dausacker, Fachanwältin für Migrationsrecht, Dozentin Refugee Law Clinic Siegen, Siegen
      622) Michael Heß, Rechtsanwalt, Nürnberg
      623) Geraldine Trotzier, Fachanwältin für Migrationsrecht, Heidelberg
      624) Michael Verhoeven, Rechtsanwalt, Köln 
      625) Mojdeh Gorji, Rechtsanwältin, Hamburg
      626) Dorothea Hennen, Rechtsanwältin, Aachen
      627) Marin Rasso Scheid, Rechtsanwalt, München
      628) Edith Kiefer, Rechtsanwältin Berlin
      629) Svenja Schmidt-Bandelow Rechtsanwältin, Berlin
      630) Rolf Werner, Rechtsanwalt, Stolberg
      631) Karl-Heinz Barth, Fachanwalt für Migrationsrecht, München
      632) Fidan Kilic, Fachanwältin für Migrationsrecht, Heidelberg
      633) Peter Klusmann, Fachanwalt für Migrationsrecht, Gelsenkirchen
      634) Salih Saydam,Rechtsanwalt , Konstanz
      635) Michael Bock, Rechtsanwalt, Mülheim an der Ruhr
      636) Irene Schäfer, Rechtsanwältin, Bonn
      637) Walter Grotjahn StD i.R.
      638) Dr. Thomas von Plehwe, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe
      639) Felix Isensee, Rechtsanwalt, Berlin
      640) Martin Schafhausen, Rechtsanwalt, Vizepräsident Deutscher Anwaltverein, Frankfurt am Main
      641) Florian Träger, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Migrationsrecht, Münster
      642) Monika Rohde-Wittenschläger, Rechtsanwältin in Duisburg
      643) Henning J. Bahr, LL.M., Rechtsanwalt, FA für Verwaltungs-, Agrar- und Migrationsrecht, Osnabrück
      644) Michael Devers, Rechtsanwalt, Rheinberg
      645) Bahman Wahab, Rechtsanwalt, Hamburg
      646) Erika Albrandt, Rechtsanwältin, München 
      647) Burkhard Zimmer, Rechtsanwalt, Köln
      648) Brigitte Faßbender, Rechtsanwältin, Bonn
      649) Juliane Scheer, FAin für Migrationsrecht, München 
      650) Andreas Sauter, FA für Migrationsrecht, Wuppertal
      651) Sabine Schölermann, Rechtsanwältin, Köln
      651) Jana Schmidt-Oehmichen, Rechtsanwältin, Dresden
      652) Ijaz Chaudhry, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      653) Oriane Lafargue, LL.M., FAin für Migrationsrecht, Frankfurt am Main
      654) Stefanie Thume, Rechtsanwältin, Köln
      655) Mirian Deis, Rechtsanwältin, Köln
      656) Sascha Kellmann, Rechtsanwalt, Köln
      657) Kaja B. Schellenberg, Sozialpädagogin, Göttingen
      658) Gunther Specht, Rechtsanwalt, Marburg
      659) Albert Sommerfeld, Rechtsanwalt, Soest
      660) Sven Brodt, Rechtsanwalt, Ingelheim am Rhein
      661) Bernhard K. Schmidt, Rechtsanwalt, Münster
      662) Florentine Heiber, Rechtsanwältin, Wuppertal
      663) Ralf Becker, Rechtsanwalt, Eriskirch
      664) Dr. Andrea Struwe, Rechtsanwältin, Köln
      665 Dieter Unseld, Rechtsanwalt, Marburg
      666) Zerrin Konur, Fachanwältin für Migrationsrecht, Heidelberg
      667) Albert Timmer, Rechtsanwalt, Bremen
      668) Manuel Kabis, RA und FA für Migrations- sowie FA für StrafR, Dortmund
      669) Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und FA für Strafrecht, Vorsitzender RAV e.V., Berlin
      670) Ann-Christin Kohl, Rechtsanwältin, Münster
      671) Laura Celine Siebert, Diplomjuristin, Münster
      672) Harry Gerson, Rechtsanwalt, Bochum
      673) Günter Werner, Rechtsanwalt, Kirchtimke
      674) Michael Blass, Rechtsanwalt, Kiel
      675) Richard Langer, Rechtsanwalt, Augsburg
      676) Thomas Gluth, Rechtsanwalt, Hannover
      677) Markus G. Fischer, Rechtsanwalt, München
      678) Doreen Gläßer-Fathi, Fachanwältin für Migrationsrecht, Dresden
      679) Tilman Kurz, Fachanwalt für Strafrecht, Berlin
      680) Karin May, Rechtsanwältin 
      681) Jana Zober-Kühne, Rechtsanwältin, Halle/Saale
      682) Katja Söchtig-Höwing, Rechtsanwältin, Magdeburg
      683) Magdalena Holtkötter, Rechtsanwältin, Berlin
      684) Christian Zimmer, Rechtsanwalt, Berlin
      685) Nenad Mikec, Rechtsanwalt, Stuttgart
      686) Ursula Langer-Martin, Rechtsanwältin, Augsburg
      687) Dr. Venous Sander, Rechtsanwältin, Darmstadt
      688) Guido Ehrler, Rechtsanwalt, Basel
      689) Lara Martin, Rechtsanwältin, Konstanz
      690) Joachim Schürmann, Rechtsanwalt, Krefeld
      691) Dr. Laura von Vittorelli, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Berlin
      692) Ulf Frenkler, Jurist, Landessprecher Neue Richtervereinigung Hessen
      693) Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Kassel
      694) Charlotte Laube, UFU Hannover
      695) Volker Mundt Rechtsanwalt Berlin
      696) Jakob Goepfert, Student, Refugee Law Clinic Hamburg
      697) Wolfram Treiber, Rechtsanwalt, Karlsruhe
      698) Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin, Karlsruhe
      699) Katrin Bajraktari, Lehrerin, Hannover
      700) Moritz Cuber, Rechtsanwalt, Köln
      701) Julia Nanda, Rechtsanwältin Memmingen
      702) Sophie Scheytt, Juristin, Berlin
      703) Leo Matthias Waltermann, Rechtsanwalt, Chemnitz
      704) Laura Bärthel, InstitutsdozentinHSB, Wolfsburg
      705) Amber Okumus, Juristin, Neuss
      706) Lea Mechsner, Rechtsanwältin Hamburg
      707) Antoni von Langsdorff, Rechtsanwältin, München
      708) Ralph Baier, Rechtsanwalt, Neunkirchen
      709) Sait Kaynak, Avukat (TR), Dresden
      710) Laura Aulmann, Rechtsanwältin, Berlin
      711) Anna-Lena Blankschyn, Rechtsanwältin, Hamburg
      712) Noah Kistner, Rechtsanwalt, Hamburg
      713) Julian Trüstedt, Rechtsanwalt, Berlin
      714) Michael Plöse, Rechtsanwalt, Berlin
      715) Arne Timmermann, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen
      und Strafverteidiger

      716) Alexander von Engelhardt. Rechtsanwalt, Berlin
      717) Nevin Duran, Rechtsanwältin, Berlin
      718) Jörg Eichler, Mitarbeiter des Sächsischen Flüchtlingsrat e.V., Mitglied der Sächsischen Härtefallkommission
      719) Katharina Högy, Juristin, Berlin
      720) Onur Can Yağbasan, Rechtsanwalt, Hamburg
      721)Barbara Dubick, Rechtsanwältin Berlin
      722) Jonas Weßling, Rechtsanwalt, Köln
      723) Utz Weber, Rechtsanwalt, Wuppertal
      724) Dorothea Goergens, Rechtsanwältin, Hamburg
      725) Moritz Depenbrock, Jurist, Öffentliche Rechtsauskunft Hamburg
      726) Lea Hupke, Rechtsanwältin, Berlin
      727) Urs Marquardt, Zimmerer, Rechtsberater, rlc-berlin.org
      728) Hannah Rachow, Mitglied Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
      729) John Nündel, Vorstandsvorsitzender der Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
      730) Katharina Stübinger, Promotion Universität Palermo,Vorstand RLC Berlin
      732) Tim Sültenfuß, Head of Legal Department, Sea-Watch e.V., Bremen
      733) Isabel Bento Bilbao, spanische Rechtsanwältin, Rechtsberaterin bei BBZ - Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen  (Träger: KommMit e.V.), Mitglied Refugee Law Clinic Berlin
      734) Sophia Härtel, Rechtsreferentin KOK e.V., Berlin
      735) Daniela Boehme, Rechtsanwältin, Frankfut am Main
      736) Victoria Lies, Rechtsreferendarin, Berlin
      737) Lukas Bastisch, Rechtsanwalt, Berlin
      738) Jesse Vogt, Jurist und Vorstandsmitglied Refugee Law Clinic Berlin, Berlin
      739) Sigrid Gies, Juristische Referentin
      740) Maria Gerdes, Juristin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Goethe Law Clinic, Frankfurt am Main
      741) Marlene Bergner, Mitglied der Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
      742) Dr. Maximilian Oehl, LL.M., Rechtsanwalt, Berlin
      743) Claas Lohmann, Doktorand, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Göttingen
      744) Dr. Till Liebau, Radiologe,Goslar
      745) Dr. Thomas Krapf, LL.M., Projektleiter Menschenrechte fördern, GIZ Mauretanien
      746) Amy Xu, Studentin, Refugee Law Clinic Berlin
      746) Jule Gensler, Studentin, Refugee Law Clinic Berlin
      747) Sigrun Krause, Rechtsanwältin, Dresden
      748) Josefina Leisle (Refugee Law Clinic Göttingen)
      749) Nina Lotz (Rechtsberaterin Refugee Law Clinic Berlin Neukölln)
      750) Saleh Jumaa  (Rechtsberater Refugee Law Clinic
      751 Thomas Röth
      752) Astrid Aengenheister, Rechtsanwältin und FAin Strafrecht, Bonn
      753) Rasmus Stumpf (Mitglied der Refugee Law Clinic Göttingen)
      754) Yeelen Bihn, Rechtsanwalt, Berlin
      755) Oliver Klostermann, Rechtsanwalt & Notar, Glinde
      756) Caroline Mohrs, Rechtsanwältin, Potsdam
      757) Daniel Weber, Rechtsanwalt, Berlin
      758) Stephanie Dufner, E.MA, Rechtsanwältin, Stuttgart
      759) Lukas Granrath, Rechtsreferendar, Refugee Law Clinic Cologne, Köln
      760) Robert Koop, Rechtsanwalt, Lingen (Ems)
      761) Dominik Bender, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
      762) Mara Kunz, Referentin, Heidelberg
      763) Paula Mahel (Rechtsberaterin Refugee Law Clinic)
      764) Sophia Pfründer, Rechtsreferendarin, Bielefeld
      765) Annika Gießler, Rechtsreferendarin (Janusz Korczak Humanitäre Flüchtlingshilfe Hannover)
      766)Elke Gabsa, Rechtsanwältin, Gießen
      767) Giovanna Adlon, Rechtsberaterin, Berlin&Eisenhüttenstadt
      768) Elisabeth Niekrenz, Rechtsanwältin, Leipzig
      769) Dinah Bauer, Rechtsanwältin, Lindau (B)
      770) Melina Garcin, Rechtsanwältin, Berlin
      771) Kai Weber, Geschäftsführer, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. , Hannover
      772) Timmo Scherenberg, Geschäftsführer Hessischer Flüchtlingsrat
      773) Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, Kiel
      774) Falko Behrens, Volljurist, Berlin
      775) Birgit Naujoks, Geschäftsführerin, Flüchtlingsrat NRW e.V.
      776) Meliha Karatas, Rechtsanwältin, Lübeck,
      777) Bärbel Graw-Sorge, Rechtsanwältin, Kiel
      778) Jibran Khalil, Vorstand Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
      779) Björn Maibaum, Rechtsanwalt Köln
      780) Lena Franke, Juristin, Hamburg
      781) Jürgen Arnold, Fachanwalt für Familienrecht , München
      782) Burkhard Peters, Rechtsanwalt Mölln
      783)  Katharina Voss, Juristin, Europäische Migrationspolitik, Diakonie Deutschland
      784) Charlotte Spieler, Rechtsanwältin i.R,, Kiel
      785) Jessica Allermann, Studentin, Refugee Law Clinic Kiel & Abschiebehaftberatung Nord
      786) Armin Henning, Ingenieur, Refugee Law Clinic Kiel
      787) Andreas Langer, Rechtsanwalt, Vallenda
      788) Dr. Babette Tondorf, Rechtsanwältin, Hamburg
      789) Debora Gervink, Studentin der Rechtswissenschaften und Mitglied der Refugee Law Clinic Kiel e.V., Kiel
      790) Dilan Akdogan, Vorstand Saarländischer Flüchtlingsrat e.V., Saarlouis
      791) Refugee Law Clinic Dresden
      792) Liban Hassan Awsaid, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
      793) Pierrette Onangolo Flüchtlingsrat RLP e.V.
      794) Reinhard Marx, Rechtsanwalt i.R., Frankfurt am Main
      795) Thomas Gluth, Rechtsanwalt,  Hannover
      796) Horst Reichelt, Rechtsanwalt, Köln
      797) Birgit Hanke, Rechtsanwältin, Lippstadt
      798) Hannah Franz, Dipl. Juristin/Wissenschaftl. Mitarbeiterin, Refugee Law Clinics Deutschland e.V.
      799) Eva Lindenmaier, Rechtsanwältin, Berlin
      800) Dr. iur. Rainer Keil, Universität Heidelberg
      801) Prof. Dr. Anuscheh Farahat
      802) Gerhard Strauch, RA Wiesbaden
       

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      Migration & Asyl
      news-965Tue, 06 Jun 2023 07:27:00 +0200Recht für Alle?! Kongress zu solidarischen Rechtskämpfen in Krisenzeiten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-kongress-zu-solidarischen-rechtskaempfen-in-krisenzeiten-965Presseinfo vom 6.6.2023Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) veranstaltet vom 16. bis 17. Juni 2023 einen Kongress in Leipzig zu solidarischen Rechtskämpfen in Zeiten multipler Krisen.

      Gleichzeitig wirft das Programm ein Auge auf die Entwicklung der Arbeit des RAV der vergangenen Jahrzehnte.

      "Wer hat Zugang zum Recht? Ist das Recht für alle Personen in unserer Gesellschaft gleichermaßen da? Diesen Fragen wollen wir uns im Rahmen des Kongresses widmen", erklärt Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV.

      Dabei erwartet die Teilnehmer*innen ein abwechslungsreiches Programm. Von Defiziten im Strafvollzug, über sexualisierte Gewalt, Vergesellschaftung, Klimaklagen, bis hin zu Rassismus und migrationspolitischen Fragen widmen wir uns einer Vielzahl an aktuellen Themen. Im Mittelpunkt der einzelnen Vorträge steht stets die Frage: Wie können wir gesellschaftlichen Missständen mit den Mitteln des Rechts und mit politischer Vernetzung entgegentreten?

      Emanzipatorische Rechtskämpfe gestern und heute

      Zu Beginn der Arbeit in den 70er Jahren setzte sich der RAV insbesondere gegen die Einschränkung von individuellen Freiheitsrechten ein. Aktuelle emanzipatorische Rechtskämpfe erfordern heute zudem das Durchsetzen kollektiver Rechte der Teilhabe. Diese Entwicklung möchte der RAV in zwei Abendpodien nachvollziehen und diskutieren.

      Vernetzung über die Anwaltschaft hinaus

      In 24 unterschiedlichen Arbeitsgruppen bieten wir Raum für fachlichen anwaltlichen Austausch und eine darüberhinausgehende Vernetzung. Wir werden dabei auch mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ins Gespräch kommen. „Rechtspolitische Schlagkraft entwickeln wir nur, wenn wir Expertise bündeln und gemeinsam kämpfen", so Rechtsanwältin Franziska Nedelmann aus dem Vorstand des RAV, „Menschenrechte sind unteilbar.

      Alle Informationen: www.rav-kongress.de

      Hintergrund

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) ist eine bundesweit tätige, politische Anwaltsorganisation. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. Neben rechtspolitischer Vernetzung bietet der RAV auch Fachschulungen für Rechtsanwält*innen an.

      Kontakt
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, RAV-Geschäftsführer
      Telefonischer Kontakt kann über die Geschäftsstelle hergestellt werden: 030.417 235 55
      Mail: lukas.theune@rav.de oder kontakt@rav.de

      Presseinfo als PDF

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      Pressemitteilung
      news-963Wed, 31 May 2023 14:35:26 +0200Richter*innen und Anwält*innen im Dialog – eine kommunikative Herausforderung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/richterinnen-und-anwaeltinnen-im-dialog-eine-kommunikative-herausforderung-963Koop-Veranstaltung von RAV und NRV | 28.6.2023 in BerlinJede*r Anwält*in kennt es: Hoffnungsfroh beginnt der Gerichtstermin um 9 Uhr. Nach einer kurzen Begrüßung beginnt die Vorsitzende auf einem herumzuhacken, wirft unsubstantiierten Vortrag vor und verweist auf irgendeine noch nie gehörte BGH-Entscheidung. Mit bitterbösem Blick stellt sie das Unterliegen im Rechtsstreit in Aussicht, murmelt noch irgendwas von der Berufshaftpflicht – und das alles in Anwesenheit der eigenen Mandantschaft.

      Und die Richter*innen kennen dies: Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist anberaumt. Wir haben uns gut vorbereitet und dann liegt am Morgen des Sitzungstags ein 12-seitiger Schriftsatz in der Sache vor. Oder, ebenso unerfreulich: Im Termin erscheint ein Terminsvertreter unter Hinweis darauf, dass er ansonsten mit der Sache nicht befasst sei und nur seine Kollegin vertrete. Vergleichsvorschläge werden mit dem schlichten Hinweis „Ich habe nur den Auftrag, hier den Antrag zu stellen“ beiseite gewischt.

      Kommunikation vor Gericht ist gekennzeichnet durch den der Verhandlung zugrundeliegenden Konflikt zwischen den Prozessparteien. Neben unterschiedlichen Interessen gibt es auch, unabhängig vom konkreten Fall, unterschiedliche Verpflichtungen. Anwält*innen dürfen nicht den Interessen der Mandantschaft und erst recht nicht deren geäußertem Willen zuwiderhandeln, Richter*innen nicht materielles oder formelles Recht missachten.

      Ein Austausch zwischen beiden Berufsgruppen über diese und andere Befindlichkeiten findet kaum statt.

      Daher möchten wir im Rahmen dieser Veranstaltung einen Dialog über unseren Umgang miteinander und unsere Kommunikation insbesondere im Gerichtssaal wagen. Wir wollen Verständnis für die jeweils andere Seite wecken und uns über den jeweiligen Arbeitsalltag und die verschiedenen Arbeitsweisen austauschen. Wir wünschen uns einen lebendigen, offenen Dialog, bei dem auch Kritikpunkte benannt und diskutiert werden dürfen.

      Termin und Ort

      28.06.2023 um 18 h
      Haus der Demokratie und Menschenrechte

      Robert-Havemann-Saal
      Greifswalderstr. 4
      10405 Berlin

      Der Eintritt ist frei.

      Eine Kooperationsveranstaltung von RAV und der Neue Richtervereinigung (NRV).

      Einladung als PDF
       

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      Veranstaltungen
      news-962Tue, 30 May 2023 16:43:13 +0200Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzes-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-und-zur-aenderung-weiterer-vorschriften-962Stellungnahme des RAV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz, 30.5.23Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften hat der RAV die hier folgende Stellungnahme eingereicht.

      Verfasser*in: Inken Stern, Rechtsanwält*in

      Vorbemerkung

      Grundsätzlich ist das Vorhaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz zu begrüßen, ein einheitliches, selbstbestimmtes und behördliches Verfahren zur Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrages und Vornamens zu etablieren. Der RAV hätte die durch das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung zur dritten Option (Beschl. v. 10.10.2017, 1 BvR 2019/16) angeregte Möglichkeit der Abschaffung des geschlechtlichen Personenstandes favorisiert, in dem zumindest der geschlechtliche Personenstandsregistereintrag nach der Geburt für alle Menschen offen gelassen aber mit dem individuellen Recht verbunden wird, das selbstbestimmte Geschlecht auf Erklärung gegenüber dem Standesamt in das Personenstandsregister eintragen zu lassen. Denn zum einen sollte – wie es auch in § 1 Abs. 1 SBGG-E als Ziel des Gesetzes formuliert ist – „die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen“ losgelöst sein. Zum anderen birgt die Anknüpfungsmöglichkeit an das rechtliche Geschlecht als Unterscheidungskriterium eine Gefahr der Diskriminierung. Auch wäre wünschenswert gewesen, den Inhalt des Gesetzes allein im Personenstandsgesetz anzusiedeln, anstelle nunmehr wieder ein Sondergesetz zu schaffen.

      Es war überfällig, das menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz zu ersetzen und ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem Personen ohne die bisherigen, nicht zumutbaren Voraussetzungen und deutlich niedrigschwellig die begehrten Änderungen des geschlechtlichen Personenstandseintrags und/oder des Vornamens vornehmen lassen können, falls sie ihre Geschlechtsidentität staatlich anerkannt wissen wollen.

      Daher wird ausdrücklich das mit dem Selbstbestimmungsgesetz behördlich angesiedelte Verfahren als Verbesserung begrüßt, bei dem es zu den gewünschten Änderungen allein aufgrund eigener Erklärung und Versicherung sui generis kommen soll. Es sind jedoch einige nicht hinnehmbare Regelungen vorgesehen. Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme auf die Themenkomplexe hinsichtlich Zugang (1.), Verfahren (2.), Wirksamkeitsfrist (3.) Eltern-Kind-Zuordnung (4.), Offenbarungsverbot und Bußgeld (5.) und Folgeregelungen (6.) sowie einige allgemeine und redaktionelle Anmerkungen (7.).

      1. Zugang

      Als erklärungsberechtigter Personenkreis sind Personen vorgesehen, „deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenregister abweicht“ (§ 2 SBBG-E) und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 EGBGB-E). Diese Ausweitung des Personenkreises im Vergleich zum TSG ist verfassungsrechtlich geboten und wird daher ausdrücklich begrüßt.

      § 3 SBGG-E regelt den Verfahrenszugang von Minderjährigen. Ausdrücklich begrüßt wird, dass in der Gesetzesbegründung der Ausbau und die Stärkung von ergebnisoffenen und kostenlosen Beratungsangeboten für Minderjährige und ihre Sorgeberechtigten vorgesehen ist.

      In dem Entwurf ist angedacht, dass Verfahren für unter 14 Jährige die gesetzlichen Vertretenden führen und ab einem Alter von 14 Jahren die Minderjährigen zwar die Erklärung selbst abgeben, aber immer noch die Zustimmung der Vertretenden gegeben sein oder diese durch das Familiengericht ersetzt werden müsse.

      Bei der Geschlechtsidentität handelt es sich jedoch um ein höchstpersönliches Rechtsgut, so dass die Erklärung und Versicherung auch von beschränkt geschäftsfähigen Kindern unabhängig von ihrem Alter abgegeben werden können sollte. Dies dürfte sowohl dem Kindeswohl als auch der Kinderrechtskonvention Rechnung tragen.

      Es könnte entweder die positive Zustimmung oder ein konstitutiver Ablauf einer Frist, im Rahmen derer die Sorgeberechtigten nach einer Beratung der Familie ihren entgegenstehenden Willen kundtun könnten, zur zusätzlichen Voraussetzung für die Änderungen gemacht werden. Aus Sicht des RAV sollte das Verfahren jedenfalls für Erklärende ab dem Alter von 14 Jahren nach einer verpflichtenden Beratung unabhängig von den Sorgeberechtigten geführt werden können. Falls weiterhin das Zustimmungserfordernis der Vertretenden oder allein durch die Vertretenden gestaltende Erklärungen zum Erfordernis gemacht werden, ist die Möglichkeit des Ersatzes durch die Familiengerichte unabdingbar.

      2. Verfahren

      Das Standesamt als registerführende Behörde mit der Zuständigkeit für die Entgegennahme der Erklärungen und Versicherungen zu betrauen ist sachgerecht.

      Personen, die eine Änderung ihres geschlechtlichen Personenstands und/oder Vornamen(s) begehren, müssen nach § 2 SBGG-E eine Erklärung abgeben, mit der sie zusätzlich versichern, dass ihre Geschlechtsidentität dem neu gewählten Geschlechtseintrag und/oder neu gewählten Vornamen besser entspricht und sie sich der Tragweite und Folgen der Erklärung bewusst sind. Es wird begrüßt, dass das Gesetz auf weitere Voraussetzungen (abgesehen bei den Verfahren von Minderjährigen) verzichtet und seinem Titel Rechnung trägt und allein die Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität ausschlaggebend für die Änderung(en) ist.

      3. Wirksamkeitsfrist

      Erst mit der Eintragung in das Geburtenregister soll die selbstbestimmte Geschlechtsidentität Wirksamkeit entfalten. § 4 SBGG-E sieht bisher eine Möglichkeit der Erklärungsrücknahme innerhalb von drei Monaten nach der Erklärung gegenüber dem Standesamt vor. Unabhängig von der schwierigen praktischen Umsetzung, dass das Standesamt erst drei Monate später die Eintragungen vorzunehmen hat, erschließt sich der Hintergrund dieser „Reflexionsfrist“ nicht. In der Begründung heißt es, sie soll „nicht ernst gemeinte Erklärungen“ (S. 40) ausschließen. Es wird bereits von den Erklärenden zusätzlich die Abgabe einer Eigenversicherung gefordert, mit der u.a. erklärt wird, sich über die Bedeutung und Wirkungen bewusst zu sein. Die Einführung dieser Bedenkzeit nach Abgabe der Erklärung und Versicherung lässt anmuten, dass von den Verfassenden dieses Referentenentwurfs davon ausgegangen wird, dass sich eine Mehrzahl bei der Abgabe ihrer Erklärungen und Versicherungen nicht sicher wären. Die vorausgesetzte Eigenversicherung erfordert jedoch bereits vorab eine Auseinandersetzung und auch eine Entscheidung. Dies ist ein normimmanenter Widerspruch.

      Im Verfahren nach § 45b PStG ist eine so genannte Reflexionsfrist nicht vorgesehen. Auch ist aus der Praxis zu berichten, dass eine solche nicht notwendig gewesen wäre. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung der Verfahren ist nicht erkennbar, ist daher nicht gerechtfertigt oder verhältnismäßig. Daher fordern wir § 4 SBGG-E ersatzlos zu streichen.

      4. Eltern-Kind-Zuordnung

      Mit § 11 SBGG-E wird eine Neuregelung geschaffen, die sich an die des TSG anlehnt. Allerdings wird hier nun unterschieden zwischen der Mutter nach § 1591 BGB bzw. dem gebärenden Elternteil sowie dem Vater nach § 1592 BGB. Während für die Mutterschaft nach § 11 SBGG-E das Geschlecht unerheblich sein soll, denn jede Person, die gebärt, wird von § 1591 BGB erfasst und als Mutter registriert. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage.

      Hingegen soll das männliche Geschlecht für die Vaterschaft bei Geburt des Kindes zwingend sein, sofern die Vaterschaft aufgrund einer Ehe oder einer Anerkennungserklärung entsteht. Für die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nach § 1592 Nr. 3 BGB soll es wiederum auf das Geschlecht nicht ankommen.

      Diese so deklarierte Interimslösung scheint die Wiedergabe der derzeitigen gesetzlichen Abstammungsregeln zu sein, außer dass zusätzlich eine Klarstellung erfolgt, dass transidente Männer auch durch Anerkennung oder Ehe Väter werden können sollen. Dieses Ziel ist jedoch auch leicht durch eine entsprechende Auslegungshilfe des Bundesministeriums des Innern an die Standesämter zu bewerkstelligen.

      Daher ist § 11 SBGG-E ersatzlos zu streichen und stattdessen die Abstammungsrechtsreform voranzutreiben. Denn grundsätzlich erwartet der RAV, dass im Rahmen des Abstammungsrechts die binären Elternrollen und Begriffe „Mutter“ und „Vater“ ersetzt werden, so dass eine geschlechtliche Verortung und Zuweisung für die Elternrolle irrelevant wird.

      Einzige Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung des TSG ergibt sich aus § 27 Abs. 3 PStG-E. Denn darin wird nunmehr geregelt, dass die Elternteile nicht mit ihren bei Geburt zugewiesenen Namen, sondern mit den offiziell geführten Vornamen und dem bei Geburt des Kindes bestehenden Geschlechtes in den Geburtenregistern der Kinder registriert werden sollen. Ein entsprechender Widerspruch zwischen der binär geschlechtlichen Elternrolle wird bewusst hingenommen (S. 63 der Begründung).

      Mit § 42 Abs. 2a PStVO-E wird die Möglichkeit für Eltern geschaffen, sich eine Geburtsurkunde ausstellen lassen zu können, in der sie als „Elternteil“ anstelle der Registereinträge „Mutter“ oder „Vater“ betitelt werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass das Elternteil einen offenen Geschlechtseintrag hat oder das Geschlecht geändert hat. Diese Norm soll in Verbindung mit § 27 Abs. 3 PStG-E Ausdruck der Achtung des Offenbarungsverbots, da sich Elternteile Geburtsurkunden ihrer Kinder mit ihnen als Elternteil und dem aktuell geführten Namen ausstellen lassen und sich damit ausweisen können. Denn die Elternrollen „Mutter“ und „Vater“ werden mit den binären Geschlechtern in Verbindung gebracht, so dass es für alle Erklärenden wünschenswert sein dürfte eine Geburtsurkunde ausgestellt zu bekommen ohne die zugewiesene binäre Elternrolle.

      Allerdings sollte die Norm derart ausgestaltet werden, dass alle Geburtsurkunden künftig keine binären Elternrollen mehr ausweisen oder zumindest alle Eltern, unabhängig von einem offen gelassenen Geschlechtseintrag (§ 22 Abs. 3 PStG) oder der Änderung ihres Geschlechtseintrags – d.h. auch cis-geschlechtliche Personen – sich eine Geburtsurkunde mit „Elternteil“ ausstellen lassen können. Hintergrund ist der, dass andernfalls an den mit „Elternteil“ in Geburtsurkunden betitelten Personen erkennbar ist, dass diese entweder eine Person nach § 22 Abs. 3 PStG sind oder ein Verfahren nach §§ 2, 3 SBGG-E durchlaufen oder aber das Kind adoptiert haben. Mit der Vorlage einer solchen Geburtsurkunde geht ein (verstecktes) Outing als nicht normkonforme Familie einher, wodurch eine Diskriminierungsgefahr geschaffen wird.

      5. Offenbarungsverbot und Bußgeld

      Der RAV begrüßt ausdrücklich, dass weiterhin ein Offenbarungsverbot geregelt wird und zusätzlich eine Bußgeldvorschrift eingeführt wird. Das Offenbarungsverbot richtet sich nach der Begründung an öffentliche Stellen und Private. Diese Klarstellung wird wertgeschätzt.

      Es wäre wünschenswert, wenn die im Offenbarungsverbot geregelten Ausnahmen lediglich aufgrund schützenswerter Interessen begründen dürften. Auch sollte die Bußgeldnorm nicht nur für die eng ausgelegte Offenbarung greifen. Vielmehr sollte auch Deadnaming (Verwendung des bei Geburt zugewiesenen Namens) und Misgendering (Verwendung des bei Geburt zugewiesenen Geschlechts) erfasst werden. Als Vorsatzform sollte jedenfalls grobe Fahrlässigkeit ausreichen.

      6. Folgeregelungen

      § 7 SBGG-E trifft eine Regelung hinsichtlich gesetzlich festgelegter geschlechtlicher Quoten. Allerdings benennt der Entwurf lediglich Quoten hinsichtlich des weiblichen oder männlichen Geschlechts. Der offen gelassene und diverse Geschlechtseintrag bleiben unerwähnt. Es bedarf daher einer Nachbesserung.

      § 9 SBGG-E regelt die Zuordnung zum männlichen Geschlecht im Spannungs- oder Verteidigungsfall. Dies ist eine Norm, die verhindern soll, dass sich Personen ihrer Wehrdienstpflicht in besonderen Situationen entziehen. Daher ist sie aus dem Selbstbestimmungsgesetz zu streichen und eine Norm mit ihrem Sinn und Zweck im Wehrpflichtgesetz zu verankern, falls dies tatsächlich notwendig ist.

      7. allgemeine und redaktionelle Anmerkungen

      Grundsätzlich wäre wünschenswert, wenn der Gesetzes- und Begründungstext einheitlich genderneutrale Formulierungen verwenden würde und nicht einerseits von den durch das Selbstbestimmungsgesetz betroffenen Personen und andererseits alle anderen zu Benennenden im generischen Maskulinum (wie bspw. „die gesetzlichen Vertreter, der Betreuer“ etc.) darstellt.

      § 12 SBGG-E soll diskriminierende Sprache im Rechtsraum legitimieren und ist deswegen zu streichen. Vielmehr wäre es an der Zeit, nicht nur zukünftige Gesetze geschlechtsneutral zu fassen, sondern auch den bisherigen Stand einer redaktionellen Überprüfung und Umschreibung zu unterziehen.

      Darüber hinaus bedarf es auch einer Anpassung von gesetzlich festgelegten binär-geschlechtlich ausgestalteten Berufsbezeichnungen. Wir wünschen uns eine Änderung von § 12 Abs. 4 BRAO, denn danach dürfen Kolleg*innen lediglich die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder „Rechtsanwältin“ führen. Dies ist mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar und sollte neu geregelt werden. Ebenso verhält es sich für andere Berufsgruppen.

      Darüber hinaus sind §§ 1 Abs. 2, 6 Abs. 2 und 3 SBGG-E zu streichen. Es fehlt diesen Normierungen ein eigener Regelungsgehalt.

      § 1 Abs. 2 SBGG-E stellt fest, dass das Selbstbestimmungsgesetz keine Regelungen zu medizinischen Maßnahmen trifft. Dies ergibt sich jedoch aus dem Selbstbestimmungsgesetz, ohne dass es hierzu eines deklarativen Ausspruches bedarf. Auch aus der Gesetzesbegründung wird nicht deutlich, weshalb diese Nicht-Normierung notwendig sein könnte. Vielmehr ist die Norm überflüssig und daher zu streichen. Es wird unsererseits allerdings davon ausgegangen, dass die Bundesregierung – wie im Koalitionsvertrag von 2021 festgelegt – noch Regelungen zur Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden physischen Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen treffen wird.

      § 6 Abs. 2 SBGG-E erscheint angesichts der durch die Öffentlichkeit aufgeheizten Diskussion zum Hausrecht entstanden zu sein. Die Norm enthält jedoch keinen eigenen Gehalt in der Feststellung, dass das Hausrecht zu Einrichtungen weiterhin unter den jetzigen Voraussetzungen, d.h. unter Beachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, gegeben ist, und ist daher zu streichen. Vielmehr erweckt der Verweis auf das Hausrecht, das von den Regelungen des Selbstbestimmungsgesetzes unberührt bleiben soll, den Eindruck, als könnte der gleichberechtigte Zugang von trans-, inter- und nicht-binär-geschlechtlichen Personen zu geschlechtsspezifischen Räumen von den jeweiligen Betreibenden abhängen. Dies gilt auch deshalb, da die derzeitige Begründung zu dieser Norm von transfeindlichen Vorurteilen getragen wird. Denn als Hintergrund der Norm wird von Übergriffen seitens transidenten gegenüber cis-geschlechtlichen Frauen ausgegangen. Angesichts der Realität von Übergriffen von cis-männlichen Personen sollte hier jedenfalls im Rahmen der Begründung eine Klarstellung erfolgen. Denn inter-, nicht-binär- und transidente Personen sind eine vulnerable Gruppe, die es gerade vor Übergriffen und auch vor Diskriminierung zu schützen gilt.

      Auch § 6 Abs. 3 SBGG-E enthält keinen eigenen Regelungsgehalt und ist daher zu streichen. Denn auch heute gilt bereits, dass sportliche Leistungen unabhängig vom Geschlechtseintrag bewertet werden können. In diesem Zusammenhang wäre erstrebenswert, den Diskriminierungsschutz hinsichtlich inter-, nicht-binären- und transidenten Personen hervorzuheben.

      In § 15 Abs. 2 SBGG-E liegt ein offensichtliches Redaktionsversehen vor. Auch das Offenbarungsverbot nach § 13 SBGG-E und die Bußgeldvorschriften nach § 14 SBGG-E müssen entsprechend für Änderungen des Geschlechtseintrags und Vornamen nach dem TSG oder dem PStG gelten.

      Berlin, 29.05.2023

      Die StN als PDF

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      Stellungnahmen
      news-956Sun, 28 May 2023 07:09:47 +0200International Fair Trial Day Conference and the Ebru Timtik Award Ceremony/publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-conference-and-the-ebru-timtik-award-ceremony-95614 June 2023, Mexico City/Mexico (In-Person & Online Event)14 June 2023, Mexico City/Mexico
      10:00 – 17:30 CST
      In-Person & Online Event Venue TBC
      Registration: HERE

      PRELIMINARY AGENDA

      Die angegebenen Zeiten sind die Ortszeiten aus Mexico-City.

      10:00-10:15 h Opening Remarks

      10:15-10:45 h Keynote Speeches

      10:45-11:45 h Setting the Scene: Systemic Fair Trial Rights Concerns in Mexico

      Moderator: TBC
      Speakers:

      11:45-12:00 h Coffee Break

      12:00-13:30 h From Rights to Justice: Unveiling the Interplay Between Human Rights Challenges and Due Process in Mexico

      Moderator: TBC
      Speakers:


      13:30-14:30 h Lunch break

      14:30-16:00 h Seeking Accountability: Responses to The Phenomenon of Enforced Disappearances and Summary Executions

      Moderator: TBC
      Speakers:


      16:00-16:30 h Coffee Break

      16:30-17:30 h Ebru Timtik Award Ceremony


      17:30 h Closing

      Programm (PDF)

      10:00 -10:15

      10:00 -10:10:00 -10:1510:00 -10:151510:00 -10:15

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      International Fair Trial Day (IFTD)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)
      news-948Wed, 24 May 2023 07:50:03 +0200Keine Abschaffung des Rechts auf Asyl!<br />Kein Asylkompromiss 2.0!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-abschaffung-des-rechts-auf-asyl-kein-asylkompromiss-20-948Aufruf zur Beteiligung an Demonstration am 26.5.2023 in Berlin

      Demoaufruf in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Dari als PDF

      Vor 30 Jahren haben Zehntausende in Deutschland gegen den sogenannten Asylkompromiss demonstriert. Ihr Ziel war, die Änderung des Grundgesetzes zu verhindern, die eine massive Einschränkung des Asylrechts beinhaltete.

      Heute befürchten wir einen noch schlimmeren Asylkompromiss: Die Europäische Union plant eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die den Zugang zum Recht auf Asyl weitestgehend versperren und Pushbacks legalisieren würde. Dieser gefährliche Trend muss gestoppt werden!

      Diese Reform bedeutet eine Aushebelung des Flüchtlingsschutzes und eine Verletzung grundlegender Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. In verpflichtenden Grenzverfahren sollen Fluchtgründe ignoriert und Schutzsuchende stattdessen in unsichere Drittstaaten abgeschoben werden. Das Dublin-System soll beibehalten und sogar verschärft werden, anstatt echte Solidarität zu entwickeln.

      Am 8. Juni 2023 treffen sich die EU-Innenminister:innen, um über diese Reform im Rat der EU abzustimmen. Die deutsche Bundesregierung will den Vorschlägen im Großen und Ganzen zustimmen. Damit will die Ampel ihren Koalitionsvertrag brechen und all das umsetzen, wovon Seehofer und die Rechten immer geträumt haben. Das müssen wir verhindern!

      Wir wollen nicht, dass das Sterben im Mittelmeer, unwürdige Lager wie Moria, Haftzentren mit Stacheldraht sowie brutale Pushbacks im europäischen Asylsystem dauerhaft festgeschrieben werden. Die Grenzverfahren inklusive der Inhaftierungen sind für alle EU- Staaten verpflichtend vorgesehen, nicht nur an den Außengrenzen. Damit wäre auch Deutschland verpflichtet Masseninhaftierungen und Grenzverfahren für Geflüchtete durchzuführen, die nicht an den Außengrenzen registriert wurden.

      Unter dem Motto “Keine Abschaffung des Rechts auf Asyl! Kein Asylkompromiss 2.0!" rufen wir alle auf, sich uns anzuschließen, um die Ampelparteien zu einem Veto gegen die Asylverfahrens- und die Asylmanagementverordnung aufzufordern. Unrecht darf nicht in Recht gegossen werden!

      Wir starten vor der Parteizentrale der SPD in Berlin und ziehen mit einem Zwischenstopp an der Vertretung der Europäischen Kommission am Pariser Platz vorbei bis zur Grünen- Zentrale.

      Am 30. Jahrestag des Asylkompromisses, dem 26. Mai, um 17 Uhr, wollen wir gemeinsam den Asylkompromiss 2.0 stoppen und uns für eine Welt einsetzen, in der Menschenrechte geachtet werden. Lasst uns am 26.05. in Berlin ein starkes Zeichen setzen und gegen den Asylkompromiss 2.0 protestieren.

      Wann: Freitag 26.05. um 17:30 Uhr Wo:

      ::::::::::::::::

      PRO ASYL
      Abolish Frontex Adopt a Revolution
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      SOS Humanity
      Seebrücke
      Watch The Med Alarmphone
      Aktive der Kampagne BLEIBERECHT FÜR ALLE- statt Chancenfalle!
      Flüchtlingsrat Berlin
      Flüchtlingsrat Brandenburg
      Borderline Europe
      BBZ/ Kommmit e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
      BIPoC Ukraine & friends in germany
      Interventionistische Linke
      Mediterranea Berlin e.V.
      Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.
      Kargah e.V.
      Wir packen’s an e.V.
      Sea-Eye Berlin

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      Migration & Asyl
      news-947Tue, 23 May 2023 17:38:48 +0200Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich/publikationen/mitteilungen/mitteilung/vor-dem-gesetz-sind-nicht-alle-gleich-947Lesung am 8.6.23 in Nürnberg; DESI-Programmgruppe & in Kooperation mit dem RAV Das Versprechen lautet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sie sind nicht gleich. Das Recht hierzulande begünstigt jene, die begütert sind; es benachteiligt die, die nichts haben. Wirtschaftsdelikte in Millionenhöhe werden mit minimalen Strafen belegt oder eingestellt. Prozesse gegen Menschen, die einen Wodka stehlen, enden hart und immer härter...

      In einer spannenden Reportage deckt Ronen Steinke systematisches Unrecht auf. Er besucht Strafanstalten, recherchiert bei Staatsanwälten, Richtern, Anwälten und Verurteilten. Und er stellt dringende Forderungen, was sich ändern muss.

      Ronen Steinke ist Redakteur und Autor der Süddeutschen Zeitung. Der promovierte Jurist recherchiert seit Jahren zu Justizthemen. Seine Biografie über Fritz Bauer wurde preisgekrönt verfilmt und in viele Sprachen übersetzt. Steinke lebt in Berlin.

      Präsentiert von der DESI-Programmgruppe & in Kooperation mit dem RAV (Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V.)

      Termin: 8.6.2023
      Einlass: 19.30 Uhr
      Beginn: 20.00 Uhr

      Ort: DESI, Brückenstr. 23 in 90419 Nürnberg

      Plakat (PDF)

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      Veranstaltungen
      news-946Tue, 23 May 2023 05:59:48 +0200Gemeinsam gegen Hinrichtungen im Iran/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsam-gegen-hinrichtungen-im-iran-946RAV-Redebeitrag, 20.5.23Am 22. Mai 2023 fand auf dem Wittenbergplatz eine Kundgebung von Echo Iran gegen die Hinrichtungen im Iran statt, an der zwischen 2.000 - 3.000 Menschen teilnahmen. Der RAV, der seit Beginn der Proteste sich mit den Menschen im Iran solidarisch erklärte und auch eine Patenschaft für den im Iran inhaftierten Menschenrechtsanwalt Amirsalar Davoudi übernommen hat, wurde von den Organisator*innen angefragt, eine Rede zu halten.

      Im Folgenden dokumentieren wir die Rede unserer Kollegin Nasrin Karimi, die auf der Kundgebung gehalten wurde.
      ********************

      Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freudinnen und Freunde,

      Wieder ist die Welle der Hinrichtungen, die in diesen Tagen im Iran vollstreckt werden, der traurige Anlass der heutigen Kundgebung.

      70% aller in der Welt vollstreckten Todesurteile im Jahre 2022 wurden laut dem Bericht von Amnesty im Iran vollstreckt. Dieser mörderische Zustand im Iran spitzt sich immer weiter zu. Seit September 2022, dem Beginn der landesweiten Massenproteste, sind mehr als 700 Menschen hingerichtet worden, SIEBEN HUNDERT Menschen! Mindestens 7 davon wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Protesten. Allein gestern sind 19 Menschen hingerichtet worden. Die Botschaft des Regimes lautet: Wer es wagt, zu protestieren und unsere Macht in Frage zu stellen, der wird vernichtet!“

      Dies dürfen wir aber nicht zulassen. Es ist uns unerträglich, wie die Welt der blutigen Repressionen von iranischen Bürgerinnen und Bürgern tatenlos zusieht. Wir dürfen aber das iranische Volk in diesen dunklen Stunden nicht alleine lassen.

      Im Iran werden Menschen eingekerkert, gefoltert, hingerichtet, weil ihre Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Regierung übereinstimmen. Wir müssen den Machthabern zeigen, dass wir sehen und berichten, welches Unrecht und welche Gewalt sie ihren Bürgern antun. Wir wollen diesen Menschen in den Gefängnissen einen Namen und eine Stimme geben, Sie und ihren Fall und die gravierenden Verstöße gegen Verfahrensgarantien, die auch im Iran gelten, publik machen.

      Wir wollen öffentlichen Druck auf das iranische Regime ausüben und die Freilassung aller politischen Gefangenen fordern. Deshalb sind wir heute hier! Das Regime hat erst jetzt wieder verstärkt begonnen, Menschen zu hängen - jetzt, da es im Westen stiller um die iranische Repression und die mörderische Justizmaschinerie geworden ist. Die deutsche Politik und die Massenmedien in Deutschland und Europa dürfen angesichts der massiven Gewalt des Regimes gegen die Demonstranten nicht schweigen. Wir müssen weiter unsere Stimme erheben und unsere Empörung kundtun. Unser Protest und unsere Solidarität müssen genauso hörbar sein wie im Oktober letzten Jahres, als sich hier in Berlin Zehntausende Menschen bei einer Demonstration mit den Protesten im Iran solidarisiert haben.

      Iran hat völkerrechtlich bindende Verträge ratifiziert. Der Iran bekennt sich öffentlich zu seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen – doch die Islamische Republik bricht diese Verträge täglich; durch Folter, willkürliche Haft, Entrechtung von Frauen und ethnischen und religiösen Minderheiten. Der Iran war 1945 eines der 51 Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen. Der Iran hatte unter der Herrschaft von Mohammad Reza Shah Pahlavi die beiden Schlüsselabkommen für den Schutz der Menschenrechte der UNO, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ratifiziert. Auch das Abkommen zur Beendigung aller Formen von Rassendiskriminierung wurde vom Iran ratifiziert. Auch wenn Iran zu diesem Zeitpunkt von einem demokratischen Rechtsstaat weit entfernt war, für die Zivilgesellschaft war die völkerrechtliche Einbindung des Iran in die UNO-Menschenrechtsabkommen von immenser Bedeutung.

      Damit war 1979 Schluss, die Islamische Republik Iran tötete seit ihrer Gründung tausende Andersdenkende willkürlich, bis heute nimmt die staatliche Gewalt gegen ihre Bürger kein Ende, wie die aktuelle grausame Hinrichtungswelle belegt.

      Die Islamische Republik Iran bekennt sich aber bis heute immer wieder aufs Neue zu den UN-Menschenrechtskonventionen. Der Iran ratifizierte seither sogar weitere UN-Menschenrechtsabkommen. Bis heute hat der Iran aber weder

       

      Und wir wissen warum!
      Kein anderer Staat bricht seit der Gründung der Islamischen Republik 1979 so offen und schamlos die UNO-Menschenrechtskonventionen wie der Iran.

      Seit 1985 verabschiedet die Generalversammlung der Vereinten Nationen nahezu jährlich eine Resolution zur kritischen Situation der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran, obwohl Resolutionen nur in seltenen und gravierenden Fällen beschlossen werden.

      Nun hat der UN-Menschenrechtsrat am 24.11.2022 eine unabhängige Untersuchung des gewaltsamen Vorgehens der Behörden gegen die Demonstranten im Iran beschlossen. 25 der 47 Mitgliedstaaten stimmten auf einer Sondersitzung des Rats in Genf für eine von Deutschland und Island eingebrachte Resolution.   Nun soll eine unabhängige internationale Untersuchungsmission Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentieren und Beweise für eine mögliche Strafverfolgung der Verantwortlichen sammeln.

      Geradezu unglaublich ist die Tatsache, dass Iran, zum Vorsitzenden des Sozialforums 2023 des UN-Menschenrechtsrats gewählt wurde. Wie es am 10.Mai 2023 bekannt gemacht wurde, soll Ali Bahreini, Botschafter und Ständiger Vertreter der Islamischen Republik bei den Vereinten Nationen im November 2023 den Vorsitz des Sozialforums des UN-Menschenrechtsrats (UNHCR) übernehmen. Wirklich, ist das zu glauben? Das iranische Regime, Urheber massiver Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen übernimmt den Vorsitz eines UNHCR-Forums? Diese Entscheidung ist ein Hohn und eine Beleidigung der iranischen Bürger und Bürgerinnen, die ihre Bürger- und Menschenrechte einfordern und hierbei ihr Leben riskieren.

      Die Anwaltschaft verurteilt die Anschläge auf die Ausübung des Rechts auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit, das Recht auf Leben sowie auf körperliche Unversehrtheit!

      Die Anwaltschaft fordert von der iranischen Justiz die Einhaltung elementarer justizieller Mindeststandards zum Schutz der Gefangenen!

      Wir Anwälte fordern die Einrichtung eines unabhängigen und unparteiischen UN-Mechanismus, um die Menschenrechtsverletzungen im Iran zu untersuchen. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Denn Straflosigkeit verhindert Gerechtigkeit. Allen bereits erfolgten gewalttätigen Aktionen der Sicherheits- und Justizbehörden im Iran muss unabhängig nachgegangen werden. Jedem Opfer von Gewalt während der Proteste im Iran muss justizielle Gerechtigkeit zukommen und zwar durch Gerichte, die vom Regime unabhängig sind!

      Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

      Zan Zendegi Azadi!
      Frau Leben Freiheit!

      Redebeitrag als PDF
      Flyer der Kundgebung

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      Iran
      news-945Wed, 17 May 2023 11:43:42 +0200Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-kompromisse-auf-kosten-des-fluechtlingsschutzes-945Appell an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, 17.5.23Europaweit arbeiten politische und gesellschaftliche Strömungen auf die weitgehende Abschaffung des Flüchtlingsschutzes hin. Sie stellen die Allgemeingültigkeit von Menschenrechten, rechtsstaatlichen Grundsätzen und europäischen Werten infrage. Gleichzeitig beobachten wir einen massiven Anstieg und die billigende Inkaufnahme von gewaltsamen und menschenunwürdigen Handlungen gegenüber Schutzsuchenden, insbesondere an den Außengrenzen der Europäischen Union. Verstöße gegen geltendes Recht werden teils gar nicht mehr oder nur unzureichend verfolgt.

      Die unterzeichnenden Organisationen sind enttäuscht über die am 28. April 2023 öffentlich gewordene deutsche Position der Bundesregierung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Anstatt sich dem Trend der Entwertung europäischer Grund- und Menschenrechte und der Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze entschieden entgegenzustellen, signalisiert die Regierung mit ihrer Position die Bereitschaft, diesen Weg um jeden Preis mitzugehen. Damit gerät sie in eklatanten Widerspruch zu zentralen Versprechen des Koalitionsvertrags.(1)

      Durch die beabsichtigte Zustimmung der Regierung zu verpflichtenden Grenzverfahren ist zu erwarten, dass Standards bei der Prüfung von Schutzgesuchen in der EU so stark abgesenkt werden, dass keine fairen Verfahren mehr zu erwarten sind – zumal diese in Kombination mit der Anwendung des Konzepts der “Fiktion der Nicht-Einreise" absehbar unter Haft oder haftähnlichen Bedingungen erfolgen werden. Unterstützt die Ampel-Koalition die Absenkung der Anforderungen an sogenannte „sichere Drittstaaten”, bricht sie ihr Versprechen, jedes Asylgesuch inhaltlich zu prüfen. Asylanträge könnten so pauschal als unzulässig abgelehnt und Schutzsuchende ohne inhaltliche Prüfung ihres Schutzbegehrens in einen Drittstaat abgeschoben werden. Das bedeutet einen Rückzug aus dem Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union, vergleichbar mit dem deutschen Asylkompromiss vor dreißig Jahren.

      Die aktuellen Reformvorschläge rütteln nicht nur an den Grundfesten des Rechtsstaates, sondern werden auch bereits existierende Probleme des europäischen Asylsystems noch verschärfen. Die Verantwortung für die Durchführung von Asylverfahren bliebe weitgehend bei den Außengrenzstaaten, was schon jetzt zu ihrer Überlastung und der Nichtanwendung von bestehenden Regelungen, zu starken Verzögerungen beim Zugang zum Schutz sowie zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen führt. Lediglich geringfügige Veränderungen an einem dysfunktionalen System können daran nichts ändern. Stattdessen sollte lieber durch Deutschland mit Nachdruck an einer solidarischen Aufnahme von Ankommenden in der EU gearbeitet werden, welche die Rechte und Bedürfnisse der Schutzsuchenden stärker in den Mittelpunkt stellt.

      Im Vorfeld des kommenden Treffens der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 appellieren wir an die Bundesregierung, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen:

      1. Für menschenwürdige und faire Asylverfahren: Keine verpflichtenden Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen!
      2. Für  Flüchtlingsschutz  in  der  Europäischen  Union:  Keine  Absenkung  der Anforderungen an “sichere Drittstaaten”!
      3. Für echte Solidarität in der Flüchtlingsaufnahme: Keine Weiterführung des gescheiterten Dublin-Systems!
         

      Menschenwürdige und faire Asylverfahren statt verpflichtende Grenzverfahren

      Die Ausweitung der Grenzverfahren, die mit dem Vorschlag der Asylverfahrensverordnung verpflichtend werden sollen, lässt erwarten, dass sich die humanitären Missstände an den EU- Außengrenzen noch verschärfen und der Flüchtlingsschutz durch absehbare Verfahrensmängel weiter untergraben wird. Schon heute sind Asylverfahren an den Grenzen mit systemischen Mängeln behaftet. In den geschlossenen Lagern auf den griechischen Inseln beispielsweise besteht weder eine ausreichende medizinische Versorgung noch haben Anwältinnen und Anwälte gesicherten Zugang zu den Menschen. Die Qualität und damit die Rechtssicherheit der Verfahren leiden, wenn Personen innerhalb kürzester Zeit und unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Fluchtgründe vortragen müssen. Das Erzählen einer Verfolgungsgeschichte bedarf des Vertrauens und eines geschützten Raumes – dies ist in Grenzverfahren in der Regel nicht möglich.

      In Kombination mit der Fiktion der Nicht-Einreise werden Grenzverfahren zudem voraussichtlich zu Inhaftierungen an den EU-Außengrenzen führen. Dass die Bundesregierung Minderjährige von der Haft ausnehmen will, ist zu begrüßen, reicht jedoch nicht. Denn die Inhaftierung von Schutzsuchenden allein aufgrund ihres Schutzgesuches ist menschenrechtlich grundsätzlich nicht hinnehmbar, auch und insbesondere, weil dies gegen die Grundfeste der Genfer Flüchtlingskonvention verstößt.

      Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, gegen die Einführung von verpflichtenden Grenzverfahren zu stimmen.(2)

      Flüchtlingsschutz in der EU sicherstellen – keine Auslagerung in Drittstaaten

      Die größte Gefahr für den Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union liegt in dem Vorschlag, die Anwendung des Konzepts von „sicheren Drittstaaten“ auszuweiten und die Anforderungen hinsichtlich des anzuwendenden Schutzes im Drittstaat abzusenken. Schutzsuchende könnten dann ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in ein außereuropäisches Land abgeschoben werden, in dem sie möglicherweise nicht in allen Landesteilen sicher sind oder zu dem sie gar keine Verbindung haben. Flüchtlingsschutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention müsste dort ebenfalls nicht gewährt werden – nach der deutschen Position soll der Schutz zwar im Wesentlichen der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen und eine Verbindung zu dem Land soll bestehen, gemäß anderer im Rat diskutierter Vorschläge liegen die Anforderungen an den Schutz jedoch weit unter diesem Niveau. Setzt sich ein solcher Vorschlag durch, wird dies voraussichtlich massiv die Gefahr völkerrechtswidriger Kettenabschiebungen in Herkunftsländer wie Syrien oder Afghanistan erhöhen.

      Ein Missbrauch des Konzepts der “sicheren Drittstaaten”, der Menschen mit ernstzunehmenden Schutzgründen von der inhaltlichen Asylprüfung von vornherein ausschließt, lässt sich bereits unter den derzeitigen viel strengeren Vorgaben beispielsweise in Griechenland beobachten.(3)

      Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, gegen eine Erweiterung des Konzepts der “sicheren Drittstaaten” zu stimmen.

      Echte Solidarität statt Weiterführung eines gescheiterten Systems

      Die anhaltende Solidaritätskrise innerhalb der EU und die unfairen Zuständigkeitsregelungen der Dublin-Verordnungen – insbesondere das Ersteinreisekriterium – führen   dazu, dass Mitgliedstaaten  bestehende  Regelungen  nicht  anwenden  und  versuchen,  immer  mehr Verantwortung an Nicht-EU-Länder auszulagern. Die aktuellen Reformvorschläge verstärken die Schwachstellen des gescheiterten Zuständigkeitssystems. Das gilt auch für den deutschen Vorschlag, die Zeit für eine innereuropäische Rücküberstellung an den zuständigen Mitgliedstaat von sechs auf zwölf Monate zu verdoppeln. Derartige Vorschläge verlegen mehr Verantwortung auf die Außengrenzstaaten und sind unsolidarisch. Vor allem gehen sie hauptsächlich zu Lasten der Schutzsuchenden, die noch länger auf die inhaltliche Prüfung ihres Asylantrags in der EU warten müssen. Anstatt ein dysfunktionales System neu aufzulegen, sollte an einem tatsächlich solidarischen Aufnahmemechanismus gearbeitet werden. Entscheidend für einen neuen Mechanismus der Verantwortungsteilung ist aber, dass sich sowohl die einzelnen EU- Mitgliedstaaten als auch die Schutzsuchenden darin wiederfinden können. Er muss auch die Interessen und Verbindungen der betroffenen Menschen berücksichtigen und nach Anerkennung des Schutzgesuchs innerhalb der EU frühestmöglich Freizügigkeit erlauben.

      Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, gegen eine Weiterführung des derzeitigen Dublin-Systems und für eine solidarische Aufnahme in allen Mitgliedstaaten der EU, die auch die Bedürfnisse der Betroffenen stärker in den Blick nimmt, zu stimmen.

      Fußnoten

      (1) Dort heißt es: „Wir wollen die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden”, „Wir wollen bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren und bei der Integration in den EU-Staaten“,„Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden.

      (2)  Im Übrigen würde eine staatliche Verpflichtung, Grenzverfahren einzuführen, auch eine komplette Neuregelung des im Aufenthaltsrecht verankerten deutschen Flughafenverfahrens nach sich ziehen, inklusive einer Neubewertung, ob für das Flughafenverfahren ein Haftantrag erforderlich ist.

      (3) Siehe Offener Brief von 15 NGOs an die griechischen Asylbehörden, die Minister für Migration und Asyl und für Auswärtige Angelegenheiten sowie die EU-Kommission: “European Commission dispels Greece’s designation of Türkiye as a “safe third country” for refugees – Repeal the national list of safe third countries”, verfügbar unter: https://rsaegean.org/wp-content/uploads/2022/10/2022-10-27_SafeThirdCountry_CSO-Letter-1.pdf.

       

      Unterzeichnende Organisationen, Stand 16.5.2023

      Bundesebene

      Ärzte ohne Grenzen e.V.
      Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
      Amnesty International Deutschland e.V.
      Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
      AWO Bundesverband e.V.
      borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
      Brot für die Welt
      Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.
      Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL
      Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V.
      Der Paritätische Gesamtverband
      Deutscher Caritasverband e.V.
      Diakonie Deutschland
      Deutscher Frauenrat e.V.
      ECCHR: European Center for Constitutional and Human Rights
      Equal Rights Beyond Borders e.V.
      FORUM MENSCHENRECHTE – Netzwerk deutscher Menschenrechtsorganisationen
      GGUA Flüchtlingshilfe e.V.
      IPPNW e.V. - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung
      Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
      JUMEN e.V. - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland
      KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
      #LeaveNoOneBehind
      medico international
      misereor e.V.
      MISSION LIFELINE International e.V.
      Neue Richtervereinigung
      Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.
      pax christi - Deutsche Sektion e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      RESQSHIP e.V.
      SOS MEDITERRANEE
      r42 - Sail and Rescue Sea-Eye e.V.
      Sea-Watch
      Seebrücke
      SOS Humanity
      terre des hommes
      United4Rescue – Gemeinsam retten e.V.
      World Vision Deutschland e.V

      Landesebene

      Diakonie Baden
      Diakonie Württemberg
      Die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Baden
      Die Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche
      Diakonie Hessen. Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen- Waldeck e.V.
      Evangelische Kirche im Rheinland
      Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
      Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
      fluchtpunkt – kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge, Hamburg
      Flüchtlingsräte der Bundesländer
      Lippische Landeskirche
      Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
      Zuflucht – Ökumenische Ausländerarbeit e.V.

      Appell als PDF

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      EuropaMigration & Asyl
      news-944Tue, 16 May 2023 12:50:16 +020030 Jahre Holtfort-Stiftung<br />Verleihung der Holtfort-Preise für die Jahre 2021, 2022 und 2023/publikationen/mitteilungen/mitteilung/30-jahre-holtfort-stiftungverleihung-der-holtfort-preise-fuer-die-jahre-2021-2022-und-2023-944Samstag, 10. Juni 2023. Leibnizhaus, Holzmarkt 4-6, 30159 HannoverSeit 1995 wird der Werner-Holtfort-Preis für eine juristisch und bürgerrechtlich herausragende Leistung vergeben, mit der – und sei es im Einzelfall – Bürger- und Menschenrechte verteidigt werden. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Bildung junger und der Fortbildung erfahrener Rechtsanwält*innen. Die Bildung und Fortbildung steht in der Tradition des Kampfes um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht. Förderung und Würdigung gehen miteinander einher.

      PROGRAMM am 10.6.2023

      11:00   Ankunft der Gäste

      11:30   Begrüßung, Rechtsanwalt Benjamin Hersch, Vorsitzender der Holtfort-Stiftung

      11:40   Vortrag: Erinnerungen an Werner Holtfort, Dr. Sylvia Remé, Hannover

      12:00   Verleihung des Holtfort-Preises an die drei Preisträger*innen

      Preisträger*innen 2021
      Refugee Law Clinics Deutschland e.V., Hamburg
      Laudatio: Waltraut Verleih, Rechtsanwältin und Mediatorin (RAV e.V.), Frankfurt/M.

      Preisträger*innen 2022
      Lawyers4Future e.V., Berlin
      Laudatio: Prof. Dr. Claudio Franzius, Universität Bremen, Professur für Öffentliches Recht, insbes. Verwaltungsrecht und Umweltrecht, Bremen

      Preisträger*innen 2023
      Inhaftierte iranische Anwaltskolleg*innen Mostafa Nili | Arash Keykhosravi | Amirsalar Davoudi | Mohammad Najafi | Saeid Ataei Kachooei | Giti Šafi'i, alle Iran
      Laudatio: Rechtsanwältin Nasrin Karimi (RAV e.V.), Berlin

      12:20   Erwiderung der Preistragenden

      12:40   Schlusswort, Prof. Dr. Christian Wolf (Ko-Vorsitzender der Holtfort-Stiftung)

      13:00   Buffet und Ausklang des Tages (16:00 Uhr)

      Moderation: Dr. Lukas Theune (RAV e.V.), Berlin

      Kontakt:
      Volker Eick: volker.eick@rav.de, mobil: 01522.1614 306
      Benjamin Hersch: hersch@kanzlei-moeckernkiez.de, mobil: 0163.2535687

      Termin und Ort
      Samstag, 10. Juni 2023
      Leibnizhaus, Holzmarkt 4-6, 30159 Hannover

      Anreise: Vom Hauptbahnhof: Nehmen Sie die U-Bahnen 3, 7 oder 9 (Richtung Wettbergen, Empelde) und steigen Sie an der 2. Station (Markthalle/ Landtag) aus. Verlassen Sie die U-Bahn-Station in Richtung Marktkirche. Gehen Sie nach der Marktkirche links in die Kramerstraße. Am Ende der Straße finden Sie den Holzmarkt, den Brunnen und die historische Fassade des Leibnizhauses.

      Bitte beachten Sie, dass die Deutsche Bahn AG Reparaturarbeiten an der Verbindung nach Hannover aus Richtung Osten und Norden vornimmt; prüfen Sie daher bitte die aktuellen Fahrverbindungen!

      Informationen zu den preistragenden Organisationen und Personen können dieser PDF entnommen werden

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      VeranstaltungenHoltfort-Preis
      news-943Fri, 12 May 2023 12:45:53 +0200Präsentation des Grundrechte-Reports 2023/publikationen/mitteilungen/mitteilung/praesentation-des-grundrechte-reports-2023-943Presseeinladung, 23.5.23 um 10h in BerlinDie Teilnahme an der Präsentation ist per Videokonferenzsystem oder im Haus der Demokratie, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, möglich. Um eine vorherige Anmeldung bei der Teilnahme im Haus der Demokratie wird gebeten.
      grr@humanistische-union.de

      Der Grundrechte-Report 2023 thematisiert verfassungsrechtlich relevante Fragen aus dem vergangenen Jahr, die zugleich von aktueller Bedeutung sind. Hierzu gehören grundrechtliche Auswirkungen der Maßnahmen anlässlich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die wachsende Armut in Deutschland. Darüber hinaus werden im Report tödliche Polizeigewalt, rassistische Polizeikontrollen und Grundrechtsverletzungen an geflüchteten Menschen thematisiert sowie Einschnitte in die informationelle Selbstbestimmung und Probleme in der deutschen Justiz besprochen.

      Vorgestellt wird der Report in diesem Jahr von Susanne Baer, die bis Anfang des Jahres Richterin des Bundesverfassungsgerichts war. Sie ist Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin.

      Eine Aktivist*in der „Letzten Generation“ wird von ihren Erfahrungen mit dem staatlichen Umgang mit Aktionen der Klimaaktivist*innen berichten. Die exzessive Verhängung von Präventivgewahrsam gegen Klimaaktivist*innen etwa in Bayern wird im Grundrechte-Report als nicht mehr mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar kritisiert.

      Für die Redaktion des Grundrechte-Reports wird Benjamin Derin sprechen. Er ist Rechtsanwalt und Mitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV).

      Die Mitherausgeberin des Grundrechte-ReportsLea Welsch wird als Teil der Redaktion die Präsentation moderieren. Sie ist Rechtsanwältin und Mitglied des Bundesvorstandes der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ).

      Seit mehr als fünfundzwanzig Jahren erscheint der „Grundrechte-Report: Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland“. Die 38 Einzelbeiträge im 27. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2022. Der Report analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

      Informationen zur Teilnahme und Möglichkeiten für Fragen an das Podium: Bei Interesse an einer Teilnahme an der Videokonferenz oder im Haus der Demokratie (begrenzte Kapazität), melden Sie sich bitte bis zum 22. Mai 2023 an unter grr@humanistische-union.de.

      Rezensionsexemplare (auch als Pdf) zu Pressezwecken können vorab über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an die Geschäftsführerin der HU, Carola Otte, unter 030 -2045 0256 oder info@humanistische-union.de.

      Grundrechte-Report 2023 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland (FISCHER Taschenbuch Verlag). Herausgegeben von: Rolf Gössner, Rosemarie Will, Britta Rabe, Benjamin Derin, Wiebke Judith, Sarah Lincoln, Lea Welsch, Rebecca Militz, Max Putzer, Rainer Rehak.

      ISBN 978-3-596-70882-6

      Der Grundrechte-Report 2023 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte

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      Grundrechte
      news-942Tue, 09 May 2023 16:33:01 +0200Erklärung des RAV aus Anlass des Flüchtlingsgipfels am 10.5.23/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erklaerung-des-rav-anlaesslich-des-fluechtlingsgipfels-am-10523-942Pressemitteilung 3/23 vom 9.5.23Wir lehnen die de facto Abschaffung des Asylrechts durch die Ampel ab.

      Mit den Beschlussvorschlägen zum Europäischen Asylrecht aus dem Bundeskanzleramt bricht die Ampelkoalition mit dem bisherigen Konsens der Politik in Deutschland nach 1945.
      Die Lehre aus dem Faschismus war die Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 16a Grundgesetz.

      Nun ist die einzige Antwort der Ampel:
      - Abschottung nach Außen,
      - Ausweitung der Repression in Hinblick auf Ankerzentren und
      - Abschiebehaft im Inneren.

      Es geht hier nicht um Ideologie, sondern um unsere Unmenschlichkeit, die sich zeigt im Umgang mit Schutzsuchenden.
      Es geht hier darum, dass wir das Recht beliebig relativieren, je nachdem, wer es in Anspruch nimmt.

      Dieses Unrecht greift die Grundlagen unserer Gesellschaft an. Kein Kompromiss kann dies rechtfertigen. Es ist Zeit, andere Wege zu gehen, statt immer wieder gescheiterte Abschottungsstrategien zu verfolgen.

      Zum morgigen Flüchtlingsgipfel fordern wir ein Ende der Zwangskasernierung von schutzsuchenden Menschen und die Streichung der Arbeitsverbote. Statt Symbolpolitik, wie die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, braucht es einen Aufbruch, der die Unteilbarkeit der Welt und die nicht nach Herkunft und Identität relativierte Menschenwürde ins Zentrum politischen Handelns rückt.

      Die Vertretung von egoistischen Partikularinteressen und staatliche Aufrüstung, Gewalt und Abschottung von Schutzsuchenden ist eine rückwärtsgewandte Politik, die wir ablehnen.

      ------------

      Interviewanfragen können über die Geschäftsstelle vermittelt werden: 030.417 235 55 / kontakt@rav.de

      PM als PDF

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-940Tue, 04 Apr 2023 16:14:32 +0200Recht für alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-solidarische-rechtskaempfe-in-krisenzeiten-2-940Rechtspolitischer Kongress, 16./17.6.23 in LeipzigWir laden alle Kolleg*innen, Jurist*innen und rechtspolitisch interessierte Menschen ein, mit uns gemeinsam zwei Tage lang zu diskutieren, sich auszutauschen und zu feiern.

      Alle Informationen finden sich auf dieser RAV-Kongress-Website: https://www.rav-kongress.de/

      Beginnen wollen wir am Freitagabend mit einer Auftaktveranstaltung, auf der wir uns – auch anhand der Geschichte des RAV – mit der Entwicklung emanzipatorischer Rechtskämpfe beschäftigen wollen. Ende der 70er Jahre, als der RAV gegründet wurde, ging es in erster Linie um juristische Abwehrkämpfe gegen staatliche Zumutungen und Sanktionen, um den Kampf für eine freie Advokatur und gegen die Einschränkung individueller Freiheitsrechte. Und wo stehen wir heute, was hat sich mittlerweile verändert? Angesichts etwa der zunehmenden sozialen Ungleichheit und der Zuspitzung der Klimakrise sehen wir uns immer mehr in einem Selbstverständnis und einer Rolle, bei der es um die Notwendigkeit des Gestaltens und des Durchsetzens von kollektiven Rechten, des solidarischen Kampfes um Rechte und Teilhabe an Rechten für alle geht. Neben die Abwehr staatlicher Eingriffe und Übergriffe tritt proaktiv, dass wir Erwartungen an den Staat haben und eigene Forderungen stellen.

      Am Kongress-Samstag wollen wir in verschiedenen Formaten, hauptsächlich interaktiven Workshops, aktuelle Rechtskämpfe um das Recht und den Zugang zum Recht sichtbar machen, unsere Rollen und Bündnisse reflektieren, uns austauschen und für gemeinsame Kämpfe vernetzen. 

      In insgesamt 24 Workshops und anderen Gesprächsformaten geht es um feministische Rechtskämpfe, Antidiskriminierung und Zugang zum Recht, Migrationsrecht und institutionalisierten Rassismus, Rechtskämpfe außerhalb der Bundesrepublik, Strategien gegen entgrenzte Staatsgewalt, Perspektivenwechsel auf das Recht, anwaltliche Arbeit und soziale Bewegungen sowie anwaltliche politische Vernetzung, aber auch Streikrecht, die juristische Ausbildung, Berufsverbote, Strafvollzug und gendergerechte Sprache. Die Workshops werden von kritischen Jurist*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, juristischen Aktivist*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen gemeinsam angeboten.

      Und am Samstagabend soll sich der Kreis in einer weiteren größeren Diskussion schließen. Hier wollen wir uns – ausgehend von der beschriebenen Entwicklung von einem Abwehrkampf für den Erhalt individueller Freiheitsrechte zu offensiven Forderungen für ein solidarisches Recht – mit der Entwicklung eines (Menschen-)Rechtsverständnisses beschäftigen, welches nicht stehen bleibt bei rein individuellen Schutzrechten für den*die Einzelne*n, sondern kollektive Forderungen nach Teilhabe, nach Gleichstellung und Antidiskriminierung sowie dem Schutz der Lebensgrundlagen für alle erhebt und dazu beiträgt, strukturelle Veränderungen zu bewirken.

      Jetzt anmelden! Wir freuen uns auf Euch!

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      RAVVeranstaltungen
      news-937Wed, 22 Mar 2023 17:46:00 +0100RAV übernimmt Patenschaft für iranischen Menschenrechtsanwalt<br />Wir setzen uns für die Freiheit von Amirsalar Davoudi ein/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-uebernimmt-patenschaft-fuer-iranischen-menschenrechtsanwaltwir-setzen-uns-fuer-die-freiheit-von-amirsalar-davoudi-ein-937Pressemitteilung 2/23 vom 20.3.2023Amirsalar Davoudi ist einer der renommiertesten iranischen Rechtsanwälte, der sich gegenwärtig in Haft befindet. Er hat eine Vielzahl von politischen Gefangenen vor Gericht verteidigt. In seinen Schriften und Vorträgen, die in Zeitschriften, auf Webseiten und in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden, hat er das Justizsystem und die Politik des Islamischen Regimes in Teheran kritisiert sowie für Bürger*innen- und Menschenrechte gestritten.

      15 Jahre Haft wegen Einsatz für die Menschenrechte

      Amirsalar Davoudi wurde am 20. November 2018 festgenommen und im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert. Am 31. Mai 2019 wurde er vom Islamischen Revolutionsgericht in Teheran zu 15 Jahren Haft, 111 Peitschenhieben, einer hohen Geldstrafe und zwei Jahren Entzug aller sozialen Bürgerrechte verurteilt. Nachdem er im Juni 2021 – nach zwei Jahren und sieben Monaten in Haft – vorübergehend auf Kaution freigelassen wurde, ließ ihn das Regime am 26. Juni 2022 erneut verhaften. Er konnte sich nicht von seiner Frau und seiner Tochter verabschieden.

      Der RAV fordert, Amirsalar Davoudi und alle anderen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die im Iran inhaftiert sind, freizulassen. Unser Kollege Davoudi steht stellvertretend für eine Vielzahl von Kolleg*innen, die vom iranischen Regime wegen ihres Einsatzes für ihre Mandant*innen und für die Menschenrechte verfolgt und eingesperrt sind. Zurzeit befinden sich neben Davoudi noch sechs weitere Rechtsanwält*innen – die Kolleg*innen Arash Kaykhosravi, Mostafa Nili, Saeid Ataei Kachooei, Mohammad Najafi und Giti Shafi’i – im Gefängnis (Stand 28. Februar 2023). Auch deren Freilassung fordert der RAV. Unsere Forderungen werden wir gegenüber dem iranischen Justizministerium und der iranischen Botschaft vertreten.

      Zum Hintergrund

      Unser Kollege Amirsalar Davoudi wurde am 21. Juni 1981 geboren. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.
      Er ist Mitglied der Iranischen Anwaltskammer (Iranian Bar Association, IBA) sowie der Menschenrechtskommission der Teheraner Anwaltskammer. Davoudi hat zahlreiche politische Angeklagte verteidigt, darunter die Frauenrechtlerin Aliyeh Motallebzadeh und Angehörige der Bahá’í-Gemeinde, die aufgrund ihrer Religion im Iran verfolgt und diskriminiert werden.
      Zu seinen Mandant*innen gehörte auch der zunächst zum Tode verurteilte und später zu jahrelanger Haft verurteilte Journalist und Blogger Soheil Arabi, dem vorgeworfen wurde, er habe sich durch gewisse Äußerungen der Häresie schuldig gemacht und sei vom islamischen Glauben abgefallen. In den letzten Jahren vor seiner Inhaftierung wurde Davoudi zu einem der bedeutendsten Anwälte im Iran.
      Seine Tätigkeit ging über die Verteidigung der Rechte seiner Mandant*innen weit hinaus. In den sozialen Netzwerken klärte Amirsalar Davoudi die iranische Bevölkerung über ihre Bürger*innenrechte auf und bot Beratungen an. Zudem äußerte er sich kritisch zur Todesstrafe und zur iranischen Justiz. Vor allem seine Veröffentlichungen wurden zum Anlass für seine Verfolgung und Verurteilung genommen.

      Verhaftung von Amirsalar Davoudi

      Davoudi wurde im November 2018 von Geheimdienstagenten in seinem Büro verhaftet und ins Evin-Gefängnis verbracht. Am 31. Mai 2019 wurde er vom Islamischen Revolutionsgericht in Teheran wegen »Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten«, »Bildung einer Gruppe zum Umsturz der Ordnung« und »Beleidigung der Staatsgewalt« zu 15 Jahren Haft, 111 Peitschenhieben, einer Geldstrafe von 60 Millionen Rial (mit Stand 2021: ca. 1.500 Dollar) und zwei Jahren Entzug aller sozialen Bürgerrechte verurteilt. Der Entzug aller sozialen Bürgerrechte bedeutet, dass es ihm verboten ist, für politische Ämter zu kandidieren oder in Bildungs- oder journalistischen Institutionen beschäftigt zu sein.
      Am 13. April 2021 wurde Davoudi ins Gohardasht-Gefängnis in Karaj verlegt. Einen Tag später akzeptierte der Oberste Gerichtshof einen Antrag Davoudis auf Wiederaufnahme des Verfahrens, woraufhin er am 13. Juni 2021 gegen Zahlung einer Kaution von 20 Milliarden Rial (Stand 2021, ca. 470.000 Dollar) vorübergehend freigelassen wurde. Davoudi wurde am 26. Juni 2022 erneut verhaftet, er durfte sich nicht von seiner Frau oder Tochter verabschieden. Sein Wiederaufnahmeantrag wurde abgelehnt, das ursprüngliche Urteil bestätigt.

      Haftbedingungen

      Zu Beginn seiner Haft wurde Davoudi kein Rechtsbeistand gewährt, und er wurde sechseinhalb Monate in Einzelhaft gehalten. Erst später wurde er mit drei weiteren Gefangenen in einer kleinen Zelle zusammengelegt. Auch der Kontakt zu seiner Familie wurde während seiner Inhaftierung radikal unterbunden, so hatte er bis zu seinem Prozess keinen persönlichen Kontakt zu seiner Ehefrau oder Tochter.
      Um den Druck auf den Menschenrechtsanwalt zu erhöhen und mehr über seine Arbeit herauszufinden, wurde auch seine Frau verhört. Am 9. Februar 2020 wandte Davoudi sich in einem Offenen Brief an die iranische Bevölkerung und kündigte an, in einen Hungerstreik zu treten, um auf seine Rechte als politischer Gefangener aufmerksam zu machen und gegen die Ablehnung seines Antrags auf Hafturlaub zu protestieren. Davoudi beendete seinen Hungerstreik am 19. Februar 2020, Hafturlaub wurde ihm nicht gewährt. Am 17. März 2021 begann der Anwalt einen erneuten Hungerstreik aus Protest gegen die vermehrte Verlegung politischer Gefangener in normale Gefängnisse, in denen Familienbesuche noch größeren Einschränkungen unterliegen.

      Amirsalar Davoudi ist kein Einzelfall

      In den letzten Jahren wurden mehrere unserer Kolleg*innen von der Justiz des Irans verhaftet und verurteilt. Unter den Verurteilten finden sich u. a. die Namen von Nasrin Sotoudeh und Mohammad Najafi. Die beiden Anwält*innen wurden zu je 12 bzw. 14 Jahren Haft verurteilt, weil sie die Rechte von politischen Gefangenen vertreten haben.
      Uns sind die Namen von 66 weiteren Kolleg*innen bekannt, die in den letzten Jahren im Iran wegen ihres Einsatzes für ihre Mandant*innen und für die Menschenrechte verhaftet worden sind. Auch wenn der Großteil wieder entlassen wurde, zeigt diese Praxis der iranischen Repressionsorgane, wie gefährdet die Arbeit unserer Kolleg*innen ist.

      Kontakt: Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und RAV-Vorstandsvorsitzender: info@dka-kanzlei.de oder Tel. 030-446 79 20

      Die Patenschaft ist mit Unterstützung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (www.igfm.de) entstanden.

      Die Pressemitteilung als PDF

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      IranBürger- und Menschenrechte
      news-939Wed, 22 Mar 2023 17:37:34 +0100"Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-solidarische-rechtskaempfe-in-krisenzeiten-1-939Rechtspolitischer Kongress des RAV am 16./17. Juni 2023 in Leipzig; Save the dateOb Du für eine Nichtregierungsorganisation arbeitest, Rechtsanwält*in oder Aktivist*in bist oder noch in der juristischen Ausbildung steckst - wir laden alle interessierten Personen herzlich ein, mit uns gemeinsam zwei Tage lang zu diskutieren, sich fortzubilden, zu vernetzen und auch zu feiern.

      Beginnen wollen wir am Freitagabend mit einer Auftaktveranstaltung, auf der wir uns – auch anhand der Geschichte des RAV – mit der (Fort)Entwicklung emanzipatorischer Rechtskämpfe beschäftigen.

      Ende der 70er Jahre, als der RAV gegründet wurde, ging es in erster Linie um juristische Abwehrkämpfe gegen staatliche Zumutungen und Sanktionen, um den Kampf für eine freie Advokatur und gegen die Einschränkung individueller Freiheitsrechte.

      Wo stehen wir heute, was hat sich mittlerweile verändert? Angesichts etwa der zunehmenden sozialen Ungleichheit und der Zuspitzung der Klimakrise sehen wir uns als RAV immer mehr in einem Selbstverständnis und einer Rolle, bei der es um die Notwendigkeit des Gestaltens und des Durchsetzens von kollektiven Rechten, des solidarischen Kampfes um Rechte und Teilhabe an Rechten für alle geht. Neben die Abwehr staatlicher Eingriffe und Übergriffe tritt proaktiv, dass wir Erwartungen an den Staat haben und eigene Forderungen stellen.

      Was für ein Programm erwartet Dich genau?

      Nach dem Auftakt am Freitagabend wollen wir am Kongress-Samstag in insgesamt 24 interaktiven Workshops und Gesprächsformaten aktuelle Rechtskämpfe um das Recht und den Zugang zum Recht sichtbar machen, unsere Rollen und Bündnisse reflektieren, und uns für gemeinsame Kämpfe vernetzen.
      Die Themen beinhalten u.a.:

      Die Workshops und Panels werden von kritischen Jurist*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen, juristischen Aktivist*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen gemeinsam angeboten.

      Am Samstagabend soll sich der Kreis in einer weiteren größeren Diskussion schließen. Hier wollen wir uns - ausgehend von der beschriebenen Entwicklung von einem Abwehrkampf für den Erhalt individueller Freiheitsrechte zu offensiven Forderungen für ein solidarisches Recht - mit der Entwicklung eines (Menschen-)Rechtsverständnisses beschäftigen, welches nicht stehen bleibt bei rein individuellen Schutzrechten für den*die Einzelne*n, sondern kollektive Forderungen nach Teilhabe, nach Gleichstellung und Antidiskriminierung sowie dem Schutz der Lebensgrundlagen für alle erhebt und dazu beiträgt, strukturelle Veränderungen zu bewirken.

      Im Anschluss an diese Veranstaltung werden wir den Kongress mit einer ausgelassenen Party beenden.

      Unter http://www.rav-kongress.de findest Du bald (geplant ist Ende März und Anmeldungen ab 6. April) weitergehende Infos zum Programm, Ort, der Anmeldung u.v.m.

      Wir freuen uns auf Deine Teilnahme!

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      RAVVeranstaltungen
      news-938Mon, 20 Mar 2023 13:00:00 +0100Joint declaration on the 7th year of EU-Turkey Statement/publikationen/mitteilungen/mitteilung/joint-declaration-on-the-7th-year-of-eu-turkey-statement-93818.3.2023March 18 2023 marks the 7th anniversary of the 2016 EU-Turkey Statement. In 2016, Turkey assumed the role of the European Union’s border guard. It received billions of Euros from the EU on the condition that it held migrants in Turkey and received those who were deported back. Turkey, however, did not hesitate to exploit this position, using migrants as a threat and, when necessary, as leverage against the EU.

      On February 6 2023, following the earthquakes in Turkey, living conditions for migrants have deteriorated. Increasing racism has led to violent attacks against migrants; for this reason, the earthquake-affected areas can no longer be considered safe for migrants. As aid policies have excluded migrants from the relief system, migrants have difficulties accessing even basic necessities such as drinking water or shelter. Migrants have been labeled as "looters", and there have been reports that members of Arabic-speaking communities in the region have been the target of racially-motivated mob attacks. Representatives of the Turkish state publicly use anti-migrant rhetoric and promote racist sentiment. Further, migrants who survive the attacks may be tortured by law enforcement officers, as has been reported by legal and rights-based organizations working in the region.

      The February 6 earthquake affected at least 10 cities in Turkey. These cities also host the highest percentage population of migrants compared to the local population. Migrants, who already constitute one of the most vulnerable sectors of society due to their socioeconomic status, are among the most mistreated subjects post-earthquake. As early as the second day of the earthquake, when thousands of people were still struggling to survive while trapped under the rubble, fake news with a racist, anti-migrant agenda was circulated by government agencies and representatives of political parties. This openly threatened migrants who had survived the earthquake. Not only did state representatives fail to take any precautions to ensure the safety of migrants, they also failed to take the necessary steps to transfer migrants to other cities. Migrants cannot travel outside their registered cities without travel permits and the lack of issuance of these permits left thousands of people stranded in the aftermath of the disaster. By the beginning of March there were still people in the earthquake zone who could not find a tent, while nightly temperatures dropped below zero. This fact reveals that Turkey has consistently avoided fulfilling its obligation to protect the migrant population.

      On the other side of Europe’s border, the Greek Coast Guard and Frontex (the EU’s Border Protection Agency), with bloated budgets increasing further every year, are building up the walls of Fortress Europe, threatening people’s lives by pushing migrants back to Turkey. In Greece, the islands that are close to the Anatolian peninsula are defined as ‘hotspots’ where exceptional procedural rules apply. Here, migrants are portrayed as a threat to the existence of Greece itself. Migrants who do manage to reach these islands after surviving pushback incidents face difficulties in accessing the asylum procedure and health care, and are forced to live in camps that operate as open-air prisons, far from city centers. Many migrants' applications for international protection are rejected on the grounds that Turkey is a safe third country, citing the EU-Turkey Statement, which also turned the islands into de facto open-air prisons for people who are not permitted to leave. Moreover, in the Greek border camps, from the EU-Turkey Statement until today, many people have lost their lives trapped there, with no accountability from the Greek state and no change in migration policy. On the contrary, the Greek state with the (political and financial) support of the EU is opening new camps.In Greece, the people are being incited against migrants by media and political networks – just as in Turkey. In Greece, the government criminalizes migrants and people who work or stand in solidarity with migrants, launching absurd criminal investigations and convicting people in trials without evidence. By applying criminal provisions on espionage, smuggling and human trafficking, Greece reproduces yet again the climate of fear, which is already well established in Turkey through the extensive use of ‘anti-terror’ legislation.

      We, the undersigned organizations, declare that policies of border externalization, and of turning migrants into a cheap labor force, should be stopped immediately. We are against the use of migrants as leverage in domestic and international politics.

      We underline that the externalization statements signed between the EU and Turkey or North African countries are against international law. These externalization statements should be immediately revoked, as they violate the responsibilities of the parties to the 1951 Convention Relating to the Status of Refugees.

      We, the undersigned organizations, demand:


       

      Academics for Peace / Germany (Barış İçin Akademisyenler Almanya)
      Adalet İçin Hukukçular / Lawyers for Justice
      Agora Association Izmir (Turkey)
      ASGI - Association for Juridical Studies on Immigration
      Asociación Americana de Juristas
      Association for Mutual Support and Solidarity with Migrants (Göçmen Yardımlaşma ve Dayanışma Derneği) (Turkey)
      Avukat Dayanışması / Lawyer solidarity
      Campaign Against Criminalising Communities (CAMPACC)
      Center for Research and Elaboration on Democracy/Group of International Legal Intervention (CRED/GIGI)
      Civic Space Studies Association (Sivil Alan Araştırma Derneği - Türkiye)
      Community Peacemakers Teams (CPT) (Greece)
      Confederation of European Alevi Unions (Avrupa Alevi Birlikleri Konfederasyonu)
      Confederation of Lawyers of Asia & Pacific (COLAP)
      Confederation of Public Employees' Trade Unions (Kamu Emekçileri Sendikaları Konfederasyonu - KESK) (Turkey)
      de:border | migration justice collective (Netherlands)
      Democratic Alevi Associations (Demokratik Alevi Dernekleri - DAD) (Turkey)
      Democratic Lawyers Association of Bangladesh (DLAB)
      Demokrasi İçin Hukukçular / Lawyers for democracy
      Demokratische Jurist*innen Schweiz
      Diotima - Centre for Gender Rights & Equality (Greece)
      Doug Nicholls, General Secretary, General Federation of Trade Unions
      European Democratic Lawyers (AED)
      European Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH)
      Feminist Autonomous Centre for research (FAC)
      Foundation for Society and Legal Studies (Toplum ve Hukuk Araştırmaları Vakfı - TOHAV) (Turkey)
      Giuristi Democratici (Italy)
      Göç Araştırmaları Derneği (Association for Migration Resarch - Turkey)
      Haldane Society of Socialist Lawyers
      Hubyar Sultan Alevi Cultural Association (Hubyar Sultan Alevi Kültür Derneği) (Turkey)
      I Have Rights, Samos (Greece)
      International Association of Democratic Lawyers (IADL)

      International Federation for Human Rights (FIDH)
      Iran of the World
      Iuventa-Crew
      İnsan Hakları Derneği - İHD (Human Rights Association) (Turkey)
      Kadın Zamanı Derneği (Women's Time Association / Turkey)
      Kadınlar Birlikte Güçlü Platformu - KBG (Women Are Stronger Together Platform - Istanbul) (Turkey)
      Kartal hukukçular derneği
      La Garriga Societat Civil (Catalunya)
      Lawyers Association for Freedom (Özgürlük İçin Hukukçular Derneği - ÖHD) (Turkey)
      Legal Center Lesvos (Greece)
      Lesvos LGBTQI+ Refugee Collective
      MAYA Eğitim Kültür Araştırma Yardımlaşma ve Dayanışma Derneği (Maya Association for Education, Culture, Research, Solidarity and Cooperation)
      Media and Law Studies (Medya ve Hukuk Çalışmaları Derneği) (Turkey)
      Medya ve Göç Derneği (The Media and Migration Association (MMA) - Turkey
      Migrant Solidarity Network / Ankara (GDA / Ankara)
      Mültecilerle Dayanışma Derneği (Association for Solidarity with Refugees) (Turkey)
      National Union of People's Lawyers of the Philippines (NULP)
      Observatori DESC, Cátedra UNESCO de desarrollo humanos sostenible (Universidad de Girona)(Catalunya)
      ÖDAV / Libertarian democrat lawyers
      Pembe Hayat LGBTİ+ Dayanışma Derneği (Pink Life LGBTİ+ Solidarity Association-Turkey)
      People's Bridges (Halkların Köprüsü) (Turkey)
      Pir Sultan Abdal Cultural Association (Pir Sultan Abdal Kültür Derneği) (Turkey)
      Progressive Lawyers Association (Çağdaş Hukukçular Derneği - ÇHD) (Turkey)
      Progrssive Lawyers Group (Çağdaş Avukatlar Grubu) (Turkey)
      Refugee Legal Support Athens
      Refugees in Libya (refugeesinlibya.org)
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V (RAV)
      Research Institute onTurkey (RIT)
      Schweizerischer Friedensrat, Zürich
      Sınırsız Kadın Dayanışması (Woman’s Solidarity Without Borders - Istanbul)
      Sol Hukuk (Turkey)
      Solidarité sans frontières
      Sosyal Hukuk
      Syndicat des avocats de France (SAF)
      Tadamun Antimili (Colombia)
      The Catalan association ACDDH
      the Socialist Lawyers Association of Ireland
      Toplumsal Hukuk (Turkey)
      Transnational Migrants Coordination
      Turkey Human Rights Litigation Support Project (TLSP)
      Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen
      We Want to Live Together Initiative (Birlikte Yaşamak İstiyoruz İnsiyatifi) (Turkey)
      Yoga and Sports with Refugees

      Declaration (PDF)

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      EU-Türkei-DealMigration & Asyl
      news-936Fri, 17 Mar 2023 11:59:51 +0100Pressereferent*in (w/m/d) ab dem 2.5.2023/publikationen/mitteilungen/mitteilung/pressereferentin-w-m-d-ab-dem-252023-936RAV-Stellenausschreibung vom 17.3.23Der RAV sucht eine*n Pressereferent*in (w/m/d) ab dem 2.5.2023 für 15-20 Wochenstunden

      Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.
      Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken.
      Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine notwendige Bedingung dar, um diese Aufgabe wahrnehmen zu können.

      Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere

       

      Wir suchen eine Person, die möglichst viele der nachfolgenden Punkte erfüllt

       

      Wir bieten

       

      Bewerbungsunterlagen bitten wir per E-Mail als PDF bis zum 6.4.23 an Dr. Lukas Theune (Geschäftsführer) lukas.theune@rav.de und an gs@rav.de (Geschäftsstelle) einzureichen.

      Die Vorstellungsgespräche sind für den 18. und 21.4.23 in Berlin geplant.

      Die Stellenausschreibung als PDF

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      RAV
      news-935Tue, 14 Mar 2023 16:30:10 +0100Entscheidung für Gewalt in Lützerath/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entscheidung-fuer-gewalt-in-luetzerath-935Bericht über die Demonstrationsbeobachtung rund um die Räumung von Lützeratz, Januar 2023 Auf gut 50 Seite und in sieben Kapiteln – nebst Chronologie und Zusammenfassung der Ereignisse in Lützerath im Januar 2023 – berichtet hier das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. über die Polizeigewalt und das Räumungsgeschehen auf Geheiß der REW.

      Der Bericht basiert auf den von insgesamt 14 Beobachter*innen im Zeitraum vom 10. bis 22. Januar 2023 in und um Lützerath gemachten Erfahrungen. Basierend auf diesen Beobachtungen, Gesprächen mit Aktivist*innen, einer umfassenden Auswertung der Medienberichterstattung und Aussagen von Polizei und Landesregierung sowie Beiträgen des Ermittlungsausschuss und Demo-Sanitäter*innen entstand so ein umfassender und aktueller Überblick zum damaligen Geschehen.

      Versammlungs- und Pressefreiheit wurden buchstäblich mit den Füßen (und Pferdehufen) getreten, zahlreiche Demonstrierende ohne Not und z.T. schwer verletzt. Der polizeiliche Schwerpunkt polizeilicher Einsätze lag, so das Komitee, auf der Verletzung der Demonstrierenden: »Die Polizei kompensierte die wenigen und kurzen Gewahrsamsnahmen mit immenser Gewalt auf der Großdemonstration und während der Massenaktionen zivilen Ungehorsams«.

      Angesichts der medial bis auf wenigen Ausnahmen in den Print- und TV-Medien unkritisch übernommenen Darstellungen der Polizei, die »besonnen und professionell« gehandelt haben will, eine wichtige klarstellende Publikation, der eine große Verbreitung zu wünschen ist. Allerdings, man mache sich nichts (oder wenigstens nicht allzu viel) vor, eine Repolitisierung der Proteste oder gar breitere gesellschaftliche Debatte zu Polizeigewalt und Klimaprotesten steht aus – und wird es auch zukünftig schwer haben. Diese Dokumentation macht dafür ein Angebot (ve).

      Hier die Broschüre "Entscheidung für Gewalt" als PDF

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      PolizeigewaltVersammlungsfreiheitDemonstrationsfreiheit
      news-934Fri, 10 Mar 2023 07:15:34 +0100Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-weiterentwicklung-der-fachkraefteeinwanderung-934Stellungnahme des RAV, 8.3.2023Stellungnahme des RAV

      Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

      Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat: Entwurf einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

      Verfasser/in: Christoph von Planta, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Migrationsrecht, Andreas Conzelmann, Rechtsanwalt  

      I. Vorbemerkung

      Aus Sicht des RAV enthalten die Gesetzespakete eine Vielzahl begrüßenswerter Regelungen. Positiv sehen wir insbesondere,  

       

      II. Allgemeiner Handlungsbedarf im Erwerbsmigrationsrecht

      Trotz der begrüßenswerten Neuregelungen sieht der RAV noch vielfachen Handlungsbedarf. Dies betrifft sowohl die geplanten Neuregelungen als auch das bereits vorhandene Normensystem, bei dem sich in der Rechtsanwendungspraxis immer Klärungs- und Verbesserungsbedarf zeigt:

      1. Zugang zum Recht

      Der RAV weist darauf hin, dass alle geplanten Regelungen in der Praxis nur dann funktionieren können, wenn gleichzeitig mit Priorität und schnellstmöglich Maßnahmen ergriffen werden, um für sämtliche Migrantinnen und Migranten auch den Zugang zum Recht zu gewährleisten.

      Bereits aktuell weisen viele Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen unerträglich lange Wartezeiten auf. Es vergeht oft Monate, bis überhaupt ein Antrag auf Erteilung nationaler Visa gestellt werden kann. Hier sind zwar Bemühungen des Auswärtigen Amts erkennbar, diesem Missstand abzuhelfen (Schaffung des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten, zunehmende Einschaltung externer Dienstleister, einige Schritte in Richtung der Digitalisierung des Verfahrens). Dennoch sind hier noch viele dringende Maßnahmen erforderlich, um ein effizienteres und nutzerfreundlichereres Einreiseverfahren zu schaffen. Hier ist insbesondere die sichere digitale Datenübermittlung zu erwähnen.  Es dauert noch immer mehrere Wochen, bis der Postsack mit den Antragsunterlagen die zuständige Ausländerbehörde erreicht, wo die Unterlagen dann eingescannt oder abgeheftet werden.  Wichtig ist schließlich auch die Ergreifung aller möglicher Maßnahmen zur Erhöhung der lokalen Kapazitäten der Visastellen. Daneben ist zu hoffen, dass baldmöglichst flächendeckend allen Einwanderinnen und Einwanderern die digitale Visumantragstellung ermöglicht wird. Dabei ist dem RAV der Hinweis wichtig, dass trotz des nachvollziehbaren besonderen Interesses der Bundesrepublik an der Fachkräfteeinwanderung, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels nicht zulasten anderer Gruppen von Einwanderinnen und Einwanderer gehen dürfen, die in gleichem Maße auf den Zugang zum Recht angewiesen sind. Im Wege der Familienzusammenführung nach Deutschland nachziehende Menschen haben regelmäßig einen Rechtsanspruch auf Einreise und sind über Art. 6 GG besonders schutzbedürftig.

      Katastrophal ist derzeit die Situation in fast allen Ausländerbehörden bundesweit. Oftmals verbarrikadieren sich die Ausländerbehörden aufgrund Überlastung, weder Anrufe noch unangekündigte persönliche Vorsprachen sind möglich, E-Mails und Schreiben bleiben teilweise über Monate oder ganz unbeantwortet, Postfächer laufen voll, Termine sind nicht oder erst viele Monate später buchbar. Dies führt immer wieder dazu, dass qualifizierte drittstaatsangehörige Fachkräfte ihre zugesagten Arbeitsplätze wieder verlieren, und teilweise frustriert das Bundesgebiet wieder verlassen.  Insbesondere in Fällen von privilegierten Staatsangehörigen der in § 41 AufenthV genannten „Best-Friends“-Staaten, die regelmäßig visumfrei einreisen und im Inland Aufenthaltstitel zur Beschäftigung beantragen, führt die Untätigkeit der Behörden oft zu großem Frust, da sie bis zum Vorsprachetermin bei der Ausländerbehörde zur Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels zur Untätigkeit verdammt sind. Den entsprechenden Personenkreis generell auf das nationale Visumverfahren zu verweisen, ist auch keine Lösung und führt vielmehr zur Doppelbelastung der Behörden.

      Im Bereich der Fachkräfteweinwanderung entwickeln sich auch beschleunigte Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG immer wieder zur Farce, weil die Verfahren mangels Zugangs der Arbeitgeber zu den Behörden nicht oder erst nach mehreren Wochen überhaupt eingeleitet werden können. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass § 71 Abs. 1 S.5 AufenthG den Bundesländern die Möglichkeit offen lässt, auf die Schaffung zentraler Ausländerbehörden für die Fachkräfteeinwanderung zu verzichten, was bundesweit zu einem wenig überschaubaren Flickenteppich an für die Fachkräfteeinwanderung zuständigen Ausländerbehörden geführt hat. Die Absicht des Gesetzgebers, ausländerbehördliche Fachkompetenz in jeweils mindestens einer zentralen Ausländerbehörde zu bündeln, um einheitlichere und damit berechenbarere, transparentere und schnellere Entscheidungen zur Gewinnung der benötigten Fachkräfte zu treffen, hat sich bislang jedenfalls nur teilweise realisiert. Es wäre insbesondere im Hinblick darauf wünschenswert, dass das Arbeitsmigrationsrecht durch die vorliegenden Gesetzesnovellen erheblich umfangreicher und komplizierter werden wird, wenn der entsprechende Ansatz im Rahmen der Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wieder aufgenommen und weiterverfolgt würde.

      Die vorhandenen Defizite beim Zugang zum Recht stellen bereits jetzt bei der Fachkräfteeinwanderung einen veritablen Standortnachteil im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte dar. Die neuen Aufgaben, die den beteiligten Behörden durch das geplante Gesetz und die geplante Verordnung künftig auferlegt werden sollen, werden nicht dazu führen, dass die Behörden entlastet werden. Im Gegenteil ist abzusehen, dass u.a. neue Aufenthaltstitel wie die Chancenkarte (§ 20a AufenthG-E), neue Systeme wie das Punktesystem in § 20a AufenthG-E, neue Rechtsinstitute wie die Anerkennungspartnerschaften in § 16d Abs. 4a AufenthG-E zu einer weiteren Belastung der Behörden führen. Auch in der Praxis nicht einmal für Rechtskundige noch verständliche Normen wie die Vorschriften der § 18g Abs. 1 oder § 18g Abs. 2 AufenthG-E tragen nicht dazu bei, den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern bei den Behörden die Entscheidungsfindung zu erleichtern. Der mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020 eingeschlagene Weg, die Regelungen der Arbeitsmigration systematischer und einfacher zu gestalten, wird in den vorliegenden Entwürfen leider nicht fortgeführt.

      2. Beschleunigung und Verschlankung der Verwaltungsverfahren

      Insgesamt ist festzustellen, dass sich in dem Gesetz- und im Verordnungsentwurf zu wenige Regelungen finden, die zur Beschleunigung und Verschlankung der Verwaltungsverfahren führen und den neuen Verfahren entgegengesetzt werden, die Verwaltungsmehraufwand schaffen. Dies lässt befürchten, dass dadurch den Rechtssuchenden der Zugang zum Recht noch weiter erschwert wird. Bereits der aktuelle Status Quo ist inakzeptabel. Diesen als Grundlage für die Einführung und die Bemessung des Aufwands neuer Regelungen zu nehmen, ist unseres Erachtens verfehlt. Wir halten es für unabdingbar, gleichzeitig mit der Einführung neuer aufwandverursachender Vorschriften und Verfahren in allen Bereichen des Rechts zu prüfen, wie die Verfahren verschlankt und effizienter gestaltet werden können.

      Begrüßenswert in den neuen Vorschriften zur Blauen Karte EU ist in diesem Zusammenhang die Vereinfachung des Arbeitgeberwechsels in den ersten 12 Monaten in § 18g Abs. 4-E AufenthG. Die Regelung, dass die Ausländerbehörde für den Zeitraum von 30 Tagen den Arbeitsplatzwechsel aussetzen und innerhalb dieses Zeitraums die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnen kann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Blauen Karte EU nicht vorliegen, sollte als Blaupause für die Einführung entsprechender Regelungen im Bereich der Regelungen für Fachkräfte gem. §§ 18a, b und d AufenthG dienen.

      Auch die Vermeidung unnötiger Prüfungen der Lebensunterhaltssicherung in § 18g Abs. 6 AufenthG sorgt für Entlastung. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das aktuelle System grundsätzlich Doppelprüfungen verlangt. Muss ein nationales Visumverfahren betrieben werden, sind sowohl im Visumverfahren gegenüber der Auslandsvertretung und der nach § 31 AufenthV zustimmenden Einreisestellen der Ausländerbehörden als auch nach der Einreise im kurz darauffolgenden Antragsverfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde die mehr oder weniger identischen Unterlagen bspw. zur Lebensunterhaltssicherung einzureichen und zu prüfen. Hier sollte der Gesetzgeber im Sinne der Verwaltungseffizienz die Einführung klarer Regelungen prüfen, die entsprechende Mehrfachprüfungen vermeiden.

      Eine deutliche Erleichterung und sehr praxisrelevant ist, dass der Zusammenhang zwischen Qualifikation und Beschäftigung in §§ 18a, 18b AufenthG künftig entfallen wird. Dadurch wird eine Vielzahl praktischer Probleme gelöst. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass auf europäischer Ebene bei der Blauen Karte EU weiterhin die Qualifikationsangemessenheit gefordert wird, was die Zahl der für eine Blaue Karte EU in Betracht kommenden Personen erheblich einschränkt.

      Dass für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Beschäftigung für Fachkräfte (§§ 18a, 18b AufenthG) sowie für die Erteilung einer Blauen Karte EU in Engpassberufen und bei Berufsanfängern (§ 18g Absatz 1 Satz 2 AufenthG-E) zukünftig nicht mehr die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) erforderlich sein wird, wenn die Fachkräfte im Bundesgebiet eine qualifizierte Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, vereinfacht und beschleunigt im Grundsatz die Verfahren. Allerdings werden den nun ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit zuständigen Behörden im Rahmen ihres Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraums zusätzliche Entscheidungen abverlangt, die möglicherweise im Kompetenzbereich der Bundesagentur für Arbeit besser aufgehoben wären. So sollen die Behörden laut Gesetzesbegründung „in Grenzfällen“ die Bundesagentur für Arbeit fakultativ beteiligen. Es wird sich zeigen, ob die Befreiung vom Zustimmungserfordernis in der Praxis tatsächlich zu einer Verschlankung und Beschleunigung des Verfahrens führen wird oder ob die Entscheidungspraxis der Ausländerbehörden durch die Prüfung entsprechender Grenzfälle gehemmt wird.

      3. Möglichkeiten der Verfahrensverschlankung und -beschleunigung

      Möglichkeiten, die Verfahren im Erwerbsmigrationsrecht zu beschleunigen und effizienter zu gestalten, sieht der RAV neben der ohnehin dringend notwendigen schnellstmöglichen Schaffung schlanker digitaler Verwaltungsprozesse wie der digitalen Antragstellung und des rechtssicheren Austauschs von Dokumenten zwischen Auslandsvertretung, Ausländerbehörden und Beteiligten in folgenden Maßnahmen:

      a. Einführung bindender Fristen, innerhalb derer Anträge zu bescheiden sind. Diese sind mit der Erlaubnisfiktion für den Fall nicht rechtzeitiger Bescheidung zu verbinden. Beispielhaft zu nennen sind hier die im Bereich der Arbeits- und Bildungsmigration bereits existierenden Vorschriften der § 36 Abs. 2 BeschV oder § 31 Abs. 1 S.3 f. AufenthV.

      Im Bereich der Blauen Karte EU sollte zumindest die Verfahrensgarantie des Art. 11 Abs. 1 der Hochqualifiziertenrichtlinie RL-EU 2021/1883 in das AufenthG übernommen werden. Die Richtlinie schreibt vor, dass die zuständigen Behörden Anträge auf Erteilung einer Blauen Karte EU möglichst bald, spätestens aber 90 Tage nach Einreichung des vollständigen Antrags schriftlich zu bescheiden haben und die Betroffenen über diese Entscheidung zu informieren sind. Diese Verfahrensgarantie ist deutschen Ausländerbehörden in aller Regel unbekannt. Auch wenn die 90-Tage-Frist in der Praxis nicht wirklich attraktiv ist, würde eine entsprechende Vorschrift aktuell in Visa- und in ausländerbehördlichen Verfahren oft helfen. Auch diese Frist sollte mit der Erlaubnisfiktion für den Fall nicht rechtzeitiger Bescheidung verbunden werden.

      b. Einführung von Erlaubnisfiktionen zur Aufnahme einer Beschäftigung.

      Wir schlagen vor, die geplante Vorschrift des § 81 Abs. 6a-E, wonach im Rahmen innereuropäischer Migration von Inhabern Blauer Karten EU spätestens 30 Tage nach der Einreichung des vollständigen Antrags auf Erteilung einer Blauen Karte EU die beantragte Beschäftigung ausüben darf, auf alle Verfahren nach Abschnitt 3 und 4 des Kapitels des AufenthG bei möglicher Antragstellung im Inland auszuweiten. Dies würde in Praxis ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgebern viel Druck nehmen. Insbesondere in den Fällen von privilegierten Staatsangehörigen der in § 41 AufenthV genannten „Best-Friends“-Staaten, die in der Regel ohne nationales Visum einreisen und im Inland Aufenthaltstitel zur Beschäftigung beantragen (dürfen), führt die aktuelle Untätigkeit bzw. teilweise auch Unfähigkeit der Behörden oft zu großem Frust, da sie bis zum Vorsprachetermin bei der Ausländerbehörde zur Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels zur Untätigkeit verdammt sind. Hier würde eine entsprechende Regelung allen Beteiligten nützen.

      c. Änderung des § 81 Abs. 5a AufenthG 

      Durch Einführung des § 81 Abs. 5a AufenthG wurde zuletzt eine durchaus sinnvolle Beschleunigungsnorm geschaffen. Für künftige Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 des AufenthG wird die Beschäftigung bereits ab dem Zeitpunkt der Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels und nicht erst ca. 8 Wochen später nach Aushändigung bzw. Übersendung des Aufenthaltstitels erlaubt. Warum diese Erleichterung aber nur für Antragsteller von Aufenthaltstiteln im Bereich der Bildungs- und Erwerbsmigration gelten soll, erschließt sich nicht. So kann bspw. die Bestellerin einer Blauen Karte EU ihre Erwerbstätigkeit sofort aufnehmen, nicht aber ihr begleitender Ehemann. Insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass elektronische Aufenthaltstitel künftig direkt durch die Bundesdruckerei an die Betroffenen verschickt werden sollen und die Ausländerbehörde die Herrschaft über den Aufenthaltstitel mit der Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitel vollständig aus der Hand geben wird. Im elektronischen Aufenthaltstitel ist als Tag der Erteilung des Aufenthaltstitels der Tag der Bestellung vermerkt. Arbeiten sollen die Betroffenen aber erst dürfen, wenn ihnen die elektronische Karte vorliegt. Ebenso wenig wie bei Aufenthaltstiteln zum Zweck der Familienzusammenführung macht dies bei der Bestellung von humanitären Aufenthaltstiteln Sinn. Oft liegen bereits zum Zeitpunkt der Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels Arbeitsplatzangebote vor, die dann erst nach Erhalt der Karte begonnen werden können, was häufig die Sozialkassen unnötig für weitere Monate belastet. Oder es muss trotz der bereits erfolgten Bestellung des elektronischen Aufenthaltstitels noch einmal die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt werden. Wir regen deshalb dringend an, § 81 Abs. 5a AufenthG so zu formulieren, dass die Erwerbstätigkeit generell ab der Bestellung des eAT erlaubt ist und nicht lediglich für Fälle des Kapitels 2, Abschnitt 3 und 4.

      d. Klarstellung und Ausweitung der Ausnahmevorschriften zum Absehen von der Durchführung von Visaverfahren (§ 39 AufenthV)

      Bereits jetzt sind in §§ 39 und 41 AufenthV eine Vielzahl von Durchbrechungen der grundsätzlichen Pflicht zur Durchführung eines Visumverfahrens aus dem Ausland geregelt. Auch § 5 Abs. 2 S.2 AufenthG ermöglicht die Durchbrechung der grundsätzlichen Verpflichtung zur Durchführung eines geregelten Einreiseverfahrens. Die geplante Vorschrift des § 18i Abs. 1 S.1 AufenthG-E enthält nunmehr eine weitere Durchbrechung der Pflicht zur Durchführung eines Visumverfahrens. In der Praxis ist Frage des Erfordernisses der Durchführung bzw. Nachholung Visumverfahrens einer der Hauptstreitpunkte des migrationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens. In diesem Bereich gibt es weiterhin mehrere umstrittene Regelungen, deren Klärung erheblichen Druck von Betroffenen, Behörden und Arbeitgebern nehmen würde:  

      § 39 Nr. 3 AufenthV

      Die Vorschriften der §§ 18b Abs. 2 AufenthG, künftig § 18g AufenthG-E (Blaue Karte EU) und § 18d AufenthG (Aufenthaltstitel für Wissenschaftler, Forscher) sind als Anspruchsfälle formuliert („wird … erteilt“). Viele hochqualifizierte Drittstaatsangehörige sind im Besitz von Schengen-Visa und nutzen die Zeit ihres kurzfristigen Aufenthalts im Bundesgebiet auch zur Arbeitssuche oder zu Vorstellungsgesprächen. Wird in diesen Fällen ein Blaue-Karte-EU-Arbeitsplatz erst nach der Einreise gefunden oder ein entsprechender Arbeitsvertrag erst nach der Einreise verhandelt und geschlossen, ist nach aktueller Rechtslage (§ 39 Nr. 3 AufenthV) die Antragstellung auf Erteilung einer Blauen Karte EU aus einem kurzfristigen Aufenthalt mit Schengenvisum bzw. aus einem rechtmäßigen visumfreien Aufenthalt ohne vorherige Ausreise und Nachholung des Visumverfahrens zulässig. In der Praxis stellen sich die Behörden trotz der bestehenden mehr oder weniger eindeutigen Regelung bei Antragstellung im Inland von Inhabern eines Schengenvisums regelmäßig quer und verweisen Antragsteller immer wieder auf das Visumverfahren. Oder aber die Anträge werden nicht mit der hier gebotenen Schnelligkeit entschieden. Aufgrund der Vorschrift des § 81 Abs. 4 S.2 AufenthG entfalten entsprechende Anträge aus einem kurzfristigen Aufenthalt mit Schengenvisum keine Fiktionswirkung, so dass den qualifizierten Antragstellerinnen und Antragstellern regelmäßig der Sturz in die Illegalität und damit einer Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthalts und die Ausweisung droht. Wenn dann die zulässigen Schengen-Tage ablaufen, ohne dass eine Entscheidung der Behörde erfolgt ist, entsteht die Ausreisepflicht, obwohl nach aktueller Rechtslage ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Blauen Karte EU im Inland besteht. Dadurch, dass hier keine vernünftige Regelung existiert, entsteht für alle an diesen Verfahren Beteiligten, die sich sämtlich rechtmäßig verhalten wollen (ausländische Arbeitnehmer:innen, Rechtsberater:innen, Arbeitgeber, und Behörden) eine unnötige aufenthaltsrechtliche Unsicherheit und allein wegen der Strafbarkeit des unerlaubten Aufenthalts eine ganz erhebliche Drucksituation. Nicht gerade zur Erleichterung beigetragen hat die Tatsache, dass sich die Anwendungshinweise des BMI zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Gegensatz zu den Vorgängerweisungen zur Vorgängernorm des § 19a AufenthG a.F. zu dieser Frage nicht mehr verhalten.

      § 39 Nr. 6 AufenthV

      Ebenfalls in Anspruchsfällen können Drittstaatsangehörige einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn sie einen von einem anderen Schengenstaat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Verordnungsgeber mit der Norm des § 39 Nr. 6 AufenthV allen Inhabern von Aufenthaltstiteln von EU-Mitgliedstaaten in Anspruchsfällen ohne weiteres die Antragstellung im Inland ermöglichen wollte, geht inzwischen wohl die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass ein für die Antragstellung im Inland erforderlicher rechtmäßiger Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung erst gar nicht vorliegt, wenn der oder die Betroffene bereits mit der Absicht der Begründung eines Daueraufenthalts eingereist ist. Aufgrund Art. 21 Abs. 1 SDÜ soll dann bereits die Einreise ins Bundesgebiet rechtswidrig gewesen sein. Selbst wenn in § 39 Nr. 6 AufenthV eine der Vorschrift des § 39 Nr.3 AufenthV vergleichbare Formulierung fehlt, stellt sich dann eine vergleichbare Problematik wie in § 39 Nr. 3 AufenthV. Auch hier kann die Beantragung eines Aufenthaltstitels im Inland faktisch nur dann möglich sein, wenn die Einreise zu kurzfristigen Zwecken erfolgt ist und die Voraussetzung für einen Rechtsanspruch erst nach der Einreise ins Bundesgebiet entstanden ist. In der Praxis werden die Betroffenen aufgrund der entsprechenden obergerichtlichen Rechtsprechung oft grundsätzlich und ausnahmslos auf das Visumverfahren verwiesen und zur Ausreise aufgefordert. Die neue Vorschrift des § 18i Abs. 1 S.1 AufenthG-E wird diesbezüglich jetzt jedenfalls für Inhaber von Blauen Karten EU aus anderen Mitgliedstaaten für Klarheit sorgen. Bei sonstigen drittstaatsangehörigen Fachkräften mit anderen Aufenthaltstiteln aus anderen Mitgliedstaaten verbleibt es auch bei Angeboten für Blaue-Karte-EU-Jobs bei der oft langanhaltenden Unsicherheit, ob ein nationales Visumsverfahren durchzuführen ist oder nicht.  Hier entfalten die Anträge wenigstens Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG, was zwar den unerlaubten Aufenthalt verhindert, aber keine Rechtsklarheit schafft.

      In beiden genannten Fallgruppen sollte der Gesetzgeber für Klarheit sorgen. Im Hinblick auf das erhebliche Interesse an der Einwanderung von Fachkräften sollte geprüft werden, ob nicht im Rahmen einer Erweiterung des § 39 Nr. 7 AufenthV die Beantragung von Aufenthaltstiteln nach § 18g AufenthG-E sowie der Familiennachzug zu den entsprechenden Personen generell im Inland zugelassen werden kann. Im Hinblick auf die bereits existierende Vielzahl von Durchbrechungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG wäre dies kein großer Schritt und würde für alle Beteiligten Klarheit bringen. Notwendig wäre in diesem Zusammenhang überdies die Einfügung einer Gegenausnahme zu § 81 Abs. 4 S.2 AufenthG für alle Anspruchsberechtigte auf Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis bzw. zumindest für Antragsteller:innen auf Erteilung einer Blauen Karte EU bei Vorliegen eines konkreten Vertragsangebots.

      In § 39 Nr. 6 AufenthV sollte schließlich klargestellt werden, dass in Anspruchsfällen grundsätzlich die Antragstellung auf Erteilung von Aufenthaltstiteln im Inland zulässig ist. Die Herstellung von Rechtsklarheit würde hier zu einer erheblichen Entlastung führen.

      4. Rechtsklarheit bei Mitteilungspflichten

      § 82 Abs. 6 AufenthG

      Nach Ansicht des RAV sollten die Mitteilungspflichten in § 82 Abs. 6 AufenthG eindeutiger formuliert werden. In § 82 Abs. 6 AufenthG verpflichtet in der jetzigen Fassung mit dem uneingeschränkten Verweis auf Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beispielsweise auch Inhaber von Niederlassungserlaubnissen nach § 18c AufenthG zur Mitteilung der vorzeitigen Beendigung der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit. Dies widerspricht dem Zweck der Norm, nämlich den Ausländerbehörden zu ermöglichen, auf den Wegfall der für die Erteilung des Aufenthaltstitels maßgeblichen Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu reagieren, da die Niederlassungserlaubnis eben nicht mehr an eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit geknüpft ist.

      Zudem halten wir eine Klarstellung des Wortlauts, auch im Hinblick auf ein drohendes Bußgeld nach § 98 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG, bezüglich des Beginns der zweiwöchigen Mitteilungsfrist für sinnvoll. Unklar ist, ob die Frist erst ab der Beendigung der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit beginnt oder, im Fall einer Beschäftigung, schon ab Ausspruch der Kündigung. Ebenso unklar ist der Zeitpunkt der Mitteilungspflicht bei einer anhängigen Kündigungsschutzklage.

      5. Einführung einer Vorschrift für sog. „Digitale Nomaden“

      Spätestens seit der Corona-Krise und der damit einhergehenden Einführung der Arbeit im Home-Office häufen sich die Sachverhalte, in denen ausländische Arbeitnehmer:innen in Deutschland für Unternehmen tätig sind, die Ihren Sitz außerhalb des Bundesgebietes und keine Betriebsstätte im Bundegebiet haben. Eine aufenthaltsrechtliche Regelung für diese Sachverhalte ist dringend angezeigt.

      Zumindest für die Staatsangehörige der sog. „Best-Friends“-Staaten existiert mit § 26 Abs. 1 BeschV bereits eine Regelung, welche diese Sachverhalte abdeckt. In der Praxis gibt es hier allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Die Vorschrift wird von den Ausländerbehörden und der Bundesagentur für Arbeit häufig unterschiedlich interpretiert, was zu willkürlichen und den Antragstellern schwer vermittelbaren Entscheidungen führt. So geht beispielsweise das Landesamt für Einwanderung des Landes Berlin (LEA) in seinen Verwaltungsvorschriften davon aus, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c in Verbindung mit § 26 Abs.1 BeschV an die dort genannten Staatsangehörigen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen möglich ist, auch wenn es keine Betriebsstätte im Inland gibt. Im Rahmen der Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit wird die Zustimmung jedoch oft versagt, weil das beschäftigende Unternehmen nicht über eine Betriebsstätte im Inland verfügt. Rechtssicherheit ist so nicht gewährleistet. Eine Klarstellung der Norm, zumindest in den neuen Anwendungshinweisen wäre zu begrüßen.

      Wir weisen darauf hin, dass es sich bei der Personengruppe der sogenannten digitalen Nomaden in der Regel um hochqualifizierte Fachkräfte mit sehr guten Einkommen handelt. Für viele Fachkräfte ist das Modell, zunächst vom Home-Office aus für den ausländischen Arbeitgeber weiterzuarbeiten, um so finanziell abgesichert in Deutschland Fuß fassen zu können und dann in ein inländisches Arbeitsverhältnis zu wechseln, eine niedrigschwellige Möglichkeit zum Einstieg in die Fachkräftemigration. Das Risiko, dass diese Personengruppe zur Last für das Sozialsystem wird, ist gering, vielmehr müssen die Betroffenen Beiträge in die Sozialversicherung leisten und sind wirtschaftlich gut integriert. Es wäre zu begrüßen, wenn für diese sog. digitalen Nomaden eine mit § 26 Abs. 1 BeschV vergleichbare Regelung, unabhängig von der Staatsangehörigkeit geschaffen würde.


      III. Handlungsbedarf im Fachkräftebereich

      Der RAV begrüßt, dass die neue Hochqualifiziertenrichtlinie großzügig in das Aufenthaltsgesetz umgesetzt werden soll. Insbesondere begrüßen wir, dass die Gehaltsgrenzen für die Blaue Karte EU deutlich abgesenkt werden sollen, so dass ein deutlich größerer Personenkreis von den attraktiven Regelungen der Blauen Karte EU profitieren wird. Erfreulich ist auch, dass die Blaue Karte EU künftig auch international Schutzberechtigten, die in Deutschland oder einem anderen europäischen Land anerkannt wurden, erteilt werden kann.

      Für besonders praxisrelevant halten wir die Änderungen in §§ 18a und b AufenthG-E, wonach Fachkräften künftig Aufenthaltserlaubnisse für jede qualifizierte Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen erteilt werden kann.

      Unerfreulich ist, dass es der Gesetzgeber in § 18 Abs. 4a AufenthG-E für nötig hält, durch die Verpflichtung der Abgabe entsprechender Erklärungen zum konkreten Arbeitsplatzangebot sowohl ausländische Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber faktisch unter den Generalverdacht der kollusiven Täuschung zu stellen.  Die entsprechende Vorschrift lehnen wir nachdrücklich ab. 

      1. § 18c AufenthG-E (Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte) 

      Im Bereich des § 18c AufenthG begrüßen wir, dass Inhabern von Aufenthaltstiteln nach §§ 18a, b und d AufenthG mit ausländischen Ausbildung- bzw. Hochschulabschlüssen künftig bereits nach 3 Jahren Niederlassungserlaubnisse erteilt werden kann.

      Handlungsbedarf sehen wir bei § 18c Abs. 1 AufenthG. § 18c Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangt für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, dass die Fachkraft seit drei Jahren „im Besitz“ eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b oder 18d ist. Hier regen wir an, dass für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis zukünftig lediglich die Ausübung einer Beschäftigung nach §§ 18a, 18b, oder 18d nachgewiesen werden muss. Vergleichbar geregelt ist das bereits für Inhaber von Blauen Karten EU in § 18c Abs. 2 S. 1 AufenthG. Die integrative Wirkung resultiert aus der Ausübung der Tätigkeit als Fachkraft und nicht aus dem Besitz des entsprechenden Aufenthaltstitels. Die aktuelle Regel führt zu dem unbilligen Ergebnis, dass beispielweise Inhaber von Aufenthaltstiteln zum Zweck der Arbeitsplatzsuche oder zum Zweck des Familiennachzugs nicht von der Regelung profitieren, obwohl sie eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben. Da die Mehrheit der Aufenthaltstitel zum Zweck des Ehegattennachzugs an Frauen ausgestellt werden, führt die aktuelle Regelung insbesondere zu einer erheblichen Benachteiligung von weiblichen Fachkräften und widerspricht dem im Eckpunktepapier genannten Ziel des Gesetzgebers die Erwerbsbeteiligung und Integration von Frauen zu erhöhen.

      2. § 18c Abs. 2 S. 2 AufenthG (Niederlassungserlaubnis) 

      §§ 18c Abs. 1 Nr. 5 und 18c Abs. 2 S. 2 AufenthG verweisen nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 5 AufenthG. Wir regen an, § 9 Abs. 2 S. 5 AufenthG auch entsprechend auf Fachkräfte und Inhabern Blauer Karten EU anzuwenden. Insbesondere für Blaue-Karte-EU-Inhaber ist es bei einer Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit Deutschkenntnissen auf Niveau A1 schwer, den in deutscher Sprache zu absolvierenden Einbürgerungstest/ Test Leben in Deutschland zu absolvieren, zumal sie keinen Anspruch auf einen Integrationskurs haben. Abgesehen davon ist bei Fachkräften aufgrund ihrer Qualifikation und der Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben davon auszugehen, dass sie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügen. Wir wünschen uns hier mehr Vertrauen in die Motivation der Fachkräfte zur Integration und zur Teilhabe an der Rechts- und Gesellschaftsordnung.

      3. § 51 Abs. 10 AufenthG (Erlöschen)

      Gem. § 51 Abs. 10 AufenthG beträgt die Frist, wann eine Blaue Karte EU erlischt, abweichend von § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG für Inhaber Blauer Karten EU und ihrer Familienangehöriger zwölf Monate. Diese Regelung stammt aus der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie. Der deutsche Gesetzgeber hat, um die Blaue Karte EU attraktiver zu gestalten, besonders großzügige (nationale) Regelungen zum Erwerb einer Niederlassungserlaubnis eingeführt. Für Inhaber von Niederlassungserlaubnissen gilt die Vorschrift des § 51 Abs.1 Nr. 7 AufenthG. Ihre Niederlassungserlaubnis erlischt nach einer Ausreise von 6 Monaten. Durch den Erwerb der Niederlassungserlaubnis erleidet ein ehemaliger Inhaber einer Blauen Karte EU also einen Rechtsnachteil im Vergleich zum Besitz einer Blauen Karte EU, der sich nur dadurch korrigieren lässt, dass die Niederlassungserlaubnis auf Antrag gleichzeitig zur fortbestehenden Blauen Karte EU erteilt wird. Wir regen an, die Regelung zur längeren Ausreisefrist von 12 Monaten auch auf Inhaber von Niederlassungserlaubnissen und deren Familienangehörige auszuweiten, die zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU waren. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die entsprechende Personengruppe nach Erhalt der Niederlassungserlaubnis schlechter gestellt sein soll als zuvor. Einer durch einen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet gut integrierten hochqualifizierten Fachkraft sollte die Flexibilität eingeräumt werden, auch nach einem längeren Auslandsaufenthalt ins Bundesgebiet zurückkehren zu können.  Unabhängig davon regen wir an, die längere Ausreisefrist von 12 Monaten auf alle Fachkräfte auszuweiten.

      Erforderlich ist schließlich auch eine Klarstellung in § 51 AufenthG, dass die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht auf Inhaber von Blauen Karten EU anzuwenden ist. Gemäß Artikel 18 Abs. 3 der Hochqualifiziertenrichtlinie unterbrechen lediglich Aufenthalte außerhalb des ausstellenden Mitgliedstaates von mehr als zwölf aufeinander folgenden Monaten den rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt. Eine Regelung, die ein Erlöschen der Blauen Karte EU bei einer nicht nur vorübergehenden Ausreise vorsieht ist in der Richtline nicht ersichtlich.

      4. § 18g Abs. 2 AufenthG-E (Blaue Karte EU)

      Erfreulich ist, dass die Blaue Karte EU künftig auch Fachkräften mit Berufserfahrung ohne Hochschulabschluss offenstehen soll. Eine Beschränkung auf Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechologie gibt die Hochqualifiziertenrichtlinie nicht vor. Warum hier nicht entsprechend § 6 BeschV-E eine Erweiterung auf alle Berufsgruppen erfolgt, erschließt sich uns nicht.

      Da diese Regelung ausschließlich auf IT-Kräfte abzielt, ist nicht ersichtlich weshalb § 18g Abs. 2 Nr. 1 zunächst ein Gehalt von mindestens 56,6 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung fordert, dann mit einem Verweis auf Abs. 1 S. 2 Nr. 1 wiederum auf die niedrigere Gehaltsgrenze für Beschäftigungen in den Mangelberufen verweist, zu denen auch die Gruppen 133 und 25 gehören.

      Zudem ist aus unserer Sicht wichtig, dass für die Prüfung nach § 18g Abs. 2 Nr. 3 lit. b), namentlich, ob die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten hinsichtlich ihres Niveaus mit einem Hochschulabschluss oder einem Abschluss eines mit einem Hochschulstudium gleichwertigen tertiären Bildungsprogramms vergleichbar sind, transparent und praktikabel umgesetzt wird. Wir befürchten hier für die Antragsteller, Arbeitgeber und die beteiligten Behörden erhebliche Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob eine Vergleichbarkeit vorliegt. Insbesondere im Hinblick auf die häufig intransparenten Entscheidungen der im Antragsverfahren beteiligten Bundesagentur für Arbeit, besteht hier die Gefahr, dass Antragsteller und Arbeitgeber im Voraus nicht einschätzen können, ob eine Chance auf Erhalt der Blauen Karte EU besteht und wie hoch die Aussicht ist, den begehrten Aufenthaltstitel zu erhalten. Diese Unsicherheit schreckt insbesondere kleinere Betriebe, die noch wenig Erfahrung mit ausländischen Angestellten gemacht haben, mangels Planungssicherheit ab, ausländische Kräfte anzustellen.

      5. § 18h Abs. 1 AufenthG-E (Kurzfristige Mobilität für Inhaber einer Blauen Karte EU)

      Da mit der Regelung zur Nichtbeschäftigungsfiktion in § 30 Nr. 1 BeschV bereits eine Regelung besteht, die eine Geschäftsreise für eine Dauer von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen ermöglicht, halten wir § 18h Abs. 1 S. 1 AufenthG nicht für notwendig.

      6. § 18i Abs. 1 Nr. 1 AufenthG-E (Langfristige Mobilität für Inhaber einer Blauen Karte EU)

      Warum die Voraussetzung nach § 18 Abs. 2 Nr.4 AufenthG erst dann als erfüllt gilt, wenn der Ausländer länger als zwei Jahre im Besitz der Blauen Karte EU ist, die der andere Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt hat, ist nicht ersichtlich. Hier wünschen wir uns vor allem in Hinblick auf eine Verfahrensbeschleunigung und eine einheitliche Erteilungspraxis in den Mitgliedsstaaten mehr Vertrauen in die Prüfung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten.

      7. § 38 Abs. 3 S.2 AufenthG-E (Aufenthaltserlaubnis für in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union langfristig Aufenthaltsberechtigte)

      Nach § 38a Abs. 3 S. 1 Hs. 1 AufenthG in der Fassung seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes berechtigt der Aufenthaltstitel nach § 38a Abs. 1 AufenthG dazu, eine Erwerbstätigkeit iSd § 2 Nr. 2 AufenthG auszuüben, wenn die Bundesagentur für Arbeit der Ausübung der Beschäftigung nach § 39 Abs. 3 AufenthG zugestimmt hat. § 39 Abs. 3 AufenthG sieht grundsätzlich eine Vorrangprüfung vor. Nach alter Rechtslage galt hier, dass das Zustimmungserfordernis bzw. das Erfordernis einer Vorrangprüfung nicht eingriff, wenn für die angestrebte Beschäftigung nach den Vorschriften des AufenthG oder der BeschV von vornherein Zustimmungsfreiheit/ Vorrangprüfungsfreiheit gegeben war. Die Änderung durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz führte aber – jedenfalls bei wortgetreuer Auslegung – plötzlich dazu, dass daueraufenthaltsberechtigte Antragsteller, die als Fachkraft im Bundesgebiet arbeiten wollen, einer Vorrangprüfung unterlagen. Die Erteilung einer Blauen Karte EU in Regelberufen, die grundsätzlich nicht der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, bedurfte für in anderen Mitgliedstaaten Daueraufenthaltsberechtigte auf einmal der Zustimmung mit Vorrangprüfung. Dies betrifft in Zukunft auch Inhaber von künftig zustimmungsfreien Aufenthaltserlaubnissen als Fachkraft mit akademischer Ausbildung nach §§ 18a- und b AufenthG-E mit inländischen Ausbildungen bzw. Hochschulabschlüssen. Diese Rechtsfolge war bereits bei der Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nicht beabsichtigt. Der Verweis auf § 39 Abs. 3 AufenthG erfolgte durch den Gesetzgeber, um darauf hinzuweisen, dass in anderen Mitgliedstaaten Daueraufenthaltsberechtigte auch geringqualifizierte Beschäftigungen zulässig sind, nicht aber um eine Vorrangprüfung einzuführen. In der Gesetzesbegründung weist der Gesetzgeber deutlich darauf hin, dass durch die Neugestaltung keine inhaltlichen Änderungen beabsichtigt sein sollten (s. BT-Drs. 19/8285, S. 107). Hier regt der RAV dringend an, wieder zur Rechtslage vor dem 1.3.2020 zurückzukehren, zumal die mit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes eingetretene Rechtsfolge weder Sinn macht noch in das System des AufenthG passt. Gem. Art. 14 Abs. 3 RL 2003/109/EG ist ein Verzicht auf die Vorrangprüfung im Übrigen unionsrechtlich zulässig. Durch die beabsichtigte neue Vorschrift des § 38 Abs. 3 S.2 AufenthG-E wird die dargestellte Problematik nicht ansatzweise beseitigt. 

      Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass es in der Praxis für in anderen Mitgliedstaaten daueraufenthaltsberechtigte Fachkräfte neben den oben genannten rechtlichen Schwierigkeiten regelmäßig auch praktische Schwierigkeiten beim Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt gibt. So werden Vorabzustimmungsanfragen gem. § 36 Abs. 3 BeschV durch die Bundesagentur für Arbeit regelmäßig zurückgewiesen und darauf bestanden, dass die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung die Bundesagentur für Arbeit beteiligt. Dies liegt offenkundig daran, dass die „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ nicht auf Dauerhaltsberechtigte im Verfahren zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG ausgerichtet ist,  ein anderes Formular nicht existiert und das Verfahren nach § 38a AufenthG bei der Bundesagentur für Arbeit wenig bekannt ist. Hier sollte dafür Sorge getragen werden, dass auch bei der innereuropäischen Mobilität von Drittstaatsangehörigen ein reibungsloser Ablauf der Migration gewährleistet wird.


      IV. Bildungsmigration und Chancenkarte

      1. § 16a AufenthG-E (Aufenthaltserlaubnis für Berufsausbildung)

      Die Abschaffung der Vorrangprüfung für eine Ausbildung mit Aufenthaltserlaubnis nach § 16a AufenthG (geplante Änderung in § 8 Abs. 1 BeschV) ist zu begrüßen. Auch die Lockerung der Zweckwechselverbote im Bereich der Ausbildung sind erfreulich. Allerdings sollte aus einer Ausbildung auch in vorübergehende Beschäftigungen wie beispielsweise den Freiwilligendienst oder in einen Au-Pair-Aufenthalt übergegangen werden dürfen, zumal dies den Auszubildenden die Möglichkeit einer Neuorientierung einräumen könnte. Ebenso begrüßenswert ist die Möglichkeit des Übergangs in eine Niederlassungserlaubnis aus einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung, wenn zuvor ein Aufenthaltstitel als Fachkraft vorgelegen hat. Dies erhöht die Bereitschaft zur Aus- und Weiterbildung.

      Im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 16a Abs. 4 AufenthG ist in der Praxis die flächendeckende Praxis der Verfügung von Erlöschensauflagen zu bemängeln. Aufenthaltserlaubnisse zu Ausbildungs- und Studienzwecken werden durch Ausländerbehörden im gesamten Bundesgebiet ganz regelmäßig – mangels Einzelfall- und Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin bereits rechtlich zweifelhaft – mit Erlöschensauflagen für den Fall der Beendigung der Ausbildung oder des Studiums versehen. So führt auch die unverschuldete vorzeitige Beendigung einer Ausbildung oder auch der unverschuldete Abbruch des Studiums regelmäßig zu bösen Überraschungen, wenn die Ausländerbehörde bei der Vorsprache des Auszubildenden oder der Studierenden zur Verlängerung des Aufenthaltstitels aufgrund der Annahme des Erlöschens des Aufenthaltstitels plötzlich den Reisepass der/ des Betroffenen einzieht eine Frist zur Ausreise setzt. Die entsprechende Praxis ist vom Gesetzgeber aber gerade nicht beabsichtigt, was dringend klargestellt werden muss. Der Gesetzgeber gibt in § 16a Abs. 4 AufenthG die Möglichkeiten der Behörde im Falle der vorzeitigen Ausbildungsbeendigung eindeutig vor (Rücknahme, Widerruf, zeitliche Befristung). Eine vergleichbare Vorschrift findet sich im Bereich des Studiums in § 16b Abs. 6 AufenthG. Auch diese Norm macht deutlich, dass der Gesetzgeber - in Umsetzung von Art. 21 Abs. 6 REST-RL - im Falle des Studienabbruchs von den dort genannten Möglichkeiten der Aufenthaltsbeendigung als Regelfall ausgeht und im Falle der Studienbeendigung eben nicht ein automatisches Erlöschen beabsichtigt ist. Im Falle des automatischen Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung bei unverschuldetem Ausbildungsende wäre es der Ausländerbehörde rechtlich aufgrund der damit unmittelbar entstehenden Ausreisepflicht verwehrt, dem Auszubildenden ohne Neueinreise mit nationalem Visum die Chance der erneuten Arbeitsplatzsuche zu geben. Auch im Falle des unverschuldeten Studienplatzverlusts könnte aufgrund der mit dem Erlöschen des Aufenthaltstitels unmittelbar entstehenden Ausreisepflicht die Möglichkeit zur Suche eines neuen Studienplatzes ohne Umweg über § 5 Abs. 2 S.2 AufenthG gar nicht erst eingeräumt werden. Der Gesetzgeber sollte in diesem Zusammenhang deutlich klarstellen, dass entsprechende Erlöschensauflagen sowohl im Bereich der Ausbildung als auch im Bereich des Studiums system- und rechtswidrig sind und vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt sind.

      Insbesondere im Bereich der Pflegeberufe wird händeringend nach Fachkräften gesucht. Hier sind viele Unternehmen dazu übergegangen, verstärkt potenziell Auszubildende in Drittstaaten anzuwerben und die Fachkräfte in Gesundheitsberufen selbst auszubilden. In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder Probleme mit der Vorschrift des § 38 BeschV. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit für eine Beschäftigung zu versagen, die aufgrund einer unerlaubten Arbeitsvermittlung oder Anwerbung zu Stande gekommen ist. Hier ist vor allem das Problem der unerlaubten Anwerbung oder Vermittlung von Gesundheitsfachkräften aus sog. Mangelstaaten zu beachten. In §§ 38, 39 BeschV ist die nichtstaatliche Arbeitsvermittlung von Gesundheitsfachkräften und deren Anwerbung für eine Beschäftigung in Gesundheitsberufen untersagt worden, um dem Verhaltenskodex der WHO Rechnung zu tragen. Der WHO-Kodex sieht vor, keine Gesundheitsfachkräfte aus Staaten anzuwerben, in denen selbst ein Mangel an Personal in den Gesundheitsberufen besteht. Im Anhang zu § 38 BeschV sind 47 Staaten gelistet, in denen nach den Feststellungen der WHO ein Mangel an Gesundheitspersonal besteht. Das in § 38 BeschV geregelte Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit ist grundsätzlich sinnvoll und unterstützenswert. Wenig überzeugend ist aber, dass das Anwerbungs- und Vermittlungsverbot auch für Anwerbung und Vermittlung zur Aufnahme von betrieblichen Ausbildungen zur/zum Kranken- oder Altenpfleger/in gelten soll, da es sich auch bei betrieblichen Ausbildungen um Beschäftigungen in Gesundheitsberufen handeln soll.  Dasselbe soll für die Anwerbung und Vermittlung zum Zweck der Nachqualifizierung iSd. § 16d AufenthG gelten. Die entsprechende Weisung des BMAS an die Bundesagentur für Arbeit zur Änderung der Verwaltungspraxis hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2019 für rechtmäßig, aber keineswegs für zwingend gehalten (s. BVerwG 1 C 41.18). Tatsächlich passt das Braindrain-Argument hier nicht wirklich, da den Gesundheitssystemen in den betroffenen Ländern ja überhaupt keine Gesundheitsfachkräfte entzogen werden. Bevor die Ausbildung erfolgt ist, handelt es sich bei den angeworbenen Azubis noch gar nicht um nicht Gesundheitsfachkräfte, die den entsprechenden Ländern entzogen werden. Vielmehr ist sogar möglich, dass diese irgendwann als ausgebildete Gesundheitsfachkräfte in ihre Heimatländer zurückkehren werden und ihren Staaten damit nutzen. Hier wäre allein die (erneute) Änderung der Weisungslage durch das BMAS ausreichend, um den Gesundheits- und Pflegeunternehmen die Anwerbung von Auszubildenden in Gesundheitsberufen wieder in allen Ländern zu ermöglichen.

      2. § 16b AufenthG (Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken)   

      Die Einführung einer gesetzlichen Mindestdauer für eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken ist zu begrüßen. Art. 18 der REST-Richtlinie gibt als Mindestdauer aber ein Jahr zwingend vor, wenn die Studiendauer nicht kürzer als ein Jahr ist. Dementsprechend ist nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber die einjährige Geltungsdauer nur „in der Regel“ vorsieht.   

      Auch im Bereich des Studiums ist zu begrüßen, dass die bisher existierenden Zweckwechselverbote vor dem Abschluss des Studiums im Wesentlichen gestrichen werden. Die Erweiterung der Erlaubnis zur Beschäftigung in Abs. 3 ist im Übrigen erfreulich und schafft für Studierende und Arbeitgeber Flexibilität.

      3. § 16d AufenthG (Anerkennungsverfahren)

      Die neue Möglichkeit in §16d Abs. 3a AufenthG-E, das Anerkennungsverfahren mithilfe eines Anerkennungspartners vollständig in Deutschland durchzuführen ist positiv zu bewerten. Vorausgesetzt wird eine ausländische Berufsqualifikation, die von dem Staat, in dem sie erworben wurde, staatlich anerkannt ist und deren Erlangung eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hat, oder einen ausländischen Hochschulabschluss hat, der von dem Staat, in dem er erworben wurde, staatlich anerkannt ist. Hier ist bislang unklar, welche Stelle hier die Prüfung vorzunehmen hat, ob die ausländische Berufsqualifikation die von dem Staat, in dem sie erworben wurde, staatlich anerkannt ist und deren Erlangung eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hat. Sicherlich erste Adresse hierfür wäre die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB). Allerdings dauert bei der ZAB bereits jetzt die Feststellung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Hochschulabschlusses ca. 6 Monate, wenn nicht bereits ein Arbeitsplatzangebot für eine Blaue-Karte-EU-Beschäftigung vorliegt. Wenn nunmehr in großem Umfang Prüfungsanfragen eingehen, ist schnell mit kaum mehr erträglichen Prüfungszeiten zu rechnen.  Es ist deshalb konkret zu befürchten, dass in allen Verfahren, in denen jetzt die neue Voraussetzung eines im Ausland anerkannten, 2-jährigen Ausbildungsabschlusses vorausgesetzt wird, die bisher lange Dauer des Anerkennungsverfahrens durch die lange Dauer der Feststellung der staatlichen Anerkennung einer Ausbildung im Ausland ersetzt wird.

      Zwingend muss hier deshalb eine der anabin-Datenbank vergleichbare, frei öffentlich zugängliche Datenbank geschaffen werden. Nur wenn zuverlässige staatliche Systeme zur schnellen Ermittlung der ausländischen Abschlüsse existieren, kann eine entsprechende schnelle Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals durch die Behörden erfolgen. Nur dann kann das neue Rechtsinstitut der Anekennungspartnerschaft Erfolg haben.

      4. § 16f Abs. 1 AufenthG (Sprachkurs)

      Sehr zu begrüßen ist, dass der Aufenthaltstitel zur Durchführung eines Sprachkurses deutlich attraktiver gestaltet worden ist (Möglichkeit der Nebenbeschäftigung, Zweckwechsel). Hier sollte der Gesetzgeber deutlicher hervorheben und fördern, dass ein Sprachkurs jedem Aufenthaltszweck – auch dem Ehegattennachzug! – vorgeschaltet werden kann.

      5. § 16f Abs. 2 AufenthG (Schulbesuch)

      Im Gegensatz zu der Regelung des § 16b Abs. 1 aF, die eine Aufenthaltserlaubnis für den Schulbesuch nur in Ausnahmefällen zugelassen hat, kann seit dem 1.3.2020 gemäß § 16f Abs. 2 AufenthG einer ausländischen Person eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs in der Regel ab der neunten Klassenstufe erteilt werden, wenn die in Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollte generell mehr Schulkindern der Besuch deutscher Schulen ermöglicht werden (so ausdrücklich BT-Drs. 19/8285, 90 und AH-FEG Nr. 16 f.2.3). Dafür wurde die ehemalige Beschränkung auf Ausnahmefälle in § 16b Abs. 1 S. 1 aF gestrichen. Leider wird die Neuregelung in § 16f Abs. 2 dem erklärten gesetzgeberischen Ziel nicht gerecht. Die beiden nun explizit erfassten Schulgruppen mit internationaler Ausrichtung (Nr. 1) bzw. überwiegend privater Finanzierung (Nr. 2) waren schon vor dem FEG allgemein anerkannte „Ausnahmefälle“ nach Nr. 16.5.2.2.3 und 16.5.2.2.4 AVV-AufenthG. Die Neuregelung hinterlässt mithin offensichtlich planwidrige Regelungslücken, insbesondere in den weiteren bislang anerkannten „Ausnahmefällen“, etwa für Schulkinder aus den sog. „best-friends“-Staaten (vgl. § 41 AufenthV und Nr. 16.5.2.2.1 AVV-AufenthG) oder für Schulkinder mit Begabtenstipendium sowie Hochbegabten, bei denen der Schulbesuch gerade die besondere Begabung fördern soll, weil die allgemeinbildende Schule hier einen besonderen Förderschwerpunkt hat (vgl. VAB Berlin Nr. 16f 2.2). Diese Lücken können aktuell nur durch eine Analogie zu § 16f Abs. 2 geschlossen werden. Wir regen die gesetzliche Klarstellung an.

      6. § 17 Abs. 1 AufenthG-E (Ausbildungsplatzsuche)

      Dass durch die Altersgrenze für die Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels auf 27 Jahre angehoben werden soll, wird die Zahl der in Betracht kommenden Antragsteller:innen aufgrund der weiterhin zu hohen Sprachanforderungen (gute Deutschkenntnisse = B2) nicht erhöhen.

      7. § 20a AufenthG-E: Chancenkarte

      Mit der Einführung eines Punktesystems wird ein neuer Ansatz im Aufenthaltsgesetz etabliert. Hierfür wird erheblicher Aufwand betrieben. Im Ergebnis ist bei der Chancenkarte in ihrer aktuell geplanten Form jedoch zu befürchten, dass die Chance, die mit der Chancenkarte gewährt wird, durch die Betroffenen nicht in dem erhofften Umfang genutzt werden wird.

      Im Vergleich zu den bisherigen - in der Praxis kaum genutzten Aufenthaltstiteln zum Zweck der Arbeitssuche nach § 20 Abs. 1 und 2 AufenthG - handelt es sich bei der Chancenkarte um einen deutlich attraktiveren Aufenthaltstitel. Erfreulich ist zunächst, dass den Berechtigten jetzt ein volles Jahr und nicht nur sechs Monate zur Arbeitssuche eingeräumt werden. Dies ist wichtig, weil es sich in der Praxis gezeigt hat, dass es auch für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige schwer ist, in Deutschland eine angemessene Arbeitsstelle zu suchen und zu finden. Hier sollte den Chancenberechtigten durch die Bundesagentur für Arbeit unterstützende Leistungen angeboten werden wie besondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen und Bewerbungstrainings.

      Begrüßenswert ist auch, dass klargestellt wird, dass die Chancenkarte auch für die Suche nach einer selbstständigen Tätigkeit und zur Durchführung von Anerkennungsmaßnahmen genutzt werden kann. Ebenso begrüßenswert ist, dass die Beantragung im Inland weniger eingeschränkt werden soll.

      Auch wenn der Kreis der potenziellen Bewerber durch die großzügigere Behandlung von Fachkräften in Ausbildungsberufen und Bewerber, die die ausreichende Anzahl an Punkten erreichen, deutlich größer ist, ist dennoch zu befürchten, dass die Chancenkarte bei weitem nicht im Umfang genutzt werden wird. Ein erhebliches Defizit ist aus unserer Sicht, dass bislang nicht vorgesehen ist, dass Familienangehörige gemeinsam mit dem Arbeitssuchenden einreisen dürfen. Einwanderungsentscheidungen sind erfahrungsgemäß Lebensentscheidungen, die nicht allein, sondern im Familienkreis getroffen werden. Wenn allein der oder die Chancenberechtigte zur Arbeitssuche einreisen darf, ist unter den aktuellen Voraussetzungen realistischerweise davon auszugehen, dass eine Familie deutlich mehr als ein Jahr, eher aber zwei Jahre getrennt sein wird, bis sich die durch die Bundesrepublik eingeräumte Chance möglicherweise endgültig realisiert haben wird. Bis in Deutschland ein Arbeitsplatz gefunden wird, dauert es für neu einreisende Personen in der Regel 6-12 Monate. Ist der Arbeitsplatz endlich gefunden, ist ein Termin bei der zuständigen – in der Regel überlasteten - Ausländerbehörde zu vereinbaren, die zunächst die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholt. Wenn die Zustimmung vorliegt, kann irgendwann die Vorsprache bei der Ausländerbehörde erfolgen, wo der elektronische Aufenthaltstitel bestellt wird. Dieser trifft dann ca. 6-8 Wochen später beim bzw. bei der Betroffenen ein. Erst dann ist realistischerweise für die Familienangehörigen die Beantragung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung überhaupt möglich. Zu der Problematik, dass es oft Monate dauert bis ein Termin zur Visumsbeantragung bei der zuständigen Auslandsvertretung im Heimatland zur Familienzusammenführung vereinbart werden kann, kommt erschwerend hinzu, dass bei der Familienzusammenführung von einem gesicherten Lebensunterhalt in der Regel regelmäßig erst nach Ablauf der Probezeit (6 Monate) ausgegangen wird, so dass die zuständige Ausländerbehörde die Zustimmung nach § 31 Aufenthaltsverordnung erst dann erteilen wird, weil erst dann prognostisch von einem nachhaltigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden kann. Bis die Familie einreist, kann es danach ohne weiteres 2 Jahre dauern. Und dies auch nur dann, wenn der oder die Chancenberechtigte die Probezeit des ersten Jobs übersteht. In der aktuellen Form ist die Chancenkarte allein deshalb nur für ledige Berufsanfänger oder für Paare, bei denen beide Partner die Voraussetzungen der Chancenkarte erfüllen, attraktiv. Diese sind in aller Regel flexibel, haben (noch) keine Familie und sind auch wagemutig. Die Chancenkarte sollte aber auch auf „etablierte“ Fachkräfte abstellen. Diese haben andere Lebenssituationen. Wenn die Familie nicht auch die Chance bekommt, über die Chancenkarte mit einzureisen, werden die meisten Chancensuchenden sich gegen die Wahrnehmung der Chance mit einer Chancenkarte entscheiden. Es sollte es die Sache der Fachkräfte bzw. Chancensuchenden sein zu entscheiden, ob es der Familie zuzumuten ist, gegebenenfalls nach einem Jahr wieder ausreisen zu müssen.

      Nicht ausreichend ist aus unserer Sicht überdies, dass während der Arbeitssuche mit der Chancenkarte nur eine Beschäftigung in Teilzeit möglich sein soll. Eine Halbzeittätigkeit in Deutschland wird in aller Regel nicht ausreichen, sich selbst und die Familie im Heimatland zu unterhalten. Personen, die mit einer Chancenkarte in Deutschland sind, unterscheiden sich nur in geringem Maße von Personen, die in Deutschland im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium nach Arbeit suchen, denen die uneingeschränkte Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erlaubt wird. Wenn tatsächlich ein attraktives Angebot gemacht werden soll, sollte die Erwerbstätigkeit entsprechend den Vorschriften des § 20 AufenthG-E uneingeschränkt erlaubt werden. Sollte die - unseres Erachtens unbegründete - Angst vor Missbrauch überwiegen, sollte den Chancensuchenden zumindest flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten entsprechend den neuen Regelungen zur Beschäftigung für Studierende in § 16b Abs. 3 AufenthG-E eingeräumt werden.

      Des weiteren regt der RAV an, § 20a Abs. 2 S.2 AufenthG-E zu streichen. Dass die Chancenkarte nach § 20a AufenthG nicht für Personen anwendbar sein soll, die sich aus anderen Gründen als der Erwerbstätigkeit oder Ausbildung bereits in Deutschland aufhalten – etwa aus familiären oder humanitären Gründen, ist nicht nachvollziehbar. Wenn beispielsweise die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug entfällt, sollte auch eine bereits im Inland befindliche Person, die die Voraussetzung für eine Chancenkarte erfüllt, die entsprechende Chance zur Suche zur Arbeitssuche erhalten können. Es kommt letztlich doch darauf an, ob die Voraussetzungen für die Chancenkarte erfüllt werden und nicht auf die Frage der Qualität des Voraufenthalts. Warum soll beispielsweise eine ins Bundesgebiet im Wege der Familienzusammenführung nachgezogene drittstaatsangehörige Ehefrau, die nach 2 Jahren und 9 Monaten durch ihren deutschen Ehemann verlassen wird und noch nicht die Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG erfüllt, keine Chance durch die Erteilung einer Chancenkarte erhalten können, obwohl sie die Voraussetzungen dafür erfüllt? Bereits im Inland befindliche und bereits sprachkundige und integrierte Menschen können regelmäßig leichter in den Arbeitsmarkt integriert werden, als neu aus dem Ausland zuziehende Menschen. Regelmäßig sind diese Menschen bereits Teil des Arbeitsmarkts. Macht es im Beispielfall Sinn, die vom deutschen Ehemann verlassene Ehefrau ausreisen zu lassen, um ihr vom Ausland aus ggf. wieder die Chance auf eine Chancenkarte zu geben? Im gesamten Aufenthaltsrecht werden im Bereich der Ausländerbeschäftigung Zweckwechselverbote flächendeckend abgebaut. Dass und warum gerade hier ein entsprechender Zweckwechsel vom Familiennachzug in die Chancenkarte nicht möglich sein soll, erschließt sich nicht.

      Dies ist im Übrigen - hier ist ein Exkurs zu § 9 BeschV im Zusammenhang geboten - genauso schwer erklärbar wie die Tatsache, dass der verlassenen Ehefrau im Beispielsfall trotz über 2-jähriger Erwerbstätigkeit in der Praxis ein Recht auf zustimmungsfreie Fortsetzung der Beschäftigung mit einem Aufenthaltstitel zur Beschäftigung über § 9 BeschV versagt wird, wenn sie (noch) keine Fachkraft ist bzw. nicht über die BeschV zum Arbeitsmarkt zugelassen werden kann, obwohl die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BeschV dem Wortlaut nach vorliegen. Das BVerwG hat am 21.8.2018 entschieden (BVerwG Urt. v. 21.8.2018 – 1 C 22.17), dass § 9 BeschV nach der Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck nur für Personen gelten soll, die bereits im Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis sind, bei der die Ausländerbehörde die Ausübung einer Beschäftigung – mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit – ausdrücklich zugelassen hat. Nur wenn einer Ausländerin oder einem Ausländer auf diesem Weg der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt eröffnet worden sei, soll es danach nicht der (nochmaligen) Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung der beschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen bedürfen. Inzwischen stellt ein erheblicher Teil der Literatur zu Recht die Frage, ob diese Ausführungen auch nach Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes noch zutreffen. Der VGH Mannheim hat diese Frage zuletzt als offene Rechtsfrage bezeichnet (VGH Mannheim, Beschluss vom 31.1.2022, 11 S 1085 (openjur). Es spricht tatsächlich viel dafür, dass angesichts des klaren Wortlauts des § 9 Abs. 1 BeschV ("Aufenthaltserlaubnis") und des mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Gestalt von § 4a AufenthG herbeigeführten Paradigmenwechsels hin zu einer gesetzlichen Verknüpfung der Erteilung von Aufenthaltstiteln mit der Eröffnung des Zugangs zur Erwerbstätigkeit die argumentative Grundlage für eine restriktive Interpretation von § 9 Abs. 1 BeschV entfallen ist. Der Gesetzgeber sollte das vorliegende Gesetzgebungsverfahren nutzen, um diese Streitfrage abschließend zu klären. Sinnvollerweise sollte hier klargestellt werden, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG i.V.m. § 9 BeschV entsprechend des Wortlauts des § 9 BeschV auch Inhabern von Aufenthaltstiteln außerhalb des Abschnitt 3 und 4 des Kap. 2. des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen

      8.  Änderung der BeschV

      1. § 26 Abs. 2 BeschV

      Es ist bedauerlich, dass es bislang nicht gelungen ist, die sog. Westbalkan-Regelung auf weitere Länder auszuweiten. Dass die Regelung des § 26 Abs. 2 BeschV entfristet wird, ist zu begrüßen.

      Weshalb weiterhin an einem Kontigent festgehalten wird, erschließt sich uns nicht. Der Bedarf an unqualifizierten Arbeitskräften ist vor allem in der Bau- und Gastrobranche enorm. Eine ungebremste Zuwanderung ist schon wegen der beschränkten Bearbeitungskapazitäten der Auslandsvertretungen nicht zu erwarten.

      Es erschließt sich uns weiterhin nicht, warum bspw. eine seit Jahren in Finnland lebende Serbin nicht in Helsinki einen Antrag auf Erteilung eines Visums zur Beschäftigung nach der Westbalkanregelung stellen können soll. Das Problem der Zuordnung zum jeweiligen Länderkontingent sollte sich in Zeiten der Digitalisierung lösen lassen. Deshalb regen wir an, die erstmalige Antragstellung nicht nur in den in S. 1 genannten Staaten zu ermöglichen. Die Möglichkeit der Antragstellung bei der für den aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Auslandsvertretung würde auch die Situation der völlig überlasteten Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen in den in S. 1 genannten Staaten entspannen.

      2. § 1 Abs. 2 BeschV / § 18 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG (Gehaltsgrenze für ab 45-Jährige)

      Personen, die erstmalig eine Zustimmung der BA für eine Beschäftigung erhalten und 45 Jahre oder älter sind, müssen in bestimmten Fällen ein festgelegtes Mindesteinkommen erzielen. Dies gilt bisher bereits für Personen, die als Berufskraftfahrer (§ 24a BeschV) oder nach der Westbalkanregelung (§ 26 Abs. 2 BeschV) die Zustimmung erhalten. Hinzu kommen künftig Personen mit besonderer berufspraktischer Erfahrung ohne formale Qualifikation (§ 6 BeschV) und Pflegehilfskräfte (§ 22a BeschV).

      Die Gehaltsgrenze liegt im Jahr 2023 bei 48.180 Euro brutto jährlich. Die zu erreichende Gehaltsschwelle kommt in den meisten Fällen einem vollständigen Ausschluss von über 45-jährigen Drittstaatsangehörigen gleich. Daran wird auch die minimale Aufweichung der Tatbestandsvoraussetzungen, dass künftig im Einzelfall ein erleichtertes Absehen von dieser Gehaltsgrenze eingeräumt werden, „wenn ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Beschäftigung besteht, insbesondere wenn die Gehaltsschwelle nur geringfügig unterschritten oder die Altersgrenze nur geringfügig überschritten wird“ nichts ändern. Tatsächlich gibt es erheblichen Bedarf und sehr viele sehr qualifizierte Menschen im Alter ab 45 Jahren, die hier dringend benötigt würden, gehen dem Arbeitsmarkt schlicht verloren, weil sie nicht über 4.000 € brutto monatlich verdienen können und bis jetzt noch nicht ausreichend vorgesorgt haben. Hier ist es eine Frage von Mut und Vertrauen, das Risiko einzugehen, dass diese Menschen mit 67 Jahren (ergänzend) Leistungen beziehen. Es sind immer Prognoseentscheidungen zu treffen. Auch bei einer Person, die (bei der ersten Zulassung zum Arbeitsmarkt) ein Gehalt in Höhe von rund 4.000 € brutto erhält, ist keinesfalls gewährleistet, dass diese Person mit 67 genügend Beiträge in die Rentenversicherung gelistet hat. Der RAV spricht sich dafür aus, die Begrenzung der Einwanderung von über 45-jährigen Fachkräften (§ 18 Abs. 1 Nr. 5) und für die in § 1 Abs. 2 BeschV genannten Gruppen der BeschV aufzuheben. 

      Berlin, 08.03.2023

      Christoph von Planta

      Die Stellungnahme als PDF

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      StellungnahmenMigration & Asyl
      news-933Mon, 06 Mar 2023 09:11:53 +0100International Fair Trial Day, 14 June 2023<br />Focus Country: Mexico/publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-1-933Hold the Date and Call for Nominations for the Ebru Timtik Award. 14 June 2023, Mexico City/Mexico In 2021, a group of lawyers and lawyers’ organisations came together to establish an annual International Fair Trial Day (IFTD) to be observed every year on 14 June. This initiative is supported by more than 100 legal associations across the world, all of which are committed to the vital importance of the right to a fair trial and the serious challenges to due process rights worldwide. They established a Steering Group for the organization of IFTD.

      The Steering Group agreed that in each subsequent year, one country --where fair trial rights are being systemically violated-- would be chosen as the focus country, and an event would be organized to mark IFTD, as well as a series of activities around the event to draw attention to the situation in that country. The events include holding a conference on systemic fair trial issues and making a public statement with concrete recommendations on how to tackle these.  The decision to establish an IFTD was also accompanied by the establishment of the Ebru Timtik Award. Ebru Timtik is a lawyer from Turkey who lost her life on 27 August 2020 as a result of a 238-day hunger strike she undertook to protest against the systemic violations of fair trial rights which people in Turkey are facing. Every year, on the occasion of the IFTD, the Ebru Timtik Award is made by an independent jury to an individual or individuals and/or an organisation who have or which has made a significant contribution to the defence and promotion of the right to a fair trial in the focus country.

      The first IFTD focus country chosen was Turkey, in 2021. A virtual conference was held on 14 June 2021, to mark the occasion.  The first Ebru Timtik Award was granted posthumously to Ebru Timtik herself. The second conference, which focused on the systemic fair trial issues in Egypt, took place in Palermo/Italy on 17-18 June 2022. Mohamed El-Baqer and Haitham Mohammadein, two Egyptian human rights lawyers who were in detention at the time, received the Ebru Timtik Award.

      2023 International Fair Trial Day Focus Country: Mexico

      The Steering Group has expanded since 2021 to include a number of other prominent organisations taking part in the work, all as listed below. Several nominations were received for this year’s IFTD focus country. Following due consideration of the proposals, Mexico has been chosen as the focus country of 2023. This decision is based on the following: 

      1.) Reports on the situation in Mexico illustrate that many parts of the judicial system in the country suffer from systemic corruption, lack of effective protection of due process rights, ineffective and delayed investigations and trials, discrimination, and improper government influence. Accordingly, there are concerns that the judiciary of some courts and regions fail to provide an effective and timely remedy for those who are wrongly accused of violent crimes or who are victims of crimes or human rights abuses. This becomes more striking against the backdrop of an extremely high violent crime rate and impunity. Evidence of corruption within the judiciary and investigative authorities, among other state institutions, remains a fundamental concern. Reports emphasize that the involvement of the state security forces and prosecutors in criminal activities and ‘serious and widespread human rights violations, including torture, enforced disappearances, and extrajudicial killings with near total impunity’ is an acute problem.[1]

      2.) While Mexico is overall defined as a partially free country in the Freedom House Freedom in the World Report (with a 60/100 ranking), rule of law-related factors in the assessment downgrade Mexico’s ranking.  Accordingly, the ‘due process rights protection’ ranking of the country is only ¼, while the ‘judicial independence’ ranking is 2/4.[2] The Global Rule of Law Index of the World Justice Project places Mexico at the rank of 115 out of 140 countries worldwide. Mexico’s ‘criminal justice’ ranking in the Index is 128/140, while the ‘civil justice’ ranking is 131/140. The country is among the worst 10 countries when it comes to ‘corruption,’ ranking 134/140.[3]

      3.) Enforced disappearances and summary executions remain one of the most important human rights issues in the country, with the state institutions consistently failing to find an effective solution. In 2021 alone, at least 7,698 missing or disappeared person cases were reported, bringing the total number since 1964 to more than 100,000 people.[4] The UN Committee on Enforced Disappearances visited Mexico in 2021 and shared its findings in 2022. These findings drew attention to the urgency and seriousness of the issue and urged the Mexican authorities to, among others, increase their efforts to combat enforced disappearances, take genuine steps to eradicate structural impunity, and facilitate coordination between different state institutions. [5]

      4.) Mexico is rated as one of the most dangerous countries for human rights defenders working on organized crimes, corruption, and crimes by state agents.[6] They are targeted, face attacks, and, in some cases, are killed, abducted, and tortured for their legitimate human rights activities by members of organized groups or state agents. 15 journalists were killed between January and September 2022, and between January – June 2022, 12 human rights defenders were killed in Mexico.[7] Despite the seriousness of these crimes, the cases often remain unresolved with impunity shielding those who are responsible.

      5.) Arbitrary, prolonged, and unlawful pretrial detention, in many cases without any charges, is a further systemic issue in the Mexican justice system. Ordering pretrial detention is an obligation for the judicial authorities for those charged with several crimes without any regard to the evidence or circumstances of the case file. The widely criticized arraigo detention that allows prosecutors to obtain detention authorization for up to 40 days without a charge is a further problematic practice used to undermine the due process rights of the accused.[8] These broad powers are extensively used by the judicial and prosecutorial authorities and as a result of their frequent application, prisons are overcrowded and prisoners face systematic human rights abuses and dire prison conditions.  

      6.) In an October 2021 filing of an application to the Inter-American Court on Human Rights, the Inter-American Commission on Human Rights underlined some of these systemic issues, particularly those related to the use of detention, torture, and ill-treatment within Mexico’s criminal justice system, and recommended that Mexico:  

      - ‘Adapt the country's legal system to permanently eliminate the concept of arraigo, including the constitutional and legal norms that uphold this practice. While this is being implemented, ensure that all judicial operators who are called upon to apply the concept of arraigo cease to do so by invoking conventionality control, in light of the corresponding inter-American standards.

      - Provide appropriate training for officials working at the Office of the Deputy Attorney General of Tlalnepantla concerning the absolute prohibition of torture and cruel, inhuman, and degrading treatment during investigations of all crimes, including those that relate to organized crime, and implement a simple, easily accessible system for reporting any such acts.’[9]

      7.) Similarly, in a September 2022 statement, the UN Working Group on Arbitrary Detention called on Mexico to urgently abolish mandatory pre-trial detention provided under the Constitution. According to the Committee, ‘[o]ne of the most serious consequences of mandatory pre-trial detention has been that many Mexicans spend more than a decade deprived of their liberty, awaiting trial, without sentence and in conditions of serious risk to their lives and personal integrity. It also contributes to prison overcrowding.’[10]

      8.) In a judgment published in January 2023, the Inter-American Court on Human Rights also condemned the pre-procedural arraigo as well as the pretrial detention regulated in the 1999 Federal Code of Criminal Procedure, contrary to the American Convention on Human Rights. The Court ordered Mexico to: a) annul (dejar sin efecto) the provisions related to pre-procedural arraigo in its domestic law; and b) adapt its internal legal system on pretrial detention.[11]   

      Against this dire background, the Organising Committee of the IFTD agreed that focusing on Mexico in 2023 will help draw more attention to the systemic fair trial violations in the country. It will provide support to many human rights defenders, including lawyers and journalists, and judges who are still being targeted for their legitimate activities, who are arbitrarily prosecuted, detained, and who face trials severely lacking in due process and failing to respect fair trial principles. 

      The IFTD conference will be held on 14 June 2023 in Mexico and will be co-hosted by Mexico-based organisations. Further details of the agenda and the speakers who will participate in the conference will follow over the next few months. For now, we invite you to hold the date.

      Call for nominations for the Ebru Timtik Award

      The Organising Committee of the IFTD would like to also invite you to nominate one or more individual(s) or an organisation for the Ebru Timtik Award from amongst those who have demonstrated outstanding commitment and sacrifice in upholding fundamental values related to the right to a fair trial in Mexico. The individual(s) or organisation nominated for the award must be or have been active in defending and or promoting the right to a fair trial in Mexico through either his/her/their/its recent outstanding piece of work in relation to this fundamental right or his/her/their/its distinguished long-term involvement in fair trial issues. The deadline for nominations is 2 May 2023. To nominate, please send your nominations to nominationsetaward@gmail.com in English and kindly include: (1) the candidate’s detailed bio, (2) a letter signed by the nominating organisation/group of individuals explaining the reasons why they/it consider(s) that the candidate should be granted the Award, and (3) one recommendation/supporting letter from an unrelated, external organisation, if the application is submitted by a group of individuals.

      For the details of the award criteria and process please see the attached “Selection criteria for the grant of the Ebru Timtik Fair Trial Award”. After the deadline, a jury composed of independent individuals who are experienced with the right to a fair trial, including one or more from the focus country, will review and assess the nominations and determine the award recipient(s).

       
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      International Fair Trial Day (IFTD)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)Repression gegen Rechtsanwälte
      news-932Fri, 03 Mar 2023 07:03:41 +0100Urgent request for intervention in favour of Mr. Reza Khandan/publikationen/mitteilungen/mitteilung/urgent-request-for-intervention-in-favour-of-mr-reza-khandan-932Open Letter, 2.3.2023To:
      Ms. Margaret Satterthwaite
      UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers
      Email: hrc-sr-independencejl@un.org

      Ms. Mary Lawlor
      UN Special Rapporteur on the situation
      of Human Rights Defenders
      Email: defenders@ohchr.org

      Ms. Marija Pejčinović Burić
      Secretary General of the Council of Europe
      Fax: + 33 (0)3 88 41 27 99

      Ms. Dunja Mijatović
      Commissioner for Human Rights of the Council of Europe
      Email: commissioner@coe.int

      Ms. Roberta Metsola
      President of the European Parliament
      Email: roberta.metsola@europarl.europa.eu

      Mr. Charles Michel
      President of the European Council
      Email: ec.president@consilium.europa.eu

      Ms. Ursula von der Leyen
      President of the European Commission
      Email: ec-president-vdl@ec.europa.eu

      Mr. Juan Fernando López Aguilar
      President LIBE Committee of the European Parliament
      Email: juanfernando.lopezaguilar@europarl.europa.eu

      Venice, 02/03/2023

      Re: Urgent request for intervention in favour of Mr. Reza Khandan

      Dear all,

      The undersigned organizations urge you to take concrete and urgent action in the case of Reza Khandan[1], well-known human rights activist in Iran and husband of the prominent lawyer and human rights defender Nasrin Sotoudeh[2].

      On Tuesday, 14 February, the media broke the news that he has been summoned to prison[3].

      In September 2018, Khandan was arrested and charged with “spreading propaganda against the system” and “colluding to commit crimes against national security,” after posting several updates about his wife’s June 2018 arrest online and protesting against the mandatory hijab law by producing and distributing pins that read: 'I stand against the compulsory hijab'[4].

      He was released on bail in December 2018[5], but in January 2019 was sentenced to six years in prison with another activist, Farhad Meysami[6].

      Just a couple of weeks ago, his wife Nasrin Sotoudeh appeared on CNN to call for the release of Meysami whose life was gravely at risk after a lengthy hunger strike while in prison[7]; he was freed from the infamous and overcrowded Evin Prison on February 10[8].

      The Iranian authorities must rescind the summons of Reza Khandan, drop all the charges against him and his wife Nasrin Sotoudeh and stop persecuting them for their efforts to protect, inter alia, women from discrimination and humiliation to which they are subjected in contravention of the principle of civilisation enshrined in Article 1 of the Universal Declaration of Human Rights, ratified by Iran in 1948, according to which 'all human beings are born free and equal in dignity and rights' where dignity comes even before rights.

      Likewise, the international community, including the EU given its ongoing dialogue with Iran, must condemn all forms of violence, including executions, discrimination and persecution, recognizing the freedoms of thought, conscience, religion, expression, assembly and association, as well as the right to a fair trial, as foundations of civilised living.

      We Colleagues, Magistrates, NGOs and civil society are united and firm in denouncing these violations of fundamental rights and freedoms and supporting human rights defenders. We ask for a concrete stance from you, an incisive commitment to end the judicial harassment of Reza Khandan and Nasrin Sotoudeh, recalling the tenets of the UN Declaration on Human Rights Defenders and the UN Basic Principles on the Role of Lawyers on the therein enshrined States’ responsibility[9].

      If we do not defend human rights defenders, who will defend human rights?[10]

      We thank you for your attention and we rely on your prompt and effective intervention.

      Best regards,

      Asociación Americana de Juristas
      Avocats Européens Democrats / European Democratic Lawyers
      Avocats Sans Frontières
      Avocats Sans Frontières / France
      Consiglio Nazionale Forense / Italian National Bar Council
      Défense Sans Frontière-Avocats Solidaires / France
      European Criminal Bar Association
      European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights
      Fédération des Barreaux d’Europe
      Foundation Day of the Endangered Lawyer
      International Association of People's Lawyers (IAPL), Monitoring Committee on Attacks on Lawyers
      International Bar Association's Human Rights Institute (IBAHRI)
      Institut des Droits de l’Homme, Barreau de Bruxelles / Belgium
      Institut des Droits de l’Homme des Avocats Européens (IDHAE)
      Magistrats Européens pour la Démocratie et les Libertés
      New York City Bar Association / United States of America
      Observatoire International des Avocats en Danger / International Observatory for Lawyers (OIAD)
      Ordine degli Avvocati di Venezia / Italy
      Progressive Lawyers' Association / Turkey
      Rechtsanwaltskammer Berlin /Germany
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) / Germany
      Union of the Italian Criminal Chambers – Endangered Lawyers Observatory and Europe Observatory / Italy

      [1] See International Bar Association, “Iran: IBAHRI condemns prison sentence against Reza Khandan and calls for charges to be dropped”; PEN America, “PEN America Condemns Prison Summons Issued to Reza Khandan, Husband to Prominent Iranian Human Rights Lawyer Nasrin Sotoudeh”.
      [2] Nasrin Sotoudeh, 59, mother of two, Iranian distinguished human rights lawyer, was arrested on June 13, 2018 after she represented a woman facing imprisonment for peacefully protesting against Iran’s compulsory hijab law by removing it in public. Sotoudeh was informed that she had been detained based on a 5 year prison sentence that was issued against her in absentia in 2015 by a Revolutionary Court judge on the following charge: "espionage in hiding".
      On March 9, 2019, she received a copy of a court ruling issued after a one-day hearing held in absentia on December 30, 2018, by Branchh 28 of the Islamic Revolution Court in Tehran. The Court found her guilty and sentenced her to 33 years in prison and 148 lashes on the following seven charges: “gathering and collusion against national security” (Article 610 of the Islamic Penal Code), “spreading propaganda against the system” (Article 500) “effective membership of the illegal and ianti-security splinter groups Defenders of Human Rights Centre, LEGAM and National Council of Peace” (Article 498); “encouraging people to commit corruption and prostitution, and providing the means for it” (Article 639), “appearing without the sharia-sanctioned hijab at the premises of the magistrate’s office” (Article 638); “disrupting public order and calm” (Article 618) and “spreading falsehoods with intent to disturb the public opinion” (Article 698).
      She is currently serving her sentence although she is on medical furlough since July 2021, and continues to advocate for people’s basic human rights. For her commitment to the defence of human rights she has been honoured internationally with prestigious awards such as PEN America’s 2011 Freedom to Write, the Sakharov Prize of the European Parliament in 2012, the International Human Rights Prize “Ludovic Trarieux” in 2018, the Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) Human Rights Award in 2019 and the Right Livelihood Award in 2020.
      [3] A. Moshtaghian, “Husband of prominent Iranian human rights lawyer summoned by judiciary”, CNN.
      [4] GCHR, “Iran: Human rights defender Reza Khandan arrested and Nasrin Sotoudeh remains on hunger strike”.
      [5] FIDH, “Iran: Release on bail of Reza Khandan”.
      [6] Radio Farda, “Two Prominent Rights Activists Sentenced to Six Year Each”.
      [7] S. Noor Haq, “'They still want a regime change.' Iranian human rights lawyer Nasrin Sotoudeh says the anger behind Iran's protests remains”, CNN.
      [8] J. Hallam, A. Moshtaghian, N. Kennedy, “Iran frees dissident Farhad Meysami after photos of his emaciated condition cause outrage online”, CNN.
      [9] Resolution n. 53/144 adopted by the UN General Assembly on December 9, 1998, Article 2 “1. Each State has a prime responsibility and duty to protect, promote and implement all human rights and fundamental freedoms, inter alia, by adopting such steps as may be necessary to create all conditions necessary in the social, economic, political and other fields, as well as the legal guarantees required to ensure that all persons under its jurisdiction, individually and in association with others, are able to enjoy all those rights and freedoms in practice. 2. Each State shall adopt such legislative, administrative and other steps as may be necessary to ensure that the rights and freedoms referred to in the present Declaration are effectively guaranteed.
      [10] Quote from Rosemary Nelson, lawyer and human rights defender killed by a car bomb in Lurgan, Northern Ireland, in 1999.

      Der Brief als PDF

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      IranBürger- und Menschenrechte
      news-931Wed, 01 Mar 2023 15:37:04 +0100Recht gegen rechts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-gegen-rechts-931Report 2023Wie schützen der Rechtsstaat und seine Institutionen die Betroffenen von Verfolgung, Flucht, Rassismus, Antisemitismus und Misogynie 30 Jahre nach der Zäsur von Rostock-Lichtenhagen und mehr als zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrund“?
      Dieser Frage geht der nunmehr im dritten Jahr erscheinende Report „Recht gegen rechts“ anhand aktueller Beispiele nach. In mehr als 30 kurzen Artikeln werfen Jurist*innen, Rechtswissenschaftler*innen und Fachjournalist*innen - unter ihnen viele RAV Mitglieder - Schlaglichter auf aktuelle Probleme der Rechtsprechung, behördlichen Handelns und Rechtspolitik.

      Angela Furmaniak berichtet vom Rauswurf eines rechten Anwalts aus dem Freiburger Anwaltsverein. Christina Clemm legt in ihrem Beitrag „Frauenhass und Antifeminismus“ die bestehenden Wahrnehmungslücken in der Justiz bei genderspezifischer Gewalt offen. Peer Stolle berichtet kritisch zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, die AfD als Verdachtsfall einzustufen. Besonders ans Herz gelegt sei das sehr persönliche Vorwort der Kollegin Seda Başay-Yıldız, die eindrücklich schildert, welch wiederkehrendes Moment rassistische Anschläge und das Schweigen der Mehrheit für Betroffene haben. 

      Als RAV wollen wir die Debatte zur Frage des Einsatzes rechtlicher Mittel im „Kampf gegen rechts“ auch auf dem Kongress im Juni 2023 in Leipzig fortsetzen. Anknüpfend an das Spannungsfeld, das die Herausgeber*innen Nele Austermann, Andreas Fischer-Lescano, Heike Kleffner, Kati Lang, Maximilian Pichl, Ronen Steinke und Tore Vetter so beschreiben: „Das Recht gegen rechts - das ist im liberalen Rechtsstaat also immer auch die Mahnung, der Versuchung zu widerstehen, blind jenem „starken Staat“ zu vertrauen, der zu oft Teil des Problems war und ist. Dennoch können wir es uns nicht leisten, im Kampf gegen rechts auf das Recht zu verzichten. Statt unpolitischer Extremismusbekämpfung, die am Ende nur den Rechten selbst nützt, ist es notwendig, diesen Widerspruch des liberalen Rechtsstaats zu thematisieren und die Diskussion um Gegenstrategien im Recht selbst offensiv zu führen.

      Recht gegen rechts. Report 2023, S. Fischer Verlag 2023

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      Rechtsextremismus
      news-930Mon, 27 Feb 2023 12:36:13 +0100Bericht vom Rand der Dienstleistungsperipherie: Kommerzielle Sicherheitsdienste in Deutschland/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-vom-rand-der-dienstleistungsperipherie-kommerzielle-sicherheitsdienste-in-deutschland-930Veranstaltung, 7.3.2023 um 19:30 h in Freiburg/Brsg.

      Sicherheitsdienste sollten kommerziell und nicht privat genannt werden. Sie vertreten kommerzielle, also profitorientierte Interessen, auf einem von ihnen mitgeschaffenen Angst- und Besorgnismarkt. Schon seit etwa 100 Jahren arbeiten sie hierzulande weitgehend unkontrolliert und juristisch kaum eingehegt.

      Ihre Branche ist in den 2010er und 2020er Jahre stetig gewachsen. Dabei greifen das Selbstverständnis der Unternehmen und seiner Lobby-Organisation wie auch die Zuschreibung seitens staatlicher Akteure so ineinander, dass sich der Sektor verkaufsfördernd als Ko-Produzent von Sicherheit inszeniert und staatlicherseits inszeniert wird. Ein Ausdruck davon ist die Fortschreibung des ›Programms Innere Sicherheit 2008/2009‹, in dem es heißt, »Unternehmen aus dem Dienstleistungsspektrum der privaten Sicherheit sind ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland«. Beschlossen wurde das Programm von der deutschen Innenministerkonferenz (IMK).
      Eine von der IMK beauftragte Arbeitsgruppe meldete im Jahr 2011, dass die Branche mit Landes- und Bundespolizeien sowie den Innenministerien Vereinbarungen und Verträge hat, an denen 123 Wach- und Sicherheitsunternehmen in zehn Bundesländern und im Bund (durch die Bahn AG) beteiligt sind. Zwölf weitere Vereinbarungen gibt es mit dem Lobbyverband Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW), und in sechs Bundesländern bestehen zudem Vereinbarungen zwischen weiteren Innenbehörden und dem BDSW.
      Die Entwicklung der letzten 100 Jahre lässt sich ohne ein Verständnis von kapitalistischen Verwertungslogiken und ohne einen genaueren Blick auf staatliche Regulationsformen kaum verstehen, wie das Auf und Ab des Gewerbes in den vergangenen Jahrzehnten mit Blick auf Umsatz, Gewinn und Beschäftigte zu verstehen ist.

      Der Vortrag skizziert diese Entwicklungen und will Raum für Diskussion lassen.

      Sollte bis zur Veranstaltung der Referentenentwurf zu einem von der Ampelkoalition angekündigten "Sicherheitsgewerbegesetz" vorliegen, werden wir dessen Planungen diskutieren und mit den Forderungen des größten Lobbyverbands der Wachund Sicherheitsbranche, dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW), vergleichend bewerten.

      Volker Eick ist Politikwissenschaftler und Mitglied im erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.
      Er arbeitet in Berlin und Bern.

      Termin und Ort:
      07. März 2023 um 19:30 Uhr
      Hörsaal 1010, UNI-Freiburg

      Veranstalter:
      Initiative Solidarity City, GS Humanities, Aktion Bleiberecht Freiburg, Arbeitskreis kritische Sozialarbeit (AkS)
      Kontakt:
      freiburg@Solidarity-City.eu

      Flyer

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      LagerSicherheitsgewerbeVeranstaltungen
      news-929Thu, 23 Feb 2023 07:08:33 +0100Iran: IBAHRI condemns prison sentence against Reza Khandan and calls for charges to be dropped/publikationen/mitteilungen/mitteilung/iran-ibahri-condemns-prison-sentence-against-reza-khandan-and-calls-for-charges-to-be-dropped-929Statement, 21.2.23The International Bar Association’s Human Rights Institute (IBAHRI) condemns the issuance of a summons for Iranian civil activist Reza Khandan to begin a six-year prison sentence that was handed down in 2018 for a Facebook post published in support of calls to dismantle discriminatory laws against women and for the release of human rights defenders. The IBAHRI calls on Iran’s authorities to drop all charges against Khandan, the husband of prominent human rights lawyer Nasrin Sotoudeh[1].

      Sotoudeh, sentenced to 38 years imprisonment and 148 lashes – the most severe sentence recorded against a lawyer or human rights defender in Iran in recent years – has been on medical furlough from prison since July 2021. She was recently interviewed by Christiane Amanpour on CNN and spoke about the recent protests in Iran, political prisoners and the mounting concerns over the health of activist Farhad Meysami, who was on hunger strike in protest of Iran’s compulsory headscarf policy.  

      In January 2019 Khandan was sentenced to six years' imprisonment by Tehran’s Revolutionary Court. He appealed the decision. The sentence had not been enforced. He has now been summoned to report to prison to begin serving his sentence.

      IBAHRI Co-Chair and Immediate Past Secretary-General of the Swedish Bar Association Anne Ramberg Dr Jur hc commented: ‘The summons of Reza Khandan is clearly another attempt by Iran’s authorities to intimidate him and his wife, Nasrin Sotoudeh, into silence, and to stifle the momentum of protests. The IBAHRI condemns these actions in the strongest possible terms and calls for the summons of Khandan to be rescinded and for all charges against the couple to be dropped. The use of law to make it compulsory for women to wear a hijab is discriminatory and an affront to a woman’s right to equality and dignity. Protestors are telling Iran’s rulers that this law is not respected and cannot be enforced with brutal suppression, lengthy prison sentences and/or executions. Such actions by Iran’s authorities are a manifestation of their fear; realising they cannot govern with the consent of citizens, they instead seek to subjugate them. The IBAHRI urges Iran’s judiciary to adhere to international human rights laws and principles.’

      In 2018, Khandan was arrested and charged with ‘spreading propaganda against the system’, ‘colluding to commit crimes against national security’ and ‘propagating and promoting disregard for hijab in the society’. He has publicly campaigned for the release of his wife, who has represented several women arrested for peacefully protesting the compulsory hijab law and is an outspoken opponent of the death penalty.

      IBAHRI Co-Chair Mark Stephens CBE stated: ‘The IBAHRI condemns in the strongest possible terms the Iranian authorities’ latest attempt to intimidate Reza Khandan. This action demonstrates not only the brazen silencing of renowned activists, but also the targeting of any Iranian who voices support for the improvement of women’s rights in Iran. With the targeting of Nasrin Sotoudeh’s husband, we direct Iran’s authorities to Resolution 68/181, adopted by the United Nations General Assembly. It calls on States, inter alia, to ensure that the promotion and protection of human rights are not criminalised and to refrain from any act of intimidation or reprisal against women human rights defenders or their family members. The IBAHRI calls for Iran to respect an individual’s rights to exercise freedom of expression and their right to family life.

      Khandan’s summons occurs against the backdrop of mass protests against mandatory hijab laws that have swelled into calls for the overthrow of Iran’s ruling clerical regime. There have been at least 520 protest-related deaths and detainment of almost 20,000 individuals. In a bid to deter further demonstrations, authorities have turned to the Revolutionary Court system, renowned for dispensing severe sentences against activists and protestors, including the use of the death penalty.

      ENDS

      For further information/interview requests, please send an email to: IBAHRI@int-bar.org

      [1] Nasrin Sotoudeh has for more than a decade, been a leading voice in support of human rights and the rule of law in Iran, representing imprisoned women targeted for protesting the compulsory hijab law and speaking out against injustice. For her work, she has endured fabricated legal charges, grossly disproportionate prison sentences and serious health deterioration.

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      IranBürger- und Menschenrechte
      news-928Tue, 21 Feb 2023 14:14:39 +0100Gesetzentwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzentwurf-eines-gesetzes-zur-digitalen-dokumentation-der-strafgerichtlichen-hauptverhandlung-928RAV-Stellungnahme, 17.2.23Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung vom 22.11.2022

      Verfasser: Prof. Dr. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt; Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt

      Vorbemerkung

      Der RAV nimmt den vorgelegten Gesetzesentwurf mit Freude zur Kenntnis. Die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ist seit langem Ziel der Anwält*innenschaft und in einem modernen Rechtsstaat Standard. Sie wird die Transparenz und damit auch die Akzeptanz strafgerichtlicher Hauptverhandlungen erhöhen. Leidige Diskussionen über den genauen Inhalt der Aussagen von Zeug*innen oder Sachverständigen werden damit endlich der Vergangenheit angehören, was auch dem Rechtsfrieden dient.

      Im Einzelnen:

      § 271 StPO

      Absatz 1 ist aus systematischen bzw. Klarstellungsgründen begrüßenswert.

      Absatz 2 ist als Kernstück der neuen Regelung außerordentlich sinnvoll. Aus Sicht des RAV bedürfte es dabei zunächst nicht einmal der visuellen Aufzeichnung, um das Ziel des Gesetzes zu erreichen; vielmehr genügt jedenfalls in einem ersten Schritt die automatisiert in ein Transkript zu übertragende Audioaufzeichnung. Aussagepsychologisch ist ohnehin bekannt, dass es für die Frage der Glaubhaftigkeit von Aussagen auf Gestik und Mimik von Zeug*innen eher nicht ankommt. Große Vorteile einer Aufzeichnung auch als Video, die den damit verbundenen Aufwand rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Andererseits fielen bei der Video-Aufzeichnung bei weitem größere Datenmengen an als bei der reinen Audioaufzeichnung. Videos mit mehreren Stunden Länge sind jedenfalls derzeit noch kaum händelbar, weil viele Gigabyte groß; ob die automatisierte Transkribierung fehlerfrei möglich sein wird, ist noch unklar, zumal wenn man den derzeitigen mangelhaften Stand der Digitalisierung der Justiz in den Blick nimmt. Der GesE lässt offen, ob das Transkript aus einer Audio-Video-Datei heraus erfolgen soll oder – was technisch eher umzusetzen wäre – aus einer gesonderten Audiodatei. Hinzu kommt, dass Mikrofonanlagen in vielen landgerichtlichen und erst recht oberlandesgerichtlichen Sälen bereits vorhanden sind, sodass der Aufwand für die Steuerzahler*innen sich auch noch einmal deutlich verringert.

      Auf der anderen Seite scheint es aus Sicht des RAV aber sinnvoll, auch Berufungsverfahren aufzuzeichnen. Warum diese von der Aufzeichnung ausgenommen sein sollen, überzeugt nicht (dem GesE ist eine Begründung dafür nicht zu entnehmen): Dort wird ebenfalls kein Inhaltsprotokoll wie bei amtsgerichtlichen Hauptverhandlungen geführt. Zudem ist forensisch zu beobachten, dass auch Berufungsverfahren mehrere Hauptverhandlungstage in Anspruch nehmen können, weil der Aufklärungsanspruch auch der sog. kleinen Strafkammern dem der Amtsgerichte regelmäßig überlegen ist. Insofern schlagen wir vor, § 271 Abs. 2 StPO wie folgt zu fassen:

      „Eine Hauptverhandlung vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht ist zudem (in Ton) aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung ist…“

      § 272 StPO

      § 272 StPO enthält im Wesentlichen keine neuen Regelungen, sondern sortiert bereits bestehende Regelungen; insofern erübrigt sich eine Stellungnahme.

      § 273 StPO

      Aus Sicht des RAV entfallen viele der Bedenken im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, wenn von einer visuellen Aufzeichnung bis auf Weiteres Abstand genommen wird (um erst einmal entsprechende Erfahrungen zu sammeln und zu evaluieren). Abgesehen davon ist Abs. 1 einerseits eine Selbstverständlichkeit, andererseits kaum justiziabel.

      Absätze 2 und 3 erscheinen nachvollziehbar und stringent. Allerdings weckt Abs. 3 insofern Missverständnisse, als für „Aufzeichnungen“, die „in anderer Weise gespeichert“ werden, u.a. § 499 StPO gelten soll, für solche, die zur Akte genommen werden, hingegen nicht.

      Auch gegen die Regelung in Absatz 4 ist nichts einzuwenden. Eine Erweiterung der Aufbewahrung könnte allerdings das bislang eher stiefmütterlich behandelte Institut der Wiederaufnahme des Verfahrens beleben, da die Voraussetzungen des § 359 StPO eher darzulegen sind, wenn ein Wortprotokoll der ehemaligen Hauptverhandlung existiert, deren Inhalt nun durch neue Beweismittel widerlegt werden kann. Dies könnte beispielsweise auch durch Antragsbefugnisse der Angeklagten ausgestaltet werden. S. 4 könnte lauten:

      „Auf begründeten Antrag Angeklagter ist die Speicherung gemäß Satz 3 anzuordnen.“

      Absatz 5 ist zu begrüßen, auch wenn kaum nachvollziehbar ist, dass Sachverständige ausgenommen wurden. Allerdings ist S. 2 zu erweitern, denn mit der gewählten Formulierung dürfen die Aufzeichnungen auch in anderen Strafverfahren verwendet werden, was gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen und das Persönlichkeitsrecht Verfahrensbeteiligter verletzen kann. Stattdessen sollte S. 2 lauten:

      „Die Aufzeichnungen dürfen mit der Einwilligung sämtlicher Beteiligter auch in anderen Strafverfahren oder anderen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren verwendet werden.“

      Absatz 6 ist begrüßenswert, wobei sich erst arg. Abs. 8 ergibt, das mit „Zugang“ offenbar „zur Verfügung stellen“ gemeint ist (alles weitere ergibt sich dann in der Tat aus § 32f StPO).

      Absatz 7 ist zu weitgehend: Gerade vermeintlich Verletzten, die noch nicht in der Hauptverhandlung als Zeug*innen vernommen wurden, steht zu Recht nicht immer ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht zu (arg. § 406e StPO). Vor ihrer Einvernahme kann ihre Kenntnisnahme etwa vom Wortlaut der Erklärung Angeklagter besorgen lassen, dass der Untersuchungszweck gefährdet ist, weil die vermeintlich verletzte Person ihre Aussage auf die erhaltenen Informationen hin anpassen kann. Aus Sicht des RAV ist Absatz 7 zu streichen. Ungeachtet dessen erscheint die Formulierung „nach jedem Verhandlungstag unverzüglich“ ohnehin unrealistisch, zumindest missverständlich.

      Absatz 8 ist grundsätzlich begrüßenswert. Im Hinblick auf die Mandant*innen gerät die Verteidigung allerdings in den Anwendungsbereich des § 201 Abs.1 Nr. 2 StGB: Die „Befugnisse“ müssten insoweit noch klarer gefasst werden. Auch können sich diesbzgl. Sach- und Rechtsfragen bei inhaftierten Angeklagten ergeben, deren Klärung noch aussteht.

      § 274 StPO

      § 274 StPO ist begrüßenswert.

      § 353d StGB

      Gegen die vorgeschlagene Erweiterung des § 353d StGB ist nichts einzuwenden.

      Bremen und Berlin, 17.02.2023

      StN als PDF

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      Stellungnahmen
      news-927Fri, 17 Feb 2023 10:31:51 +0100Sofortige Einreiseerleichterungen ohne Unterscheidung nach Herkunft und Nationalität/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sofortige-einreiseerleichterungen-ohne-unterscheidung-nach-herkunft-und-nationalitaet-927Gemeinsame Pressemitteilung, 17.2.23Am 6. Februar 2023 töteten und verletzten zwei Erdbeben Zehntausende Menschen in der Türkei und in Syrien, zerstörten Dörfer und Städte in zehn Provinzen und ließen die Überlebenden ohne Obdach im harten Winter zurück. Das Katastrophengebiet ist so groß wie die Fläche Deutschlands.

      Wir sprechen den Betroffenen und Angehörigen unser tiefstes Beileid aus.

      Das Erdbeben machte keinen Unterschied zwischen Nationalität, sozialer Herkunft, Sprache, Religion, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung und verwüstete das gesamte Leben in dieser Region.

      »Es darf keine Unterscheidung nach Nationalität und Pass für die Betroffenen derselben Katastrophe geben«, so Tareq Alaows von Pro Asyl. Bei der humanitären Hilfe muss die Nichtdiskriminierung und Unparteilichkeit die Grundmaxime sein. In der betroffenen Region leben viele Menschen alevitischer und kurdischer Herkunft. Es sind sehr viele Menschen aus Syrien und Afghanistan im Erdbebengebiet als Flüchtlinge untergekommen. Nach Angaben der Direktion für Migrationsmanagement beläuft sich die Zahl der registrierten Flüchtlinge in den 10 vom Erdbeben betroffenen Provinzen auf mindestens 1,7 Millionen.

      In den sozialen Medien und von Flüchtlingsorganisation in der Türkei erreichen uns aber alarmierende Nachrichten: Neben diskriminierenden Maßnahmen bei der Verteilung von Hilfsgütern wird zu Hassverbrechen aufgestachelt. Nach einigen Posts in den sozialen Medien, in denen vorgeschlagen wurde, dass Flüchtlinge von Such- und Rettungsaktionen und humanitärer Hilfe ausgeschlossen werden sollten, verwandelte sich dieser diskriminierende Diskurs in einen über die »Plünderung« durch Flüchtlinge – es soll gezielt der Eindruck erweckt werden, dass Geflüchtete plündern. Mancherorts schlug dies in physische Gewalt und Folter um. Eine weitere Eskalation droht.

      »Die erneut traumatisierten Menschen dürfen nicht allein gelassen werden. Andernfalls werden sie zunehmend zur Zielscheibe von Hassverbrechen, in einem Land, das schon vor dem Erdbeben in einer schweren Wirtschaftskrise steckte und in dem in drei Monaten gewählt werden soll. Es muss sichergestellt werden, dass die Menschen und ihre Schicksale nicht wieder zu Spielbällen der Politik gemacht werden.«, so Rechtsanwältin Berenice Böhlo vom Vorstand des RAV.

      Nach dem von Präsident Erdoğan am 7. Februar 2023 verhängten Ausnahmezustand erlaubt die Direktion für Migrationsmanagement nur denjenigen Flüchtlingen eine Reisegenehmigung in andere Regionen, wenn Verwandte ihre Grundbedürfnisse, insbesondere eine Unterkunft befriedigen oder sie für sich ein Haus mieten können. Es wurde angekündigt, dass öffentliche Einrichtungen und Organisationen, einschließlich lokaler Regierungen, den vom Erdbeben betroffenen Flüchtlingen außerhalb des Erdbebengebiets keine Unterstützung bei der Unterbringung gewähren dürfen, und dass auch Nichtregierungsorganisationen keine Unterstützung bei der Unterbringung leisten dürfen.

      Über die Situation in Syrien erfahren wir kaum etwas. Medico International verweist auf Partnerorganisationen vor Ort, wonach die Menschen allein gelassen sind und Hilfsmaßnahmen sie kaum erreichen. Stattdessen werden Hilfsmaßnahmen von Assad politisch instrumentalisiert. Hier muss ein breit angelegtes Evakuierungsprogramm unter der Kontrolle der UNO sofort beginnen.

      Wir fordern die Bundesregierung auf, Erdbebenopfern schnell, unbürokratisch und großzügig die Einreise zu ermöglichen ohne Unterschied nach Herkunft und Nationalität. Geflüchtete und von der Katastrophe betroffene Menschen, die sich in der Türkei aufhalten, müssen ebenfalls humanitäre Visa erhalten. Viele von ihnen haben Verwandte im Bundesgebiet und warten seit Jahren darauf, einreisen zu dürfen, was in der aktuellen Situation umso dringlicher ist.

      Die PM ist gezeichnet von

      Adopt a Revolution
      Borderline-Europe
      Flüchtlingsrat Berlin
      Flüchtlingsrat Brandenburg
      Medico International
      Pro Asyl
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.

      PM als PDF

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-925Mon, 13 Feb 2023 08:14:54 +0100Turkey’s terror list: An attack on lawyers and human rights/publikationen/mitteilungen/mitteilung/turkeys-terror-list-an-attack-on-lawyers-and-human-rights-925Joint statement, 11.2.23The undersigned organisations deplore the recent arbitrary designation of Günay Dağ as a “terrorist”. Günay Dağ is a lawyer at the International Bureau of the People's Law Office and a member of the Progressive Lawyers’ Association (ÇHD).  On 30 December 2022, he was added to the list called "list of wanted terrorists" published on the official website of the Ministry of Interior.  For the past three years, Günay Dağ has been a political refugee.
      Although Günay Dağ has never been convicted of a criminal act of terrorism by a court, he is now being labelled as a “wanted terrorist” and member of a terrorist organisation.
      We fear that Günay Dağ is being identified with his clients or his clients' causes as a result of discharging his professional functions, in contravention of international and universal law and standards relating to the role of lawyers.

      Alleged “terrorists” placed on the official list are subdivided into five categories: red, blue, green, orange and grey, according to the ascribed level of threat and/or importance.  Günay Dağ has been included in the “green category,” with a reward of two million Turkish Liras offered for information leading directly to his arrest. This list published by the Ministry of Interior is solely based on the provisions of the "Regulation on Rewards to be Offered to Those Who Help in Exposing Terrorist Crimes or Seizing Evidence or Arresting Criminal Perpetrators", which is known as the "rewards regulation". However, this regulation does not provide any authorisation to the executive power to establish such a list, nor does it explain how the categories are to be determined or administered. Since the five colours have different amounts of monetary award, it is only known that the green category represents the medium level. This list has become an important tool for persecuting and prosecuting those who are considered as political opponents to the government. Critically, the list contains not only those accused of being directly involved with “terrorism”, but also lawyers that are representing them.

      With such financial incentives for tips leading to an arrest, which can go up to almost five hundred thousand EURO, it appears that the authorities are trying to reach even persons who have fled and are no longer on Turkish territory.
      The list includes a total of 971 people accused of being members of 19 different alleged “terrorist organisations”. The well-known journalist Can Dündar, who lives in exile, was also put on the list on 30 December 2022, thesame day as lawyer Günay Dağ,
      Over the course of several years, a number of legal actions have been initiated by State authorities in Turkey against lawyers in violation of the prohibition of identifying lawyers with their clients. (See Article 18 of the UN Basic Principles on the Role of Lawyers: Lawyers shall not be identified with their clients or their clients' causes as a result of discharging their functions).

      One of the well-known cases of this type concerns the prosecution of 22 lawyers from the Progressive Lawyers’ Association (ÇHD), which has been ongoing for more than 10 years. Many of the accused ÇHD lawyers have been imprisoned for years, although they have yet to be irrevocably convicted of a criminal offense.  Among them are Selçuk Kozağaçlı, the Chair of ÇHD and other colleagues working in the People's Law Office. Most of them have been acting as lawyers in politically sensitive cases. However, despite the heavy pressure against them, our colleagues who are not yet detained are still trying to pursue their legitimate professional activities as lawyers.

      Arbitrary listing:

      The listing entails serious consequences for the person concerned who faces serious risks of imprisonment, stigmatization and other human rights violations. Yet the list lacks a proper legal basis for its implementation. So far, only a decree of the Ministry of the Interior regulates the remuneration for informants.[1] There is no legal provision that regulates who can be put on the list, how persons may be removed from the list nor how the executive authorities may decide establishing such a list, nor how it is managed. The initiation and administration of the list is therefore arbitrary, contravening the principles of legality.

      Violation of the presumption of innocence, right to a fair trial and right to private and family life:

      The listing authority does not provide expressly for judicial review, nor does it spell out any procedures for review a judicial authority, despite the fact that listing necessarily results in a serious impairment of the exercise of the rights of those who have been listed.  The designation of a person as a terrorist without having been sentenced by a court or tribunal and without due process violates the presumption of innocence and the right to a fair trial. These human rights established under customary international and  guaranteed by treaties to which Turkey is a party, including the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR, articles 9 and 14) and the European Convention on Human Rights (ECHR, articles 5 and 6). In this regard, the European Parliament recently strongly condemned the Turkish government's disregard for the right to a fair trial in the context of the ECtHR's 2019 case Kavala v. Turkey.

      Likewise, sharing personal information openly and illegally on the internet is a violation of the right to private and family life (ICCPR, article 17; ECHR, article 8).

      INTERPOL blocking Turkey’s list:

      A Red Notice is a request to law enforcement worldwide to locate and provisionally arrest a person pending extradition, surrender, or similar legal action. It is based on an arrest warrant or a court order issued by the judicial authorities in the requesting country. Member countries apply their own laws in deciding whether to arrest a person.  Red Notices are published by INTERPOL at the request of a member country, and must comply with INTERPOL’s Constitution and Rules.
      In this context, we understand that INTERPOL has rejected most of the requests made by Turkey on the basis of this list, on the grounds that they lacked persuasive evidence and were politically motivated and therefore did not comply with binding INTERPOL regulations. In this regard, the Red Notice request for Can Dündar was rejected by INTERPOL.

      Conclusion and recommendations:

      In view of the above, the undersigned organisations call on the Turkish authorities to stop identifying lawyers with their clients or the causes they defend, including by putting an end to their listing as terrorists without due process and a fair trial. Additionally, we urge the Turkish authorities to remove lawyer Günay Dağ and all other lawyers from the "list of wanted terrorists" since their inclusion to this list is based on their legitimate activities as lawyers. Finally, the undersigned organisations call on the Turkish authorities to take all necessary measures to guarantee that all lawyers in Turkey are able to carry out their professional duties without fear of reprisal, hindrance, intimidation or harassment, in order to preserve the independence, integrity of the administration of justice and the rule of law.

      This statement was endorsed by

      Alternative Intervention of Athens' Lawyers.
      Asociación Americana de Juristas (AAJ)
      Association of Lawyers for Freedom (ÖHD)
      Avocats Sans Frontières (ASF)
      Center for Research amd Elaboration on Democracy/Group of International Legal Intervention
      Confederation of Lawyers of Asia and the Pacific (COLAP)
      Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE)
      Défense Sans Frontières - Avocats Solidaires (DSF-AS)
      European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH)
      European Criminal Bar Association (ECBA)
      European Democratic Lawyers (AED)
      Giuristi Democratici Italia
      Haldane Society of Socialist Lawyers
      Indian Association of Lawyers
      Institut des droits de l’homme du barreau de Bruxelles
      International Association of Democratic Lawyers (IADL)
      International Bar Association's Human Rights Institute (BAHRI)
      International Commission of Jurists
      Japan Lawyers International Solidarity Association(JALISA)
      Judicial Reform Foundation
      Lawyers for Lawyers (L4L, the Netherlands)
      Lawyers' Rights Watch Canada
      National Union of Peoples’ Lawyers (NULP, the Philippines)
      Progressive Lawyers’ Association (ÇHD, Turkey)
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV, Germany)
      The National Association of Democratic Lawyers [South Africa]
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen eV (VDJ)

       

      [1] Regulation on Rewards to be Offered to Those Who Help in Exposing Terrorist Crimes or Seizing Evidence or Arresting Criminal Perpetrators

      Statement PDF

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      PressemitteilungRepression gegen RechtsanwälteMenschenrechte/Türkei
      news-924Fri, 03 Feb 2023 11:37:02 +0100"Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/recht-fuer-alle-solidarische-rechtskaempfe-in-krisenzeiten-924RAV-Kongress am 16./17.6. in Leipzig. >> Save the date und Call für Panels und Workshops

      Der RAV ist in Planung eines Kongresses am 16. und 17. Juni 2023 in Leipzig unter dem Titel "Recht für Alle!? Solidarische Rechtskämpfe in Krisenzeiten".

      Für jeweils Freitag- und Samstagabend sind große Veranstaltungen geplant.

       

      Über den Samstag verteilt werden wir die Möglichkeit haben, mindestens 15 unterschiedliche Panels und Workshops anzubieten, die jeweils 2 Stunden nicht überschreiten sollten. Wir laden Kolleginnen und Kollegen daher herzlich ein, uns bis zum 24. Februar 2023 konkrete Vorschläge (Thema, Moderation und mögliche Referent*innen) für Panels und Workshops am Samstag zu schicken, gerne auch in Kooperation mit anderen Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft.

       

      Keinesfalls abschließend ist hier an Themenfelder wie Klimaschutz, Migrationsregime, Antidiskriminierungspolitiken, Rechtsstaat, Sicherheitsbehörden, soziale Rechte, Inklusion, Klassenkämpfe usw. gedacht.

       

      Habt Ihr zu diesen und auch anderen Themen was zu sagen oder Fragestellungen/Ansätze, die in einem o.g. Format bearbeitet oder entwickelt werden sollten? Wir freuen uns auch über noch nicht fertige Ideen, die wir dann gemeinsam weiter entwickeln und konkretisieren könnten. Schreibt uns bitte bis zum 24. Februar an agprogramm2023@rav.de.

       

      Wir freuen uns auf Ihre und Eure Vorschläge,

       

      die Programm-AG

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      RAV
      news-923Tue, 31 Jan 2023 18:36:37 +0100Rassismus in der Polizei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rassismus-in-der-polizei-923Eine wissenschaftliche Bestandaufnahme von Daniela Hunold und Tobias Singelnstein (Hrsg.)›Das Problem heißt Rassismus‹, so versuchen seit Jahr(zehnt)en Aktivist*innen und nach und nach auch Fachleute sowie, vereinzelt, auch für die Polizei Tätige, zumindest eine Sensibilisierung in Institutionen und Gesellschaft für Rassismus innerhalb der Polizeibehörden zu erreichen.
      Tatsächlich hat das Thema die gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt, aber Ausmaß und Formen institutionellen Rassismus in deutschen Polizeibehörden sind bisher nur in Ansätzen untersucht.

      Dieser Sammelband bietet eine Grundlage für diese Herausforderungen: Der Forschungsstand aus verschiedenen Disziplinen wird hier zusammenführt und in sechs Abschnitten aufbereitet.
      So können die begrifflichen, juridischen und historischen Grundlagen, Formen und Entstehungszusammenhänge (institutionellen) Rassismus nachgelesen werden.
      Aufbereitet werden ebenso die unterschiedlichen polizeilichen Tätigkeitsbereiche, die Folgen von Rassismus für unterschiedliche Opfergruppen, Täter*innen und Gesellschaft, Methoden zur wissenschaftlichen Untersuchung des Phänomens sowie mögliche Umgangsweisen mit dem – das zeigt der Band – facettenreichen Umfang des Problems ›polizeilicher Rassismus‹ (ve).

      Dies ist ein Open-Access-Buch, was bedeutet, dass es freien und uneingeschränkten Zugang gibt:

      https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-37133-3

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      PolizeiRassismus
      news-921Mon, 23 Jan 2023 11:34:26 +0100Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts – Afghanistan<br />Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-und-des-bedrohten-anwalts-afghanistan-kundgebung-vor-dem-auswaertigen-amt-921Pressemitteilung, 23.1.2324. Januar: Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts – Afghanistan
      Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt um 15:30 h
      Hunderte von Jurist*innen mit dem Tod bedroht

      Der Sturz der afghanischen Regierung im August 2021 hat zwei Jahrzehnte des Fortschritts fast über Nacht zunichtegemacht. Das gesamte Rechtssystem des Landes ist im Wesentlichen zusammengebrochen. Die ab August 2021 geltenden Gesetze, einschließlich der afghanischen Verfassung aus dem Jahr 2004, wurden ihrer Wirkung beraubt. Jetzt werden die Grundsätze der Sharīʿa angewandt, und viele der von der De-facto-Regierung erlassenen Richtlinien stellen Einschränkungen der grundlegenden Menschenrechte dar, einschließlich der Presse- und Meinungsfreiheit, der Gleichbehandlung, der Freizügigkeit und des Rechts auf Privatsphäre. Der diesjährige Tag der verfolgten Anwält*innen widmet sich daher der Lage der Jurist*innen in Afghanistan.

      Richter*innen und Staatsanwält*innen, die vor der Machtübernahme im August 2021 in der afghanischen Regierung tätig waren, sowie afghanische Anwält*innen müssen mit Repressalien rechnen, sowohl von Seiten der Taliban selbst als auch von den Tausenden verurteilter Straftäter, die freigelassen wurden, als die Taliban bei ihrer Machtübernahme die Türen der Gefängnisse im ganzen Land öffneten. Mitglieder der Taliban machen ihre ehemaligen Verteidiger*innen, Richter*innen oder Staatsanwält*innen für ihre Verurteilungen verantwortlich.
      Darüber hinaus haben es Taliban auf Anwält*innen abgesehen, insbesondere auf Anwältinnen, die Opfer in Fällen vertreten, in denen Taliban-Mitglieder verurteilt wurden. Anwält*innen werden auch von den De-facto-Behörden verfolgt, weil sie in der Vergangenheit ihren Mitbürger*innen, insbesondere Frauen, Zugang zur Justiz gewährten und ihre Grundrechte und -freiheiten schützten. Da ihr Leben und das ihrer Familien in großer Gefahr war, waren viele afghanische Richter*innen und Staatsanwält*innen sowie Rechtsanwält*innen gezwungen, entweder aus dem Land zu fliehen oder unterzutauchen. Viele befinden sich nach wie vor in Lebensgefahr.

      Entrechtung der afghanischen Anwaltskammer

      Am 22. November 2021 erließ das Justizministerium der Taliban ein Dekret, mit dem die Afghanische Anwaltskammer (AIBA) ihrer Unabhängigkeit beraubt wurde, einschließlich ihrer Befugnis, Lizenzen an Rechtsanwält*innen zu vergeben. Einen Tag nach dem Erlass stürmten Taliban-Kräfte den Hauptsitz der AIBA in Kabul, bedrohten die Mitarbeiter*innen und Mitglieder der Vereinigung mit Gewalt und forderten sie auf, das Gebäude zu verlassen. Die Taliban verschafften sich Zugang zu den Datenbanken der AIBA, einschließlich der Daten von über 2.500 Anwält*innen und nichtanwaltlichen Mitarbeiter*innen. Diese Datensätze enthielten Informationen über die Personalien der Anwält*innen, die Namen von Familienangehörigen, Wohnadressen und Telefonnummern sowie Informationen über bearbeitete Fälle und die Verbindungen der Anwält*innen zu staatlichen und internationalen Organisationen sowie Informationen über Staatsanwält*innen und Richter*innen.
      Die Taliban übernahmen auch die Kontrolle über die Bankkonten und Gelder der AIBA. Seitdem war die AIBA gezwungen, ihre Tätigkeit im Land einzustellen und wurde de facto dem Justizministerium der Taliban unterstellt.

      Hunderte Kolleg*innen erwerbslos, auf der Flucht oder ermordet

      In dem Erlass vom 22. November 2021 heißt es außerdem, dass nur von den Taliban zugelassene Anwälte vor Gericht auftreten dürfen. Ehemalige AIBA-registrierte Anwält*innen müssen daher eine neue Lizenz erwerben und eine Reihe von Kriterien erfüllen, die vom De-facto-Justizministerium festgelegt wurden. In der Praxis werden die Anwält*innen auf der Grundlage ihrer früheren Tätigkeiten und ihres Verständnisses der Sharīʿa-Grundsätze geprüft.
      Wer früher auch nur im Entferntesten im Bereich der Menschenrechte tätig war oder Beziehungen zu internationalen Organisationen unterhielt, dem wird automatisch die Zulassung verweigert, so dass er nicht mehr praktizieren darf. Und obwohl vor dem Sturz der Taliban 25 Prozent der AIBA-Mitglieder Frauen waren, haben die Taliban bis heute nur Männern Lizenzen erteilt. Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Mehrheit der Anwält*innen, die rechtmäßig bei der AIBA registriert waren, nun mit einem Berufsverbot belegt sind und damit keine berufliche Perspektive mehr haben.
      Nach Angaben der AIBA wurden seit ihrer Auflösung sieben Anwälte getötet und 146 Anwält*innen verhaftet, oder es wurde gegen sie ermittelt. Viele ihrer Kolleg*innen sahen sich gezwungen, aus dem Land zu fliehen oder sich mit ihren Familien zu verstecken, um den Verfolgungen zu entgehen.

      Die Bundesregierung muss jetzt handeln

      »Wenn die Bundesregierung tatsächlich eine konsequente Menschenrechtspolitik verfolgen will, so muss schnellstmöglich und unbürokratisch dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nach Deutschland einreisen und hier einen Aufenthalt bekommen können«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Bundesvorsitzender des RAV.

      Gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Berlin, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte ruft der Republikanische Anwältinnen‐ und Anwälteverein auf zu einer

      Kundgebung
      24.01.23 um 15:30 Uhr
      Auswärtiges Amt
      Werderscher Markt 1, 10117 Berlin

      An diesem Tag wird seit 2010 weltweit der ›Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts‹ begangen. Dieses Jahr ist der ›Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts‹ den Kolleginnen und Kollegen in Afghanistan gewidmet, denen das Recht auf freie Advokatur durch das Taliban‐Regime systematisch entzogen wird. Mehrere hundert Kolleg*innen befinden sich aktuell auf der Flucht oder versuchen das Land zu verlassen.

      ______

      Hintergrund zur Lage der Anwält*innenschaft

      Bis 2001 hatten mehrere Jahrzehnte Krieg und andere Konflikte die Infrastruktur Afghanistans dezimiert. Auch das Rechts- und Justizsystem war davon nicht verschont geblieben. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im November 2001 wurde jedoch eine breite Palette von Programmen zur Aufstockung des Personals und zum Wiederaufbau, zur Reform und zur Modernisierung der afghanischen Regierung, einschließlich der Gerichte, sowie des Rechtswesens durchgeführt.
      Das neue System, das nach dem Sturz der Taliban eingeführt wurde, trennte das Recht von der Religion (Sharīʿa) und die Justiz vom Klerus oder der Stammes-Dschirga, d. h. dem Urteil der lokalen Ältesten.
      Die Unabhängige Afghanische Anwaltskammer (AIBA) wurde 2008 auf der Grundlage des afghanischen Anwaltsgesetzes gegründet. Mit mehr als 6.000 Mitgliedern (darunter rund 1.500 Frauen) beaufsichtigte die AIBA die Zulassung und Regulierung von Anwält*innen, förderte die Chancengleichheit im Rechtsberuf, bildete künftige Anwält*innen aus und setzte sich für Rechtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit ein. Die AIBA hatte sich als unabhängige Institution etabliert, die sich für Grundrechte, ordnungsgemäße Verfahren, richterliche Unabhängigkeit, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte einsetzte. Seit ihrer Gründung war es der AIBA trotz kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Zwänge gelungen, die Rolle von Strafverteidiger*innen zu fördern und sich im Bereich der sozialen Gerechtigkeit zu engagieren, insbesondere bei der Verteidigung der Rechte von Opfern von Gewalt gegen Frauen und Kinder.
      Zu den weiteren Investitionen in das Justizsystem nach 2001 gehörte der Aufbau eines geschulten, unabhängigen Justizwesens, zu dem (zum ersten Mal) mehr als 270 Richterinnen gehörten. Auch für Staatsanwält*innen wurde eine umfassende Ausbildung bereitgestellt. Auch ihre Reihen wurden diversifiziert, so dass dort etwa 400 Frauen in ihnen tätig waren.

      PM als PDF

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      Tag des bedrohten AnwaltsFeminismusPressemitteilung
      news-920Tue, 17 Jan 2023 20:32:55 +0100„Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen - Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strassenblockierer-und-museumsrandalierer-haerter-bestrafenmenschen-und-kulturgueter-vor-radikalem-protest-schuetzen-920RAV-Stellungnahme zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion anlässlich der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 18. Januar 2023.

      Verfasser: Adrian Furtwängler, Rechtsanwalt

      Die Stellungnahme als PDF

      Vorbemerkung

      Die CDU/CSU-Fraktion fordert in dem hier zu besprechenden Antrag, der Bundestag möge zunächst feststellen, dass sich die Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung innerhalb der letzten Monate zu einem radikalen und aggressiven Protest gewandelt habe, welcher kriminelle Mittel nicht scheue und dabei auch Leib und Leben von Menschen gefährde. Durch die Aktionen seien Rettungsfahrzeuge im Einsatz behindert, Historische Kunstwerke mutwillig beschädigt und das nationale Kulturgut absichtlich angegriffen worden. Die Aktionen seien nicht durch Art. 8 des Grundgesetzes gedeckt und bewegten sich außerhalb der demokratischen Ordnung. Aufbauend hierauf beantragt die CDU/CSU- Fraktion verschiedener Straftatbestände im StGB, sowie eine schwerwiegende Veränderung der Regelung zur Strafaussetzung zur Bewährung. Einen im konkreten Beschlussantrag nahezu wortgleich übernommenen Antrag der dortigen AfD-Fraktion[1] hat der Landtag von NRW mit den Stimmen der übrigen Fraktionen vollumfänglich abgelehnt.[2]

      Die Stellungnahme widmet sich zunächst den unter Punkt I aufgeführten Grundannahmen des Antrages, ehe hierauf aufbauend eine Stellungnahme zu den einzelnen konkreten Forderungen unter Ziffer II des Antrages erfolgt.

      I. Zu den Grundannahmen des Antrages

      Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Hinblick auf die dort angeführte vermeintliche Problemlage im Zusammenhang mit den Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung[3] bedauerlicherweise keine überprüfbaren Quellen aufweist. Hinsichtlich der im Antrag enthaltenen Annahme, dass Historische Kunstwerke mutwillig beschädigt worden sein sollen, sei zur Vollständigkeit darauf hingewiesen, dass an den Gemälden selbst im Museum Barberini, der Alten Pinakothek München und der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister jeweils keine Schäden entstanden sind.[4] Mit der Einschätzung der Antragsteller*innen, dass sich der Protest außerhalb der demokratischen Grundordnung verorte, widersprechen sie jedenfalls der Einschätzung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der feststellte, dass die Aktionen gerade zum Ausdruck brächten, wie sehr die Aktivist*innen das demokratische System respektieren.[5] Einer ausführlichen Betrachtung bedarf die im Antrag enthaltene Grundannahme, die Aktionen seien nicht durch Art. 8 GG gedeckt, es handele sich um Straftaten statt demokratischer Mittel und „der Rechtsstaat“ erfordere eine schnelle und harte Bestrafung der Aktionen. Diese Grundannahmen sind zum einen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar und zeugen darüber hinaus von einem autoritären und im Kern antidemokratischen Rechtsstaatsverständnis.

      1. Zur rechtlichen Bewertung der Sitzblockaden

      Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion nimmt im Hinblick auf die Strafbarkeit der Sitzblockaden von Klimaaktivist*innen eine Wertung vor, die in einem Rechtsstaat zunächst unabhängigen Gerichten obliegt und von diesen bislang nicht abschließend beurteilt wurde. Es ist insofern vorab darauf hinzuweisen, dass der weit überwiegende Teil der diesbezüglichen Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und insbesondere höchstrichterliche Entscheidungen bislang nicht vorhanden sind. Auch erstinstanzlich kann jedoch angesichts mehrerer Entscheidungen, die eine Strafbarkeit der Aktivist*innen nicht gegeben sehen[6] von einer einhelligen Rechtsprechung nicht gesprochen werden.

      Es ist darauf hinzuweisen, dass von den im Antrag der CDU/CSU-Fraktion enthaltenen Strafnormen lediglich die Nötigung gem. § 240 StGB in den Verfahren eine praktische Rolle spielt.

      Die grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen diesbezüglich sind durch die Rechtsprechung des Bundverfassungsgerichts gesetzt und sprechen – soweit man diese Rechtsprechung ernstnimmt – gegen eine Strafbarkeit eines Großteils der Aktionen. Sie erfordern jedoch in jedem Fall eine umfassende Auseinandersetzung mit allen Umständen des Einzelfalls. Zum einen erfordert der Gewaltbegriff im Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB angesichts der ansonsten potentiell nahezu uferlosen Strafbarkeit eine eingrenzende Auslegung.[7] Ob die zur Begründung der Strafbarkeit bislang angewandte sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ langfristig weiterhin haltbar ist, wird in der neueren Rechtsprechung teilweise auch in Zweifel gezogen[8], wobei hierauf in dieser Stellungnahme nicht näher eingegangen werden soll. Zum anderen ist aufgrund des weiten Tatbestands die im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB vorzunehmenden Verwerflichkeitsprüfung als tatbestandsregulierendes, die handelnde Person begünstigendes strafbarkeitsbeschränkendes Korrektiv anzuwenden.[9] Im Rahmen dieser Verwerflichkeitsprüfung sind insbesondere die verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Aktivist*innen zu berücksichtigen.

      a.) Versammlungsfreiheit und Sitzblockaden.

      Auch Sitzblockaden unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gerade die Aktionen Zivilen Ungehorsams der Klimagerechtigkeitsbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zur Entstehung der wichtigsten Rechtsprechung im Bereich des Versammlungsrechts beigetragen haben. In der Brokdorf-Entscheidung von 1985 hat das Bundesverfassungsgericht das heute grundlegende Verständnis der Versammlungsfreiheit definiert. Demnach sind Versammlungen ein „wesentliches Element demokratischer Offenheit […] Sie bieten ... die Möglichkeit zur öffentlichen Einflußnahme auf den politischen Prozeß, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und Protest ...; sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren. Namentlich in Demokratien mit parlamentarischem Repräsentativsystem und geringen plebiszitären Mitwirkungsrechten hat die Versammlungsfreiheit die Bedeutung eines grundlegenden und unentbehrlichen Funktionselementes.[…] Schon generell gewinnen die von diesen Organen auf der Grundlage des Mehrheitsprinzips getroffenen Entscheidungen an Legitimation, je effektiver Minderheitenschutz gewährleistet ist; die Akzeptanz dieser Entscheidungen wird davon beeinflußt, ob zuvor die Minderheit auf die Meinungsbildung und Willensbildung hinreichend Einfluß nehmen konnte (vgl. BVerfGE 5, 85 (198f)). Demonstrativer Protest kann insbesondere notwendig werden, wenn die Repräsentativorgane mögliche Mißstände und Fehlentwicklungen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder aus Rücksichtnahme auf andere Interessen hinnehmen (vgl. auch BVerfGE 28, 191 (202)).“[10]

      Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.[11] Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird.[12] Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden.[13] Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.[14]

      Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen.[15] Der Schutz des Art. 8 GG besteht zudem unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist.[16]

      Die Sitzblockaden von Klimaaktivist*innen innerhalb der letzten Monate unterliegen nach diesen Kriterien dem Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG. Sie sind – wie sich den bislang veröffentlichten Entscheidungen, aber auch der Berichtserstattung entnehmen lässt – von einer absoluten Friedlichkeit der Aktivist*innen geprägt. Sie stehen zudem, wie sich anhand der zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nachvollziehen lässt, in einer langen Tradition der demokratisch engagierten Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bewegen sich nicht außerhalb der demokratischen Ordnung, sondern sind wesentliches Element einer lebhaften Demokratie. Aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist daher diese grundlegende Bedeutung auch im Strafrecht zu beachten und ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

      Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung des § 240 Abs. 2 StGB eine umfassende Abwägung gegenüberstehender Rechtsgüter erfolgen muss. Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die (a) Dauer und die Intensität der Aktion, (b) deren vorherige Bekanntgabe, (c) Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, (d) die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch (e) der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand. Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen, ohne dass dem Strafgericht eine Bewertung zusteht, ob es dieses Anliegen als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben.[17]

      b) Sachbezug der Aktionen

      Es besteht gleich in mehrerlei Hinsicht ein Sachbezug zwischen dem Anliegen der Aktivist*innen und den konkret gewählten Aktionsorten und betroffenen Personen. Eine besondere Bedeutung entfaltet jedoch die in diesen Verfahren besondere Konstellation, dass die von den Aktionen zuvorderst angesprochene Thematik der Klimakrise und insbesondere der Dringlichkeit, Maßnahmen gegen diese zu ergreifen, ein Thema ist, das jeden auf diesem Planeten lebenden Menschen grundsätzlich und insbesondere auch im Hinblick auf seine zentralen Freiheitsrechte in der Zukunft betrifft.

      Das Umweltbundesamt hinsichtlich der akuten Bedrohung durch die Klimakrise unter Bezugnahme auf den 6. Bericht des IPCC bekanntgegeben, dass eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zwar noch möglich sei. Dies jedoch nur bei einer „sofortigen globalen Trendwende“ sowie „tiefgreifenden Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren (d.h. in Energiesystemen, Städten, Land- und Forstwirtschaft, Landnutzung, Gebäuden, Verkehr und Industrie).“[18]

      Darüber hinaus besteht der Bezug auch darin, dass gerade der Verkehrssektor einen immensen Einfluss auf die Möglichkeit hat, die Klimaziele zu erreichen. Auch hierzu hat das Umweltbundesamt ausführlich berichtet, dass gerade der Verkehrssektor für 20% der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist und eine Umgestaltung für die Einhaltung der Klimaziele unerlässlich ist.[19] Dies betrifft insbesondere auch den Individualverkehr mit PKW. Der Expertenrat für Klimafragen hat im Bezug hierauf explizit festgestellt, dass im Verkehrssektor derzeit nicht einmal versucht werde, die Klimaziele tatsächlich einzuhalten. Es wäre eine 14-mal höhere Minderungsmenge der Gesamtemissionen in diesem Bereich notwendig.[20]
      Ein wesentlicher Bezugspunkt ist auch, dass für die Einhaltung der Klimaziele eine unverzügliche Abkehr von fossilen Energieträgern notwendig ist. Gerade die Gewinnung von Öl erfolgt zu einem nicht unerheblichen Anteil dafür, Treibstoffe für Kraftfahrzeuge herzustellen.
      Die betroffenen Autofahrer*innen sind dementsprechend als Akteur*innen des täglichen Individualverkehrs, als Adressat*innen der Aufrufe für eine Verkehrswende, als Verbraucher*innen der Treibstoffe, insbesondere aber als Teil des Prozesses der Öffentlichen Meinungsbildung unmittelbar mit der Thematik verbunden und keine Unbeteiligten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein solcher Sachbezug nicht nur bei Versammlungen bestehe, die im direkten Umfeld von Entscheidungsträger*innen und Repräsentant*innen stattfinden.[21]

      c) Die Bekämpfung der Klimakrise als Verfassungsziel aus Art. 20a GG

      Eine Besonderheit der Sitzblockaden von Klimaaktivist*innen ist, dass aufgrund des wegweisenden Klima-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts[22] auch der Art. 20a GG im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Berücksichtigung zu finden hat. Das Bundesverfassungsgericht hat insofern klargestellt, dass Art. 20a GG eine justiziable Rechtsnorm ist, „die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll.“ Dabei erwächst aus Art. 20a GG eine objektivrechtliche Schutzpflicht des Staates, welche „auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen“ beinhaltet.
      In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel des Art. 20a GG durch § 1 Satz 3 KSG dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.[23] Das BVerfG hat im Hinblick auf die Gefahren des Klimawandels darüber hinaus jedoch auch festgehalten, dass die Folgen einer Nichteinhaltung dieser Begrenzung der globalen Durchschnittstemperatur zugleich auch eine Gefahr für das Leib und Leben der hier lebenden Menschen und für die Freiheitsrechte der folgenden Generationen darstellt, da diese bei Unterlassen notwendiger Maßnahmen zum Klimaschutz die natürlichen Lebensgrundlagen nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten und somit in ihren Grundrechtspositionen eingeschränkt sind.[24] Vor diesem Hintergrund ist eine Vereinbarkeit mit Art. 20a GG Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung jedes staatlichen Eingriffs in Grundrechte.[25] Dementsprechend ist auch Art. 20a GG und somit die Dringlichkeit der Bekämpfung der Klimakrise in die im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB vorzunehmende Abwägung zugunsten der Aktivist*innen einzubeziehen.[26]

      d) Rechtfertigender Notstand

      In der Rechtsprechung bislang weitestgehend unbeachtet und daher ungeklärt ist, ob die Aktionen der Klimaaktivist*innen die Voraussetzungen eines rechtfertigenden Notstandes gem. § 34 StGB erfüllen und schon aus diesem Grund nicht als rechtswidrig anzusehen sind. Es sprechen jedoch wesentliche Argumente dafür, die hier lediglich kurz dargestellt werden sollen.

      aa) Es ist zunächst eine Gefahr für notstandsfähige Rechtsgüter gegeben. Das OLG Naumburg hatte bereits im Bezug auf den Tierschutz festgehalten, dass drohende Gefahren für Rechtsgüter, die durch Staatszielbestimmungen verfassungsrechtlich geschützt sind, im Rahmen des § 34 StGB Berücksichtigung finden und somit einen Rechtfertigungsgrund darstellen können.[27] Die effektive Bekämpfung des Klimawandels zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen hat durch Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verfassungsrechtlichen Rang und stellt ein Notstandsfähiges Rechtsgut dar. Auf die diesbezügliche Konkretisierung des Schutzauftrages und die ausdrücklich anerkannte unmittelbare Gefahr für verfassungsrechtlich geschützte Freiheitsrechte durch die Klimakrise durch das Bundesverfassungsgericht wurde oben bereits hingewiesen.[28] Die Konsequenzen eines über 1,5 C° hinausgehenden Temperaturanstiegs sind in ihrem Ausmaß nicht nur grundrechtseinschränkend, sondern vielmehr für eine Vielzahl von Grundrechtspositionen existentiell bedrohend.[29]

      bb) Die Gefahr ist auch gegenwärtig. Gegenwärtig ist die Gefahr dann, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder nur unter erheblichen Risiken abgewendet werden kann. Zwar hat die globale Erderwärmung die kritische Grenze von 1,5 Grad noch nicht überschritten – doch das steht der Gegenwärtigkeit nicht entgegen. Es kommt vorliegend vielmehr darauf an, bis wann die Gefahr eines solchen Temperaturanstiegs noch hinreichend erfolgreich abgewendet werden kann – die Gegenwärtigkeit erfordert also, dass sofortiges Handeln notwendig ist. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel ist dies der Fall, da eine Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze nur bei einer „sofortigen globalen Trendwende“ und unmittelbaren wirksamen Maßnahmen realisierbar ist.[30]

      cc) Die Gefahr dürfte nicht anders abwendbar sein. Die Handlung der Blockierenden müsste daher zur Abwehr der Gefahr geeignet und erforderlich sein. Die Tathandlung selbst führt zwar nur mittelbar zu einer Reduzierung von Treibhausgasen und damit nicht unmittelbar zu einer Abwehr der Gefahren des Klimawandels insgesamt. Abwendbar sind die Gefahren des Klimawandels aufgrund der globalen Dimension von Klima und Erderwärmung nur durch internationales politisches Handeln. Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, das Gebot des Klimaschutzes verlangt vom Staat zur Abwendung der Gefahren international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken.[31] Staatliches Handeln ist jedoch nach der grundlegenden Funktionsweise der Demokratie Ausfluss einer aus dem öffentlichen Diskurs entspringenden gesellschaftlichen politischen Meinungsbildung. Hierauf zielen die Aktionen erkennbar ab – durch ein öffentliches Aufrütteln zu dem gebotenen öffentlichen Diskurs über wirksamen Klimaschutz anzuregen und hierdurch staatliches Handeln zu fordern.[32]

      Dass das zur Bekämpfung der Klimakrise notwendige staatliche Handeln seit langem unterbleibt, hat das Bundesverfassungsgericht in dem o.g. Klima-Beschluss festgestellt. Dies wird auch in der juristischen Literatur im Strafrecht inzwischen durchaus anerkannt.[33] Dass dies dazu führt, dass die Aktionen von Klimaaktivist*innen auch als erforderlich im Rechtssinne angesehen werden können, hat zuletzt auch in der Rechtsprechung Anerkennung gefunden.[34]

      e) Fazit

      In der Gesamtbetrachtung lässt sich mithin sagen, dass – soweit die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Art. 8 GG im Strafverfahren und zu Art. 20a GG ernstgenommen wird - eine Strafbarkeit der Sitzblockaden in den meisten Fällen nicht gegeben sein dürfte. Die im Antrag der CDU/CSU-Fraktion zum Ausdruck gebrachte pauschale Bewertung der Sitzblockaden als „radikale“ und „aggressive“ Protestform, welche nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stünde, zeugt von einem rechtspolitischen Willen, den durch das Bundesverfassungsgericht im Brokdorf-Beschluss begründeten weitreichenden Schutz der Versammlungsfreiheit und das rechtsstaatlich-liberale Verständnis von Versammlungen (und somit auch von Aktionen des zivilen Ungehorsams) als wesentliches Funktionselement der Demokratie einzuschränken und somit einzelne unliebsame Protestformen dem Schutzbereich zu entnehmen. Sie stellt damit den Wesensgehalt des Art. 8 GG als „Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt […und…] als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewußten Bürgers“[35] grundlegend in Frage.

      2. Zur rechtlichen Bewertung der Aktionen in den Museen

      Die rechtliche Bewertung der Aktionen in den Museen dürfte maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig sein, insbesondere inwieweit überhaupt eine Beschädigung eingetreten ist, die für die handelnden Personen vorhersehbar war bzw. von diesen in Kauf genommen wurde. Auch soweit eine solche gegeben sein sollte, können auch diese Aktionen grundsätzlich unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stehen.[36] Auch werden die o.g. Ausführungen zu einer Rechtfertigung durch § 34 StGB unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sein. Im Ergebnis verbietet sich auch diesbezüglich eine pauschale rechtliche Beurteilung ohne Bezug auf den Einzelfall, wie sie sich in dem Antrag wiederfindet. Soweit dies öffentlich nachvollziehbar ist, existiert zu den Aktionen bislang keine gerichtliche Entscheidung. Angesichts der Gesamtzahl von 3 derartigen Aktionen in Deutschland ist jedoch darüber hinaus auch nicht davon auszugehen, dass sich aus diesen Aktionen eine besondere Notwendigkeit einer Verschärfung des Strafrechts insgesamt ergibt.

      II. Zu den konkreten Beschlussanträgen

      Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen soll nunmehr auf die konkreten Beschlussanträge unter Punkt II. des Antrages eingegangen werden. Zu der Forderung nach einer zeitnäheren Bestrafung der Aktivist*innen lässt sich insoweit lediglich sagen, dass sich ein demokratischer Rechtsstaat gerade dadurch auszeichnet, in erster Linie an einem fairen und an verfassungsrechtlichen Grundsätzen orientierten Verfahren interessiert zu sein. Die Beschleunigung des Strafverfahrens als Selbstzweck zu sehen, ist in der Vergangenheit allzu oft mit dem Abbau von Verteidigungsrechten einhergegangen und steht daher durchaus im Widerspruch zu einer Stärkung des Rechtsstaates. Im Übrigen ist die in vielen Fällen durchaus zu bemängelnde Verzögerung von Verfahren maßgeblich darin begründet, dass alle Verfahrensbeteiligten unter einer Politik der zunehmenden Kriminalisierung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der für ein faires Verfahren notwendigen Infrastruktur zu leiden haben. Der Antrag leistet insofern keinen Beitrag für eine tatsächliche Lösung dieses Problems.

      1. Änderung des § 240 Abs. 4 StGB

      Soweit in dem Antrag gefordert wird, in § 240 Abs. 4 StGB weitere Regelbeispiele für einen besonders schweren Fall der Nötigung einzuführen, wonach Täter, die eine öffentliche Straße blockieren und billigend in Kauf nehmen, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben behindert werden oder die eine große Zahl von Menschen durch ihre Blockaden nötigen – etwa dann, wenn es durch die Blockaden im Berufsverkehr zu langen Staus kommt mit einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden, gründet dies offenkundig nicht auf einer strafrechtlichen Notwendigkeit hierfür. In den zu den Sitzblockaden ergangenen Entscheidungen wurden – soweit es sich um Verurteilungen handelt – weitestgehend (Gesamt-)Geldstrafen von unter 90 Tagessätzen ausgesprochen.[37] Dies bringt schon hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass selbst die Gerichte, die die Aktionen als strafbar ansehen jedenfalls nicht von einem Unrechtsgehalt der Tat ausgehen, das eine höhere Sanktion erfordert – schon gar nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe, die nach Ansicht der Antragsteller*innen die Regel werden soll. Eine konkrete Behinderung von Rettungskräften ist erkennbar in keinem dieser Fälle erfolgt und könnte auch bereits nach der derzeitigen Rechtslage durch die Gerichte ausreichend berücksichtigt werden. Die Entscheidung des AG Frankfurt am Main zu einer Abseilaktion im Rahmen der Proteste gegen die Räumung des Dannenröder Forstes[38] zeigt, dass es den Gerichten schon nach der aktuellen Rechtslage frei steht, einen besonders schweren Fall nach den Umständen des Einzelfalles anzunehmen. Zugleich zeigt die Rechtsprechung des BGH, auf die sich das AG Frankfurt bezieht, dass es auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keinerlei Anlass dazu gibt, davon auszugehen, dass alleine die Nötigung einer großen Zahl von Menschen – etwa durch eine Autobahnblockade – den Unrechtsgehalt derart steigert, dass ein besonders schwerer Fall anzunehmen sei.[39]

      Der Vorschlag dient daher erkennbar dazu, eine Einzelfallgesetzgebung schaffen zu wollen, um mit dem Ziel der höheren Bestrafung unliebsamer Protestformen in die Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte einzugreifen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund, dass auch diese Protestformen unter dem besonderen Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stehen (s.o.), aus rechtsstaatlicher Sicht äußerst gefährlich.

      Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Annahme, eine Veränderung des Strafrahmens dahingehend, dass eine Tat in der Mindeststrafe mit Freiheitsstrafe bedroht ist, nach kriminologischen Erkenntnissen nicht zu einer tatsächlichen Abschreckungswirkung führt.

      2. Änderung des § 315b StGB

      Die CDU/CSU-Fraktion beantragt, den Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) so auszugestalten, dass die Täter bereits dann bestraft werden, wenn die Blockade dazu geeignet ist, Leib und Leben eines Menschen zu gefährden und die Täter nur billigend in Kauf nehmen, dass Rettungsdienste nicht zu Unfallopfern durchkommen und den Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren anzuheben. Der § 315b StGB ist derzeit grundlegend so ausgestaltet, dass es zur Erfüllung des Tatbestandes einer abstrakten Gefährdung der Verkehrssicherheit bedarf, in deren Folge es zu einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben oder fremden Sachen von bedeutendem Wert kommt. Der Antrag zielt seiner Formulierung nach darauf ab, den grundlegenden Charakter des § 315b StGB ausschließlich im Hinblick auf Situationen, in denen das Hindernis in einer Sitzblockade besteht, dahingehend zu ändern, dass es sich nunmehr um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt und somit ausgerechnet Versammlungen, die unter dem Schutz des Art. 8 GG stehen, im Vergleich zu den übrigen abstrakten Gefährdungen der Verkehrssicherheit besonders unter Strafe zu stellen. Angesichts der mit dem Straßenverkehr grundsätzlich verbundenen vielfältigen Gefahr für Leib und Leben der Beteiligten, eröffnet eine solche Änderung eine unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten äußerst bedenkliche potentiell uferlose Strafbarkeit von Sitzblockaden im Rahmen des § 315b StGB. Es ist hierbei zu beachten, dass bei keiner Versammlung auf öffentlichem Straßenland eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und somit auch eine potentielle Verlängerung von Anfahrtswegen auszuschließen ist. Es liegt dementsprechend nahe zu vermuten, dass dem Antrag die Intention zugrunde liegt, die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Schutz der Versammlungsfreiheit im Rahmen des § 240 Abs. 2 StGB hierdurch zu umgehen und eine grundsätzliche Strafbarkeit von Sitzblockaden zu schaffen. Dies dürfte in Anbetracht der o.g. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 8 GG unvereinbar sein und jedenfalls zu einer dann durch die Rechtsprechung vorzunehmenden verfassungskonformen Auslegung des Tatbestandes oder Annahme eines unnormierten Rechtfertigungsgrundes aus Art. 8 GG[40] führen. Es führt überdies dazu, dass gerade derartige Handlungen, die nicht grundsätzlich auf die Gefährdung der Verkehrssicherheit abzielen besonders unter Strafe stellen würde.

      Auch eine grundsätzliche Veränderung des § 315b StGB zu einem abstrakten Gefährdungsdelikt wäre rechtspolitisch abzulehnen, da sie eine schwerwiegende systematische Verwerfung im Hinblick auf die übrigen Verkehrsdelikte mit sich bringen würde.

      3. Änderung des § 323c StGB

      Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag, das Strafmaß für die Behinderung von hilfeleistenden Personen (§ 323c Absatz 2 StGB) auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe anzuheben, um die Behinderung von Rettungskräften als besonders verwerfliches Tun schwerer zu bestrafen. Angesichts dessen, dass - soweit dies bekannt ist - in keinem der Verfahren im Zusammenhang mit den Aktionen von Klimaaktivist*innen der Tatbestand des § 323c Abs. 2 StGB erfüllt gewesen ist, liegt die Vermutung nahe, dass diese Forderung im Wesentlichen deshalb in den Antrag aufgenommen wurde, um eine andere Faktenlage zu suggerieren. Im Übrigen ist die Behinderung von Rettungskräften mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt bereits nach § 115 Abs. 3 S. 1 StGB i.V.m. § 113 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bedroht. Es besteht mithin keinerlei Anlass für eine Neuregelung.

      4. Änderung des § 304 StGB

      Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Gemeinschädliche Sachbeschädigung gem. § 304 StGB dergestalt neu zu regeln, dass die Beschädigung oder Zerstörung solcher Gegenstände von bedeutendem finanziellen und/oder kunsthistorischen Wert als besonders schwerer Fall definiert und ein erhöhtes Strafmaß mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten eingeführt wird. Für diese Änderungen gibt es keinerlei rechtspolitische Notwendigkeit. Kunstgegenstände sind bereits nach der jetzigen Rechtslage vom Tatbestand des § 304 StGB umfasst und im Vergleich zu einer einfachen Sachbeschädigung gem. § 303 StGB ist die Beschädigung von Kunstgegenständen schon jetzt mit einer höheren Strafe bedroht. Eine zusätzliche Einführung des Tatbestandsmerkmals der Beschädigung von Gegenständen von bedeutendem finanziellem Wert verkennt den Schutzzweck des § 304 StGB, welcher gerade auf den Nutzen der Sache für die Allgemeinheit und nicht das individuelle finanzielle Interesse des Eigentümers ausgerichtet ist. Der Schadenssumme kann auch nach der jetzigen Rechtslage bereits durch die Gerichte im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen werden. Die beabsichtigte Mindeststrafe von 3 Monaten zeugt auch in diesem Kontext von der Absicht der Antragsteller*innen mittels einer Einzelfallgesetzgebung auf die Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte mit dem Ziel Einfluss zu nehmen, die Verhängung von Freiheitsstrafen im Bezug auf unliebsame Aktionsformen herbeizuführen.

      5. Änderung des § 56 StGB

      Die CDU/CSU-Fraktion fordert in dem Antrag, die Regelung zur Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) so auszugestalten, dass bei Personen, gegen die innerhalb einer laufender Bewährungszeit erneut eine Freiheitsstrafe aufgrund einer vorsätzlichen Straftat verhängt wird, künftig keine erneute Strafaussetzung zur Bewährung erfolgen kann. Dieser Reformvorschlag ist im Kontext der o.g. Beschlussanträge nicht anders zu verstehen, als dass die Antragsteller*innen hierdurch sicherstellen wollen, dass es zur Verhängung unbedingter Freiheitsstrafen gegen Klimaaktivist*innen kommt. Der Antrag hätte jedoch weit darüber hinausgehende Folgen für alle Strafverfahren.

      Die Forderung ist indes nicht neu und wurde bereits in Folge der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Jahre 2019 diskutiert. Das BMJV hat in Folge dessen dargestellt, dass die sog. Kettenbewährung statistisch gesehen keine derartige Häufigkeit aufweisen, als dass der Vorwurf, dass die Gerichte hiermit leichtfertig umgehen würden.[41] Die schwerwiegenden Bedenken gegen eine solche Neuregelung wurden bereits zum damaligen Zeitpunkt in mehreren Stellungnahmen, u.a. der Neuen Richtervereinigung[42], der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer[43] und des Arbeitskreises Justiz in der Gewerkschaft ver.di[44] formuliert. Den genannten Stellungnahmen ist insoweit auch zum heutigen Zeitpunkt weiterhin zu folgen, dass ein gesetzgeberischer Eingriff dahingehend, die Möglichkeit einer erneuten Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen weder notwendig, noch kriminologisch sinnvoll und mit dem Resozialisierungsgedanken unvereinbar ist. Der Stellungnahme der NRV ist zuzustimmen, dass die Wiederholung der Behauptung, Gefängnisstrafen eher dazu geeignet wären, ein gesetzestreues Verhalten zu erreichen, als die Ermutigung zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung, jeglichen kriminologischen Erkenntnissen widerspricht und von einem autoritären und im Kern antidemokratischen Weltbild zeugt. Der gesetzgeberische Eingriff in die Praxis der Rechtsprechung würde es in Zukunft verhindern, begonnenen Resozialisierungsprozessen, veränderten Lebensumständen oder Verhältnismäßigkeitserwägungen ausreichend Rechnung zu tragen. Die ADB hat in der damaligen Stellungnahme zutreffend formuliert, dass der Vorschlag als Pauschalangriff auf alle an den Strafprozessen Beteiligten zu verstehen ist, da diesen ohne eine faktenorientierte Grundlage unterstellt wird, mit der Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung leichtfertig umzugehen.

      6. Abschließende Bemerkungen

      Der Antrag zeugt von einem grundlegenden Missverständnis der Antragsteller*innen im Hinblick auf die Rolle des Zivilen Ungehorsams in einer lebendigen Demokratie. Der Zivile Ungehorsam ist nicht nur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Triebfeder in der Entwicklung der Freiheitsrechte. Im Bezug hierauf formulierte Jürgen Habermas: „Jede rechtsstaatliche Demokratie, die ihrer selbst sicher ist, betrachtet den Zivilen Ungehorsam als normalisierten, weil notwendigen Bestandteil ihrer politischen Kultur“[45] und weiter „der Zivile Ungehorsam bezieht seine Würde aus diesem hochgesteckten Legitimitätsanspruch des demokratischen Rechtsstaats. Wenn Staatsanwälte und Richter diese Würde nicht respektieren, den Regelverletzer als Kriminellen verfolgen und mit den üblichen Strafen belegen, verfallen sie einem autoritären Legalismus“[46]. In diesem Sinne bedeutet den Rechtsstaat zu stärken, die Versammlungsfreiheit gegen Bestrebungen der Kriminalisierung von Protestformen zu verteidigen. Im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wäre es zur Stärkung des Rechtsstaates und zur Entlastung der Justiz vielmehr geboten, in den § 240 Abs. 2 StGB aufzunehmen, dass eine Nötigung grundsätzlich dann nicht als verwerflich anzusehen ist, soweit die handelnden Personen lediglich ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen.

      Endnoten

      [1] „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“, Antrag der AfD-Fraktion im Landtag des Landes NRW vom 29.11.2022, Drucksache 18/1859, abrufbar unter: https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-1859.pdf.
      [2] Landtag des Landes NRW, Plenarprotokoll 18/18 vom 09.12.2022, S.52-59, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMP18%2F18|52|59.
      [3] Wobei sich der Antrag angesichts der aufgeführten Aktionsformen im Wesentlichen konkret auf die Aktionen der Letzten Generation (https://letztegeneration.de/) und/oder Scientist Rebellion (https://scientistrebellion.com/) bezieht.
      [4] Vgl. https://taz.de/Letzte-Generation-bewirft-Monet-Bild/!5886956/,https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/klimaaktivisten-beschadigen-rahmen-von-rubens-gemalde-8594470.html,https://www.rnd.de/panorama/dresden-sixtinische-madonna-bei-attacke-durch-letzte-generation-beschaedigt-SZJDLAKUGN6SQ4YAFKUAPPR4VQ.html.
      [5] Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hr. Thomas Haldenwang im Demokratie-Forum im Hambacher Schloss, SWR, 16.12.2022, abrufbar unter:https://www.swr.de/unternehmen/organisation/standorte/demokratieforum-102.html.
      [6] Vgl. u.a. AG Freiburg (Breisgau), Urteil v. 21.11.2022, 24 Cs 450 Js 18098/22, juris; AG Tiergarten, Beschluss v. 23.11.2022, 362 Cs 167/22; AG Tiergarten, Beschluss v. 10.11.2022, 343 Cs 166/22; AG Tiergarten, Beschluss v. 05.10.2022, 303 Cs 202/22, BeckRS 2022, 31817.
      [7] vgl. hierzu u.a. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 31 – 35.
      [8] Vgl. AG Tiergarten, Urteil vom 24. November 2022 – 261b Cs 237/22.
      [9] vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 36.
      [10] BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 66.
      [11] BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 41.
      [12] BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 60.
      [13] BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 –, BVerfGE 73, 206-261, Rn. 88; BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 1992 – 1 BvR 88/91 –, BVerfGE 87, 399-413, Rn. 44; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 39; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 32.
      [14] BVerfG, Stattgebender Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 32.
      [15] BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 –, BVerfGE 73, 206-261, Rn. 88; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 47; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 33.
      [16] BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 33
      [17] BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 39.
      [18] vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/ipcc-bericht-sofortigeglobaletrendwende-noetig
      [19] vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/klimaschutz-imverkehr#rolle
      [20] Expertenrat für Klimafragen, Zweijahresgutachten 2022, S. 15, abrufbar unter: https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2022/11/ERK2022_Zweijahresgutachten.pdf.
      [21] BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – 1 BvR 388/05 –, BVerfGK 18, 365-377, Rn. 43.
      [22] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177.
      [23] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177, Rn. 208.
      [24] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177, Rn. 117,147-148, 183, 184, 193, 194.
      [25] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177, Rn. 190.
      [26] Vgl. AG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 21. November 2022 – 24 Cs 450 Js 18098/22 –, Rn. 67 - 71, juris; AG Tiergarten, Beschluss vom 10. November 2022 – 343 Cs 166/22.
      [27] Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Februar 2018 – 2 Rv 157/17 –, juris.
      [28] BVerfG, s. Fn. 21 u. 22.
      [29] vgl. aus wissenschaftlicher Perspektive zu den drohenden Konsequenzen des Klimawandels: L. Kemp et al., Climate Endgame: Exploring catastrophic climate change scenarios, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), USA, 119, e2108146119 (2022), abrufbar unter: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2214975119.
      [30] Unter Verweis auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse ist dies ausführlich ausgeführt bei: Bönte, Mathis: Ziviler Ungehorsam im Klimanotstand, HRRS, 4/2021, 164-172, S. 166ff.
      [31] BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, BVerfGE 157, 30-177.
      [32] Zur Wirksamkeit der Aktionen der Letzten Generation aus sozialwissenschaftlicher Sicht insoweit: Karig, Friedemann, Wirkungsvolle Protestformen: Warum die „Letzte Generation“ alles richtig macht, Über Medien, 24. November 2022, abrufbar unter: https://uebermedien.de/79076/warum-die-letzte-generation-alles-richtig-macht/ .
      [33] vgl. im Bezug auf die strafrechtliche Rechtfertigung: Satzger/von Maltitz, Das Klimastrafrecht – ein Rechtsbegriff der Zukunft, ZStW 2021, 1, 31 m.w.N. insbesondere auch Beispielen aus der Internationalen Rechtsprechung, ausführlich hierzu auch: Bönte, Mathis: Ziviler Ungehorsam im Klimanotstand, HRRS, 4/2021, 164-172, S. 169f.; Klein, Francesca Mascha: Die Rechtfertigung von Straftaten angesichts der Klimakrise, VerfBlog, 2022/3/04, https://verfassungsblog.de/die-rechtfertigung-vonstraftaten-angesichts-der-klimakrise/, DOI: 10.17176/20220305-001155-0.
      [34] Vgl. AG Flensburg, Urteil vom 07. November 2022 – 440 Cs 107 Js 7252/22, juris; systematisch anders verortet: AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 14. März 2022 – 21 Cs - 721 Js 44/22 - 69/22 –, juris; ablehnend insoweit: AG Frankfurt, Urteil vom 13. Mai 2022 – 901 Ds 6120 Js 248353/20 –, Rn. 113, juris.
      [35] BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 61.
      [36] Grundlegend zum Schutz je nach öffentlicher Zugänglichkeit BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226-278.
      [37] Vgl. u.a. AG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 22. November 2022 – 28 Cs 450 Js 23773/22 –, juris
      [38] AG Frankfurt, Urteil vom 13. Mai 2022 – 901 Ds 6120 Js 248353/20 –, Rn. 122, juris.
      [39] BGH, Urteil vom 29. Oktober 1996 – 1 StR 562/96 –, Rn. 13, juris.
      [40] Vgl. zur Rechtfertigung unmittelbar aus den Grundrechten: AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 14. März 2022 – 21 Cs - 721 Js 44/22 - 69/22 –, juris.
      [41] Vgl. hierzu: LTO, Justiz: Sind Kettenbewährungen ein Problem?, 28.06.2021, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/kettenbewaehrungen-bewaehrungsstrafe-bmjv-bericht-jumiko-rueckfallquote/.
      [42] Abrufbar unter: https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/fg_strafrecht/2019_07_FG_StrR_Mannheimer_Appell.pdf.
      [43] Abrufbar unter: https://www.bewaehrungshilfe.de/wp-content/uploads/2020/03/2020-01-18-Stellungnahme-Kettenbew%C3%A4hrungen.pdf
      [44] Abrufbar unter: https://bund-laender.verdi.de/fachgruppen/justiz/++co++d395305e-5ee5-11ea-b1e2-001a4a160100.
      [45] Jürgen Habermas, Ziviler Ungehorsam - Testfall für den demokratischen Rechtsstaat, in: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1985, S. 81.
      [46] Habermas, Fn. 44 , S. 91.

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      Berlin, 15.01.2023

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      Stellungnahmen
      news-919Mon, 16 Jan 2023 19:01:47 +0100 Afghanistan: Tag der bedrohten und verfolgten Anwält*innen am 24.1.23<br />Und Veranstaltung am 26.1.23/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-und-verfolgten-anwaeltinnen2023-afghanistan-919Aufruf zur Teilnahme an Protestkundgebung am 24.1.23 || Einladung zur Veranstaltung am 26.1.23(bitte auch den Veranstaltungshinweis für den 26.1.23 beachten, s.u.)
      *********

      Die Rechtsanwaltskammer Berlin, die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein rufen auf zu einer Kundgebung am

      24.01.23 um 15:30 Uhr vor dem Auswärtigen Amt

      Werderscher Markt 1, 10117 Berlin.

      An diesem Tag wird seit 2010 weltweit der Tag der bedrohten Anwältin und des verfolgten Anwalts begangen.

      Dieses Jahr ist der »Tag des bedrohten Anwalts« den Kolleginnen und Kollegen in Afghanistan gewidmet, denen das Recht auf freie Advokatur durch das Taliban-Regime systematisch entzogen wird. Mehrere hundert Kolleg*innen befinden sich aktuell auf der Flucht oder versuchen das Land zu verlassen.

      Das Auswärtige Amt hat zwar ein Bundesaufnahmeprogramm vorgelegt. Dies ist allerdings so umständlich und langsam, dass bis heute unklar ist, welche Unterlagen für die Anträge über welche Stellen wo eingereicht werden können. Das Verfahren lässt befürchten, dass es nur ein rechtspolitisches Feigenblatt sein wird, das indes keine praktische Wirksamkeit zum Schutz unserer Kolleg*innen und so vieler anderer verfolgter Menschen aus Afghanistan entfaltet. Unsere Kolleginnen und Kollegen können nicht warten, ihr Leben ist in Gefahr und sie brauchen JETZT Unterstützung bei ihrem Wunsch, das Land zu verlassen.

      Wir rufen daher dazu auf, sich an der Berliner Protestaktion vor dem Auswärtigen Amt zu beteiligen, die zeitgleich in zahlreichen anderen Ländern ebenfalls vor den Außenministerien durchgeführt wird.

      Hintergrundinformtationen zur der Situation finden sich hier im Basic-Report (engl.).

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      Überdies organisieren die oben genannten Organisationen gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein eine Veranstaltung mit einer bereits aus Afghanistan geflüchteten Kollegin.

      Diese Veranstaltung findet statt am

      26.01.2023 um 18:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Berliner Rechtsanwaltskammer

      Littenstr. 9, 10179 Berlin.

      Die Kollegin wird auf der Veranstaltung, moderiert vom Menschenrechtsbeauftragten der Kammer, Bilinc Isparta, die Situation der Kolleg*innen und allgemein der Justiz in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban skizzieren.

      Im Anschluss wird es noch Gelegenheit geben, bei einem Getränk über die Situation und die notwendige Unterstützung durch uns ins Gespräch zu kommen.

      Wir laden herzlich ein, auch an dieser Veranstaltung teilzunehmen und bitten zwecks besserer Planung um Anmeldung bei der RAK info@rak-berlin.org

      Aufruf zur Kundgebung und Einladung zur Veranstaltung als PDF

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      Tag des bedrohten Anwalts
      news-918Wed, 11 Jan 2023 13:19:00 +0100Sicherungsverwahrung<br />Resozialisierung oder Wegsperren?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sicherungsverwahrungresozialisierung-oder-wegsperren-918Podiumdiskussion, 11.1.23 in BerlinDie Kritischen Jurist*innen der FU-Berlin und der RAV laden Sie hier zu einer Veranstaltung zum Thema Sicherungsverwahrung ein.

      Obwohl ein schwererer, gesetzlich geregelter staatlicher Eingriff in das Freiheitsgrundrecht kaum existieren dürfte, werden Betroffene der Sicherungsverwahrung gern vergessen. Das gilt sowohl für die Sicherungsverwahrten selbst, die den Hoheitsmaßnahmen unterliegen, als auch für die Begutachtenden und Mitarbeitenden im Vollzug. Betroffen sind zudem diejenigen, die die staatliche Macht – wie Richter*innen – repräsentieren oder – wie Rechtsanwält*innen und Therapeut*innen – im geregelten Verfahren den Sicherheitsverwahrten an die Seite gestellt werden.

      In der Veranstaltung sollen Expert*innen aus Wissenschaft, Medien und Praxis erörtern, ob und wie die rechtliche und tatsächliche Situation einen Ausgleich zwischen dem Freiheitsrecht des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit zu gestalten in der Lage ist.

      11. Januar 2023 um 18 Uhr
      Hedwig Dohm Haus
      Ziegelstr. 5
      10117 Berlin

      Es diskutieren:
      Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn, Professur für Strafrecht und Kriminologie an der FU Berlin
      Peter Conrad Braun, Leiter a.D. der Anstalt Pompestichting in Nijmegen, NL
      Susan Boos, Journalistin und Autorin des Buchs "Auge um Auge. Die Grenzen des präventiven Strafens", Zürich, CH
      Dr. med. Tatjana Voß, Leiterin der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz der Charité Berlin.

      Die Veranstaltung soll eine kritische und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Sie richtet sich insbesondere an Personen, die in ihrem Berufsalltag mit der Sicherungsverwahrung in Berührung kommen sowie an Studierende der Rechtswissenschaft und sonstige Interessierte.

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      VeranstaltungenStrafvollzug
      news-917Wed, 04 Jan 2023 09:04:59 +0100GFF erhebt mit Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ Verfassungsbeschwerde gegen massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit in NRW/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gff-erhebt-mit-buendnis-versammlungsgesetz-nrw-stoppen-verfassungsbeschwerde-gegen-massive-einschraenkung-der-versammlungsfreiheit-in-nrw-917Pressemitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), unterstützt vom RAV, 4.1.2023Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) erhebt heute gemeinsam mit dem Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ Verfassungsbeschwerde gegen das seit Januar 2022 geltende Versammlungsgesetz NRW. Die vor dem Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen eingereichte Beschwerde greift vor allem neue Straftatbestände, erweiterte Überwachungsbefugnisse und das präzedenzlose Totalverbot von Versammlungen auf Autobahnen an. In der Kombination schrecken diese bereits für sich verfassungswidrigen Regelungen Menschen davon ab, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. Die GFF will erreichen, dass das Gericht die angegriffenen Vorschriften für nichtig erklärt. Per Eilantrag sollen einige Normen zudem bereits vorläufig außer Kraft gesetzt werden.

      Das Versammlungsgesetz NRW ist ein offener Bruch mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit ist ein elementares Grundrecht für die demokratische Zivilgesellschaft – der Staat muss sie schützen und darf friedlichen Protest nicht erschweren“, sagt Joschka Selinger, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

      Die neuen Regelungen des Versammlungsgesetzes NRW zum Störungsverbot, zum Vermummungsverbot sowie zum Militanzverbot sind sehr weitreichend und unbestimmt formuliert, sodass Protestierende nicht wissen können, wann sie sich strafbar machen. Daneben weitet NRW die Befugnis zur staatlichen Videoüberwachung von Versammlungen enorm aus. Auch das kann einschüchtern und von der Teilnahme an Protesten abschrecken. Das bundesweit einmalige Pauschalverbot aller Versammlungen auf Bundesautobahnen nimmt zudem einen Teil des öffentlichen Raumes prinzipiell von der Versammlungsfreiheit aus. Autobahnen werden damit stärker geschützt als der NRW-Landtag und NS-Gedenkstätten.

      Besonders betroffen ist die Klimabewegung. Die Verschärfung des Militanzverbots wird in der Gesetzesbegründung mit Klimaprotesten begründet und zielt insbesondere auf diese ab. Auch das Versammlungsverbot auf Autobahnen richtet sich eindeutig gegen Aktivist*innen, die den Autoverkehr unterbrechen, um auf die sich zuspitzende Klimakrise aufmerksam zu machen. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat hier seine staatliche Neutralität gegenüber zulässigen Versammlungsanliegen aufgegeben und die Grundrechte der Aktivist*innen verfassungswidrig einschränkt.

      Wir wehren uns gegen die Überwachung und Beschränkung unserer Demonstrationen. Nordrhein-Westfalen hat eine vielfältige Zivilgesellschaft, die sich nicht kleinkriegen lässt", betont Iris Bernert-Leushacke, Sprecherin des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen“, die regelmäßig an Aktionen gegen Nazi-Demonstrationen teilnimmt.

      Kein anderes Bundesland hat ein derart restriktives Versammlungsgesetz. Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF ähnlichen Tendenzen bei der Gestaltung künftiger Landesversammlungsgesetze vorbeugen und so eine schrittweise Aushöhlung der Versammlungsfreiheit verhindern.

      Die acht Beschwerdeführenden sind Mitglieder unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Nordrhein-Westfalen, die ihr Engagement durch das Versammlungsgesetz in Gefahr sehen.  Sie werden vertreten durch Professor Tristan Barczak von der Universität Passau.

      Die Verfassungsbeschwerde wird unterstützt von den Organisationen Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein.

      Weitere Informationen zu unserem Fall finden Sie hier:
      https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/vb-versammlungsrecht-nrw

      Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
      Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org
      Tel. 030/549 08 10-55

      Die Pressemitteilung als pdf

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      VersammlungsfreiheitPressemitteilungVersammlungsrecht
      news-916Mon, 02 Jan 2023 09:55:52 +0100Es gibt nur eine Menschenwürde<br />Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/es-gibt-nur-eine-menschenwuerdeasylbewerberleistungsgesetz-abschaffen-916Gemeinsames Statement von 62 Organisationen, 2.1.2023Viele Geflüchtete erhalten zum Leben lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen soll. Aber die Menschenwürde kennt nicht zweierlei Maß. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände fordern gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

      Seit dem 1. Januar 2023 erhalten materiell bedürftige Menschen in Deutschland das sogenannte Bürgergeld. Das Bürgergeld tritt an die Stelle der bisherigen Hartz-IV-Leistungen. Geflüchtete wurden dabei allerdings nicht mitgedacht: Denn wie schon bei Hartz IV bleiben asylsuchende und geduldete Menschen auch vom Bürgergeld ausgeschlossen. Statt des regulären Sozialrechts gilt für sie das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). 

      Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Es ist ein Sonderrecht für geflüchtete Menschen. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes unterschreitet das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich. Die Regelsätze sind viel niedriger. Oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt, die die Menschen diskriminieren und entmündigen. Weil Sachleistungen den individuellen Bedarf nie wirklich decken können, stellen sie in der Konsequenz eine weitere drastische Leistungskürzung dar. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung führt oft zu verschleppter, verspäteter und unzureichender Behandlung. Sanktionen führen häufig zu weiteren Kürzungen, die mitunter über viele Jahre aufrechterhalten werden. Durch die fehlende Einbindung in das reguläre Sozialsystem werden die Betroffenen zudem von den Maßnahmen der Arbeitsförderung weitgehend ausgeschlossen.

      Erklärtermaßen hoffte man auf eine abschreckende Wirkung: Niedrige Geldbeträge und die Sachleistungsversorgung sollten Geflüchtete zur Ausreise bewegen. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Anwält*innenverbände sind sich seit Einführung des Gesetzes darin einig, dass das Asylbewerberleistungsgesetz wieder abgeschafft werden muss.

      2012 hat das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10).

      Trotzdem kürzte die große Koalition die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Jahren 2014 bis 2019 in mehreren Schritten erneut und weitete den Anwendungszeitraum von 15 auf 18 Monate aus. 2022 hat das Verfassungsgericht die 2019 eingeführten zusätzlichen Leistungskürzungen für Alleinstehende in Sammelunterkünften als verfassungswidrig gekippt (Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvL 3/21). Ein weiteres Verfahren ist anhängig (1 BvL 5/21).

      Auch zu den Sanktionen, die das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht, hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert. Aus dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen vom 5.11.2019 geht klar hervor, dass die Sanktionen des Asylbewerberleistungsgesetzes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.

      Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt damit gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das Grundrecht auf Gleichheit, das Sozialstaatsgebot (Art. 1, 3, 20 GG), das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), die UN-Kinderrechtskonvention und den UN-Sozialpakt.

      Die Bundesregierung will das Asylbewerberleistungsgesetz laut Koalitionsvertrag von 2021 „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ überarbeiten, doch das reicht nicht aus. Letztlich bleibt es damit beim doppelten Standard.

      Unsere Forderungen

      Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden. Dies erfordert insbesondere folgende Änderungen:

      1. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld bzw. die Sozialhilfe (SGB II/XII). Auf migrationspolitisch motivierte Kürzungen und Sanktionen ist gemäß dem Urteil des BVerfG aus 2012 ausnahmslos zu verzichten.
      2. Einbeziehung aller Geflüchteten in die Sprach-, Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsinstrumente des SGB II.
      3. Einbeziehung geflüchteter Menschen in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (SGB V/XI). Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Menschen ohne Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Insbesondere muss ein Anspruch auf Sprachmittlung bei Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.
      4. Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder müssen – entsprechend ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie – einen Anspruch auf alle aufgrund ihrer besonderen Situation erforderlichen zusätzlichen Leistungen erhalten (insbesondere nach SGB IX, SGB VIII u.a.).
      5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind als Geldleistungen auszugestalten.
       

      Unterzeichnende Organisationen, 02. Januar 2023

      Bundesebene

         

      Landesebene

       

      Stadt- u. Kommunalebene

       

      Das Statement als PDF

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      SozialrechtPressemitteilungMigration & Asyl
      news-915Thu, 22 Dec 2022 10:32:01 +0100Klimaschutz statt Repression: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt auch im Umgang mit der ›Letzten Generation‹!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/klimaschutz-statt-repression-verhaeltnismaessigkeitsgrundsatz-gilt-auch-im-umgang-mit-der-letzten-generation-915Gemeinsame Erklärung, 22.12.2022Gemeinsame Erklärung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, von Green Legal Impact e.V., Lawyers4Future, ClientEarth, der Humanistischen Union und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.

      Mit dem Vorwurf der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« nach § 129 StGB fahren die Strafverfolgungsbehörden schweres Geschütz gegen gewaltfreien Klimaprotest auf, der mit der Einhaltung der Klimaschutzziele ein verfassungs- und völkerrechtlich legitimiertes Anliegen verfolgt. Angesichts der weitreichenden Grundrechtseingriffe, die durch diesen Vorwurf gerechtfertigt werden, halten wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin nach § 129 StGB gegen Menschen aus der Bewegung ›Letzte Generation‹ für unverhältnismäßig.

      Die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der Bewegung ›Letzte Generation‹ hat eine neue Qualität erreicht. Am vergangenen Dienstag, den 13.12., kam es zu elf Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahmung von Handys, Laptops und Plakaten. Der Vorwurf lautet »Bildung einer kriminellen Vereinigung« gemäß § 129 Abs. 1 StGB, außerdem Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und Nötigung (§ 240 StGB). Medienberichten zufolge wurden Ermittlungen gegen insgesamt 34 Beschuldigte in acht Bundesländern eingeleitet, nachdem seit Mai bei mehreren Protestaktionen an der PCK-Raffinerie in Schwedt Ventile zugedreht und der Öl-Zufluss damit kurzzeitig unterbrochen worden sein soll. Zwei Wochen vor den Hausdurchsuchungen hatten mehrere Landesminister auf der Innenministerkonferenz Ermittlungen nach § 129 StGB gefordert.

      Anfangsverdacht der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« bereits fraglich

      Die Unterzeichnenden kritisieren dieses Vorgehen, denn bereits das Vorliegen des Anfangsverdachts bezüglich der Bildung einer kriminellen Vereinigung erscheint zweifelhaft. Der Tatbestand setzt voraus, dass eine Gruppe die Begehung von schweren Straftaten bezweckt, von denen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Das trifft auf das Festkleben an Straßen, Gemälden und Flughäfen als bislang wichtigster Protestform der ›Letzten Generationen‹ schon im Ansatz nicht zu. Ob Sitzblockaden und andere Formen des zivilen Ungehorsams überhaupt strafbares Verhalten darstellen, ist fraglich – Gerichte und Staatsanwaltschaften haben die wertungsoffenen juristischen Fragen der Verwerflichkeit und eines rechtfertigenden Klimanotstandes zuletzt unterschiedlich beantwortet und Protestierende vereinzelt freigesprochen. Jedenfalls aber haben die mit den Sitzblockaden verbundenen Vorwürfe kein ausreichendes Gewicht, um Vorwürfe nach § 129 StGB begründen zu können.

      Ähnlich sieht es bei dem Zudrehen von Ventilen an der Raffinerie in Schwedt aus. Weder wurden durch die kurzzeitige Unterbrechung der Versorgung einer Raffinerie Menschen gefährdet, noch die öffentliche Sicherheit in erheblichem Maße beeinträchtigt. Auch zu Sachbeschädigungen kam es nicht. Dass die Aktion möglicherweise den Anfangsverdacht einer Störung öffentlicher Betriebe begründet, kann für sich genommen die Ermittlungen nach § 129 StGB ebenso wenig rechtfertigen.

      Motivation, Ziele und Kontext entscheidend

      Gerade weil der Vorwurf nach § 129 StGB weitreichende Ermittlungsmaßnahmen ermöglicht, die mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden sind, fordert auch der BGH die strikte Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Bewertung der Zwecke einer Vereinigung. Ob die Schwelle zu einer kriminellen Vereinigung im Sinne der Vorschrift überschritten wird, ist nicht allein anhand der begangenen Straftaten, sondern anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu bewerten, die auch den Rahmen und den Hintergrund der Taten in den Blick nimmt – und gerade dieser könnte nicht deutlicher gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung sprechen:

      Die ›Letzte Generation‹ weist mit ihrem Protest auf etwas hin, das auch Barack Obama und Annalena Baerbock genau so formuliert haben: Dass wir zu der letzten Generation gehören, die die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels noch stoppen kann. »Die nächsten acht Jahre sind entscheidend«, erkennt selbst Bundeskanzler Olaf Scholz. Trotzdem reichen weder global noch national die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen aus, um die globalen Klimaziele sowie den in Deutschland verfassungsrechtlich vorgegebenen Reduktionspfad einzuhalten. Das wurde unlängst durch das Zweijahresgutachten des Expertenrates für Klimafragen bestätigt, der einen Paradigmenwechsel in der deutschen Klimaschutzpolitik anmahnt. Derweil hat der voranschreitende Klimawandel bereits in vielen Teilen der Erde verheerende Konsequenzen. Angesichts dieser Entwicklungen richtet sich die ›Letzte Generation‹ an die Politik. Die Bewegung fordert im Grunde nicht mehr, als die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und der völker- und verfassungsrechtlichen Pflicht, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5° C zu begrenzen. Die Proteste haben ein starkes kommunikatives Element und zielen auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung ab. Sie nehmen damit eine grundrechtlich garantierte Freiheit wahr, welche das Bundesverfassungsgericht als schlechthin konstitutiv für unsere Demokratie erachtet. Diese Umstände müssen die Ermittlungsbehörden bei der Bewertung des Verhältnisses von Straftaten und verfolgten Zwecken angemessen berücksichtigen.

      Für die strafrechtliche Bewertung des Gesamtbildes ist außerdem entscheidend: Die Bewegung agiert nicht im Verborgenen, sondern trägt ihre Ziele und Methoden sowie die Identität der Beteiligten in die Öffentlichkeit. Dort, wo die gewählten Protestformen des zivilen Ungehorsams die Grenzen zur Strafbarkeit überschritten haben, stellen sich bislang alle Aktiven den Strafverfahren. All das spricht entscheidend gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung.

      Ermittlungsmaßnahmen müssen Verhältnismäßigkeit wahren

      In jedem Fall erscheinen die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen angesichts des gewaltfreien und öffentlichen Protests und der verfolgten Anliegen der Bewegung unverhältnismäßig. Die Mitglieder der ›Letzten Generation‹ haben bislang keinerlei Anstalten gemacht, ihre Taten zu verbergen und Ermittlungsmaßnahmen zu behindern.

      Leider reihen sich die Ermittlungen in andere staatliche Maßnahmen gegen die ›Letzte Generation‹ ein, wie die wahrscheinlich verfassungswidrige Anordnung eines 30-tägigem Gewahrsams in Bayern. In ihrer Gesamtheit erwecken diese Maßnahmen den Eindruck einer Instrumentalisierung des Ordnungs- und Strafrechts für die Delegitimierung und Einschüchterung von unliebsamem Protest. Das ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig. Repression sollte nicht die Antwort des Staats auf eine Klimabewegung sein, die den Erhalt unser aller Lebensgrundlagen einfordert und an die Einhaltung von Gesetz und Recht erinnert.

      Die Dringlichkeit des Problems erkennen!

      Vor allem aber drohen die Diskussionen über strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen von der eigentlichen Problematik abzulenken. Die Verantwortlichen sollten sich mit dem Ruf der Protestierenden nach wirksamen Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe auseinandersetzen und endlich ihren verfassungsrechtlichen Pflichten nachkommen. Klimaschutz ist Menschenrecht, das haben Gerichte rund um die Welt bereits entschieden – und dieses Menschenrecht hat jeder Staat zu achten. Die ›Letzte Generation‹ wählt drastische Mittel, um auf das bis heute andauernde, drastische Versagen der Klimaschutzpolitik hinzuweisen. Die Dringlichkeit der Klimakrise haben die meist jungen Betroffenen nicht zu verantworten.

      Berlin/Köln, 22. Dezember 2022

      Gemeinsame Erklärung (PDF)

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      Pressemitteilung
      news-903Wed, 30 Nov 2022 11:42:44 +0100Bar Associations and International Lawyers’ Organisations Call for Protection of Lawyers in Iran /publikationen/mitteilungen/mitteilung/bar-associations-and-international-lawyers-organisations-call-for-protection-of-lawyers-in-iran-903Joint Statement, 30 November 2022The undersigned bar associations and international lawyers’ organisations call for the Islamic Republic of Iran and its agencies to protect, promote, and support the following basic rights:

      1. the independence of the legal profession;
      2. the principle of lawyer-client confidentiality;
      3. the right to have access to a legal representative;
      4. the right to prepare a defence.
         

      This joint statement has been issued to help secure immediate, coordinated, multi-sectoral action on legal independence in Iran to guarantee lawyers practice their profession without fear of repression or persecution.

      Since the 1979 Islamic Revolution and increasingly over the years, the legal profession in Iran has lost its independence and lawyers have been subjected to detentions, harassments, and persecutions.

      Calls of interest

      In line with the basic principles on the role of lawyers, and in consideration of the above, we signatories of this statement call on the Islamic Republic of Iran and all its related agencies to take immediate steps aimed at protecting and supporting the independence of the legal profession and lawyers in Iran.


      In the 43 years of the ruling of the Islamic Republic of Iran, lawyers have been systematically pressured and harassed in various ways. One of the things that restricts lawyers in the field of defence is the establishment of rules and regulations that ignore the matter of defence and deprive lawyers of the freedom to defend their clients. When they do represent their clients despite such restrictions, they are often threatened, intimidated, and ultimately imprisoned. Threats against lawyers in Iran continue to grow and lawyers find themselves under increased surveillance. We, the undersigned, demand that the Islamic Republic and its agencies respect and support the following:

      1. Immediate release of all lawyers arrested for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics.
      2. Immediate cease of prosecution of all lawyers prosecuted for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics.
      3. Complete preservation of the independence of the legal profession.
      4. Right of individuals, lawyers included, under the rule of law.
      5. Right of the accused to be accorded a fair trial.
      6. Right of the lawyers to undertake the representation of clients (including other lawyers) or causes without fear of repression or persecution.


      Signed by:

      1. International Bar Association’s Human Rights Institute
      2. German Federal Bar
      3. European Association of Lawyers for Democracy and Human Rights
      4. Association of Lawyers for Freedom (Özgürlük için Hukukçular Derneği)
      5. Defence Commission of the Barcelona Bar Association
      6. European Democratic Lawyers
      7. Association of Berlin Defence Lawyers (Vereinigung Berliner Strafverteidiger)
      8. Republican Lawyers Association (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)
      9. Montpellier Bar association
      10. Human Rights Institution of Montpellier
      11. Progressive Lawyers' Association (Çağdaş Hukukçular Derneği)
      12. Hanseatic Bar Hamburg, Germany (Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg)

      *******

      [1] Article 191, Article 346, Note to Article 346, Article 385, Note to Article 297
      [2] Between 16 September – 6 October, at least 300 human rights defenders were arrested (https://www.iranintl.com/202210065096); between 30 October – 3 November, at least 150 human rights defenders were arrested (https://www.radiofarda.com/a/32120083.html).

      Joint Statement (PDF)

      ]]>
      Iran
      news-902Mon, 28 Nov 2022 18:17:45 +0100Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-beschleunigung-der-asylgerichtsverfahren-und-asylverfahren-902Stellungnahme des RAV, 24.11.2022Der RAV hat die hier folgende und ausführliche Stellungnahme eingereicht.

      Zeitgleich wurde - kurz vor der mündlichen Anhörung - vom RAV, der BRAK, der RAK-Berlin und dem DAV eine Kurzfassung der RAV-Stellungnahme an die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschuss sowie dem federführenden Ministerium zur Kenntnis und Berücksichtigung versandt. Diese Kurzfassung findet sich hier.

      Hier nun die lange Fassung:

      Verfasser*innen:
      Rechtsanwältin Josephine Koberling, Rechtsanwältin Anya Lean, Rechtsanwalt Julius Becker, Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Rechtanwalt Yunus Ziyal, Rechtsanwältin Inken Stern, Sebastian Pukrop (Rechtsreferendar), Rechtsanwältin Berenice Böhlo.

      I. VORBEMERKUNGEN

      Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit »Asylverfahren […] fair, zügig und rechtssicher ablaufen«. Zugleich heißt es dort zu den Zielen der beabsichtigten Asylrechtsreform: »Wir wollen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung«.

      Diese Vorhaben sind grundsätzlich zu begrüßen: Die Praxis zeigt, dass die Asylverfahren auf behördlicher Seite sowohl qualitativ als auch zeitlich enorme Mängel aufweisen – insbesondere zu Lasten der Asylantragsteller*innen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der im Verwaltungsrecht überdurchschnittlichen hohen Zahl gerichtlicher Entscheidungen, mit denen Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgehoben und ein Schutzstatus zuerkannt wird und die die Fehlerhaftigkeit des behördlichen Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenbaren. Das Gleiche gilt spiegelbildlich für die im Ergebnis zumeist ergebnislosen Widerrufsverfahren nach einer Schutzanerkennung. Die jeweiligen gerichtlichen Verfahren dauern zu lang.

      Die Bundesregierung hat nun ohne eine vorangegangene zivilgesellschaftliche Debatte einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren vorgelegt, der auch, nachdem bereits wesentliche Vorschläge zurückgenommen wurden, weiterhin erheblicher Kritik begegnet.

      Dem entscheidenden Grund für die Länge der Asylverfahren, nämlich der mangelhaften behördlichen Verfahrens- und Entscheidungspraxis, wird mit diesem geplanten Gesetz indes nicht begegnet. Auch nach der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden im Jahr 2021 wieder lediglich 33,1% der Klageverfahren negativ – also klageabweisend – entschieden. Auf der Verwaltungsebene bedarf es daher einer deutlichen Qualitätsverbesserung.

      Darüber hinaus findet der Gesetzesvorschlag auch keine Lösung für den fundamentalen Missstand und die grundlegende Ursache für die Verfahrensdauer der Asylgerichtsverfahren: Das BAMF tritt im gerichtlichen Verfahren in aller Regel nicht auf. Prozesserklärungen sind dann tatsächlich nicht möglich, oft sieht auch die interne Weisungslage des BAMF vor, dass trotz gerichtlichen Hinweises weder Abhilfeentscheidungen erlassen, noch der Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt werden. Dies führte z.B. in den gerichtlichen Asylverfahren zu langer Dauer und verhinderte systematisch die Verkürzung der Verfahren.
      Nachdem die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag noch angekündigt hatte, Asylverfahren »fair, zügig und rechtssicher« zu gestalten, steht nunmehr eine Beschneidung von Verfahrens- und Prozessrechten zulasten von Asylsuchenden im Mittelpunkt. Diese weitere Aushöhlung des Asylrechts, die offensichtlich als Ausgleich für die Implementierung des – zudem noch unzureichenden – Chancenaufenthaltsrechts im Schnellverfahren durchgesetzt werden soll, ist nicht hinnehmbar.

      Folgende maßgebliche Punkte sind daher besonders zu kritisieren:

      1. Das Gesetzesvorhaben wird mit Sicherheit zu einer Verlängerung der Asylverfahren führen.

      2. Die anwaltliche Vertretung wird stark eingeschränkt.


      II. ZUM ENTWURF IM EINZELNEN

      1. § 12a AsylG-E: Asylverfahrensberatung

      a. Bisherige Rechtslage
      Nach der bisherigen Rechtslage (§ 12a AsylG) ist eine »freiwillige, unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung« vorgesehen. Diese Verfahrensberatung erfolgt gem. § 12a S. 2 AsylG in zwei Stufen: Zunächst ein Gruppengespräch mit Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens und auf der zweiten Stufe eine individuelle Asylverfahrensberatung, die entweder vom Bundesamt oder durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt wird (§ 12a S. 3 AsylG). Die Vorschrift wurde am 15.08.2019 (Inkrafttreten: 21.08.2019) in das AsylG eingefügt. Die Regelung dient auch der Umsetzung der Vorgaben aus der EU-Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU), insbesondere aus Art. 19 und 20.

      Diese bestehende Regelung ist zunächst zu kritisieren, weil auch drei Jahre nach ihrer Einführung noch immer bei weitem nicht alle Asylsuchende an einer individuellen Asylverfahrensberatung teilnehmen. Eine derartige Beratung ist jedoch erstrebenswert, da sie aufgrund besserer Vorbereitung der Betroffenen die Qualität der persönlichen Anhörungen erhöht, damit helfen kann, Zeit einzusparen, sie auch aus rechtsstaatlicher Perspektive wünschenswert ist und letztlich die Akzeptanz der Entscheidungen des Bundesamts bei den Betroffenen erhöht. Der Fokus sollte hierbei auf der individuellen Beratung liegen; die allgemeinen Gruppengespräche zur Information über das Asylverfahren sind zwar ebenfalls grundsätzlich positiv zu bewerten, dürften aber auf die Qualität der Asylverfahren nur einen geringen Einfluss ausüben.

      Insbesondere problematisch an der bestehenden Regelung ist jedoch, dass das Bundesamt selbst eine gleichzeitig ›staatliche‹ und ›unabhängige‹ Verfahrensberatung durchführen soll. Zwar ist auch bei der bestehenden Regelung vorgesehen, dass Wohlfahrtsverbände auf der zweiten Stufe der Verfahrensberatung tätig werden können. Dies ist jedoch nur optional, und es ist mindestens gleichberechtigt eine Beratung durch das Bundesamt selbst vorgesehen. Eine ›staatliche‹ Beratung durch die Behörde, die selbst die Entscheidung im Asylverfahren trifft, kann jedoch nicht als unabhängig gewertet werden, womit die bisherige Regelung zur Asylverfahrensberatung grundsätzlich falsch konstruiert ist.

      b. Reformentwurf und Bewertung

      Dieser strukturelle Fehler des § 12a AsylG wird mit der vorgesehenen Änderung aufgehoben. § 12a Abs. 1 AsylG-E spricht nicht mehr von ›staatlicher‹, sondern über eine »behördenunabhängige, unentgeltliche, individuelle und freiwillige« Asylverfahrensberatung. Zwar werden Wohlfahrtsverbände nicht explizit in der Norm genannt, es erschließt sich jedoch, dass insbesondere diese zukünftig für die Verfahrensberatung zuständig sein sollen. Hierzu sollen diese mit Haushaltsmitteln gefördert werden (§ 12a Abs. 1 AsylG-E).

      Positiv zu bewerten ist auch, dass die Verfahrensberatung bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamtes durchgeführt werden kann und somit auch das Klageverfahren umfasst (§ 12a Abs. 2 S. 2 AsylG-E), wenn auch der Entwurf an dieser Stelle etwas missverständlich formuliert ist.

      Auch ist zu begrüßen, dass im Rahmen der Verfahrensberatung in Fällen von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten eine Übermittlung derer Daten an das Bundesamt stattfinden soll. Es ist zu hoffen, dass dadurch die vorgesehenen Verfahrensgarantien für besonders schutzbedürftige Geflüchtete mehr zur Anwendung kommen (§ 12a Abs. 3 AsylG-E). An dem grundsätzlichen Zustand, dass besonderer Schutzbedarf häufig gar nicht erst erkannt wird, ändert dies wenig.

      Ferner wird aus dem Entwurf nicht abschließend klar, ob die individuelle Verfahrensberatung eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) oder nur eine abstrakte Informationsvermittlung darstellt. Dies ist unter der bestehenden Rechtslage umstritten. Zu fordern ist eine diesbezügliche Klarstellung. Zwar sieht § 12a Abs. 2 S. 1 AsylG-E vor, dass die besonderen Umstände des Ausländers zu berücksichtigen sind. Dennoch ist der genaue Umfang der Verfahrensberatung auch unter dieser Formulierung weiter unklar und wird insofern auch zukünftig für Streit sorgen.

      Ebenfalls ist den Organisationen, welche die Verfahrensberatung anbieten, gesetzlich der Zugang zu Erstaufnahmeeinrichtungen einzuräumen, damit die Beratung von den Betroffenen auch tatsächlich und niederschwellig in Anspruch genommen werden kann.

      Wünschenswert wäre zuletzt eine gesetzliche Klarstellung, dass die Verfahrensberatung auch in Folge- und Widerrufsverfahren in Anspruch genommen werden kann. Auch dies ist unter der aktuellen Regelung ungeklärt und sorgt für Streit.

      c. Empfehlung
      Da der Gesetzesentwurf nicht weit genug geht, wird empfohlen, die Änderungen mit den folgenden Zielen einzuarbeiten:


      2. § 17 AsylG-E: Hinzuziehung eines Dolmetschers im Wege der Bild- und Tonübertragung

      a. Bisherige Rechtslage
      Bisher regelte die Norm, dass bei der Anhörung »ein Dolmetscher, Übersetzer oder sonstiger Sprachmittler hinzuzuziehen [ist], der [...] zu übersetzen hat«.

      b. Reformentwurf und Bewertung
      Die Hinzuziehung soll nun auch durch Bild- und Tonübertragung in Ausnahmefällen möglich sein.

      Die Neuregelung begegnet, was den Einsatz der notwenigen Technik betrifft, datenschutzrechtlichen Bedenken, die in der Praxis geklärt sein müssten und es bisher nicht sind.

      Es ist auf Folgendes hinzuweisen: Sowohl die Qualität von Dolmetscher*innen als auch das Vertrauensverhältnis zwischen Dolmetscher*innen und Antragsteller*innen ist bereits im status quo ein Problem.

      Diese Probleme werden durch den Reformentwurf nochmal verschärft, jedenfalls nicht geklärt. Der Vorschlag scheint den Aspekt, dass die Qualität durch eine solche Praxis gemindert wird, auch zu erkennen, wenn er andererseits vorschlägt, dass nur »ausnahmsweise in geeigneten Fällen« die Übersetzung auf diesem Wege möglich sein soll. Das Ziel der Regelung ist derweil, das Verfahren zu vereinfachen, wenn eine geeignete Übersetzung vor Ort nicht möglich ist. Eine solche Vereinfachung geht zu Lasten der Antragsteller*innen –, indem es ein Vertrauensverhältnis erschwert, und auch die erforderliche Nähe, die für Nuancen in einer Übersetzung nötig sein können, aufhebt.

      Schließlich stellt sich die Frage, wie und woher das BAMF vor der Anhörung die »geeigneten Fälle« erkennen will, zumal häufig – und gerade in den genannten Fällen – die besondere Schutzbedürftigkeit erst im Lauf der Zeit (oft auch erst nach sensibler Beratung) geäußert bzw. erkannt wird.

      c. Empfehlung
      Für eine Hinzuziehung ist zwingend die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person notwendig. Diese ist als mündliche Erklärung zu Beginn der Anhörung aufzuzeichnen und als Wortprotokoll dem Anhörungsprotokoll beizufügen. Die antragstellende Person soll sich dazu äußern können, warum sie nicht lieber eine persönliche Übersetzung wünscht.


      3. § 24 AsylG-E: Entscheidungszeitraum

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Der Gesetzesentwurf setzt die in Artikel 31 Abs. 3-5 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) geregelten Entscheidungsfristen in nationales Recht um. Die Neuregelung ist einerseits zu begrüßen, denn sie schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Betroffene, Behörden, Gerichte und Beratende. Die Regelung adressiert auch diejenigen Stellen, die dem Bundesamt »zuarbeiten«, indem sie aktuelle Erkenntnismittel zur allgemeinen Lage oder spezifischen Konstellationen zur Verfügung stellt oder auf deren Weisungen und Entscheidungsleitlinien das Bundesamt Bezug nimmt. Auch sie sind gefordert, die Einhaltung der neu eingeführten Fristen zu ermöglichen.

      Die Möglichkeit des Bundesamts, die Entscheidung bis zu 21 Monate aufzuschieben, wenn im Herkunftsstaat eine »ungewisse Lage« besteht, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, ist in der vorgeschlagenen Fassung zu unbestimmt und eröffnet die Möglichkeit, Entscheidungen zu Lasten der Schutzsuchenden fast zwei Jahre aufzuschieben. Unserer Erfahrung nach betrifft das vor Allem entscheidungsreife Fälle, die das BAMF nicht entscheiden möchte, da es politisch nicht opportun ist. So entscheidet das BAMF bspw. bis jetzt keine älteren Asylanträge von Ukrainer*innen, deren Antragsteller*innen nicht der § 24 AufenthG-Regelung unterfallen. Auch im Falle von Afghanistan führte die Regierungsübernahme durch die Taliban zunächst zu einem Entscheidungsstopp. Abschiebungsverbote erteilte das BAMF erst flächendeckend, als klar wurde, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit deren Voraussetzungen weit überwiegend gegeben sieht. Die Neuregelung würde diese verfahrensverzögernde Praxis rechtlich absichern und somit ausweiten.

      b. Empfehlung
      Die Möglichkeit des Bundesamts, die Entscheidung bis zu 21 Monate aufzuschieben, wenn im Herkunftsstaat eine »ungewisse Lage« besteht, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, ist abzulehnen.

      4. § 25 AsylG-E: digitale Anhörung

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Die Anhörung stellt das Kernstück des behördlichen Asylverfahrens dar. Sie hat in einem geschützten Raum und durch angemessene Befragung zur Übermittlung höchstpersönlicher Daten zu erfolgen. Dies ist in einer digitalen Anhörung nicht möglich.

      b. Digitale Anhörung
      Folgende Ausgangslage ist zu beachten:

      c. Empfehlung
      Eine Anhörung per Video kann in Aufnahmefällen und nur auf ausdrücklichen Wunsch und mit ausdrücklicher mündlicher Zustimmung erfolgen. Eine Entscheidung unter Verzicht auf die persönliche Anhörung kann nur auf Wunsch der schutzsuchenden Person und mit individuell verfasster Zustimmung erfolgen.


      5. § 31 AsylG-E: Entscheidung des BAMF

      hier: Änderung von Absatz 3 S. 2:
      In Absatz 3 Satz 2 wird nach den Wörtern »anerkannt wird« das Wort »oder« durch ein Komma ersetzt, und nach den Wörtern »zuerkannt wird« werden die Wörter »oder durch das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden worden ist« eingefügt.

      In Absatz 3 wird Satz 2 ergänzt und erweitert. Bisher regelte der Abs. 3, dass im Falle der Zuerkennung eines Schutzstatus nach dem AsylG keine Abschiebungsverbote mehr geprüft werden müssen. Das macht Sinn, da der internationale Schutz weitergeht als der humanitäre Schutz des AufenthG.

      Nach neuer Rechtslage soll nun auch dann nicht mehr über Abschiebungsverbote entschieden werden, wenn diese in einem früheren Verfahren bereits abgelehnt wurden.

      Das führte dazu, dass bei unzulässigen Asylfolgeanträgen über Abschiebungsverbote nicht mehr entschieden werden darf, auch wenn diese vorliegen. Es wäre zusätzlich die Feststellung der Abschiebungsverbote explizit zu beantragen.

      a.
      In der Praxis würden nicht-anwaltlich vertretene Antragsteller*innen kaum auf die Idee kommen, im Rahmen einer Folgeantragstellung explizit auch die Zuerkennung von Abschiebungsverboten zu beantragen, zumal die materiell-rechtliche Unterscheidung – insbesondere zwischen § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG – eine umfassende Kenntnis der europäischen und nationalen Rechtsprechung voraussetzt.

      Die vorgeschlagene Änderung hätte im vergangenen Jahr 2021 bspw. folgende Auswirkung gehabt:

      Für anwaltlich nicht vertretene Afghan*innen, deren Asylantrag schon früher abgelehnt worden war und die nach Machtübernahme der Taliban einen Folgeantrag stellten, konnte nach geltender Rechtslage ein Abschiebungsverbot festgestellt werden, ohne dass sie dies explizit beantragen mussten. Vielmehr brachten sie durch den Asylantrag zum Ausdruck, dass sie Schutz suchten vor den Gefahren und schweren Folgen einer Rückkehr nach Afghanistan.

      Nach neuer Rechtslage wäre im Rahmen eines solchen Folgeantrags lediglich über die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz entschieden worden. Sieht das BAMF die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, würden Abschiebungsverbote mangels Antrags nicht geprüft werden. Der Asylfolgeantrag der im obigen Beispiel genannten Personengruppe wäre abgelehnt.

      Dem BAMF käme im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung eine zusätzliche erhebliche Beratungspflicht zu, da § 25 Abs. 1 VwVfG vorsieht, dass die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen soll, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.

      b.
      Zudem entspricht die jetzt geltende Regelung bei Ablehnung eines Antrags, immer auch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden, den nationalen und europarechtlichen Vorgaben. Danach sind Abschiebungsverbote von Amts wegen in jeder Lage eines Verfahrens zu prüfen. Dies gebieten Inhalt und Bedeutung der Rechte der*s Antragstellerin*s aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Verletzung droht – vorliegend Art. 3 EMRK – sowie aus dem Grundgesetz – insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Schließlich steht auch Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit der drohenden Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der angedrohten Abschiebungsandrohung entgegen. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG statuiert ein echtes (subjektives) Grundrecht, das dem Einzelnen einen Anspruch auf Gewährung eines möglichst wirkungsvollen (effektiven) Rechtsschutzes verleiht. Insbesondere irreparable Folgen hoheitlicher Maßnahmen müssen durch einen tatsächlich wirksamen und möglichst lückenlosen Rechtsschutz so weit wie möglich vermieden werden. Ein lückenloser Rechtsschutz ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn im Rahmen eines die Abschiebung zunächst hindernden Asylfolgeantrags Abschiebungsverbote nicht geprüft würden, auch wenn diese geltend gemacht werden. Das BAMF könnte ablehnen, die Ausländerbehörde, die an die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten durch das BAMF gebunden wäre (§ 42 AsylG), könnte abschieben, ohne dass Abschiebungsverbote je geprüft werden.

      An diesem unvertretbaren Ergebnis würde auch ein expliziter Antrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten nichts ändern, der bereits nach jetziger Rechtslage gem. § 51 VwVfG möglich ist, allerdings keine die Abschiebung hindernde Wirkung hat. Im Übrigen dauert die Prüfung derartiger Anträge derzeit durchschnittlich deutlich länger als 6 Monate. Die Prüfung ist daher in vielen Fällen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz abzusichern und führte zu einer weiteren Belastung der Verwaltungsgerichte.

      c.
      Eine Einbeziehung der Prüfung von Abschiebungsverboten dient letztlich auch der Verfahrensbeschleunigung, da spätestens bei der Frage der Vollziehbarkeit einer Rückführungsentscheidung, Abschiebungsverbote (die ja dem Aufenthaltsgesetz entstammen) zu prüfen wären.

      d. Empfehlung
      Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.


      6. § 37 AsylG-E: Folge eines stattgebenden Eilrechtsschutzbeschlusses bei Unzulässigkeitsentscheidungen

      Bisher ist ein Bescheid, der einen Asylantrag wegen der Zuerkennung von internationalem Schutz in einem anderen Mitgliedsstaat als unzulässig abgelehnt hat (sog. Drittstaatsbescheid), bei Stattgabe eines Eilrechtschutzantrags unwirksam. Diese Regelung soll nunmehr gestrichen werden. Laut Gesetzesbegründung ist das Ziel die Vermeidung von Endlosschleifen, die durch den erneuten Erlass eines Drittstaatsbescheids durch das BAMF ausgelöst werden sollen.

      Die Streichung der Regelung führt aber – entgegen des proklamierten Gesetzeszwecks – zu einer deutlichen Verlängerung der Verfahren. Aus anwaltlicher Erfahrung werden den meisten Eilrechtschutzanträgen im Rahmen von Drittstaatsbescheiden aufgrund drohender Verletzungen von Art. 3 EMKR / Art. 4 GrCH stattgegeben. In diesen Fällen ist Deutschland nach der Rechtsprechung des EuGH ohnehin verpflichtet, ein neues Asylverfahren durchzuführen. Dies geschieht in der Regel auch, wenn ein Drittstaatsbescheid aufgrund der Stattgabe im Eilrechtsschutzverfahren unwirksam wird. Die gesetzliche Folge der Stattgabe im Eilrechtsschutzverfahren führt also in der Praxis zu einer Entlastung der Gerichte und einer Beschleunigung der Verfahren. Sie abzuschaffen, wäre kontraproduktiv.


      7. § 73 AsylG-E: Widerruf und Rücknahme

      a. Gegenwärtige Rechtslage
      Die gegenwärtige Rechtslage sieht vor, dass eine fehlerhafte Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter bestimmten Umständen – insbesondere erwähnt das Gesetz hier unrichtige Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen – zurückgenommen werden kann (§ 73 Abs. 2 AsylG).

      Ein Widerruf kann erfolgen, wenn eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland erfolgt ist (§ 73 Abs. 1 AsylG). Spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag hat die zuständige Behörde nach § 73 Abs. 2a AsylG zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorliegen.

      Entsprechende Regelungen existieren für die Rücknahme und den Widerruf des subsidiären Schutzes (§ 73b AsylG) bzw. der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 73c AsylG). Mitwirkungspflichten im laufenden Asylverfahren sind in § 15 AsylG umfassend geregelt, § 15a AsylG regelt die Auswertung von Datenträgern und § 16 AsylG die Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität.

      In der Praxis haben Überprüfungen in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen zu einem Widerruf geführt. In den Rücknahme- und Widerrufsverfahren, die im ersten Halbjahr 2018 eingeleitet und entschieden wurden, hatte der überprüfte Schutzstatus vielmehr in 99,3% der Fälle Bestand (BT-Drs. 19/38393). Auch bei der nachträglichen Überprüfung von Identitätsdokumenten Schutzberechtigter wurden nur 0,5% der eingesandten Dokumente als Fälschung identifiziert. Eine Reformierung ist daher dringend geboten: Um Kapazitäten beim BAMF zu schaffen – die an anderer Stelle gebraucht werden – und um vielen Betroffenen ein weiteres nervenaufreibendes Verfahren zu ersparen, das im Ergebnis nicht nötig ist.

      b. Zum Referentenentwurf
      Zunächst ist zu begrüßen, dass § 73a ff. eine Neuordnung und übersichtlichere Regelung vorschlagen und Tatbestände und Verfahren in jeweiligen Normen getrennt regeln. Zu begrüßen ist auch eine leichte Abkehr der gesetzgeberischen Fehlleistung aus dem Jahr 2018. Insbesondere ist daneben aus den genannten Gründen zu begrüßen, dass die – unionsrechtswidrige – Regelüberprüfung nach drei Jahren gestrichen werden soll.

      Problematisch sind derweil einzelne folgende Punkte der Reformvorschläge:

      Dies betrifft zum einen die Gründe, die gem. § 73 Abs. 1 AsylG-E zu einem Widerruf führen können und an dieser Stelle in Form von Regelbeispielen aufgeführt werden. Insbesondere kann und darf die Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit (Nr. 2) nicht regelhaft zu einem Widerruf führen: Die Möglichkeit der Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit ist oftmals Ausdruck des Bestehens administrativer Widersprüche oder widerstreitender Praktiken im Verfolgerstaat.

      Ebenfalls abzulehnen sind die Verweise in § 73b AsylG-E auf die Mitwirkungspflichten in den § 15, 16 AsylG: Mitwirkungspflichten sind nach Anerkennung bzw. Zuerkennung eines Schutzstatus grundsätzlich abzulehnen. Hier bedürfte es einer spezifischen Regelung, die der bereits ausgesprochenen Schutzbedürftigkeit Rechnung trägt. Das Unionsrecht sieht Mitwirkungspflichten z.B. in Art. 4 Abs. 1 der QualifikationsRL vor, allerdings in äußerst engen Grenzen. Soweit es um die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des Schutzstatus im Unionsrecht geht, ist dies in Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 der QualifikationsRL geregelt. Auch hier ist bereits normiert, dass im Falle einer falschen Darstellung oder des Verschweigens eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen kann (Art. 19 abs. 3 (b) QualifikationsRL). Das Unionsrecht sieht dabei eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen haben. Art. 44 der AsylverfahrensRL sieht – ohne zwischen Rücknahme und Widerruf zu differenzieren – eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei neuen Erkenntnissen vor. Die anlasslose automatisierte und verpflichtende Regelprüfung im deutschen Recht ist dem Europarecht fremd.

      Für die vorliegend interessierende Konstellation des Widerrufs und der Rücknahme ist Art. 11 Abs. 1 e) und Art. 19 Abs.3 b) und Abs.4 der QualifikationsRL zu beachten. Voraussetzung eines Widerrufs nach 11 Abs. 1 e) QualifikationsRL ist ein Wegfall der Umstände, aufgrund derer eine Person einen Schutzstatus erhalten hat, wobei der Nachweis hierzu von den Mitgliedstaaten gemäß 11 Abs. 2 QualifikationsRL zu führen ist.
      Die Aberkennung eines Schutzstatus kann nach Unionsrecht außerdem erfolgen, wenn für die Zuerkennung des Schutzstatus eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente ausschlaggebend war. Art. 19 Absatz 4 der QualifikationsRL stellt fest, dass ein entsprechender Nachweis durch die Mitgliedstaaten zu führen ist.

      Festzuhalten ist somit, dass sowohl für die Konstellation des Widerrufs als auch für die Konstellation der Rücknahme das Unionsrecht die Beweislast auf Seiten der Mitgliedstaaten verortet und nicht an Handlungen der Betroffenen anknüpft. Ein Widerruf bzw. eine Rücknahme im Rahmen einer Wertung als faktische Sanktion nicht erfolgter Mitwirkung ist unionsrechtswidrig.

      Problematisch und zugleich nicht nötig ist § 73b Abs. 4 AsylG-E: Demnach soll im Rahmen eines Einbürgerungsverfahrens die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme entfallen. Dies ist abzulehnen. Es besteht auch keine Regelungsnotwendigkeit, da die Aufenthaltserlaubnis selbst bei erfolgtem Widerruf/Rücknahme nicht automatisch entfällt und somit auch in aller Regel weiter ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bestehen wird.

      Schließlich ist die Monatsfrist zur Stellungnahme in § 73b Abs.6 AsylG-E praktisch zu kurz bemessen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass neue Unterlagen vorgelegt werden sollen. Die Frist ist regelhaft auf drei Monate zu setzen.

      c. Empfehlung
      § 73 AsylG-E Abs 1 Nr. 1 bis 4 und 6 ist zu streichen
      § 73b AsylG Abs. 2 ist um den Widerruf und die Rücknahme des subsidiären Schutzes zu ergänzen.
      § 73b Abs. 4 AsylG-E ist zu streichen
      § 73b Abs. 5 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass der Verweis auf die Mitwirkungspflichten teilweise gestrichen, und die Beweislast des BAMF deutlich geregelt wird.
      § 73 b Abs. 6 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass die Frist auf 3 Monate gesetzt wird.


      8. § 74 AsylG-E: Befangenheit von Richter*innen

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Bislang führt ein Ablehnungsgesuch gem. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO dazu, dass die/der abgelehnte Richter*in vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur noch unaufschiebbare Handlungen vornehmen darf. Eine Ausnahme davon bildet § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 ZPO. Demgemäß führt eine Ablehnung wegen Befangenheit nach Beginn der mündlichen Verhandlung schon dann nicht zu einem Tätigkeitsverbot der*des Richters*in in der Sache, wenn dies zu einer Terminvertagung führen würde. Eine zeitliche Verzögerung durch einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag ist daher bereits durch die geltende Rechtslage ausgeschlossen.

      b. Regelungsvorschlag
      Die nunmehr vorgeschlagene Regelung erweitert den Ausnahmezeitraum des § 47 Abs. 2 ZPO auf drei Tage vor den Beginn der mündlichen Verhandlung. Wenn in diesem Fall die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu einer Vertagung der Verhandlung führt, so kann die mündliche Verhandlung auch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters erfolgen.

      c. Kommentierung
      Diese Erweiterung ist nicht nachvollziehbar. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet die Kammer, der die/der Einzelrichter*in angehört. Wieso eine Kammerentscheidung auch drei Tage vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung nicht möglich sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Selbst am Tag der mündlichen Verhandlung oder kurz davor ist nicht ersichtlich, weshalb die Kammer nicht über ein Ablehnungsgesuch entscheiden könnte. Die Kammer ist gem. § 45 Abs. 3 ZPO solange beschlussfähig, solange noch ein anderes Mitglied als der oder die abgelehnte Richter*in anwesend ist. Als beschlussfähige Mitglieder gelten auch die Richter*innen, die im Geschäftsverteilungsplan als ersatzzuständig vorgesehen sind, so dass eine Nichtbesetzung der Kammer fast ausgeschlossen ist.
      Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass kein Kammermitglied anwesend ist, muss das nächsthöhere Gericht entscheiden. Die Regelung sieht aber vor, dass die Entscheidung über die Ablehnung zu einer Vertagung der Verhandlung führen muss. Wie dargelegt, ist dieser Fall extrem unwahrscheinlich, so dass die Regelung ins Leere geht und daher nicht erforderlich ist.

      Die Länge der Frist ist im Gesetzesentwurf und seiner Begründung auch nicht näher erläutert und erscheint willkürlich gezogen. In der Praxis gibt es ohnehin bis kurz vor der mündlichen Verhandlung keine Handlungen der*/des zuständigen Einzelrichter*in, die eine Befangenheit begründen könnte. PKH-Anträge werden oft erst kurz vor der mündlichen Verhandlung entschieden und weitere Äußerungen erfolgen oft gar nicht. Somit würde die Ausweitung der Frist dazu führen, dass selbst bei offensichtlichem Vorliegen der Befangenheit mit dem*/der befangenen Richter*in verhandelt werden müsste. Dazu ist bereits geregelt, dass ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Befangenheitsantrag nicht zum Ausschluss der*/des Richter*in führen muss.

      Die jetzige Rechtslage regelt bereits eine weitgehende Ausnahme vom Tätigkeitsverbot des/der* abgelehnten Richters*in, so dass eine Erweiterung des prozessualen Sonderrechts nicht gerechtfertigt und damit abzulehnen ist. Das Verfahrensrecht und die darin niedergelegten Garantien sollen eine Waffengleichheit zwischen den Kläger*innen und dem Gericht ermöglichen, die dem besonderen Prozessverhältnis geschuldet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht den Kläger*innen dient und nicht umgekehrt. Diese Verfahrensgarantien würden durch die vorgeschlagene Änderung noch weiter ausgehöhlt werden. Zu beachten ist auch, dass in anderen Rechtsgebieten (vgl. § 25 StPO) die Ausnahmen vom Tätigkeitsverbot nach Ablehnung an den Beginn der mündlichen Verhandlung geknüpft sind, weil dies prozessökonomisch zu rechtfertigen ist. Eine weitere Ausdehnung ist hingegen nicht mehr zu rechtfertigen, insbesondere mit Blick auf das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG.

      d. Empfehlung
      § 74 AsylG-E ist abzulehnen.


      9. § 77 AsylG-E: Schriftliches Verfahren

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Bislang gibt es hierzu keine asylrechtliche Spezialregelung. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren kann auf Grundlage der Normen der VwGO (§ 101 Abs. 2 VwGO) nur mit Einverständnis aller Beteiligten erfolgen.

      aa. Schriftliches Verfahren
      Der Regelungsvorschlag sieht vor, dass in allen Fällen bei Klagen gegen Entscheidungen nach dem AsylG im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, wenn die*der Betroffene anwaltlich vertreten ist. Eine Ausnahme gilt nur für § 38 Abs. 1 AsylG (einfach unbegründet abgelehnte Asylanträge) und § 73b Abs. 7 AsylG (Neue Fassung, Widerruf oder Rücknahme einer bestehenden internationalen Schutzzuerkennung). Auf Antrag muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, worauf die Beteiligten hinzuweisen sind. Die Regelung soll laut Gesetzesbegründung der Verfahrenserleichterung dienen und nur sachliche und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von nicht schwerwiegender Tragweite betreffen. Dabei sollen nur solche Verfahren betroffen sein, in denen die Schutzberechtigung nicht zur Disposition steht, was durch die Ausnahmeregelungen sichergestellt sein soll.

      Zunächst geht die Begründung des Entwurfs in mehreren Annahmen fehl. Zum einen steht nicht nur bei Entscheidungen gem. § 38 Abs. 1 AsylG und § 73b Abs. 7 AsylG (neue Fassung) die Schutzberechtigung zur Disposition. Dies ist vielmehr auch dann der Fall, wenn ein Asylantrag als unzulässig gem. § 29 AsylG oder als offensichtlich unbegründet gem. § 30 AsylG abgelehnt wurde.

      Zum anderen liegt diesen Fälle oft eine besonders schwierige rechtliche und tatsächliche Lage zugrunde. Die qualifizierte Ablehnung im Fall des § 30 AsylG ist an hohe Hürden geknüpft, was dazu führt, dass die tatsächlichen Ausführungen des BAMF besonders umfangreich sein müssen. Dies gilt auch für Entscheidungen gem. § 29 AsylG. Hier kommt hinzu, dass die rechtliche Lage sich oft als äußert komplex darstellt, was allein die zahlreichen Vorlagen an den EuGH in den letzten Jahren beweisen.

      Oft zeigt sich auch in diesen Verfahren, dass eine mündliche Verhandlung zu einem anderen Ergebnis führt und die Entscheidungen des BAMF aufgehoben werden. Weiterhin sind die Folgen einer qualifizierten Ablehnung deutlich weiterreichend (vgl. § 10 AufenthG, Arbeitsverbot, etc.), so dass hier nicht nur die Schutzberechtigung, sondern noch weitere Rechtsgüter betroffen sind. Hier auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, würde die Betroffenen unangemessen benachteiligen und ist nicht zu rechtfertigen.

      Weiterhin ist es den Gerichten bereits jetzt gem. § 84 Abs. 1 VwGO möglich, ohne mündliche Verhandlung per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Laut Gesetzesbegründung des Entwurfs sollen aber ohnehin nur sachlich und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von der Neuregelung umfasst sein. Diese sind aber bereits von § 84 Abs. 1 und § 101 VwGO erfasst. Eine asylrechtliche Sonderregelung ist daher nicht nötig.

      Weiterhin ist der Entwurf viel zu unbestimmt. Es ist nicht klar, wann ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt werden soll. Diese Unklarheit kann zum Verlust von Verfahrensrechten oder neuen, viel längeren Verfahren führen.

      Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum die bisherigen Regelungen nicht ausreichen. Grundsätzlich ist bei aufgeklärtem Sachverhalt und einer einfachen Sach- und Rechtslage nicht ersichtlich, warum eine anwaltlich beratene Asylbewerber*in nicht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimmen sollte, wenn es sachdienlich erscheint. Die Umkehr dieser Dispositionsmöglichkeit über das Stattfinden der mündlichen Verhandlung ist mit den Verfahrensgarantien des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere im Asylverfahren, da die Glaubhaftigkeit des klägerischen Sachvortrags und die Glaubwürdigkeit der Kläger*innen aufgrund des Mangels an Beweismitteln fast ausschließlich in der mündlichen Verhandlung bewertet werden können und dieser daher besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – Az. 2 BvR 1516/93, Rn. 124). Dies liegt auch an einer mangelhaften und pauschalen Sachverhaltsaufklärung durch das BAMF.
      Die Änderung sollte gestrichen werden.

      bb. Einbeziehung neuer Entscheidungen
      Bisher gibt es keine Regelung, die zu einer Einbeziehung einer neuen Entscheidung im laufenden Asylklageverfahren führt. Es gilt die Dispositionsmaxime. Der oder die Kläger*in entscheidet selbst, ob und in welchem Umfang gegen eine Entscheidung der Verwaltung Klage erhoben wird. Dies findet seinen Niederschlag in § 81 VwGO und § 82 VwGO, die regeln, dass ein/eine Kläger*in selbst Klage erheben muss und bestimmen kann, wogegen und in welchem Umfang geklagt wird. Weiterhin regelt § 88 VwGO, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen kann und an die Fassung der Anträge gebunden ist.

      Die Regelung sieht vor, dass ein im laufenden Klageverfahren erlassener neuer Bescheid des BAMF, der den Asylantrag als einfach oder offensichtlich unbegründet ablehnt, automatisch Gegenstand des Verfahrens wird. Voraussetzung ist, dass sich das ursprüngliche Klageverfahren gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gerichtet hat. Begründet wird dies mit einer Beschleunigung der Verfahren. Insbesondere wird auf die Konstellation abgezielt, in der ein Dublin-Verfahren eingeleitet wurde und der ablehnende Bescheid aufgrund des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren rechtswidrig wird. Hier soll das BAMF im laufenden Klageverfahren eine materielle Prüfung durchführen können. Der ablehnende Bescheid wird dann automatisch Bestandteil der Klage.

      Die Regelung ist äußerst problematisch und verstößt gegen fundamentale Rechtsprinzipien der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Dispositionsmaxime sieht vor, dass Kläger*innen selbst durch einen klageeinleitenden Akt darüber bestimmen können, ob und im welchem Umfang ein Rechtsakt angegriffen wird (oder der Erlass eines solchen begehrt wird). Er findet seinen Ausfluss in § 81 VwGO, der den Beginn des Gerichtsprozesses von der förmlichen Einleitung der Klage abhängig macht, in § 82 VwGO, der es dem oder der Kläger*in vorschreibt, den Umfang ihres Klagebegehrens zu bezeichnen, in § 88 VwGO, der das Gericht in seiner Entscheidung an das Klagebegehren bindet und in § 92 VwGo, der es den Kläger*innen erlaubt, eine Klage wieder zurückzunehmen (vgl. Kopp/Schenke § 119, Rn. 4; Sodan/Ziekow, § 88, Rn. 1). Die automatische Einbeziehung einer neuen und völlig anderen Verwaltungsentscheidung in ein Klageverfahren würde ganz grundsätzlich gegen die Dispositionsmaxime verstoßen. Eine ausreichende Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich.

      Auch ist das erklärte Ziel, die Beschleunigung der Verfahren, nicht gewährleistet. Durch die automatische Einbeziehung des ablehnenden Gerichtsbescheids wird das Gerichtsverfahren nicht beendet, sondern automatisch verlängert. Zahlreiche Klageverfahren werden nicht geführt, weil die Betroffenen gegen negative (materielle) Entscheidungen des BAMF nicht klagen. Gegen alle negativen Bescheide, die im Anschluss an eine Ablehnung als unzulässig erlassen werden, wird nun automatisch ein Klageverfahren geführt, ob die Betroffenen das wollen oder nicht. Dies schließt im Übrigen auch solche Verfahren mit ein, in denen Abschiebungsverbote gewährt werden. Die (unfreiwilligen) Kläger*innen können dann auch keine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten, weil diese während des laufenden Asylklageverfahrens gem. § 10 Abs. 1 AufenthG gesperrt ist. Die Regelung erscheint angesichts der automatisch eintretenden und nachteiligen Folgen für Betroffene und Gerichtsbarkeit geradezu absurd.

      Ob die nun eingefügte Regelung, nach der die Beklagte Bundesrepublik Deutschland stets die Kosten in einem solchen Verfahrensverlauf bei Rücknahme zu tragen hat, im Sinne der Steuerzahler*in ist, wird an dieser Stelle nicht weiter beurteilt. Weiterhin wird auch die pauschale Kostentragung des BAMF bei unverzüglicher Rücknahme der Klage nach Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts zu unabsehbaren Kosten für das BAMF führen. Bislang lehnt ein Großteil der Gerichte die Kostentragungspflicht des BAMF bei Erledigung eines Klageverfahrens gegen einen Dublin-Bescheid wegen Ablaufs der Überstellungsfrist ab. Die pauschale Kostenregelung geht daher zu Lasten des BAMF. Dies müsste auch dann gelten, wenn ein zweites Verfahren gegen den ablehnenden materiellen Asylbescheid anhängig gemacht wird und die Klage gegen den ersten Bescheid zurückgenommen wird. Ob sich der Streitwert nicht auch automatisch durch Erweiterung des Streitgegenstands erhöht und damit noch höhere Kosten für das BAMF verursacht, bleibt unklar.

      Darüber hinaus setzt eine Entscheidung über die Begründetheit des Asylantrags auch voraus, dass eine entsprechende Anhörung stattgefunden hat. Eine solche Anhörung muss entsprechend den Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU erfolgen. Sie kann nicht in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung nachgeholt werden, weil dies den Anforderungen an Vertraulichkeit der Anhörung widerspricht (vgl. BVerwG 1 C 41.20 - Urteil vom 30. März 2021). Das heißt, dass das BAMF selbst in Fällen, in denen die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zunächst nicht zuständig ist, immer auch eine Anhörung zu den materiellen Asylgründen durchführen muss, damit ein ablehnender Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren ergehen kann. Dies erfordert einen zusätzlichen Zeitaufwand von rund 3 Stunden pro Antragsteller*in, da die Anhörung zu den materiellen Asylgründen in der Regel deutlich länger dauert, als die zur Zulässigkeit des Asylantrags. Die Regelung würde also zu einer deutlichen Mehrarbeit des BAMF führen und nicht zu einer Beschleunigung des Asylverfahrens.

      Weiterhin stellt sich die Frage, was geschieht, wenn sich die Sachlage nach Erlass der Dublin-Entscheidung geändert hat, was bei zahlreichen Herkunftsländern der Fall ist. In diesem Fall müsste möglicherweise erneut eine Anhörung stattfinden, um eine ordnungsgemäße Entscheidung zu treffen. Das würde den Prozess noch mehr verlangsamen.

      Die Regelung ist also nicht nur ein massiver und ungerechtfertigter Eingriff in die Verfahrensrechte der Betroffenen. Sie wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer höheren Belastung für die Gerichte und das BAMF führen und damit das Verfahren noch weiter verlangsamen.
      Die Regelung sollte gestrichen werden.

      Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem diesem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen.

      Aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 21, 73 <77>; 36, 85 <87>; 60, 175 <210>; 89, 381 <391>; 112, 185 <206>). Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 9, 89 <95 f.>; 60, 175 <210 f.>; 67, 208 <211>; 74, 1 <5>; 89, 381 <391>) (- 1 BvR 367/15 - ).

      b. Empfehlung
      Der Vorschlag ist als Ganzes abzulehnen.


      10. § 78 AsylG-E: Rechtsmittel

      a. Bisherige Rechtslage
      § 78 AsylG bestimmt bisher im Wesentlichen, wann ein Urteil des Verwaltungsgerichts unanfechtbar ist und aus welchen Gründen die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen ist. Es handelt sich um ein gegenüber der VwGO einschränkendes Sonderprozessrecht im Asylverfahren. Denn in § 78 Abs. 3 AsylG sind für das Asylrecht die Gründe für die Zulassung der Berufung gegenüber der allgemeineren Regelung des § 124 VwGO stark eingeschränkt.

      b. Gesetzesentwurf und Bewertung
      Die vorgeschlagene Änderung durch Einfügung des § 78 Abs. 8 AsylG führt eine spezielle »Tatsachenrevision« ein und beschränkt zugleich die Revisionsmöglichkeiten für Betroffene.

      Ziel der Neuregelung ist die Beschleunigung der Gerichtsverfahren und Vereinheitlichung der Rechtsprechung in Asylsachen. Eine bundesweit einheitliche Rechtsprechung zu asyl- und abschiebungsrelevanten Fragen soll laut der Begründung des Entwurfs Schutzsuchenden ermöglichen, frühzeitig die Erfolgsaussichten einer Klage zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Auf diese Weise könnten im Ergebnis ›erfolglose‹ Klagen verringert werden, die Gerichte würden entlastet.

      Diese Erwartung ist aus unserer Sicht unbegründet. Zum einen geben nicht selten geringfügig abweichende Einzelumstände Grund für eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung. Eine Leitentscheidung für eine Vielzahl an Sachverhalten kann so kaum getroffen werden. Zum anderen bleibt unklar, in welcher Weise neue Entwicklungen im Herkunftsland in Abweichung von den Leitentscheidungen berücksichtigt werden können. Dies ist aber nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei einer volatilen Sicherheitslage tagesgenau erforderlich. In der Folge wird es statt zu Klarheit und Einheitlichkeit zu Unklarheit und Streit kommen.

      Statt einer Entlastung der Gerichte ist daher eine erhöhte Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts, zu erwarten. Stellt man sich die Frage, wie das Asylverfahren für Schutzsuchende fairer gestaltet werden kann, so kann dies vor allem über eine Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten erreicht werden, nicht über deren Verkürzung.

      c. Empfehlungen
      Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.

      Um die Verfahren fairer und einheitlicher zu gestalten, empfehlen wir stattdessen, die Zulassungsgründe zu erweitern. Nach allgemeiner Rechtsauffassung sind EuGH und EGMR nicht divergenzfähig im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (vgl. z.B. BayVGH, B. vom 09. April 2018, 11 ZB 18.30631, Rn. 2, zit.n.juris). Divergenzfähig wird eine Entscheidung des EuGH danach erst durch eine konkrete Übernahme des BVerfG im Einzelfall.
      Das gilt zwar auch bei § 124 VwGO (und ist auch dort eigentlich nicht gerechtfertigt), richtet dort aber wegen der ansonsten erheblich weiter gefassten Zulassungsgründe nicht so großen Schaden an. Im Zweifel bestehen bei einer Abweichung von einer Entscheidung des EuGH auch »ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils« § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diesen Zulassungsgrund gibt es aber bei § 78 AsylG gerade nicht.
      Besonders fatal ist dies, weil gerade im Asylrecht Entscheidungen des EuGH große Bedeutung haben, z.B. dessen Urteil vom 07. November 2013, C-199/12 bis C-201/12. Dieses wurde erst Jahre später durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Januar 2020, 2 BvR 1807/19, zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung übernommen und dadurch divergenzfähig. Eine Klarstellung, dass auch Entscheidungen des EuGH und des EGMR divergenzfähig sind, würde hier eine Klarstellung bewirken und die bisher bestehende Lücke schließen.


      11. § 79 Besondere Vorschriften für das Berufungsverfahren

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Die vorgeschlagene Änderung soll das bisher geltende Zurückverweisungsverbot lockern. Dies soll eine Entlastung bei den Oberverwaltungsgerichten erzielen.

      Nach der bisherigen Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht verpflichtet, nach einer Zulassung der Berufung die Verfahren auch dann entscheidungsreif zu machen, wenn es die allgemeine asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevante Lage in einem Zielstaat anders als das Verwaltungsgericht beurteilt und die Schutzgewährung durch das Verwaltungsgericht wesentlich von dieser Beurteilung abhing. Dies soll sich nun ändern und das bisher geltende absolute Zurückweisungsverbot soll teilweise gelockert werden. Die Oberverwaltungsgerichte erhalten in bestimmten Fällen nun die Möglichkeit, Verfahren an die erstinstanzlichen Gerichte zurückzuverweisen.

      Die Änderung geht aus unserer Sicht nicht weit genug. Statt das Zurückweisungsverbot ganz aufzuheben, wird es eingeschränkt.

      Das Zurückweisungsverbot ist jedoch als Ganzes abzulehnen, denn es verkürzt die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen, indem es den in der VwGO vorgesehenen Instanzenzug verkürzt.

      b. Empfehlung
      Die vorgeschlagene Regelung ist abzulehnen und Abs. 2 stattdessen komplett zu streichen.


      III. SONSTIGE REFORMVORSCHLÄGE

      § 3 Abs. 3  AsylG Ausschluss
      Die Norm ist tatsächlich nicht praktikabel und hätte in der Praxis kaum Anwendungsfälle und ist daher abzulehnen. Die Regelung der Asylunwürdigkeit besteht bereits.

      § 5 Abs. 6 AsylG-E 
      Eine Sicherheitsprüfung sollte in allen Fällen zwingend erfolgen.

      § 33 ASylG-E
      Die Regelung, zumal ohne ausdrückliche Belehrung über die Rechtsfolgen des Nicht-Betreibens, ist abzulehnen.

      § 72 AsylG-E
      Es ist zu begrüßen, dass die in § 72 Abs. 1 Nr. 1-3 AsylG genannten Gründe nun nicht mehr zum Erlöschen des Schutzstatus führen sollen, sondern in einem Verfahren nach § 73 AsylG-E zu prüfen sind. Es ist dagegen abzulehnen, dass eine Verzichtserklärung zur Durchführung des Asylverfahrens von der Ausländerbehörde an das Bundesamt weiterzuleiten ist. In der Praxis gibt es mit solchen Erklärungen gegenüber der Ausländerbehörde regelmäßig Probleme, da den Betroffenen nicht klar ist, auf was sie verzichten. In der Praxis sollte vielmehr vor Erteilung eines Aufenthaltstitels geprüft und qua Schreiben auch mitgeteilt werden, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei im Übrigen gleichbleibenden Verhältnissen nur noch die Rücknahme des Asylantrags entgegensteht. Der Verzicht kann rechtsgültig nur gegenüber dem Bundesamt erklärt werden.

      Berlin, den 24. November 2022

      Die Stellungnahme als PDF

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      StellungnahmenMigration & Asyl
      news-901Mon, 14 Nov 2022 05:59:42 +0100The World is Watching/publikationen/mitteilungen/mitteilung/the-world-is-watching-901Statement, 11. November 2022. Delegation of 60+ International Trial Observers Condemns Court Judgment in Decade-Long Criminal Prosecution of 21 Lawyers from ÇHD (Progressive Lawyers Association) and HHB (People’s Law Office) Delegation of 60+ International Trial Observers Condemns Court Judgment in Decade-Long Criminal Prosecution of 21 Lawyers from ÇHD (Progressive Lawyers Association) and HHB (People’s Law Office): Delegation Warns That “The World is Watching”   

      This week, we – more than 60 lawyers from 9 countries representing more than 30 bar associations, NGOs and professional lawyers’ associations – have been observing the final hearings in the mass trial that started in 2013 against 22 lawyers from the ÇHD (Progressive Lawyers Association) and the HHB (People’s Law Office). There are now only 21 left, as Ebru Timtik died – hunger-striking for a fair trial – in the course of these proceedings.

      Today, these lawyers have been convicted on charges of membership in a terrorist organization and participating in terrorist propaganda, and lengthy prison sentences have been imposed.

      These convictions and sentences are in total violation of the right to a fair trial, the U.N. Basic Principles on the Role of Lawyers and the rule of law.

      The only material facts brought to the Court were strictly linked to the defendants’ professional activities as lawyers in the field of human rights: taking part in a press conference, being present in or near a protest, advising clients of their right to remain silent, defending suspects charged with terrorism, etc. During the inquiry, some of the accused lawyers were subjected to wiretapping for over a year, in an apparent violation of the sanctity of legal professional privilege.

      The U.N. Basic Principles specifically guarantee the right of lawyers to participate in public debate and to associate with each other and, further, state that lawyers must never be identified with their clients or their clients’ causes, nor suffer prosecution for any action in accordance with their professional duties.

      Moreover, our colleagues were deprived of their right to a fair trial. Their request for sufficient time to present their defence was denied by the Court, which allowed only five short days of hearings for 21 defendants, and rejected the defendants’ request to postpone the hearing in order to permit a proper examination of the evidence, in particular electronic documents the authenticity of which is seriously questioned.

      The trial was held in a courtroom at Silivri prison, with heavy police presence. The defendants were separated from their lawyers by two lines of police officers, hindering the ability of the defendants and their lawyers to communicate with confidentiality.

      The defendants’ rights were also violated by the failure to complete proceedings within a reasonable time, as the trial has been ongoing for ten years without a proper justification for the protracted proceedings.

      In addition, for several of the defendants, this trial relies on facts and evidence that have already been used in the 2017 trial against seven of the same defendants, in violation of the principle that no one should be tried twice for the same offense.

      Finally, we are deeply concerned about the independence of the judiciary and the rule of law. In attacking these lawyers for their defense of human rights, it is human rights, democracy and the rule of law that are under siege.

      We are always proud to stand in solidarity with our courageous colleagues, and we once again demand their immediate release.

      The world is watching.

      Signatures:
      -    Amsterdam Bar Association
      -    Asociación Libre de Abogadas y Abogados, Madrid (ALA)
      -    AVOCATS.BE - Order of French- and German-speaking bar associations of Belgium
      -    Berlin Bar Association
      -    Bologna Bar Association
      -    Bordeaux Bar Association
      -    Brussels Bar Associaton
      -    Conférence Régionale des Bâtonniers de l Ouest
      -    Criminal Committee of the International Association of Lawyers
      -    Defense Without Borders - Solidarity Lawyers, France (DSF-AS)
      -    Dutch League for Human Rights
      -    Épinal Bar Association
      -    European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights, ELDH
      -    European Democratic Lawyer (AED)
      -    Fair Trial Watch
      -    Foundation Day of the Endangered Lawyer
      -    Hauts-de-Seine Bar Association
      -    Human Right Institution of Montpellier
      -    La Conférence des Bâtonniers de France
      -    Lawyers for Lawyers
      -    Liege-Huy Bar Association
      -    Lyon Bar Association
      -    Marseille Bar Association
      -    Montpellier Bar Association
      -    National Association of Democratic Jurists, Italy (GD)
      -    National Lawyers Guild, US
      -    Republikanischer Anwältinnen - und Anwälteverein e.V. (RAV)
      -    Syndicat des Avocats de France
      -    Syndicat des Avocats Pour la Démocratie, Belgium
      -    The Association for the Support of Fundamental Rights Athens, Greece
      -    The Center of Research and Elaboration on Democracy/ Legal International Intervention Group
      -    The German Federal Bar
      -    The International Observatory for Lawyers in Danger (OIAD) composed by 47 bar associations from Spain, France, Italy, Germany, Switzerland, Belgium, Turkey, Cameroon and Democratic Republic of Congo
      -    Toulouse Bar
      -    UIA-IROL (the Institute for the Rule of Law of the International Association of Lawyers)

      Weitere Informationen: http://www.aeud.org/2022/11/the-world-is-watching/

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      PressemitteilungProzessbeobachtungMenschenrechte/Türkei
      news-900Fri, 04 Nov 2022 07:13:20 +0100Acht Jurist*innen-Organisationen rufen zum Protest auf/publikationen/mitteilungen/mitteilung/acht-juristinnen-organisationen-rufen-zum-protest-auf-900Pressemitteilung 07/22, 4.11.2022Acht Jurist*innen-Organisationen rufen zum Protest auf

      Gegen die Todesurteile und in Solidarität mit den verfolgten Kolleg*innen im Iran

      Gemeinsam mit dem Deutschen Juristinnenbund (djb), dem Deutschen Anwaltverein (DAV), der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen, der Rechtsanwaltskammer-Berlin, der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), der Neuen Richtervereinigung (NRV) und dem ECCHR ruft der RAV auf zu einer von Juristinnen und Juristen organisierten

      Kundgebung
      Montag, 7. November um 17 Uhr
      Pariser Platz am Brandenburger Tor

      Seit fast zwei Monaten finden Proteste im Iran statt. Was als Protest gegen den Zwang zum Tragen eines Hijabs und die Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam begann, hat sich zu einer landesweiten Revolution ausgeweitet.

      Die Repressionen gegen die mutigen Menschen in Iran – allen voran Frauen, die sich gegen jahrzehntelange Demütigung und Unterdrückung erheben – ist brutal und setzt auch auf Tötung der Gegner*innen. Vor allem die Basij‐Milizen und die Polizei gehen staatlich gewollt und mit äußerster Brutalität gegen die Protestierenden vor. Bisher sind über zweihundert Menschen getötet und eine Vielzahl von Menschen verletzt und inhaftiert worden. Gegen ca. 1.000 von ihnen sollen jetzt Verfahren geführt werden, mit der Todesstrafe wird gedroht.

      »Die Menschen auf den Straßen Irans, die zum Tode Verurteilten, brauchen unsere ungebrochene Solidarität. Gerade als Rechtsanwält*innen stehen wir ein für die Verteidigung der Menschenrechte«, erklärt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Wir sind zutiefst entsetzt über die Repressalien, denen viele iranische Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt sind. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität«, so Peer Stolle weiter.

      Die meisten der festgenommenen Demonstrierenden haben bislang keine Möglichkeit, anwaltlich vertreten zu werden. Berichten zufolge wurden bei einer Protestversammlung vor der Anwaltskammer in Teheran, die die mangelhaften Rechtsberatungsmöglichkeiten für verhaftete Demonstrierende kritisierte, mindestens drei Anwält*innen festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen ein.

      Daher fordern wir:


      Für Pressegespräche steht Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV zur Verfügung: 030-44 67 92 16; stolle@dka-kanzlei.de

      Die PM als PDF

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      IranPressemitteilungBürger- und Menschenrechte
      news-899Thu, 03 Nov 2022 14:37:45 +0100Jin, Jiyan, Azadî<br />Stopp mit der Repression in Iran<br />Weg mit der Todesstrafe/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stopp-mit-der-repression-im-iran-899Aufruf zur Teilnahme an Protestkundgebung, 7.11.2022Jin – Jiyan – Azadî
      Stopp mit der Repression im Iran
      Weg mit der Todesstrafe
      Sofortige Freiheit für die politischen Gefangenen

      Wir, Richter*innen, Rechtsanwält*innen, Jurist*innen wollen am Montag, den 7. November 2022 um 17 h auf dem Pariser Platz (Brandenburger Tor) unsere Solidarität, unsere tiefste Bewunderung für die feministische Revolution im Iran, für die Frauen, aber auch für alle anderen Menschen, die trotz der Verfolgung auf die Straße gehen und gegen das iranische Regime protestieren, zum Ausdruck bringen. Insbesondere richten wir uns heute gegen die diese Woche verhängten Todesurteile gegen Demonstrant*innen.

      Seit fast zwei Monaten finden Proteste in Iran statt. Was als Protest gegen den Zwang zum Tragen eines Hijabs und die Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam begann, hat sich zu einer landesweiten Revolution ausgeweitet, die sich gegen das Regime direkt richtet und von sehr vielen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird.

      Die Repressionen gegen die mutigen Menschen in Iran – allen voran Frauen, die sich gegen jahrzehntelange Demütigung und Unterdrückung erheben – ist brutal und setzt auch auf Tötung der Gegner*innen, nun eben auch mittels gerichtlicher Todesurteile. Vor allem die Basij-Milizen und die Polizei gehen staatlich gewollt und mit äußerster Brutalität gegen die Protestierenden vor. Bisher sind über zweihundert Menschen getötet und eine Vielzahl von Menschen verletzt und gefangen genommen worden. Gegen ca. 1000 von ihnen sollen jetzt Verfahren geführt werden.

      Die meisten festgenommenen Demonstrant*innen haben bislang keine Möglichkeit, anwaltlich vertreten zu werden. Berichten zufolge wurden bei einer Protestversammlung vor der Anwaltskammer in Teheran, die die mangelhaften Rechtsberatungsmöglichkeiten für verhaftete Demonstrant*innen scharf kritisierte, mindestens drei Anwält*innen festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen ein. Trotz der massiven rechtsstaatlichen Bedenken wurden schon die ersten Todesurteile verhängt, aus dem einzigen Grund, für ihre Freiheitsrechte auf die Straße gegangen zu sein.

      Die Menschen auf den Straßen Irans, die zum Tode Verurteilten, brauchen unsere ungebrochene Solidarität. Gerade als Richter*innen, als Rechtsanwält*innen, als Jurist*innen stehen wir ein für die Verteidigung der Menschenrechte. Für das Recht, gegen ein unmenschliches Regime auf die Straße zu gehen, für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und für das Recht auf Leben und gegen staatlich legitimiertes Töten.

      Wir sind  zutiefst entsetzt über die Repressalien, denen viele iranische Rechtsanwält*innen ausgesetzt sind – sie werden unter Druck gesetzt, erhalten Drohungen und werden verhaftet allein wegen der Ausübung ihres Berufs. Wir bekunden unsere Solidarität mit den angegriffenen Kolleg*innen.

      Deshalb fordern wir:

       Jin – Jiyan – Azadî

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      IranVeranstaltungen
      news-898Sun, 30 Oct 2022 08:01:53 +0100Gesetz zum ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ muss dringend nachgebessert werden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zum-chancen-aufenthaltsrecht-muss-dringend-nachgebessert-werden-898Pressemitteilung 6/22, 31.10.22Die AG Migrationsrecht Süd des RAV hat einen Offenen Brief  an das Bundesinnenministerium und weitere Regierungs- und Ausschussmitglieder des Deutschen Bundestags verfasst. Wir drücken damit unsere große Besorgnis aus, dass die Bayerischen Behörden das geplante Gesetz zum ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ (Ch-AR) bereits jetzt massiv torpedieren und nach Verabschiedung unterlaufen werden.

      »Gerichtsfestes Gesetz ist ausschlaggebend«

      »Mit den derzeitigen vagen und unklaren Formulierungen wird das geplante ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ zumindest in Bayern leerlaufen«, so der Nürnberger Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV. »Auch im Interesse eines gerichtsfesten Gesetzes bedarf es dringend der Nachbesserung. Darauf haben bereits der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und auch wir als RAV hingewiesen«.

      Bayerische Behörden torpedieren ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹

      Die »äußerst restriktive Behördenpraxis der bayerischen Behörden«, so die Münchener Rechtsanwältin Antonella Giamattei für die AG Migrationsrecht Süd, »führt uns zu der Vermutung, dass bayerische Behörden bereits jetzt Maßnahmen ergreifen, um bei möglichst vielen derzeit noch Ausreisepflichtigen zu verhindern, dass diese in den Genuss der künftigen Bleiberechtsregelung kommen«.

      »Gesetzentwurf muss dringend nachgebessert werden«

      Der Gesetzentwurf des ›Chancen-Aufenthaltsrechts‹ wurde nach erster Lesung im Bundestag zur weiteren Beratung in den Innenausschuss verwiesen. »Das ist der Ort, wo die im Gesetzentwurf verbliebenen Lücken, Unklarheiten und fehlenden Präzisierungen nachgearbeitet werden müssen, um sodann gerichtsfest vom Bundestag verabschiedet werden zu können«, so die Berliner Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied, Berenice Böhlo, die begrüßte, dass »auch die Bayerische SPD diese Defizite erkannt hat«.

      Den Offenen Brief der AG Migrationsrecht Süd des RAV finden Sie hier:
      https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-des-sog-chancen-aufenthaltsrechts-ch-aroffener-brief-897

      Die o.g. Stellungnahmen unter:

      https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-35-22-referentenentwurf-einfuehrung-chancen-aufenthaltsrecht?file=files/anwaltverein.de/downloads/newsroom/stellungnahmen/2022/dav-sn-35-2022-einfuehrung-eines-chancen-aufenthaltsrechts.pdf

      https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-einfuehrung-eines-chancen-aufenthaltsrechts-877

      Kontakt: Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Tel.: 0911-376 64 27-7; yunus.ziyal@anw-nbg.de

      Die Pressemitteilung als PDF

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-897Sat, 29 Oct 2022 18:53:11 +0200Entwurf des sog. Chancen-Aufenthaltsrechts (Ch-AR)<br />Offener Brief/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-des-sog-chancen-aufenthaltsrechts-ch-aroffener-brief-897Brief an Bundesministerin Faeser und Staatsministerin Alabali-Radovan, AG Migrationsrecht Süd im RAV, 31.10.2022Nürnberg/München, 31.10.2022

      Offener Brief an

      Bundesministerin des Innern und für Heimat,
      Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zugleich Beauftragte für Antirassismus und die zuständigen Ausschüsse des Bundestags

      Sehr geehrte Damen und Herren,
      sehr geehrte Frau Bundesministerin Faeser,
      sehr geehrte Frau Staatsministerin Alabali-Radovan,

      derzeit diskutieren Sie im Bundestag bzw. in den Ausschüssen den Entwurf des sog. Chancen-Aufenthaltsrechts (Ch-AR). Dieser soll insbesondere Langzeitgeduldeten eine Perspektive bieten und es Menschen mit bisher ungeklärter Identität ermöglichen, erst einen sicheren Status zu erhalten, um dann ihre Identität zu klären.

      Im Rahmen der Verbändebeteiligung haben die Anwaltsverbände RAV und DAV bereits angemerkt, dass der Text zur geplanten Regelung zwar in die richtige Richtung weist, aber an entscheidenden Stellen nicht nachvollziehbare Einschränkungen enthält (wie z.B. die Stichtagsregelung 01.01.2022 oder die Beschränkung auf Duldungsinhaber*innen).

      In einer Stellungnahme zum Entwurf des Chancen-Aufenthaltsrechts vom 30.09.2022 bezog sich auch die bayerische SPD-Landtagsfraktion auf diese Kritik. Sie äußert darin die Besorgnis, dass aufgrund der »restriktiven Asylpolitik, die sich in rigidem Vollzug durch Ausländerbehörden widerspiegelt«, ohne Normenklarheit und exakte Formulierungen das Chancen-Bleiberecht in Bayern kaum Verbesserungen brächte.

      Mit diesem Offenen Brief wollen wir als bayerische Rechtsanwält*innen im Migrationsrecht diese Besorgnis teilen und mit unserer beruflichen Erfahrung inhaltlich unterfüttern. Wir schließen uns ausdrücklich den Forderungen aus der Stellungnahme (s.u.) nach einer Nachbesserung des Gesetzes an.

      Die folgende Faktensammlung dazu wurde auf den Bayerischen Migrationsrechtlichen Tagen vom 7. bis 9. Oktober 2022 in Berching erarbeitet. Auf dieser jährlich stattfindenden Tagung diskutieren regelmäßig über 30 Rechtsanwält*innen vor allem aus Bayern aktuelle Entwicklungen im Asyl- und Migrationsrecht und schulen sich gegenseitig in der praktischen Rechtsanwendung.

      Die Erfahrungen der Jurist*innen mit bayerischen Behörden zeigen:

       

      Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen geltendes Recht. Das AufenthG sieht einen abgeschlossenen Katalog von Aufenthaltstiteln vor. Die Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) gehört nicht dazu. Sie ist ein gesetzlich nicht geregelter Sonderstatus, der in Bayern systematisch rechtswidrig erteilt wird. Das Chancen-Aufenthaltsrecht setzt vorherige Duldungszeiten voraus. Diese werden in Bayern systematisch nicht erreicht, da immer wieder GÜB erteilt werden und somit der erforderliche Duldungszeitraum unterbrochen und im Ergebnis dann nicht erreicht wird, obwohl die Menschen rein zeitlich die vorausgesetzten Aufenthaltszeiten erfüllen.

      Auch bei Menschen aus dem Irak – für die es seit 20 Jahren einen faktischen Abschiebestopp gibt – werden nunmehr GÜB statt Duldungen erteilt.
      In einigen Fällen werden Duldungen widerrufen, obwohl sich an der Nicht-Durchführbarkeit der Abschiebung seit Monaten nichts geändert hat.

      Andere Kolleg*innen berichten, dass Mandant*innen in Oberfranken gleich gar keine Ausweisdokumente (Duldungen oder GÜB) mehr ausgestellt werden.
      Die Verweigerung oder der Entzug von Duldungen hat zur Folge, dass Betroffene aus dem Ch-AR in der derzeitigen Fassung herausfallen – und das nur aufgrund einseitiger Handlungen der Behörden.

      Kurz: In sehr vielen Fällen ist es willkürlich und rechtswidrig, dass Personen nur eine GÜB, statt einer Duldung erhalten.

      Immense Zunahme von Ausweisungsverfahren bei Langzeitgeduldeten einzig aufgrund aufenthaltsrechtlicher Verstöße

      In vielen der Fälle ist ein sachlicher Grund, die Ausweisung gerade jetzt zu verfügen, nicht erkennbar. Hier vermutet die Anwaltschaft keinen Zufall, denn eine Ausweisung verhindert die spätere Erteilung eines Aufenthaltstitels. Auch hier führt das Handeln bayerischer Ausländerbehörden dazu, dass das Ch-AR in weiten Teilen zukünftig leerlaufen wird.
      Ziel des Ch-AR ist auch die Identitätsklärung. Durch die Ausweisung wird dies verhindert, da Betroffene erst recht nicht bei der Identitätsklärung mitwirken werden, wenn ihnen eine Aufenthaltsperspektive verwehrt wird.

      Auffallende Häufung von Strafanzeigen im Jahr 2022 wegen fehlender Pässe

      In den Strafverfahren beobachten unsere Mitglieder, dass die von Staatsanwaltschaften geforderten Strafhöhen steigen und inzwischen nicht selten auch bei erstmaligen Verstößen Strafen von bis zu 120 Tagessätzen aufgerufen werden (die der Gewährung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen).
      Wurden Strafverfahren eingestellt oder ergingen Strafen unter den ›magischen Grenzen‹ von 50/90 Tagessätzen, so reagierten die Ausländerbehörden nicht selten umgehend mit Ausweisungsbescheiden.

      Auch kam es bereits zu Versuchen von Abschiebungen von Menschen, die künftig vom Ch-AR profitiert hätten – am bekanntesten ist sicherlich der Fall eines Iraners aus Passau, der von der Ausländerbehörde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgeladen wurde, um ihn dann in Abschiebehaft zu nehmen. Der Abschiebungsversuch wurde erst nach massivem öffentlichen Druck abgebrochen.

      Der beschriebene Aktionismus der Ausländerbehörden ist besonders vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass dieselben Behörden seit langem vorgeben, überlastet zu sein, wenn es um die Erteilung von Aufenthaltstiteln geht.

      Die genannten Maßnahmen der Behörden lesen wir vor diesem Hintergrund als gezielte Versuche, die Betroffenen aus den Tatbestandsvoraussetzungen des geplanten § 104c AufenthG zu drängen und so die Bleiberechtsregelung bereits vor deren Erlass zu unterminieren.
      Andere Bundesländer haben Vorgriffsregelungen auf das Ch-AR erlassen – Bayern versucht im Gegenteil, den Anwendungsbereich des Ch-AR bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes so gering wie möglich zu halten.

      Frau Reem Alabali-Radovan, in Ihrem Grußwort auf den Hohenheimer Tagen zum Migrationsrecht 2022 wiederholten Sie die guten Absichten der Regierung:
      »In der neuen Bundesregierung wollen wir mit verkrusteten Strukturen aufräumen. Wir wollen die Paragraphen im SGB, im Aufenthalts - und im Asylgesetz auf die gesellschaftliche Wirklichkeit ausrichten. Wir wollen den alten Streit, das Mauern und Blockieren in der Integration hinter uns lassen. Wir wollen Deutschland als modernes Einwanderungsland voranbringen«.

      Frau Nancy Faeser, in der ersten Lesung zum Ch-AR im Bundestag äußerten Sie:
      »Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist das Ende der Kettenduldungen und damit auch das Ende der Bürokratie und vor allen Dingen der Unsicherheit, die für die Menschen damit verbunden war. Für die betroffenen Menschen war das eine große Belastung. Aber auch für die Behörden waren Kettenduldungen schwierig, übrigens auch für viele mittelständische Unternehmen, die gut integrierten Menschen gerne eine Perspektive in unserem Land geben wollen. Es ist allerhöchste Zeit, das zu ändern«.

      Aufgrund unserer Erfahrungen im bayerischen Migrationsrecht gehen wir davon aus, dass das Ch-AR – wenn es bei den derzeitigen unscharfen Formulierungen, möglichen Einschränkungen und Ermessensspielräumen bleibt – für die allermeisten unserer geduldeten Mandant*innen keine Verbesserungen bringt.

      Bayern hat bereits die gesetzlichen Bestimmungen zur Ausbildungsduldung in bundesweit einmaliger Praxis systematisch unterlaufen. Dies darf sich nicht mit dem Ch-AR wiederholen!

      Die Bundesregierung muss den Gesetzesentwurf des Ch-AR dringend nachbessern

      Aus bayerischer Perspektive werden wir sonst eine Abkehr vom ›Mauern und Blockieren in der Integration‹ nicht erkennen können und auch kein Ende der Kettenduldungen.

      Gute Absichten und schöne Formulierungen nutzen unseren Mandant*innen nichts – nur harte (»gerichtsfeste«) Rechtsansprüche.

      Mit freundlichen Grüßen

      RAV Migrationsrecht Süd
       

      Im Einzelnen sind mindestens folgende Änderungen notwendig


      Der Offene Brief als PDF

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      StellungnahmenMigration & Asyl
      news-896Mon, 24 Oct 2022 19:32:48 +0200Referenten-Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referenten-entwurf-eines-gesetzes-zur-beschleunigung-der-asylgerichtsverfahren-und-asylverfahren-896Stellungnahme des RAV, 24.10.2022Verfasser*innen: Rechtsanwältin Josephine Koberling, Rechtsanwältin Anya Lean, Rechtsanwalt Julius Becker, Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Rechtanwalt Yunus Ziyal, Rechtsanwältin Barbara Wessel, Rechtsreferendar Sebastian Pukrop, Rechtsanwältin Berenice Böhlo.

      I. Vorbemerkungen

      Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit »Asylverfahren […] fair, zügig und rechtssicher ablaufen«. Zugleich heißt es zu den Zielen der beabsichtigten Asylrechtsreform: »Wir wollen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung«.

      Diese Vorhaben sind grundsätzlich zu begrüßen: Die Praxis zeigt, dass die Asylverfahren, auf behördlicher Seite sowohl qualitativ als auch zeitlich enorme Mängel aufweisen – insbesondere zu Lasten der Asylantragsteller*innen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den jährlich hohen Schutzquoten, die erst gerichtlich durchgesetzt werden – und die damit die Fehlerhaftigkeit des behördlichen Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenbaren. Das Gleiche gilt spiegelbildlich für die im Ergebnis zumeist ergebnislosen Widerrufsverfahren nach einer Schutzanerkennung. Die gerichtlichen Verfahren dauern zu lang.

      Unterdessen läuft die angekündigte Beschleunigung im Reformentwurf aber allein auf eine weitere Verschärfung des Asylrechts hinaus. Hier ist insbesondere, neben Beschleunigungsvorhaben auf behördlicher Ebene, auf die weitere Abkopplung des Prozessrechts in Asylverfahren vom allgemeinen Verwaltungsprozessrecht hinzuweisen. Die strukturellen Ursachen für die lange Dauer von Asylverfahren und Asylprozessen hingegen werden vom Reformentwurf nicht adressiert.

      II. Grundsätzliche Vorbemerkung zum Entwurf

      Der Reformentwurf ist von der Analyse getragen, externe Faktoren würden maßgeblich die Länge der Asylverfahren beeinflussen, insbesondere auch Anwält*innen, indem sie etwa Beweis- und Befangenheitsanträge stellen, um die Einhaltung von Verfahrensrechten durchzusetzen. Tatsächlich aber ist für die Länge der Asylverfahren und Asylprozesse noch immer entscheidend, dass die Exekutive zu langsam ist und zu oft Entscheidungen trifft, die sich später als rechtswidrig erweisen. Bereits jetzt bestehen gesetzliche Fristen für die Bescheidung von Asylanträgen (vgl. § 24 Abs. 4 AsylG). Diese werden von der Exekutive gegenwärtig allerdings nicht eingehalten. Nach wie vor werden im Schnitt 40 % der Entscheidungen durch die Gerichte aufgehoben; hieran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Die durchschnittliche Dauer der Asylprozesse in den einzelnen Bundesländern reicht von 6,6 Monaten in Rheinland-Pfalz bis zu 44,6 Monaten in Brandenburg. Es ist also klar ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte der Länder mit den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten gut oder schlecht auf die Vielzahl von Asylprozessen reagieren können.

      Der vorliegende Entwurf stellt kein effektives Mittel dar, um dieses Ziel einer Beschleunigung, die zugleich den rechtlichen Vorgaben und qualitativ guten Entscheidungen Rechnung trägt, zu erreichen. Der Entwurf schafft keine zusätzlichen Ressourcen bei Exekutive und Judikative, sondern beschränkt Verfahrensrechte der Asylantragsteller*innen und beschneidet damit das rechtliche Gehör der Betroffenen. Der Gesetzesentwurf ist getragen von einer richterlichen und behördlichen Perspektive und lässt die Perspektive der Antragsteller*innen und ihrer Anwält*innen auf Verwaltungsverfahren und -prozess vermissen. Dabei geht die rechtsstaatliche Gewissheit verloren, dass nur rechtlich durchsetzbare Verfahrensrechte zu materiell rechtmäßigen Verfahren und damit einem möglichst hohen Niveau materieller Gerechtigkeit führen können.

      Schließlich erklärt der vorliegende Entwurf nicht nachvollziehbar den Zusammenhang zwischen einer »Vereinheitlichung« der Rechtsprechung und einer dadurch entstehenden Beschleunigung.

      Abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Wie schon bei der letzten Asylrechtsreform sind wieder äußerst kurze Fristen zur Stellungnahme der Verbände vorgesehen. Dies ist scharf zu kritisieren; es erschwert eine gehaltvolle Auseinandersetzung mit dem Gesetzesentwurf, die für eine überlegte Reform des Asylrechts dringend geboten erscheint. Das Asylrecht ist von einer hohen Regelungsdichte gekennzeichnet und wurde regelmäßig in kurzen zeitlichen Abständen reformiert, ohne dass sich hierdurch an den im Koalitionsvertrag festgestellten Mängeln etwas geändert hätte.
       

      III. Zum Entwurf im Einzelnen

      1. § 12a AsylG-E: Asylverfahrensberatung

      a. Bisherige Rechtslage

      Nach der bisherigen Rechtslage (§ 12a AsylG) ist eine »freiwillige, unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung« vorgesehen. Diese Verfahrensberatung erfolgt gem. § 12a S. 2 AsylG in zwei Stufen: Zunächst ein Gruppengespräch mit Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens und auf der zweiten Stufe eine individuelle Asylverfahrensberatung, die entweder vom Bundesamt oder durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt wird (§ 12a S. 3 AsylG). Die Vorschrift wurde am 15.08.2019 (Inkrafttreten: 21.08.2019) in das AsylG eingefügt. Die Regelung dient auch der Umsetzung der Vorgaben aus der EU-Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU), insbesondere aus Art. 19 und 20.

      Diese bestehende Regelung ist zunächst zu kritisieren, weil auch drei Jahre nach ihrer Einführung noch immer bei weitem nicht alle Asylsuchende an einer individuellen Asylverfahrensberatung teilnehmen. Eine derartige Beratung ist jedoch erstrebenswert, da sie aufgrund besserer Vorbereitung der Betroffenen die Qualität der persönlichen Anhörungen erhöht, damit helfen kann, Zeit einzusparen, sie auch aus rechtsstaatlicher Perspektive wünschenswert ist und letztlich die Akzeptanz der Entscheidungen des Bundesamts bei den Betroffenen erhöht. Der Fokus sollte hierbei auf der individuellen Beratung liegen; die allgemeinen Gruppengespräche zur Information über das Asylverfahren sind zwar ebenfalls grundsätzlich positiv zu bewerten, dürften aber auf die Qualität der Asylverfahren nur einen geringen Einfluss ausüben.

      Insbesondere problematisch an der bestehenden Regelung ist jedoch, dass das Bundesamt selbst eine gleichzeitig ›staatliche‹ und ›unabhängige‹ Verfahrensberatung durchführen soll. Zwar ist auch bei der bestehenden Regelung vorgesehen, dass Wohlfahrtsverbände auf der zweiten Stufe der Verfahrensberatung tätig werden können. Dies ist jedoch nur optional, und es ist mindestens gleichberechtigt eine Beratung durch das Bundesamt selbst vorgesehen. Eine ›staatliche‹ Beratung durch die Behörde, die selbst die Entscheidung im Asylverfahren trifft, kann jedoch nicht als unabhängig gewertet werden, womit die bisherige Regelung zur Asylverfahrensberatung grundsätzlich falsch konstruiert ist.

      b. Reformentwurf und Bewertung

      Dieser strukturelle Fehler des § 12a AsylG wird mit der vorgesehenen Änderung aufgehoben. § 12a Abs. 1 AsylG-E spricht nicht mehr von ›staatlicher‹, sondern von »behördenunabhängige[r], unentgeltliche[r], individuelle[r] und freiwillige[r]« Asylverfahrensberatung. Zwar werden Wohlfahrtsverbände nicht explizit in der Norm genannt, es erschließt sich jedoch, dass insbesondere diese zukünftig für die Verfahrensberatung zuständig sein sollen. Hierzu sollen diese mit Haushaltsmitteln gefördert werden (§ 12a Abs. 1 AsylG-E).

      Positiv zu bewerten ist auch, dass die Verfahrensberatung bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamtes durchgeführt werden kann und somit auch das Klageverfahren umfasst (§ 12a Abs. 2 S. 2 AsylG-E), wenn auch der Entwurf an dieser Stelle etwas missverständlich formuliert ist.

      Auch ist zu begrüßen, dass im Rahmen der Verfahrensberatung in Fällen von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten eine Übermittlung derer Daten an das Bundesamt stattfinden soll. Es ist zu hoffen, dass dadurch die vorgesehenen Verfahrensgarantien für besonders schutzbedürftige Geflüchtete mehr zur Anwendung kommen (§ 12a Abs. 3 AsylG-E). An dem grundsätzlichen Zustand, dass besonderer Schutzbedarf häufig gar nicht erst erkannt wird, ändert dies wenig.

      Allerdings geht der Entwurf nicht weit genug.

      Die von § 12a Abs. 1 AsylG-E vorgesehene Formulierung zur Förderung »im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel« öffnet eine Hintertür zur erneuten Beschränkung der unabhängigen Verfahrensberatung, da diese von der Bewilligung von Haushaltsmitteln abhängig ist. Fraglich ist, ob die vom Entwurf berechneten Mittel in Höhe von 5 Millionen (2022), 20 Millionen (2023) und 80 Millionen (2024) in der Höhe ausreichend sind und vom Bundeshaushalt auch in Zukunft so verabschiedet werden. Insbesondere ist die Nachfrage nach unabhängiger Verfahrensberatung stark abhängig von der Anzahl der Asylsuchenden in einem bestimmten Zeitraum und kann daher erheblich variieren. Hier wäre es zielführender, die einschränkende Formulierung auszulassen, um das Angebot an Beratung flexibler erweitern zu können.

      Ferner wird aus dem Entwurf nicht abschließend klar, ob die individuelle Verfahrensberatung eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) oder nur eine abstrakte Informationsvermittlung darstellt. Dies ist unter der bestehenden Rechtslage umstritten. Zu fordern ist eine diesbezügliche Klarstellung. Zwar sieht § 12a Abs. 2 S. 1 AsylG-E vor, dass die besonderen Umstände des Ausländers zu berücksichtigen sind. Dennoch ist der genaue Umfang der Verfahrensberatung auch unter dieser Formulierung weiter unklar und wird insofern auch zukünftig für Streit sorgen.

      Ebenfalls ist den Organisationen, welche die Verfahrensberatung anbieten, gesetzlich der Zugang zu Erstaufnahmeeinrichtungen einzuräumen, damit die Beratung von den Betroffenen auch tatsächlich und niederschwellig in Anspruch genommen werden kann.

      Wünschenswert wäre zuletzt eine gesetzliche Klarstellung, dass die Verfahrensberatung auch in Folge- und Widerrufsverfahren in Anspruch genommen werden kann. Auch dies ist unter der aktuellen Regelung ungeklärt und sorgt für Streit.

      c. Empfehlung
      Einarbeitung von Änderungen mit dem Ziel:


      2. § 17 AsylG-E: Hinzuziehung eines Dolmetschers im Wege der Bild- und Tonübertragung

      a. Bisherige Rechtslage
      Bisher regelte die Norm, dass bei der Anhörung »ein Dolmetscher, Übersetzer oder sonstiger Sprachmittler hinzuzuziehen [ist], der [...] zu übersetzen hat«.

      b. Reformentwurf und Bewertung
      Die Hinzuziehung soll nun auch durch Bild- und Tonübertragung möglich sein.

      Die Neuregelung begegnet was den Einsatz der notwenigen Technik betrifft, datenschutzrechtlichen Bedenken, die in der Praxis geklärt sein müssten und es bisher nicht sind.

      Es ist auf Folgendes hinzuweisen: Sowohl die Qualität von Dolmetscher*innen als auch das Vertrauensverhältnis zwischen Dolmetscher*innen und Antragsteller*innen ist bereits im status quo ein Problem.

      Diese Probleme werden durch den Reformentwurf nochmal verschärft, jedenfalls nicht geklärt. Der Vorschlag scheint den Aspekt, dass die Qualität durch eine solche Praxis gemindert wird, auch zu erkennen, wenn er andererseits vorschlägt, dass in sog. »ungeeigneten Fallkonstellationen« die Übersetzung auf diesem Wege ausgeschlossen sein soll. Das Ziel der Regelung ist derweil, das Verfahren zu vereinfachen, wenn eine geeignete Übersetzung vor Ort nicht möglich ist. Eine solche Vereinfachung geht zu Lasten der Antragsteller*innen – indem es ein Vertrauensverhältnis erschwert, und auch die erforderliche Nähe, die für Nuancen in einer Übersetzung nötig sein können, aufhebt.

      Schließlich stellt sich die Frage, wie und woher das BAMF vor der Anhörung die »ungeeigneten Fälle« erkennen will, zumal häufig - und gerade in den genannten Fällen - die besondere Schutzbedürftigkeit erst im Lauf der Zeit (oft auch erst nach sensibler Beratung) geäußert bzw. erkannt wird.

      c. Empfehlung
      Für eine Hinzuziehung ist zwingend die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person notwendig. Diese ist als mündliche Erklärung zu Beginn der Anhörung aufzuzeichnen und als Wortprotokoll dem Anhörungsprotokoll beizufügen. Die antragstellende Person soll sich dazu äußern können, warum sie nicht lieber eine persönliche Übersetzung wünscht.


      3. § 24 AsylG-E: digitale Anhörung / Entscheidung ohne Anhörung / Entscheidungszeitraum

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Die Anhörung stellt das Kernstück des behördlichen Asylverfahrens dar. Sie hat in einem geschützten Raum und durch angemessene Befragung zur Übermittlung höchstpersönlicher Daten zu erfolgen. Dies ist in einer digitalen Anhörung nicht möglich.

      aa. digitale Anhörung
      Folgende Ausgangslage ist zu beachten:

      bb. Entscheidung ohne Anhörung
      Die Anhörung ist das »Herzstück des Asylverfahrens«. Es darf nicht ins Ermessen des Bundesamts gestellt werden, ob von ihr abgesehen werden kann, weil das Bundesamt der Auffassung ist, dass die schutzsuchende Person nicht in der Lage sei, an der Anhörung teilzunehmen. Bevor von einer Anhörung abgesehen werden kann, müssen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Teilnahme, z.B. durch Schaffen eines besonders geschützten Rahmens, zu ermöglichen. Bleibt die Teilnahme trotz Bemühungen beider Seiten unmöglich, muss es der schutzsuchenden Person überlassen bleiben, die Entscheidung, auf die Anhörung zu verzichten, selbst zu treffen.

      cc. Entscheidungszeitraum
      Der Gesetzesentwurf setzt die in Artikel 31 Abs. 3-5 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) geregelten Entscheidungsfristen in nationales Recht um. Die Neuregelung ist einerseits zu begrüßen, denn sie schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Betroffene, Behörden, Gerichte und Beratende. Die Regelung adressiert auch diejenigen Stellen, die dem Bundesamt „zuarbeiten“, indem sie aktuelle Erkenntnismittel zur allgemeinen Lage oder spezifischen Konstellationen zur Verfügung stellen, oder auf deren Weisungen und Entscheidungsleitlinien das Bundesamt Bezug nimmt. Auch sie sind gefordert, die Einhaltung der neu eingeführten Fristen zu ermöglichen.

      Die Möglichkeit des Bundesamts, die Entscheidung bis zu 21 Monate aufzuschieben, wenn im Herkunftsstaat eine „ungewisse Lage“ besteht, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, ist jedoch abzulehnen. Sie ist in der vorgeschlagenen Fassung zu unbestimmt und eröffnet die Möglichkeit, Entscheidungen zu Lasten der Schutzsuchenden fast zwei Jahre aufzuschieben.

      b. Empfehlung
      Eine Anhörung per Video kann in Aufnahmefällen und nur auf ausdrücklichen Wunsch und mit ausdrücklicher mündlicher Zustimmung erfolgen. Eine Entscheidung unter Verzicht auf die persönliche Anhörung kann nur auf Wunsch der schutzsuchenden Person und mit individuell verfasster Zustimmung erfolgen.
       

      4. § 25 AsylG-E: Beteiligung von Rechtsanwält*in oder Begleitperson

      a. Reformentwurf und Bewertung

      Der Änderungsvorschlag sieht im Wege eines neuen Abs. 8 des § 25 AsylG vor, dass erstens gesetzlich festgeschrieben wird, dass eine Begleitung durch eine*n Rechtsanwältin*anwalt oder sonstige Personen möglich ist, zweitens eine Intervention dieser Personen erst am Schluss vorgesehen ist, und drittens eine Anhörung auch dann durchgeführt werden soll, wenn die Begleitperson trotz Ladung mit einer angemessenen Frist nicht teilnimmt.

      Grundsätzlich haben Asylantragstellende in jeder Phase des Verfahrens das Recht, sich anwaltlich vertreten zu lassen (§ 14 VwVfG). Eine solche Vertretung soll nicht nur pro forma erfolgen dürfen, sondern muss auch effektiv erfolgen können. Daher muss es der*dem Bevollmächtigten ermöglicht werden, in jeder Phase des Asylverfahrens vorzutragen, zu rügen, zu beraten, Einsicht in die Verwaltungsvorgänge zu erhalten und an persönlichen Vorsprachen teilzunehmen. Dazu gehört auch die Begleitung zur Anhörung. Die Anhörung ist Kernstück des Asylverfahrens und zentraler Moment der Tatsachenermittlung. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Anhörung im Asylverfahren, die noch durch die oft bestehende Beweisnot der asylantragstellenden Person erhöht wird, ist eine anwaltliche Begleitung umso notwendiger und zentraler.

      Es entspricht den europarechtlichen und grundgesetzlichen Vorgaben ebenso wie der Asylverfahrensrichtlinie, die anwaltliche Begleitung zuzulassen und tatsächlich zu ermöglichen. Zwar ist die Begleitung durch die*den Rechtsanwältin*anwalt nicht notwendige Bedingung für die Durchführung einer Anhörung; ist es jedoch der Wunsch der*s Asylantragstellers*in, sich anwaltlich begleiten zu lassen, so muss dieses Recht effektiv gewährt werden.

      Eine solche effektive Vertretung durch eine*n Rechtsanwältin*anwalt (siehe Erwägungsgrund 23 der AsylVfRL, der insoweit Ausdruck des Grundsatzes des fairen Verfahrens ist), ist nicht gewährleistet, wenn die Anhörung trotz rechtzeitigem Verlegungsantrag und Angabe von Hinderungsgründen der*des Rechtsanwältin*anwalts durchgeführt wird.

      Den Zeitpunkt der Beteiligung zwingend vorzugeben, nimmt der anhörenden Person die Möglichkeit, die Anhörung so zu gestalten, wie es der Einzelfall gebietet. So kann es notwenig sein, bereits zu Beginn der Anhörung oder mittendrin Fragen mit der*dem Rechtsanwält*in zu klären. Auch Verständnisfragen und Fragen zu Erkrankungen, Atteste, Familienmitgliedern etc. werden an die Rechtsanwält*innen gestellt. Dies entspricht auch den Vorgaben der Dienstanweisung Asyl des BMI vom 25.04.2017, Seite 52. Die rechtsanwaltliche Begleitung dient nicht einem Selbstzweck, sondern soll die Wahrung der Rechte der Asylantragstellenden gewährleisten. Es erweist sich nicht als praktikabel, wenn bei fehlerhaften Übersetzungen, Belehrungen oder Ähnlichem ein Eingreifen nicht erlaubt sein dürfte.

      Rechtsanwält*innen sind Organe der Rechtspflege und dienen damit nicht nur den Interessen ihrer Mandant*innen sondern auch der Wahrung rechtsstaatlicher Standards und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Ihre Beteiligung am Asylverfahren dient damit nicht zuletzt der Sicherung der Qualität der Anhörung und der Rechtsfindung. Bei Verfahrensfehlern, die zu einer fehlerhaften Beurteilung des Asylbegehrens führen könnten, wäre die Anhörung dann nochmals zu führen, da der Fehler erst am Ende der Anhörung gerügt werden könnte.

      Hinzu tritt aus rein praktischer Sicht, dass die Anhörungen - wenn ein*e Antragsteller*in sich auf mehrere Fluchtgründe beruft (bspw. geschlechtsbezogene Gewalt, Kriegsgeschehen im Herkunftsstaat und Erkrankungen) - häufig in Themenblöcke unterteilt werden. So die*der Rechtsanwältin*anwalt erst am Ende ein Fragerecht innehätte, würde dies ein Auseinanderreißen des Vortrags zur Folge haben, mit der Konsequenz, dass das Anhörungsprotokoll an Punkten ggf. missverständlich wird. Dies gestaltet sich dann im Zuge der Protokollkontrolle und Rückübersetzung schwieriger, ggf. müssen dann weitere Ergänzungen/Korrekturen vorgenommen werden. Aus Praxiserfahrung anwaltlicher Begleitung zu Anhörungen lässt das vorgeschlagene Prozedere eher eine Verzögerung der Anhörung befürchten, als eine Verfahrensbeschleunigung. Die in einer weit überwiegenden Anzahl guter Kooperation von anhörender Person und anwaltlicher Begleitung, die durch eine Leitungsfunktion der anhörenden Person und kooperativen Miteinander geprägt war, sollte nicht zerstört werden.

      In der Praxis kommt es weiterhin vor, dass sich beim BAMF die anhörende Person und die entscheidende Person unterscheiden. Der*die Entscheider*in ist daher auf ein nachvollziehbares Protokoll des*der Anhörer*in angewiesen. Die vorgeschlagene Änderung ist praxisfern und wirkt verfahrensverzögernd.

      b. Empfehlung
      Streichen von S. 2 § 25 Abs. 8 S. 3 AsylG-E
       

      5. § 30 AsylG-E: Qualifizierte Ablehnung von Asylanträgen

      a. Bisherige Rechtslage
      Nach dem bisherigen § 30 AsylG ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (Abs. 1). Abs. 3 besteht aus einem Katalog, der bei bestimmten Voraussetzungen eine Fiktion der offensichtlichen Unbegründetheit vorsieht.

      b. Regelungsvorschlag und Kommentierung
      Die Norm soll neu gefasst und weitere Gründe sollen in den Katalog aufgenommen werden, bei deren Vorliegen der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Die aufgezählten Gründe entsprechen weitestgehend den Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie, Art. 31 Abs. 8. Diese Norm sieht vor, dass in diesen Fällen ein beschleunigtes Verfahren auch an der Grenze durchgeführt werden kann.

      Art. 32 Abs. 2 der Asylverfahrensrichtlinie nimmt darauf Bezug und gibt vor, dass im Falle von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Artikel 31 Absatz 8 aufgeführten Umstände gegeben ist, die Mitgliedstaaten einen Antrag ferner als offensichtlich unbegründet betrachten können.

      1. Keineswegs sieht die Richtlinie jedoch eine zwingende Ablehnung als offensichtlich unbegründet vor, sondern stellt diese Ablehnung ins Ermessen der Behörde. Dem gegenüber ist der Gesetzesentwurf als gebundene Entscheidung (»ist [...] abzulehnen«) formuliert und deshalb bereits nicht richtlinienkonform.

      2. Zudem fallen zwei Unterpunkte des § 30 Abs. 1 AsylG-E als besonders problematisch auf:
      a)
      Text des Gesetzentwurfs:
      Nr. 4: »ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat, oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen,«
      Text der RL:
      » […] angenommen werden kann, dass der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat.«
      Hier stellt sich die Frage: Welche Umstände sollen das sein, die die »Annahme offensichtlich rechtfertigen“? In der Praxis wird die Norm zu erheblichen Ermittlungsaufwand führen, der in der Regel keinen Beweis dafür zu Tage fördern wird, dass Dokumente mutwillig beseitigt oder vernichtet wurden. Die Norm wird keinerlei Anwendungsbereich finden.

      b)
      Text des Gesetzentwurfs:
      Nr. 8: »einen Folgeantrag (§ 71 Absatz 1) oder einen Zweitantrag (§ 71a Absatz 1) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde.«
      Text der RL:
      »[…] der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht unzulässig ist.«
      Hier ist der unter 1. genannte Kritikpunkt besonders relevant. Jeden Asylfolgeantrag, der zulässig war, aber im Ergebnis unbegründet als offensichtlich unbegründet abzulehnen, entspricht weder dem Zweck von Art. 32 AsylVRL noch ist eine solche Regelung verhältnismäßig.

      Die Tatsache, dass eine Person einen weiteren Asylantrag stellt, der zulässig ist, rechtfertigt nicht in jedem Fall und derart pauschal die Annahme, dass ein Asylantrag eindeutig aussichtslos ist. Insoweit besteht der materiell-rechtliche Unterschied zwischen Erst- und Folgeantragsteller*innen nicht.

      Die Richtlinie wollte es lediglich ermöglichen, auch Folgeanträge materiell als offensichtlich unbegründet abzulehnen.

      Darüber hinaus sieht die Richtlinie weder Zweitanträge vor noch regelt sie deren Ablehnung als offensichtlich unbegründet.

      aa) Weder die Asylverfahrensrichtlinie 2005 noch deren geänderte Fassung von 2013 kennt den Begriff des Zweitantrags, wie ihn das deutsche Recht in Abgrenzung zu einem Folgeantrag verwendet.

      In einer Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zum Az. C-8/20 geht die Europäische Kommission folglich davon aus, dass »beim gegenwärtigen Stand der Unionsgesetzgebung eine nationale Regelung mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 2 Buchst. q Richtlinie 2013/32/EU nicht vereinbar ist, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz bei Fehlen neuer Elemente oder Erkenntnisse als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, wenn das erfolglose vorangegangene Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wurde«.

      Das BVerwG hat die Frage der Europarechtskonformität des § 71a AsylG bisher nicht beantwortet. Im Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4.16 – wurde dies ausdrücklich offengelassen. Dort heißt es:
      »Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a. F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n. F) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71 a Rn. 3 ff.)«.

      bb) Die Aufzählung von Art. 31 der AsylverfahrensRL ist abschließend, daher ist die Aufnahme des Zweitantrags nicht richtlinienkonform:
      »Was das Unionsrecht im Übrigen betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in Art. 31 Abs. 8 VRL aufgezählten Fallkonstellationen – anders als in den Fällen des Art. 23 Abs. 4 VRL a.F. (vgl. hierzu EuGH, U. v. 31.01.2013 –  § 30 AsylG  – Funke-Kaiser / Fritz / Vormeier – Seite 10 – Lfg. 137 – 20.06.2022<<>>C-175/11 – NVwZ-RR 2013, 334 = EzAR-NF Nr. 24) – abschließenden Charakter haben. Die Annahme vom abschließenden Charakter beruht zum einen auf Art. 5 VRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, günstigere Regelungen vorzusehen; zum anderen liegt sie in der geänderten Funktion der Richtlinie begründet, die nicht mehr nur Mindestnormen schaffen will, sondern nunmehr auf die Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Asylsystems abzielt (vgl. die Erwägungsgründe Nr. 11 ff.). Abschließend bedeutet aber nicht, dass die Mitgliedstaaten in vollem Umfang von der Option Gebrauch machen müssen; soweit ein Mitgliedstaat von einer der Optionen keinen Gebrauch gemacht hat, gelten dann die Vorgaben der Richtlinie dann insoweit nicht (vgl. zu alledem EuGH, U. v. 25.07.2018 – C-404/18 – juris und wko; Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 3. Aufl., Chp. 31 Rdn. 7)« (Funke-Kaiser / Fritz / Vormeier, GK-AsylG - Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, § 30 AsylG, Rn. 13).

      c. Empfehlung
      § 30 Abs. 1 AsylG-E ist abzulehnen.

      Wenn schon nicht das Konzept offensichtlicher Unbegründetheit gänzlich gestrichen werden wird, was aufgrund der erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen und der enormen Fehlerquote der BAMF-Bescheide zu befürworten wäre, so ist die Ablehnung jedenfalls ins Ermessen zu stellen, um individuelle Umstände sowie das Verhalten der betroffenen Person und die in Rede stehenden Interessen berücksichtigen zu können.

      Sofern an einer Neuregelung der Norm festgehalten wird, sind zumindest § 30 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 8 AsylG-E zu streichen, da sie praxisuntauglich und nicht richtlinienkonform sind.

      Beizubehalten ist § 30 Abs. 2 AsylG-E, der eine Privilegierung von Minderjährigen vorsieht und als Umsetzung eines effektiven Schutzes von Minderjährigen zu begrüßen ist. Allerdings sollte der Anwendungsbereich von § 30 Abs. 2 AsylG-E den gesamten § 30 Abs. 1 AsylG-E umfassen, damit auch dessen Nr. 7 und 8.


      6. § 31 AsylG-E: Entscheidung des BAMF

      hier: Änderung von Absatz 3 S. 2:
      In Absatz 3 Satz 2 wird nach den Wörtern »anerkannt wird« das Wort »oder« durch ein Komma ersetzt und nach den Wörtern »zuerkannt wird« werden die Wörter »oder durch das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden worden ist« eingefügt.

      In Absatz 3 wird Satz 2 ergänzt und erweitert. Bisher regelte der Abs. 3, dass im Falle der Zuerkennung eines Schutzstatus nach dem AsylG keine Abschiebungsverbote mehr geprüft werden müssen. Das macht Sinn, da der internationale Schutz weitergeht.

      Nach neuer Rechtslage soll nun auch dann nicht mehr über Abschiebungsverbote entschieden werden, wenn diese in einem früheren Verfahren bereits abgelehnt wurden.

      Das führte dazu, dass bei unzulässigen Asylfolgeanträgen über Abschiebungsverbote nicht mehr entschieden werden darf, auch wenn diese vorliegen. Es wäre zusätzlich die Feststellung Abschiebungsverbote explizit zu beantragen.

      a.
      In der Praxis würden nicht anwaltlich vertretene Antragsteller*innen kaum auf die Idee kommen, im Rahmen einer Folgeantragstellung explizit auch die Zuerkennung von Abschiebungsverboten zu beantragen – zumal die materiell-rechtliche Unterscheidung – insbesondere zwischen § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG – eine umfassende Kenntnis der europäischen und nationalen Rechtsprechung voraussetzt.

      Die vorgeschlagene Änderung hätte im vergangenen Jahr bspw. folgende Auswirkung gehabt:

      Für anwaltlich nicht vertretene Afghan*innen, deren Asylantrag schon früher abgelehnt worden war und die einen Folgeantrag stellten, konnte nach geltender Rechtslage ein Abschiebungsverbot festgestellt werden, ohne dass sie dies explizit beantragen mussten. Vielmehr brachten sie durch den Asylantrag zum Ausdruck, dass sie Schutz suchten vor den Gefahren und schweren Folgen einer Rückkehr nach Afghanistan.

      Nach neuer Rechtslage wäre im Rahmen eines solchen Folgeantrags lediglich über die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz entschieden worden. Sieht das BAMF die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, würden Abschiebungsverbote mangels Antrags nicht geprüft werden. Der Asylfolgeantrag der im obigen Beispiel genannten Personengruppe wäre abgelehnt.

      Dem BAMF käme im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung eine zusätzliche erhebliche Beratungspflicht zu, da § 25 Abs. 1 VwVfG vorsieht, dass die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen soll, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.

      b.
      Zudem entspricht die jetzt geltende Regelung bei Ablehnung eines Antrags, immer auch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden, den nationalen und europarechtlichen Vorgaben. Danach sind Abschiebungsverbote von Amts wegen in jeder Lage eines Verfahrens zu prüfen. Dies gebieten Inhalt und Bedeutung der Rechte der*s Antragstellerin*s aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Verletzung droht - vorliegend Art. 3 EMRK - sowie aus dem Grundgesetz - insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Schließlich steht auch auch Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit der drohenden Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der angedrohten Abschiebungsandrohung entgegen. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG statuiert ein echtes (subjektives) Grundrecht, das dem Einzelnen einen Anspruch auf Gewährung eines möglichst wirkungsvollen (effektiven) Rechtsschutzes verleiht. Insbesondere irreparable Folgen hoheitlicher Maßnahmen müssen durch einen tatsächlich wirksamen und möglichst lückenlosen Rechtsschutz so weit wie möglich vermieden werden. Ein lückenloser Rechtsschutz ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn im Rahmen eines die Abschiebung zunächst hindernden Asylfolgeantrags Abschiebungsverbote nicht geprüft würden, auch wenn diese geltend gemacht werden. Das BAMF könnte ablehnen, die Ausländerbehörde, die an die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten durch das BAMF gebunden wäre (§ 42 AsylG), könnte abschieben, ohne dass Abschiebungsverbote je geprüft werden.

      An diesem unvertretbaren Ergebnis würde auch ein expliziter Antrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten nichts ändern, der bereits nach jetziger Rechtslage gem. § 51 VwVfG möglich ist, allerdings keine die Abschiebung hindernde Wirkung hat. Im Übrigen dauert die Prüfung derartiger Anträge derzeit durchschnittlich deutlich länger als 6 Monate. Die Prüfung ist daher in vielen Fällen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz abzusichern und führte zu einer weiteren Belastung der Verwaltungsgerichte.

      c.
      Eine Einbeziehung der Prüfung von Abschiebungsverboten dient letztlich auch der Verfahrensbeschleunigung, da spätestens bei der Frage der Vollziehbarkeit einer Rückführungsentscheidung, Abschiebungsverbote (die ja dem Aufenthaltsgesetz entstammen) zu prüfen wären.

      d. Empfehlung
      Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.


      6. § 73 AsylG-E: Widerruf und Rücknahme

      a. Gegenwärtige Rechtslage
      Die gegenwärtige Rechtslage sieht vor, dass eine fehlerhafte Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter bestimmten Umständen - insbesondere erwähnt das Gesetz hier unrichtige Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen - zurückgenommen werden kann (§ 73 Abs. 2 AsylG).

      Ein Widerruf kann erfolgen, wenn eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland erfolgt ist (§ 73 Abs. 1 AsylG). Spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag hat die zuständige Behörde nach § 73 Abs. 2a AsylG zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorliegen.

      Entsprechende Regelungen existieren für die Rücknahme und den Widerruf des subsidiären Schutzes (§ 73b AsylG) bzw. der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 73c AsylG). Mitwirkungspflichten im laufenden Asylverfahren sind in § 15 AsylG umfassend geregelt, § 15a AsylG regelt die Auswertung von Datenträgern und § 16 AsylG die Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität.

      In der Praxis haben Überprüfungen in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen zu einem Widerruf geführt. In den Rücknahme- und Widerrufsverfahren, die im ersten Halbjahr 2018 eingeleitet und entschieden wurden, hatte der überprüfte Schutzstatus vielmehr in 99,3% der Fälle Bestand, BT-Drs. 19/38393. Auch bei der nachträglichen Überprüfung von Identitätsdokumenten Schutzberechtigter wurden nur 0,5% der eingesandten Dokumente als Fälschung identifiziert. Eine Reformierung ist daher dringend geboten: Um Kapazitäten beim BAMF zu schaffen, die an anderer Stelle gebraucht werden; und um vielen Betroffenen ein weiteres nervenaufreibendes Verfahren zu ersparen, das im Ergebnis nicht nötig ist.

      b. Zum Referentenentwurf
      Zunächst ist zu begrüßen, dass § 73a ff. eine Neuordnung und übersichtlichere Regelung vorschlagen und Tatbestände und Verfahren in jeweiligen Normen getrennt regeln. Zu begrüßen ist auch eine leichte Abkehr der gesetzgeberischen Fehlleistung aus dem Jahr 2018. Insbesondere ist daneben aus den genannten Gründen zu begrüßen, dass die – unionsrechtswidrige – Regelüberprüfung nach drei Jahren gestrichen werden soll.

      Problematisch sind derweil einzelne folgende Punkte der Reformvorschläge:
      Dies betrifft zum einen die Gründe, die gem. § 73 Abs. 1 AsylG-E zu einem Widerruf führen können und an dieser Stelle in Form von Regelbeispielen aufgeführt werden. Insbesondere kann und darf die Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses (Nr. 1), die Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit (Nr. 2) und die freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland (Nr. 4) nicht regelhaft zu einem Widerruf führen: Es existieren in der Praxis zahlreiche auch zwingende Umstände, warum Personen, die als Asylberechtigte bzw. Flüchtlinge anerkannt sind, sich um einen Nationalpass bemühen. Nicht zuletzt die Einbürgerungsbehörden verlangen deren Vorlage zur Identitätsklärung regelmäßig. Verfolgerstaaten benutzen den Entzug der Staatsangehörigkeit oftmals im Rahmen der Verfolgung Andersdenkender. Die Möglichkeit der Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit ist oftmals Ausdruck des Bestehens administrativer Widersprüche oder widerstreitender Praktiken im Verfolgerstaat. Ebenso ist die Rückkehr in den Verfolgerstaat oftmals Ausdruck höchster sittlicher und moralischer Verpflichtungen, wie etwa den Besuch sterbender Familienangehöriger, bei denen persönliches Risiko in Kauf genommen wird.
      Der Normvorschlag verstößt in dieser weitreichenden Form auch gegen Unionsrecht: Gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2011/95/EU darf nur die freiwillige und vor allem auf Dauer angelegte Schutzunterstellung (Mantel/Stern in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, § 72 AsylG, Rn. 5) zu einem Widerruf führen. Ebenfalls muss klargestellt werden, dass sowohl die Beschaffung von Dokumenten als auch Reisen in das Herkunftsland dann nicht zu einem Widerruf führen, wenn sie keine Schutzunterstellung darstellen, sondern zu einem anderen Zweck, etwa für eine Heirat oder für eine Verfestigung des Aufenthaltszwecks erforderlich sind.
      Ebenfalls abzulehnen sind die Verweise in § 73b AsylG-E auf die Mitwirkungspflichten in den § 15, 16 AsylG: Mitwirkungspflichten sind nach Anerkennung bzw. Zuerkennung eines Schutzstatus grundsätzlich abzulehnen.  Hier bedürfte es einer spezifischen Regelung, die der bereits ausgesprochenen Schutzbedürftigkeit Rechnung trägt. Das Unionsrecht sieht Mitwirkungspflichten z.B. in Art. 4 Abs. 1 der QualifikationsRL vor, allerdings in äußerst engen Grenzen. Soweit es um die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des Schutzstatus im Unionsrecht geht, ist dies in Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 der QualifikationsRL geregelt. Auch hier ist bereits normiert, dass im Falle einer falschen Darstellung oder des Verschweigens eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen kann (Art. 19 abs. 3 (b) QualifikationsRL). Das Unionsrecht sieht dabei eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen haben. Art. 44 der AsylverfahrensRL sieht – ohne zwischen Rücknahme und Widerruf zu differenzieren – eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei neuen Erkenntnissen vor. Die anlasslose automatisierte und verpflichtende Regelprüfung im deutschen Recht ist dem Europarecht fremd.

      Für die vorliegend interessierende Konstellation des Widerrufs und der Rücknahme ist Art. 11 Abs. 1 e) und Art. 19 Abs.3 b) und Abs.4 der QualifikationsRL zu beachten. Voraussetzung eines Widerrufs nach 11 Abs. 1 e) QualifikationsRL ist ein Wegfall der Umstände, aufgrund deren eine Person einen Schutzstatus erhalten hat, wobei der Nachweis hierzu von den Mitgliedstaaten zu führen ist gemäß 11 Abs. 2 QualifikationsRL.
      Die Aberkennung eines Schutzstatus kann nach Unionsrecht außerdem erfolgen, wenn für die Zuerkennung des Schutzstatus eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente ausschlaggebend war. Art. 19 Absatz 4 der QualifikationsRL stellt fest, dass ein entsprechender Nachweis durch die Mitgliedstaaten zu führen ist.

      Festzuhalten ist somit, dass sowohl für die Konstellation des Widerrufs als auch für die Konstellation der Rücknahme das Unionsrecht die Beweislast auf Seiten der Mitgliedstaaten verortet und nicht an Handlungen der Betroffenen anknüpft.  Ein Widerruf bzw. eine Rücknahme im Rahmen einer Wertung als faktische Sanktion nicht erfolgter Mitwirkung ist unionsrechtswidrig.

      Problematisch und zugleich nicht nötig ist § 73b Abs. 4 AsylG-E: Demnach soll im Rahmen eines Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme entfallen. Dies ist abzulehnen. Es besteht auch keine Regelungsnotwendigkeit, da die Aufenthaltserlaubnis selbst bei erfolgtem Widerruf/Rücknahme nicht automatisch entfällt und somit auch in aller Regel weiter ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bestehen wird.

      Schließlich ist die Monatsfrist zur Stellungnahme in § 73b Abs.6 AsylG-E praktisch zu kurz bemessen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass neue Unterlagen vorgelegt werden sollen. Die Frist ist regelhaft auf drei Monate zu setzen.

      c. Empfehlung
      § 73 AsylG-E Abs 1 Nr. 1 bis 4 und 6 ist zu streichen
      § 73b AsylG Abs. 2 ist um den Widerruf und die Rücknahme des subsidiären Schutzes zu ergänzen.
      § 73b Abs. 4 AsylG-E ist zu streichen
      § 73b Abs. 5 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass der Verweis auf die Mitwirkungspflichten teilweise gestrichen, und die Beweislast des BAMF deutlich geregelt wird.
      § 73 b Abs. 6 AsylG-E ist dahingehend zu ändern, dass die Frist auf 3 Monate gesetzt wird.


      7. § 74 AsylG-E: Befangenheit von Richter*innen

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Bislang führt ein Ablehnungsgesuch gem. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO dazu, dass die*der abgelehnte Richter*in vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur noch unaufschiebbare Handlungen vornehmen darf. Eine Ausnahme davon bildet § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 ZPO. Demgemäß führt eine Ablehnung wegen Befangenheit nach Beginn der mündlichen Verhandlung schon dann nicht zu einem Tätigkeitsverbot der*des Richters*in in der Sache, wenn dies zu einer Terminvertagung führen würde. Eine zeitliche Verzögerung durch einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag ist daher bereits durch die geltende Rechtslage ausgeschlossen.

      b. Regelungsvorschlag
      Die nunmehr vorgeschlagene Regelung erweitert den Ausnahmezeitraum des § 47 Abs. 2 ZPO auf zwei Wochen vor den Beginn der mündlichen Verhandlung. Wenn in diesem Fall die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu einer Vertagung der Verhandlung führt, so kann die mündliche Verhandlung auch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters erfolgen.

      c. Kommentierung
      Diese Erweiterung ist nicht nachvollziehbar. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet die Kammer, der die *der Einzelrichter*in angehört. Wieso eine Kammerentscheidung bereits 2 Wochen vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung nicht möglich sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Selbst am Tag der mündlichen Verhandlung oder kurz davor ist nicht ersichtlich, weshalb die Kammer nicht über ein Ablehnungsgesuch entscheiden könnte. Die Kammer ist gem. § 45 Abs. 3 ZPO solange beschlussfähig, solange noch ein anderes Mitglied als der oder die abgelehnte Richter*in anwesend ist. Als beschlussfähige Mitglieder gelten auch die Richter*innen, die im Geschäftsverteilungsplan als ersatzzuständig vorgesehen sind, so dass eine Nichtbesetzung der Kammer fast ausgeschlossen ist.
      Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass kein Kammermitglied anwesend ist, muss das nächsthöhere Gericht entscheiden. Die Regelung sieht aber vor, dass die Entscheidung über die Ablehnung zu einer Vertagung der Verhandlung führen muss. Wie dargelegt ist dieser Fall extrem unwahrscheinlich, so dass die Regelung ins Leere geht und daher nicht erforderlich ist.

      Die Länge der Frist ist im Gesetzesentwurf und seiner Begründung auch nicht näher erläutert und erscheint willkürlich gezogen. In der Praxis gibt es ohnehin bis kurz vor der mündlichen Verhandlung keine Handlungen der*des zuständigen Einzelrichter*in, die eine Befangenheit begründen könnte. PKH-Anträge werden oft erst kurz vor der mündlichen Verhandlung entschieden und weitere Äußerungen erfolgen oft gar nicht. Somit würde die Ausweitung der Frist dazu führen, dass selbst bei offensichtlichem Vorliegen der Befangenheit mit dem*der befangenen Richter*in verhandelt werden müsste.

      Die jetzige Rechtslage regelt bereits eine weitgehende Ausnahme vom Tätigkeitsverbot der*des abgelehnten Richters*in, so dass eine Erweiterung des prozessualen Sonderrechts nicht gerechtfertigt und damit abzulehnen ist. Das Verfahrensrecht und die darin niedergelegten Garantien sollen eine Waffengleichheit zwischen den Kläger*innen und dem Gericht ermöglichen, die dem besonderen Prozessverhältnis geschuldet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht den Kläger*innen dient und nicht umgekehrt. Diese Verfahrensgarantien würden durch die vorgeschlagene Änderung noch weiter ausgehöhlt werden. Zu beachten ist auch, dass in anderen Rechtsgebieten (vgl. § 25 StPO) die Ausnahmen vom Tätigkeitsverbot nach Ablehnung an den Beginn der mündlichen Verhandlung geknüpft sind, weil dies prozessökonomisch zu rechtfertigen ist. Eine weitere Ausdehnung ist hingegen nicht mehr zu rechtfertigen, insbesondere mit Blick auf das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG.

      d. Empfehlung
      § 74 AsylG-E ist abzulehnen.


      8. § 77 AsylG-E: Schriftliches Verfahren

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Bislang gibt es hierzu keine asylrechtliche Spezialregelung. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren kann auf Grundlage der Normen der VwGO (§ 101 Abs. 2 VwGO) nur mit Einverständnis aller Beteiligten erfolgen.

      aa. Schriftliches Verfahren
      Der Regelungsvorschlag sieht vor, dass in allen Fällen bei Klagen gegen Entscheidungen nach dem AsylG im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, wenn die*der Betroffene anwaltlich vertreten ist. Eine Ausnahme gilt nur für § 38 Abs. 1 AsylG (einfach unbegründet abgelehnte Asylanträge) und § 73b Abs. 7 AsylG (Neue Fassung, Widerruf oder Rücknahme einer bestehenden internationalen Schutzzuerkennung). Auf Antrag muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, worauf die Beteiligten hinzuweisen sind. Die Regelung soll laut Gesetzesbegründung der Verfahrenserleichterung dienen und nur sachliche und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von nicht schwerwiegender Tragweite betreffen. Dabei sollen nur solche Verfahren betroffen sein, in denen die Schutzberechtigung nicht zur Disposition steht, was durch die Ausnahmeregelungen sichergestellt sein soll.

      Zunächst geht die Begründung des Entwurfs in mehreren Annahmen fehl. Zum einen steht nicht nur bei Entscheidungen gem. § 38 Abs. 1 AsylG und § 73b Abs. 7 AsylG (neue Fassung) die Schutzberechtigung zur Disposition. Dies ist vielmehr auch dann der Fall, wenn ein Asylantrag als unzulässig gem. § 29 AsylG oder als offensichtlich unbegründet gem. § 30 AsylG abgelehnt wurde.

      Zum anderen liegt diesen Fälle oft eine besonders schwierige rechtliche und tatsächliche Lage zugrunde. Die qualifizierte Ablehnung im Fall des § 30 AsylG ist an hohe Hürden geknüpft, was dazu führt, dass die tatsächlichen Ausführungen des BAMF besonders umfangreich sein müssen. Dies gilt auch für Entscheidungen gem. § 29 AsylG. Hier kommt hinzu, dass die rechtliche Lage sich oft als äußert komplex darstellt, was allein die zahlreichen Vorlagen an den EuGH in den letzten Jahren beweisen.

      Oft zeigt sich auch in diesen Verfahren, dass eine mündliche Verhandlung zu einem anderen Ergebnis führt und die Entscheidungen des BAMF gekippt werden. Weiterhin sind die Folgen einer qualifizierten Ablehnung deutlich weiterreichend (vgl. § 10 AufenthG, Arbeitsverbot, etc.), so dass hier nicht nur die Schutzberechtigung, sondern noch weitere Rechtsgüter betroffen sind. Hier auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, würde die Betroffenen unangemessen benachteiligen und ist nicht zu rechtfertigen.

      Weiterhin ist es den Gerichten bereits jetzt gem. § 84 Abs. 1 VwGO möglich, ohne mündliche Verhandlung per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Laut Gesetzesbegründung des Entwurfs sollen aber ohnehin nur sachlich und tatsächlich einfach gelagerte Klageverfahren von der Neuregelung umfasst sein. Diese sind aber bereits von § 84 Abs. 1 und § 101 VwGO erfasst. Eine asylrechtliche Sonderregelung ist daher nicht nötig.

      Weiterhin ist der Entwurf viel zu unbestimmt. Es ist nicht klar, wann ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt werden soll. Diese Unklarheit kann zum Verlust von Verfahrensrechten oder neuen, viel längeren Verfahren führen.

      Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum die bisherigen Regelungen nicht ausreichen. Grundsätzlich ist bei aufgeklärtem Sachverhalt und einer einfachen Sach- und Rechtslage nicht ersichtlich, warum eine anwaltlich beratene Asylbewerber*in nicht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimmen sollte, wenn es sachdienlich erscheint. Die Umkehr dieser Dispositionsmöglichkeit über das Stattfinden der mündlichen Verhandlung ist mit den Verfahrensgarantien des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere im Asylverfahren, da die Glaubhaftigkeit des klägerischen Sachvortrags und die Glaubwürdigkeit der Kläger*innen aufgrund des Mangels an Beweismitteln fast ausschließlich in der mündlichen Verhandlung bewertet werden können und dieser daher besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – Az. 2 BvR 1516/93, Rn. 124). Dies liegt auch an einer mangelhaften und pauschalen Sachverhaltsaufklärung durch das BAMF.
      Die Änderung sollte gestrichen werden.

      bb. Beweisantrag
      »Sinn [der gegenwärtigen rechtlichen Regelung] (…) ist, dem Antragsteller die zur Ablehnung seines Antrags führenden Erwägungen des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, um ihm zu ermöglichen, sich darauf einzurichten, etwa einen neuen oder veränderten Beweisantrag zu stellen oder im abschließenden Vortrag sich mit der im Beschluss zutage getretenen Auffassung des Gerichts auseinanderzusetzen« (BVerwG, U.v. 6.10.1982, 7 C 17/80, juris).

      Bislang gibt es keine asylrechtliche Spezialregelung. Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann gem. § 86 Abs. 2 VwGO nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

      Die Neuregelung sieht vor, dass die Ablehnung eines Beweisantrags mit einer Entscheidung über die verfahrensabschließende Entscheidung verbunden werden kann. Die Beteiligten sollen darauf hingewiesen werden und sollen Möglichkeit zur Stellungnahme haben. Die Rechtfertigung liegt einzig in einer Straffung und Beschleunigung der Asylverfahren. Weiterhin soll (vorgeblich) rechtsmissbräuchlichen Beweisanträgen, die nur mit dem Ziel, das Verfahren zu verschleppen, entgegengewirkt werden.

      Die massive Einschränkung der Verfahrensrechte ist nicht nachvollziehbar. Zunächst kann die Gesetzesbegründung keine asylrechtlichen Sonderregelungen rechtfertigen. Die Dauer der mündlichen Verhandlungen liegt in erster Linie daran, dass die Gerichte den gesamten Sachverhalt neu aufklären müssen, weil dieser durch das BAMF nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Weiterhin ist nicht ersichtlich, woher sich die Annahme stützt, dass Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung rechtsmissbräuchlich gestellt werden würden.

      Die mündliche Verhandlung ist Kernstück des asylgerichtlichen Verfahrens. Die Verpflichtung zur Ablehnung eines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung soll es den Antragstellenden ermöglichen, die zur Ablehnung des Antrags führenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Gerichts erkennen zu können damit sie sich in der Verfolgung ihrer Rechte darauf einrichten können (BVerwGE 12, 268, 269; 30, 57, 58). Diese Kenntnis soll die Antragstellenden in die Lage versetzen, ggf. einen zweckdienlichen neuen und ergänzenden Beweisantrag zu stellen (BVerwG, 15, 175, 176), neue Tatsachen vorzutragen (BVerfG, NVwZ 1987, 785) und sich mit der aus dem Beschluss hervorgehenden Auffassung des Gerichts auseinanderzusetzen (BVerwGE 12, 268, 269). Dabei soll auch das Gericht veranlasst werden, sich vor Erlass einer Entscheidung über die Entscheidungserheblichkeit des Beweisantrags schlüssig zu werden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Erwägungen im Asylrecht nicht gelten sollten. Hier wird wieder auf die herausragende Bedeutung der mündlichen Verhandlung im asylgerichtlichen Verfahren verwiesen. Darüber hinaus würde es eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung von Art. 103 Abs. 1 GG bedeuten.

      Rein praktisch ist auch davon auszugehen, dass die Neuregelung zu erheblichen Verlängerungen der Verfahrenszeiten führen wird. Wie bereits dargelegt, dient die Verpflichtung zur Entscheidung eines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung auch dazu, den Kläger*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Beweisanträge zu modifizieren und sachdienlich zu stellen. Ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben, führt das dazu, dass Beweisanträge in allen möglichen Varianten gestellt werden müssen, da die Einschätzung des Gerichts unklar bleibt. Jeder dieser - möglicherweise sachundienlich - gestellten Beweisanträge müsste dann durch das Gericht schriftlich entschieden werden.

      Weiterhin dient die Verpflichtung zur förmlichen Entscheidung per Beschluss in der mündlichen Verhandlung auch dazu, eine Nachprüfung der Erwägungen durch die nächste Instanz zu ermöglichen. Damit keine Rügerechte verloren gehen, ist es nötig, bereits in der mündlichen Verhandlung hierzu Stellung nehmen zu können.

      Schließlich dient die Verpflichtung zur Bescheidung über Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung auch dazu, einen Anspruch auf ein Rechtsgespräch durchzusetzen. Rein praktisch legen zahlreiche Gerichte ihre rechtliche Einschätzung eines Falls aber erst dann offen, wenn sie per Beschluss über einen Beweisantrag entscheiden müssen. Diese Offenlegung ist aber notwendig um ein Rechtsgespräch zu führen, da sonst unklar bleibt, welche rechtlichen Argumente überhaupt erforderlich sind und welche Streitpunkte bestehen.

      Den Gerichten stehen mit dem geltenden Recht in § 87b Abs. 2 VwGO bereits ausreichende rechtliche Instrumentarien zur Verfügung, die mündliche Verhandlung entsprechend vorzubereiten, so dass das Gericht qua seiner juristischen Expertise auch als Einzelrichter*innen in der Lage sein sollte, Beweisanträge durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung zu bescheiden. Dies ist das klassische Handwerkszeug des Gerichts.
      Die Änderung in Abs. 4 sollte gestrichen werden.

      cc. Mündliche Verhandlung
      Die mündliche Verhandlung ist - ähnlich wie die persönliche Anhörung im behördlichen Verfahren - Kernstück des asylgerichtlichen Verfahrens. In ihr hat die*der Richter*in die Möglichkeit, sich einen persönlichen Eindruck von der*dem Kläger*in zu machen und die Glaubhaftigkeit des Sachvortrags zu prüfen. In ihr können abschließend alle Fragen geklärt und ein Rechtsgespräch geführt werden. Sie dient am Ende der Wahrheitsfindung und ermöglicht ein möglichst gerechtes Ergebnis.

      dd. Einbeziehung neuer Entscheidungen
      Bisher gibt es keine Regelung, die zu einer Einbeziehung einer neuen Entscheidung im laufenden Asylklageverfahren führt. Es gilt die Dispositionsmaxime. Der oder die Kläger*in entscheidet selbst, ob und in welchem Umfang gegen eine Entscheidung der Verwaltung Klage erhoben wird. Dies findet seinen Niederschlag in § 81 VwGO und § 82 VwGO, die regeln, dass ein oder eine Kläger*in selbst Klage erheben muss und bestimmen kann, wogegen und in welchem Umfang geklagt wird. Weiterhin regelt § 88 VwGO, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen kann und an die Fassung der Anträge gebunden ist.

      Die Regelung sieht vor, dass ein im laufenden Klageverfahren erlassener neuer Bescheid des BAMF, der den Asylantrag als einfach oder offensichtlich unbegründet ablehnt, automatisch Gegenstand des Verfahrens wird. Voraussetzung ist, dass sich das ursprüngliche Klageverfahren gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gerichtet hat. Begründet wird dies mit einer Beschleunigung der Verfahren. Insbesondere wird auf die Konstellation abgezielt, in der ein Dublin-Verfahren eingeleitet wurde und der ablehnende Bescheid aufgrund des Ablaufs der 6-monatigen Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren rechtswidrig wird. Hier soll das BAMF im laufenden Klageverfahren eine materielle Prüfung durchführen können. Der ablehnende Bescheid wird dann automatisch Bestandteil der Klage.

      Die Regelung ist äußerst problematisch und verstößt gegen fundamentale Rechtsprinzipien der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Dispositionsmaxime sieht vor, dass Kläger*innen selbst durch einen klageeinleitenden Akt darüber bestimmen können, ob und im welchem Umfang ein Rechtsakt angegriffen wird (oder der Erlass eines solchen begehrt wird). Er findet seinen Ausfluss in § 81 VwGO, der den Beginn des Gerichtsprozesses von der förmlichen Einleitung der Klage abhängig macht, in § 82 VwGO, der es dem oder der Kläger*in vorschreibt, den Umfang ihres Klagebegehrens zu bezeichnen, in § 88 VwGO, der das Gericht in seiner Entscheidung an das Klagebegehren bindet und in § 92 VwGo, der es den Kläger*innen erlaubt eine Klage wieder zurückzunehmen (vgl. Kopp/Schenke § 119, Rn. 4; Sodan/Ziekow, § 88, Rn. 1). Die automatische Einbeziehung einer neuen und völlig anderen Verwaltungsentscheidung in ein Klageverfahren würde ganz grundsätzlich gegen die Dispositionsmaxime verstoßen. Eine ausreichende Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich.

      Auch ist das erklärte Ziel, die Beschleunigung der Verfahren, nicht gewährleistet. Durch die automatische Einbeziehung des ablehnenden Gerichtsbescheids wird das Gerichtsverfahren nicht beendet, sondern automatisch verlängert. Zahlreiche Klageverfahren werden nicht geführt, weil die Betroffenen gegen negative (materielle) Entscheidungen des BAMF nicht klagen. Gegen alle negativen Bescheide, die im Anschluss an eine Ablehnung als unzulässig erlassen werden, wird nun automatisch ein Klageverfahren geführt, ob die Betroffenen das wollen oder nicht. Dies schließt im Übrigen auch solche Verfahren mit ein, in denen Abschiebungsverbote gewährt werden. Die (unfreiwilligen) Kläger*innen können dann auch keine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten, weil diese während des laufenden Asylklageverfahrens gem. § 10 Abs. 1 AufenthG gesperrt ist. Die Regelung erscheint angesichts der automatisch eintretenden und nachteiligen Folgen für Betroffene und Gerichtsbarkeit geradezu absurd.

      Absolut ungeklärt ist auch, wer die Anwaltskosten für die automatische Erhebung der Klage tragen soll. Die Einbeziehung der neuen Entscheidung des BAMF führt automatisch zu einer Erhöhung der Gebühren für die (unfreiwilligen) Kläger*innen. Sind diese auch verpflichtet, die Kosten zu tragen, wenn sie nie gegen die materielle Asylentscheidung des BAMF klagen wollten, sondern diese ggf. akzeptiert hätten?

      Darüber hinaus setzt eine Entscheidung über die Begründetheit des Asylantrags auch voraus, dass eine entsprechende Anhörung stattgefunden hat. Eine solche Anhörung muss entsprechend den Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU erfolgen. Sie kann nicht in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung nachgeholt werden, weil dies den Anforderungen an Vertraulichkeit der Anhörung widerspricht (vgl. BVerwG 1 C 41.20 - Urteil vom 30. März 2021). Das heißt, dass das BAMF selbst in Fällen, in denen die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zunächst nicht zuständig ist, immer auch eine Anhörung zu den materiellen Asylgründen durchführen muss, damit ein ablehnender Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist im laufenden Klageverfahren ergehen kann. Dies erfordert einen zusätzlichen Zeitaufwand von rund 3 Stunden pro Antragsteller*in, da die Anhörung zu den materiellen Asylgründen in der Regel deutlich länger dauert, als die zur Zulässigkeit des Asylantrags. Die Regelung würde also zu einer deutlichen Mehrarbeit des BAMF führen und nicht zu einer Beschleunigung des Asylverfahrens.

      Weiterhin stellt sich die Frage was geschieht, wenn sich die Sachlage nach Erlass der Dublin-Entscheidung geändert hat, was bei zahlreichen Herkunftsländern der Fall ist. In diesem Fall müsste möglicherweise erneut eine Anhörung stattfinden, um eine ordnungsgemäße Entscheidung zu treffen. Das würde den Prozess noch mehr verlangsamen.

      Die Regelung ist also nicht nur ein massiver und ungerechtfertigter Eingriff in die Verfahrensrechte der Betroffenen. Sie wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer höheren Belastung für die Gerichte und das BAMF führen und damit das Verfahren noch weiter verlangsamen.
      Die Regelung sollte gestrichen werden.

      Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem diesem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen.

      Aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 21, 73 <77>; 36, 85 <87>; 60, 175 <210>; 89, 381 <391>; 112, 185 <206>). Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 9, 89 <95 f.>; 60, 175 <210 f.>; 67, 208 <211>; 74, 1 <5>; 89, 381 <391>) (- 1 BvR 367/15 - ).

      b. Empfehlung
      Der Vorschlag ist als Ganzes abzulehnen.


      9. § 78 AsylG-E: Rechtsmittel

      a. Bisherige Rechtslage
      § 78 AsylG bestimmt bisher im Wesentlichen, wann ein Urteil des Verwaltungsgerichts unanfechtbar ist und aus welchen Gründen die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen ist.  Es handelt sich um ein gegenüber der VwGO einschränkendes Sonderprozessrecht im Asylverfahren. Denn in § 78 Abs. 3 AsylG sind für das Asylrecht die Gründe für die Zulassung der Berufung gegenüber der allgemeineren Regelung des § 124 VwGO stark eingeschränkt.

      b. Gesetzesentwurf und Bewertung
      Die vorgeschlagene Änderung durch Einfügung des § 78 Abs. 8 AsylG führt eine spezielle »Tatsachenrevision« ein und beschränkt zugleich die Revisionsmöglichkeiten für Betroffene.

      Ziel der Neuregelung ist die Beschleunigung der Gerichtsverfahren und Vereinheitlichung der Rechtsprechung in Asylsachen. Eine bundesweit einheitliche Rechtsprechung zu asyl- und abschiebungsrelevanten Fragen soll laut der Begründung des Entwurfs Schutzsuchenden ermöglichen, frühzeitig die Erfolgsaussichten einer Klage zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Auf diese Weise könnten im Ergebnis ›erfolglose‹ Klagen verringert werden, die Gerichte würden entlastet.

      Diese Erwartung ist aus unserer Sicht unbegründet. Zum einen geben nicht selten geringfügig abweichende Einzelumstände Grund für eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung. Eine Leitentscheidung für eine Vielzahl an Sachverhalten kann so kaum getroffen werden. Zum anderen bleibt unklar, in welcher Weise neue Entwicklungen im Herkunftsland in Abweichung von den Leitentscheidungen berücksichtigt werden können. In der Folge wird es statt zu Klarheit und Einheitlichkeit zu Unklarheit und Streit kommen.

      Statt einer Entlastung der Gerichte ist daher eine erhöhte Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts, zu erwarten. Stellt man sich die Frage, wie das Asylverfahren für Schutzsuchende fairer gestaltet werden kann, so kann dies vor allem über eine Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten erreicht werden, nicht über deren Verkürzung.

      c. Empfehlungen
      Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen.

      Um die Verfahren fairer zu gestalten empfehlen wir stattdessen, die Zulassungsgründe zu erweitern. Nach allgemeiner Rechtsauffassung sind EuGH und EGMR nicht divergenzfähig im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (vgl. z.B. BayVGH, B. vom 09. April 2018, 11 ZB 18.30631, Rn. 2, zit.n.juris). Divergenzfähig wird eine Entscheidung des EuGH danach erst durch eine konkrete Übernahme des BVerfG im Einzelfall.
      Das gilt zwar auch bei § 124 VwGO (und ist auch dort eigentlich nicht gerechtfertigt), richtet dort aber wegen der ansonsten erheblich weiter gefassten Zulassungsgründe nicht so großen Schaden an. Im Zweifel bestehen bei einer Abweichung von einer Entscheidung des EuGH auch »ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils« § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diesen Zulassungsgrund gibt es aber bei § 78 AsylG gerade nicht.
      Besonders fatal ist dies, weil gerade im Asylrecht Entscheidungen des EuGH große Bedeutung haben, z.B. dessen Urteil vom 07. November 2013, C-199/12 bis C-201/12. Dieses wurde erst Jahre später durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Januar 2020, 2 BvR 1807/19, zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung übernommen und dadurch divergenzfähig. Eine Klarstellung, dass auch Entscheidungen des EuGH und des EGMR divergenzfähig sind, würde hier eine Klarstellung bewirken und die bisher bestehende Lücke schließen.

      10. § 79 Besondere Vorschriften für das Berufungsverfahren

      a. Reformentwurf und Bewertung
      Die vorgeschlagene Änderung soll das bisher geltende Zurückverweisungsverbot lockern. Dies soll eine Entlastung bei den Oberverwaltungsgerichten erzielen.

      Nach der bisherigen Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht verpflichtet, nach einer Zulassung der Berufung die Verfahren auch dann entscheidungsreif zu machen, wenn es die allgemeine asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevante Lage in einem Zielstaat anders als das Verwaltungsgericht beurteilt und die Schutzgewährung durch das Verwaltungsgericht wesentlich von dieser Beurteilung abhing. Dies soll sich nun ändern und das bisher geltende absolute Zurückweisungsverbot soll teilweise gelockert werden. Die Oberverwaltungsgerichte erhalten in bestimmten Fällen nun die Möglichkeit, Verfahren an die erstinstanzlichen Gerichte zurückzuverweisen.

      Die Änderung geht aus unserer Sicht nicht weit genug. Statt das Zurückweisungsverbot ganz aufzuheben, wird es eingeschränkt.

      Das Zurückweisungsverbot ist jedoch als Ganzes abzulehnen, denn es verkürzt die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen, indem es den in der VwGO vorgesehenen Instanzenzug verkürzt.

      b. Empfehlung
      Die vorgeschlagene Regelung ist abzulehnen und Abs. 2 AsylG stattdessen komplett zu streichen.


      III. Sonstige Reformvorschläge

      § 3 Abs. 3  AsylG Ausschluss
      Die Norm ist tatsächlich nicht praktikabel und hätte in der Praxis kaum Anwendungsfälle und ist daher abzulehnen. Die Regelung der Asylunwürdigkeit besteht bereits.

      § 5 Abs. 6 AsylG-E 
      Eine Sicherheitsprüfung sollte in allen Fällen zwingend erfolgen.

      § 33 ASylG-E
      Die Regelung, zumal ohne ausdrückliche Belehrung über die Rechtsfolgen des Nicht-Betreibens, ist abzulehnen.

      § 72 AsylG-E
      Es ist zu begrüßen, dass die in § 72 Abs. 1 Nr. 1-3 AsylG genannten Gründe nun nicht mehr zum Erlöschen des Schutzstatus führen sollen, sondern in einem Verfahren nach § 73 AsylG-E zu prüfen sind. Es ist dagegen abzulehnen, dass eine Verzichtserklärung zur Durchführung des Asylverfahrens von der Ausländerbehörde an das Bundesamt weiterzuleiten ist. In der Praxis gibt es mit solchen Erklärungen gegenüber der Ausländerbehörde regelmäßig Probleme, da den Betroffenen nicht klar ist, auf was sie verzichten. In der Praxis sollte vielmehr vor Erteilung eines Aufenthaltstitels geprüft und qua Schreiben auch mitgeteilt werden, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei im Übrigen gleichbleibenden Verhältnissen nur noch die Rücknahme des Asylantrags entgegensteht. Der Verzicht kann rechtsgültig nur gegenüber dem Bundesamt erklärt werden.

      Berlin, den 24. Oktober 2022

      Die Stellungnahme des RAV als PDF

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      StellungnahmenMigration & Asyl
      news-895Fri, 21 Oct 2022 06:40:46 +0200Feministische Außenpolitik – oder doch nicht?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/feministische-aussenpolitik-oder-doch-nicht-895Pressemitteilung 5/22 vom 21.10.22Anwält*innen fordern von der Bundesregierung eine Menschenrechtspolitik, die die Betroffenen tatsächlich erreicht.

      In Iran beobachten wir den Beginn einer Revolution. Einer feministischen Revolution. Angeführt von Frauen*, die für ihre Freiheit und eine neue Gesellschaft kämpfen. Für ihren Mut werden sie getötet, gefoltert und inhaftiert.

      Der Mut dieser Frauen* beeindruckt uns. Er führt weltweit zum Ausdruck von Solidarität. Die gleichen Solidaritätsbekundungen hallen noch nach mit den Frauen*, die in Afghanistan seit über einem Jahr für ihre Rechte demonstrieren. Die gleichen Solidaritätsbekundungen verstummen mittlerweile mit den mutigen Frauen* in Belarus.

      Aber was passiert, wenn genau diese mutigen Menschen internationalen Schutz benötigen? Erhalten sie Zugang zu dem Schutz, den die europäische und deutsche Rechtsordnung ihnen verspricht?

      »Nein«, sagt Rechtsanwältin Berenice Böhlo aus dem Vorstand des RAV, »im Gegenteil: schutzbedürftige Menschen haben fast keine legalen Möglichkeiten, um überhaupt nach Deutschland oder Europa zu kommen, und zwar auch dann nicht, wenn sie nachweislich politisch verfolgt sind oder ihr Leben ernsthaft in Gefahr ist. So warten beispielsweise unsere afghanischen Mandantinnen, denen von Deutschland eine Aufnahme versprochen wurde, seit Monaten und Jahren in Pakistan oder Iran auf die Bearbeitung oder Erteilung ihrer Visa, damit sie in Deutschland das Asylrecht erhalten können. Ansonsten bleibt ihnen nur die lebensgefährliche Flucht über vollkommen unsichere Routen.«

      Dennoch verkündet Innenministerin Nancy Faeser noch am 8. Oktober 2022, dass gerade diesen letzten Fluchtwegen, die sie als „unerlaubte Einreisen über das Mittelmeer und die Balkanroute“ bezeichnet, durch scharfe Kontrollen Einhalt geboten werden müsse. Das ist mehr als zynisch, sieht doch das europäische Asylsystem eine „erlaubte Einreise“ zur Schutzgewährung gar nicht vor. Humanitäre Visa werden nur in seltenen Einzelfällen erteilt. Für eine Erteilung von Visa setzt sich das Auswärtige Amt noch nicht einmal eine Bearbeitungsfrist. Schöne feministische Außenpolitik.

      Die Solidarität mit mutigen Frauen* im Iran, in Afghanistan und andernorts endet an den europäischen Außengrenzen. Sie endet in der Bürokratie der deutschen Visumstellen.

      »Ein Menschenrecht ohne Zugang zum Recht ist ein leeres Versprechen. Wir fordern echte Solidarität jenseits solidarischer Worte« sagt Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Vizevorsitzende des RAV.

      Wir fordern von Bundes- und Landesregierungen, die über Jahrzehnte von männlichen Innen- und Außenministern verantwortete Politik zu beenden und folgende Sofortmaßnahmen zu beschließen:

      ► sofortige und effektive Aufnahmeprogramme auf Landes- und Bundesebene für Schutzsuchende aus Iran;

      ► die sofortige Aufstockung der personellen und sachlichen Ressourcen an den deutschen Botschaften, insbesondere in den Nachbarstaaten von Krisenländern;

      ► eine Weisung des Auswärtigen Amtes, dass jede deutsche Auslandsvertretung zur Annahme von Visumanträgen aus Krisenländern zuständig ist und diese unverzüglich zu bearbeiten sind;

      ► einen sofortigen und von der IMK und dem BMI zu beschließenden formellen Abschiebestopp für alle Krisenländer;

      ► die Erteilung von humanitären Visa für gefährdete Menschen in geregelten Verfahren anhand klarer Fristen;

      ► die Aussetzung der Dublin-Verfahren.

      PM als PDF

      Kontakt:
      Rechtsanwältin Berenice Böhlo, +49(0)30 247 240 90, info@aufenthaltundsoziales.de
      Rechtsanwältin Barbara Wessel, +49(0)30 62 20 17 48, wessel@anwaeltinnen-kreuzberg.de

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-891Wed, 12 Oct 2022 10:12:19 +0200Gesetzeslücke endlich schließen<br />Menschen in Abschiebehaft brauchen Pflichtanwält*innen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesluecke-endlich-schliessen-menschen-in-abschiebehaft-brauchen-pflichtanwaeltinnen-891Pressemitteilung 4/2022 vom 12.10.22Zusammen mit mehr als 50 Organisationen fordert der RAV den Bundestag sowie die Bundesminister*innen Nancy Faeser, Dr. Marco Buschmann und Lisa Paus auf, Menschen in Abschiebehaft, Anwält*innen zur Seite zu stellen und dies gesetzlich vorzuschreiben. Dass dies bislang nicht verpflichtend ist, sei »eines Rechtsstaates unwürdig«, so die Unterzeichner des Positionspapiers.

      Immer wieder landen in Deutschland Menschen in Abschiebehaft und werden somit ihrer Freiheit beraubt, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Mehr als fünfzig Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet kritisieren diese Praxis in einem Positionspapier scharf. Sie fordern das Bundesinnen-, das Bundesjustiz-, das Bundesfamilienministerium sowie die Mitglieder ausgewählter Bundestagsausschüsse auf, analog zur Pflichtverteidigung im Strafprozess auch eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen in Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft gesetzlich einzuführen. Eine entsprechende Möglichkeit bietet das angekündigte neue Gesetzespaket zum Migrationsrecht.
      Die Organisationen begründen ihre Forderung damit, dass es in der Abschiebungshaft immer wieder zu schwerwiegenden Verfahrensfehlern kommt, die meist erst durch anwaltliche Unterstützung korrigiert werden können. Die Betroffenen kennen sich mit dem in Deutschland geltenden Rechtssystem nicht hinreichend aus, um sich wirksam gegen die Anordnung oder Verlängerung der Haft wehren zu können. »Gegenüber der die Haft beantragenden Behörde sind die Betroffenen somit offensichtlich in einer unterlegenen Position«, so Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Peter Fahlbusch. »Ohne eine anwaltliche Vertretung sehen sie sich hilflos einem Verfahren ausgesetzt, das sie nicht verstehen und deshalb auch nicht beeinflussen können. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig und sollte unbedingt geändert werden«.

      Zu den Unterzeichnern gehören u.a. PRO ASYL, Amnesty International, das Diakonische Werk, die Caritas, der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, terre des hommes, der Deutsche Anwaltverein, die Neue Richtervereinigung und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

      In der Abschiebungshaft wird einer Person die Freiheit entzogen, ohne dass sie eine Straftat begangen hat. Dieser Freiheitsentzug greift massiv in die Grundrechte der betroffenen Person ein. In unserem Rechtsstaat werden deshalb an einen Haftbeschluss hohe formale und inhaltliche Anforderungen gestellt. Diesen Anforderungen wird die Praxis in der Abschiebungshaft häufig nicht gerecht; valide Schätzungen gehen von rund fünfzig Prozent fehlerhaften Inhaftierungen aus. Eine Ursache für die Fehlerquote ist, dass Betroffene, die oftmals mittellos sind und denen es an System- und Sprachkenntnissen fehlt, ohne professionellen Beistand vor Gericht keine Chance haben, ihre Grundrechte zu verteidigen. »Die Freiheitsentziehung stellt das schärfste Schwert unseres Rechtssystems dar«, so Rechtsanwalt Fahlbusch für den RAV. Um den Rechtsstaat durchzusetzen, braucht es deshalb eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen.

      Hintergrund:
      Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover erklärt: »Seit 2001 habe ich bundesweit 2.282 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.197 dieser Menschen (d.h. 52,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert […]. Zusammengezählt kommen auf die 1.197 Gefangenen 31.235 rechtswidrige Hafttage, das sind gut 85 Jahre rechtswidrige Haft«. Über die fatalen Fehler, die in der Abschiebehaft geschehen, spricht Rechtsanwalt Fahlbusch im Interview mit PRO ASYL sowie im Podcast (Folge 3).

      Positionspapier: https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einfuehrung-der-pflichtbeiordnung-von-anwaeltinnen-in-der-abschiebungshaft-889

      Diese PM als PDF

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-889Wed, 12 Oct 2022 09:00:00 +0200Einführung der Pflichtbeiordnung von Anwält:innen in der Abschiebungshaft/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einfuehrung-der-pflichtbeiordnung-von-anwaeltinnen-in-der-abschiebungshaft-889Positionspapier, 12.10.22

      Zusammenfassung

      In der Abschiebungshaft wird einer Person die Freiheit entzogen, ohne dass sie eine Straftat begangen hat. Die Haft sichert lediglich die Abschiebung, also den Vollzug eines Verwaltungsaktes. Mit diesem Freiheitsentzug wird massiv in die Grundrechte der betroffenen Person eingegriffen; in unserem Rechtsstaat werden deshalb an einen Haftbeschluss hohe formale und inhaltliche Anforderungen gestellt. Diesen Anforderungen wird die Praxis in der Abschiebungshaft häufig nicht gerecht; valide Schätzungen gehen von rund 50 % fehlerhaften Inhaftierungen aus. Bei einer derart hohen Fehlerquote drohen rechtsstaatliche Grundsätze ihre generelle Gültigkeit zu verlieren. Eine Ursache für die Fehlerquote ist, dass Betroffene, die oftmals mittellos sind und denen es an System- und Sprachkenntnissen fehlt, ohne professionellen Beistand vor Gericht keine Chance haben, ihre Grundrechte zu verteidigen. Um den Rechtsstaat durchzusetzen und das Leid der Betroffenen zu mindern, braucht es eine Pflichtbeiordnung von Anwält:innen. Sie kann für Waffengleichheit sorgen und eine effektive Kontrolle der Haftanträge und Gerichtsbeschlüsse ermöglichen.

      Abschiebungshaft dient allein zur Sicherung der Abschiebung

      Nach den Vorschriften des Migrationsrechts (v.a. § 50 Abs. 1 AufenthG) dürfen Ausländer sich nur in Deutschland aufhalten, wenn sie über bestimmte Aufenthaltsrechte verfügen. Haben sie kein explizites Recht zum Aufenthalt, sind sie verpflichtet, das Land zu verlassen. Tun sie dies nicht freiwillig, kann die Ausreisepflicht zwangsweise durchgesetzt werden (Abschiebung). Unter bestimmten Umständen wird allerdings die Abschiebung ausgesetzt (Duldung).

      Ist zu befürchten, dass sich eine Person gegen ihre Abschiebung wehrt, oder ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich der Abschiebung entzieht, kann die zuständige Behörde gegen sie bei Gericht Abschiebungshaft(1) beantragen (siehe vor allem § 62 Abs. 2 und 3 AufenthG). Ist der Antrag nach Meinung des Gerichts ausreichend begründet, ordnet es die Haft an.

      Abschiebungshaft darf daher ausschließlich dem Zweck dienen, die Abschiebung der betreffenden Person zu sichern. Die Menschen werden somit nicht inhaftiert, weil ihnen eine Straftat vorgeworfen würde. Vielmehr soll die Haft sicherstellen, dass sie auch wirklich das Land verlassen.

      Abschiebungshaft ist Freiheitsentzug und erfordert die Einhaltung von Verfahrensrechten

      Abschiebungshaft stellt eine Freiheitsentziehung und damit einen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG dar. Sie löst Leid aus: Je länger die Menschen sich in einem solchen Gewahrsam befinden, umso größer wird der seelische und körperliche Schaden.(2) Sind Kinder involviert, weil beispielweise ein Elternteil in Abschiebungshaft genommen wird,(3) kann dies zudem langfristige Folgen für das körperliche und seelische Wohl der Kinder bedeuten und das Familienleben nachhaltig belasten.(4)

      Die Freiheitsentziehung stellt das schärfste Schwert unseres Rechtssystems dar. Bei ihrer Anordnung hat deshalb die Wahrung von Verfahrensrechten gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG Verfassungsrang; Verfahrensrecht ist hier also Verfassungsrecht. Wird das Verfahrensrecht nicht eingehalten, führt dies zur Rechtswidrigkeit der Haft. Die Einhaltung von Verfahrensrechten ist daher grundlegende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von richterlichen Entscheidungen. Sie beugt falschen und willkürlichen Entscheidungen vor.

      In den Fällen der Abschiebungshaft sind jedoch bei den gerichtlichen Anordnungsverfahren immer wieder schwerwiegende Verfahrensfehler festzustellen,(5) zum Beispiel Haftanordnungen trotz nicht ausreichend begründeter Haftanträge. Deshalb wird eine Vielzahl der gerichtlichen Haftanordnungen im Beschwerdeverfahren als rechtswidrig aufgehoben. Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover teilt dazu die folgende Statistik (Stand 12.9.2022) mit: „Seit 2001 habe ich bundesweit 2.282 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.197 dieser Menschen (dh 52,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche ‚nur‘ einen Tag, andere monatelang). Zusammengezählt kommen auf die 1.197 Gefangenen 31.235 rechtswidrige Hafttage, das sind gut 85 Jahre rechtswidrige Haft. Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in knapp 4 Wochen (genau: 26,1 Tage) zu Unrecht in Haft. Rund 100 Verfahren laufen z.Zt. noch.“(6)

      Recht auf rechtliches Gehör, Verteidigungsrechte und Waffengleichheit, Recht auf Familienleben und Kindeswohl

      Art. 103 Abs. 1 GG begründet eine objektivrechtliche Verpflichtung des Staates, jeder Person, die an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist oder von einer gerichtlichen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, rechtliches Gehör zu gewähren.(7) Dies stellt die Ausprägung des Rechtsstaatsgedankens für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens dar.(8) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst auch das Recht, sich im Verfahren zu Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern.(9) Dieses Anhörungserfordernis dient der vollständigen Erfassung des Sachverhalts durch das Gericht.(10) Auch soll die Anhörung sicherstellen, dass die einzelne Person nicht Objekt der richterlichen Entscheidung wird, sondern vor einer Entscheidung die Möglichkeit erhält, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen.(11)

      Die Betroffenen kennen sich jedoch mit dem in Deutschland geltenden Rechtssystem nicht hinreichend aus, um sich wirksam gegen die Anordnung oder Verlängerung der Haft wehren zu können. Sach- und Rechtslage sind oftmals sehr komplex, weil hier Unions-, Migrations- sowie Haft(verfahrens)recht zusammenkommen. Wenn die Abschiebungshaft Familienmütter oder -väter betrifft, wird zudem das Recht auf Familie (Art. 6 GG und Art. 8 EMRK) und das Kindeswohl der betroffenen Kinder (Art 3 UN-KRK) meist nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, obgleich dazu eine rechtliche Verpflichtung besteht.(12) Auch kommt es immer wieder zu rechtswidriger Inhaftnahme von Minderjährigen aufgrund fehlerhafter Alterseinschätzungen.(13) Hinzu tritt die oftmals sehr erhebliche Sprachbarriere. Auch eine Akteneinsicht ist ohne Anwält:in nicht möglich. Gegenüber der die Haft beantragenden Behörde sind die Betroffenen somit offensichtlich in einer unterlegenen Position. Ohne eine anwaltliche Vertretung sehen sie sich hilflos einem Verfahren ausgesetzt, das sie nicht verstehen und deshalb auch nicht beeinflussen können, als dessen Ergebnis die Menschen aber ihre Freiheit verlieren. Vollkommen zu Recht empfinden die Menschen das Verfahren oftmals nicht als fair und die Entscheidungen nicht als gerecht.

      Die nötige Expertise in diesem Bereich bringen erfahrene Anwält:innen mit. Zur Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit und der Verteidigungsrechte sowie der Einhaltung von grund- und menschenrechtlichen Garantien in Bezug auf Familienleben und Kindeswohl ist daher zwingend eine Pflichtbeiordnung von Anwält:innen erforderlich. Wegen der essenziellen Bedeutung der gerichtlichen Anhörung in einem Haftverfahren ist auch sicherzustellen, dass die Beiordnung bereits vor der ersten Anhörung stattfindet.

      Pflichtbeiordnung gesetzlich regeln!

      Da es sich bei der Abschiebungshaft um eine Administrativhaft und nicht um eine Strafhaft handelt, sind die Regelungen in §§ 140, 141 StPO, die eine Pflichtverteidigung im Strafprozess vorsehen, nicht unmittelbar anwendbar.

      Eine Beiordnung von Anwält:innen ist andererseits dem FamFG, das auch das Verfahren in Abschiebungshaftsachen regelt, nicht vollständig fremd (siehe § 78 FamFG). Systematisch könnte eine Pflichtbeiordnung im Kontext der Abschiebungshaft etwa in einem § 420a FamFG geregelt werden.

      Mittellose Gefangene könnten, so immer wieder das Gegenargument, beantragen, dass der Staat ihre Anwaltskosten übernimmt (sogenannte Verfahrenskostenhilfe). Eine solche Verfahrenskostenhilfe wird aber nur dann gewährt, wenn der Antrag oder die Beschwerde nach Ansicht des Gerichts Aussicht auf Erfolg hat. Das heißt, ein:e Anwält:in muss erst einmal detaillierte Begründungen schreiben, ohne sicher sein zu können, jemals hierfür bezahlt zu werden. Da sie von ihrer Arbeit lebt, kann sie sich das nur selten leisten. Gefangene, die eine:n Anwält:in nicht bezahlen können, sind somit nicht in der Lage, ihre Rechte effektiv wahrzunehmen. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig und sollte unbedingt geändert werden.

      Hinzu kommt für viele Betroffene, dass sie unter den Bedingungen der Haft und/oder wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht in der Lage sind, eigenständig rechtzeitig eine:n Anwält:in einzuschalten.

      Aus diesem Grund fordern wir, dass analog zur Pflichtverteidigung im Strafprozess auch eine Pflichtbeiordnung von Anwält:innen in Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft schon vor der ersten gerichtlichen Anhörung gesetzlich eingeführt wird.

      Amnesty International Deutschland
      Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
      Bundesfachverband zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft
      Der Paritätische – Gesamtverband
      Deutscher Anwaltverein
      Deutscher Caritasverband
      Diakonie Deutschland
      Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
      Neue Richtervereinigung
      Postmigrantischer Jurist*innenbund
      Pro Asyl
      Rechtsberaterkonferenz
      Refugee Law Clinics Deutschland
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      SOS-Kinderdorf terre des hommes

      Bayerischer Flüchtlingsrat Diakonie Hamburg Diakonie Hessen
      Flüchtlingsbeauftragte der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland
      Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
      Flüchtlingsrat Brandenburg
      Flüchtlingsrat Bremen
      Flüchtlingsrat Niedersachsen
      Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen
      Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz
      Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
      Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
      Flüchtlingsrat Thüringen
      Hessischer Flüchtlingsrat
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein – Regionalgruppe NRW
      Sächsischer Flüchtlingsrat
      Abschiebehaft-Kontaktgruppe Dresden
      Amnesty International Oberhausen
      Beirat für Flüchtlingsarbeit des Evangelischen Kirchenkreises Oberhausen
      Caritas Karlsruhe
      Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf
      Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
      Flüchtlingsrat Oberhausen
      fluchtpunkt. Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge
      Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Hof
      Law Clinic an der Bucerius Law School, Hamburg
      Migrationsrechtliche Legal Clinic Dortmund
      Pro Asyl/Flüchtlingsrat Essen
      Rechtsberatung für Menschen in Abschiebehaft Hamburg
      Refugee Law Clinic Hannover
      Refugee Law Clinic Trier
      Seebrücke Oberhausen
      Seebrücke Stuttgart
      STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative

      Endnoten:
      (1) „Abschiebungshaft“ wird hier als Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der migrationsrechtlichen Verwaltungshaft verstanden und schließt damit etwa den Ausreisegewahrsam oder die Überstellungshaft ein.
      (2) Siehe dazu jüngst World Health Organisation (WHO), Addressing the health challenges in immigration detention, and alternatives to detention. 2022.
      (3) 62.0.5 AVwV-AufenthG.
      (4) Siehe dazu bspw. Bail for Immigration Detainees (BID), Fractured Childhoods: the separation of families by immigration detention. April 2013.
      (5) J. Schmidt-Räntsch, Freiheitsentziehungssachen gem. §§ 415 ff. FamFG, NVwZ 2014, S. 110 ff. Schmidt-Räntsch war als Richterin beim BGH über Jahre hinweg mit Abschiebungshaftverfahren beschäftigt.
      (6) P. Fahlbusch, E-Mail vom 12.9.2022.
      (7) B. Remmert, Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, 94. Ergänzungslieferung, Art. 103 I GG Rn. 1.
      (8) B. Remmert, Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, 94. Ergänzungslieferung, Art. 103 I GG Rn. 20, 23.
      (9) BVerfG, Beschluss v. 7.10.1981 – 2 BvR 1194/80, juris Rn. 36; H. Radtke, BeckOK Grundgesetz, 48. Edition, Art. 103 GG Rn. 7, 11.
      (10) B. Remmert, Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 103 I GG Rn. 21.
      (11) BVerfG, Beschluss v. 8.1.1959 – 1 BvR 396/55, Rn. 27.
      (12) BGH, Beschluss v. 23.3.2021 - XIII ZB 95/19, Asylmagazin 10-11/2021, 393, Rn. 8 f.
      (13) Siehe BGH, Beschluss v. 25.8.2020 - XIII ZB 101/19.

      Positionspapier als PDF

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      AbschiebungenGrundrechte
      news-890Mon, 10 Oct 2022 11:37:10 +0200Chatkontrolle STOPPEN!<br />Kinderschutz statt Massenüberwachung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/chatkontrolle-stoppen-kinderschutz-statt-massenueberwachung-890Gemeinsamer Aufruf, 10.10.2022Die EU-Kommission möchte Messenger und viele andere Internetdienste dazu zwingen, unsere Nachrichten und Onlineinhalte zu überwachen – und damit unsere freie und private Kommunikation untergraben. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden Kinder nicht besser schützen. Stattdessen verengen sie den Blick auf technokratische Überwachungsinstrumente, die unverhältnismäßig unsere Grundrechte einschränken. Mit der Chatkontrolle wird ein Überwachungspaket geschaffen, das sich gegen die gesamte Bevölkerung der EU richtet.

      Der Verordnungsvorschlag der EU ist ein Angriff auf unsere Freiheitsrechte und nimmt uns die Möglichkeit, selbstbestimmt über unser Leben mit Technik zu entscheiden. In Zukunft sollen Behörden unsere Familienchats kontrollieren und entscheiden, welche Apps wir installieren können. Uploadfilter sollen maßregeln, was wir auf sozialen Medien schreiben und im Internet teilen dürfen. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird untergraben. Das bedroht insbesondere unser Recht auf vertrauliche private und freie öffentliche Kommunikation. Davon sind im digitalen Zeitalter auch andere Grundrechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit abhängig und gefährdet.

      Eine technische Umsetzung des Gesetzes ist nur durch den Aufbau einer beispiellosen und undurchsichtigen Überwachungsinfrastruktur möglich, die nicht demokratisch kontrollierbar ist. Die Verantwortung dafür wälzt die EU-Kommission auf private Unternehmen ab und zwingt sie, die Sicherheit und Privatsphäre ihrer Dienste drastisch einzuschränken. Private Nachrichten sollen durch eine fehler- und missbrauchsanfällige „künstliche Intelligenz“ überwacht werden. Das wird unzählige Falschmeldungen von legitimer und legaler Kommunikation erzeugen. Dabei werden Unschuldige in den Fokus der Sicherheitsbehörden gerückt. Das bindet auch Kapazitäten, die für gezielte und effektive Ermittlungen gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder genutzt werden müssten.

      Die Chatkontrolle gefährdet insbesondere Personen und Organisationen, die vorrangig auf vertrauliche Kommunikation angewiesen sind: Geschäftsgeheimnisse, ärztliche Schweigepflicht, Anwält*innengeheimnis, journalistischer Quellenschutz, Seelsorge, gewerkschaftliche Aktivitäten, Start-Ups, politischer Protest. Die Sicherheit und Vertraulichkeit der Kommunikation von uns allen werden untergraben und damit zentrale Stützen der Zivilgesellschaft ausgehöhlt. Jugendliche können nicht mehr sicher kommunizieren und Opfern sexualisierter Gewalt wird eine wichtige Möglichkeit genommen, sich vertraulich Hilfe zu suchen.

      Wir fordern von allen politisch Verantwortlichen, dass sie den Schutz der freien Meinungsäußerung, der Privatsphäre und der Sicherheit im Internet für alle Menschen sicherstellen, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche. Das blinde Vertrauen in vermeintliche technische „Lösungen“ wird Kinder nicht schützen. Stattdessen muss die EU-Kommission zielgerichtete Alternativen vorlegen und die nötigen Mittel für Prävention und Opferschutz zur Verfügung stellen. Das Überwachungspaket mit der Chatkontrolle wird eine Überwachungsinfrastruktur dystopischen Ausmaßes schaffen und muss verhindert werden.

      Liste der Erstunterzeichner:

      Algorithmwatch
      ArGE Tübingen
      Berliner Wassertisch
      ChaosComputerClub
      D64 e.V.
      Dachverband der Fanhilfen e.V.
      Digitalcourage
      Digitale Freiheit
      Digitale Gesellschaft
      DVD – Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
      FifF – Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
      Gesellschaft für Informatik
      Giordano-Bruno-Stiftung
      Humanistische Union
      Humanistische Union Berlin-Brandenburg
      Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Load e.V.
      MOGiS e. V. - Eine Stimme für Betroffene
      RAV – Republikanischer Anwält*innen- und Anwälteverein e.V.
      Reporter ohne Grenzen
      Superrr Lab
      Whistleblower Netzwerk
      Zwiebelfreunde e.V.

      Aufruf als PDF

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      Überwachung
      news-888Fri, 30 Sep 2022 18:04:04 +0200Entwurf des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen- Anhalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-des-zehnten-gesetzes-zur-aenderung-des-gesetzes-ueber-die-oeffentliche-sicherheit-und-ordnung-des-landes-sachsen-anhalt-888RAV-Stellungnahme, 22.9.22Berichterstatter: RA Michael Plöse

      I. Allgemeine Einschätzung

      Der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung zielt neben der Einführung kameragestützter Geschwindigkeitsüberwachung auf festgelegten Verkehrsabschnitten als Modellprojekt (Section Control) in erster Linie auf eine Verstetigung und teilweise umfangreiche Erweiterung bislang zu Erprobungszwecken befristeter polizeilicher Eingriffsbefugnisse zur Überwachung, Verhaltenssteuerung und Beweissicherung des als Bedrohung wahrgenommenen „polizeilichen Gegenübers“ von erheblicher Grundrechtsrelevanz. Dabei tritt vor dem Hintergrund zweifelhafter Wirksamkeit und auf ungenügender empirischer Entscheidungsgrundlage die präventive Zielrichtung der gesetzlichen Befugnisse hinter ihrer primär repressiven Praxisbedeutung zurück, was (kompetenz-)verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die mit der im Entwurf vorgeschlagenen deklaratorischen Klarstellung, dass die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten „gleichrangige“ Teilaufgabe der Polizei sei, womöglich retuschiert, aber kaum beantwortet werden können. Dabei fehlen nicht nur wirksame Regelungen zum Schutz von durch Amts- oder Berufsgeheimnis geschützten Vertrauensverhältnissen, sondern auch hinreichende Beteiligungsrechte der Betroffenen, um eine notwendige Erweiterung der Transparenz des polizeilichen Handelns zu erreichen. Damit genügt der Entwurf auch nicht den vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers. Schließlich sollen mit den vorgeschlagenen Befugnissen – nicht nur reflexhaft – auch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden können, wogegen nicht nur systematische, sondern auch durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Die im RAV organisierten Anwältinnen und Anwälte raten daher nicht zu einer Entfristung der Eingriffsbefugnisse und fordern deren unabhängige wissenschaftliche Evaluation auch unter Berücksichtigung ihrer Zusammenwirkung mit anderen Befugnissen unter dem Aspekt einer Überwachungsgesamtbilanzierung.

      II. Ausführungen zu den einzelnen Maßnahmen des SOG LSA

      1. Verfolgungsvorsorge für künftige Straftaten als Polizeiaufgabe (§ 2 SOG LSA)

      Mit der Aufnahme der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten neben deren Verhütung in § 2 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA solle klargestellt werden, dass die Verfolgungsvorsorge gleichrangige Teilaufgabe der Polizei im Rahmen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten sei. Die Regelung hat rein deklaratorische Bedeutung, denn auch bisher schon stellte § 2 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA klar, dass die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten nach Maßgabe der allgemeinen und besonderen Befugnisse des SOG LSA (allein) der Polizei obliegt. Dabei macht die Begründung klar, dass es der Landesregierung in erster Linie um die Weiternutzung von Daten aus Strafverfahren zu polizeilichen Zwecken geht, selbst, wenn das für die Datenverarbeitung Anlass gebende Verfahren bereits abgeschlossen ist (§ 484 Abs. 4 StPO i.V.m. § 23 SOG LSA). Dass auf dieser Grundlage bereits seit Jahren doppelfunktionalen Zwecken dienende Datenbanken von der Polizei betrieben werden, ändert nichts daran, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Verfolgung von Straftaten gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG grundsätzlich beim Bund liegt. Datenerhebung zum Zwecke der Vorsorge zukünftiger Strafverfolgung ist nach insoweit übereinstimmender Rechtsprechung von BVerfG und LVerfG LSA nur soweit zulässig, wie ihr lediglich eine Begleitfunktion gegenüber der vorrangig der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers obliegenden Straftatenverhütung zukommt (BVerfGE 113, 348, 372) bzw. dieser vordergründig präventive Zwecke verfolgt, für seine Regelung jedoch den „Effekt“ einer wirksameren Strafverfolgung „genutzt“ wird (LVerfG LSA, Urteil vom 11. Dezember 2014, LVG 9/13, S. 28 BA). Schon aus diesem Grund kann die Verfolgungsvorsorge keine „gleichrangige Teilaufgabe“ der Polizei im Rahmen der „Vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ gegenüber der Straftatenverhütung darstellen, zumal beide Ziele von ihrer Zweckrichtung her miteinander in Konflikt stehen.

      In diesem Licht müssen die im Gesetzentwurf verstetigten Befugnisse betrachtet werden. Denn soweit „Daten […] nur zum Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur Verwertung in einem künftigen Strafverfahren, also zur Strafverfolgung, erhoben“ werden, fällt die Regelung der Erhebung in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers (BVerfGE 113, 348, 370). In diesem Zusammenhang begegnen insbesondere die Befugnisse zu Bild- und Tonaufzeichnungen im Pre-Recording-Verfahren verfassungsrechtlichen Bedenken.

      2. Dauerhafter Einsatz von Body-Cam und sonstiger Bild- und Tonaufzeichnungen (§ 16 SOG LSA)

      Die Landesregierung empfiehlt die dauerhafte Einführung gesetzlicher Befugnisse zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen im Pre-Recording-Modus zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben der Polizeibeamt*innen oder von Dritten.
      Systematisch regelt § 16 SOG LSA die „Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen sowie an gefährlichen Orten und an oder in besonders gefährdeten Objekten sowie zur Eigensicherung“. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs soll der neu gefasste Absatz 3 den Einsatz von Body-Cams regeln, wobei deren Einsatzbereiche gegenüber der im Testbetrieb geltenden Regelung (vgl. § 16 Abs. 3a SOG LSA in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Juli 2017, GVBl. LSA Nr. 12/2017, S. 130) sowohl tatbestandlich erheblich ausgeweitet als auch auf die gesamte Landesfläche erstreckt werden sollen. Dabei lässt die vorgeschlagene Regelung jedoch jegliche Präzisierung der hierbei zum Einsatz kommenden Technik vermissen. Von der Neufassung des Absatz 3 werden nunmehr sowohl Videoaufzeichnungen aus und in Dienstfahrzeugen (Dashcams) sowie in Diensträumen (statische Videoüberwachung) als auch durch mobil am Körper getragene Geräte (Bodycams) im Pre-Recording-Modus bei der Durchführung polizeilicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Verkehrsraum, in Arbeits-, Betriebs-, Geschäfts- und sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen im Sinne von § 43 Abs. 7 SOG LSA erfasst. Nach dem Entwurf würde eine Bereichsausnahme für solchermaßen verhaltenslenkende, offene Videoüberwachung – von § 17 Abs. 6 SOG LSA abgesehen – lediglich noch für die unter den Schutz von Art. 13 GG stehenden Wohnräume sowie Hafträume verbleiben.

      a) Fehlerhafte Ausgangspunkte
      Wie schon bei ihrer erstmaligen Erprobung 2017 steht die ganz im Bundestrend liegende Diskussion um die Einführung der Body-Cam in Sachsen-Anhalt ganz im Zeichen des von den Polizeigewerkschaften unterstützten Narrativs einer stetigen Zunahme von Gewalttaten gegenüber Dienstkräften. Die hierzu als Beleg angeführte Zunahme einschlägiger Strafverfahren nach dem Bundeslagebild „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten“ des BKA (vgl. Drs. 7/685, S. 18; demgegenüber differenzierend Polizei Sachsen-Anhalt, Abschlussbericht Modellversuch Body-Cams, 2020, S. 6 f.) reflektiert jedoch nur unzureichend die durch gesellschaftlichen Wandel und polizeigewerkschaftliche Politisierung dieses Narrativs gesteigerte Anzeigenbereitschaft, die sie begleitende Veränderung und Ausweitung der strafgesetzlichen Bestimmungen (§§ 113–115 StGB) sowie den engen Zusammenhang zwischen polizeilicher Zwangsausübung und statistisch erfasster Widerstandshandlung – ganz unabhängig vom Ausmaß der konkreten Gefährdung einer Dienstkraft (vgl. Derin/Singelnstein, Die Polizei, S. 157 m.w.N., Arzt, Stellungnahme 5 zur Drs. 7/685, S. 7 ff. m.w.N.). Demgegenüber bleiben die berechtigten Interessen von Betroffenen polizeilicher Zwangs- bzw. Gewaltausübung, die neben der Forderung nach unabhängigen Polizeibeschwerdestellen sehr viel stärker den anglo- amerikanischen Diskurs um die Dokumentation polizeilicher Aufgabenwahrnehmung geprägt haben, weitgehend außer Betracht (vgl. Arzt/Schmidt, Bodycam als Objekt staatlichen Sehens und Zeigens, FS f. T. Feltes 2021, S. 319; Eick/Plöse, Re-Monopolisierung des polizeilichen Blicks?, in: FG f. R. Will 2016, S. 724). Vor diesem Hintergrund wurde aus dem RAV heraus dafür plädiert, bis zu einer Einführung unabhängiger Beschwerdestellen, bei denen das Videomaterial verwahrt, der Zugang für Betroffene und Polizei gleichermaßen sichergestellt und über die Löschung der Daten gewacht wird, auf die Einführung von Body-Cams als ein wichtiger Schritt zur gegenseitigen Abrüstung zu verzichten (Plöse/Eick, BodyCams an Polizeiuniformen, RAV- InfoBrief #112, 2016). Es kam bekanntlich anders.

      b) Fehlende Evidenz
      Vor diesem Hintergrund erscheint die Auswertung des Modellversuchs Body-Cam im Land Sachsen-Anhalt zwischen 2018 und 2019 beachtlich, die in der mit dieser Technik ausgestatteten Testgruppe nicht nur eine unzureichend signifikante deeskalierende Wirkung (zwischen 1% und 12%), sondern teilweise sogar eskalative Effekte (zwischen 1% und 4%) feststellte, wobei alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Personen (2% bis 15%) von vornherein unberücksichtigt blieben, bei denen nach bisherigen Studien zur Videoüberwachung gerade nicht mit einer gewaltvermindernden Wirkung der Body-Cam zu rechnen ist. Dass ausgerechnet in der Testgruppe gewalttätige Übergriffe gegen Dienstkräfte gestiegen sind, während sie in der nicht mit Kameratechnik ausgestatteten Kontrollgruppe im Modellversuchszeitraum sanken, mag auch auf methodischen Fehlern bei der Vergleichsgruppenbildung beruhen (vgl. Zurawski, Protokoll des Innenausschusses der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18.11.2014, NR . 20/33, S. 34 ff.), liegt jedoch durchaus im Trend aktueller Vergleichsstudien (vgl. Ariel et al., Wearing Body Cameras Increase Assaults against Officers and does not Reduce Police Use of Force, 2016; Pang & Pavlou, Armed with Technology, 2016). Maßgeblich bleibt der Befund, „dass die erhoffte positive Wirkung der Body-Cam in der Verbesserung der Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamten weder in den Zahlen der PKS, noch in der Bewertung der Nutzer sowie aus den Berichten der beteiligten Behörden erkennbar ist“ (Abschlussbericht S. 43; vgl. auch Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Striegel, Drs. 7/6558 vom 03.09.2020, S. 4 f.). Es ist daher nur konsequent, mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz die Geeignetheit der Body-Cam zur Erreichung des gesetzlichen Ziels des Eigenschutzes in Frage zu stellen und die Maßnahme vor dem Hintergrund des mit ihr einhergehenden massiven Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger*innen als nicht gerechtfertigt anzusehen. Zur Erreichung des von der Landesregierung verfolgten Ziels einer verstärkten „gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung“ hat sich der Einsatz von Body-Cams zudem als gänzlich untauglich herausgestellt, wollte man nicht „ausufernde Diskussionen über Sinn und Rechtmäßigkeit der Maßnahme“ sowie ein in Einzelfällen „nur durch das Ausschalten der Kamera“ deeskalierbares aggressives Verhalten (Abschlussbericht S. 36) als Beiträge in diesem Sinne verstehen.

      Für die im RAV organisierten Anwält*innen ist es nicht nachvollziehbar, dass sich dieser Befund durch eine gesetzliche Ausweitung der Einsatzbereiche der Body- Cam verbessern soll. Vielmehr wird ein verfassungsrechtlich hoch problematisches und gesellschaftspolitisch riskantes Sozialexperiment auf die wesentlichen Bereiche des sozialen Lebens ausgeweitet sowie die mit dem panoptischen Blick der Polizei einhergehende Definitionsmacht über Lebensräume einseitig aufgerüstet. Dies lehnen wir ab.

      c) Fehlende Verfassungsmäßigkeit
      Die vorgeschlagene Regelung ist zudem unbestimmt und trägt den von Verfassungs wegen beachtlichen schutzwürdigen Belangen der Betroffenen nicht ausreichend Rechnung. Die vorgelegte Neufassung von § 16 Abs. 3 SOG LSA erlaubt Bild- und Tonaufzeichnungen – scheinbar – anlasslos an oder in den zugelassenen Einsatzorten im Pre-Recording-Modus als kurzzeitige technische Erhebung (§ 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SOG LSA-E), d.h. als bis zu zwei minütige Speicherung (§ 16 Abs. 3 S. 2 SOG LSA-E). Im Modellbetrieb war der Einsatz noch auf – durch andere gesetzliche Ermächtigungen legitimierte – Maßnahmen der Identitätsfeststellung beschränkt gewesen. Damit geht die gesetzliche Ermächtigung auch insofern über den Modellbetrieb hinaus, als durch die tatbestandliche Beschränkung auf IDF- Maßnahmen ein Betrieb der Geräte im Pre-Recording-Modus mit dem Beginn solcher Maßnahmen zusammenfiel. Nunmehr ist für den Pre-Recording-Betrieb der Body-Cam nur noch das Erfordernis einer Diensthandlung – „Maßnahme“ im Gegensatz zur schlichten-hoheitlichen Handlung (z.B. Streifendienst) – sowie eine Beschränkung des Einsatzraums auf nicht unter den Schutz von Art. 13 GG fallende Räume vorgesehen. Auch wenn derartige „Erhebungen“ nach spätestens zwei Minuten automatisch zu löschen sind, rückt die „mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ unvereinbare Dystopie einer Gesellschaftsordnung, in der Unsicherheit darüber besteht, ob „abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden“ (BVerfGE 65, 1, 43), in greifbare Nähe. Vor diesem Hintergrund erscheint nicht nur die Dauer der Pre-Recording-Funktion mit 2 Minuten unverhältnismäßig lang. Die Formulierung „höchstens“ legt zudem nahe, dass der Dienstkraft hier ein Ermessen über die Dauer des Pre-Recording-Verfahrens im Einzelfall zukommen soll (so auch die Stellungnahme der Landesregierung in Drs. 8/1231, S. 8), was weder sinnvoll noch realistisch ist und dem Charakter der „automatischen“ Löschung entgegensteht.
      Auch Verordnungsermächtigungen, die eine abstrakt-generelle Regelung durch das zuständige Ministerium erlauben würden, sind nicht erkennbar.

      Aus Gründen der Normenklarheit und Normenwahrheit sollte bereits die gesetzliche Formulierung deutlich machen, dass mit der Erhebung zugleich eine (jedenfalls) kurzzeitige Speicherung verbunden ist, auch wenn der Begriff der „Aufzeichnung“ dies nahelegt (vgl. aber die Unterscheidung zwischen Aufzeichnung und Aufnahme in § 16 Abs. 2 SOG LSA sowie in § 18 Abs. 1 und 4 VersammlG LSA). Soweit dieser Begriff nach der Gesetzesbegründung (S. 19) „auch die Befugnis zur Übertragung des Bild- und Tonsignals an eine Lage- und Führungsstelle der Polizei“ umfassen soll, kann dies nicht nachvollzogen werden. Eine solche Befugnis erschließt sich weder aus dem systematischen Zusammenhang des Begriffs zu anderen Regelungen des SOG LSA (insbesondere § 22 SOG LSA) noch im Hinblick auf die Begriffsbestimmungen in § 2 DSUG LSA. Sie widerspricht aber vor allem dem teleologischen Verständnis der Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 2 SOG LSA, wonach eine automatisierte Löschung innerhalb von 2 Minuten zu erfolgen hat, was regelmäßig nur sichergestellt werden kann, wenn die Daten nicht zwischenzeitlich ausgeleitet und auf einem anderen Server (zwischen-)gespeichert werden.
      Regelungen zum Schutz der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträger*innen (vgl. § 17 Abs. 4d SOG LSA) fehlen gänzlich, sind aber von Verfassung wegen erforderlich, wenn die Body-Cam im betriebsbereiten Einsatz auch in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen während der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeiten zum Einsatz kommen dürfen soll. Dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Räume (erkennbar) der Ausübung entsprechender Tätigkeiten gewidmet sind, die dem Schutz von durch Amts- oder Berufsgeheimnis geschützten Vertrauensverhältnissen unterfallen (z.B. Anwält*innenkanzleien, Ärzt*innenpraxen oder Kliniken), oder ob die berufliche Tätigkeit im öffentlichen Verkehrsraum durchgeführt wird (vgl. etwa § 33a Abs. 5 Satz 2 PAG Thüringen).

      Soweit im Pre-Recording-Modus auch Tonaufzeichnungen erlaubt werden sollen, verlässt dies vor dem Hintergrund der zwischen 1% und 3% liegenden Abschreckungswirkung des Kurzspeichermodus den Bereich der präventiven Funktionalität. Dies wird schon dadurch deutlich, dass eine dauerhafte Aufzeichnung nach § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SOG-LSA-E aufgrund „verbaler Ungebühr“ (vgl. Abschlussbericht, S. 38) regelmäßig ausscheidet, weil von ihr allein keine Gefahr für Leib oder Leben der Polizeikräfte oder Dritter ausgehen kann, mögen ihr auch „tatsächliche Anhaltspunkte“ hierfür entnommen werden können; daher kommt für sie allenfalls eine Speicherung auf der Grundlage der StPO in Betracht.
      Entsprechend wurden die gesicherten Aufnahmen im Probezeitraum 2018/2019 in mindestens 22 Fällen zur Verfolgung von Beleidigungsdelikten weiterverwendet (vgl. Anlage 4 zum Abschlussbericht). Damit erfolgt die Tonaufnahme allerdings allein „zum Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur Verwertung in einem künftigen Strafverfahren, also zur Strafverfolgung,“ welche außerhalb der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers für das Polizeirecht liegt.

      d) Unzulässige Ausweitung auf Versammlungsgeschehen
      Soweit die Gesetzesbegründung den Einsatz von Body-Cams ausdrücklich auch neben § 18 VersammlG LSA „in einer Versammlung“ eröffnen möchte und dies durch die Wahrung des Zitiergebots in § 2 des Gesetzentwurfes unterstreicht, widerspricht dies nicht nur systematischen Gründen; es ist auch – anders als die Landesregierung nahelegt – mit der Rechtsprechung des BVerfG und des LVerfG LSA nicht vereinbar. § 18 VersammlG LSA erlaubt die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen von Teilnehmenden bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.
      Demgegenüber soll es nach § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SOG LSA-E genügen, dass sich die Versammlung z.B. im öffentlichen Verkehrsraum oder in der Öffentlichkeit zugänglichen Räumlichkeiten aufhält und die Polizei dort Maßnahmen trifft. Bereits durch das Pre-Recording-Verfahren werden personenbezogene Daten erhoben, (kurzzeitig) gespeichert und potentiell für eine dauerhafte Speicherung bis zu 2 Minuten bereitgehalten. Damit verfolgt die Landesregierung ausdrücklich verhaltenslenkende Zwecke (vgl. auch Arzt, in: Reeder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, § 19a Rn. 19). Die typischerweise von derartigen Überwachungsmaßnahmen ausgehenden Chilling effects berühren jenen Bereich legitimer staatsbürgerlicher Paranoia, den das BVerfG ausdrücklich in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbststimmung einbezieht, wenn es davon ausgeht, dass „wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, […] möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten“ wird (BVerfGE 65, 1, 43).
      Insoweit verkennt die Landesregierung den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich von Art. 8 Abs. 1 GG als ein grundsätzlich staatsfreies und unreglementiertes Freiheitsrecht (BVerfGE 69, 315, 349) grundlegend, wenn sie in der Gesetzesbegründung (S. 20) ausführt, „von der Durchführung von Bildaufzeichnungen zur Eigensicherung [gehe] keine spezifische Abschreckungswirkung in Bezug auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus“. Dabei kann sie sich insbesondere nicht auf die Begründung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts LSA vom 11. November 2014 berufen. Dieses hatte sich ausgehend von Befugnissen nach § 11 Nr. 7 SOG LSA lediglich zu Videoaufzeichnungen an Kontrollstellen „auf dem Weg zu Versammlungen“ geäußert und hier unter der Voraussetzung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben von Polizeikräften lediglich eine „Reflexwirkung“ durch die zu Abschreckungszwecken erfolgende offene Videoüberwachung im Verkehrsgeschehen angenommen, die „keine zusätzliche Abschreckungswirkung in Bezug auf die Versammlungsteilnahme“ erzeuge (S. 30 BA). Eine solche ist jedoch mit einer im Pre-Recording-Modus mitgeführten Body-Cam, deren Aufnahme- und Speichertätigkeit im Versammlungsgeschehen für die Teilnehmenden kaum nachvollzogen werden kann, durchaus anzunehmen. Insofern ist schon zu bezweifeln, dass es sich bei einer Body-Cam im Versammlungsgeschehen noch um eine offene Datenerhebung handelt (vgl. Arzt, a.a.O., § 19a Rn. 36).

      Anders als bei dauerhaft gespeicherten Erhebungen nach § 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SOG LSA-E, die regelmäßig auch die Schwelle des § 18 Abs. 1 VersammlG LSA überschreiten, werden im Pre-Recording-Modus auch keinesfalls Personen aufgenommen, die sich in Folge eigener Gewalttätigkeit nicht mehr auf den Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG berufen könnten. Die Auffassung der Landesregierung steht auch in Widerspruch zum Stand der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. So stehen bei der Rechtsprechung des OVG NRW im Versammlungsgeschehen Aufzeichnungen in Frage, welche „die gesamte – möglicherweise emotionsbehaftete – Interaktion der Teilnehmer optisch fixieren und geeignet sind, Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen zu geben. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken.“ Dies gelte ausdrücklich auch für „flüchtige“, d. h. nicht (dauerhaft) gespeicherte Aufnahmen bzw. Bildübertragungen (Beschluss vom 13.03.2020 - 15 B 332/20 -, Rn. 13 und 15). Nach Auffassung des RAV sollte der Einsatz von Body-Cams in Versammlungsgeschehen ausdrücklich ausgeschlossen werden.

      e) Fehlende Betroffenenrechte
      Unzureichend ist der Entwurf von § 16 Abs. 3 und 6 SOG LSA schließlich hinsichtlich der Sicherungen der erhobenen Daten gegen Manipulationen durch Beteiligte; außerdem fehlen signalgebende Vorschriften zum Betroffenenschutz. Bei der Einführung der Body-Cam wird der Aspekt der Erweiterung der Transparenz des polizeilichen Handelns immer wieder betont (vgl. Abschlussbericht S. 5 m.w.N.). Durch die gefertigten Aufzeichnungen unterlägen Beschwerden gegen behördliche Maßnahmen, „sowohl seitens der Polizei als auch der Öffentlichkeit einer besseren Überprüfbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Beurteilung.“ (ebd.) Dies setzt jedoch voraus, dass der den Bild- und Tonaufzeichnungen zugeschriebene Sicherungseffekt nicht nur einseitig zugunsten von Dienstkräften zur Wirkung kommt, sondern mit dem Ziel der Transparenz polizeilicher Handlungen als hoheitliche Maßnahmen, die im besonderen Maße den Diskriminierungsverboten des Art. 3 GG unterfallen, auch ein subjektiv-öffentlicher Anspruch von Betroffenen polizeilicher Maßnahmen begründet wird, die Einschaltung der Recording-Funktion der Body-Cam verlangen zu können. In diesem Fall begegneten auch Tonaufzeichnungen im Pre-Recording-Modus keiner kompetenziellen Regelungssperre des Landesgesetzgebers, weil dieser nicht nur den Schutz von Leib und Leben der Dienstkräfte bezweckte, sondern den Schutz der Betroffenen gegen „verbale Ungebühr“ seitens der Dienstkräfte. Dies setzt ferner voraus, dass die erhobenen Aufnahmen nach ihrer Speicherung weder von den am Einsatz beteiligten Dienstkräften noch ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten gelöscht oder verändert werden können und die Betroffenen auch in realistischer zeitlicher Distanz noch ein ausdrückliches Recht zur Einsicht und Sicherung ihrer Daten haben (Sperrung bzw. Einschränkung).

      Polizeigesetze anderer Länder sehen daher eine Aufzeichnungspflicht auch auf Verlangen der von der polizeilichen Maßnahme Betroffenen (vgl. etwa § 33a Abs. 5 S. 5 PAG Thüringen) bzw. eine Aufzeichnungsobliegenheit bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs (vgl. etwa § 24c Abs. 2 S. 1 ASOG Bln) vor, ferner Vorkehrungen gegen eine Veränderung der Aufzeichnungen (vgl. § 24c Abs. 4 S. 1 und 2 ASOG Bln). Zwar steht den Betroffenen in Sachsen-Anhalt über § 32c SOG LSA i.V.m. §§ 13, 14 DSUG LSA ein (beschränktes) Auskunftsrecht über die sie betreffenden Daten zu, dieses ist jedoch regelmäßig an das LKA zu richten. Die kurze Sperrzeit von 3 Monaten in § 16 Abs. 6 SOG LSA-E würde es aus anwaltlicher Sicht erforderlich machen, eine längere Speicherung im Interesse des Betroffenen vorsorglich im Eilverfahren gerichtlich durchzusetzen, insbesondere, wenn Betroffene bis dahin keine Einsicht erhalten haben. Hier sollte in der Befugnisnorm selbst ein direkter Anspruch für die Betroffenen auch als Rechtsgrund für eine einschränkende Datenspeicherung „für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen“ (vgl. § 24c Abs. 4 S. 3 Nr. 2 ASOG Bln) vorgesehen werden.


      3. Einführung von Section Control als Modellprojekt (§ 16a SOG LSA)

      Auch die Einführung kameragestützter stationärer Geschwindigkeitskontrollen stellt einen Beitrag zur Ausweitung der Überwachungstechnologie dar und unterliegt somit nicht nur im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besonderen Rechtfertigungsanforderungen. Der vorliegende Entwurf eines neuen § 16a SOG LSA übernimmt dabei weitgehend die erstmals in Niedersachen eingeführte Rechtsgrundlage des § 32 Abs. 6 NPOG, die zunächst das OVG Lüneburg als Maßnahme zur Verhinderung von Unfallgefahren in Folge von Geschwindigkeitsübertretungen für kompetenzrechtlich unproblematisch und hinreichend bestimmt erachtet hatte (Urteil vom 06.10.2020, 11 LC 149/16), was das BVerwG bestätigt (Beschluss vom 31.07.2020, BVerwG 3 B 4.20) und das BVerfG nicht zum Anlass für eine eigene Entscheidung genommen hat. Begrüßenswert sind insoweit die gesetzlichen Vorgaben zur Datensparsamkeit in Abs. 2 sowie die ministeriale Berichtspflicht gegenüber dem Landtag. Letztere sollte allerdings nicht einmalig, sondern periodisch erfolgen. Da sich die Einrichtung der Abschnittskontrollen finanziell nicht selbst tragen (z.B. durch eingenommene Bußgelder bei festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen) und vordergründig dem Schutz von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmenden zu dienen bestimmt sind, wird empfohlen, die Datenerhebung durch Abschnittskontrollen unter einen Erforderlichkeitsvorbehalt zu stellen, in dem diese auf unfallbelastete Verkehrsabschnitte beschränkt werden. In der Umsetzung wird darauf zu achten sein, dass die gesetzlich vorgesehenen Hinweise rechtzeitig und nachvollziehbar über die Maßnahme informieren und mehrsprachig gestaltet sind. Ferner fordern die vom RAV vertretenen Rechtsanwält*innen, dass die vor Durchführung der Maßnahme nach § 23 DSUG LSA anzufertigende Datenschutzfolgenabschätzung veröffentlicht, das Modellprojekt zeitlich befristet und eine Evaluationspflicht vorgesehen wird.


      4. Dauerhafte Befugnis der elektronischen Fußfessel zur Abwehr von terroristischen Straftaten (§§ 36c und 106 SOG LSA)

      Die präventivpolizeiliche elektronische Aufenthaltsüberwachung wird von den durch den RAV vertretenen Anwält*innen grundsätzlich abgelehnt. Es handelt sich um eine tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifende Maßnahme. Die Person, die eine derartige Fessel trägt, weiß, dass jeder ihrer Schritte nachvollzogen werden kann.
      Die Betroffenen sind dieser Beobachtung rund um die Uhr unausweichlich ausgesetzt, was – auch empirischen Studien zufolge – zu psychischen Problemen führen kann. Diese Maßnahme führt auch zur Stigmatisierung, da die Geräte für andere Menschen in der Umgebung wahrnehmbar sind (Luczak, Stellungnahme RAV zum Gesetzentwurf des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, 17.9.19).

      Soweit das BVerfG elektronische Fußfesseln im Bereich der Führungsaufsicht im Strafvollstreckungsverfahren für verfassungskonform hält (vgl. BVerfGE 156, 63), konnte es hierbei jedoch von der zur Verurteilung führenden Anlasstat des Betroffenen als Grundlage der erforderlichen Prognose über seine Gefährlichkeit in Bezug auf bestimmte Rechtsgüter ausgehen. Demgegenüber erlauben §§ 36a, 36c SOG LSA den Einsatz elektronischer Fußfesseln bereits bei einer konkreten Wahrscheinlichkeit einer in absehbarer Zeit begehbaren terroristischen Straftat und weiten die Zulässigkeit dieser Beschränkung weit ins Vorfeld einer konkreten Gefahr auch gegenüber nicht vorbestraften Personen aus. Dabei weitet der Katalog des § 3 Nr. 5 SOG LSA das begriffliche Verständnis dessen, was als terroristische Straftat erfasst sein soll, weit in Deliktsgruppen der allgemeinen Kriminalität aus (z.B. §§ 211, 212, 224, 226, 227 StGB), wenn diesen eine Nähe zu terroristischen Aktivitäten zukommt. Damit hat die gesetzliche Regelung ihre an den Grundrechten orientierte Beschränkungsfunktion weitgehend verloren und erweist sich als unverhältnismäßig.

      Dabei sind derartige Prognosen stigmatisierungsanfällig (vgl. BVerfGE 115, 320, 351) und durch eine „hohe Ambivalenz der potenziellen Bedeutung einzelner Verhaltensumstände geprägt“ (BVerfGE 113, 348, 377). Da der Eingriff sich auf mögliche zukünftige Aktivitäten bezieht, kann er sich häufig nur auf Tatsachen stützen, bei denen noch offen ist, ob sie sich zu einer Rechtsgutverletzung weiterentwickeln (vgl. BVerfGE 110, 33, 59), während die mit der polizeilichen Entscheidung einhergehenden Freiheitsbeschränkungen stets unmittelbar wirksam und Verstöße hiergegen strafbewährt sind (vgl. § 106 SOG LSA). Im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind, haben auch Personen das Tragen einer Fußfessel zu dulden, von denen tatsächlich gar keine Gefahr ausgeht.

      Dass von dieser weitgehenden Befugnis im Probezeitraum nur in einem Anwendungsfall für eine relativ kurze Dauer Gebrauch gemacht wurde, spricht einerseits für einen zurückhaltenden Gebrauch dieser Befugnis, wirft andererseits aber auch Fragen nach ihrer Erforderlichkeit auf. Das BVerfG hat daher den Gesetzgeber in der Fußfessel-Entscheidung dazu verpflichtet, „die spezialpräventiven Wirkungen und technischen Rahmenbedingungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung empirisch zu beobachten und das gesetzliche Regelungskonzept gegebenenfalls den dabei gewonnenen Erkenntnissen anzupassen“ (BVerfGE 156, 63, 64, Leitsatz 4 und 123 ff.). Vor diesem Hintergrund fordern die im RAV organisierten Anwält*innen, nicht nur die §§ 36c und 106 SOG LSA nicht zu entfristen, vielmehr die Befristung auch auf die §§ 36a und 36b SOG LSA auszuweiten und auch hier eine begleitende Evaluationspflicht durch unabhängige wissenschaftliche Institutionen einzuführen.

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      Sachsen AnhaltVersammlungsrechtStellungnahmen
      news-887Fri, 30 Sep 2022 15:50:56 +0200Fluchtwege nicht weiter einschränken!<br />Kommission verschärft Lage für aus Russland fliehende Menschen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluchtwege-nicht-weiter-einschraenkenkommission-verschaerft-lage-fuer-aus-russland-fliehende-menschen-887Gemeinsame Pressemitteilung von Pro Asyl und RAV, 30. September 2022In einer Pressekonferenz am Freitag kündigt Kommissarin Ylva Johansson neue Verschärfungen für die Einreise von russischen Staatsangehörigen an. Insbesondere sollen Mitgliedstaaten laut dem neuen Leitfaden der Kommission weiterhin keine Visumsanträge von Russ*innen annehmen, die bereits in einen Drittstaat geflüchtet sind. Damit verlangt die Kommission, dass die Menschen in Russland in der Falle warten sollen bis über einen Visumsantrag entschieden ist, kritisieren PRO ASYL und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

      Während Johansson mehrfach in der Pressekonferenz wiederholt, dass der neue Leitfaden nicht das Recht auf Asyl beeinträchtigt, so geht dies am Kern des Problems vorbei. Wenn kein Zugang zur EU besteht, dann können Kriegsdienstverweiger*innen, Oppositionelle oder Journalist*innen auch keinen Asylantrag stellen.

      Viele Kriegsgegner*innen scheitern bislang an einer Flucht. Die Hürden, um Schutz in Deutschland und Europa zu bekommen, sind hoch. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Organisationen deswegen tatsächliche Fluchtwege und Schutz der Menschen, die sich dem verbrecherischen Regime und Krieg entziehen wollen:

      Lasst sie rein! Für ein Recht zu kommen und zu bleiben.

      Den Kriegsgegner*innen in Russland muss jetzt und ohne Ausreden Schutz gewährt werden!

      Gegenwärtig gilt: Die restriktive und langwierige Praxis der Visavergabe an deutschen Botschaften und Konsulaten verhindert die legale Einreise. Die, die es bis nach Deutschland schaffen, sind im Rahmen des Dublin-Verfahrens von Verzögerung und Abschiebung in europäische Nachbarstaaten bedroht. Die Asylverfahren dauern zu lange. Die aktuelle Verfolgungsgefahr in der Russischen Föderation wird zudem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang regelmäßig verkannt.

      Wir fordern: Handelt jetzt!

      Es darf kein zweites Afghanistan geben, kein erneutes Versagen der bundesdeutschen und europäischen Asyl- und Aufnahmepolitik. Es ist dringend notwendig, entschlossen zu handeln und russischen Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und Menschen, die gegen den Krieg sind, jetzt Schutz zu bieten, wie es auch bei Ukrainer*innen geschehen ist.

      Die Bundesregierung muss entsprechend ihrer humanitären Verantwortung und den menschenrechtlichen Verpflichtungen handeln. Den Ankündigungen von Regierungsmitgliedern, denen Schutz zu gewähren, die sich dem Krieg entgegenstellen, müssen effektive Taten folgen.

      Effektiver Schutz bedeutet zum einen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss sich im Hinblick auf die am 22. September 2022 von Putin erklärte Teilmobilmachung positionieren und seine Anerkennungspraxis transparent machen.

      Damit der Umgang mit schutzsuchenden Menschen in und aus Russland nicht zu einem weiteren Versagen führt, braucht es jetzt eine effektive und unbürokratische Praxis in den Botschaften und Konsulaten ebenso wie im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Deutschland kann nicht auf eine europäische Lösung warten, sondern muss voranschreiten.

      Wir rufen in Erinnerung: Ein Recht auf Schutz besteht nicht erst dann, wenn Verfolgung bereits erfolgt ist. Das Recht auf Schutz bedeutet, sich vor dem Erleiden von Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Schutz benötigen all diejenigen, die gegen den Krieg und somit aus Sicht des russischen Regimes Feind*innen sind.

      Gleichzeitig gilt: Eine Flüchtlingspolitik, die sich an den kurzfristigen Aufmerksamkeitsspannen für Krisensituationen orientiert, ist abzulehnen. Tagtäglich sterben Flüchtlinge oder verzweifeln auf der Balkan-Route, an der belarussisch-polnischen Grenze, in griechischen Flüchtlingslagern oder in den libyschen Folterlagern. Push-Backs erfolgen systematisch mit dem Wissen und der Zustimmung, zumindest aber dem  tatenlosen Zuschauen aller europäischen Regierungen.

      Wir fordern: Flüchtlinge müssen Zugang zum Recht auf Schutz haben. Die Verletzung dieses flüchtlingspolitischen Grundsatzes muss umgehend beendet werden.

      Wir fordern von der Bundesregierung und den Landesregierungen:

      Pressekontakte:
      Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Tel. 030-24 72 40 90
      Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Tel. 030-25 29 87 77

      Frankfurt, Berlin, 30.9.22

      PM als PDF

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      Migration & Asyl
      news-886Tue, 27 Sep 2022 12:00:49 +0200Wohnungen sichern durch effektiven Kündigungsschutz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wohnungen-sichern-durch-effektiven-kuendigungsschutz-886Offener Brief an Bundesjustizminister Dr. Buschmann, 28.9.22 Pressemitteilung dazu, 28.9.22Siehe auch die Pressemitteilung vom gleichen Tag hier unter dem Brief oder auch hier als PDF

      An

      Herrn Bundesminister der Justiz
      Dr. Marco Buschmann
      Mohrenstraße 37
      10117 Berlin

      Sehr geehrter Herr Minister Dr. Buschmann,

      bei den aktuellen Überlegungen zur Verbraucherentlastung müssen die Mieter*innen besonders in den Blick genommen werden. Bereits jetzt zeichnen sich hohe Sprünge bei den Warmwasser- und Heizkosten ab, die die Zahlungskraft dieser Menschen in wenigen Monaten zusätzlich stark beeinträchtigen werden. In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Zahlungsverzugskündigung eines der brisantesten wohnungspolitischen Problemfelder.

      Mietschulden gezahlt – Wohnung trotzdem verloren. Das darf nicht sein!

      Wenn Mietzahlungen von Mieter*innen (teilweise) ausbleiben, wird von Vermieterseite regelmäßig sowohl eine fristlose als auch hilfsweise eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen.

      Die bestehende gesetzliche Regelung gibt den Mieter*innen die Möglichkeit, innerhalb einer Schonfrist von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage den gesamten Mietrückstand auszugleichen und die fristlose Kündigung des Mietvertrages so unwirksam zu machen. Damit sollen die Mieter*innen trotz kurzzeitiger Zahlungsschwierigkeiten ihre Wohnung sichern können und gleichzeitig die Interessen der Vermieter*innen gewahrt werden.

      Diese „Heilung“ wirkt sich nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nur auf die fristlose Kündigung aus. Eine zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, die auf dem gleichen Zahlungsrückstand beruht, bleibt hingegen wirksam.

      Besonders in angespannten Wohnungsmärkten wird häufig wegen höherer Wiedervermietungsmieten von Vermieter*innen jede Möglichkeit genutzt, den Mietvertrag zu kündigen. Hierdurch geraten Personen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind, unter den enormen Druck drohender Wohnungslosigkeit.

      Ein Mietrückstand kann aber auch die Folge berechtigter Streitigkeiten um Mietminderungen, Mieterhöhungen nach Modernisierung oder Nachzahlungen von Betriebskosten sein. Die Kündigungsdrohung verschiebt solche Konflikte einseitig zu Lasten der betroffenen Mieter*innen. Darüber hinaus hebelt diese Rechtslage die sozialrechtlichen Schutzvorschriften zur Verhinderung von Obdachlosigkeit aus. Denn Mieter*innen können von den Sozialleistungsbehörden die Übernahme ihrer Mietschulden nur verlangen, wenn dadurch Wohnungslosigkeit vermieden wird. Da die Nachzahlung eine fristgerechte Zahlungsverzugskündigung aber nicht heilen kann, verweigern die Sozialleistungsbehörden regelmäßig die Übernahme von Mietschulden.

      Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig

      Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dieses Problem zu lösen. Durch Inflation und Energiekostenexplosion steigen die finanziellen Herausforderungen für Mieter*innen erheblich. Es wird vermehrt zu Mietrückständen kommen und betroffene Mieter*innen werden die dann drohenden Zahlungsverzugskündigungen nicht heilen können. Wenn dann aufgrund möglicherweise nur kurzfristiger finanzieller Engpässe das Mietverhältnis dauerhaft verloren ist, droht vielen Menschen die Wohnungslosigkeit. Das hätte ernste soziale Probleme für die ganze Gesellschaft zur Folge.

      Handeln Sie schnell! Stellen Sie gesetzlich klar, dass sich die „Heilungswirkung“ bei Begleichung aller Mietschulden auch auf die ordentliche Kündigung erstreckt. Der vergangene Wahlkampf hat bewiesen, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen und das Mietrecht zu den wichtigsten politischen Themen gehören. Die bereits vorliegenden Bundesratsinitiativen aus Hamburg, Brandenburg und Berlin könnten hierfür aufgegriffen werden.

      Mit erwartungsvollen Grüßen

      Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Berlin
      Berliner Mieterverein
      Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
      Der Paritätische Gesamtverband
      Deutscher Gewerkschaftsbund
      Deutscher Mieterbund
      Deutscher Mieterbund NRW
      Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe
      Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
      Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe
      im Deutschen Caritasverband
      Mieter helfen Mietern – Hamburger Mieterverein
      Mieter helfen Mietern – Münchner Mieterverein
      Mieter helfen Mietern – Nürnberger MieterInnengemeinschaft
      Mieter/-innen-Schutzverein Münster und Umgebung
      Mieterbund Darmstadt Region Südhessen
      Mieterladen Hannover
      Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend
      Mieterverein Dortmund und Umgebung
      Netzwerk Mieten & Wohnen
      Neue Richtervereinigung
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Straßenmagazin bodo in Dortmund und Bochum

      Der Brief als PDF

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      Pressemitteilung vom 28.9.22

      Eine deutliche Verbesserung des Kündigungsschutzes für Wohnungsmieter*innen ist dringend nötig

      Offener Brief von Mietervereinen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Jurist*innenverbänden an Justizminister Dr. Marco Buschmann

      Steigende Energiepreise und eine hohe Inflation bringen viele Menschen an ihre finanziellen Belastungsgrenzen. Spätestens mit den nächsten Heizkostenabrechnungen drohen Zahlungsrückstände, die im schlimmsten Fall zur Kündigung des Mietverhältnisses führen können, so dass vielen Menschen der Verlust von Wohnraum drohen könnte. »Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig« fordern daher Mieter*innenvereine, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Jurist*innenverbände in einem gemeinsamen Offenen Brief  an den Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann. Zwar diskutiert die Bundesregierung derzeit einen temporären Schutz durch Kündigungsmoratorien. Das ist aus Sicht der Unterzeichner*innen des offenen Briefes nicht genug: Viel wichtiger wäre die Möglichkeit, eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs durch Ausgleich des Mietrückstands abzuwenden.

      Bislang kann durch eine Nachzahlung des Mietrückstands nur die fristlose Kündigung geheilt werden, während die oft gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen bleibt. Der Wohnungsverlust droht dann ein paar Monate später, obwohl der Mietrückstand beglichen wurde.

      Benjamin Raabe, RAV:
      »Es besteht hier dringender Handlungsbedarf. Die Möglichkeit, eine Zahlungsverzugskündigung durch Ausgleich der Mietrückstände auszugleichen, gibt es seit nahezu 100 Jahren. Im Bedarfsfall zahlten die Wohlfahrtsbehörden, die übrigens von den Mietgerichten in jeder einzelnen Räumungsklage informiert werden. Seit der BGH-Entscheidung läuft dieses bisher gut funktionierende Schutzsystem leer. Alle, die damit beruflich zu tun haben, fordern eine Reform – übrigens auch der Bundesgerichtshof.«

      Dr. Rainer Tietzsch, Berliner Mieterverein:
      »Das Problem ist seit langem bekannt. Immer wieder haben Mieter*innen und Sozialverbände auf das Problem hingewiesen. In drei Bundesratsinitiativen wurde das Problem thematisiert – bislang erfolglos. Auf Grund der Energiepreissteigerung und der davon galoppierenden Inflation wird der Handlungsbedarf deutlicher denn je.«

      Werena Rosenke, BAG Wohnungslosenhilfe e.V.
      »Jeder Wohnungsverlust muss verhindert werden, daher hat der Gesetzgeber dafür zu sorgen, dass bei einer Mietschuldenbefriedigung nicht nur die außerordentliche Kündigung, sondern auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses geheilt ist. Wir erwarten, dass die im Koalitionsvertrag versprochene Änderung im Mietrecht umgesetzt wird.«

      Hier der Offene Brief an den Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann.

      Kontakte:
      Rechtsanwalt Benjamin Raabe, raabe@jrr-berlin.de, 030-780 96 66 20
      Rechtsanwalt Henrik Solf,  solf@schoenhauser.berlin, 030-442 93 86

      PM als PDF

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      KündigungsschutzMietrecht
      news-885Mon, 19 Sep 2022 18:41:45 +0200Privatsphäre ist Grundrecht<br />Keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/privatsphaere-ist-grundrecht-keine-anlasslose-vorratsdatenspeicherung-von-ip-adressen-885Offener Brief des AK-Vorrats und weiteren zeichnenden Organisationen/Personen an Innenministerin Faeser, Justizminister Buschmann, Familienministerin Paus sowie an Bundesvorsitzende von SPD, Grüne und FDP, 19.9.2022Die aktuellen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung, deren Anwendung seit Juli 2017 nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ausgesetzt sind, verpflichten öffentlich zugängliche Internetzugangsdienste zur pauschalen Speicherung aller IP-Adressen, die den Endnutzer:innen für eine Internetnutzung zugewiesen wurden, inklusive einer eindeutigen Kennung des Anschlusses, einer zugewiesenen Benutzerkennung sowie Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung. Im Falle von Internet-Sprachkommunikationsdiensten müssten auch die IP-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und die zugewiesene Benutzerkennungen gespeichert werden.

      Am 20. September wird der Gerichtshof der Europäischen Union seine Entscheidung über das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verkünden. In den darauf folgenden Monaten geht es um die Erfüllung des Koalitionsvertrags [1]. Die Bundesregierung will sich laut Vertrag von der Überwachungspolitik der Vorgängerregierung konsequent abwenden und die „Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.“

      Koalitionsvertrag einhalten!
      Der Koalitionsvertrag schließt jede Form der anlasslosen Speicherung der Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger aus. Das betrifft auch die von der Bundesinnenministerin erhobene Forderung [2] nach der Einführung einer anlasslosen und pauschalen IP-Vorratsdatenspeicherung. Wir rufen Sie auf, die Versprechen des Koalitionsvertrags gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einzuhalten!

      Schwerer Eingriff in die Grundrechte: IP-Daten bedingen Verfolgung und Profilbildung von Menschen
      Regierungen, Parlamente und große Teile der Bevölkerung unterschätzen das Risiko von IP-Adressen für das tägliche Leben. In seinem Urteil aus Oktober 2020 (La Quadrature du Net) betont der EU-Gerichtshof die Sensibilität von IP-Daten: „Da die IP-Adressen jedoch insbesondere zur umfassenden Nachverfolgung der von einem Internetnutzer besuchten Internetseiten und infolgedessen seiner Online-Aktivität genutzt werden können, ermöglichen sie die Erstellung eines detaillierten Profils dieses Nutzers. Die für eine solche Nachverfolgung erforderliche Vorratsspeicherung und Analyse der IP-Adressen stellen daher schwere Eingriffe in die Grundrechte des Internetnutzers aus den Art. 7 und 8 der Charta dar und können abschreckende Wirkungen wie die in Rn. 118 des vorliegenden Urteils dargelegten entfalten.
      Zuletzt bestätigte eine Studie[3] zu Privatsphäre und IPv6-Adressen, dass IP-Adressen trotz Vorkehrungen zum Datenschutz eindeutige und dauerhafte Tracking-Identifikatoren sein können.

      IP-Vorratsdatenspeicherung ist ungeeignet für den Schutz von Kindern
      In Deutschland werden Forderungen nach massenhafter Speicherung von Kommunikationsdaten hauptsächlich mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt begründet. Im November 2021 hatte der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung gemeinsam mit zehn weiteren Bürgerrechts- und Berufsverbänden dargelegt, warum Vorratsdatenspeicherung zum Schutz von Kindern ungeeignet [4] ist. Im Januar 2022 bestätigte eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage zudem, dass Vorratsdatenspeicherung nicht notwendig ist. Laut Daten des Bundeskriminalamts [5] konnten nur 3 % alle Fälle der „Nutzung, des Handels oder der Verbreitung von Kinderpornographie in den Jahren 2017 bis 2021“ aufgrund nicht vorhandener IP-Adressen nicht weiter verfolgt werden.
      Im April 2022 kritisierte gegen-missbrauch e.V. [6]: „(…) das Problem ist nicht die [fehlende Vorratsdatenspeicherung], sondern, das[s] die Ermittlungsbehörden vom Personal und der Ausstattung noch im 19. Jahrhundert sind, und Täter:innen tatsächlich im Jahr 2022“.

      Vorratsdatenspeicherung hilft nicht für mehr Sicherheit
      Der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung (AKV) betont in seiner Analyse [7] einer Studie[8] des Max-Planck-Instituts aus 2011:
      Dass Straftäter heutzutage oftmals elektronisch statt wie früher mündlich oder postalisch kommunizieren, bedeutet also nicht, dass die Benutzung der Kommunikationsnetze total nachvollziehbar sein müsste, wie es auch bei der mündlichen und postalischen Kommunikation nie der Fall gewesen ist.“ Der AKV hebt hervor: „Im Jahr 2020 wurde die Verbreitung pornografischer Schriften laut Kriminalstatistik zu 91,3% aufgeklärt - ohne dass eine Pflicht zur IP-Vorratsdatenspeicherung in Kraft ist!
      Die Studie kommt daher zu dem Ergebnis: „Insbesondere gibt es bislang keinen Hinweis dafür, dass durch eine umfängliche Verfolgung aller Spuren, die auf das Herunterladen von Kinderpornografie hindeuten, sexueller Missbrauch über den Zufall hinaus verhindert werden kann.“ (221f)
      Umgekehrt gilt, dass anonyme Kommunikation Kinder schützt, indem sie anonyme Beratung, Selbsthilfe und Strafanzeigen ermöglicht.

      Kinderschutz geht ohne Massenüberwachung
      Anstelle von Massenüberwachung sind es gezielte und unmittelbare Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche schützen können. Dazu gehören bessere und schnellere gezielte Ermittlungen, Schutz- & Präventionskonzepte an Schulen und kirchlichen Einrichtungen sowie die Stärkung der Kompetenzen von Kontaktpersonen in Behörden, Beratungsstellen und öffentlichen Einrichtungen.

      Vorratsdatenspeicherung trifft unschuldige Bürger:innen
      Während sich Kriminelle technisch vor Massenüberwachung schützen können, würde eine pauschale Vorratsdatenspeicherung vor allem rechtstreu lebenden Menschen erfassen und schwer in ihren Grundrechten verletzen. Überwachung muss in einer Demokratie die Ausnahme bleiben und darf niemals zum Standard werden.

      Recht auf vertrauliche Internetnutzung
      Die vertrauliche und anonyme Internetnutzung ist für die Meinungs- und Informationsfreiheit unerlässlich. Eine generelle und verdachtslose Vorratsspeicherung unserer Identität und IP im Internet würde das Ende der Anonymität im Internet bedeuten. Sie würde es den meisten Bürger:innen unmöglich machen, das Internet frei vom Risiko staatlicher Beobachtung (z.B. auch wegen eines falschen Verdachts), missbräuchlicher Offenlegung durch Mitarbeiter:innen des Anbieters und versehentlichen Datenverlustes zu nutzen. Dadurch hätte eine IP-Vorratsdatenspeicherung unzumutbare Folgen, wo Menschen nur im Schutz der Anonymität überhaupt bereit sind, sich in einer Notsituation beraten und helfen zu lassen (z.B. Opfer und Täter:innen von Gewalt- oder Sexualdelikten), ihre Meinung trotz öffentlichen Drucks zu äußern oder Missstände bekannt zu machen (Presseinformanten, anonyme Strafanzeigen, ausländische Dissidenten). Bürger:innen müssen die Möglichkeit haben, sich anonym mit Journalist:inn:en, Behörden, Anwaltskanzleien, Beratungsstellen und Ärzt:inn:en auszutauschen, ohne dabei rückverfolgt werden zu können.

      Massenüberwachungsfreie Politik
      Wir fordern Sie auf, den Koalitionsvertrag umzusetzen, die Freiheitsrechte der Bevölkerung zu schützen und langfristig den Weg einer massenüberwachungsfreien Politik einzuschlagen.
      Stoppen Sie die Vorratsdatenspeicherung, schützen Sie Telefon- und auch Internetnutzer:innen!

      Erstunterzeichnende Organisationen und Personen
         •   Aktion Freiheit statt Angst e.V.
         •   AlgorithmWatch
         •   Deutsche Aidshilfe
         •   Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD)
         •   DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG
         •   DieDatenschützerRhein-Main
         •   Digitalcourage e.V.
         •   Digitale Gesellschaft e. V.
         •   Dr. Rolf Gössner, Jurist/Publizist, Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte
         •   Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V.
         •   freiheitsfoo / freiheitsfoo.de
         •   Humanistische Union e.V.
         •   Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
         •   mailbox.org – Heinlein Hosting GmbH
         •   Monique Hofmann – Bundesgeschäftsführerin Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
         •   Netzwerk Recherche
         •   Neuen Richtervereinigung e.V., Bundesvorstand
         •   openPetition
         •   Peter Leppelt – Mitglied des Digitalrat Niedersachsen
         •   Prof. Dr. Clemens Arzt – FÖPS Berlin - Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheit (Gründungsdirektor)
         •   Prof. Dr. Fredrik Roggan – Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg
         •   Prof. Dr. Ira Diethelm – Carl von Ossietzky Universität
         •   Prof. Dr.-Ing. Tibor Jager – Bergische Universität Wuppertal
         •   Prof. Thorsten Holz – CISPA Helmholtz Center for Information Security
         •   Reporter ohne Grenzen e. V. / Reporters Without Borders (RSF) Germany
         •   Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

      Fußnoten:
      1 https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/
      2 https://www.deutschlandfunk.de/nancy-faeser-spd-innenminister-konferenz-sicherheit-katastrophenschutz-100.html
      3 https://dl.acm.org/doi/10.1145/3544912.3544915
      4 http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/799/1/lang,de/
      5 https://dserver.bundestag.de/btd/20/005/2000534.pdf#page=39
      6 https://twitter.com/echo_pbreyer/status/1518620276648558592
      7 http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/537/55/lang,de/%20
      8 https://grundrechte.ch/2013/MPI_VDS_Studie.pdf

      Brief als PDF

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      DatenÜberwachung
      news-884Mon, 19 Sep 2022 09:54:33 +0200Forderung an die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen: Recht auf Familiennachzug umsetzen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/forderung-an-die-bundesregierung-und-die-koalitionsfraktionen-recht-auf-familiennachzug-umsetzen-884Berlin, zum Weltkindertag am 20. September 2022Die über 20 unterzeichnenden Organisationen und Verbände beraten und begleiten Geflüchtete und Migrant:innen in In- und Ausland täglich selbst oder durch Partnerorganisationen in ihren Familiennachzugsverfahren oder setzen sich politisch für ihre Belange ein. Hierbei erleben wir, wie die jahrelangen Verfahren, die vielen Hürden und die gesetzlichen Verschärfungen der letzten Jahre die Menschen zermürben und Inklusion oft unmöglich machen. Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen deshalb mit Nachdruck auf, die im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen beim Familiennachzug in dem nächsten Gesetzesentwurf vollumfänglich umzusetzen. Dabei muss der Verwirklichung des Grundrechts auf Familienleben der Betroffenen und der vorrangigen Achtung des Kindeswohl der beteiligten Kinder die oberste Priorität eingeräumt werden.

      Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen fordern daher folgende Reformen im nächsten Gesetzespaket zum Asyl- und Aufenthaltsrecht:

      1. Den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wiederherstellen.
      2. Den Rechtsanspruch für Geschwister beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verankern.
      3. Die aktuellen EuGH-Urteile bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit für volljährig werdende und bereits im Verfahren volljährig gewordene Minderjährige umsetzen.
      4. Administrative Hürden im Visumsverfahren abbauen durch digitale Antragstellung und ausreichende Finanzierung.
      5. Das Erfordernis von Sprachkenntnissen vor der Einreise generell abschaffen.


      Kein Ankommen in Deutschland ohne die Familie!

      Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK).1 Die Zusammenführung von vor oder während der Flucht unfreiwillig getrennten Familien ist für eine schnelle und effektive Inklusion von Geflüchteten im Aufnahmestaat erforderlich, denn sie bietet emotionalen, sozialen und wirtschaftlichen Schutz. Doch nicht alle Familien können nach der jetzigen Rechtslage zusammengeführt werden.

      Für subsidiär Schutzberechtigte wurde der Familiennachzug 2016 für zwei Jahre komplett ausgesetzt. Seit dem 1. August 2018 ist die Regelung in Kraft, nach der pro Monat maximal 1000 Menschen im Rahmen des Familiennachzugs zu ihrer engsten Familie nach Deutschland kommen dürfen. Einen Anspruch auf Familiennachzug haben subsidiär Schutzberechtigte in Deutschland seither nicht mehr. Das trifft u.a. Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die genauso wie anerkannte Flüchtlinge auf absehbare Zeit nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Hier werden vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt, ohne dass es einen sachlichen Grund gibt.

      Alleinreisende schutzberechtigte Minderjährige können nur ihre Eltern, nicht aber ihre Geschwister nachziehen lassen. Dies gilt in den meisten Bundesländern und Landkreisen auch dann, wenn sie gemeinsam mit den nachzugsberechtigen Eltern nach Deutschland ziehen wollen, selbst wenn das Geschwisterkind ein Kleinkind ist. Früher wurde trotz fehlender spezifischer Rechtsgrundlage der Nachzug der Geschwister bundesweit in der Regel ermöglicht. Seit 2016 herrscht hier eine restriktive Verwaltungspraxis. Für die Familien bedeutet dies beim Familiennachzug oft dramatische und langfristige Familientrennungen, die vor allem für die betroffenen Kinder und Jugendlichen eine gravierende psychische Belastung darstellen und ihre Entwicklung beeinträchtigen können. Eltern müssen sich entscheiden, welches ihrer Kinder sie allein lassen, eine unmenschliche Praxis.

      Familiennachzugsverfahren über viele Jahre(2) sind derzeit der Regelfall. Diese Dauer erzeugt großes menschliches Leid und ist nicht akzeptabel. Obgleich das deutsche Aufenthaltsrecht international Schutzberechtigten das Recht auf den Nachzug ihrer Familien gewährt und die Familienzusammenführungsrichtlinie (2003/86/EG) diesen Familien in vielerlei Hinsicht einen privilegierten Verfahrensablauf zuerkennt, haben viele Familien in der Praxis nur bedingten Zugang zu diesem Recht. Überlange Wartezeiten auf Termine, Reisebeschränkungen und überlange Bearbeitungszeiten bei den Botschaften verzögern den Familiennachzug für viele Familien außerordentlich und verhindern mitunter die Wiederherstellung der Familieneinheit ganz.

      Dabei ist der Familiennachzug eine der wenigen sicheren Zugangswege nach Deutschland. Wird er über Jahre verzögert oder ganz verhindert, sehen sich viele Angehörige, häufig Frauen und Kinder, angesichts prekärer Lebensumstände in Heimat- oder Transitländern gezwungen, auf gefährlichen und irregulären Wegen nach Europa zu kommen.

      Im Koalitionsvertrag wird angekündigt, die Familienzusammenführung zu subsidiär Geschützten wie schon 2015 mit der zu nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannten Flüchtlingen gleichzustellen und beim berechtigten Elternnachzug zu unbegleiteten Minderjährigen auch die minderjährigen Geschwister nicht zurückzulassen. Zum Ehepartner oder zur Ehepartnerin nachziehende Personen sollen laut Koalitionsvertrag den erforderlichen Sprachnachweis auch erst nach ihrer Ankunft erbringen können. Ferner hat der EuGH am 1. August 2022 in zwei wichtigen Urteilen zu Deutschland entschieden, dass der Anspruch auf Familiennachzug auch dann fortbesteht, wenn die Kinder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig waren und im Laufe der Verfahren volljährig wurden.

      Im Einzelnen:

      1. Den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wiederherstellen

      Streichung von § 36a AufenthG und vollumfängliche Anpassung der Rechtstellung subsidiär Schutzberechtigter in §§ 29 ff. an die Rechtsstellung der nach der GFK anerkannten Flüchtlinge durch Streichung der Beschränkungen auf die Flüchtlingsanerkennung und Erweiterung auf den subsidiären Schutz.

      Das Aufnahmeverfahren nach § 36a AufenthG ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand und komplizierten Abstimmungsverfahren der beteiligten Institutionen verbunden. Zudem wurde das Kontingent seit seiner Einführung nicht einmal ausgeschöpft.(3) Ferner ist die Abwägung, laut Gesetzesbegründung, einen Ausgleich zwischen der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit Deutschlands und den Interessen der Betroffenen an der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zu schaffen, menschenrechtlich nicht zu rechtfertigen. Die in der Debatte eingebrachten viel zu hohen Zahlen der durch Familiennachzug zu erwartenden Ankünfte in Deutschland haben sich als falsch erwiesen.(4) Vielmehr sind Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in einer so ähnlichen Situation, oft auch aus dem gleichen Herkunftsland, dass nur ein gleichberechtigter Anspruch beim Familiennachzug angemessen ist.

      2. Den Rechtsanspruch für Geschwister beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verankern

      Berücksichtigung des Geschwisternachzugs zu unbegleiteten minderjährigen Schutzberechtigten durch Änderung von § 36 Abs. 1 AufenthG und Folgeanpassung in § 34 AufenthG.

      Die Beziehung von Geschwistern untereinander ist im Kontext des Familiennachzugs bisher vom Konzept der Kernfamilie nicht erfasst. Dies steht jedoch den Vorgaben des Grundgesetzes sowie dem Europa- und Völkerrecht entgegen, insbesondere dem Recht auf Familie und zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls(5). Denn Geschwister gehören grund- und menschenrechtlich zur Kernfamilie. Selbst im deutschen Familienrecht werden Geschwister zur Familie im engeren Sinne gezählt und ihre Beziehungen untereinander unter einen besonderen rechtlichen Schutz gestellt, genauso beim Rechtsanspruch auf Familienasyl (vgl. § 26 Abs. 3 AsylG). Für die Einheit der Rechtsordnung empfiehlt es sich somit, auch beim Familiennachzug Geschwister untereinander den grund- und menschenrechtlich verankerten Nachzug zu gewähren. Dazu sollte der Anspruch auf Elternnachzug in § 36 Abs. 1 AufenthG um die Geschwister erweitert werden. Eltern sollten nicht gezwungen werden, zu entscheiden, ob sie ein Kind im Ausland zurücklassen oder auf die Wiedervereinigung mit dem anderen Kind in Deutschland verzichten.


      3. Die aktuellen EuGH-Urteile bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit für volljährig werdende und bereits im Verfahren volljährig gewordene Minderjährige umsetzen

      Für den Elternnachzug zu Minderjährigen und den Kindernachzug zu Eltern kommt es auf das Alter bei Asylantragstellung an.

      Nach den eindeutigen und klaren Aussagen des EuGHs in den Verfahren C-273/20 und C-355/20 ist beim Elternnachzug für Minderjährige auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen. Das Recht auf Familienzusammenführung darf nicht von »zufälligen und nicht vorhersehbaren Umständen abhängig gemacht werden, die voll und ganz im Verantwortungsbereich der zuständigen nationalen Behörden und Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats liegen,“ urteilte der EuGH am 1. August 2022. Zudem stellte er fest, dass im deutschen Aufenthaltsrecht eine Grundlage für den Verbleib der Eltern fehlt, nachdem ihr Kind volljährig geworden ist (Rn. 51). Für den Kindernachzug hat der EuGH am gleichen Tag im Verfahren C-279/20 ebenso entschieden, dass nur das Abstellen auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung für die Feststellung der Minderjährigkeit mit der Grundrechtecharta der EU im Einklang steht (Rn. 52).

      Die deutsche Praxis und bisherige Rechtsprechung ist damit europarechtswidrig und muss sofort angepasst werden. Die Entscheidungen des EuGHs waren nach einem ähnlichen Urteil zum Elternnachzug in einem Verfahren aus den Niederlanden aus dem Jahr 2018 auch erwartbar. In den letzten vier Jahren haben einige Familien aufgrund der - wie nun bestätigt - falschen Rechtsauffassung der Bundesregierung erst gar keinen Antrag auf Familiennachzug gestellt oder gegen eine Ablehnung nicht geklagt. Für sie muss nun eine kulante Lösung gefunden werden, etwa indem ein erneuter Antrag ermöglicht wird. Darüber hinaus muss in Umsetzung des Urteils des EuGHs gesetzlich verankert werden, dass die Nachziehenden unabhängig vom Alter der Stammberechtigten einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr haben.

      4. Administrative Hürden im Visumsverfahren abbauen durch digitale Antragstellung und ausreichende Finanzierung

      Beim Zugang zu deutschen Auslandsvertretungen muss der Rechtsanspruch auf Familieneinheit effektiv gewährleistet werden. Wartezeiten auf einen Termin bei einer deutschen Auslandsvertretung sollten bei maximal 3 Monaten liegen. Die Bearbeitungsdauer darf insgesamt neun Monate nicht überschreiten. Die Dokumentenbeschaffung muss flexibel gestaltet werden, wenn sie ansonsten nicht durchführbar ist. Die Visumsverfahren bei den Auslandsvertretungen müssen digitalisiert werden.


      Diese Forderung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund der Vorgaben der EU-Richtlinie zum Recht auf Familienzusammenführung (Art. 5 Abs. 4 2003/86/EG), nach denen die Bearbeitungszeit von Anträgen grundsätzlich nicht länger als neun Monate dauern darf. Der Staat darf sich dieser gesetzlichen Verpflichtungen nicht entziehen, indem die Möglichkeit der Rechtsinhaber:innen, entsprechende Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen, über längere Zeit nicht ermöglicht oder gar ganz vereitelt wird. Alle Maßnahmen zur Verfahrensvereinfachung und Kapazitätserhöhung müssen ergriffen werden, um jahrelange Familientrennungen zu vermeiden. Insbesondere müssen dem Auswärtigen Amt die notwendigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden, um die Visaverfahren zum Familiennachzug zu digitalisieren und angemessen zu beschleunigen. Die angekündigte zehnprozentige Mittelkürzung im Haushalt des Auswärtigen Amtes ist inakzeptabel und muss zurückgenommen werden.

      Sollte eine persönliche Vorsprache in einer deutschen Auslandsvertretung nicht oder auf nicht zumutbare Weise möglich sein, sollte auf bestehende Alternativen zurückgegriffen werden:

      5. Das Erfordernis von Sprachkenntnissen vor der Einreise generell abschaffen

      Streichung des Erfordernisses des Sprachnachweises vor Einreise im § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sowie in § 32 Abs. 2 AufenthG.


      Das Erfordernis des Sprachnachweises vor der Einreise führt zu erheblichen Härten für viele Paare und Familien. Gründe für den Nichterwerb der deutschen Sprache gibt es viele, z.B. können Zugänge zu Sprachkursen erheblich eingeschränkt oder geographisch schlecht erreichbar sein. Sprachen erlernen sich am besten dort, wo sie gesprochen werden. Ferner gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung die Streichung des Erfordernisses des Sprachnachweises, denn der Sprachnachweis wird bei Hochqualifizierten und Unionsbürgern und laut dem aktuellen Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht bald auch bei Fachkräften nicht mehr gefordert. Diese Ungleichbehandlung ist bei dem grundrechtlich geschützten Recht auf Familieneinheit nicht nachvollziehbar und sollte noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren korrigiert werden.

      Berlin, den 20. September 2022

      amnesty international
      Ärzte ohne Grenzen
      AWO Bundesverband
      Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
      Deutscher Anwaltverein AG Migrationsrecht
      Der Paritätische Gesamtverband
      Deutscher Caritasverband
      Deutsches Kinderhilfswerk
      Deutsches Rotes Kreuz
      Diakonie Deutschland
      epcat Deutschland
      Equal Rights Beyond Borders
      Internationaler Bund
      Jesuiten Flüchtlingsdienst
      Jumen
      National Coalition Deutschland
      Neue Richtervereinigung
      PRO ASYL
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Save the Children
      SOS Kinderdorf
      terre des hommes
      Verband Binationaler Familien und Partnerschaften

       

      (1) Zur rechtlichen Definition des Familienbegriffs: https://familie.asyl.net/fileadmin/user_upload/pdf/Wer_gehoert_zur_Familie.pdf
      (2) siehe Antwort auf kleine Anfrage der Linken, zuletzt Drucksache 19/30793
      (3) epd Juli 2022 https://www.evangelisch.de/inhalte/203977/29-07-2022/kontingent-fuer-familiennachzug-wird-weiter-nicht-ausgeschoepft
      (4) IAB, Brücker Oktober 2017 https://www.iab-forum.de/familiennachzug-150-000-bis-180-000-ehepartner-und-kinder-von-gefluechteten-mit-schutzstatus-leben-im-ausland/
      (5) Im Grundgesetz schützt Art. 6 das Recht auf Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern. Auch das Völkerrecht schützt das Geschwisterverhältnis und unterstützt einen erweiterten Familienbegriff. Die Kinderrechtskonvention betrachtet die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft und natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder. Auch die Beziehung der Geschwister untereinander wird dabei in besonderem Maße als schutzwürdig betrachtet. Auch die europäische Menschenrechtskonvention schützt in Art. 8 EMRK die Beziehung der Geschwister untereinander. In den Rechtsakten zum gemeinsamen europäischen Asylsystem wird gleichfalls ein erweiterter Familienbegriff bevorzugt. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Dublin-III-VO haben Geschwister von unbegleiteten Minderjährigen beispielsweise ein Recht auf innereuropäische Familienzusammenführung auf derselben Stufe wie die Eltern.

      Die Forderungen im PDF

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      Migration & Asyl
      news-883Wed, 07 Sep 2022 09:18:17 +0200Es geht um die Menschenwürde<br />Einmalzahlungen sind nicht ausreichend/publikationen/mitteilungen/mitteilung/es-geht-um-die-menschenwuerde-einmalzahlungen-sind-nicht-ausreichend-883Stellungnahme des RAV zur sozialen Krise und zum Dritten Entlastungspaket der Bundesregierung. 7.9.22 Es geht um die Menschenwürde
      Es gibt ein Existenzminimum; ein Mindestmaß an Einkommen, was jeder und jedem zusteht, um ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dieses zu gewährleisten ist zentraler Leitpunkt des Grundgesetzes, Ausgangspunkt sämtlichen staatlichen Handelns. So das Idealbild. Schon das vom Bundesverfassungsgericht als noch zulässig erachtete Minimum dessen, was einer Person im Monat zustehen muss, ermöglicht in der Praxis nur schwer ein menschenwürdiges Leben. Eine Vielzahl der Einkommen – Hartz IV, Mindestlöhne, Renten, Asylbewerberleistungen, BAföG – werden bei den jetzigen Preissteigerungen und den kommenden Gas-, Energie- und Heizkostenrechnungen das Minimum, das allen zusteht, nicht mehr gewährleisten.

      Es geht um die Existenz
      Die Lebenshaltungskosten steigen rasant. Kosten für Lebensmittel, Benzin, Fortbewegung und Miete steigen in einem lang nicht gekannten Maße. Die Kosten für Energie und Heizung treiben die Inflation in die Höhe und sind dabei noch nicht mal richtig bei den Verbraucher*innen angekommen. Das wahre Ausmaß der Preissteigerungen wird erst im Herbst und bei den nächsten Betriebskostenabrechnungen erkennbar werden.

      Besonders hart treffen die explodierenden Kosten Leute mit geringem Einkommen: Empfänger*innen von Transferleistungen, Rentner*innen und Geringverdienende. Mit den jetzigen Einkommen werden die Preissteigerungen nicht kompensiert werden können. Millionen haben kein Vermögen, keine Rücklagen, die angezapft werden können, um Engpässe zu überbrücken. Für sie geht es um die Existenz.

      Es geht um Gerechtigkeit
      Das menschenwürdige Existenzminimum ist nicht verhandelbar. Es steht nicht zur Disposition der Regierung. Es stellt eine Grenze dar, die nicht unterschritten werden kann.
      Diese Grenze, das Mindeste, was der Staat zu gewährleisten hat, diese Grenze wird gerade massiv unterschritten – für einen immer größeren Teil der Bevölkerung. Sämtliche Maßnahmen, die auf Einmalzahlungen hinauslaufen oder auf die Deckelung bestimmter Kosten, wie bspw. bei Energie und Gas, können nur Teile der Last minimieren und auch nur für einen bestimmten Zeitraum.

      »Die jetzige Situation macht grundsätzliche Änderungen nötig. Ein menschenwürdiges Leben setzt ein menschenwürdiges Einkommen voraus. Hierzu bedarf es einer sofortigen und strukturellen Änderung der Einkommenslage großer Teile der Bevölkerung« sagt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV. Einmalzahlungen, wie sie jetzt im Dritten Entlastungspaket der Bundesregierung vorgesehen sind, reichen nicht aus. Es bedarf weiter auch einer gerechten Verteilung der Lasten. Während Teilen der Bevölkerung die Verelendung droht, machen einige Unternehmen Milliardengewinne. Der Übergewinn muss – wie es auch in anderen Ländern passiert – abgeschöpft und zur Finanzierung von Ausgleichmaßnahmen herangezogen werden.

      Die Notlage tritt nicht erst ein, wenn die Energierechnungen kommen, die Notlage ist schon jetzt da. Die Inflation macht für viele schon jetzt ein Leben in Würde unmöglich. Anpassender Maßnahmen bedarf es jetzt und nicht erst im Herbst.

      Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert die Umsetzung der folgenden Maßnahmen:

      Diese Maßnahmen müssen jetzt erfolgen. Sollte dies zeitnah nicht möglich sein, sind Sofortzahlungen zu leisten, um unverzüglich eine menschenwürdige Existenz für alle zu gewährleisten.

      Stellungnahme als PDF

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      PressemitteilungStellungnahmenBürger- und Menschenrechte
      news-882Mon, 29 Aug 2022 13:39:33 +0200Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-ueberarbeitung-des-sanktionenrechts-ersatzfreiheitsstrafe-strafzumessung-auflagen-und-weisungen-sowie-unterbringung-in-einer-entziehungsanstalt-882RAV-Stellungnahme zum RefE des Bundesministeriums der Justiz, 24.8.22Stellungnahme des RAV zum RefE des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
      vom 13. Juli 2022

      Verfasser*innen: Ursula Groos, Rechtsanwältin, Berlin; Alexander K. Esser, Rechtsanwalt, München; Dr. iur. Lukas Theune, Rechtsanwalt, Berlin; Conrad Zimmer, Rechtsanwalt a. D., Berlin; Prof. Dr. iur habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt, Bremen


      Vorbemerkung
      Das Sanktionenrecht bedarf in der Tat dringend der Überarbeitung, nicht nur, aber auch in den hier zunächst behandelten vier Themenfeldern. Dies umso mehr, als sich die ‚Kriminalpolitik‘ des Bundes in den letzten Jahren allzu sehr der Kriminalisierung und Strafverschärfung sowie der Sicherheitspolitik verschrieben hatte.
      In diesem Sinne ist der vorliegende RefE grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Verheißungen aus dem Koalitionsvertrag der „Fortschrittskoalition“ (dort S. 106), das Sanktionensystem „einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen“ zu überarbeiten „mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“, hätten gleichwohl mehr Mut zum Fortschritt erwarten lassen.

      I. Ersatzfreiheitsstrafe

      Der RefE setzt das o.g. Versprechen aus dem Koalitionsvertrag in Bezug auf das vielfach auch grundsätzlicher Kritik ausgesetzte System der Ersatzfreiheitsstrafen allzu pragmatisch um. Die vorgeschlagene Regelung (zu § 43 StGB; zu anderen Änderungsvorschlägen s.u.) halbiert lediglich die Anzahl der Tage, die zu einer Geldstrafe Verurteilte als Haftstrafe absitzen müssen, die kein Gericht je gegen sie verhängt hat. Das ist allenfalls ein halber Schritt in die richtige Richtung. Von einer gründlicheren Überarbeitung kann indes keine Rede sein, und das ist zu bedauern, denn einer solchen bedürfte es.

      Der RAV fordert ganz grundsätzlich, die Ersatzfreiheitsstrafe abzuschaffen. Dazu im Einzelnen:

      1.
      In Art. 104 Abs. 2 GG heißt es:
      „Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden.“

      Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Ersatzfreiheitsstrafe als mit der Verfassung vereinbar eingestuft (vgl. etwa Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats v. 24.08.2006 - 2 BvR 1552/06), denn „der Richter“ – selbstverständlich auch Richter*innen – würde bereits mit der Festlegung der Tagessätze einer Geldstrafe inzidenter auf eine (Ersatz)Freiheitsstrafe erkennen für den Fall der Nichteinbringlichkeit der Geldstrafe.

      Diese Auffassung halten wir für verfehlt. Im Urteilszeitpunkt geht das erkennende Gericht von der Einbringlichkeit der Geldstrafe aus und hält eine Freiheitsstrafe – gerade auch im Lichte des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB – für unangemessen. Es hat überdies keinerlei Kenntnis davon, aus welchen Gründen die Geldstrafe letztlich durch die verurteilte Person ggf. nicht gezahlt werden kann. Insofern ist das System der Ersatzfreiheitsstrafe aus unserer Sicht nicht mit Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG zu vereinbaren. § 43 StGB findet in der Hauptverhandlung auch gar keine Erwähnung, das Gericht ist noch nicht einmal verpflichtet, entsprechend zu belehren (und tut dies in aller Regel auch nicht). Das Gericht verliert mit anderen Worten über die „Zulässigkeit … einer Freiheitsentziehung“ gar kein Wort.

      2.
      Der RAV teilt im Übrigen die Auffassung, dass jedenfalls eine vorherige mündliche Anhörung vor der Entscheidung, nunmehr eine Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen, durch ein Gericht verfassungsrechtlich geboten wäre (zumal [zu] viele Ersatzfreiheitstrafen auf Strafbefehlen basieren, vgl. Blessing/Daiqui 2022, https://verfassungsblog.de/ohne-anhorung-ins-gefangnis/). Dies wäre etwa durch eine Neuformulierung der §§ 459e und 459f StPO zu erreichen; der RAV schlägt hier vor:

      Statt bisher (in § 459e StPO) „(1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt. (2) Die Anordnung setzt voraus …“ nunmehr neu:
      (1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Antrag der Vollstreckungsbehörde vollstreckt. (2) Die Anordnung erfolgt durch das Gericht nach mündlicher Anhörung der verurteilten Person und setzt voraus …. Die Anordnung unterbleibt, wenn die Vollstreckung für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre.

      § 459f StPO würde damit entfallen. Damit wäre sichergestellt, dass – in Strafbefehlsverfahren erstmals – ein Gericht prüft, ob tatsächlich unter Schuldgesichtspunkten eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann, denn nichts anderes ist die Ersatz-Freiheitsstrafe de facto.

      Das Gericht sollte zudem die Befugnis erhalten, auf der Grundlage neuer Erkenntnisse über die „persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ der verurteilten Person (vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 StGB) die Höhe des jeweiligen Tagessatzes zu reduzieren.

      3.
      Auf der Grundlage schriftlicher Strafbefehlsverfahren sollte es niemals zur Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe kommen.

      Ungeachtet dessen setzt sich der RAV dafür ein, dass in Strafbefehlsverfahren immer eine Pflichtverteidigung bestellt wird. Denn in vielen Fällen handelt es sich bei den Verurteilten um Menschen, die nicht der deutschen Sprache und/oder nicht der Schriftsprache mächtig sind, die keinen Zugang zur Schriftsprache haben, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht verstehen etc. Dem abzuhelfen ist am ehesten möglich über eine parteiische Verteidigung, die sich für die Interessen der Beschuldigten einsetzt, ihnen den Inhalt der Strafbefehle erklärt und gemeinsam mit ihnen bespricht, ob Einspruch eingelegt (und ggf. beschränkt) werden soll.

      Eine solche Pflichtverteidigung wäre auf das Vollstreckungsverfahren nach (nicht selten vermeintlicher) Rechtskraft des Strafbefehls zu erstrecken.

      4.
      Bereits jetzt kann die Ersatzfreiheitstrafe durch Verurteilte abgewendet werden, wenn diese die Tilgung durch die Erbringung von Arbeitsleistungen vollbringen, Art. 293 EGStGB. Dies ist bislang eine Möglichkeit, die nur Verurteilte wahrnehmen können, die in der Lage sind, einen solchen Antrag bei der Staatsanwaltschaft zu stellen und sich dann selbstständig mit einem Träger, der dies anbietet, oder mit der Gerichtshilfe in Verbindung zu setzen. Auch hier sollte die Koalition mit Änderungen ansetzen, die über die geplante Erweiterung der Hinweispflichten (§ 459e Abs. 2 S. 2 neu) hinausgehen. Ein neuer § 459f StPO (nach Streichung des bisherigen, s.o.) könnte etwa lauten:

      Die Vollstreckungsbehörde hat der verurteilten Person anzubieten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 des Strafgesetzbuches durch freie Arbeit abzuwenden. Hierfür ist der verurteilten Person in einer ihr verständlichen Sprache ein geeigneter Träger vorzuschlagen, der über die entsprechenden Kapazitäten verfügt. Die Vollstreckungsbehörde kann die nähere Ausführung der Gerichtshilfe an dem Wohnort der verurteilten Person übertragen.

      5.
      Eine Resozialisierung findet de facto in dem System der Ersatzfreiheitsstrafen nicht statt. Diese werden zudem nicht im offenen, sondern im geschlossenen Vollzug verbüßt. Hierfür gibt es keine Gründe.

      Der RAV fordert daher jedenfalls festzulegen, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe im offenen Vollzug verbüßt werden kann. Weder den Verurteilten noch der Gesellschaft noch dem Ziel der Resozialisierung ist geholfen, wenn Verurteilte durch die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe ihre Wohnung, Arbeit und/oder Partnerschaft und Familie verlieren.

      Geprüft werden sollte auch die Möglichkeit, eine Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.

      6.
      Der RAV hätte sich von der Ampelkoalition einen Vorschlag erhofft, der in der Tat den Prinzipien der Resozialisierung und Prävention verpflichtet ist. Hierzu würde es gehören, Beratungen von Beschuldigten zu stärken, etwa bereits existierende oder neu zu schaffende kostenfreie Strafbefehlsberatungen anzubieten (sei es durch die Gerichtshilfe, sei es durch freie Träger). Auf der Grundlage könnte festgeschrieben werden, dass ein Strafbefehl erst zwei Wochen nach der stattgefundenen Beratung rechtskräftig wird. Dazu müsste § 410 Abs. 1 S. 1 StPO wie folgt geändert werden – statt bisher: „Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen,“ neu:

      Die angeklagte Person kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eines Gerichts Einspruch einlegen. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn eine Beratung bei einer staatlich anerkannten Strafbefehlsberatungsstelle stattgefunden hat.

      So wäre sichergestellt, dass angeklagte Personen den Inhalt des Schriftstückes tatsächlich einmal zur Kenntnis genommen und verstanden haben. Über Details dieses Verfahrens wäre noch zu reden.

      7.
      Nach den Ankündigungen im Koalitionsvertrag, das Sanktionssystem auch in puncto Ersatzfreiheitsstrafe „mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“ zu überarbeiten, ist die beabsichtigte „Halbierung“ der Ersatzfreiheitsstrafe im Ansatz zwar (auch fiskalisch) begrüßenswert, im Ergebnis aber enttäuschend.

      Im Übrigen weisen wir erneut auf die bereits bekannten Reformvorschläge des „Runden Tisches für Ausländische Strafgefangene in Berlin“ hin:
      https://www.awoberlin.de/wp-content/uploads/2021/10/Ersatzfreiheitsstrafe-Reformempfehlungen-der-AG-Ersatzfreiheitsstrafe-fuer-die-Koalitionsverhandlungen.pdf
      https://ersatzfreiheitsstrafe.de/wp-content/uploads/2019/06/Offener-Brief-zur-Abschaffung-der-ESF_v0619.pdf
       

      II. Auflagen und Weisungen

      Der im RefE unter A. geschilderten Problem- und Zielbeschreibung – die Anpassung des Sanktionenrechts des StGB an aktuelle Entwicklungen, die Stärkung von Resozialisierung und Prävention sowie die Haftvermeidung oder -verkürzung durch den Ausbau spezialpräventiv wirkender, ambulanter Maßnahmen – wird hier grundsätzlich gefolgt. Der unter B. dargestellte Lösungsansatz einer ausdrücklichen Normierung der Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56c StGB), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a StGB) und des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO), erscheint entsprechend der Erfahrungen und Statistiken notwendig, ist nach der hier vertretenen Auffassung jedoch weder ausreichend noch umfassend genug:

      1.
      Weisungen sollen die verurteilte Person darin unterstützen, keine Straftaten mehr zu begehen, und zielen darauf ab, deren Lebensführung spezialpräventiv zu beeinflussen. Nicht jede*r Straftäter*in benötigt eine Therapie oder erfüllt die Voraussetzungen, eine solche zu erhalten. Trotzdem kann ein Unterstützungsbedarf bestehen. Dafür kann die Beratung über einen gewissen Zeitraum / für eine gewisse Anzahl von Stunden in einer anerkannten und spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle hilfreich und auch ausreichend sein.
      Insofern plädieren wir für eine Erweiterung des
      •    § 56c Abs. 2 StGB um eine Nr. 7 wie folgt: „sich in einer anerkannten, spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle beraten zu lassen (Beratungsweisung).“
      •    § 59 a Abs. 2 Nr. 6 StGB wie folgt: „oder sich in einer anerkannten, spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle beraten zu lassen, oder“
      •    § 153 a Abs. 1 Nr. 6 StPO wie folgt: „oder sich in einer anerkannten, spezialisierten psycho-sozialen Beratungsstelle beraten zu lassen“

      Der Zugang zu einer psycho-sozialen Beratungsstelle ist deutlich niedrigschwelliger als zu einer psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Behandlung. Dies kann motivierend auf die Straftäter*innen wirken, sich auf die Unterstützung und den Beratungsprozess einzulassen und wird für viele auch ausreichend sein.

      Sofern sich im Rahmen eines solchen Beratungskontexts dann doch in Einzelfällen herausstellen sollte, dass weitergehende Unterstützung (z.B. eine Psychotherapie) notwendig ist, gehört es zum Selbstverständnis der Beratungsstellen, das mit den Klient*innen zu erörtern und diese bei entsprechender Motivation weiterzuvermitteln. Ein Vorteil gegenüber einer reinen gerichtlichen Therapieweisung wäre, dass die Klient*innen nicht auf sich gestellt sind, sondern im Beratungssetting bleiben, bis eine Anbindung an eine*n Therapeut*in gelingt. Teilweise können sie sogar auf ein bestehendes Therapeut*innen-Netzwerk rund um die Beratungsstelle zurückgreifen. Dies kann überfordernden und frustrierenden Erfahrungen vorbeugen, die aktuell oft dazu führen, dass Therapien nicht zustandekommen – und z.B. entsprechende Weisungen nicht erfüllt werden.

      2.
      Der für die Länder günstigen Kostenprognose des Entwurfs können wir nicht folgen.

      a) Wenn das Gesetz nicht ins Leere laufen soll, dann braucht es bundesweit deutlich mehr Psychiater*innen und Psycholog*innen, die bereit und in der Lage sind, mit Gewalt- und Sexualstraftäter*innen zu arbeiten, also nicht vorrangig psychische Störungen, sondern kriminogene Faktoren zu behandeln.

      An dieser Stelle soll klargestellt werden, dass es hier ein Bewusstsein dafür gibt, dass es weit überwiegend männliche Täter gibt. Allerdings wäre es aus unserer Sicht auch nicht verantwortlich, die relativ wenigen straffälligen Frauen, Trans- und Intermenschen unerwähnt und gänzlich ohne therapeutische oder beraterische Unterstützung zu lassen.

      Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei Vorliegen entsprechender Indikationen (für psychische Störungen) die Therapien von den Krankenkassen zu finanzieren sind, braucht es doch Anstrengungen seitens der Länder und Kommunen, geeignete Therapeut*innen, Träger und Vereine zu finden, deren spezielle Angebote und Kapazitäten zu erfassen und diese Daten den Richter*innen zugänglich zu machen.

      b) Weisungen laufen ins Leere, wenn Richter*innen diese Daten nicht haben und infolge dessen Maßnahmen benennen, die es gar nicht gibt, die nicht passend sind oder die benannten Träger/Vereine keine Kapazitäten haben.
      Seitens der Angewiesenen können Weisungen nicht erfüllt werden, weil es die benannte Maßnahme nicht in zumutbarer Entfernung gibt oder sie überfordert damit sind, diese zu finden und zusätzlich auch noch die notwendigen Anträge zu stellen.

      Hier werden Weisungsverstöße provoziert bzw. vorprogrammiert, weil Menschen in der Kommunikation mit Gerichten und Staatsanwaltschaften überfordert sind oder nicht wissen, dass man z.B. die Änderung oder Aufhebung von Weisungen beantragen kann. Im Falle der Unterstellung unter die Bewährungshilfe binden diese Korrespondenzen und Korrekturen (zu) viel der dortigen Arbeitszeit.

      Für alle nicht indizierten Therapien (Behandlung kriminogener Faktoren) übernehmen die Krankenkassen die Kosten nicht. Sie wären von den Angewiesenen selbst zu tragen. Das ist ALG II-Empfangenden und Menschen mit geringem Einkommen nicht möglich.

      c) Gleiches gilt für die Forensisch-Therapeutischen Ambulanzen (FTA). Hier werden bundesweit Wartelisten geführt, was dafürspricht, dass die Kapazitäten bereits jetzt schon nicht ausreichend sind.

      d) Soll eine Anpassung an aktuelle Entwicklungen und z.B. eine Umsetzung der Istanbul-Konvention gelingen, bedarf es entsprechend des Grundsatzes „Täterarbeit ist Opferschutz“ des flächendeckenden Auf- und Ausbaus von anerkannten, spezialisierten Beratungsstellen für Täter*innen insb. von
      •    (sexualisierter) Gewalt gegen Kinder, Frauen, LGBTIQ, Männer
      •    rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt
      •    Stalking
      •    Hate-Speech

      e) Im Sinne der Prävention anhaltender, weiterer oder erneuter Straffälligkeit und somit auch der Resozialisierung bietet sich der pro-aktive Ansatz an.
      In Berlin wird im Rahmen der Umsetzung der Istanbul-Konvention z.B. die Servicestelle Wegweiser (www.wegweiser-bln.de) seitens der Senatsverwaltung für Justiz und Vielfalt finanziert. Die Servicestelle kontaktiert proaktiv Menschen, denen grenzüberschreitendes Verhalten vorgeworfen wird, ermittelt im gemeinsamen Gespräch den Unterstützungsbedarf, berät über mögliche spezialisierte Beratungsangebote und vermittelt an diese weiter.

      Teil der Arbeit ist es, das Hilfesystem, alle potentiellen anerkannten Beratungsangebote, deren Spezifika und Kapazitäten zu kennen und zu erfassen. Eine weitere Aufgabe besteht in der Erfassung fehlender Angebote. So gibt es etwa in Berlin außerhalb des Strafvollzugs und der FTA (Zugang setzt bisher vorherige Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug voraus) kein einziges Therapie- oder Beratungsangebot für Menschen, die gegenüber Erwachsenen (zumeist Frauen) sexualisierte Gewalt ausüben.

      f) Die Servicestelle (bzw. vergleichbare, bundesweit zu schaffende Stellen) könnte auch weitere, für Weisungen relevante Daten erfassen und diese sowohl Richter*innen als auch Angewiesenen zur Verfügung stellen. Außerdem könnten fehlende Angebote ermittelt, kommuniziert und deren Schaffung initiiert werden.

      Im Rahmen von abgestuften Weisungen könnten hier Gespräche geführt werden, um konkrete Beratungs- oder therapeutische Behandlungsbedarfe festzustellen und passende Angebote mit ausreichend Kapazitäten zu ermitteln.

      Das klingt zunächst nach mehr Aufwand, könnte aber geeignet sein, vielen Weisungsverstößen, aktuell vorzunehmenden Weisungsänderungen oder -aufhebungen vorzubeugen und der Umsetzung des Gesetzes dienen.

      Kosten werden, wie oben dargestellt, entstehen. Inwiefern sie teilweise durch Einsparungen bei den Ersatzfreiheitsstrafen oder durch Haftvermeidungen oder -verkürzungen infolge erfolgreicher Weisungen kompensiert werden können, bleibt abzuwarten. Die Möglichkeit sollte genutzt werden.

      IV. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

      Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Kabinetts Merkel IV hatte im Oktober 2020 eine gemeinsame Bund-Länder Arbeitsgruppe von Justiz- und Gesundheitsministerkonferenz mit dem Ziel eingerichtet, einen Vorschlag zur Novellierung des Rechts der Unterbringung gemäß § 64 StGB zu erarbeiten. Da die Vorschläge jener AG sehr weitgehend in dem nun vorliegenden RefE aufgegangen sind, beziehen sich die folgenden Punkte darauf:

      1.
      Die AG hat zunächst festgestellt, dass ein dringender Reformbedarf vor dem Hintergrund steigender Unterbringungszahlen, einer Kapazitätsüberlastung der forensischen Kliniken und einer „geänderten Struktur der untergebrachten Personen“ bestehe. Dass die Unterbringungseinrichtungen in den forensischen Psychiatrien in allen Bundesländern sowohl quantitativ als auch qualitativ an ihren Belastungsgrenzen arbeiten (und nicht selten darüber hinaus), kann nicht bestritten werden: Das geht u.a. auf eine Verdoppelung der Zahl der gegenwärtig untergebrachten Personen seit dem Jahr 2002 zurück und wird von erheblichen Teilen der forensischen Psychiatrie seit Jahren mit einer Vehemenz beklagt, die als Hilferuf an die Politik verstanden werden muss (s. nur: Krankenhaus des Maßregelvollzugs: Therapiezugang reformbedürftig, Maybaum, Ärzteblatt 9/2019, S. 410).

      Dieser „Hilferuf“  zeigt sich eindrucksvoll nicht nur an zahlreichen Aufsätzen in Fachzeitschriften und Vorträgen von Seiten der forensische Psychiatrie und Psychologie (s. auch Kollmeyer, Maßregelvollzug am Limit - § 64 StGB – Wann und wie lang?, abrufbar unter https://www.lwl.org/massregelvollzug-download/Abt62/Service/Dokumentationen/OLG-Tagung2013/2013-09-26_Kollmeyer,_Reinhard_OLG-Hamm_Para_64_StGB_Wann_und_wie_lang.pdf, zuletzt abgerufen am 24.08.2022). Darüber hinaus wird die Kapazitätsproblematik in Standardwerken der forensisch-psychiatrischen Fachliteratur auch im Hinblick auf die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen der Unterbringung nach § 64 StGB ausführlich dargestellt (vgl. nur Seifert in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung – Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen, hrsg. von Dreßing & Habermeyer, Kap. 28.1, Einleitung zur Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB, 7. Auflage 2021).

      Teilweise scheinen sich diese Ausführungen als Aufforderung an psychiatrische Sachverständige darzustellen, das Bedürfnis nach einer Schonung der Kapazitäten bei der Gutachtenerstattung im Strafprozess zu berücksichtigen. Das Thema wird in letzterem Zusammenhang aus politischen bzw. fiskalischen Erwägungen erkennbar und bewusst an falscher Stelle platziert. Denn Kapazitätserwägungen dürfen bei der gutachterlichen Beurteilung des Vorliegens eines Hanges durch psychiatrische und/oder psychologische Sachverständige selbstverständlich keine Rolle spielen. Individuelle Beschuldigte in dem durch Sachverständige und Gerichte zu beurteilenden Einzelfall sind nicht weniger behandlungsbedürftig, nur, weil die zuständige Maßregelvollzugsanstalt aktuell ausgelastet ist.

      Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erst recht für die Entscheidung über die Unterbringungsanordnung durch die Strafgerichte.  Eine Unterbringung ist danach auch dann anzuordnen, wenn es an einer Unterbringungseinrichtung (bzw. an entsprechenden Kapazitäten) im Zuständigkeitsbereich fehlt (BGHSt 28, 327), da es Aufgabe der Vollzugsbehörden der Länder ist, die Kapazitäten im Maßregelvollzug dem Bedarf anzupassen (BGHSt 36, 199).

      Als Konsequenz dieser Fehlverortung der Kapazitätsproblematik ist in der Praxis der Strafverteidigung vermehrt zu beklagen, dass Sachverständige persönliche bzw. politische Überzeugungen zur Frage, wie mit der Kapazitätsproblematik umzugehen ist, in ihr Votum zum Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen – mal mehr mal weniger verdeckt – mit einfließen lassen. In kaum einem forensischen Bereich kommt der Auswahl der Person der Sachverständigen eine solch entscheidende Rolle zu, wie bei der Begutachtung zur Frage der Voraussetzungen des § 64 StGB: Wie sehr Einstellungsfragen (etwa wenn sie selbst eine Entziehungsanstalt leiten) bei deren Votum von Bedeutung sind, zeigt sich auch daran, dass bei keiner anderen Sachmaterie die Strafgerichte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch entgegen dem Votum der von Gericht oder Staatsanwaltschaft beauftragten psychiatrischen Sachverständigen anordnen, die doch eigentlich ihrer überlegenen Sachkunde wegen beauftragt wurden.

      Wenngleich eine Diskussion über die Frage eines Reformbedarfs der Maßregel nach § 64 StGB legitim ist, ist der vorliegende Reformvorschlag im Lichte der vorskizzierten Reaktionen von Teilen der Psychiatrie zu sehen. Er zielt darauf ab, das Problem auf die denkbar einfachste und billigste Weise zu lösen: Weniger Feststellungen von Behandlungsbedarf = weniger Auslastung! Aus der Lektüre des Berichts der Bund-Länder Arbeitsgruppe ergibt sich, dass das Gremium ohne Zweifel durch diejenigen forensisch Tätigen aus Psychiatrie, Psychologie und Justiz besetzt gewesen sein muss, die eine Lösung der (unbestreitbaren) Kapazitätsproblematik ausschließlich durch Restriktionen an dem Institut der Unterbringung nach § 64 StGB suchen. Dies ist bedauerlich, da die Unterbringung nach § 64 StGB zumindest dem Anspruch nach wie kaum eine andere strafrechtliche Reaktion auf Kriminalität den Prinzipien des sozialen Rechtsstaats (Art. 28 Abs. 1 iVm 20 Abs. 3 GG) verpflichtet ist.

      Die erarbeitete Gesetzesreform sieht Restriktionen an jeder dogmatisch denkbaren Stellschraube vor: Verengung des Hangbegriffs, gesteigerte Anforderungen an den symptomatischen Zusammenhang, erhöhte Voraussetzungen an die Feststellung der Erfolgsaussicht; zusätzlich soll unter Anpassung der Dauer des Vorwegvollzugs die Möglichkeit der Begleitstrafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt nach § 67 Abs. 5 S. 1 StGB entfallen. Dazu im Einzelnen:

      2. Zum Hangbegriff

      Die vorgeschlagene Legaldefinition des Hangbegriffs, vor allem aber der diesen begleitenden Auslegungsvorschlag im Begründungsteil der Arbeitsgruppe, verengt das Leitbild behandlungsbedürftiger Drogensüchtiger auf das Literaturbeispiel der Kinder vom Bahnhof Zoo (Christiane F.: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo; nach Tonbandprotokollen aufgeschrieben von Kai Hermann und Horst Rieck, 1978).

      Nach der vorgeschlagenen Legaldefinition soll die Annahme eines Hangs künftig (zumindest) „eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert“ voraussetzen. Ausweislich der Entwurfsbegründung solle durch die Legaldefinition der Hangbegriff – ein eigenständiger unbestimmter Rechtsbegriff – an die medizinischen Begrifflichkeiten schädlicher Gebrauch (ICD-10 F.1) oder Abhängigkeitssyndrom (ICD-10 F.2) angenähert werden. Indes sollen nach der Legaldefinition und ihrer Begründung („schwerwiegende Beeinträchtigung“) nicht einmal mehr alle Fälle des - ohne Zweifel pathologischen - schädlichen Gebrauchs erfasst sein, sondern nur noch derjenige Missbrauch, „der nach ICD-10 als eine schwere Form des schädlichen Gebrauchs einzustufen ist“.

      Dadurch würden Täter*innen aus dem Anwendungsbereich des § 64 StGB herausgenommen, bei denen evident ein Behandlungsbedarf besteht. Durch diesen Vorschlag werden jedoch Erkenntnisse aus neueren Studien aus dem Bereich der Suchttherapie verkannt, wonach die bisherige dichotome Differenzierung zwischen Abhängigkeit und Missbrauch im Sinne standardisierter Diagnostik künstlich ist, da es sich bei Missbrauch und Abhängigkeit um ein eindimensionales Kontinuum handeln dürfte (Rumpf & Kiefer, DSM-5: Die Aufhebung der Unterscheidung von Abhängigkeit und Missbrauch und die Öffnung für Verhaltenssüchte, 2011). Die entsprechende Differenzierung wurde vor diesem Hintergrund seit 2013 in der Neufassung des Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) aufgegeben. Nun wird zwar auch derzeit nicht bei jedem schädlichen Gebrauch im Sinne des ICD-10 oder einem jeden einfachen Missbrauch im Sinne des DSM-5 ein Hang angenommen. Es erscheint indes nicht angezeigt, die Unterbringung allein von der Schwere der Substanzgebrauchsstörung abhängig zu machen.

      Vielmehr kommt es – mit der ständigen Rechtsprechung des BGH – darauf an, ob eine soziale Gefährdung festzustellen ist. Denn ob eine solche vorliegt, dürfte entscheidend dafür sein, ob der bestehende Substanzmissbrauch – ob er nun medizinisch eine Abhängigkeit oder einen wie auch immer gearteten schädlichen Gebrauch darstellt – die Behandlung im Maßregelvollzug erfordert oder nicht.

      Was im Übrigen die Arbeitsgruppe ausweislich der Entwurfsbegründung verkannt hat ist, dass ein Gericht, beraten durch psychiatrische Sachverständige, zu prüfen hat, ob anstelle einer Unterbringung eine ambulante Therapie als Bewährungsweisung und/oder eine Aussetzung der Unterbringung im Maßregelvollzug zur Bewährung in Betracht kommt. Es wird bei weitem nicht in einem jeden Fall, in dem ein Hang im Sinne des § 64 StGB festzustellen ist, auch die Unterbringung angeordnet, sondern auf mildere Mittel wie die vorgenannten ausgewichen. Daneben greift § 35 BtMG je nach lokaler Anwendungspraxis Raum.

      3. Zum symptomatischen Zusammenhang
      Während nach derzeitiger Rechtslage der symptomatische Zusammenhang bereits dann anzunehmen ist, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass Angeklagte die rechtswidrige Tat begangen haben, so soll § 64 StGB nun dahingehend geändert werden, dass eine Unterbringung nur noch in Betracht kommt, wenn festzustellen ist, dass die Tat überwiegend auf den Hang zurückgeht. Hierdurch soll einem – angeblich festzustellenden – „deutlichen Wandel in der Struktur der Klientel“ begegnet werden.

      Dass eine solche Veränderung in der Klientel der Untergebrachten überhaupt stattgefunden hat, wird in dem Bericht allenfalls dahingehend begründet, als auf eine Veränderung der Delikte, die zur Unterbringung geführt haben, sowie darauf verwiesen wird, dass sich der Anteil der voll Schuldfähigen seit 1995 verdreifacht habe. Ansonsten werden zum Beleg dieser These lediglich Erfahrungsberichte angeführt von „dominant auftretenden Patienten, die außerhalb der Klinik einen Rückhalt im kriminellen Milieu hätten“, und die die Unterbringung vorrangig als Mittel zur Milderung ihrer hohen Begleitstrafe ansähen, und „durch deren Anwesenheit“ sich das Behandlungsklima in den Vollzugsanstalten verschlechtere.

      Zum „Beleg“ dieser Erkenntnis werden Fachaufsätze aus der Praxis zitiert, die sich seit Jahren mit Vehemenz für Restriktionen bei der Maßregel des § 64 StGB stark machen (Schalast FPPK 2021, 179 und NStZ 2017, 433; Walther JR 2020, 296, 306; Müller FPPK 2019, 262, 299). Besonders im Blick hat die Arbeitsgruppe „Angeklagte, die aufgrund allgemeiner charakterlicher Mängel die verfestigte kriminelle Neigung aufweisen, Lebensbedürfnisse durch Straftaten zu bestreiten, Angeklagte mit dissozialer Charakterstruktur und – selbstverständlich – Großdrogendealer mit entsprechend hoher Begleitstrafe.“

      Ungeachtet dessen, dass die Arbeitsgruppe schematisch von der wissenschaftlich nicht belegten These von der Existenz bestimmter Tätergruppen („Klientel“) ausgeht, steht der konkrete Vorschlag im Widerspruch zu den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie zur Frage des symptomatischen Zusammenhangs. Denn insoweit ist anerkannt, dass die Abgrenzung „süchtige Kriminelle vs. kriminelle Süchtige“ Schwierigkeiten birgt, ja mitunter unmöglich ist (Seifert aaO S. 435). Denn, wie gleichermaßen in den Justizvollzugsanstalten, weisen im Maßregelvollzug Untergebrachte vielschichtige biografische Belastungen auf: Fehlende Schul- oder Berufsausbildung, lange Phasen der Arbeitslosigkeit und vor allem ein strafrechtliches Vorleben. Jedenfalls eine – durch die vorgenannten Lebensbedingungen ggf. erworbene – dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung dürfte vor diesem Hintergrund bei dem Gros der Untergebrachten vorliegen. Eine begleitende Persönlichkeitsstörung wird bei jeder vierten nach § 64 StGB untergebrachten Person diagnostiziert (Seifert aaO S. 440).

      Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass Sucht zumeist nicht alleinige Ursache der Delinquenz ist, sondern naturgemäß auf ein Bündel von Ursachen zurückgeht. Auch bei sog. „Großdrogendealern“ sprechen keine Erkenntnisse dafür, dass die Sucht grundsätzlich minder ausgeprägt oder weniger behandlungsbedürftig wäre. Sofern diese tatsächlich eine untergeordnete Rolle bei der Tat spielte, wäre die Maßregel im Übrigen bereits nach heutiger Rechtslage nicht anzuordnen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 08.12.2019 – 2 StR 331/19).

      4. Zu den Erfolgsaussichten

      Ebenso bedarf die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB bereits heute der Feststellung des Bestehens einer „hinreichend konkreten Aussicht“, dass die betroffene Person von ihrer Sucht zu heilen oder für eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren ist.

      Auch hier soll nach dem Willen der Arbeitsgruppe eine restriktivere Anordnungspraxis Platz greifen: Künftig soll der Therapieerfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ sein. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der Grundlagen für die Anordnung und Durchführung der Maßregel die tatsächlichen Begebenheiten zu berücksichtigen, namentlich „die Begrenztheit staatlicher Mittel“. Es gebe kein verfassungsrechtliches Gebot, das den Gesetzgeber dazu veranlassen würde, die Maßregel auch in Fällen zweifelhafter Erfolgsaussicht zur Verfügung zu stellen.

      Der Vorschlag verkennt, dass nach sämtlicher – selbst maßregelkritischer Literatur – schon die Erfolgsmessung staatlicher Unterbringung erhebliche Schwierigkeiten bereitet, mit der Konsequenz, dass allgemeingültige prognostische Erfolgskriterien erst recht kaum generalisierend zu benennen sind. Im Übrigen verkennt die Begründung des Reformvorschlags insgesamt – nicht nur hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Erfolgsaussicht – dass alle Anordnungsvoraussetzungen nach aktueller Rechtslage letztlich durch das Gericht zu belegen sind; keinesfalls greift der in dubio-Grundsatz (vgl. nur BGH, Beschl. v. 01.06.2021 – 6 StR 113/21).

      Auch dieser Umstand birgt im Übrigen bereits jetzt die Gefahr, dass Fehleinweisungen in den Strafvollzug trotz bestehendem Behandlungsbedarf im Sinne der Maßregel erfolgen. Der Reformvorschlag würde falsche Nicht-Anordnungen noch vervielfachen. Es ist im Übrigen widersprüchlich, strengere Anforderungen an die Annahme eines Hanges zu fordern, gleichzeitig aber die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zu erhöhen, denn eine höhergradige Abhängigkeit korrespondiert nicht selten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass die Therapiebemühungen ohne Erfolg bleiben.

      6. Zur Begleitstrafenaussetzung und zum Vorwegvollzug

      Nachdem die Arbeitsgruppe von einem „Missbrauch der Entziehungsanstalten“ durch Schwerkriminelle – und die Praxis der Strafverteidigung – ausgeht, stellt sich die Abschaffung der erweiterten Möglichkeit der Aussetzung der Begleitstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt als das gravierendste Reformvorhaben dar. So soll nach § 67 Abs. 5 StGB eine Aussetzung der Reststrafe zum Zweidrittelzeitpunkt künftig die Regel sein.

      Zwar sieht der Reformvorschlag ergänzend vor, dass unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 StGB unter den dort genannten Voraussetzungen ausnahmsweise auch eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt in Betracht kommt. Diese Angleichung an die allgemeine Regelung des § 57 StGB läuft aber in all jenen Konstellationen ins Leere, in denen vor der Strafe ein Vorwegvollzug erfolgt (was in Anbetracht immer höherer Strafen in BtMG-Verfahren zur Regel geworden ist). Denn der Reformvorschlag sieht weiter vor, dass sich die Dauer bzw. die Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 StGB künftig am Zweidrittel-Zeitpunkt orientieren soll.

      Damit wäre die Therapie bei allen Untergebrachten, bei denen zuvor Vorwegvollzug erfolgt ist, in aller Regel frühestens zum 2/3 Zeitpunkt abgeschlossen. Fälle eines außerordentlich zügigen Therapieverlaufs mit der Folge, dass eine Erledigung des Maßregelvollzugs früher erfolgen kann, sind reine Fiktion. Denn in der Begründung des Vorschlags wird freimütig festgestellt, dass selbst nach aktuellem Recht Therapien trotz der Berechnung des Vorwegvollzugs anhand der Möglichkeit der Aussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt überwiegend weit über diesen Zeitraum hinaus andauern. So ergaben Auswertungen für sechs Bundesländer für das Jahr 2020, dass nur 18,4 % der Maßregeln auch nur nahe des Halbstrafenzeitpunkts beendet wurden, 21, 3 % nahe dem Zweidrittelzeitpunkt und 60,3 % gar nach dem Zweidrittelzeitpunkt. Vor diesem Hintergrund ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitsgruppe gleichwohl davon ausgeht, dass das falsche Klientel die Entziehungsanstalten für die Erlangung der Halbstrafenmöglichkeit missbrauchen würde; diese Hypothese geht ausschließlich auf vermeintliches Erfahrungswissen zurück.

      Selbst wenn man jedoch dieses einmal unterstellt, ist nicht im Ansatz nachzuvollziehen, weswegen es sich bei Möglichkeit der Erlangung einer Begleitstrafenaussetzung ab dem Halbstrafenzeitpunkt um einen sachwidrigen Anreiz für Angeklagte handeln sollte. Denn soweit die Fachliteratur von dem Bestehen eines solchen – nach vorgenannten Statistiken ohnehin irrig angenommenen – Anreizes ausgeht, so wird dieser von einer beachtlichen Ansicht als für die Therapiemotivation förderlich, teils sogar notwendig beschrieben (BT-Drs. 16/1110 S. 16; LK-Schöch, StGB, 12. Auflage, § 67 Rn. 97; Kett-Straub NStZ 2020, 474, 477).

      Der Vorschlag der Arbeitsgruppe ist bereits deswegen systemwidrig, da eine Halbstrafenaussetzung nach § 57 Abs. 2 StGB im Grundsatz für alle Angeklagten in Betracht kommt. Durch den Reformvorschlag würden diejenigen Untergebrachten, die Vorwegvollzug zu vergegenwärtigen haben, gegenüber gewöhnlichen Strafgefangenen rechtlich sogar benachteiligt.

      6. Alternativen?

      Wessen Geistes Kind die Mitglieder der Arbeitsgruppe bzw. die von dieser angehörten Sachverständigen gewesen sein mögen, zeigt sich eindrucksvoll auf S. 35 des Berichts. Dort heißt es unter der Kapitelüberschrift „Alternativen“ zu dem Reformvorschlag schlicht: „Keine.“ Das ist absurd, denn solche bestehen offensichtlich, wären zumindest zu diskutieren gewesen, wozu es aber offenbar an der nötigen Bereitschaft fehlte.

      Zum einen verspricht sich die Arbeitsgruppe bei der Anpassung des Vorwegvollzugs an den Zweidrittelzeitpunkt vor allem Kapazitätserleichterungen dadurch, dass bei positiven Behandlungsverläufen nach kürzerer Therapiedauer Entlassungen erfolgen könnten, da der Halbstrafenzeitpunkt bereits überschritten ist. Diese Erwägung einmal zugrunde gelegt, wäre der Arbeitsgruppe zuzustimmen, dass – bei entsprechendem Therapieerfolg – Entlassungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu begrüßen sind. Dafür käme jedoch ebenso gut eine Reform des Gesetzes dahingehend in Betracht, dass für diese Ausnahmefälle eine Begleitstrafenaussetzung unabhängig von dem Erreichen des Halbstrafenzeitpunkts, also auch vor diesem Zeitpunkt, ermöglicht wird. Denn diese Erwägung ist ohnehin nur für Untergebrachte relevant, die Vorwegvollzug zu vergegenwärtigen haben: Wenn sie im Ausnahmefall wenige Monate vor dem Halbstrafenzeitpunkt entlassen würden, erfolgte dies keineswegs in unerträglicher Weise zu Lasten des staatlichen Strafanspruchs.

      Will man mit dem Reformvorschlag davon ausgehen, dass Entziehungsanstalten durch „süchtige Kriminelle“ missbraucht würden, und dies vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, so könnte dem übrigens auch dadurch begegnet werden, dass die Länder in ihrer Strafvollzugs- und -vollstreckungspraxis den Strafgefangenen die Halbstrafenaussetzung unter wortlautensprechender Gesetzesauslegung regelmäßiger zugutekommen lassen.

      7. Fazit

      Dem Reformvorschlag und seiner Begründung immanent ist der Gedanke der Fehleinweisung Angeklagter in die Entziehungsanstalten – und zwar nicht, weil es sich hierbei um eine belastende Maßnahme handeln könnte, sondern allein wegen der damit verbundenen Kosten für die Justiz- und Gesundheitsressorts.

      Was in diesem Zusammenhang jedoch völlig übersehen wurde, ist die Gegenfrage: Wie viele Fehleinweisungen behandlungsbedürftiger Verurteilter in den Strafvollzug, bei denen die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 64 StGB vorgelegen hätten, sind zu besorgen? Und vor allem: Wie viele Fehleinweisungen „krimineller Süchtiger“ wären zu besorgen, wenn der Reformentwurf umgesetzt würde? Der Reformvorschlag übersieht die Realität, nämlich, dass nach wissenschaftlichen Schätzungen jährlich 30.000 bis 40.000 suchtkranke Strafgefangene in deutschen Justizvollzugsanstalten einsitzen, also ohne Anordnung einer Maßregel gem. § 64 StGB (Seifert aaO S. 447). Danach stehen jeder im Maßregelvollzug nach § 64 StGB untergebrachten Person 10 entsprechende Verurteilte im Strafvollzug gegenüber. Dass mindestens ebenso häufig Fehleinweisungen in die andere Richtung erfolgen, und damit sowohl zulasten des Resozialisierungs- als auch des Sicherungsbedürfnisses, ergibt sich zwanglos aus diesen Zahlen.

      Der Bund-Länder-AG ist vorzuhalten, vor den eklatanten Versorgungsproblemen der Justizvollzugsanstalten in puncto Drogenberatung und -therapie sowie Betreuung Gefangener mit Suchtproblemen die Augen zu verschließen.

      Berlin, den 24.08.2022

      Die Stellungnahme als PDF

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      StellungnahmenStrafvollzug
      news-881Mon, 08 Aug 2022 06:25:09 +0200RAV-Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine neue Verfassung von Chile<br />Declaración sobre la propuesta para una nueva constitución para Chile/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-stellungnahme-zu-dem-vorschlag-fuer-eine-neue-verfassung-von-chile-881Statement, 8.8.2022(Versión española abajo)

      Der RAV e.V. begrüßt den neuen Entwurf für eine demokratische Verfassung der Republik Chile sehr. Die Verfassung, die endlich die noch aus den Zeiten der Diktatur Pinochets stammende alte ersetzen wird, ist ein leuchtendes Beispiel für einen modernen, inklusiven und demokratischen Rechtsstaat. Die Bundesrepublik Deutschland kann nur mit Neid auf diesen Verfassungsentwurf blicken, der gerade in puncto Grundrechte der Bürger*innen neue Maßstäbe im 21. Jahrhundert setzt. Die Verfassung anerkennt, dass viele Nationen in der Republik Chile beheimatet sind. Sie betont die überragende Wichtigkeit des Schutzes der natürlichen Ressourcen für ein Leben in Würde in der Zukunft. Sie versucht, den Weg der Spaltung, des Auseinanderspielens von Arm und Reich zu überwinden; sie stellt zudem eine Geschlechterparität sicher.

      Der Gedanke des buen vivir (dt.: das Gute Leben) ist einer, der noch viele weitere Verfassungen auf der Welt in Zukunft prägen sollte. Als Teil der Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland hoffen wir, dass die chilenische Bevölkerung diese neue Verfassung als Chance begreifen wird. Wir werden den Verfassungsprozess in Chile weiterhin solidarisch und mit Interesse verfolgen und sind gespannt, was von diesem Text für Deutschland gelernt und übernommen werden kann.

      Berlin, 3. August 2022

      Statement Chile dt (PDF)

      ********

      Declaración de la Asociación Republicana de Abogadas y Abogados (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein für Demokratie und Menschenrechte / RAV e.V.) sobre la propuesta para una nueva constitución para Chile.

      RAV e.V. recibe con gran satisfacción el borrador de una nueva Constitución democrática para la República de Chile. La Constitución, que finalmente remplazará a la antigua que data de los tiempos de la dictadura de Pinochet, es un ejemplo de Estado de Derecho moderno, inclusivo y democrático. La República Federal de Alemania no puede sino mirar con envidia este proyecto de Constitución, que establece nuevas normas en el siglo XXI, especialmente respecto a los derechos fundamentales de los ciudadanos y las ciudadanas. La Constitución reconoce que en la República de Chile está conformada por muchas naciones. Destaca la importancia primordial de proteger los recursos naturales para una vida digna en el futuro. Busca superar el camino de la división, del enfrentamiento entre ricos y pobres; además garantiza la paridad de género.

      El concepto del buen vivir debería dar forma a muchas más constituciones de todo el mundo en el futuro. Como parte de la sociedad civil de la República Federal de Alemania, esperamos que los y las habitantes de Chile vean esta nueva constitución como una oportunidad. Seguiremos con solidaridad e interés el proceso constitucional en Chile y estamos ansiosos por ver qué se puede aprender y adoptar de este texto para Alemania.

      Berlin, Alemania, el 3 de agosto de 2022

      Declaración Chile sp (PDF)

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      news-880Mon, 01 Aug 2022 09:46:46 +0200Umfassende Schutzmaßnahmen für LGBTQIA* Geflüchtete – von Tag 1 im Asylverfahren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/umfassende-schutzmassnahmen-fuer-lgbtqia-gefluechtete-von-tag-1-im-asylverfahren-880Petition, 28.7.22Der RAV gehört zu den Erstunterzeichner*innen dieser Petition und ruft dazu auf, sie zu verbreiten und ebenfalls zu zeichnen.

      https://www.change.org/p/umfassende-schutzma%C3%9Fnahmen-f%C3%BCr-lgbtqia-gefl%C3%BCchtete-von-tag-1-im-asylverfahren?redirect=false

      LGBTQIA* Personen flüchten aus unterschiedlichsten Gründen, jedoch sind gesellschaftliche, familiäre und/oder staatliche Gewalt und/oder Verfolgung übliche Merkmale in den Biographien von LGBTQIA* Personen. LGBTQIA* sind hinzu überdurchschnittlich von Mehrfachdiskriminierung und sequentieller Traumatisierung nach der Ankunft in Deutschland betroffen. 

      Mit Deiner Unterschrift verstärkst Du den Druck auf den Hamburger Senat und hilfst uns erstmal in Hamburg ein umfassendes Schutzkonzept für queere Geflüchtete durchzusetzen. Danach könnte diese Initiative auch bundesweit und dann auf europäischer Ebene umgesetzt werde.

      o   LGBTQIA* Geflüchtete bleiben oft im Asylsystem unerkannt und unsichtbar. Es fehlen oft sichere soziale Räume, welche ein „coming out“ ermöglichen. 

      o   LGBTQIA* Geflüchtete spüren ein starkes Gefühl der Einsamkeit und sozialen Isolation, da sie meist unangemessen untergebracht sind. In nichtstädtischen Gebieten fehlt der Zugang zu LGBTQIA* NGOs. 

      o   LGBTQIA* Geflüchtete haben oft keinen Zugang zu queerspezifischer rechtlicher und sozialer Unterstützung. 

      o   LGBTQIA* Geflüchtete haben aufgrund ihrer Unsichtbarkeit im Asylsystem, sozialer Isolation und Diskriminierung oft keinen sicheren Zugang zu angemessener medizinischer und psychotherapeutischer Behandlung.[1]

      Zusätzlich sind LGBTQIA* Asylsuchende inner- und außerhalb der Unterkünfte überdurchschnittlich oft von Gewalt betroffen.[2], [3]

      Völkerrechtliche, europarechtliche und nationalrechtliche Regelungen nehmen die Länder explizit in die Pflicht, für LGBTQIA* Geflüchtete den Aufnahmeprozess und die Unterbringung so zu gestalten, dass sie bis zur Anerkennung ihres Status vor struktureller und persönlicher Gewalt geschützt werden und dass sie Zugang zu medizinischer Versorgung (inklusive trans* Gesundheitsversorgung, wie z.B. Hormonersatztherapie) haben und nicht verpflichtet sind, sich gegen ihren Willen vor Menschen zu outen, sondern ihre sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität geheim halten können. 

      Hamburg hat durch die Anerkennung von LGBTQIA* Geflüchteten als besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Sinne des Art. 21 Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) schon einen entscheidenden Schritt zur Gewährleistung von Schutz unternommen. So stellt Hamburg sogenannte Schutz-WGs für LGBTQIA* Geflüchtete innerhalb der Folgeunterkünfte zur Verfügung, die von Fördern & Wohnen betrieben werden. Diese Schutz-WGs für LGBTQIA* Geflüchtete sind ein guter Schritt, jedoch befinden sie sich innerhalb der regulären Unterkünfte. 

      Dies bedeutet, dass Gewalt- und Diskriminierungsschutz außerhalb der WG-Wände nicht gewährleistet ist. Zudem bestehen in den Unterkünften kaum psychosoziale und keine gesundheitlichen Angebote, die auf LGBTQIA* Personen ausreichend zugeschnitten sind. Außerdem fehlt es an queer-sensibilisiertem Personal und Sicherheitskräften in den Unterkünften. 

      In der Erstaufnahme gibt es keine gesonderten Schutzunterbringungen für LGBTQIA* Geflüchtete, so dass erst nach Verlegung in die Folgeunterkunft überhaupt die Möglichkeit dieses relativen Schutzes besteht. Es bedarf aber umfassender Schutzmaßnahmen für geflüchtete LGBTQIA* Personen – von Tag 1 im Asylverfahren.

      Wir fordern von dem Hamburger Senat, in Anlehnung an die Modell Region Berlin, eine zentrale Unterkunft in Hamburg, die ausschließlich Plätze für LGBTQIA* Geflüchtete zur Verfügung stellt. Insbesondere muss die Unterkunft über Erstaufnahmeplätze verfügen, um Schutz vom ersten Tag des Asylverfahrens zu gewährleisten.

      Wir fordern Zugang zu psychosozialen und gesundheitlichen Angeboten in der Unterkunft, die speziell auf die Bedürfnisse von LGBTQIA* zugeschnitten sind, queeres oder zumindest LGBTQIA*-sensibles Personal in Unterbringungsmanagement, Beratung, Verwaltung und im Sicherheitsdienst.

      Sowohl die Spezialambulanz für sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung des Instituts für Sexualforschung, (UKE) als auch Netzwerke von LGBTQIA*-sensiblen Mediziner:innen und Therapeut:innen unterstützen das Projekt

      Wir fordern die Erweiterung des Angebots an niedrigschwelligen Beratungsangeboten zum Schutz von LGBTQIA* Personen bereits vor der ersten Äußerung eines Asylbegehrens – das Magnus-Hirschfeld-Centrum e.V. (mhc) und Intervention e.V. mit dem Projekt Refugee Sisters könnten diese Beratung bieten. 

      Wir fordern die Verpflichtung der Asylverfahrensberatung des BAMF, geflüchteten Personen, die sich als LGBTQIA* identifizierbar machen, Informationen über die LGBTQIA*-spezifischen Beratungsstellen auszuhändigen – wie es bereits im Sektor Betroffene von Menschenhandel erfolgen soll.

      Wir fordern die Möglichkeit des Verbleibs in Hamburg für LGBTQIA* Personen, die einen Asylantrag in Hamburg stellen, um Schutz und Zugang zu medizinischer Versorgung effektiv zu ermöglichen, und um Zwangsoutings zu vermeiden – gem. § 45 Abs. 2 AsylG können die Länder besondere Aufnahmequoten bestimmen und den Königsteiner Schlüssel zur Umverteilung von LGBTQIA* Geflüchteten auszusetzten.


      [1] http://www.bristol.ac.uk/media-library/sites/policybristol/PolicyBriefing77-Oct2019-germany-queer-asylum-German-version.pdf
      [2] https://www.lsvd.de/de/ct/2164-ausgangsbeschraenkungen-verschaerfen-LGBTQI*-feindliche-gewalt
      [3] https://fr-hessen.de/wp-content/uploads/2021/07/2021-Zur-Umsetzung-der-Instanbul-Konvention-in-Bezug-auf-gefluechtete-Frauen-und-Maedchen-in-Deutschland.pdf (fr-hessen.de)

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      Migration & Asyl
      news-878Wed, 22 Jun 2022 14:25:22 +0200Mehr rechtlichen Schutz für die Gorillas-Beschäftigten: RAV und VDJ fordern Anerkennung des europarechtlich gewährleisteten Streikrechts in Deutschland/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mehr-rechtlichen-schutz-fuer-die-gorillas-beschaeftigten-rav-und-vdj-fordern-anerkennung-des-europarechtlich-gewaehrleisteten-streikrechts-in-deutschland-878Gemeinsame Stellungnahme der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vom 22.07.2022Mehr rechtlichen Schutz für die Gorillas-Beschäftigten: RAV und VDJ fordern Anerkennung des europarechtlich gewährleisteten Streikrechts in Deutschland

      Die Fahrer:innen des Berliner Startups Gorillas hatten seit dem 9. Juni 2021 über Monate mehrmals in Berlin und Leipzig für sichere Beschäftigung, höhere Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen gestreikt, ohne dass eine Gewerkschaft dazu aufgerufen hatte. Daraufhin wurden rund 30 Fahrer:innen entlassen. Nur kurz darauf versuchte die Geschäftsführung auch die Wahl eines Betriebsrats im Wege der einstweiligen Verfügung zu stoppen. Dieses misslang, der Betriebsrat wurde gegen den Widerstand der Unternehmensführung gewählt. Gegen die Kündigungen haben Fahrer:innen Klage beim Arbeitsgericht Berlin erhoben. Die ersten Urteile hierzu liegen vor. Das Arbeitsgericht Berlin kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen, teilweise sieht es die Kündigungen als zulässig an; teilweise bewertet es die Kündigungen als unrechtmäßig.

      Die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin wies am 06.04.2022 die Kündigungsschutzklage von drei Fahrer:innen ab, denen aufgrund ihrer Teilnahme an diesem verbandsfreien Streik gekündigt worden war. Das Gericht erachtete zwei der außerordentlichen Kündigungen für wirksam, weil die Teilnahme an einem Streik nur dann rechtmäßig sei, wenn dieser von einer Gewerkschaft getragen werde.[1] Dabei lässt es die europarechtlichen Vorgaben zu Unrecht außer Acht.

      In einem weiteren Kündigungsschutzprozess vor der 19. Kammer desselben Gerichts hatte ein Rider dagegen Erfolg.[2] Die 19. Kammer hat der Klage unter anderem mit folgender Begründung stattgegeben:
      „Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Streikrecht nicht kodifiziert ist und somit auch die propagierte Notwendigkeit, dass ein Streik gewerkschaftlich organisiert sein muss, keine gesetzliche Grundlage hat. Dementsprechend vertritt die Literatur (…) auch die Auffassung, dass das ganze Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, die Artikel 28 EU-GRC eröffnet, jeder Gewerkschaft, aber auch jeder gemeinsam handelnden Arbeitnehmergruppe zustehe. Artikel 28 EU-GRC schütze daher auch den nicht gewerkschaftlichen „wilden“ Streik. […].

      Mithin ist es keineswegs gesichertes Recht, dass ein Aufruf zu einem sogenannten wilden Streik einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt. Die Frage, ob die Teilnahme hieran einen Kündigungsgrund darstellt, stellt sich somit heute grundlegend anders als vor dem Inkrafttreten der Europäischen Grundrechtecharta (…).“

      Die 19. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin greift damit im Kern die völker- und europarechtlichen Argumente auf, die kritische Jurist:innen bereits seit Jahrzehnten gegen das durch obergerichtliche Rechtsprechung geprägte restriktive Verständnis des deutschen Streikrechts anführen.

      Art. 6 Nr.4 der Europäischen Sozialcharta (ESC)[3] gewährleistet den Arbeitnehmer:innen  das Recht auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts. Eine Beschränkung der Träger:innen des Streikrechts auf tariffähige Gewerkschaften oder eine Beschränkung der Ziele des Streiks auf den Abschluss von Tarifverträgen kennt die ESC hingegen nicht. Die ESC wurde 1965 von der Bundesrepublik ratifiziert. Es handelt sich damit um verbindliches Völkerrecht, welches   nicht nur wie ein einfaches Gesetz zu beachten, sondern maßgeblich auch bei der Auslegung des Grundgesetzes heranzuziehen ist. Der Sachverständigenausschuss des Ministerkomitees des Europarats, der die Einhaltung der Europäischen Sozialcharta in den einzelnen Mitgliedsstaaten überwacht, erklärt seit Jahren, dass in Deutschland das „Verbot aller Streiks, die nicht auf Tarifverträge ausgerichtet sind und nicht von den Gewerkschaften ausgerufen oder übernommen werden“ ein Verstoß gegen die Sozialcharta sei. Das Ministerkomitee selbst sprach deswegen 1998 sogar eine sogenannte „Empfehlung“ aus, die höchste Sanktionsstufe, die ihm zur Verfügung steht.[4] 

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein e.V. und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. fordern die konsequente Anwendung europäischen Rechts und damit die Anerkennung weitergehender Streikmöglichkeiten als sie die deutsche Rechtsprechung bislang erlaubt. Diese Rechtsprechung wurde maßgeblich von Hans Carl Nipperdey geprägt,[5] der  während der Zeit des Faschismus in führender Position an der juristischen Umsetzung der Prinzipien des Nationalsozialismus beteiligt war, u.a. als Autor eines Kommentars zum faschistischen Arbeitsrecht AOG.

      Mit den vorliegenden europarechtswidrigen, in der Sache arbeitnehmerfeindlichen Zurückweisungen der Kündigungsschutzklagen verstößt die 20. Kammer gegen die Sozialcharta und eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes und perpetuiert sehr unrühmliche, überkommene und demokratiefeindliche Rechtsstandpunkte. Wir vertreten die Auffassung, dass die Entscheidungen der 20. Kammer keinen Bestand haben dürfen und fordern, die betroffenen Beschäftigten mit allen Rechten weiter zu beschäftigen.

      Wegen der herausragenden Bedeutung des Streikrechts für die Sicherung unserer Demokratie sollte endlich eine Diskussion über die Überwindung des restriktiven und rückständigen Verständnisses der Rechtsprechung zum Streikrecht in Gang kommen. Diese Diskussion sollte auf die Implementierung eines „umfassendes Streikrecht“ gerichtet sein, wie schon 2012 der Wiesbadener Appell forderte.[6] Dazu gehört auch das Recht auf den politischen Streik, dessen pauschales Verbot ebenfalls mit der Sozialcharta unvereinbar ist.

      Presserückfragen an Rechtsanwalt Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, telefonisch unter 069 71163438 oder per E-Mail an bundessekretaer@vdj.de

      [1] Siehe auch die Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin Nr. 05/22 vom 06. 04. 2022: https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1194236.php; der Volltext liegt bislang nicht vor.
      [2] Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 07.03.2022, 19 Ca 10127/21, abgerufen am 13.5.2022 unter https://www.arbeitsrecht-berlin.de/urteil-des-arbeitsgerichts-berlin-zum-wilden-streik/
      [3] Art. 6 Nr.4 ESC lautet: „Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsstaaten […] das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten […] anzuerkennen …“
      [4]"Empfehlung zur Anwendung der Europäischen Sozialcharta durch Deutschland während des Zeitraums v. 1993-1994 (13. Kontrollzyklus Teil IV), beschlossen v. Ministerkomitee am 3.2.98" in: AuR 4/1998, S. 156
      [5] Rechtsgutachten vom 2. Januar 1953 von Hans Carl Nipperdey im Auftrag des BDA „Die Ersatzansprüche für Schäden, die durch den von den Gewerkschaften gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz geführten Zeitungsstreik vom 27.-29. Mai 1952 entstanden sind“. 
      [6] Wiesbadener Appell: https://politischer-streik.de 

      Stellungnahme als PDF

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      PressemitteilungEuropa
      news-876Mon, 20 Jun 2022 17:05:00 +0200International Fair Trial Day und Verleihung des Ebru-Timtik-Awards/publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-876Palermo, 17./18.6.22

      Der RAV ist Teil der internationalen Anwält*innenverbände, die den International Fair Trial Day organisieren. Dieser wurde am 17. und 18.6. in Palermo begangen und konnte auch online verfolgt werden.

      Thematisiert wurde in diesem Jahr die Situation unserer Kolleg*innen in Ägypten, die unter zunehmender Verfolgung bis hin zur Inhaftierung ihrer so wichtigen Arbeit nachgehen.

      Das am 17.6.22 Joint Statement on the Situation in Egypt, the Focus Country of 2022, das auch vom RAV gezeichnet ist, findet sich hier:
      Joint Statement

      Der Ebru-Timtik-Award 2022 wurde am 18.6.22 an die inhaftierten ägyptischen Rechtsanwälte und Menschenrechtsverteidiger Mohamed El Baqer und Haitham Mohammadein verliehen. Hier zu den Hintergründen: 2022 Ebru Timtik Award Goes to Two Prominent Egyptian Lawyers and Human Rights Defenders

      Für den RAV war unsere Kollegin Ursula Groos in Palermo vor Ort und nahm am Programm teil.

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      news-877Mon, 20 Jun 2022 15:10:13 +0200Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-einfuehrung-eines-chancen-aufenthaltsrechts-877RAV-Stellungnahme, 20.6.2022Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) nimmt den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht aus dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat zum Anlass, zu den Vorhaben der Koalition im Migrationsrecht im Allgemeinen und zu einzelnen ausgewählten Punkten des Gesetzesentwurfes im Speziellen wie folgt Stellung zu nehmen:

      I. Ausgangslage und grundlegende Reformbedarfe

      Derzeit werden etwa 242.000 Menschen in Deutschland als vollziehbar ausreisepflichtig klassifiziert. Dieser Status der Duldung hat rechtlich verschiedene Gründe: Dazu zählen familiäre Verbindungen in Deutschland, festgestellte Abschiebeverbote, Erkrankungen, die Unmöglichkeit einer Abschiebung und faktische Abschiebestopps, oder das Nichtvorliegen von Dokumenten aus dem Herkunftsland.

      Gemein ist all den betroffenen Menschen eines: Ihnen wird signalisiert, dass sie nicht Teil dieser Gesellschaft sein sollen; sie können sich keine Perspektive in Deutschland entwickeln, obwohl sie bisweilen bereits über Jahre hier leben; sie sind mit einer besonderen Missgunst und einem massiven Druck seitens der Behörden konfrontiert.

      Einzelne Reformversuche in der Vergangenheit in diesem Bereich waren jeweils nur kleine Schritte in die richtige Richtung und konnten nur einem kleinen Teil der Menschen helfen: Etwa durch einzelne Änderungen im Bereich der Erwerbsmigration, durch die Einführung der §§ 25a, 25b AufenthG, dem Institut der Ausbildungsduldung und der Beschäftigungsduldung. Insbesondere Letztere ist aufgrund ihrer hohen Hürden praktisch kaum relevant.

      Umfassendere und grundlegende Änderungen – die sowohl menschenrechtlich angezeigt wären und zugleich auch aus einer ökonomischen Logik gefordert werden – scheiterten in der Vergangenheit derweil regelmäßig an der gegenläufigen Rationalität der Exekutive insbesondere in Gestalt des Bundesinnenministeriums, die grundsätzliche und auch dauerhafte Aufrechterhaltung der Ausreisepflicht als Massenphänomen und damit als gewolltes Sanktions- und Ausgrenzungsinstrument, einschließlich des besonders exkludierenden Arbeitsverbots, aufrechtzuerhalten.

      Tatsächlich ist es irreführend und empirisch nicht belegbar, die über Jahre andauernde prekäre aufenthaltsrechtliche Situation von hundertausenden Menschen, von der nicht zuletzt viele Kinder betroffen sind, mit der Verhinderung von vermeintlichen pull-Faktoren zu begründen. Ebenso unterkomplex ist es, wenn langjährige Duldungen mit der verweigerten Rücknahme durch die Herkunftsländer zu erklären versucht werden: Dies zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die zahlenmäßig besonders bedeutenden Herkunftsländer Irak und Iran, für die ein faktischer Abschiebestopp gilt; das Gleiche galt für den Umgang mit Menschen aus Afghanistan bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021. Wenn Menschen aus diesen Ländern perspektivisch schon rein praktisch nicht abgeschoben werden, ist es nicht zu rechtfertigen, sie per Duldung als vollziehbar ausreisepflichtig zu klassifizieren und von gesellschaftlicher Teilhabe auszuschließen.

      Ein wirklicher Paradigmenwechsel für Menschen in Duldung verlangt demgegenüber insbesondere die folgenden Punkte:

      Diese Maßnahmen müssen flankiert werden von proaktiven Maßnahmen des Staates, die gesellschaftliche Teilhabe von allen Menschen durch die Bereitstellung von Integrationskursen und durch umfassende Förderungen von Spracherwerb und beruflicher Aus- und Weiterbildung ermöglichen und unterstützen.

      Eine weitere zentrale Baustelle des Migrationsrechts ist schließlich die Regulierung des Familiennachzugs – zur Wahrung des grundgesetzlichen Rechts auf Familie und zur Verwurzelung der Menschen in Deutschland. Das betrifft, neben der notwendigen und im Koalitionsvertrag teilweise anvisierten Reformierung restriktiver Regelungen etwa des Spracherfordernisses, nicht zuletzt die Praxis des Auswärtigen Amtes und der Botschaften: Diese müssen so ausgestattet werden, dass Wartezeiten – die derzeit bis zu zwei Jahren betragen – deutlich verringert werden können. Das Recht auf Familie darf nicht an personellen Engpässen scheitern.

      II. Vorhaben der Koalition im Koalitionsvertrag

      Das Vorhaben der Koalition im Koalitionsvertrag, die rechtliche Situation von Menschen mit Duldung zu verbessern, ist aus Sicht des RAV überfällig und menschenrechtlich geboten. Es ist dringend erforderlich, dass die Perspektiven und die Rechtssicherheit von Menschen gestärkt werden, die sich in Ausbildung und Arbeit befinden.

      Wir begrüßen daher die Vorhaben der Koalition, die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse gem. § 25a und § 25b AufenthG und die Ausbildungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis zu transformieren. Unabdingbar ist die Ankündigung, die sog. „Duldung light“ nach § 60b AufenthG, die als Verschärfung mit dem »“Geordneten-Rückkehr-Gesetz“ eingeführt wurde und aktuell über 20.000 Menschen betrifft, und jegliche Arbeitsverbote aus dem Aufenthaltsgesetz zu streichen – da es sich hierbei um Instrumente handelt, die rechtlich höchst umstritten, von den Behörden sehr unterschiedlich angewandt und in der Konsequenz Menschen gänzlich aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließen und ihnen jegliche Perspektive versperren. Arbeitsverbote darf es im 21. Jahrhundert nicht geben.

      Ebenfalls unabdingbar und schnellstmöglich umzusetzen ist die Zusage im Koalitionsvertrag, die Visavergabe zu beschleunigen. Die Bundesregierung ist gehalten, hier zeitnah die Umsetzung voranzutreiben: Insbesondere den Menschen in Afghanistan, die einen Familiennachzug anstreben, sind derart lange Wartezeiten nicht weiter zumutbar.

      III. Zum Entwurf eines „Chancen-Aufenthaltsrechts“

      Grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist das Vorhaben, langjährige Phasen der Unsicherheit in Form von Kettenduldungen zu beenden. Der Vorschlag, hier ein sogenanntes „Chancen-Aufenthaltsrecht“ zu schaffen, kann die Rechte von vielen Menschen stärken, sich unabhängiger von gesetzlichen und bürokratisch restriktiven Regelungen zu machen, um sich zu bilden und zu arbeiten und sich eine eigenständige Lebensperspektive zu schaffen.

      III.1. Das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ nach dem Koalitionsvertrag

      Allerdings war schon das im Koalitionsvertrag anvisierte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ in der dort vorgeschlagenen Form zu lückenhaft.

      Im Koalitionsvertrag war das besagte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ an drei Voraussetzungen geknüpft (S. 110 des Koalitionsvertrages): Menschen, die erstens „am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben“, zweitens „nicht straffällig geworden sind“ und sich drittens „zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“, sollen „eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG).“

      III.1.1. Stichtagsregelung

      Es handelt sich wiederum nur um eine Stichtagsregelung, indem es nur diejenigen Menschen adressiert, die sich am 01.01.2022 fünf Jahre lang in Deutschland aufgehalten haben. Es wird hingegen keine dauerhafte rechtliche Lösung für Menschen geschaffen, von der auch die Menschen profitieren werden, dich sich nach diesem Stichtag fünf Jahre in Deutschland aufgehalten haben.

      III.1.2. Restriktiver Rahmen in zeitlicher Hinsicht

      Das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ eröffnet nominell und rechtlich nur eine Chance: Das Recht soll die Möglichkeit geben, innerhalb eines Jahres die Voraussetzungen eines anderen Bleiberechts – also die Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach anderer Norm – zu erfüllen; dies wird die Adressat*innen massiv unter Druck setzen, zumal nach unseren praktischen Erfahrungen ein Jahr kein langer Zeitraum ist, um sich etwa eine Arbeit zu suchen, die prognostisch dauerhaft den Lebensunterhalt sichert.

      III.1.3. Unzureichender persönlicher Anwendungsbereich

      Viele Menschen werden dauerhaft in Deutschland geduldet, weil ein anderweitiges Bleiberecht aus anderen rechtlichen Gründen scheitert, sie aber gleichwohl aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen perspektivisch nicht abgeschoben werden können und/oder dürfen: Weil sie krank sind, in Deutschland Familie haben, oder weil eine Abschiebung wegen der Zustände in ihrem Herkunftsland – wie etwa Afghanistan oder Somalia – nicht möglich oder zulässig ist. Diese große Personengruppe wird in dem Vorhaben einer Bleiberechtsreform von Vornherein gänzlich vernachlässigt.

      III.2. Der Referentenentwurf zum „Chancen-Aufenthaltsrecht“

      Der vorliegend zu diskutierende Referentenentwurf wirft weitere Kritikpunkte auf, indem er die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag unterminiert und durch verschiedentliche Einschränkungen dazu führen wird, dass zahlreiche Menschen nicht vom „Chancen-Aufenthaltsrecht“ profitieren werden:

      Folgende Einschränkungen des Entwurfs eines „Chancen-Aufenthaltsrecht sind aus Sicht des RAV besonders problematisch:

      III.2.1. Ausschluss wegen des Vorwurfs der Identitätstäuschung

      Gem. § 104c Abs. 1 Nr. 3 AufenthG-E sollen Personen ausgeschlossen werden, wenn die Abschiebung „aufgrund eigener falscher Angaben oder aufgrund [einer] Täuschung über [die] Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt“ ist.

      Damit wird zum einen das Vorhaben der Koalition aus dem Koalitionsvertrag unterhöhlt, an sich mit der Abschaffung der „Duldung light“ ein System von Geduldeten verschiedener Klassen zu beenden. Zum anderen zeigt die Praxis sowohl im Aufenthaltsrecht als auch im Sozialrecht im Zusammenhang mit § 1a AsylblG, dass der Vorwurf der Verantwortlichkeit für das Abschiebehindernis bereits – insbesondere durch vermeintlich unterlassene Bemühungen, sich Papiere des Herkunftslandes zu beschaffen – durch die Ausländerbehörden ausufernd und grundlos bemüht wird, um Menschen zu entrechten.

      III.2.2. Beschränkter Wechsel in eine andere Aufenthaltserlaubnis

      Das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ soll nach der einjährigen Probephase nur in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG umgewandelt werden können (§ 104c Abs. 1 S. 2 AufenthG-E).

      Entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des Koalitionsvertrages ist damit eine Verlängerung in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG nicht möglich.

      Ohnehin bleibt auch systemisch unklar und unbegründet, warum nach der einjährigen Probephase eine Aufenthaltserlaubnis nicht aus anderen Gründen – etwa aus zwischenzeitlich eingetretenen familiären Gründen, durch die Aufnahme eines Studiums oder gem. § 25 Abs. 5 AufenthG – möglich sein sollte. § 104 c Abs. 1 S. AufenthG-E ist damit aus unserer Sicht auf alle Aufenthaltserlaubnisse zu erstrecken.

      Jedenfalls muss aus diesem Grund die Vorgabe in § 104c Abs. 1 S. 5 AufenthG-E gestrichen werden, wonach Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG entfalten sollen.

      III.2.3. Ausschluss bei Straftaten von Familienangehörigen

      Besonders problematisch ist die Vorgabe gem. § 104c Abs. 3 AufenthG-E:

      Demnach soll das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ für andere Mitglieder der Kernfamilie ausgeschlossen sein, wenn „der Ausländer oder ein in häuslicher Gemeinschaft lebender Ehegatte, Lebenspartner oder minderjähriges Kind Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 begangen“ hat. Diese Vorschrift ist zunächst insofern redaktionell unklar formuliert, als dass nicht deutlich wird, ob es nur um die akzessorische Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 2 AufenthG (durch die Formulierung „Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift für andere Mitglieder der Kernfamilie“) oder auch um die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG-E geht (indem es auf Straftaten des „Ausländers“ Bezug nimmt, die bereits nach § 104c Abs. 1 S 1. Nr. 2 AufenthG-E zum Ausschluss führen). Jedenfalls aber markiert diese Einschränkung eine als „Sippenhaft“ zu bezeichnende und grundlose Ausweitung der Rechtsfolgen von Straftaten von einem Familienmitglied auf die gesamte Familie.

      III.2.4. Maßgebliche Voraufenthaltszeiten

      Voraussetzung des „Chancen-Aufenthaltsrechts“ nach § 104c Abs. 1 S. 1 ist der ununterbrochene Aufenthalt kraft Duldung, Aufenthaltsgestattung oder eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Zum einen schließt dies die zahlreichen praktischen Fälle von Personen aus, die zwischenzeitlich und ausweislich einer rechtswidrigen Praxis faktisch, aber ohne eine explizite Bescheinigung geduldet waren oder sind, oder auch – nicht zuletzt wegen praktischer Schwierigkeiten während der Corona-Pandemie - ihre Duldung nicht verlängern konnten. An dieser Stelle bedarf es mindestens einer gesetzgeberischen Klärung, um individuellen Restriktionen durch die Ausländerbehörden vorzubeugen. Zum anderen ist es unverständlich, warum Personen aus der Norm herausfallen sollen, die zwischenzeitlich eine Aufenthaltserlaubnis aus anderen Zwecken – etwa familiären Gründen oder wegen eines Studiums –, mithin ein sicheres Aufenthaltsrecht innehatten.

      III.2.5. Kein regelhaftes Absehen von der Passpflicht

      Irreführend ist - es stellt wohl eher ein Redaktionsversehen dar -, wenn entsprechend dem Umkehrschluss aus § 104c Abs. 1 S. 1 AufenthG-E von der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 AufenthG nicht im Regelfall abgesehen werden soll. Dies widerspricht systematisch der Vorgabe und auch dem ausdrücklichen Vorhaben im Koalitionsvertrag, dass das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ die Möglichkeit eröffnen soll, sich innerhalb eines Jahres um eine Klärung der Identität zu bemühen.

      III.3. Forderungen

      Der RAV empfiehlt, den Entwurf des „Chancen-Aufenthaltsrecht“ wie folgt zu ändern bzw. zu ergänzen:

      IV. Vorhaben in den Bereichen Teilhabe und Familiennachzug

      Im Koalitionsvertrag (S. 111) ist vorgesehen, dass zum Ehepartner oder zur Ehepartnerin nachziehende Personen den erforderlichen Sprachnachweis auch erst nach Ankunft, und damit nach Visavergabe, erbringen können. Dieses Vorhaben ist durch den vorliegenden Entwurf in § 30 AufenthG-E nur eingeschränkt umgesetzt worden: Stattdessen ist vorgesehen, dass von nun an beim Nachzug zu Fachkräften und zu Personen mit besonderen berufspraktischen Kenntnissen in einzelnen Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologie vom Spracherfordernis gem. § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. AufenthG-E abgesehen wird.

      Diese nur eingeschränkte Änderung ist nicht nachvollziehbar und verkennt die praktische und akute Problemlage: Insbesondere Menschen, die über einen humanitären Aufenthaltstitel etwa kraft eines Abschiebungsverbotes verfügen, stammen zumeist aus Ländern oder die Familienangehörigen befinden sich in Transitländern, in denen jeweils, verstärkt durch die mangelhaften Lebensbedingungen der Familien und vor allem für Frauen, ein Spracherwerb kaum bis gar nicht möglich ist. Die Klassifizierung zwischen diesen Konstellationen einerseits und den zumeist mit besseren Möglichkeiten ausgestatten Familien von Fachkräften ist weder praktisch noch menschenrechtlich begründbar. 

      Wir fordern daher,

      Ebenso noch nicht bzw. nur verkürzt umgesetzt sind die Pläne aus dem Koalitionsvertrag, „für alle Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskurse“ anzubieten (S. 111 des Koalitionsvertrages). Stattdessen ist allein nach § 44 AufenthG-E vorgesehen, dass der Stichtag der Einreise „vor dem 01. August 2019“ sowie der Ausschluss von Personen aus sicheren Herkunftsstaaten gestrichen wird. Wir fordern eine schnelle Umsetzung der Maßgabe,

      V. Abschließende Bemerkungen

      Weder die Vorhaben der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag und noch weniger die vorliegenden Umsetzungsvorschläge werden dem Anspruch gerecht, einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik herbeizuführen. Dieses gilt insbesondere für die Reform der Rechte von Menschen in Duldung. Die vorliegenden Pläne bergen die Gefahr, dass weiterhin Zehntausende bis Hundertausende Menschen in Deutschland leben, die von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind, und denen eine sichere Lebensplanung in Deutschland unmöglich gemacht wird. Ein sichtbarer Bruch mit der Logik von Ausschluss und Repression findet nicht statt. Dieser Zustand ist, insbesondere für die vielen betroffenen Kinder, unhaltbar – und er darf auch weiterhin nicht bleiben.

      Unterdessen ist die Koalition gehalten, sich aber jedenfalls an die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zu halten, und die einzelnen progressiven Elemente zugunsten von Menschen in Duldung und mit humanitären Aufenthaltserlaubnissen nicht noch weiter zu unterhöhlen.

      Zugleich müssen die Pläne schnell umgesetzt werden: Wir reden hier über die Situation und den Status von Menschen in existenziellen Notlagen. Bis zu einer endgültigen Kodifizierung des „Chancen-Aufenthaltsrechts“ ist es zudem unabdingbar, dass bundesweit Vorgriffsregelungen erlassen werden, um den Status der Adressat*innen der neuen Rechtslage bis dahin zu schützen und ihnen Sicherheit zu geben.

      Verfasser*innen: Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert und Rechtsanwältin Berenice Böhlo für den RAV

      Berlin, den 20. Juni 2022

      RAV-Stellungnahme als PDF

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      StellungnahmenMigration & Asyl
      news-874Mon, 30 May 2022 09:46:30 +0200RAV-Forderung an die Ampel: »Angekündigter Kurswechsel in der Migrationspolitik muss endlich umgesetzt werden«/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-forderung-an-die-ampel-angekuendigter-kurswechsel-in-der-migrationspolitik-muss-endlich-umgesetzt-werden-874RAV-Pressemitteilung 2/22 vom 30.5.22Anfang Juni findet die IMK in Bayern statt. Anlass für die ›Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht Süd‹ des RAV, auf die bayerische und Bundesinnenpolitik hinzuweisen: Der durch die Ampel angekündigte Kurswechsel in der Migrationspolitik muss endlich umgesetzt werden! Bayern muss die hektische Abschiebepolitik beenden!

      Anlässlich der Konferenz der Innenminister* und -senator*innen (IMK) ab dem 1. Juni 2022 in Würzburg üben Migrationsrechtsanwältinnen und -anwälte Kritik an der innenpolitischen Führung im asyl- und migrationspolitischen Geschehen im Bund, insbesondere aber in Bayern.

      Bundesregierung handelt nicht

      Im November 2021 kündigte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag einen Kurswechsel in der Migrationspolitik an. Sie versprach eine Reihe von aufenthaltsrechtlichen Verbesserungen, doch auch nach sechs Monaten sind keine konkreten Gesetzesvorhaben bekannt. Ein gesetzgeberisches Handeln von Seiten des Bundesinnenministeriums ist bislang nicht ersichtlich. Ein Schlag ins Gesicht für eine migrationsfreundliche Politik!

      Bayern unterläuft Bundespläne

      Insbesondere in Bayern scheinen die angekündigten Änderungen allerdings dazu geführt zu haben, dass die Ausländerbehörden – dem Innenministerium unterstellt – nochmal besonders repressiv und migrationsfeindlich auftreten. Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen erlassen innerministerielle Rundschreiben, die eine Vorwirkung des Koalitionsvertrags annehmen und regeln, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Personen betrieben werden, die wahrscheinlich in den Genuss der neuen Regelungen kommen werden.
      Anders in Bayern. Hier ist zu erkennen, dass bayerische Ausländerbehörden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung forcieren. Arbeitsverbote und sog. ›Duldungen light‹ werden ausgeweitet – auch Personen betreffend, die unter die geplanten Regelungen fallen werden. Nicht selten verweigern Behörden, kurz bevor Betroffene die gesetzlich vorausgesetzten Mindestduldungszeiten erreichen, die Erteilung der Duldungsbescheinigungen aufgrund von Lappalien.

      Verschärfte Repression in Bayern

      Bayerns Ressourcen und Personal, so der Eindruck, werden insbesondere in die Aufenthaltsbeendigung investiert. Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, Niederlassungserlaubnissen oder zur Einbürgerung verlaufen dagegen schleppend. Die Ausländerbehörden sind nicht erreichbar und heillos überlastet; beides nicht erst seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine.
      »Der Eindruck entsteht«, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal von der ›AG Migrationsrecht Süd‹ des RAV, »dass das bayerische Innenministerium die Ausländerbehörden anleitet, alle Möglichkeiten der Abschreckung und Repression nochmal ausgiebig auszuschöpfen, bevor sie der Bund beschränkt«. Seine Kollegin, Rechtsanwältin Antonella Giamattei, ergänzt, »statt mit den Betroffenen Perspektiven durch die versprochenen Neuregelungen zu erörtern, werden sie mit Arbeitsverboten und Strafverfahren überzogen. Statt eines Spurwechsels steht für Bayern die Aufenthaltsbeendigung im Fokus«.

      Neuregelungen beschleunigen

      Daher wären die neuen Regelungen dringend nötig: Beispielsweise wurde ein sog. ›Chancen-Bleiberecht‹ für Geduldete mit einer Stichtagsregelung zum 1. Januar 2022 (sic!) in Aussicht gestellt. Nichts geschah. Ebenso angekündigt: ein erleichterter Zugang zu Bleiberechtsregelungen wegen guter Integration, die Abschaffung von Arbeitsverboten und von sog. ›Duldung light‹. Bisher ohne Umsetzung.
      Ziyal betont: »Wir fordern die IMK allgemein, aber insbesondere den bayerischen Innenminister, Herrn Hermann, auf, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen. Erlassen Sie entsprechende Vorgriffsregelungen auf die geplanten Bleiberechtsregelungen«.

      Hintergrund
      Die ›Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht Süd‹ hat sich Anfang 2022 als Zusammenschluss von Rechtsanwält*innen innerhalb des RAV gegründet. Sie versammelt im Migrationsrecht tätige Rechtsanwält*innen in Süddeutschland. Ziel der AG ist es, über das einzelne Mandat und den fachlichen Austausch hinaus im migrationsrechtlichen Geschehen politisch zu agieren. »Im Bereich des Migrationsrechts sind unsere Mandantinnen und Mandanten besonders schutzbedürftig; der Umgang der bayerischen Behörden mit Asylsuchenden und Migrant*innen ist oft hart und repressiv. Wir sehen es hier als enorm wichtig an, ihre Grundrechte auch durch politische Arbeit zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken«, sagt Rechtsanwältin Antonella Giamattei zur Gründung der AG.

      Für Presseanfragen und weitere Informationen kontaktieren Sie gerne:
      RA Yunus Ziyal
      Tel.:  030.417 235 55
      E-Mail: kontakt@rav.de

      PM als PDF

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-873Wed, 25 May 2022 13:17:00 +0200Die Polizei: Helfer, Gegner oder Staatsgewalt?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-polizei-helfer-gegner-oder-staatsgewalt-873Veranstaltung 14.6.22 | 19 h | BerlinIm März diesen Jahres ist das Buch ›Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation‹ von dem Kollegen Benjamin Derin und Prof. Dr. Tobias Singelnstein erschienen. In dem Buch werden aus informierter Sicht nicht nur die Rolle der Polizei in der Gesellschaft und die dabei auftretenden Probleme behandelt, sondern auch die Frage aufgeworfen, wie eine Polizei in einer demokratischen Gesellschaft aufgestellt sein soll. Vor allem der letzteren Frage nach der Perspektive für die Polizei wollen wir uns auf der Veranstaltung widmen.

      Dazu haben wir neben den beiden Autoren Benjamin Derin und Tobias Singelnstein auch Betroffene polizeilicher Arbeit eingeladen, um auch ihre Sicht auf die Polizei und ihre Forderungen an deren Arbeit zu hören.
      Auf der Veranstaltung werden wir die Thesen der beiden Autoren u. a. mit

      Hannes Poggemann vom Dachverband der Fanhilfen,

      Nicole Lindner vom Wohnungslosenparlament,

      Wiebke Wildvang von der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen,

      Biblap Basu von KOP – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt sowie

      Philipp Krüger von amnesty-polizei diskutieren.

      Moderation: Lena Kampf von der Süddeutschen Zeitung

      Wir freuen uns auf eine gemeinsame Diskussion am

      14.6.22 um 19 h im Refugio, Lenaustr. 3-4, Berlin-Neukölln.

      Eine Veranstaltung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) in Zusammenarbeit mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Dachverband der Fanhilfen, der Wohnungslosenstiftung und amnesty-polizei.

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      PolizeiVeranstaltungen
      news-872Fri, 20 May 2022 12:57:36 +0200Fluchthilfe ist kein Verbrechen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluchthilfe-ist-kein-verbrechen-872Aufruf zur Teilnahme: Bundesweiter Aktionstag 21.5.22Am 21.5.2022 beginnen die Vorverhandlungen gegen die 21 Seenotretter*innen von der Iuventa Crew und weiteren Organisationen. Es wird ihnen vorgeworfen, mit Schmugglern zusammengearbeitet zu haben, es drohen lange Haftstrafen. Bei der Vorverhandlung soll entschieden werden, ob die Anklage fallengelassen oder ein möglicherweise jahrelanger Prozess gegen sie eingeleitet wird.
      Dies ist Anlass für einen bundesweiten, mit den Angeklagten solidarischen Aktionstag am gleichen Tag.

      Auch der RAV ruft auf, sich an diesen Aktionen zu beteiligen, alle Informationen über die Orte/Zeiten etc. finden sich auf der Seite von Seebrücke, hier: https://seebruecke.org/aktionen

      Im Rahmen der Berliner Proteste (12 h auf dem Platz der Republik)  wird RA Adrian Furtwängler für den RAV und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger eV. einen Redebeitrag mit Fokus auf die Kriminalisierung der Seenotretter*innen halten.

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      Flüchtlinge/GeflüchteteMigration & Asyl
      news-864Tue, 17 May 2022 10:41:46 +0200Präsentation des Grundrechte-Reports 2022/publikationen/mitteilungen/mitteilung/praesentation-des-grundrechte-reports-2022-864Presseeinladung, 18.5.2022, 10hDie Teilnahme an der Präsentation ist per Livestream, Videokonferenz oder im Maison de France, Kurfürstendamm 211 in 10719 Berlin, möglich. Bei einer physischen Teilnahme im Maison de France sowie per Videokonferenz bitten wir um eine vorherige Anmeldung. Der Link zum Livestream ist am Tag der Präsentation unterwww.grundrechte-report.deabrufbar.

      Der Grundrechte-Report 2022 steht nach der Vielzahl von Umweltkatastrophen im Jahr 2021 schwerpunktmäßig einerseits im Zeichen des Klimaschutzes und beleuchtet hierbei unter anderem den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz sowie das unzureichende Verbandsklagerecht zum Klima- und Umweltschutz. Andererseits wirft der Bericht ein Schlaglicht auf die Grundrechtsfragen, die durch den chaotischen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan entstanden ist.

      Vorgestellt wird der Report in diesem Jahr von Ferda Ataman. Sie ist Journalistin, Autorin und Politologin und arbeitet zu Fragen rund um Migration, Diversität und Rassismus. Sie ist Mitbegründerin und ehrenamtliche Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen, einem Netzwerk von Journalist*innen of Colour, das sich für mehr Vielfalt in Medien und für diskriminierungskritische Berichterstattung im Einwanderungsland einsetzt. Zudem hat sie den Mediendienst Integration aufgebaut und war Referatsleiterin in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

      Kava Spartak berichtet bei der Pressekonferenz als Vorstand der Initiative YAAR e.V., die sich in der Geflüchtetenhilfe für Menschen aus Afghanistan engagiert. Im Fokus steht dabei einerseits die falsche Lagebewertung der Bundesregierung bezüglich der Stabilität des Landes vor dem Truppenabzug Mitte 2021 und die daran geknüpfte deutsche Abschiebepraxis der letzten Jahre sowie andererseits die Evakuierungen aus Kabul und die schleppende Aufnahme gefährdeter Menschen seit August 2021.

      Der Mitherausgeber des Grundrechte-Reports John Philipp Thurn, Richter am Sozialgericht Berlin, wird als Mitglied der Redaktion die Präsentation moderieren.

      Seit fünfundzwanzig Jahren erscheint der Grundrechte-Report: Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland. Die 39 Einzelbeiträge im 26. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2021. Der Report analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

      Informationen zur Teilnahme und Möglichkeiten für Fragen an das Podium: Bei Interesse an einer Teilnahme an der Videokonferenz oder im Maison de France melden Sie sich bitte bis zum 17. Mai 2022 an unter grr@humanistische-union.de.

      Rezensionsexemplare (auch als PDF) zu Pressezwecken können vorab über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an die Geschäftsführerin der HU, Carola Otte, unter 0176 – 9960 9669 oder grr@humanistische-union.de.

      Grundrechte-Report – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgegeben von: Benjamin Derin, Andreas Engelmann, Vera Fischer, Rolf Gössner, Wiebke Judith, Hans-Jörg Kreowski, John Philipp Thurn, Rosemarie Will, Michèle Winkler. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M., Mai 2022, ISBN 978-3-596-70805-5, 224 Seiten, 13.00 Euro.

      Der Grundrechte-Report 2022 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte

      Presseinladung (PDF)

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      Grundrechte
      news-863Mon, 16 May 2022 08:14:45 +0200Arbeitskreises Mietrecht im RAV bei Kongress „European contribution to the right to housing: Standards, Litigation & Advocacy“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/arbeitskreises-mietrecht-im-rav-bei-kongress-european-contribution-to-the-right-to-housing-standards-litigation-advocacy-863Text des Vortrages in den Sprachen Deutsch, Englisch Französisch sowie SpanischDer Wohnungs- und Mietmarkt steht nicht nur in Deutschland unter enormen Druck. Europaweit mobilisieren sich deswegen Interessenverbände, Aktivist*innen und Jurist*innen zur Verbesserung der Rechte auf Seiten der Mieter*innen und Wohnenden und auch der Wohnungslosen.

      Am 16.05 2022 findet in Brüssel ein Kongress zu dem Recht auf Wohnen, zu der Verfasstheit von Wohnungspolitik und Mieter*innenschutz im europäischen Vergleich und zu der Rolle der Anwält*innenschaft bei der Stärkung und Durchsetzung vom Mieter*innenrechten statt. Ziel ist sowohl europäische Vernetzung als auch der Austausch über  Möglichkeiten der Verhinderung von Wohnungslosigkeit, steigender Mieten und der Eindämmung des Miet- und Immobilienmarktes als Spekulationsobjekt. Im Fokus stehen dabei auch die Frage strategischer Prozessführung.

      Veranstaltet wird der Kongress von der Fondation Abbé Pierre and FEANTSA/ Housing Rights Watch. Der AK-Mietrecht wird hier eine Einführung in den derzeitigen Stand des juristischen Mieter*innenschutzes in der BRD, sowie zu politischen Forderungen und Perspektiven zukünftiger Regelungen beitragen.

      Das Programm ist unter: http://www.housingrightswatch.org/news/european-contribution-right-housing-standards-litigation-and-advocacy zu finden.

      Der Text des Vortrages in den Sprachen Deutsch, Englisch Französisch sowie Spanisch kann hier heruntergeladen werden:
      The text of the presentation in German, English, French and Spanish can be downloaded here:
      El texto de la conferencia en alemán, inglés, francés y español puede descargarse aquí:
      Le texte de la conférence en allemand, anglais, français et espagnol peut être téléchargé ici:

      Deutsch
      English
      Franҫais
      Español

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      Mietrecht
      news-859Tue, 10 May 2022 12:03:58 +0200Bleiberecht und Aufnahme jetzt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bleiberecht-und-aufnahme-jetzt-859Aufruf zur Demonstration anlässlich der Innenminister*innenkonferenz (IMK) in WürzburgDer RAV hat den Bündnis-Aufruf zur Demonstration am 2.6.22 in Würzburg gezeichnet, den wir hier veröffentlichen.

      ***************************

      Wir stehen an der Seite aller Menschen, die bedroht sind – egal ob sie aus der Ukraine oder aus anderen Krisenregionen der Welt vor Krieg, Not und Verfolgung fliehen. Wir sagen: Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben. Von den Innenminister*innen, die in Würzburg tagen, fordern wir daher: Vergesst die Menschen aus Afghanistan und anderen Ländern nicht!

      Bleiberecht jetzt: Schluss mit dem Angstzustand Duldung!

      242.000 geflüchtete Menschen leben in Deutschland mit dem unsicheren Status der Duldung, der Großteil von ihnen schon seit vielen Jahren. Die meisten sind aus dem Irak, Afghanistan, Nigeria, dem Iran oder aus russischen Teilrepubliken wie Tschetschenien geflohen. Ihr Alltag ist geprägt von Perspektivlosigkeit, Angst vor einer Abschiebung und der Einschränkung sozialer Rechte.

      Auch zehntausende Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Die Bundesregierung muss geduldeten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen endlich Perspektiven eröffnen! Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Bleiberechtsregelungen müssen großzügig und zeitnah umgesetzt werden. Die „Duldung light“ sowie Ausbildungs- und Arbeitsverbote gehören abgeschafft.

      Doch was passiert? Die Landesinnenminister*innen schieben weiterhin ab. Mitten in der Nacht, überfallartig werden ganze Familien aus ihren Betten gerissen – obwohl die Ampel-Koalition vereinbart hat, dass sie bleiben sollen. Auch Kinder und Jugendliche, die schon lange hier leben, müssen in Länder „zurückkehren“, die sie kaum kennen.

      Wir fordern von der IMK einen allgemeinen Abschiebungsstopp, damit sichergestellt ist, dass Menschen nicht noch schnell abgeschoben werden, bevor das neue Bleiberecht im Bundestag beschlossen wird.

      #DontForgetAfghanistan: Die Menschen in Afghanistan nicht im Stich lassen!

      Ein halbes Jahr nach Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sind dort immer mehr Menschen in Lebensgefahr. Die Bundesregierung hat ihr Versprechen gebrochen, die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen. Sogar Menschen, die für deutsche Organisationen oder die Bundeswehr gearbeitet haben und deswegen von den Taliban verfolgt werden, haben oft keine Chance auf Aufnahme in Deutschland.

      Jeden Tag werden schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan begangen. Vor allem Aktivist*innen für Frauen- und Menschenrechte, Journalist*innen, aber auch Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten, LGBTIQ und Mitarbeiter*innen der früheren Regierung sowie Menschen, die in der Vergangenheit für westliche Organisationen gearbeitet haben, erfahren Gewalt durch die Taliban. Die Rechte von Frauen und Mädchen werden kontinuierlich eingeschränkt. Immer mehr Mädchen werden zwangsverheiratet, statt Bildung zu erhalten.

      Wir fordern eine unverzügliche, schnelle und sichere Aufnahme aus Afghanistan! Das Versagen der deutschen Behörden bei der Evakuierung gefährdeter Personen darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.

      Es müssen sofort Landes- sowie Bundesaufnahmeprogramme geschaffen werden. Besonders gefährdete Personen müssen unabhängig von solchen Programmen Aufnahme finden. Reformiert und beschleunigt werden muss auch das Ortskräfteverfahren und alle gefährdeten Familienmitglieder müssen bei der Aufnahme berücksichtigt werden. Aus Deutschland abgeschobene Afghan*innen gelten als verwestlicht und sind damit durch die Taliban bedroht. Sie müssen zurückkommen dürfen.

      Wie im Koalitionsvertrag versprochen muss zudem der Familiennachzug endlich erleichtert werden. Abläufe müssen vereinfacht und beschleunigt werden, damit geflüchtete Afghan*innen in Deutschland ihre Familien in Sicherheit bringen können. Alle Menschen, die bereits aus Afghanistan nach Deutschland fliehen konnten, müssen umgehend einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten.

      ************************

      Weiterer Protesttermin:
      Aktionen im Vorfeld der IMK, Dienstag, 17.05.2022, 17 Uhr, Ort der IMK Vorkonferenz, Berlin

      Alle Informationen finden sich auf der Seite von Jugend ohne Grenzen (JoG) http://jogspace.net/

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      Migration & Asyl
      news-858Tue, 10 May 2022 11:52:44 +0200Flucht und Asyl aus feministischer Sicht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht-1-858Podcast vom 8.3.2022Die Istanbul-Konvention ist in Deutschland seit über 4 Jahren geltendes Recht. Ein Meilenstein. Jedoch mangelt es an einer wirksamen Umsetzung. So behindern u.a. Genderstereotype immer noch den gleichen Zugang zum Recht und einen effektiven Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt.

      Beim Abendforum der Evangelischen Akademie am 8. März 2022 sprach Andrea Kothen von Pro Asyl mit der Rechtsanwältin Barbara Wessel, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV.

      Sie erklären, wie die Istanbul-Konvention die Lage von geflüchteten Frauen verbessern könnte und welche Schwierigkeiten sich bei Unterbringung und Gesundheitsversorgung stellen.

      Hier der Link zum Podcast: https://www.podcast.de/episode/593167550/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht

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      FeminismusMigration & Asyl
      news-848Mon, 02 May 2022 13:12:48 +0200Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (3. PStRÄndG)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-dritten-gesetzes-zur-aenderung-personenstandsrechtlicher-vorschriften-3-pstraendg-8482.5.2022; RAV-StellungnahmeDem RAV wurde Gelegenheit eingeräumt, zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (3.  PStRÄndG) beim Bundesministerium des Innern und für Heimat schriftlich eine Stellungnahme einzureichen.

      Der Gesetzesentwurf findet sich hier: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/3-PStRaendG.html

      Folgende Stellungnahme, verfasst von RA und Notar Dirk Siegfried aus Berlin, ist vom RAV beim BMI eingereicht worden:

      1. § 9 Abs. 1 PStG-E

      Es ist bereits unklar, ob diese Regelung nur für die Erklärungen gelten soll, die beim Standesamt beurkundet oder beglaubigt werden, oder auch für die Einreichung von Erklärungen, die bereits bei einer anderen zuständigen Stelle beurkundet oder beglaubigt wurden. (Die Begründung scheint eher für die zweite Auffassung zu sprechen.) Jedenfalls aber ist sie überflüssig: Bei den Beurkundungen und Beglaubigungen, die beim Standesamt selbst erfolgen, ergibt sich die Notwendigkeit der persönlichen Vorsprache aus allgemeinem Beurkundungsrecht. Bei Beurkundungen und Beglaubigungen, die bereits bei einer anderen Stelle erfolgt sind, gibt es keinen rechtfertigenden Grund für die Einführung einer verpflichtenden Vorsprache zur Einreichung dieser Erklärungen. Eine solche Pflicht belastet die Anzeigenden und die Standesämter zusätzlich statt sie – dem Gesetzeszweck entsprechend – zu entlasten. Der auf Seite 70 des Entwurfes geäußerte Generalverdacht gegen Eltern von Kindern „ausländischer Herkunft“ entbehrt jeglicher empirischen Grundlage und ist zurückzuweisen. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die Einführung einer verpflichtenden Vorsprache zur Einreichung bereits beurkundeter oder beglaubigter Erklärungen einer etwaigen Erhöhung der „Zahl missbräuchlicher Erklärungen“ entgegenwirken sollte.

      1. § 10 Abs. 1 PStG-E

      Auch die Verschärfung von § 10 Abs. 1 PStG belastet die Anzeigenden und die Standesämter zusätzlich und ist mit dem Gesetzeszweck der Vereinfachung der Verfahren nicht zu vereinbaren. Die Entwurfsbegründung auf Seite 70 unten verkennt, dass die Anzeigenden, soweit das Standesamt die erforderlichen Daten „aus anderen Registern elektronisch abrufen kann“, nach § 10 Abs. 1 und 3 PStG in der aktuellen Fassung von Angaben bzw. Nachwiesen befreit wären. Diese Befreiung nun in das Ermessen des Standesamts zu stellen, belastet die Anzeigenden mit unnötigen Angaben bzw. Nachweisen und die Standesämter mit der Ermessensentscheidung und deren Rechtfertigung.

      1. § 12 Abs. 4 PStG-E

      Die Neuregelung soll die Standesämter zur Anhörung und Beratung verpflichten und die Eheschließenden zu einem persönlichen Gespräch. Beides ist überflüssig. Die Standesämter sind ohnehin zur Beratung verpflichtet und kommen dem in aller Regel auch nach. Es gibt keinerlei Grund zur Annahme, dass sie diese Verpflichtung ausgerechnet bei den drei in § 12 Abs. 4 PStG-E genannten Fragen so eklatant vernachlässigt hätten, dass es nötig wäre, sie bei diesen Fragen nochmals ausdrücklich in die Pflicht zu nehmen.

      Schlimmer ist, dass die Regelung alle Eheschließenden mit einer Gesprächspflicht belastet, auch diejenigen, die Hinweise zu den genannten Fragen überhaupt nicht benötigen, z.B., weil sie bereits informiert sind. Dies wird von den Eheschließenden nachvollziehbar als bevormundend empfunden werden und das Verhältnis zwischen ihnen und dem Standesamt belasten. Die Vermutung, dass die Beratung hier nur oder jedenfalls auch der Verschleierung einer Ausforschung dient, wird bestätigt durch die Ausführungen auf S. 71 unten der Gesetzesbegründung, wonach „Im Übrigen“ „nur durch eine persönliche Anhörung der Verlobten ein Verdacht über die Absicht der Eingehung einer Scheinehe ausgeräumt oder erhärtet werden“ könne. Wenn und soweit ein verpflichtendes Gespräch zur Überprüfung eines etwaigen Verdachts über die „Absicht zur Eingehung einer Scheinehe“ für erforderlich gehalten werden sollte, müsste dessen Einführung vom Gesetzgeber unter Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere aus Art. 6 GG, begründet werden. Die Einführung einer solchen Verpflichtung unter dem Deckmantel einer fürsorglichen Beratung missachtet die verfassungsrechtlichen Vorgaben, entwertet die bei den Standesämtern tatsächlich stattfindende Beratung und ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig.

      1. § 18 Abs. 1 Satz 3 PStG-E

      Auch diese Verschärfung ist überflüssig, belastet die Anzeigenden und die Standesämter und konterkariert den Gesetzeszweck der Vereinfachung der Verfahren. Es ist zudem dem Gesetz nicht zu entnehmen, welche „zusätzlichen Nachweise“ - bezüglich welcher Umstände? -  die Standesbeamt*innen zukünftig verlangen sollen. Dies wäre, wenn erforderlich, im Gesetz zu definieren.

      1. § 50 Abs. 1 PStV-E

      Durch diese Neuregelung würde den Personen, die durch das Übereinkommen vom 08. September 1978 ausgegrenzt und diskriminiert werden, auch noch die Möglichkeit genommen, bei Bedarf Auszüge mit formblattkonformen Angaben zu erhalten. Stattdessen sollte die Bundesrepublik alles unternehmen, um die Formblätter der Wirklichkeit anzupassen. Für die Übergangszeit müssen Formblätter zur Verfügung gestellt werden, die die Wirklichkeit korrekt abbilden und im Übrigen den Formblättern des Übereinkommens entsprechen. Wenn dies ohne Erwähnung des Übereinkommens geschieht, ist hiermit eine Verletzung des Übereinkommens nicht verbunden. Ohnehin könnte einem solchen Vorwurf angesichts der offensichtlichen und vom Entwurf ja auch nicht bestrittenen Mängel dieses Übereinkommens gelassen begegnet werden. Zusätzlich sollte den von dem Übereinkommen ausgegrenzten und diskriminierten Personen die Möglichkeit erhalten bleiben, bei Bedarf Auszüge mit formblattkonformen Angaben zu erhalten.

      StN als PDF

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      news-847Mon, 02 May 2022 12:49:21 +0200„Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“<br />Die neue Klassenjustiz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/vor-dem-gesetz-sind-nicht-alle-gleich-die-neue-klassenjustiz-847Lesung und Diskussion mit Ronen Steinke, 18.5.22 um 18:30 h in Hamburg„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
      – Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz

      Das Versprechen lautet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sie sind nicht gleich. Das Recht hierzulande begünstigt jene, die begütert sind; es benachteiligt die, die nichts haben. Wirtschaftsdelikte in Millionenhöhe werden mit minimalen Strafen belegt oder eingestellt. Prozesse gegen Menschen, die ein Brot stehlen oder wiederholt schwarzfahren, enden hart und immer härter.

      Während insbesondere in den 1970er- und 1980er-Jahren dieses Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit der Gleichheit vor dem Gesetz (insbesondere dem Strafgesetz) breit auch in der Rechtswissenschaft diskutiert wurde, verschwindet dieses Thema in Ausbildung und rechtswissenschaftlichem Fachdiskurs heutzutage meist vollständig hinter abstrakten Gesetzen und Rechtsdogmatik. Die soziale Realität mit ihrer insbesondere sozioökonomischen Ungleichheit, in der Gesetze entstehen und angewendet werden, wird ausgeblendet.

      Wir wollen mit unserem Gast Ronen Steinke einen Blick auf die Rechtsanwendung in unserer Gesellschaft werfen. Wer sitzt wegen welcher Taten in den Gefängnissen? Welche Rolle spielt eine engagierte Strafverteidigung bei der Verurteilungswahrscheinlichkeit? Kann und sollte dieses Thema auch seinen Weg zurück in die juristische Ausbildung finden? Und vor allem: Was muss sich ändern, um den Gleichheitsanspruch des Grundgesetzes zu erfüllen?

      18. Mai 2022 – 18:30 Uhr
      Hörsaal der Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Hamburg

      Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg

      Eine Form der digitalen Übertragung oder Aufzeichnung ist in Arbeit. Über Neuigkeiten werden wir euch rechtzeitig informieren.

      Ronen Steinke ist promovierter Jurist, Autor und Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Er recherchiert seit Jahren zu Justizthemen und wurde in der Vergangenheit unter anderem durch seine Biografie über Fritz Bauer bekannt.

      Veranstaltung des Fachschaftsrat Rechtswissenschaft in Hamburg in Kooperation mit der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger.

      http://www.fsr-rechtswissenschaft.de/2022/04/ronen-steinke/

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      Veranstaltungen
      news-846Tue, 12 Apr 2022 09:47:34 +0200International Fair Trial Day and the Ebru Timtik Award/publikationen/mitteilungen/mitteilung/international-fair-trial-day-and-the-ebru-timtik-award-846Focus Country of 2022: Egypt / Call for Nominations for the Ebru Timtik AwardTo whom it may concern,

      The right to a fair trial has long been recognised by the international community as a fundamental human right. Without a fair trial, every individual risks becoming the victim of a miscarriage of justice, either as an innocent suspect wrongly convicted, or as a victim unable to secure justice for a wrong perpetrated against him or her.

      In 2021, an annual International Fair Trial Day was established with a steering group, and the event was supported by more than 100 legal associations. The first conference was held as a virtual event on 14 June 2021 with a focus on fair trial rights in Turkey. It was agreed that in each subsequent year a new focus country where fair trial rights are being challenged would be chosen as the focus country. The Steering Group also decided to establish an Ebru Timtik Award, in recognition of her sacrifice for the right to a fair trial.  This award will be granted every year to an individual and/or an organisation from the focus country chosen for that year for the International Fair Trial Day or to an individual and/or an organisation who has been active in defending and or promoting the right to a fair trial in that specific country. An International Fair Trial Day Alliance was also formed among prominent bar associations and lawyers’ organisations across the world which support the initiative.

      After considering several proposals for the focus country of the 2022 International Fair Trial Day, the Steering Group have now decided that the focus country for this year is Egypt.

      The decision is based on the following:

      1. Judicial independence is severely eroded in Egypt, which means that the right to an independent and impartial tribunal is violated in most, if not all, cases (especially against human rights lawyers, human rights defenders, journalists, and opposition politicians). Reports confirm a wide range of systemic violations of the right to a fair trial in the country, including arbitrary detention, arrests, or prosecutions of opponents or perceived opponents. There also has been a failure to effectively prosecute and punish crimes committed by state-affiliated forces, such as unlawful or arbitrary killings - including extrajudicial killings -, forced disappearances, torture, and cases of cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment. Whilst this amounts to a violation of the rights of the victims of these crime and does not of itself amount to a violation of fair trial rights, it is further evidence that the police and prosecutors are failing in their duty to carry out effective and independent investigations and uphold the rule of law so that an atmosphere of impunity in relation to the acts of state-affiliated forces exists.(1) This dire picture is recognised in a number of reports from prominent human rights organisations. The country is classified as ‘not free’ by Freedom House, underlining - under the rule of law ranking - serious fair trial rights issues.(2) Furthermore, the World Justice Project’s 2021 Rule of Law index ranks Egypt at 136 out of 139 countries.(3)

      2. Reports indicate that the executive branch in Egypt exerts influence over the courts, which typically protect the interests of the government, military, and security apparatus and have often disregarded due process and other basic safeguards in cases against the government’s political opponents or where there is perceived dissent. Constitutional amendments made in 2019 further strengthened the Egyptian President’s supervisory powers over the judiciary and undermined its independence. The changes allowed the President to appoint the heads of judicial bodies and authorities, choosing from among several candidates nominated by their governing councils.(4) The President also serves as the veto-wielding head of the Supreme Council for Judicial Bodies and Authorities, which controls appointments and disciplinary matters for the judiciary. The chief justice of the Supreme Constitutional Court(5) is now chosen by the President from among its most senior members. Since the new provision took effect in June 2019, the Egyptian President has already used it twice to appoint new SCC presidents by decree, in July 2019 and now on February 8, 2022.

      3. Law no 162 of 1958 (“the Emergency Law”) established the institution of the Emergency State Security Court (ESSC) to adjudicate crimes that violate the terms of a “state of emergency”. In 2017, the Prime Minister transferred “protesting” and “terrorism-related” offences to the jurisdiction of the ESSC, to which was added crimes from first two chapters of the Penal Code, including those relating to ’spreading fake news’ in January 2021.

      4. Many detained government critics and opposition figures have been prosecuted by the ESSC since the state of emergency was declared in 2017; the state of emergency has been repeatedly renewed and remained in effect until late 2021. Decisions of the ESSC are not subject to appeal but instead are subject to executive-branch approval, as the President can suspend any of their rulings and order retrials. Although the constitution limited military trials of civilians to crimes directly involving the military, its personnel, or its property, a 2014 presidential decree placed all “public and vital facilities” under military jurisdiction, resulting in the referral of thousands of civilian defendants to military courts. That expansion of jurisdiction was effectively incorporated into the constitution in 2019.(6)

      5. Additional, restrictive new emergency measures enacted in 2020 were justified as a response to the COVID-19 pandemic. In May 2020, President Sisi approved and signed into law amendments to Emergency Law no. 162 of 1958 that banned all forms of public gatherings and demonstrations and gave police greater powers to make arrests. It further expanded the jurisdiction of the military judicial system over civilians by giving the President the power to authorize the military to investigate and prosecute crimes that violate the Emergency Law. Authorities also used the COVID-19 pandemic to justify skipping renewal hearings for pretrial detention orders. Although the state of emergency has been lifted since October 2021, there are ongoing trials of dozens of arbitrarily detained human rights defenders, activists, opposition politicians and peaceful protesters by emergency courts where proceedings are inherently unfair. (7)

      6. The extension of military jurisdiction in Egypt is in itself is a violation of the right to a fair trial under the African Charter on Human and Peoples’ Rights and the ICCPR, insofar as the necessity of applying such jurisdiction over civilians is almost never justified. This is in addition to other fair trial rights that are routinely violated in Egyptian courts, including military tribunals, such as the right to access counsel and the right to prepare a defence. The hearings at military tribunals are not open to the public.

      7. Other abuses of fair trial rights include the use of the Counter-terrorism Law, the Protest Law, the NGO Law, the Media Law, the Cybercrime Law, and the Penal Code to harass, arrest, and prosecute lawyers and human rights defenders, and there are many examples of arrest, detention, death in custody, and enforced disappearance of lawyers and human rights defenders. The mass trials against protesters is another practice raising fair trial rights issues.

      8. The lack of a fair trial directly affects lawyers and other human rights defenders at risk, many of whom are convicted and sentenced to long prison sentences and sometimes even the death penalty (which is still being imposed and carried out in Egypt). Reports underline an increased use of the death penalty and executions, many handed down following mass trials fundamentally lacking fair trial guarantees. Accordingly, 80 people were executed in only the first 6 months of 2021, ranking Egypt as the third-worst country in numbers of executions worldwide.(8)

      9. The African Commission on Human and Peoples’ Rights has adopted several resolutions about the situation in Egypt underlining, amongst other issues, the systemic violation of fair trial rights in the country. The calls made to the government, cited below, in a February 2015 resolution provide a strong indication of the seriousness of the issues:
      “The Commission:

      10. In an October 2021 decision, the African Commission on Human and Peoples’ Rights concluded that the Emergency Law of Egypt contravened the African Charter on Human and Peoples’ Rights and requested the government to reform domestic laws to prevent recurring human rights violations. Although the decision concerns arrest and detention of an applicant several years ago, the Commission found that the law which is still in force and used as the pretext to justify ongoing systemic violations was not in line with the African Charter.(10)

      11. In July 2021, UN Expert Mary Lawlor pointed out the ongoing violations in Egypt and highlighted a common trend across multiple cases, whereby human rights defenders are often arrested without a warrant and detained incommunicado at an unknown location and subjected to enforced disappearance, before being presented before the Supreme State Security Prosecution. Their pre-trial detention pending investigation is then ordered for alleged acts criminalized under the vague provisions of the Penal Code, Anti-Terror Law and Anti-Cybercrime Law.(11)

      12. In January 2022, a statement was issued by 65 human rights organizations, and it was underlined that the fair trial standards are routinely flouted in trials before ESSCs, including the right to adequate defence and rights to a public hearing. Defence lawyers have been prevented from communicating with their clients in private and prevented from photocopying the casefiles, indictments and verdicts.(12)

      13. Focusing the next International Fair Trial Day on Egypt will help draw more attention to the systemic fair trial violations in the country. It will provide support to many, including lawyers (at least 35 that we know of), human rights defenders, journalists, political opponents or perceived opponents who are still being arbitrarily detained there, often under unacceptable prison conditions and facing trials severely undermining the fair trial principles.

      We are writing at this stage to advise you of this initiative and to invite your organisation to support International Fair Trial Day and attend the conference which will be hosted by Palermo Bar Association and held in Palermo, Italy between 17-18 June 2022. Further details of the programme and of the speakers who will address the conference will follow over the next few months. For now, we would ask you to hold the date.

      Call for nominations for the Ebru Timtik Award
      We also would like to invite you to nominate one or more individual(s) or an organisation for the Ebru Timtik Award among those who have demonstrated outstanding commitment and sacrifice in upholding fundamental values related to the right to a fair trial in Egypt. The individual(s) or organisation nominated for the award must be or have been active in defending and or promoting the right to a fair trial in Egypt through either his/her/its recent outstanding piece of work in relation to this fundamental right or his/her/its distinguished long-term involvement in fair trial issues. The deadline for nominations is 16 May 2022. To nominate, please send your nominations to nominationsetaward@gmail.com and kindly include: (1) the candidate’s detailed bio, (2) a letter signed by the nominating organisation/group of individuals explaining the reasons why they/it consider(s) that the candidate should be granted the Award, and (3) one recommendation/supporting letter from an unrelated, external organisation, if the application is submitted by a group of individuals.
      For the details of the award criteria and process please see the “Selection criteria for the grant of the Ebru Timtik Fair Trial Award”. After the deadline, a jury composed of independent individuals who are experienced with the right to a fair trial, including one or more from the focus country, will determine the nominations and reach a decision.


      (1) https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/egypt/ and https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/egypt
      (2) https://freedomhouse.org/country/egypt/freedom-world/2021
      (3) https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/country/2021/Egypt%2C%20Arab%20Rep./; https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-INDEX-21.pdf
      (4) https://freedomhouse.org/country/egypt/freedom-world/2021
      (5) https://english.ahram.org.eg/NewsContent/1/64/460767/Egypt/Politics-/Sisi-names-first-Christian-as-president-of-Egypt;s.aspx
      (6) https://freedomhouse.org/country/egypt/freedom-world/2021
      (7) https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/10/egypt-stop-trials-by-emergency-courts/
      (8) https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/egypt
      (9) https://www.achpr.org/sessions/resolutions?id=146
      (10) https://www.justiceinitiative.org/uploads/5d96ebd8-1a3e-4bca-afb3-8ed4683896ec/african-commission_el-sharkawi-v.-arab-republic-of-egypt_022021.pdf
      (11) https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=27314&LangID=E
      (12) https://www.civicus.org/index.php/media-resources/news/5570-egypt-quash-verdicts-and-stop-unfair-trials-by-emergency-courts

      Statement (PDF)

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      Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)Repression gegen Rechtsanwälte
      news-845Wed, 06 Apr 2022 19:54:29 +0200Kein Abschiebegefängnis in Düsseldorf oder anderswo – Bleiberecht statt Abschiebung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-abschiebegefaengnis-in-duesseldorf-oder-anderswo-bleiberecht-statt-abschiebung-845PM des Bündnis ‚Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall‘, 4.4.2022Das Land NRW plant ein weiteres Abschiebegefängnis, zusätzlich zu dem bundesweit größten in Büren mit 175 Haftplätzen. Der geplante Neubau mit 25 Plätzen soll als sogenannter „Ausreisegewahrsam“ (Inhaftierung bis zu 10 Tage) dienen und das Abschiebegefängnis in Büren ergänzen. Ziel der NRW-Landesregierung und der Bundesregierung ist es, mehr und effizienter abzuschieben. Ein Gefängnis in direkter Nähe zum zweitgrößten Abschiebeflughafen Deutschlands in Düsseldorf soll dies erleichtern. Bisher wird kaum öffentlich darüber diskutiert oder gar die Abschiebepolitik infrage gestellt.

      Als Bündnis ‚Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall‘ sprechen wir uns entschieden gegen den geplanten Neubau aus. Wir wollen kein weiteres Abschiebegefängnis! Im Gegenteil: Abschiebehaft muss abgeschafft werden! Wir wenden uns gegen die aktuelle autoritäre und repressive Abschiebungspolitik in NRW und bundesweit und fordern eine gänzlich andere Politik gegenüber Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten: Eine Politik des Willkommens und des Bleibens.

      Jedes Jahr werden tausende Menschen hier in Deutschland gezwungen, ihren Wohnort zu verlassen – sie werden abgeschoben. Oft ist dies verbunden mit gewaltsamen Festnahmen, nächtlichen Einbrüchen, Abschiebehaft und anderen traumatisierenden Erlebnissen.
      Abschiebungen reißen Menschen aus ihrem Umfeld. Die ständige Angst vor Abschiebung führt zu schwerwiegenden, psychischen Erkrankungen. Eine lebenswerte Perspektive wird durch den ständigen Druck den ein Leben ohne sicheren Aufenthalt bedeutet, aktiv verhindert.

      Deutschland und das Land NRW schieben mehr und mehr ab und immer häufiger werden Menschen im Vorfeld inhaftiert. Einziger Zweck des Freiheitsentzuges ist die Sicherstellung und Erleichterung der späteren Abschiebung. Bundesweit werden die Haftplätze stetig erhöht. Der im EU-Recht verankerte Grundsatz der Vermeidung von Haft bei Abschiebung wird dabei einfach ignoriert.

      Abschiebehaft als Teil der europäischen Asylpolitik ist eine rassistische Praxis. Für die Behörden ist die Inhaftierung „nur“ eine Verwaltungsmaßnahme, auf die die Abschiebung in die Herkunftsländer oder andere EU-Staaten folgt. Für die Betroffenen bedeutet es soziale Isolation, keine Beratung, weitere Gewalterfahrungen und Angst vor der erzwungenen Ausreise in ein Land, in dem das weitere Leben völlig ungewiss ist – und nicht selten lebensgefährlich.

      Abschiebehaft ist eine Menschenrechtsverletzung.

      Das Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“ lehnt Abschiebungen generell ab. Wir kritisieren die Abschiebepolitik der Bundes- und Landesregierung und fordern ein Bleiberecht für Alle. Deswegen lehnen wir die Planung eines weiteren Abschiebegefängnisses am Düsseldorfer Flughafen kategorisch ab und fordern die Abschaffung der Abschiebehaft.

      https://abschiebegefaengnis-verhindern.de/2022/kein-abschiebegefaengnis-in-duesseldorf-oder-anderswo-bleiberecht-statt-abschiebung/

      Das Bündnis:

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-844Sat, 26 Mar 2022 10:53:00 +0100Armutsbestrafung in Deutschland/publikationen/mitteilungen/mitteilung/armutsbestrafung-844Hybrid-Veranstaltung, 25.4.2022, 19:30hIn dem vor kurzem erschienenen Buch »Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich – Die neue Klassenjustiz« hat der Journalist Dr. Ronen Steinke die deutsche Strafrechtspflege als unsozial kritisiert. Dies ist der Anlass für die Hybrid-Veranstaltung am 25. April 2022, auf der über systematische Ungerechtigkeiten im deutschen Strafsystem diskutiert werden soll. Ein Schwerpunkt der Diskussion wird dabei die (Abschaffung der) Ersatzfreiheitsstrafe sein.

      Referentinnen und Referenten:
      Begrüßung durch Dr. Vera Hofmann (RAK Berlin)
      Dr. Ronen Steinke, Jurist, Autor und Redakteur der Süddeutschen Zeitung
      Prof. Dr. Lena Kreck, Justizsenatorin Berlin
      Prof. Dr. Christine Graebsch, FH Dortmund mit Schwerpunkt bei strafrechtlichen Sanktionen, Freiheitsentziehung und Migrationsrecht, Kriminologie & Straffälligenhilfe
      Moderation: Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin Berlin (RAV)

      Im Anschluss der Veranstaltung wird es die Gelegenheit für persönlichen Austausch bei einem Getränk geben.

      Montag den 25. April 2022 um 19:30 Uhr
      Hotel Dietrich-Bonhoeffer-Haus, Ziegelstr. 30, 10117 Berlin

      Für die Teilnahme in Präsenz ist eine Anmeldung bis zum 25.4.22 | 10h unbedingt erforderlich: anmeldung40@rav.de. Die Plätze sind begrenzt.

      Wir freuen uns auch um Anmeldung bei einer Teilnahme in der Online-Variante. Bitte geben Sie bei Ihrer Anmeldung unbedingt an, in welcher Form Sie teilnehmen möchten.

      Für alle, die sich nicht rechtzeitig für die online-Variante anmelden konnten, hier der Zugangslink (YouTube) https://www.youtube.com/watch?v=AA__Ruzt51E

      Teilnahme bitte geimpft oder genesen oder unter Vorlage eines aktuellen negativen Tests.

      Eine Veranstaltung des RAV, der RAK-Berlin, der AG Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und der Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger Baden-Württemberg e.V.

      Die Teilnahme ist kostenfrei

      Veranstaltungsflyer (PDF)

      **********************

      Vorschläge für bundespolitische Reformen für eine gerechtere Sanktionspraxis im Bereiche Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe (PDF).

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      Veranstaltungen
      news-842Mon, 14 Mar 2022 12:28:21 +0100Ein Rechtsextremist als Richter in Sachsen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ein-rechtsextremist-als-richter-in-sachsen-842Pressemitteilung Nr. 1/22 vom 14. März 2022RAV verurteilt die Untätigkeit der sächsischen Justiz

      Dass Jens Maier ab heute, 14. März 2022 wieder als Richter im Freistaat Sachsen tätig sein wird, offenbart erneut die eklatanten Fehler, die seitens des Ministeriums, der Justiz und der im Sächsischen Landtag vertretenen demokratischen Parteien gemacht wurden.

      Nicht nachvollziehbar ist, weshalb das Richterdienstgericht nicht innerhalb eines Monats über den Eilantrag des Justizministeriums über das vorläufige Untersagen der Führung der Dienstgeschäfte entscheiden konnte oder wollte. Von offizieller Seite heißt es zur Begründung dazu, dass sich das Richterdienstgericht an einer Entscheidung gehindert gesehen habe und nicht absehbar wäre, wann überhaupt eine Entscheidung getroffen würde. Jens Maier ließe sich durch einen Rechtsanwalt aus Köln vertreten, dem zunächst Akteneinsicht über das Amtsgericht Köln gewährt würde und der sich dann zu dem Antrag äußern wolle.

      Diese Begründung überzeugt nicht:
      Sämtliche Anwälte und Anwältinnen sind verpflichtet, Zustellungen digital über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entgegenzunehmen. Die Kommunikation an das Gericht hat ausschließlich über das beA zu erfolgen. Weshalb die Akteneinsicht nicht kurzfristig über das beA erfolgen konnte, erschließt sich nicht.

      Dazu Rechtsanwältin Kati Lang, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV aus Dresden: ›Aus anwaltlicher Erfahrung erscheint es höchst verwunderlich, weshalb über ein Eilverfahren nicht innerhalb eines Monats ab Antragseingang unter Wahrung des rechtlichen Gehörs entschieden werden kann. Vielmehr erscheint das Vorgehen des Richterdienstgerichts verzögernd und nicht dem Beschleunigungsgedanken eines Eilverfahrens - gerade in Anbetracht des im Raum stehenden Schadens für die Rechtspflege - entsprechend.

      Am heutigen Tag des Dienstantritts von Jens Maier hat die Vizepräsidentin des Landgerichts Dresden als nunmehrige Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren gegen Jens Maier eingeleitet. Da davon auszugehen ist, dass die Schwelle zum Verweis und somit die Entscheidungskompetenz des Landgerichts überschritten ist, wäre das Disziplinarverfahren - nach Anhörung - dem Sächsischen Justizministerium vorzulegen (§ 31 Sächsisches Disziplinargesetz), womit der Ball wieder bei der grünen Justizministerin Katja Meier liegen dürfte. Ob das Landgericht Dresden allerdings dieses Mal entschlossener reagiert als im Jahr 2017, in welchem ein Disziplinarverfahren gegen Jens Maier mit einem bloßen Verweis endete, bleibt abzuwarten.

      Rechtsanwältin Kati Lang weiter: ›Völlig unverständlich ist das Wegducken der demokratischen Parteien im Sächsischen Landtag, die gemeinsam über die notwendige 2/3-Mehrheit für eine Richteranklage verfügen. Damit beweist die in Sachsen regierende Koalition aus CDU, SPD und Grünen eine demokratische Verantwortungslosigkeit sondergleichen.

      Für den Antrag auf Erhebung der Richteranklage reicht 1/3 des Landtags (Art. 80 Sächsische Verfassung). Während die grüne Fraktion - als ob keine Dringlichkeit vorgelegen hätte - erst im Februar 2022 ein wissenschaftliches Gutachten zur Richteranklage in Auftrag gegeben hat, obwohl die Möglichkeit der Rückkehr mit Ausscheiden von Jens Maier aus dem Bundestag seit Oktober 2021 auf dem Tisch lag, bleibt rätselhaft. Auch die SPD versteht sich nicht als treibende Kraft und schweigt sich aus, während die CDU einer Richteranklage - wohl in Angst um Abweichler*innen in den eigenen Reihen - das Instrument der Richteranklage eher nicht anwenden will. Einzig die in der Opposition sitzende Linkspartei hat bekundet, die übrigen Parteien zum Erreichen der notwendigen 2/3-Mehrheit zu unterstützen.

      Auch das sächsische Justizministerium, das nur unter öffentlichen Druck überhaupt versuchte die Rückkehr von Jens Maier zu verhindern, trägt eine Mitschuld an der derzeitigen Situation. Trotz der juristischen Debatte, die nach Bekanntwerden des Rückkehrgesuchs von Jens Maier im Dezember 2021 aufgekommen war, reagierte das Ministerium, was mit dieser Option seit Herbst 2021 rechnen musste, nur äußerst zurückhaltend und wies zunächst jede Zuständigkeit von sich. Als die Ministerin Katja Meier schließlich unter massiven öffentlichen Druck geriet, entschied sie sich für die vermeintlich juristisch sicherste Lösung. Lösungsoptionen, wie Jens Maier den Rückkehranspruch prinzipiell zu verweigern oder zumindest selbst unverzüglich ein Disziplinarverfahren zu eröffnen, verschloss sie sich.
      Weshalb die Justizministerin Jens Maier keine Aufgabe im Justizministerium zuwies, sondern ihn an das Amtsgericht Dippoldiswalde schickte, erklärte sie ebenfalls nicht. Prinzipiell wäre die Zuweisung ins Ministerium möglich gewesen und hätte zur Folge gehabt, dass die Ministerin selbst als direkte Dienstvorgesetzte für ein Disziplinarverfahren unmittelbar zuständig gewesen wäre.

      Aus der sächsischen Justiz war lange nichts zu hören. Keine öffentliche Abgrenzung, keine Positionierung - die Richter und Richterinnen, die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bleiben zum Großteil still.

      Rechtsanwältin Kati Lang: ›Ein Einsetzen für Demokratie und Rechtsstaat hätte anders aussehen können. Selbstreinigungskräfte scheint die sächsische Justiz kaum aufzuweisen, anders lässt sich auch das zögerliche Vorgehen des Richterdienstgerichts nicht erklären. Das ist wohl der größte Fehler, dass die Justiz selbst rechte, rassistische und antisemitische Funktionsträger duldet, keine Haltung zeigt und die Eskalation damit mit verschuldet.

      Dabei gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten der Justiz, wie im Rahmen der internen Kammerverteilung (Verhinderung von Einzelrichterentscheidungen), durch Geschäftsverteilungspläne, oder auch seitens der Staatsanwaltschaften durch Befangenheitsanträge prozessual legitimiert rechte Amtsträger*innen ausbremsen könnte. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass in der konkreten Debatte um Jens Maier sowohl die Neue Richtervereinigung, die sich mit konstruktiven Vorschlägen einbrachte als auch der Deutsche Richterbund forderten, dass eine Rückkehr des rechtsextremen AfD‘lers ins Richteramt verhindert werden müsste.

      Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle:
      kontakt@rav.de; Tel.: 030-417 235 55

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      PressemitteilungRechtsextremismus
      news-840Mon, 07 Mar 2022 12:20:24 +0100Gegen die Ausweitung der Abschiebehaftkapazitäten in Bayern - Abschiebehaft abschaffen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-die-ausweitung-der-abschiebehaftkapazitaeten-in-bayern-abschiebehaft-abschaffen-840Bayernweites antirassistisches Bündnis ruft zu Demonstration in München auf - 2. April 202202.04.2022 | 12 Uhr | Start Justizministerium Bayern, Prielmayerstr. 7, München

      Bayern baut weiter Knäste – und zwar fleißig. Durch die geplante Vervierfachung der Abschiebehaftplätze von 2021 bis 2025 profiliert sich Bayern einmal mehr als asylpolitischer Hardliner, der selbst den zarten Trend zum migrationspolitischen Umdenken auf Bundesebene unterläuft und seine ganz eigene Vorstellung von “Humanität und Ordnung” umsetzt: durch die Inhaftierung von Menschen, die keine Aufenthaltstitel in Deutschland haben. Abschiebehaft ist eine vorbeugende Zwangsmaßnahme, um die Durchführung einer gewaltsamen Abschiebung sicherzustellen. Einziger Grund für die Inhaftierung ist der fehlende Aufenthaltsstatus, die Haft dauert oft mehrere Wochen bis Monate.

      Beispiellose Ausweitung der Haftkapazitäten in Bayern

      Aktuell wird die Kapazität der Abschiebehaftplätze in Bayern drastisch erhöht: Mit dem Neubau der Abschiebehaft-Anstalt in Hof entstanden dort im Oktober letzten Jahres 150 neue Abschiebehaftplätze. Am Münchner Flughafen wurde vor einigen Wochen eine kombinierte Abschiebehaft- und Transithaftanstalt in Betrieb genommen, deren Eröffnung vom bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen als “Meilenstein” gefeiert wurde.

      Gleichzeitig wird in Passau bereits der nächste Abschiebeknast geplant. Bis 2025 sollen dort 200 neue Haftplätze entstehen. Das bedeutet, dass sich die Haftplätze im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt haben, 2025 werden es vier Mal so viele sein.

      Es ist davon auszugehen, dass die Ausländerbehörden von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch machen und, auch auf Druck der Landesregierung, häufiger Abschiebehaft beantragen werden. Immer mehr Geflüchtete werden in Haft kommen.

      Justiz und Gesetzgeber legitimieren Freiheitsentziehung

      Die zuständigen Gerichte haben sich bisher meist als Erfüllungsgehilfen dieser Politik gegeben, anstatt kritisch die Voraussetzungen für eine Inhaftierung zu prüfen. Diese wurden ohnehin durch die von Horst Seehofer forcierten Gesetze zur “besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht” und das “Geordnete Rückkehr-Gesetz” enorm ausgeweitet. Bei den Betroffenen werden nach absurd weit gefassten Maßstäben Haftgründe angenommen, zum Beispiel Fluchtgefahr. Für einen Gewahrsam reicht es etwa schon aus, wenn eine Person seit mehr als 30 Tagen ausreisepflichtig ist.

      Trotz dieser repressiven Gesetzeslage ordnen viele Gerichte noch rechtswidrige Haft an, wie die Erfahrungen von Rechtsanwält*innen in diesem Bereich zeigen.

      Abschiebehaft als Form der grundrechtswidrigen Migrationskontrolle

      Freiheitsgrundrechte werden hier komplett migrationspolitischen Erwägungen untergeordnet.

      So soll die Durchführung von Abschiebungen teilweise langjährig hier lebender Personen sichergestellt und deren Untertauchen verhindert werden. Abschiebehaft dient aber auch dazu, Menschen bereits bei der Einreise nach Deutschland in Haft zu nehmen und wieder abzuschieben zu können. Abschiebehaft ist somit sowohl Teil eines brutalen Regimes der Ausweisung abgelehnter Asylsuchender in Ihre Herkunftsländer, als auch integraler Bestandteil der deutschen Abschottungspolitik innerhalb Europas durch das sogenannte Dublin-System – auf Kosten der Schutzsuchenden, die in vielen anderen europäischen Staaten weder ein menschenwürdiges Dasein, noch Zugang zu fundamentalen Rechten bekommen.

      Für ein Ende der Abschiebehaft

      Daher wollen wir als bayernweites Bündnis unseren Protest auf die Straße und zu den politisch Verantwortlichen tragen. Wir starten mit einer Kundgebung vor dem Bayerischen Justizministerium unter dessen Aufsicht die Abschiebehaft steht. Danach wird die Demonstration zum Innenministerium am Odeonsplatz ziehen. Innenminister Herrmann, zu dessen Haus das Landesamt für Rückführungen und Asyl gehört, steht bereits seit vielen Jahren für ein brutale Abschiebepolitik und forciert maßgeblich die Ausweitung der Abschiebehaft.

      Kommt mit uns zur Demonstration am Samstag, den 02.04.2022 um 12 Uhr, Start am Justizministerium Bayern (Prielmayerstr. 7 München)!

      Abschiebehaft abschaffen! 

      Unterzeichner*innen
      Karawane München
      Beratungsgruppe in Abschiebehaft am Münchner Flughafen
      Bayerischer Flüchtlingsrat
      Hilfe für Menschen in Abschiebehaft  Hof 
      Antifa nt
      Seebrücke München
      Rechtshilfe München
      AG Migrationsrecht Süd des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV)
      Münchner Flüchtlingsrat

      Aufruf

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-839Fri, 25 Feb 2022 15:35:02 +0100Solidarität mit der Menschenrechtsorganisation ›Memorial‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaet-mit-der-menschenrechtsorganisation-memorial-839Aufruf zur Proteskundgebung, 25.2.22 um 18:30 hWir rufen auf zur Teilnahme an einer Protestkundgebung vor der Russischen Botschaft.

      25.02.2022 um 18:30 Uhr

      am Grünstreifen vor der Russischen Botschaft in Berlin (Unter den Linden / Schadowstraße)

      Veranstalter*innen:  RAV e.V., Xenion e.V., Borderline Europe e.V.

      Gegenwärtig ist in der Russischen Föderation ein Gerichtsverfahren gegen die bekannteste Menschenrechtsorganisation "Memorial" anhängig. Der Staatsanwalt hat ihre Auflösung beantragt. Am 28. Februar 2022 wird vor der Berufungskammer des Obersten Gerichtshofs über die Auflösung von „Memorial International“ verhandelt.

      Der Dachorganisation "Memorial International" wird vorgeworfen, gegen die Auflagen des Gesetzes "Ausländische Agenten" verstoßen zu haben. Memorial International, das Memorial-Menschenrechtszentrum und andere russische Nichtregierungsorganisationen haben 2013 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Beschwerde gegen dieses Gesetz eingereicht. Die Anwält*innen von Memorial haben beantragt, das anhängige Berufungsverfahren bis zu einer Entscheidung des EGMR auszusetzen. Stattdessen droht nun in diesem Verfahren, dass die Auflösung bestätigt und so Fakten geschaffen werden.

      Rechtsanwältin Inga Schulz erklärt im Namen des Republikanischen Anwält*innenvereins (RAV): „Das Verfahren gegen Memorial ist ein weiterer Tiefpunkt in Bezug auf Meinungsfreiheit und Menschenrechte in der Russischen Föderation und besorgt uns zutiefst. Es stellt einen traurigen Höhepunkt jahrelanger Angriffe, Diffamierungen und Verfolgung von Menschenrechtsaktivist*innen in der Russischen Föderation dar.

      Gemeinsam wollen wir ein Zeichen der Solidarität setzen und rufen auf, sich an der Protestkundgebung zu beteiligen.

      Wir fordern den EGMR auf, über die Beschwerde der russischen Nichtregierungsorganisationen zu dem fragwürdigen Gesetz endlich zu entscheiden.

      Wir fordern die russische Regierung auf, Entscheidungen des EGMR umzusetzen und das Gesetz „Ausländische Agenten“ abzuschaffen, damit Menschenrechtsarbeit in der Russischen Föderation möglich bleibt. Wir fordern, dass die Listung Memorials aufgehoben und den Anträgen von „Memorial International“ stattgegeben wird.

      Gleichzeitig fordern wir die deutsche Regierung auf, kompromisslos auf der Einhaltung der Menschenrechte und Meinungsfreiheit gegenüber den russischen Behörden zu bestehen, sich für den Schutz und Erhalt von Memorial einzusetzen und das gerichtliche Verfahren mit Vertreter*innen der deutschen Botschaft zu beobachten.

      In deutschen Asylverfahren besteht nach wie vor ein massives Aufklärungsdefizit in Bezug auf die Verfolgungssituation. Rechtsanwältin Johanna Künne (RAV) erklärt: „Memorial hat sich in Russland unermüdlich für russische und tschetschenische Regimegegner*innen eingesetzt. Mitarbeiter*innen von Memorial haben uns Anwält*innen oft unterstützt, indem sie die Hintergründe von politisch Verfolgten recherchiert haben, obwohl sie sich damit selbst in Gefahr gebracht haben. Mit dem Verfahren gegen Memorial soll eine der letzten kritischen Stimmen in der Russischen Föderation endgültig zum Schweigen gebracht werden.

      Wir fordern, asylrechtlich relevante Sachverhalte umfassend aufzuklären und bis dahin Abschiebungen in der gegenwärtigen Situation auszusetzen. Die drohenden Menschenrechtsverletzungen für alle, die sich in der Russischen Föderation kritisch zur gegenwärtigen Politik und Regierung positionieren, sind anzuerkennen und müssen in den Verfahren hier zu einem Schutzstatus führen.

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      Bürger- und MenschenrechteMigration & Asyl
      news-838Fri, 18 Feb 2022 14:23:20 +0100Flucht und Asyl aus feministischer Sicht<br />Geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in Asylverfahren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht-838Online-Veranstaltung, 8. März 2022Anlässlich der europaweiten Petition www.feministasylum.org möchten wir die aktuelle Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen und LGBTQIA+-Personen in Deutschland genauer betrachten. Daher veranstalten wir als RAV in Kooperation mit Pro Asyl und der Evangelischen Akademie Berlin eine online-Diskussionsrunde zu diesem Thema am

      8. März 2022 um 18 Uhr,

      zu der wir Sie und euch herzlich einladen.

      Beteiligt sind Andrea Kothen, Referentin von Pro Asyl, die Rechtsanwältin Barbara Wessel, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, sowie Victoria Lies, die den Podcast „Asyl im Dialog“ der Refugee Law Clinics Deutschland moderiert.

      Die völkerrechtlich verbindliche Istanbul-Konvention verlangt, Frauen und Mädchen umfassend vor Gewalt zu schützen. In mehreren EU-Richtlinien wird geschlechtsspezifische Gewalt als eine Form der Verfolgung, die zu internationalem Schutz berechtigt, anerkannt.

      In dem Abendforum diskutieren die Expertinnen darüber, inwiefern diese völkerrechtlichen Vorgaben in Deutschland umgesetzt werden und welche Hürden sich für die Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe und die adäquate Unterbringung und Versorgung vulnerabler Gruppen in der Praxis stellen. Welche Lösungsansätze gibt es? Welche Forderungen sind an Politik und Gesellschaft zu stellen?
       
      Die Veranstaltung am Internationalen Frauentag ist der Start einer Veranstaltungsreihe der Evangelischen Akademie mit wechselnden Kooperationspartnern, die sich mit der Situation von geflüchteten Frauen und LGBTQIA+-Personen in Deutschland und Europa auseinandersetzt.

      Anmeldung und nähere Infos unter https://www.eaberlin.de/seminars/data/2022/pol/flucht-und-asyl-aus-feministischer-sicht/

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      FeminismusMigration & AsylVeranstaltungen
      news-837Wed, 16 Feb 2022 11:39:10 +0100Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufhebung-des-verbots-der-werbung-fuer-den-schwangerschaftsabbruch-219a-stgb-837RAV-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, 16.2.22Beim BMJ eingereichte Stellungnahme des RAV zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB)“

      Verfasser: Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt
      - für den gesamten Vorstand des RAV -


      1. Die Regierungsfraktionen planen, § 219a StGB, der die sogenannte „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, ersatzlos zu streichen. Der RAV begrüßt diesen Schritt ausdrücklich und vorbehaltlos.

      Wir haben bereits am 30.11.2017 aus Anlass der erstinstanzlichen Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel in einem gemeinsamen Appell mit der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und der Internationalen Liga für Menschenrechte darauf hingewiesen, dass § 219a StGB von Abtreibungsgegner*innen, die sich selbst gern als „Lebensschützer“ bezeichnen, missbraucht wird, um Ärzt*innen durch Anzeigenerstattung einzuschüchtern und zu kriminalisieren und um auf diesem Weg legale Abtreibungen zu be- oder verhindern:
      Mit diesen Strafverfahren wird vollkommen ignoriert, dass Patient*innen einen Anspruch darauf haben, über das Leistungsspektrum von Ärzt*innen informiert zu werden, damit sie darauf gegründet von ihrem Recht auf freie Wahl der Ärztin/des Arztes nach § 76 SGB V überhaupt sinnvoll Gebrauch machen können. Die immer weiter fortschreitende Spezialisierung der Ärzt*innen und die Entwicklung der Medizin können Patient*innen nur überschauen, wenn die Ärzt*innen ihnen die erforderlichen Informationen selbst zugänglich machen. Schon 2002 hat das Bundesverfassungsgericht deshalb festgestellt: „Durch wahrheitsgemäße Angaben werden die Patient*innen bei der Suche nach fachlich kompetenten und für sie besonders geeigneten Ärzt*innen unterstützt.“ Die Unterzeichner*innen dieses Aufrufs fordern daher, § 219a StGB komplett zu streichen und die Strafverfahren gegen die betroffenen Ärzt*innen durch die Staatsanwaltschaft einzustellen.“(1)

      Dass das Gesetz vom 22.03.2019, mit dem § 219 Abs. 4 StGB eingeführt wurde, an dem grundlegenden Problem nichts änderte, zeigte sich etwa in der strafrechtlichen Verurteilung von zwei Ärztinnen, die es „gewagt“ hatten mitzuteilen, dass Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis mittels der medikamentösen Methode und „in geschützter Atmosphäre“ durchgeführt werden (KG Berlin, NStZ 2020, 550).
      Das Vorhaben der Koalitionsfraktionen, § 219a StGB nunmehr endlich ersatzlos zu streichen, kann daher nur die ausdrückliche Zustimmung des RAV erhalten.

      2. Die Aufhebung dieses massiven Eingriffs in die Berufsfreiheit von Ärzt*innen, aber vor allem in die Freiheit von Schwangeren, sachliche Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch zu erhalten, kann aber nur den ersten Schritt bedeuten, wenn es den Koalitionsfraktionen mit ihrem Versprechen, die reproduktive Selbstbestimmung zu stärken, ernst ist. SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP selbst haben im Koalitionsvertrag unter der Überschrift „reproduktive Selbstbestimmung“ versprochen:
      Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein“(2)

      Realität ist, dass Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, weiterhin in erheblichem Umfang Diffamierungen und Anfeindungen durch Abtreibungsgegner*innen ausgesetzt sind, wie ja im Übrigen auch in der Begründung des Gesetzesentwurfes festgestellt wird.

      Realität ist, dass Schwangere, die medizinische Beratung und Behandlung in Anspruch nehmen wollen, durch Gehsteigbelästigungen und „Mahnwachen“ vor Arztpraxen massiv eingeschüchtert und in ihrer Würde angegriffen werden.

      Realität ist, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch nach der sog. Beratungsindikation grundsätzlich nicht von den Krankenkassen übernommen werden, was für Schwangere eine ganz erhebliche Belastung darstellt.

      Realität ist auch, dass die Versorgungslage in großen Teilen des Landes prekär ist – weil Ärzt*innen u.a. aus Angst vor Anfeindungen keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Weil andere ihren Patient*innen die Durchführung von Abbrüchen – mit anderen Worten: eine bestimmte ärztliche Behandlung – unter Berufung aus Gewissensgründen verweigern. Weil die Durchführung von Abbrüchen weder in der medizinischen Ausbildung noch in der Fortbildung für Gynäkolog*innen Teil des Pflichtstoffs ist. Realität ist daher, dass Schwangere in manchen Regionen Tagesreisen unternehmen müssen, um eine Praxis zu finden, die Abbrüche durchführt.

      Nicht all diese Punkte sind allein durch Bundesgesetzgebung zu lösen. Aber die Regierungsfraktionen werden sich an ihrem Versprechen einer Stärkung der reproduktiven Selbstbestimmung messen lassen müssen und werden daher auch zu all diesen Themen entsprechende Gesetzesentwürfe vorlegen müssen.

      3. Realität ist auch, dass Schwangerschaftsabbrüche weiterhin massiv stigmatisiert und tabuisiert sind, dass sowohl Schwangere, die diese ärztliche Leistung in Anspruch nehmen, als auch Ärzt*innen, die sie anbieten, massiven moralisierenden Vorbehalten und Vorhaltungen ausgesetzt sind.

      Es liegt auf der Hand, dass ein wesentlicher Grund hierfür die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch selbst ist. Nicht nur, dass Deutschland inhaltlich eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas hat: Wenn das Strafgesetzbuch Schwangerschaftsabbrüche im selben Abschnitt wie Mord und Totschlag regelt, wenn es in einer auch für Jurist*innen kaum verständlichen Regelungstechnik Abbrüche unter bestimmten Voraussetzungen als rechtswidrig, aber nicht tatbestandsmäßig, als rechtswidrig, aber nicht strafbar einstuft, dann führt dies zu einer massiven Abschreckung von Ärzt*innen davor, Abbrüche durchzuführen, zu einer Stigmatisierung von ungewollt Schwangeren und in vielen Fällen zu massiven psychischen Belastungen für diese. Was mit einer grundgesetzlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben begründet wird, bedeutet in der Praxis vor allem einen massiven Eingriff in die Selbstbestimmung und in die psychische und physische Gesundheit von ungewollt Schwangeren.

      Den Geist dieser Regelungen atmet auch der vorliegende Entwurf, wenn sich dieser gegen gedachte Vorwürfe, damit etwa die „demonstrative Auszeichnung“ der Durchführung von Abbrüchen zu ermöglicht, verteidigt und ausführt, diese seien doch weiterhin strafbar (S. 7 des Entwurfes). Gerade die Rhetorik, mit der der Entwurf sich gegen Vorwürfe verteidigt, den Schutz des ungeborenen Lebens zu vernachlässigen, zeigt, dass der Kern des Problems in der Norm des § 218 StGB liegt.

      Wir schließen uns daher ausdrücklich der Forderung an, die etwa von den Doctors for Choice in ihrer Stellungnahme vom 18.01.20223 zum vorliegenden Gesetzesentwurf erhoben wurde: Der Schwangerschaftsabbruch ist kein Thema für das Strafgesetzbuch, sondern für das ärztliche Berufsrecht und die Regeln der ärztlichen Kunst. Das Versprechen der Stärkung reproduktiver Selbstbestimmung kann nur wirklich umgesetzt werden, wenn der Schwangerschaftsabbruch gesetzlich nicht als Straftat, sondern als Gesundheitsleistung angesehen und geregelt wird. Hier anzusetzen und den § 218 StGB abzuschaffen, ist die Forderung an die Regierungsfraktionen, wenn es ihnen mit ihrem Versprechen der Förderung reproduktiver Selbstbestimmung ernst ist.


      (1)  Appell von Juristinnen und Juristen - Für die Streichung des § 219a StGB – Für das Recht von Frauen, über legale Abtreibungsangebote von Ärzt*innen informiert zu werden, 30.11.2017, https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-die-streichung-des-219a-stgb-fuer-das-recht-von-frauen-ueber-legale-abtreibungsangebote-von-aerzt-innen-informiert-zu-werden-525
      (2) Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, S. 116, https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
      (3) Endlich soll §219a StGB gestrichen werden! – Stellungnahme zum Gesetzesentwurfs des Bundesjustizministeriums zur Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§219a StGB), 18.01.2022, https://doctorsforchoice.de/2022/01/stellungnahme-gesetzentwurf-219a/

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      Stellungnahmen
      news-836Tue, 15 Feb 2022 09:23:12 +0100Prozessauftakt im Ermittlungskomplex »NSU 2.0«/publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozessauftakt-im-ermittlungskomplex-nsu-20-836Gemeinsame Pressemitteilung von RAV, VDJ und Strafverteidigerorganisationen, 15.2.2022RAV, VDJ und Strafverteidigervereinigungen kritisieren hessische Ermittlungsbehörden:
      Die Verstrickung der hessischen Polizei in die Drohserie wird nicht aufgeklärt.

      Am 16. Februar 2022 beginnt vor dem Landgericht Frankfurt/M. der Prozess gegen den 54-jährigen Alexander M., der von 2018 bis 2021 eine Vielzahl von Drohschreiben u.a. mit volksverhetzendem Inhalt unter dem Kürzel »NSU 2.0« an Menschen versandt haben soll, die sich als Politiker*innen, Anwält*innen und Künstler*innen klar gegen Rassismus und Antisemitismus positioniert haben.

      Erste Adressatin dieser Schreiben war unsere Kollegin, die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die im Verfahren gegen die rechtsextreme Terrorzelle NSU Angehörige der Mordopfer in der Nebenklage vertreten hatte. Zu ihren Mandant*innen gehörten darüber hinaus mutmaßliche Islamisten, die sie in Straf-, Ausweisungs- und Abschiebeverfahren anwaltlich vertrat.

      Unsere Kollegin und ihre Familie wurden in rund 20 Schreiben über Monate hinweg aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit mit dem Tod bedroht, und zwar unter Nennung persönlicher Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind. Sie musste daher umfangreiche Sicherungsmaßnahmen an ihrem Haus vornehmen und war gezwungen, zeitweise Polizeischutz in Anspruch zu nehmen.

      Polizei in Frankfurt/Main und »NSU 2.0«

      Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass ca. eine Stunde vor dem Versenden des ersten Drohfaxes am 2. August 2018 die persönlichen Daten und die Privatadresse von Frau Başay-Yıldız und ihrer gesamten Familie in mehreren polizeilichen Datenbanken auf dem 1. Polizeirevier Frankfurt/M abgefragt worden waren. Ihre abgerufene Meldeadresse wurde zudem am Abend desselben Tages im Internet veröffentlicht. Der Weg der Drohschreiben führt damit ganz offensichtlich auch über das 1. Polizeirevier in Frankfurt. Auch in zwei weiteren Fällen waren persönliche Daten von Empfänger*innen der Drohschreiben von hessischen Polizeicomputern aus abgefragt worden.

      Die Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamt*innen laufen bis heute, allerdings sehr schleppend.

      Staatsanwaltschaftliche Ermittlungslücken

      Mit der Anklage gegen Alexander M. hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main die Frage, wie Alexander M. an die persönlichen Daten unserer Kollegin gekommen ist, nicht beantwortet. »Die Verbindung zwischen der Abfrage der persönlichen Daten unserer Kollegin über einen Polizeicomputer und dem Verschicken von Drohschreiben stellt eine ernsthafte Gefährdung für unsere Kollegin und ihre Familie dar«, erklärt die stellvertretende Vorsitzende des RAV, Rechtsanwältin Nedelmann. »Wenn der Staat hier nicht aufklärt, sondern sich weiterhin weigert, konsequent auch gegen Beschuldigte aus polizeilichen Kreisen zu ermitteln, dann haben wir ein verfassungsrechtliches Problem.«

      Mit besonderer Sorge beobachten die Anwaltsvereinigungen, dass der hessische Innenminister Beuth die Anklage als Anlass genommen hat, die Polizei als entlastet zu sehen. So teilte das hessische Innenministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage im Oktober 2021 mit: »Hessische Polizistinnen und Polizisten waren zu keinem Zeitpunkt Absender oder Tatbeteiligte der NSU-2.0-Drohmails-Serie«.(1)

      »Nur wenn auch die Frage einer möglichen Verstrickung hessischer Polizeibehörden aufgeklärt ist, kann der Ermittlungskomplex NSU 2.0 abgeschlossen werden«, erklärt Rechtsanwältin Gilsbach aus dem Vorstand des RAV. Die VDJ, die Strafverteidigervereinigungen und der RAV werden daher das Verfahren mit großer Aufmerksamkeit beobachten.
       


      (1) Vgl. Die Welt v. 28.10.2021, »Beuth: Polizisten bei ›NSU 2.0‹ zu keinem Zeitpunkt Mittäter«, https://www.welt.de/regionales/hessen/article234701792/Beuth-Polizisten-bei-NSU-2-0-zu-keinem-Zeitpunkt-Mittaeter.html

      Pressekontakt:
      Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Tel.: 030.41 72 35 55

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      PolizeiPressemitteilungRechtsextremismus
      news-835Fri, 21 Jan 2022 14:34:35 +0100Imminent risk to health and life of ill prisoner Aysel Tuğluk held in Kocaeli F-Type Prison, Turkey. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/imminent-risk-to-health-and-life-of-ill-prisoner-aysel-tugluk-held-in-kocaeli-f-type-prison-turkey-835URGENT ACTION; Open LetterQuick Response Desk
      Office of the High Commissioner for Human Rights
      United Nations Office at Geneva
      8-14 Avenue de la Paix
      CH-1211 Geneva 10
      Switzerland
      E-mail: urgent-action@ohchr.org
      Fax: 0041 22 917 9006

      Date:  20 January 2021

      FOR THE ATTENTION OF:

      Dear Sir/Madam,

      URGENT ACTION: Imminent risk to health and life of ill prisoner Aysel Tuğluk held in Kocaeli F-Type Prison, Turkey.

      1. We are writing to express our grave concern over the treatment of the seriously ill prisoner Aysel Tuğluk (56) held in the Kocaeli Kandıra F-Type prison in Turkey.

      2. Ms. Tuğluk was arrested in 2016 while she was the vice co-chair of the left wing and pro-Kurdish Peoples’ Democratic Party (HDP) along with several other Kurdish opposition politicians. She was given a ten-year prison sentence on terrorism charges and has been held in prison since December 2016. Her political activities, speeches she delivered while she was a member of parliament (MP) and her attendance at funerals of Kurdistan Workers’ Party (PKK) members were used as evidence against her in court.(1)

      3. Ms. Tuğluk was diagnosed with dementia while in prison, and as her condition deteriorated, Kocaeli University Hospital department of Forensic Medicine issued a report in July 2021, declaring that she was not fit to stay in prison due to her illness. However, despite this report and the calls from other medical experts asking for her immediate release, the Istanbul Forensic Medicine Institute determined in a later report that Ms. Tuğluk may stay in prison, as her routine visits to clinics were allowed.(2)

      4. Her lawyer states that Ms. Tuğluk is experiencing severe memory loss and cannot handle her daily needs on her own. She has been forgetting to conduct her vital needs such as eating and drinking water, as well as forgetting how to read, write and speak to people.(3)  Ms. Tuğluk is at risk of death, if she remains in prison.

      I. Background

      5. The condition of detention in Turkish prisons remains to be a cause of concern with regard to human rights abuses. The issue of overcrowding became the source of many human rights abuses as the prison population grew rapidly from 55,000 in 2001 to 297,019 in 2020.(4) Over the last years, the number of those incarcerated and on pre-trial detention has risen dramatically following the coup attempt in July 2016. Tens of thousands of people are currently in prison, many of whom face charges under the controversial terrorism legislation. Among them are many opposition politicians, journalists, lawyers and human rights defenders. The Special Rapporteur on Torture noted the above facts  while noting that the anti-terror legislation and its definition of “terrorism” in Turkey are rather broad and vague and that the law could easily be abused for politically motivated prosecutions.(5) Following the Covid-19 outbreak in 2020, Turkey adopted legislation resulting in the release of 90,000 prisoners, including those convicted of crimes such as murder, in order to alleviate the overcrowding in prison. However, the legislation specifically excluded prisoners convicted under anti-terror legislation. As a result, many who are believed to be political prisoners targeted due to their political beliefs remain in captivity. Among them are many opposition politicians from HDP including its elected deputies and mayors.(6)

      6. There are a significant number of gravely sick prisoners in Turkey. According to the report published by the Human Rights Association of Turkey (IHD) in March 2020, there are currently more than 1,605 sick prisoners, including 604 in critical condition, in Turkish prisons.(7) The IHD believes that the real number of sick inmates in Turkish prisons is much higher. Their report also suggests that in the year 2020, at least 18 sick prisoners died of suicide. The increase in the number of suicide cases in Turkish prisons in recent years is closely related to the increase in other violations of prisoners’ human rights. As for senior prisoners, between April and November 2020 four prisoners over the age of 70 died from serious health complications.(8)

      7. The lack of access to timely and adequate medical treatment is another serious issue in Turkish prisons. The European Court of Human Rights (ECtHR) has in the past ruled that Turkey has failed to offer adequate medical care to sick prisoners and that the conditions for them have been inadequate.(9) Turkey has also refused to release terminally ill inmates and continues to imprison certain detainees who have been declared unfit to be in prison on medical grounds. Most recently, the case of Mehmet Emin Özkan, an 83-year-old prisoner whose conviction was based on two witness statements that were later withdrawn, has drawn significant attention to the treatment of seriously ill prisoners in Turkey. As explained in our joint letter to Special Procedures on 14 July 2021, Mr. Özkan suffers from several health issues including high blood pressure, toxic goiter, kidney disease and memory loss and he has also suffered five heart attacks over the past 26 years in prison.(10) Despite his ailing health, he remains in prison and was recently hospitalized after testing positive for Covid-19.(11)

      8. Civil society organizations in Turkey have been raising their concern over the systematic torture applied to severely ill prisoners in Turkish prisons by keeping them in solitary confinement and preventing them from receiving medical care.(12) It is reported that since 2020, 104 inmates died in prisons and many of them were suffering from illnesses. In the month of December 2021 alone, at least 7 inmates died while behind bars.(13) Some of these deaths were under suspicious conditions and were ruled as a suicide by the authorities. Most recently, prisoner Garibe Gezer, who had reported that she was tortured and sexually abused in the prison was found dead by alleged suicide in her cell.(14) After trying to report her abuse in prison, she was punished by being placed in a padded cell on her own with no access to the outside world.(15) She died at the age of 28 in the cell in which she was being held in solitary confinement. Another recent case of suspicious death by alleged suicide was of prisoner Vedat Cem Erkmen, whose autopsy was completed without the presence of lawyers and family members.(16)

      II. The case of Aysel Tuğluk

      9. Aysel Tuğluk is a Kurdish politician and a human rights lawyer. She is a member of the Istanbul Bar Association, IHD and served as executive board member of the Society and Legal Research Foundation (TOHAV). She was also a founding member of the now banned pro-Kurdish Democratic Society Party (DTP). She was the first woman co-chair of a political party in Turkey after the DTP had introduced the system of co-chair to ensure representation of women in politics. She undertook a pioneering role in this progressive action which led the 2014 legislative change in the Law on Political Parties allowing the political parties to adopt the co-chair system.

      10. Aysel Tuğluk is currently imprisoned at the Kocaeli F-Type Prison in Turkey. She was arrested on 29 December 2016 while she was co-chair of the HDP, along with seven other Kurdish opposition politicians. She was sentenced to 10 years in prison on terrorism charges related to the PKK. Her activities as a politician, public speeches she delivered during her mandate as deputy and her attendance at funerals of PKK members were used as evidence against her in Court.(17)

      11. Ms. Tuğluk has worked in several NGOs as a human rights lawyer before being elected to parliament in 2007 from the Kurdish-majority Diyarbakır province as an independent deputy. Due to her legal immunity as an elected deputy, she avoided going to prison after being sentenced to 18 months in prison in 2007, over the distribution of party leaflets in Kurdish.(18) She was sentenced again to 28 months imprisonment in 2009, this time on charges of spreading “terrorist propaganda”, a charge she then interpreted as a form of political pressure on her former party, DTP.(19) In 2009, the Constitutional Court of Turkey decided unanimously that the DTP should be closed down.(20) The Court also stripped Aysel Tuğluk , along with fellow lawmaker Ahmet Türk, of parliamentary immunity.(21) On 12 January 2016, the ECtHR decided that the dissolution of the DTP was not in line with the standards of the European Convention on Human Rights (ECHR).(22)

      12. In 2011, she was re-elected as an MP. The following year, a court sentenced her to 14 years and 7 months in prison for ten separate speeches she delivered as a deputy, on the charges of “committing a crime on behalf of the armed terrorist organization PKK without being a member” and “making terrorist propaganda”.(23) Her lawyers argued that Ms. Tuğluk had delivered her speeches under her identity as a politician and that her freedom of speech has been violated by the courts. She did not have to serve jail time for this conviction as a result of the legislative changes made in the course of the proceedings. In 2018, Suruç Criminal Court of First Instance sentenced her to 1 year and 6 months in prison for “opposing to law on rallies and demonstrations”, while she was already behind bars after her arrest in 2016.(24) Although the judgment of the lower court was later quashed on appeal, her retrial is still ongoing. In a further proceeding, Van 4th Assize Court sentenced her to 1 year and 8 months prison on 14 October 2021 for two speeches she gave while she was an MP. Her appeal has been pending as of the date of this letter.

      13. In 2017, Ms. Tuğluk lost her mother, Hatun Tuğluk , whose funeral ceremony in Ankara was attacked by a fascist mob. She was allowed to participate in the funeral from prison, and she witnessed the attack. While her mother Hatun Tuğluk ’s body was initially buried in Ankara, due to the threats to the integrity of her grave, it was transferred to Dersim to be re-buried. According to Ms. Tuğluk ’s lawyers, her memory loss was triggered by these events, including treatment she and her family faced in the process of her mother’s death and funeral. Her loss of memory began following the serious trauma she experienced upon witnessing the attack on her mother’s funeral and the unearthing of the body.(25)

      14. Her lawyers observed over time that her health started rapidly deteriorating, and she was later diagnosed with dementia.(26) On 12 July 2021, a chamber of medical experts from Kocaeli University who examined Ms. Tuğluk ’s health for four months have concluded that:
      “Dementia disease has a chronic course and will show a progressive character, the person [Ms. Tuğluk ] should be followed up in tertiary health institutions; there may be problems in the adequacy of the medical support and care that can be provided to the person in prison conditions; it is not possible [for her] to continue her life without the help of someone else; it is not possible [for her] to care for her basic needs in prison conditions without the help of someone else; therefore the execution of her sentence should be postponed; she cannot lead her life alone under the prison conditions.” (see Annex I)
      However, this detailed analysis by nine experts was disregarded by the Istanbul Forensic Medicine Institute. The Institute, reportedly after just a two-hour examination of Ms. Tuğluk ’s state, summarily concluded in a 3 September 2021 report that her health condition does not justify an exemption from execution of her sentence in prison.(27)

      15. Ms. Tuğluk ’s lawyers requested an independent report from the Turkey Human Rights Foundation (TIHV). A group of prominent medical experts analysed all previous reports on Ms. Tuğluk ’s health state and medical documents to which they had access (18 sets of medical files and previous reports were examined by the experts). In their report dated 30 September 2021, they criticized the analysis of the Istanbul Forensic Medicine Institute on several aspects. They indicated that:
      “Although dementia was diagnosed in the examinations made by different health institutions, it was stated in the report of the Forensic Medicine Institute [ATK] that "the results of the [previous] tests and examinations [by other medical institutions] were not reliable". This decision was given by referring to articles of the relevant law without explaining clearly why the previous diagnoses were found to be wrong and which objective diagnostic criteria were used to disregard them. To eliminate the difference between the diagnoses, the ATK had to carry out and expand the necessary examinations. In order to reach reliable scientific conclusions, it must use and repeat the examinations and analysis of the health institutions that have clinical facilities and experience on the matter. It must obtain the medical records of the person in prison, the results of her psychosocial assessment, and the observations of the prison officers and people with whom the person lives [in prison].” (see Annex II).

      16. After visiting Ms. Tuğluk in prison on 24 December 2021, the HDP co-chair Pervin Buldan stressed that Ms. Tuğluk was in a situation where she could not meet her own needs and that even the prison administration had observed a rapid deterioration in her condition.(28) Her lawyer, Reyhan Yalçındağ, recently stated that there has been a significant deterioration in Ms. Tuğluk’s memory loss at an observable level over the last weeks and that she was not able to care for herself under prison conditions.(29) In December 2021, some 68 civil society organizations jointly called for the release of Ms. Tuğluk and the IHD stated that it may already be too late to save her from an early death.(30) In the joint statement, the 68 civil society organizations directly blamed the Ministry of Justice for Ms. Tuğluk’s continued imprisonment and stated that it is the responsibility of the state to release her in compliance with the medical report stating that she cannot remain in prison. The organizations also state that the report by the Istanbul Forensic Medicine Institute “cannot be trusted due to the troubled and partisan history of the institution”.(31) Ömer Faruk Gergerlioğlu, who is a deputy from the HDP and a medical doctor, stated that the report delivered by the Istanbul Forensic Medicine Institute did not contain medical facts and observations but rather incorrectly accused Ms. Tuğluk of ‘faking’ her condition.(32) He adds that according to recent visitors, it takes a long time for Ms. Tuğluk to perform basic movements such as sitting down on a chair or picking up the phone and that these are common symptoms of dementia.(33)

      17. As her health condition worsens, Ms. Tuğluk was, on 21 December 2021, once again transferred to a hospital for the preparation of a new report regarding her current condition.(34)  The Istanbul Forensic Medicine Institute will be evaluating her condition once more in order to decide if Ms. Tuğluk must be released from prison as a result of her rapidly deteriorating health. The undersigned organizations believe that the intervention of Special Procedures in this matter, at this stage, would contribute to a more objective and medically accurate evaluation of Ms. Tuğluk’s health state by the Istanbul Forensic Medicine Institute, which could eventually lead to her access to the urgent medical care she needs outside of prison without further delay.


      III. Turkey’s Obligations under Domestic and International Law
      Domestic law relating to the treatment of prisoners

      18. Under Article 17(1) of the Turkish Constitution, everyone has the right to life.(35) Article 17(3) states that no one shall be subject to torture or ill-treatment. It also provides that no one shall be subjected to penalties or treatment incompatible with human dignity.(36)

      19. Article 104 of the Constitution gives the President of the Turkish Republic the authority to grant a pardon to certain prisoners, on grounds of chronic illness, disability or old age if a series of conditions are met.

      20. Article 71 on the Law on the Execution of Penalties and Security Measures guarantees the right to treatment and medical care necessary for a prisoner’s health condition. It also states that a prisoner shall be treated primarily in the institution infirmary or, where this is not possible, in university hospitals.(37)

      21. According to Article 16(2) of the Law on the Execution of Penalties and Security Measures, in case of illness, the execution of the prison sentence may be suspended provided that there is an absolute danger for the life of the convict.(38) The sentence may be suspended until the convict is healthy.(39) The Law on the Amendment of Law on the Execution of Penalties and Security Measures and Certain Laws (No. 6411) adopted in January 2013, however, provides that such suspension of a sentence can be restricted on the grounds that a convict may pose danger to the security of the society.(40) The decision on a suspension is made by the Office of Chief Public Prosecutor at the convict’s prison, upon a request issued by the Forensic Medicine Institution or the health committee of a fully equipped hospital designated by the Ministry of Justice.(41)

      22. Article 90 of the Constitution provides for the supremacy of international human rights law standards above domestic law in case of contradiction on the subject of rights and freedoms.(42) Turkey is bound to abide by international legal norms relevant to this case, including the right to life and the prohibition of torture or cruel, inhuman or degrading treatment or punishment.

      International law related to the treatment of prisoners

      23. Under Article 3 of the ECHR, Article 7 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), and Article 1 of United Nations Convention against Torture and Other Forms of Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (UNCAT), Turkey has a duty to refrain from committing any act of torture or cruel, inhuman or degrading treatment. This includes protection of prisoners under its jurisdiction from being subject to these acts by state actors.(43) The prohibition of torture and cruel, inhuman or degrading treatment is an absolute and non-derogable right.

      24. Under Article 2 of the ECHR and Article 6 of the ICCPR, every person has an inherent right to life. That right is to be protected by law, and no one should be arbitrarily deprived of his or her life. The United Nations Human Rights Committee on numerous occasions reiterated that adequate or appropriate and timely medical care must be provided to all detainees as part of a state’s duty to ensure the enjoyment by all persons of the right to life.(44) In Salakhov and Islyamova v. Ukraine, the ECtHR held there was a violation to the right of life in a case where a prisoner was refused medical treatment, which led to his death.(45)

      25. Under Article 3 of the ECHR, Article 7 ICCPR and Article 1 of UNCAT, the states must ensure that a person is detained in conditions which are compatible with respect for their human dignity, that the manner and method of the execution of the measure do not subject them to distress or hardship of an intensity exceeding the unavoidable level of suffering inherent in detention and that, given the practical demands of imprisonment, their health and well-being are adequately secured by, among other things, providing them with the requisite medical assistance.(46)

      26. With respect to the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (the Nelson Mandela Rules) and Article 10 of the ICCPR, detainees shall be treated with humanity and dignity.(47) The Nelson Mandela Rules state that each prisoner must be provided with appropriate care, prompt medical attention in urgent cases, timely check-ups, and must be transferred to specialized institutions or civil hospitals when specialized treatment is needed.(48) Thus, the imposition of solitary confinement should be prohibited in the case of prisoners with mental or physical disabilities when their conditions would be exacerbated by such measures.(49)

      27. A further UN document provides that there should be at least one qualified medical officer who should have knowledge of psychiatry; any prisoners who require specialist treatment should be transferred to specialist institutions or to a civil hospital; a qualified dental officer should be available to every prisoner; and authorities must transfer prisoners who need specialist treatment to specialized institutions, including civilian hospitals, without unnecessary delay. (50)

      Application of the law to the situation of Aysel Tuğluk

      28. As many case studies illustrate, the treatment of gravely ill prisoners in Turkish prisons, such as Aysel Tuğluk , does not satisfy Turkey’s international obligations. With respect to the UN’s Mandela Rules, each inmate must be provided appropriate medical care and prisoners who need specialist treatment should be moved to specialized institutions, including civilian hospitals, without unnecessary delay. Ms. Tuğluk’s continued imprisonment despite her serious health issues and her vulnerabilities to both conditions in the prison and the ongoing Covid-19 pandemic, show a failure of Turkish authorities to adhere to both their own domestic laws and international standards with regard to treatment of prisoners.

      29. Under international law, inflicting suffering in the course of state-imposed punishment with the acquiescence of state officials is defined as torture. The current treatment of severely ill prisoners in Turkish prisons clearly amount to inhuman or degrading treatment. In Ms. Tuğluk’s case, she is no longer able to satisfy her own vital needs such as eating and drinking, and her memory loss illness is worsened each day by the conditions of prison. Her continued imprisonment, while being in her current state where she cannot meet her own needs and can barely communicate with others, not only amounts to torture and degrades her quality of life but puts her life at risk. The dismissal of medical reports finding that Ms. Tuğluk is not fit to stay in prison by the Turkish authorities - including the Istanbul Forensic Medicine Institute and the public prosecutor determining the continuance of her imprisonment - highlights a culture of complacency and abuse within the Turkish prison system that fails under international standards and obligations set out in the Turkish Constitution.

      30. In sum, it is clear from an examination of the medical reports, publicly accessible information on the case, and statements from Ms. Tuğluk’s visitors and lawyers that Ms. Tuğluk is not healthy enough to survive much longer in the conditions to which she is subject in Kocaeli KandıraF-Type Prison and that her immediate release is necessary. Should she fail to be released soon, Ms. Tuğluk’s life will remain at serious risk as her health keeps deteriorating at a rapid rate.

      IV. Actions Requested
      i. We request the Special Procedures to urge the Turkish Government to immediately release Aysel Tuğluk and other severely ill prisoners who are not fit to remain in prison in compliance with Turkey’s domestic and international law obligations.

      ii. We request Special Procedures to intervene in this grave matter and to raise all of these issues with the Turkish Government. Special Procedures are particularly requested to communicate the concerns in relation to violation of prisoners’ rights to medical services and to investigate the circumstances behind the refusal to release severely ill prisoners.

      iii. We further request the Special Rapporteurs to invite the Turkish Government to ensure that all prisons in Turkey have an adequate number of medical staff, including doctors and that they work freely without any undue interference with their work.

      iv. We ask the Special Procedures to urge the Turkish Authorities to introduce and enforce legal provisions for the release of seriously ill prisoners on compassionate grounds. Those legal provisions should create impartial and fair procedures for the medical evaluation of all ill prisoners and the grounds for their release.

      v. We request the Special Procedures to ensure the Turkish Government allow greater accountability and transparency of prison living conditions by enabling visits and inspections from human rights groups and nongovernmental entities.

      vi. We would be grateful if you would notify us of what action you decide to take on this matter and to inform us, in due course, of any response received from the Turkish Government. We would also be grateful if you are able to acknowledge receipt of this letter. Should you require any additional information, please contact us, and we will provide any support that we can.

      Yours faithfully,

      Sanya Karakaş, Turkey Human Rights Litigation Support Project (TLSP), the United Kingdom
      (and on behalf of)
      AĞ-DA Toplumsal Cinsiyet Eşitliği Dayanışma Ağı (Gender Equality Solidarity Network), Turkey
      Asociación Libre de Abogadas y Abogados, (Free Association of Lawyers, ALA), Madrid, Spain
      Batman Barosu (Batman Bar Association), Turkey
      Bingöl Barosu (Bingöl Bar Association), Turkey
      Conseil national des barreaux (CNB), France
      Çağdaş Hukukçular Derneği (Progressive Lawyers' Association, ÇHD), Turkey
      Dersim -Tunceli- Barosu (Dersim -Tunceli- Bar Association), Turkey
      Diyarbakır Barosu (Diyarbakır Bar Association), Turkey
      Düşünce Suçu(!?)na Karşı Girişim (Initiative for Freedom of Expression), Turkey
      Eşit Haklar İçin İzleme Derneği(Association for Monitoring Equal Rights), Turkey
      European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH)
      European Democratic Lawyers (AED)
      Hak İnisiyatifi Derneği(the Rights Initiative), Turkey
      Hakkari Barosu (Hakkari Bar Association), Turkey
      Human Rights Committee of the German Bar Association (Deutscher Anwaltverein, DAV), Germany
      Indian Association of Lawyers, India
      İnsan Hakları Gündemi Derneği (Human Rights Agenda Association), Turkey
      International Association of Democratic Lawyers (IADL)
      International Bar Association's Human Rights Institute (IBAHRI)
      International Commission of Jurists (ICJ)
      International Federation for Human Rights (FIDH)
      International Observatory for Lawyers at Risk (OIAD)
      Lawyers’ Rights Watch Canada (LRWC), Canada
      London Legal Group, the United Kingdom
      Mardin Barosu (Mardin Bar Association), Turkey
      Medya ve Hukuk Araştırmaları Derneği (Media and Law Studies Association, MLSA), Turkey
      Muş Barosu (Muş Bar Association), Turkey
      National Union of Peoples' Lawyers (NUPL), Philippines
      Özgürlük için Hukukçular Derneği(Association of Lawyers for Freedom, ÖHD), Turkey
      P24 (Platform for Independent Journalism), Turkey
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (Republican Lawyers Association, RAV), Germany
      Rosa Kadın Derneği (Rosa Women's Association), Turkey
      Siirt Barosu (Siirt Bar Association), Turkey
      Syndicat des Avocats pour la Démocratie: le SAD, Belgium
      Şanlıurfa Barosu (Şanlıurfa Bar Association), Turkey
      Şırnak Barosu (Şırnak Bar Association), Turkey
      The Center for Research and Elaboration on Democracy/ Group of International Legal Intervention (CRED/GIGI)
      The Italian Association of Democratic Lawyers (Giuristi Democratici), Italy
      The National Association of Democratic Lawyers, (NADEL), South Africa
      Toplum ve Hukuk Araştırmaları Vakfı (Foundation for Society and Legal Studies), Turkey
      Turkish-German Forum of Culture, Germany
      Van Barosu (Van Bar Association), Turkey


      (1) Stockholm Center for Freedom, September 6 2021, Former HDP deputy Aysel Tugluk unable to access proper healthcare in prison, her lawyers say (accessed 5 January 2022) https://stockholmcf.org/former-hdp-deputy-aysel-tugluk-unable-to-access-proper-healthcare-in-prison-her-lawyers-say/
      (2) Ahval News, December 5 2021, Kurdish politician Aysel Tugluk experiencing memory loss behind bars – lawyer (accessed 5 January 2022) https://ahvalnews.com/turkey-prisons/kurdish-politician-aysel-tugluk-experiencing-memory-loss-behind-bars-lawyer
      (3) Ibid.
      (4) Bianet, 29 December 2021, Tıka basa cezaevleri başlı başına sağlık sorunu (accessed 5 January 2022)  https://m.bianet.org/bianet/saglik/255453-tika-basa-dolu-cezaevleri-basli-basina-saglik-sorunu
      (5) Human Rights Council, “Compilation on Turkey - Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights,” 12 November 2019, UN Doc A/HRC/WG.6/35/TUR/2, para 13.
      (6) BBC News, 25 October 2021, Adalet nöbetindeki hasta tutuklu ve mahpus yakınları Cezaevlerinden cenazeler çıkmasın (accessed 5 January 2022)  https://www.bbc.com/turkce/haberler-turkiye-59415860
      (7) Human Rights Association, 1 April 2021, IHD 2020 Yılı Türkiye hapishanelerinde hak izleme raporu (accessed 5 January 2022) < https://www.ihd.org.tr/ihd-2020-yili-turkiye-hapishanelerinde-hak-izleme-raporu/>
      (8) Bianet, 19 November 2020, ’49 prisoners lost their lives this year’ (accessed 11 January 2022) <https://m.bianet.org/english/print/234697-49-prisoners-lost-their-lives-this-year>  
      (9) ECtHR, Tekin Yildiz v. Turkey (no. 22913/04), Gulay Cetin v. Turkey (no 44084/10), Ebedin Abi v. Turkey (no. 10839/09)
      (10) Urgent action letter by the Turkey Human Rights Litigation Support Project and 20 other sivil society organisations concerning Mehmet Emin Özkan, 14 July 2021;  Gazete Duvar, 21 December 2021, 83 yaşındaki hasta tutuklu Mehmet Emin Özkan yine tahliye edilmedi (accessed 6 January 2022)  https://www.gazeteduvar.com.tr/83-yasindaki-hasta-tutuklu-mehmet-emin-ozkan-yine-tahliye-edilmedi-haber-1546377
      (11) Ahval, 21 December 2021, Ağır hasta tutuklu Özkan’ın korona testi ikinci kez pozitif çıktı (accessed 6 January 2022)  https://ahvalnews.com/tr/hasta-mahkumlar/agir-hasta-tutuklu-ozkanin-korona-testi-ikinci-kez-pozitif-cikti
      (12) Bianet, 17 December 2022, “Ağır hasta mahpuslar tek kişilik hücreye atılıyor” (accessed 7 January 2022)  https://m.bianet.org/bianet/insan-haklari/254990-agir-hasta-mahpuslar-tek-kisilik-hucreye-atiliyor
      (13) Duvar English, 22 December 2021, As human rights abuses increase, more and more inmates die in Turkish prisons (accessed 5 January 2022)  https://www.duvarenglish.com/as-human-rights-abuses-increase-more-and-more-inmates-die-in-turkish-prisons-news-59933
      (14) Duvar English, 10 December 2021, Following torture and sexual abuse, female prisoner dies by alleged suicide in prison (accessed 5 January 2022)  https://www.duvarenglish.com/following-torture-and-sexual-abuse-female-prisoner-garibe-gezer-dies-by-alleged-suicide-in-prison-news-59818
      (15) Ibid.
      (16) Evrensel, 20 December 2021, Tekirdağ Cezaevi’nde bir tutuklu daha yaşamını yitirdi (accessed 5 January 2022)  https://www.evrensel.net/haber/450727/tekirdag-cezaevinde-bir-tutuklu-daha-yasamini-yitirdi
      (17) See, supra note 1.
      (18) Reuters, 5 February 2009, Turkish Court sentences Kurdish lawmaker to jail (accessed 6 January 2022)  https://www.reuters.com/article/idUSL5778001
      (19) Ibid.
      (20) France 24, 11 December 2009, Top court bans main Kurdish political party (accessed on 6 January 2022)  https://www.france24.com/en/20091211-top-court-bans-main-kurdish-political-party
      (21) Ibid.
      (22) ECtHR, Party for a Democratic Society (DTP) and others v. Turkey, judgement of 12 January 2016 (applications nos. 3870/10, 3870/10, 3878/10, 15616/10, 21919/10, 39118/10 and 37272/10)
      (23) Bianet, 12 June 2012, Independent deputy Aysel Tuğluk sentenced to 14.5 years behind bars (accessed 6 January 2022)  https://bianet.org/english/human-rights/139020-independent-deputy-aysel-tugluk-sentenced-to-14-5-years-behind-bars
      24 Bianet, 2 January 2018, HDP Deputy Co-chair Tugluk sentenced to 1.5 years in prison (accessed 6 January 2022)  https://bianet.org/english/politics/192938-hdp-deputy-co-chair-tugluk-sentenced-to-1-5-years-in-prison
      (25) See, supra note 2.
      (26) Ibid.
      (27) Duvar English, 21 December 2022, 68 Civil society organizations call for release of Kurdish politican suffering from illness (accessed 6 January 2022)  https://www.duvarenglish.com/68-civil-society-organizations-call-for-release-of-kurdish-politician-aysel-tugluk-suffering-from-illness-news-59919
      (28) Bianet, 27 December 2022, ‘Even the prison administration says Aysel Tugluk is not in good health’ (accessed 6 January 2022)  https://m.bianet.org/english/human-rights/255397-even-the-prison-administration-says-aysel-tugluk-is-not-in-good-health
      (29) Medyanews, 18 December 2021, Each passing hour is going against Aysel Tugluk’s health (accessed on 6 January 2022)  https://medyanews.net/each-passing-hour-is-going-against-aysel-tugluks-health/
      (30) See, supra note 24.
      (31) Ibid.
      (32) Bianet, 6 January 2022, Gergerlioğlu : ATK’nın raporu tıbbi beyanlar içermiyor (accessed 7 January 2022)  https://bianet.org/bianet/insan-haklari/255844-gergerlioglu-atk-nin-raporu-tibbi-beyanlar-icermiyor
      (33) Ibid.
      (34) Medyascope, 21 December 2021, Aysel Tuğluk sağlık raporu için yeniden hastaneye kaldırıldı (accessed 7 January 2022) https://medyascope.tv/2021/12/21/aysel-tugluk-saglik-raporu-icin-yeniden-hastaneye-kaldirildi/
      (35) Article 17(1), the Constitution of the Republic of Turkey.  
      (36) Article 17(3), the Constitution of the Republic of Turkey.  
      (37) Article 71, the Law on the Execution of Penalties and Security Measures, 13 December 2004.
      (38) Article 16(2), the Law on the Execution of Penalties and Security Measures.  
      (39) Ibid.
      (40) Stockholm Center for Freedom, HDP demands parliamentary debate on situation of sick prisoners, 17 June 2021 (accessed 6 January 2022)  https://stockholmcf.org/hdp-demands-parliamentary-debate-on-situation-of-sick-prisoners/ 
      (41) Daily Sabah, Mahmut Övür, 9 February 2015, The question of ill inmates (accessed 6 January 2022) https://www.dailysabah.com/columns/mahmut_ovur/2015/02/09/the-question-of-ill-inmates
      (42) Article 90, the Constitution of the Republic of Turkey as amended on 23 July 1995.
      (43) Council of Europe, European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, as amended by Protocols Nos. 11 and 14, 4 November 1950, ETS 5; UN General Assembly (UNGA).  
      (44)  Lawyers’ Rights Watch Canada, 8 October 2014, Prisoners: The Right to Medical Treatment-Summary of Preliminary Research/Report  (accessed 6 January 2022)  https://www.lrwc.org/prisoners-the-right-to-medical-treatment-summary-of-preliminary-research-report/
      (45) ECtHR, Salakhov and Islyamova v. Ukraine, judgement of 14 March 2013, application No. 28005/08.
      (46) ECtHR, Kudla v. Poland, judgement of 26 October 2000, application No. 30210/96, para. 94; ECtHR, Gelfmann v. France, judgement of 14 December 2004, application No. 25875/03, para. 50; ECtHR, Serifis v. Greece, judgment of 2 November 2006, application No. 27695/03; ECtHR, Mouysel v. France, judgment of 14 November 2002, application No. 67263/01; ECtHR Tekin Yildiz v. Turkey, judgment of 10 November 2005, application No. 22913/04.  
      (47) Ibid.
      (48) UNODC, 2015, the UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (the Nelson Mandela Rules) (accessed 19 January 2022) https://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/Nelson_Mandela_Rules-E-ebook.pdf
      (49) Ibid, Rule 45.
      (50) United Nations Office on Drugs and Crime, 2009, Prisoners with Special needs (accessed 6 January 2022) https://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/Prisoners-with-special-needs.pdf

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      Menschenrechte/Türkei
      news-834Wed, 12 Jan 2022 13:23:17 +0100Tag des verfolgten Anwalts 2022 || Kolumbien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-2022-kolumbien-83424.1.2022 - Aufruf zur Teilnahme an Protesten vor der kolumbianischen Botschaft in BerlinDieses Jahr ist der »Tag des bedrohten Anwalts« erneut – wie bereits im Jahr 2014 – den Kolleginnen und Kollegen in Kolumbien gewidmet, die Morddrohungen erhalten, weil sie die Rechte der Ärmsten verteidigen und die Opfer von Menschenrechtsverletzungen insbesondere in ländlichen Gebieten vertreten.

      Der RAV, die VDJ, die RAK-Berlin und andere rufen dazu auf, sich an der Berliner Protestaktion zu beteiligen, die zeitgleich in zahlreichen anderen Ländern vor den jew. Botschaften oder Konsulaten durchgeführt wird:

      13.00 h vor der Kolumbianischen Botschaft, Taubenstr. 23, 10117 Berlin.

      Gern in Robe.

      Die Botschaft ist über die Aktion informiert und wird die Petition entgegennehmen. (Petition (dt) ; Peticion (es)).

      Von den über 200.000 Anwält*innen in Kolumbien widmen sich nur wenige der Vertretung der Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von Übergriffen wie außergerichtlichen Tötungen, dem gewaltsamen Verschwinden-Lassen und Angriffen bei bewaffneten Konflikten betroffen sind. Dieser marginalisierte Teil der Bevölkerung umfasst Kleinbäuerinnen und -bauern, städtische Armutsbevölkerung, Binnenflüchtlinge sowie indigene und afro-kolumbianische Gruppen.

      In den letzten zehn Jahren wurden dort mehr als 700 Anwält*innen ermordet.

      Hintergrundinformationen zu der Situation der Kolleg*innen in Kolumbien finden sich hier im Final Report (engl.).

      *************************

      Bitte auch zu beachten: Online-Veranstaltung am 20.1.22 um 19 h

      Zur Situation von Anwältinnen und Anwälten in Kolumbien

      Alle Informationen hier:
      https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-situation-von-anwaeltinnen-und-anwaelten-in-kolumbien-833

      Eine Kooperationsveranstaltung mit dem DAV, der RAK Berlin, der VDJ, der EJDM, der AED-EDA sowie mit den beiden Menschenrechtsanwält*innen Zoraida Pedraza und German Romero.

      Die Kolleg*innen werden ausführlich über die Situation in Kolumbien berichten. Beide mussten Kolumbien verlassen, da sie dort aufgrund ihrer Arbeit bedroht und verfolgt wurden. Sie leben momentan sowohl in Belgien als auch in Spanien.

      Die Veranstaltung findet online per Zoom statt: (neuer Link 20.1.2022)
      https://us06web.zoom.us/j/81930013070?pwd=YVR3U3BnTEl4RmhRQUtySHdKUTRrZz09
      Meeting-ID: 819 3001 3070
      Kenncode: 433025

      Einladung als PDF

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      Tag des bedrohten AnwaltsBürger- und MenschenrechteKolumbien
      news-833Fri, 07 Jan 2022 09:44:15 +0100Zur Situation von Anwältinnen und Anwälten in Kolumbien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-situation-von-anwaeltinnen-und-anwaelten-in-kolumbien-833Online-Diskussionsveranstaltung, 20.1.2022 um 19hJedes Jahr am 24. Januar findet der »Tag des bedrohten Anwalts« statt, an dem Anwält*innen weltweit gegen die Einschüchterung, Bedrohung, Inhaftierung und Ermordung ihrer Kolleg*innen demonstrieren. Dieses Jahr ist der Tag erneut – wie bereits 2014 – den Anwält*innen in Kolumbien gewidmet, die Morddrohungen erhalten, weil sie die Rechte der Ärmsten verteidigen und die Opfer von Menschenrechtsverletzungen insbesondere in ländlichen Gebieten vertreten.

      Von den über 200.000 Anwält*innen in Kolumbien widmen sich nur wenige der Vertretung der Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von Übergriffen wie außergerichtlichen Tötungen, dem gewaltsamen Verschwinden-Lassen und Angriffen bei bewaffneten Konflikten betroffen sind. Dieser marginalisierte Teil der Bevölkerung umfasst Kleinbäuerinnen und -bauern, städtische Armutsbevölkerung, Binnenflüchtlinge sowie indigene und afro-kolumbianische Gruppen.

      In den letzten zehn Jahren wurden dort mehr als 700 Anwält*innen ermordet. Daneben kam es zu mehr als 4.400 Übergriffen auf Anwält*innen in Kolumbien. Zwischen 2019 und 2020 wurden verschiedene Menschenrechtsanwält*innen durch staatliche Sicherheitskräfte überwacht, weil sie oppositionelle Gruppen vertreten haben. Die meisten Menschenrechtsverteidiger*innen müssen darüber hinaus damit rechnen, selbst mit Klagen und Ermittlungsverfahren überzogen zu werden, wenn sie versuchen, Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien aufzudecken.

      Der kolumbianische Staat hat die Vielzahl an Übergriffen und Attacken weder versucht zu verhindern, noch gibt es ein Interesse an deren Aufklärung. In Kolumbien gibt es weder eine lokale noch eine nationale in Selbstverwaltung handelnde und staatlich anerkannte Anwaltskammer und nur wenige Anwält*innenvereinigungen, die die Unabhängigkeit der Anwält*innen fördern oder den Berufsstand im Allgemeinen schützen. Der Consejo Superior de la Judicatura (Oberster Justizrat) registriert und speichert Informationen über kolumbianische Anwält*innen und sanktioniert Fehlverhalten im Rahmen der Beschäftigung. Eine Interessenvertretung fehlt komplett.

      Vor diesem Hintergrund findet am 20. Januar 2022 um 19 Uhr eine Diskussionsveranstaltung des RAV statt.
      Es ist eine Kooperationsveranstaltung mit dem DAV, der RAK Berlin, der VDJ, der EJDM, der AED-EDA sowie mit den beiden Menschenrechtsanwält*innen Zoraida Pedraza und German Romero.

      Die Kolleg*innen werden ausführlich über die Situation in Kolumbien berichten. Beide mussten Kolumbien verlassen, da sie dort aufgrund ihrer Arbeit bedroht und verfolgt wurden. Sie leben momentan sowohl in Belgien als auch in Spanien.

      Die Veranstaltung findet online per Zoom statt: (neuer Link 20.1.2022)
      https://us06web.zoom.us/j/81930013070?pwd=YVR3U3BnTEl4RmhRQUtySHdKUTRrZz09
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      Tag des bedrohten AnwaltsVeranstaltungenKolumbien
      news-832Tue, 07 Dec 2021 16:04:37 +0100Auch der modifizierte Entwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen wird als undemokratisch abgelehnt! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/auch-der-modifizierte-entwurf-fuer-ein-versammlungsgesetz-fuer-nordrhein-westfalen-wird-als-undemokratisch-abgelehnt-832Gemeinsame PM von RAV, VDJ und Komitee für Grundrechte und Demokratie, 7.12.21Der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie lehnen auch den jüngst von CDU und FDP eingereichten, modifizierten Entwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen als undemokratisch ab.

      Die vorgelegte veränderte Gesetzesvorlage ändert am Kern der Kritik nichts: Der Entwurf bleibt ein Versammlungsverhinderungsgesetz, ein Entwurf, der die Versammlungsfreiheit als potentielle Gefahr begreift, ein Entwurf, der Versammlungen polizeilich einschnürt.

      Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung, Gefährderansprachen - sind auch weiterhin sämtlich im Entwurf enthalten. Nunmehr wird sogar explizit ermöglicht, Versammlungen mit Drohnen zu filmen.

      Das sogenannte „Störungsverbot“ wurde im Kern ebensowenig aufgehoben, wie das „Militanzverbot“: Nach wie vor werden antifaschistische Gegenproteste erschwert bzw. Blockadetrainings verboten, die Bußgeldbewährung nicht aufgehoben. Dass „nicht auf Behinderung zielende kommunikative Gegenproteste“ vom Störungsverbot ausgenommen wurden, ändert hieran nichts, sondern gibt lediglich den verfassungsrechtlichen Grundgedanken wieder, dass auch die abweichende Meinung kollektiv und öffentlich geäußert werden darf.  Dass beim „Militanzverbot“, das jetzt „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“ heißt, der äußerst unbestimmte Passus „in vergleichbarer Weise“ gestrichen wurde, ist ebenso blanke Kosmetik. Die grundlegende Freiheit der Versammlung, darüber zu entscheiden, wie eine solche auch optisch, von ihrem Auftreten gestaltet werden soll, ob etwa farblich ein einheitliches Auftreten erfolgt, um einen gemeinsamen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, um Geschlossenheit und Entschlossenheit zu vermitteln, wird weiterhin der staatlichen Direktive unterstellt.

      Wenn die FDP von einem „rechtsstaatlichen Update“ spricht, kann hierauf Rechtsanwältin Ursula Mende von der VDJ nur entgegnen: „Dass die wörtliche Einfügung einer Selbstverständlichkeit des Rechtsstaats, nämlich, dass für polizeiliche Eingriffe „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen müssen, ein Update in Sachen Rechtsstaat darstellen soll, offenbart die auch weiterhin bestehende Grundausrichtung des neuen Gesetzes als versammlungsfeindlich. Wenn die FDP wirklich Freiheitsrechte schützen will, dann gibt es nur einen Weg: sie müssen den Gesetzesentwurf zurückziehen und nochmal komplett von vorn anfangen."

      Und Rechtsanwältin Anna Busl ergänzt: „Dass nunmehr der als Ausdruck eines paternalistischen Staatsverständnisses und aufgrund seiner Unbestimmtheit verfassungsrechtlich breit kritisierte Begriff der „öffentlichen Ordnung“ aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde, ist zwar eine längst überfällige Korrektur. Mit einer tatsächlichen Veränderung des Gesetzentwurfs hat auch dies nichts zu tun.

      Dass es sich um ein Gesetz handelt, das insbesondere auch gegen die Klimabewegung gerichtet ist, zeigt der neue Entwurf einmal mehr: Neu eingefügt wurde explizit das Verbot, Versammlungen auf Bundesautobahnen durchzuführen (§ 13 Abs. 1 S. 3): Autobahnen und fließendem Verkehr wurde damit a priori und unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall der Vorrang eingeräumt.

      VDJ, RAV und das Komitee für Grundrechte und Demokratie rufen daher erneut dazu auf, sich an den Protesten am 08.12.2021, 10:00 Uhr, vor dem Landtag Düsseldorf zu beteiligen.

      Die VDJ, der RAV und das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatten im Mai 2021 eine ausführliche Stellungnahme zum schwarz-gelben Gesetzesvorhaben veröffentlicht. Die aufgebrachten Kritikpunkte und die Vorschläge für ein freiheitliches Versammlungsgesetz sind auch heute noch aktuell:
      https://www.grundrechtekomitee.de/fileadmin/user_upload/Erklaerung_RAV_VDJ_u._Grundrechtekomitee_zum_Gesetzentwurf_fuer_ein_NRW_Versammlungsgesetz.pdf

      Pressekontakte:
      Rechtsanwältin Anna Busl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Tel.: 030 44 67 92 16, busl@anwaltsbuero-bonn.de

      Rechtsanwältin Ursula Mende, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen
      Tel.: 02151 152616, mail@vdj.de

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      VersammlungsfreiheitPressemitteilungVersammlungsrechtBürger- und Menschenrechte
      news-816Fri, 26 Nov 2021 10:06:08 +0100Bereich ›Migration und Asyl‹<br />Koalitionsvertrag stellt nicht im Ansatz den notwendigen Systemwechsel dar/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bereich-migration-und-asylkoalitionsvertrag-stellt-nicht-im-ansatz-den-notwendigen-systemwechsel-dar-816RAV-Pressemitteilung 9/21, 26.11.2021Aus Sicht des RAV ist festzustellen: Der Koalitionsvertrag enthält im Bereich ›Migration und Asyl‹ einige Aussagen, die eine überfällige Abkehr von einer rückwärts ausgerichteten Politik darstellen. Sie stellen aber nicht ansatzweise den dringend notwendigen Systemwechsel dar.

      Im 21. Jahrhundert beispielsweise Menschen nach geltendem Recht das Recht auf Arbeit gesetzlich zu verweigern, ist ein Anachronismus und fundamentaler Angriff auf die Gleichheit und Würde jedes Einzelnen. Es ist also zu begrüßen, dass durch die Ampel-Koalition Arbeitsverbote gestrichen werden sollen. Gleichwohl wird erst die Praxis zeigen, wie ernst die Streichung des Arbeitsverbots gemeint ist und ob alle Gruppen wie etwa Asylsuchende hiervon umfasst sein sollen.

      Im Einzelnen

      Ebenso ist positiv, dass die neue Koalition das Rechtsinstitut der ›Duldung light‹ abschaffen wird. Diese ›Duldung light‹ hat in keinem Fall zum deklarierten Ziel der Ausreise oder Abschiebung geführt. Zugleich hat sie aber massiv in menschenrechtlich geschützte Rechtgüter, wie das Recht auf Arbeit, eingegriffen.
      Der RAV kritisiert aber auf das Schärfste, dass es auch unter der Ampel-Koalition weiter Duldungszeiten geben wird, die bei der Berechnung der Dauer der Aufenthaltszeit eines Menschen nicht berücksichtigt werden sollen. Dies führt dazu, dass eine Person zwar faktisch in Deutschland ist, rechtlich sich aber in einer Art Niemandsland befindet.
      Die ›Duldung light‹ ist nicht nur unsinnig, sondern zog – genau wie die neu eingeführte verpflichtenden Prüfung des Widerrufs eines Schutzstatus – einen Rattenschwanz an bürokratischen Verfahren und Rechtsstreitigkeiten nach sich. In ca. 97 Prozent der sinnlos eingeleiteten Widerrufsprüfungen kommt es nicht zum Widerspruch. Es ist also zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag eine Abschaffung der verpflichtenden Einleitung des Widerrufsverfahrens vorsieht.

      Lager und Abschiebehaft

      Die Aussage des Koalitionsvertrags im Bereich Asyl zur Abkehr von den Ankerzentren ist nicht weitgehend genug. Das gesamte Konzept dieser Zentren ist radikal gescheitert. Absonderungen von Menschen über Wohnverpflichtungen in Lagern, die ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit nicht entsprechen, sind abzuschaffen.
      Kinder nicht in Abschiebehaft zu nehmen, wie es im Koalitionsvertrag heißt, stellt eine Selbstverständlichkeit dar. Die überfällige, dringend notwendige grundsätzliche Reform des gesamten rechtswidrigen Systems Abschiebung bleibt aus.

      Der RAV kritisiert u.a. auf das schärfste, dass in Abschiebehaftverfahren weiter keine zwingende anwaltliche Beiordnung vorgesehen ist, obwohl sich die überwiegende Mehrheit der haftrechtlichen Beschlüsse als rechtswidrig erweisen.

      Im Bereich Familiennachzug enthält der Koalitionsvertrag Ansätze, die positiv zu bewerten sind. Erleichterungen in den Rechtsgrundlagen und die Abkehr von der Idee, erst im Ausland die Sprache erlernen zu müssen, statt eine schnelle Einreise und Teilnahme an Sprachkursen hier zu ermöglichen, ist zu begrüßen, wenn auch nicht weitgehend genug. Insbesondere die unerträglichen jahrelangen Wartezeiten in den Visaverfahren sind sofort zu ändern.
      Erleichterungen im Bereich der Verfestigung des Aufenthalts sowie die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit stellen eine überfällige Reform dar. Die Regelungen sind aber nicht ausreichend, zu kritisieren ist, dass die Bleiberechtsregelung weiter an einen Stichtag anknüpft.
      Der Koalitionsvertrag spricht von einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung im Bereich Asyl. Unklar ist, was hier gemeint wird. Es darf jedenfalls auf keinen Fall darauf hinauslaufen, dass eine Tatsacheninstanz im Rechtszug entfällt.
      Es liest sich zwar positiv, dass legale Einreisemöglichkeiten ausgeweitet werden sollen. Aber auch hier ist abzuwarten, ob es sich um symbolische Maßnahmen handelt oder denen, die zum Zweck der Bildung oder Erwerbstätigkeit zuwandern wollen ohne hochqualifiziert zu sein, ein faires Verfahren eröffnet wird.

      Krise des europäischen Asylrechts

      Die Aussagen zur europäischen Migrations- und Asylpolitik sind aus Sicht des RAV vollkommen unzureichend. Der Auslagerung des Asylrechts in Drittstaaten wird keine unmissverständliche Absage erteilt. Effektiven Rechtsschutz an den europäischen Außengrenzen gibt es nicht. Konzepten eines ›Rechtsschutz light‹ ist eine klare Absage zu erteilen. Relocation-Programme und Ressettlements sind zwar zu begrüßen. Allerdings sind diese als Antwort auf die Krise des europäischen Asylrechts unzureichend, denn sie formulieren keine transparenten und rationalen Verfahren für die Betroffenen. Nur eine ›Koalition der Willigen‹ in Europa kann und muss sich über eine Aufnahme von Schutzsuchenden in fairen Verfahren verständigen. Es gibt nur eine Antwort auf die aktuelle Krise: Aufnahme und das strikte Eintreten gegen rechtswidrige Push Backs, keine direkte und indirekte Kooperation mit Drittstaaten wie Libyen oder der Türkei.
      Weiter gilt ein in Teilen verfassungswidriges Sozialrecht für Flüchtlinge. Es wird weiter Abschiebungen in Krisenländer und ausweglose Situationen geben.
      Dieser Koalition ist ins Stammbuch zu schreiben: Grundrechte und Menschenrechte gelten, wenn sie für jede einzelne und jeden einzelnen gelten. Statt sie zur Disposition zu stellen, sind sie gerade in Krisenzeiten zu verteidigen.

      Zusammenfassend ist festzustellen: Der Koalitionsvertrag enthält zwar positive Ansätze, verfehlt aber die grundlegend notwendige Modernisierung und den Systemwechsel im Bereich ›Migration und Asyl‹.
      Entscheidend ist, ob die neue Regierung auf diese Anforderungen und auf das Sterben an den Außengrenzen und auf den Fluchtrouten nur mit Sonntagsreden oder mit menschenrechtsbasierter Politik reagieren wird.

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      Migration & Asyl
      news-815Fri, 19 Nov 2021 11:16:00 +0100Stoppt Kinderrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stoppt-kinderrechtsverletzungen-an-den-eu-aussengrenzen-815Appell, 19.11.2021In den Wäldern an der polnisch-belarussischen Grenze harren gegenwärtig geflüchtete Menschen, unter ihnen Kinder und Familien, unter unmenschlichen humanitären Bedingungen aus. Ihre Kinder- und Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Sie leiden unter Unterkühlung, Hunger und Erschöpfung. Sie fliehen vor Verfolgung in der Heimat, Gewalt und Perspektivlosigkeit und suchen Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren. An der polnisch-belarussischen Grenze, aber auch an der bosnisch-kroatischen Grenze, reagieren die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit Abweisung, illegalen Pushbacks und dem Bau neuer Zäune.

      Kinder und Familien dürfen nicht zum Opfer regionaler Macht- und europäischer Abschottungspolitik werden. Die unterzeichnenden Organisationen fordern die bestehende und künftige Bundesregierung auf, sofort tätig zu werden, um das Leid der Kinder und Familien an den europäischen Land-Außengrenzen zu lindern. Die Spirale der Gewalt sowie die lebensgefährliche Kälte und Unterversorgung, denen die Kinder insbesondere in Belarus ausgesetzt sind, dürfen nicht ignoriert, ihre Rechte nicht für Machtpolitik kompromittiert werden.

      Menschenunwürdige und kindeswohlgefährdende Unterbringungs- und Versorgungssituation

      An der Außengrenze der EU in Belarus findet vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit eine humanitäre Krise statt, die sich angesichts des beginnenden Winters noch drastisch zuspitzen wird. An der Grenze zu Polen campieren Tausende Menschen obdachlos in einem Waldgebiet trotz der stetig fallenden Temperaturen.(1) Der Zugang zu sanitären Anlagen, Lebensmitteln oder medizinischer Versorgung ist faktisch nicht vorhanden und wird nur durch das Engagement der Zivilgesellschaft und engagierter Bürger:innen ermöglicht.(2) Die betroffenen Geflüchteten, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche, befinden sich in einer ausweglosen Situation: Sie können nicht in die EU einreisen und gleichzeitig ist ihnen der Weg durch Belarus versperrt. Auch in Bosnien und Herzegowina kommt es immer wieder dazu, dass Menschen, unter ihnen auch Kinder, bei Minusgraden in selbstgebauten Camps vor der Grenze ausharren in der Hoffnung, endlich in die EU zu gelangen.(3)

      Gewalt und illegale Rückschiebungen von Kindern an den Außengrenzen

      Die unterzeichnenden Organisationen sind extrem besorgt hinsichtlich des europa- und völkerrechtswidrigen Vorgehens der EU-Mitgliedstaaten Kroatien und Polen bei Grenzübertritten. Gewaltsame Pushbacks, wie sie von Kroatien seit Jahren straflos praktiziert werden, sind auch in Polen zur gut dokumentierten Praxis des Grenzschutzes geworden. Menschen werden im Grenzgebiet aufgespürt und ohne individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs oder ihrer Einreisegründe unter Zwang vor die europäischen Außengrenzen zurückgebracht. Einmal mehr zeigt sich: Werden Gewalt und europa- und völkerrechtswidrige Rückschiebungen nicht geahndet und sanktioniert, avancieren sie durch stillschweigende Zustimmung zu regulären Mitteln des Grenzmanagements an den europäischen Außengrenzen.
      Verschiedene Berichte belegen Gewaltanwendung und illegale Rückschiebungen durch sowohl polnische als auch kroatische Grenzbeamte. So haben Menschenrechtsorganisationen bereits im August 2021 illegale Kollektivausweisungen an der polnischen
      Grenze öffentlich dokumentiert.4 Auch an der bosnisch-kroatischen Grenze finden schon seit langem nachweislich rechtswidrige Rückschiebungen durch kroatische Sicherheitsbehörden statt, welche von Gewalt, Erniedrigung und Entwendung von Eigentum begleitet werden.(5) Auch Kinder sind von Pushbacks betroffen.(6) Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht dabei tatenlos zu und schreitet bei Menschenrechtsverletzungen nicht ein.(7)
      Der Winter hat in den Grenzregionen Polens und Kroatiens bereits begonnen. Sinkende Temperaturen, teils unter null Grad, verschlechtern die lebensgefährliche Situation für Kinder und Familien noch weiter dramatisch. Ihnen muss unverzüglich geholfen, ihre Rechte umgehend respektiert werden.

      Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung auf:
      1. Sofortige Evakuierung - legale Zugangswege schaffen

      Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen die betroffenen Menschen, allen voran Kinder und Familien, aus den entsprechenden Regionen evakuieren und auf die EU-Staaten umverteilen. Dies bedarf eines Ad-hoc-Evakuierungsmechanismus, wie er im Ansatz bei der Aufnahme von den griechischen Inseln angewendet wurde. Um mittelfristig die Situation an den EU-Außengrenzen zu verbessern, müssen in Ergänzung zum individuellen Asylverfahren Resettlement- und humanitäre Aufnahmeprogramme sowie andere legale Zugangswege ausgebaut und die Hürden für Familienzusammenführungen gesenkt werden.

      2. Stopp der Push-Backs - Zugang zum Asylverfahren

      Die Praxis der Push-Backs muss sofort unterbunden und der Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren sichergestellt werden. Mitgliedstaaten, die sich dem verweigern, müssen sanktioniert werden. Um Menschenrechtsverletzungen aufzudecken,
      muss das Grenzmanagement der EU-Mitgliedstaaten von einem transparenten, unabhängigen und effektiven Monitoringmechanismus begleitet werden. Konsequente Schulungen zu Kinder- und Menschenrechten können zudem rechtswidriges Vorgehen
      einzelner Grenzbeamt:innen verhindern.

      3. Unterstützung der Menschen vor Ort - Zugang von Hilfsorganisationen

      Den betroffenen Menschen, insbesondere Kindern und Familien, in den Grenzregionen müssen umgehend ein festes Dach über dem Kopf, eine regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung sowie Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährt werden. Humanitäre Organisationen sowie Menschen- und Kinderrechtsorganisationen müssen zudem umgehend umfassenden Zugang zu den betroffenen Menschen in den Grenzregionen erhalten. In diesem Sinne fordern wir die Bundesregierung auf, sofort aktiv zu werden und Unterstützung zu leisten, und zwar sowohl in Form von direkter humanitärer Hilfe für die Betroffenen vor Ort als auch durch ihren Einsatz für eine nachhaltige Lösung auf EU-Ebene.

      Liste der unterzeichnenden Organisationen:
      Amadeu Antonio Stiftung, Amnesty International Deutschland e.V., Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), Ärzte ohne Grenzen e.V., AWO Bundesverband, Brot für die Welt (e.V.), Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Der Paritätische Gesamtverband, Deutsche Jugend in Europa Bundesverband e.V., Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Diakonie Deutschland, ECPAT Deutschland e.V., Equal Rights Beyond Borders, International Rescue Committee, Jesuitenflüchtlingsdienst, Jugendliche ohne Grenzen, JUMEN - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland e.V., National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN – Kinderrechtskonvention, OUTLAW.die Stiftung, Plan International, PRO ASYL, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Save the Children Deutschland e.V., Seebrücke - Schafft Sichere Häfen!, SOLWODI Deutschland e.V., SOS-Kinderdorf e.V., terre des hommes Deutschland e.V., World Vision Deutschland e.V.


      (1) Save the Children calls for immediate support to children and families stranded at the EU border with Belarus, Save the Children International, 09.11.21, https://www.savethechildren.net/news/savechildren-calls-immediate-support-children-and-families-stranded-eu-border-belarus; vgl. Flüchtlinge an der polnischen Grenze, Morgenmagazin ARD, 11.11.21, https://www.daserste.de/information/politikweltgeschehen/morgenmagazin/politik/Fluechtlinge-polnische-Grenze-102.html.
      (2) Vgl. Cedric Rehmann, Flüchtlinge an der Grenze zwischen Polen und Belarus sitzen in der Falle, Badische Zeitung, 11.11.21, https://www.badische-zeitung.de/fluechtlinge-an-der-grenze-zwischenpolen-und-belarus-sitzen-in-der-falle--206351754.html?mode=in.
      (3) Vgl. Daria Sito-Sucic, Afghan migrants in Bosnia still hope to reach EU despite violent pushbacks, Reuters, 14.10.21, https://www.reuters.com/world/europe/afghan-migrants-bosnia-still-hope-reach-eudespite-violent-pushbacks-2021-10-14/; AP PHOTOS: Children brave the cold in makeshift Bosnian camp, ABC News, 16.10.21, https://abcnews.go.com/International/wireStory/ap-photos-childrenbrave-cold-makeshift-bosnian-camp-80617054; siehe auch UNICEF Bosnia and Herzegovina,
      Humanitarian Situation Report (Migration), 21.05.21, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNICEF%20Bosnia%20and%20Herzegovina%20Humanitarian%20Situation%20Report%20%28Migration%29%20-%2021%20May%202021.pdf.
      (4) Poland/Belarus: Amnesty International reconstructs suspected illegal pushback of a group of 32 Afghans in August, Amnesty International, 30.09.21, https://www.amnesty.org/en/latest/research/2021/09/poland-belarus-border-crisis/.
      (5) Vgl. Bosnisch-kroatische Grenze: Maskierte prügeln Migranten aus der EU, Tagesschau.de, 06.10.21, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/pushbacks-gewalt-bosnien-kroatien-101.html; Reports about push backs and violence against children at the Western Balkans borders: July - September 2019, Save the Children,11.12.19, https://nwb.savethechildren.net/news/reports-aboutpush-backs-and-violence-against-children-western-balkans-borders-july-september; Danish Refugee Council, Border Monitoring Factsheet, Sept. 2021, https://prod.drc.ngo/media/goyfsmfv/2021_09_drcbih_border-monitoring-factsheet.pdf
      (6) Danish Refugee Council, Border Monitoring Factsheet, Sept. 2021, https://prod.drc.ngo/media/goyfsmfv/2021_09_drc-bih_border-monitoring-factsheet.pdf; Reports about push backs and violence against children at the Western Balkans borders: July - September 2019, Save the Children,11.12.2019, https://nwb.savethechildren.net/news/reports-about-push-backs-andviolence-against-children-western-balkans-borders-july-september.
      (7) Vgl. Frontex Scrutiny Working Group (Rapporteur: Tineke Strik), LIBE Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs, Report on the fact-finding investigation on Frontex concerning alleged fundamental rights violations, 14.07.2021, verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/cmsdata/238156/14072021%20Final%20Report%20FSWG_en.pdf

      Appell als PDF

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      Bürger- und MenschenrechteMigration & Asyl
      news-813Fri, 12 Nov 2021 12:28:03 +0100Für eine konsequente Anerkennung der besonderen Asylgründe für Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-eine-konsequente-anerkennung-der-besonderen-asylgruende-fuer-frauen-maedchen-und-lgbtiqa-personen-813Kampagnenstart 11.11.2021, Petition

      "Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt (einschließlich häuslicher Gewalt, sexueller Ausbeutung, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, Menschenhandel, diskriminierender Gesetze, Abweisung, Entzug der Kinder) treibt viele Frauen, Mädchen und LGBTIQA+-Personen dazu, aus ihren Ländern zu fliehen und in der Europäischen Union Asyl zu suchen.

      Diese Menschen sind während der gesamten Migrationsroute fast systematisch Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt: Sexuelle Gewalt durch Schleuser oder in Flüchtlingslagern, sexuelle Ausbeutung oder Zwangsarbeit und Gefangenschaft in Schlepperbanden in Transitländern, auch in europäischen Ländern, Bedrohung, Trauma und Gefahr für ihre Kinder.

      Wenn sie in der Europäischen Union ankommen, werden sie mit unangemessenen Asylverfahren und einer unwürdigen Aufnahme konfrontiert. Die Asylverfahren ermöglichen keine Identifizierung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt oder Opfern des Menschenhandels, die Unterbringungsstrukturen sind unzureichend und es fehlt an Unterstützungsmaßnahmen. Ihre spezifischen Asylgründe werden oft nicht anerkannt, trotz der in mehreren EU-Richtlinien formulierten Grundsätze und der Festlegungen der Istanbul-Konvention, die geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen als eine Form der Verfolgung anerkennen, die sie zu internationalem Schutz berechtigen."

      Der RAV unterstützt diese Kampagne.

      Alle weiteren Informationen finden sich auf der Webseite von https://feministasylum.org/?lang=de

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      FeminismusMigration & Asyl
      news-812Fri, 05 Nov 2021 11:13:40 +0100Demonstration vor der Botschaft der Türkischen Republik am 16.11.2021/publikationen/mitteilungen/mitteilung/demonstration-vor-der-botschaft-der-tuerkischen-republik-am-16112021-812Aufruf zur Teilnahme. Solidarität und Unterstützung mit den inhaftierten Kolleginnen und Kollegen in der TürkeiDie freie und unabhängige Vertretung der rechtlichen Interessen der Mandantinnen und Mandanten ist ein Grundpfeiler anwaltlicher und rechtsstaatlicher Prinzipien. Der Staat hat hierbei sicherzustellen, dass Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikane oder unstatthafte Beeinflussung wahrnehmen und ihre Mandantinnen und Mandanten frei beraten können und keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen zu erleiden haben oder damit bedroht werden.
       
      Seit fünf Jahren befinden sich in der Türkei Selçuk Kozağaçlı, Träger des Hans-Litten-Preises, Barkın Timtik, Trägerin des Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreises 2020, sowie weitere Kolleginnen und Kollegen im sog. CHD-Verfahren in Haft, weil sie als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihre Aufgaben wahrnehmen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben.
       
      Gemeinsam mit der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. folgt die Rechtsanwaltskammer Berlin dem Aufruf der Fédération des Barreaux d`Europe (FBE) und ruft Sie dazu auf, Ihre Solidarität und Unterstützung mit den inhaftierten türkischen Kolleginnen und Kollegen zu zeigen und
       
      am 16.11.2021 um 11.00 Uhr vor der Botschaft der Türkischen Republik, Tiergartenstraße 19-21 in 10785 Berlin,
       
      in Ihren Roben für eine sofortige Freilassung der Kolleginnen und Kollegen zu demonstrieren.

      (Aufruf der RAK-Berlin)

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      RESOLUTION

      zur sofortigen Freilassung der inhaftierten türkischen Anwälte.

      Aufruf an die Anwälte Europas, am 16. November 2021 um 11 Uhr in ihren Roben zu demonstrieren.

      Die Generalversammlung der FBE (Fédération des Barreaux d'Europe), die am 28. September 2021 in Paris tagte, drückt ihre volle Unterstützung für die Anwält*innen in der Türkei aus, die inhaftiert sind, vor Gericht stehen oder zu Haftstrafen verurteilt wurden. Nach dem fünftägigen Informationsbesuch von rund 30 Anwält*innen aus acht europäischen Ländern vom 15. bis 20. September 2021 ist die Generalversammlung der Ansicht, dass die Anwaltschaft selbst vor Gericht steht.

      Am 15. September im Prozess gegen die Anwaltsorganisation Çağdaş Hukukçular Derneği (ÇHD), befanden sich unter den 148 Anwält*innen der Verteidigung zehn Präsidenten regionaler Anwaltskammern. Nach Ansicht der Vorsitzenden der Anwaltskammern wird durch die Aufrechterhaltung der Anschuldigungen gegen die Angeklagten der Anwaltsberuf selbst vor Gericht gestellt. Die zehn Anwaltspräsidenten forderten das Gericht auf, ein faires Verfahren zu gewährleisten und die Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

      Wir fordern die sofortige Freilassung aller Anwält*inne, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie ihre Pflichten und Aufgaben als Anwält*innen wahrnehmen und/oder ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben. Wir werden weiterhin auf die Einhaltung der grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit bestehen, einschließlich des Rechts auf ein faires Verfahren.

      Wir schließen uns dem von der Conférence des Bâtonniers de France et d'Outre-Mer am 24. September 2021 angenommenen Antrag an und rufen die Anwält*innen Europas auf, am 16. November 2021 um 11 Uhr, dem Tag vor dem Prozess, in ihren Roben vor den türkischen Botschaften und Konsulaten zu demonstrieren, um ihre Solidarität und ihre uneingeschränkte Unterstützung für ihre türkischen Kolleg*innen zu zeigen.

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      RESOLUTION

      on the immediate release of turkish lawyers incarcerated – call on the lawyers of Europe to demonstrate in their robes on 16 November 2021 at 11 a.m.

      The General Assembly of the FBE, meeting in Paris on 28th September 2021 expresses its full support for lawyers in Turkey who are detained, on trial or sentenced to prison. Following the 5 day fact finding visit of around 30 lawyers from 8 European countries from 15 to 20 September 2021, the General Assembly believes that the legal profession itself is on trial.

      On 15 September in the trial of the lawyers’ organisation: Çağdaş Hukukçular Derneği (ÇHD), there were 10 presidents of regional bar associations among the defence team of 148 lawyers . According to the bar presidents, by maintaining the allegations against the defendants, the legal profession itself is put on trial. The 10 bar presidents called upon the court to ensure a fair trial and to release the defendants from pretrial detention.

      We demand the immediate release of all lawyers incarcerated merely because they are performing their duties and functions as lawyers and/or exercising their rights to freedom of expression. We will continue to insist on upholding the fundamental principles of the rule of law, including the right to a fair trial.

      Joining the motion adopted by the Conférence des Bâtonniers de France et d’Outre-Mer the 24th September 2021, we call on the lawyers of Europeto demonstrate in their robes on 16 November 2021 at 11 a.m., the day before the trial, in front of Turkish embassies and consulates to show their solidarity and their total support for their Turkish colleagues.

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      Menschenrechte/Türkei
      news-811Fri, 22 Oct 2021 13:18:28 +020050 Jahre später – Droht eine Rückkehr der ›Berufsverbote‹?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/40-jahre-spaeter-droht-eine-rueckkehr-der-berufsverbote-811Online-Veranstaltung des RAV am 11. November 2021 um 17.00 UhrKnapp 50 Jahre sind vergangen, seit ›Berufsverbote‹ gegen Mitglieder linker Gruppen und Parteien verhängt wurden. Bundeskanzler Willy Brandt und die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich 1972 auf den sogenannten Radikalenbeschluss. Durch diesen sollten politische ›Extremisten‹ aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden. Die Erkenntnisse wurden durch Regelanfragen beim Verfassungsschutz gewonnen. Zwar richtete der Beschluss sich gegen ›Extremisten‹ von links und rechts gleichermaßen, tatsächlich waren jedoch weit überwiegend angehende Lehrer*innen betroffen, die der DKP und den ›K-Gruppen‹ angehörten. Nach breiten politischen Debatten, in denen Kritiker*innen vor Gesinnungsschnüffelei und Überwachungsstaat warnten, wurde die Praxis von Regelanfragen und Ausschluss von Bewerber*innen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu nicht verbotenen Parteien und Organisation in den 1980er Jahren wieder beendet. 1991 schaffte Bayern als letztes Land die Regelanfragen wieder ab.

      Seit dem Bekanntwerden rechter Strukturen im öffentlichen Dienst, rassistischen Chatgruppen und NSU 2.0 wird die Wiedereinführung der Regelanfrage beim Verfassungsschutz zur Überprüfung der Verfassungstreue der Bewerber*innen nun wieder diskutiert. Bayern hat schon 2016 die Regelanfrage für den Justizdienst wieder eingeführt, in Hamburg ist die Regelanfrage für den Polizeidienst seit 2020 möglich, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben Expertisen zur Zulässigkeit der Wiedereinführung erstellen lassen.

      Wir möchten in einer Veranstaltung die Wiedereinführung der Regelanfragen beim Verfassungsschutz politisch und rechtlich diskutieren. Dazu wird Alexandra Jaeger eine politisch-historische Einordnung der Regelanfragen vornehmen. Sebastian Baunack wird die rechtliche Zulässigkeit der Wiedereinführung der Regelanfrage darstellen und Grenzen aufzeigen. Gabriele Heinecke wird die Diskussion leiten und über ihre Erfahrungen mit Hamburger ›Berufsverbotsverfahren‹ der 1970er Jahre berichten.

      Wir freuen uns über eine rege Teilnahme an der Online-Veranstaltung am
      11. November 2021 von 17.00 bis 18.30 Uhr
      und bitten um
      Anmeldung bis zum 4. November 2021 an kontakt@rav.de.   
      Die angemeldeten Teilnehmer*innen erhalten den Zugangslink sodann zugesandt.

      *****
      Dr. Alexandra Jaeger ist Historikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Sie hat ihre Dissertation über die Umsetzung des Radikalenbeschlusses in Hamburg verfasst und bearbeitet ein Projekt zur historischen Aufarbeitung des Radikalenbeschlusses in Hamburg auf Grundlage eines Beschlusses der Hamburgischen Bürgerschaft.

      Gabriele Heinecke ist Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg und Mitglied im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e.V. (RAV).

      Sebastian Baunack ist Fachanwalt für Verwaltungs- und Arbeitsrecht in Berlin. Er ist auf das öffentliche Dienstrecht und das Beamtendisziplinarrecht spezialisiert.

      PDF

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      Veranstaltungen
      news-810Wed, 22 Sep 2021 10:56:38 +0200Lawyers for Future (L4F) am 24.9.21: Climate Justice Now!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mit-lawyers-for-future-l4f-am-24921-zum-bundesweiten-protesten-810Aufruf zur Teilnahme an bundesweiten ProtestaktionenZum globalen Klimastreik am 24.9.2021 rufen neben dem breiten zivilgesellschaftlichen Bündis um Fridays For Future auch die Lawyers for Future (L4F) dazu auf, sich an den bundesweiten Protestaktionen zu beteiligen. L4F stehen hinter den Forderungen von Fridays for Future.

      Treffpunkte der Juristinnen und Juristen:

      Der RAV wird sicherlich erkennbar in Berlin dabei sein und ruft die Mitglieder dazu auf, sich auch an anderen Orten zu beteiligen. Es sind mittlerweile ca. 445 Demonstrationen in Deutschland angemeldet - alle Infos dazu finden sich auf der Seite des Globalen Klimastreiks.

      #AlleFürsKlima, mit Abstand und Maske!

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      news-809Wed, 15 Sep 2021 11:40:00 +0200Keine Ausweitung der Befugnisse für das kommerzielle Sicherheitsgewerbe!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ausweitung-der-befugnisse-fuer-das-kommerzielle-sicherheitsgewerbe-809Pressemitteilung 8/21 vom 15.9.2021. Forderung von Flüchtlingsgruppen, Streetwork-, Bürgerrechts- und Anwält*innenorganisationenDer Koalitionsvertrag der jetzigen Großen Koalition sah eine »Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe in einem eigenständigen Gesetz« vor. Im Juli 2020 wechselte dafür die Zuständigkeit vom Bundeswirtschafts- in das Bundesinnenministerium. Laut Bundesregierung stoppte die SARS-CoV-2-Pandemie die Planungen.

      Wir befürchten eine Neuauflage dieses Vorhabens, zumal ein Papier des Bundesverbands der Deutschen Sicherheitswirtschaft vom Frühjahr 2021 auch von einer neuen Regierung hoheitliche Rechte für sich und Beschränkungen des Streikrechts fordert.(1)

      Bündnis verschickt ›Wahlprüfsteine‹ an Bundestagsmitglieder und -kandidat*innen

      Das Bündnis aus rund 30 bundes- und landesweit sowie international tätigen Organisationen möchte in vier Fragekomplexen Antworten von den Abgeordneten und Kandidat*innen zu den Forderungen des profitorientierten Sicherheitsgewerbes.

      »Für den Bereich der Geflüchteten-Unterbringung befürchten wir eine weitere Verschärfung der Situation«, so Walter Schlecht von ›Aktion Bleiberecht‹, Freiburg/Brsg. »Dort setzten Sicherheitsdienste grundrechtsverletzende ›Hausordnungen‹ mit fraglichen Befugnissen durch. Asylsuchende sind in diesen rechtsfreien Räumen dem Handeln der Wachdienste weitestgehend ausgeliefert«. Katharina Grote vom ›Bayrischen Flüchtlingsrat‹ ergänzt: »Der massive Einsatz von Sicherheitsdienstleistern ist allein der Unterbringungsform geschuldet. Würden geflüchtete Menschen in Wohnungen untergebracht, wäre der Einsatz von Securities hinfällig. Die politische Entscheidung, Menschen in Massenlagern zu kasernieren, ist gleichzeitig ohne den Einsatz von Sicherheitsdiensten nicht umsetzbar und führt zu den gegenwärtigen unhaltbaren Zuständen mit täglichen Grundrechtsverletzungen«.

      Doch nicht nur in Lagern sind die rund 260.000 Wach- und Sicherheitsbeschäftigten tätig. »Besonders bedenklich ist, dass das kommerzielle Sicherheitsgewerbe hoheitliche Rechte fordert, also Rechte, die nach dem Grundgesetz regelhaft nur Staatsbediensteten zustehen«, so Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV. »Öffentliche Sicherheit ist eine öffentliche Aufgabe und kein Selbstbedienungsladen für profitorientierte Unternehmen. Dann auch noch das Streikrecht einschränken zu wollen, das ist schon ein einmaliger Vorgang«.

      Auffällig ist, dass insbesondere vulnerable Gruppen wie Jugendliche, Wohnungslose, Bettelnde – und immer wieder Migrant*innen – Opfer dieser Dienste werden. »Das gilt in den Lagern und auf der Straße«, so Andreas Abel von der Straßensozialarbeit-Organisation ›Gangway‹. »Wir sehen und hören leider immer wieder von Übergriffen kommerzieller Sicherheitsdienste gegen die von uns betreuten Menschen. Wenn ausgerechnet die nun auch noch das Recht zur Personalien-Kontrolle und zur Erteilung von Platzverweisen bekommen sollen – und das bei deren niedrigen Qualifikationsniveaus –, dann vernachlässigt der Staat seine Fürsorgepflicht endgültig«.

      Rechtsanwältin Angela Furmaniak, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV und aktiv im bundesweiten Anwält*innen-Netzwerk ›AG Fananwälte‹, weist zudem darauf hin, dass »an jedem Wochenende für rund eine Million Fußballfans Bürger- und Menschenrechte buchstäblich auf dem Spiel stehen. Dass die Kontrollaufgaben in Stadien zum Teil Neonazis und ungeschultem Personal, die zudem die Großen der Sicherheitsbranche an Subunternehmen weiterreichen, übertragen werden, kann – vorsichtig formuliert – nur sehr besorgt machen. Hier nehmen weder Stadionbetreiber, noch Vereine, noch das Sicherheitsgewerbe selbst und auch nicht der Staat ihre Verantwortlichkeiten hinreichend wahr«.

      Die Fragen im Wortlaut, das Hintergrundpapier und bereits hier unten alle zeichnenden Organisationen finden sich hier.

      Kontakt: wahlpruefsteine_2021@rav.de
      Tel.: 030.41 72 35 55
      Hashtag: #noSDLG_E

      AG Fan-Anwälte | Aktion Bleiberecht Freiburg/Brsg. | Berliner Obdachlosenhilfe e.V. | Bündnis für Straßenkinder in Deutschland e.V. | Bürgerrechte & Polizei/CILIP | Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte | Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit | Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen NRW | DFG-VK Essen | Die Landesflüchtlingsräte (aus allen Bundesländern) | Gangway – Straßensozialarbeit in Berlin e.V. | Handicap International e.V. | Hannover Solidarisch | Humanistische Union e.V. | Komitee für Grundrechte und Demokratie | Lager-Watch Netzwerk | Lager-Watch Thüringen | No Lager Osnabrück | Pro Asyl e.V. | Solinet Hannover | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | Wohnungslosen-Stiftung
      [Stand: 14.09.2021]

      (1)Vgl. https://www.bdsw.de/images/broschueren/Deutschland_sicherer_machen_-_Eckpunktepapier_BDSW_-_2021.pdf

      Die Pressemitteilung als PDF

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      PressemitteilungSicherheitsgewerbe
      news-808Tue, 14 Sep 2021 12:50:55 +0200Proteste gegen die IAA. Anwaltlicher Notdienst kritisiert repressives Vorgehen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/proteste-gegen-die-iaa-anwaltlicher-notdienst-kritisiert-repressives-vorgehen-808Pressemitteilungen des AND in München vom 10. und 12.9.2021Hier dokumentieren wir zwei Pressemitteilungen des Anwaltlichen Notdienstes (AND), der während der IAA vom 7. bis 12.9.2021 in München im Einsatz war und zu deren Gruppe viele Mitglieder vom RAV kamen. Allen sei gedankt!

      PM vom 10.9.21 als PDF

      Pressemitteilung des Anwaltlichen Notdienstes zur IAA vom 10.09.2021

      Auftakt der Proteste gegen die IAA unter Polizeischikanen - anwaltlicher Notdienst kritisiert repressives Vorgehen

      Anlässlich der Protestaktionen der Klimabewegung gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA) in München organisieren Rechtsanwält*innen, unterstützt vom Republikanischen Anwaltsverein RAV e.V., einen anwaltlichen Notdienst (AND).

      Die Kolleg*innen vom AND sind bei Demonstrationen oder anderen Protestaktionen unmittelbar vor Ort, um Versammlungsteilnehmer*innen bei der Verwirklichung und Durchsetzung ihrer Grundrechte zu unterstützen und notwendigenfalls bei freiheitsentziehenden Maßnahmen zu vertreten.

      Nach dem Auftakt der Proteste ziehen die Jurist*innen eine Zwischenbilanz und attestieren der Polizei Versammlungsfeindlichkeit und ein repressives Vorgehen:
      Dazu zählen bspw. Personenkontrollen, Durchsuchungen und massenhafte Gewahrsamnahmen wegen Kleinigkeiten. Eine satirische Stadtführung etwa zu den Messeständen in der Innenstadt endete am Mittwochabend direkt in einem Polizeikessel. Sämtliche Personen wurden einer Personalienfeststellung unterzogen.
      Der Notdienst beobachtet insbesondere, dass die Polizei versucht, bereits bei geringsten Anlässen Aktivistinnen und Aktivisten während des weiteren Verlaufs der Messe mittels des sog. Unterbindungsgewahrsams nach dem Polizeiaufgabengesetz (PAG) wegzusperren. Z.B. wurden seitens der Polizei Anträge auf Ingewahrsamnahme wegen mitgeführter Sprühkreide oder Klettergurten gestellt.

      Nach den Autobahnblockaden am Dienstag wurden neun Personen für fünf Tage bis zum Ende der Messe in sog. Unterbindungsgewahrsam genommen. Dieser Gewahrsam wird in den regulären Justizvollzugsanstalten vollzogen. Unter den Corona-Schutzbestimmungen bedeutet dies Quarantäne für die Betroffenen - und somit faktisch Isolationshaft bis Sonntag.
      Das Amtsgericht München wies hingegen in neun weiteren Fällen die polizeilichen Gewahrsamsanträge ab - teils weil die Polizei das Versammlungsrecht missachtete, teils weil schlicht keine ausreichende Gefahrenprognose vorlag.
      "So wird mit dem Unterbindungsgewahrsam versucht, unliebsamen Protest und Gegenmeinung unmöglich zu machen", so RAin Antonella Giamattei. "Die Befürchtungen aus den großen Protesten gegen das PAG scheinen sich als wahr zu erweisen."

      Das Mobilitätswendecamp, das die Aktivist*innen auf der Theresienwiese nach wochenlangen Verhandlungen mit der Stadt durchsetzen konnten, wird seit seinem Aufbau von der Polizei in einen regelrechten Belangerungszustand versetzt. Rund um das Zeltlager patrouillieren Polizeibusse, immer wieder kommt es in unmittelbarer Nähe des Camps zu
      Personenkontrollen und Durchsuchungen.

      Wenn die für den Polizeieinsatz politisch Verantwortlichen weiterhin auf Einschüchterung und Kriminalisierung der Proteste setzen, werden sie ihrem grundgesetzlichen Auftrag, versammlungsfreundlich zu agieren, nicht gerecht und werden ein Bild von München zeichnen, das die Klimaproteste zu Gunsten einer Automesse repressiv beschränkt.

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      PM des AND vom 12.9.21 als PDF

      Pressemitteilung des Anwaltlichen Notdienstes zur IAA vom 12.09.2021

      Bilanz des Anwaltlichen Notdienstes zur IAA
      „Systematische Missachtung des Freiheitsgrundrechts durch die Polizei“


      Unsere Bilanz: Geringste Vorkommnisse wurden von der Polizei vorgeschoben, um stundenlange Freiheitsentziehungen durchzuführen. So wurden drei Personen - ohne richterliche Entscheidung - von Donnerstag morgens bis abends in Polizeigewahrsam festgehalten und widerrechtlich ihrer Freiheit entzogen. Ihnen wurde lediglich vorgeworfen, mit Sprühkreide eine Glasscheibe besprüht zu haben. Missliebige Meinungskundgabe auf einem kritischen Transparent wurde am Freitag mit der Beschlagnahme des Transparents und stundenlanger Festnahme von 2 Personen beantwortet.

      Bis Freitag Abend hatte die Polizei insgesamt 20 Anträge auf richterliche Anordnung des Gewahrsams nach PAG bis Messeende (Sonntag 18 Uhr) gestellt, davon zehn beim Amtsgericht Erding und zehn beim Amtsgericht München. Das Amtsgericht München lehnte sämtliche dieser Anträge auf Gewahrsamnahme ab. Lediglich bei einer weiteren Person wurde am Freitag Abend Gewahrsam bis Sonntag Abend angeordnet. Die anfänglichen zehn Anordnungen der Gewahrsamnahme des Amtsgerichts Erding wurden in der Beschwerdeinstanz vom Landgericht Landshut allesamt für rechtswidrig erklärt. Außerdem wurden vier Anträge auf Untersuchungshaft vom Amtsgericht München abgelehnt.

      Des Weiteren: Die Polizei missachtete das Versammlungsgrundrecht. Dies begann mit der unzulässigen Kontrolle der Personalien von VersammlungsteilnehmerInnen auf dem Weg zum Camp, setzte sich fort mit Gewaltanwendung gegen eine zwar nicht angemeldete, aber dennoch versammlungsrechtlich geschützte Versammlung am Freitag vormittag. Eine angemeldete Versammlung wurde durch Einsatzkräfte durchgehend einschließend begleitet, so dass die Aussagen der Versammlung nach außen nicht mehr sichtbar waren. Zudem wurde die Versammlung permanent rechtswidrig gefilmt. Polizeibeamte haben sich undercover in die Demonstration eingeschlichen und dafür sogar Overalls der Protestbewegung an sich gebracht.

      Aus nichtigen Anlässen kam es bei den angemeldeten Versammlungen am Freitag und Samstag zu Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätze ohne Rechtsgrundlage. Eine Versammlungsteilnehmerin, die versuchte, auf einen Baum zu klettern, wurde sogar aus 2 m Höhe zum Absturz gebracht. Die Polizeikräfte nahmen dabei schwerste Verletzungen in Kauf. Die vor Schmerzen schreiende Frau wurde verletzt weggeschleppt, obwohl sie ersichtlich behandlungsbedürftig war.
      Unser Fazit:
      Die Polizei versuchte, Protest zu verhindern und zu unterbinden und die Protestierenden einzuschüchtern. Während die Gerichte die meisten Freiheitsentziehungen für rechtswidrig erklärten, wurden diese von der CSU bejubelt. Deren Generalsekretär Blume feierte kraftmeierisch die Gewahrsamnahmen im Internet mit den Worten: „Brückenkletterer bleiben bis Messeende eingesperrt! So läuft´s in Bayern!<dazu angespannter Bizepsemoji>“.

      Wir sagen dazu: Die CSU hat offenbar nichts dazugelernt. Während anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels 1992 noch der damalige Ministerpräsident Streibl die Prügelorgie der Polizei als „Hinlangen nach bayerischer Art“ feierte, wird nun das rechtswidrige Wegsperren von Protestierenden als bayerische Stärke gefeiert.

      Das Recht auf Freiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte. Dies macht deutlich, wie wichtig es ist, der systematischen Missachtung der Freiheitsrechte durch die Polizei in Bayern etwas entgegen zu setzen und die Freiheitsrechte zu verteidigen. Hierzu haben wir einen Beitrag geleistet.

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      PolizeigewaltPressemitteilungPolizeigesetz
      news-807Fri, 10 Sep 2021 15:22:01 +0200Gefährdete Afghaninnen und Afghanen weiter aufnehmen – Bundes- und Landesaufnahmeprogramme sind nötig!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gefaehrdete-afghaninnen-und-afghanen-weiter-aufnehmen-bundes-und-landesaufnahmeprogramme-sind-noetig-807Gemeinsame Forderungen, 9.9.2021Vor zwei Wochen, am 26. August 2021, ist die deutsche Evakuierungsaktion aus Afghanistan nach der Machtergreifung der Taliban eingestellt worden. Viele gefährdete Menschen sitzen aber mit ihren Familien immer noch in Afghanistan fest: Mitarbeitende lokaler Partnerorganisationen und deutscher Organisationen, Frauenrechtsverteidiger*innen und Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen, bei Subunternehmen beschäftigte Ortskräfte und Regierungsangestellte, die für einen demokratischen Staat und eine unabhängige Justiz eingetreten sind. Zudem sind Angehörige von in Deutschland lebenden Afghan*innen und Deutschen in Gefahr, sie werden zum Teil bereits von den Taliban gesucht. Für sie sieht die Bundesregierung aktuell keine Aufnahme vor. In den vergangenen Wochen erreichten Tausende verzweifelte Hilferufe die unterzeichnenden Organisationen. Diesen Menschen muss schnellstmöglich eine Aufnahme ermöglicht werden!

      Das Ausfliegen gefährdeter Afghan*innen startete zu spät, um alle Gefährdeten zu retten. Darüber hinaus hat die Bundesregierung den Kreis für die Aufnahme in Frage kommender Menschen zu eng gefasst. Die Europäische Union, die Türkei und die Nachbarstaaten Afghanistans schließen ihre Grenzen.

      Angesichts des jahrelangen NATO-Einsatzes und des politischen sowie bürokratischen Versagens in den vergangenen Monaten steht Deutschland, wie andere Länder auch, in der Verantwortung, Bedrohte aufzunehmen. Hinzu kommt, dass Tausende Gefährdete Angehörige haben, die bereits in Deutschland leben. Es gibt eine starke afghanische Gemeinschaft und eine aktive Zivilgesellschaft in Deutschland, die den neu Ankommenden bei Ankunft und gesellschaftlicher Teilhabe unterstützend zur Seite stehen werden. Es gilt jetzt, Menschenleben zu retten!

      Wir fordern:

      1. Ad hoc-Maßnahmen: Sichere Ausreise und weitere Aufnahmezusagen für besonders
      gefährdete Afghan*innen


      Sichere Ausreise: Außenminister Heiko Maas hat die Aufnahme von rund 40.000 Ortskräften sowie von bis zu 10.000 besonders schutzbedürftigen Menschen zugesagt. Nun muss die Bundesregierung bei Verhandlungen und in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft alles dafür tun, damit gefährdete Menschen auch nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan in Sicherheit gelangen können, zum Beispiel durch zivile Flüge aus Afghanistan oder einem Nachbarstaat.

      Es müssen Vereinbarungen mit den Nachbarländern Afghanistans getroffen werden, die gefährdeten Personen eine Einreise in diese Länder und die Weiterreise nach Deutschland ermöglichen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die gefährdeten Menschen die Nachbarstaaten sicher erreichen können. Dazu gehört auch eine digitale Bestätigung der Bundesregierung über die Aufnahmezusage, die die Betroffenen bei Bedarf vorzeigen können.

      Um die Aufnahme nach Deutschland schnell zu ermöglichen, sollten Charterflüge organisiert sowie Visa-on-Arrival erteilt werden. Mit Blick auf das schlechte Krisenmanagement der vergangenen Wochen müssen feste Ansprechpartner*innen in den Behörden eingerichtet werden, die Informationen zu Aufnahmezusagen und Ausreisen gegenüber betroffenen Einzelpersonen und
      Organisationen transparent machen und für zivilgesellschaftliche Akteur*innen ansprechbar sind.

      Aufnahmezusagen für besonders gefährdete Personen: Die Listen des Auswärtigen Amtes mit besonders gefährdeten Personen müssen weitergeführt werden. Eine Aufnahme nach § 22 Satz 2 AufenthG muss auch Menschen offen stehen, die es bisher nicht geschafft haben, sich beim Auswärtigen Amt registrieren zu lassen. Es ist inakzeptabel, dass mit dem 26. August eine willkürliche Frist gesetzt wurde – ihre Gefährdung muss zählen, ein Ausschlussdatum verhindert dies. Im Weiteren muss es Aufnahmezusagen als Ortskräfte auch für gefährdete Personen geben, die über Subunternehmer für deutsche Einrichtungen und Organisationen tätig waren, und alle gefährdeten Familienmitglieder – nicht nur Ehepartner*innen und minderjährige Kinder – müssen umfasst sein.


      2. Weitere Aufnahme über ein Bundesaufnahmeprogramm

      Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen: Für gefährdete Personen, die nicht die aktuellen engen Kriterien der Bundesregierung erfüllen, aber z.B. aufgrund ihrer Tätigkeiten nicht mehr sicher in Afghanistan leben können, braucht es ein Bundesaufnahmeprogramm nach § 23 Abs. 2 AufenthG. Damit darf nicht bis nach der Bundestagswahl gewartet werden. Die Bundesländer sollten diesen Prozess unterstützen.

      Berücksichtigung beim Resettlement: Bislang werden afghanische Flüchtlinge, die zum Teil seit vielen Jahren unter prekären Bedingungen in den Nachbarländern Afghanistans leben, von Deutschland nicht für das UN-Resettlement-Programm berücksichtigt. In Anbetracht der Not in der Region müssen afghanische Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms von allen Aufnahmeländern berücksichtigt und die Aufnahmequoten stark erhöht werden.


      3. Angehörige von in Deutschland lebenden Menschen schützen

      Die Machtübernahme der Taliban gefährdet alle Menschen mit Verwandten, die im Westen leben.
      Laut Berichten von Menschen vor Ort wird zum Teil schon gezielt nach entsprechenden Familienmitgliedern gesucht. Entsprechend sind viele Menschen in Deutschland in großer Angst um ihre Angehörigen.

      Einen schnellen Familiennachzug: Alle deutschen Auslandsvertretungen müssen Visa für afghanische Staatsangehörige ausstellen (sogenannte Globalzuständigkeit). Visaverfahren zur Familienzusammenführung müssen nun priorisiert, zügig in Deutschland bearbeitet und unter
      Ausschöpfung aller Ermessenspielräume umgehend entschieden werden. Zusätzlich müssen die Kapazitäten der Auslandsvertretungen in der Region massiv ausgebaut werden. Bürokratie muss abgebaut und die Anforderungen an Dokumente müssen heruntergefahren werden. Von Erteilungsvoraussetzungen wie Sprachnachweisen ist angesichts der aktuellen Situation abzusehen. Angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan muss der Begriff der außergewöhnlichen Härtegroßzügig ausgelegt werden, um den Familiennachzug anderer Angehöriger, wie etwa erwachsener lediger Kinder, zu ermöglichen.

      Landesaufnahmeprogramme für Angehörige: Da viele Afghanin*innen trotz Angehöriger in Deutschland vom Familiennachzug ausgeschlossen sind, bedarf es – wie schon für Angehörige von syrischen Flüchtlingen – Landesaufnahmeprogramme nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Diese müssen auch den Nachzug von Angehörigen außerhalb der Kernfamilie ermöglichen. Fehler aus den bisherigen Programmen bezüglich unerfüllbarer Verpflichtungserklärungen dürfen sich nicht wiederholen.


      4. Schutz und Perspektive für Afghan*innen in Deutschland

      Zugleich ist es auch dringend notwendig, in Deutschland lebenden Afghan*innen eine sichere Perspektive zu bieten. Für viele bedeutet die Machtübernahme der Taliban, dass für sie eine Rückkehr nach Afghanistan auf absehbare Zeit ausgeschlossen ist. Dies muss sich auch in einer geänderten Anerkennungspraxis des BAMF niederschlagen. Zudem braucht es einen generellen Abschiebungsstopp und eine Bleiberechtsregelung.
       

      Unterzeichnende Organisationen (8. September 2021)

      Bundesebene
      Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
      Amnesty International
      AWO Bundesverband
      Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V.
      borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
      Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V.
      Der Paritätische Gesamtverband
      Deutscher Caritasverband
      Diakonie Deutschland
      Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
      Jugendliche ohne Grenzen
      JUMEN - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland e.V.
      KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
      Lesben- und Schwulenverband in Deutschland LSVD
      medica mondiale
      medico international e.V.Neue Richtervereinigung (NRV)
      Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte
      PRO ASYL e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Seebrücke
      SOLWODI Deutschland e.V.
      terre des hommes Deutschland e.V.
      YAAR e.V.

      Landesebene
      Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW
      AWO Landesverband Thüringen e.V.
      bee4change e.V. Hamburg
      Caritasverband für das Erzbistum Hamburg e.V.
      Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg
      Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e. V.
      Der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein
      Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.
      Diakonie Mitteldeutschland
      Diakonisches Werk Schleswig-Holstein
      Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
      fluchtpunkt Hamburg
      Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
      Flüchtlingsrat Bayern
      Flüchtlingsrat Berlin
      Flüchtlingsrat Brandenburg
      Flüchtlingsrat Bremen
      Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
      Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
      Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.Flüchtlingsrat NRW
      Flüchtlingsrat RLP e.V.
      Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
      Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
      Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
      Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V.
      Hessischer Flüchtlingsrat
      Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz
      Landesintegrationsrat NRW
      mAqom - Kirche und Zuflucht e. V.
      Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.

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      Migration & Asyl
      news-806Wed, 08 Sep 2021 10:04:50 +0200Zur Abschiebung des afghanischen Geflüchteten Jamil Ahmadi*/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-abschiebung-des-afghanischen-gefluechteten-jamil-ahmadi-806Offener Brief, 08.09.2021Der afghanische Staatsbürger und Geflüchtete Jamil Ahmadi (*Pseudonym, realer Name ist der Innenverwaltung bekannt) kam im Jahr 2015 nach Deutschland. Im April 2017 wurde Herr Ahmadi am S-Bahnhof Karlshorst in Berlin Opfer einer mutmaßlich rassistisch motivierten Gewalttat. Dies hatte erhebliche Folgen für sein Leben. Der Übergriff warf Herrn Ahmadi, der zu der Zeit einen Freiwilligendienst in einem Kreuzberger Kinderladen absolvierte, völlig aus der Bahn – ihm nahe stehende Personen berichten, dass er seitdem sowohl psychisch als auch physisch gesundheitlich stark beeinträchtigt sei (https://www.tagesspiegel.de/berlin/verpruegelt-und-abgeschobender-berliner-polizist-der-asylbewerber-und-eine-verhaengnisvollebegegnung/26824172.html).

      An dem Prozess gegen die drei Hauptverdächtigen, darunter ein Berliner Polizeibeamter, war Herr Ahmadi als Zeuge und Nebenkläger zunächst beteiligt. Der angeklagte Polizist, Stefan K., war bis 2016 Kontaktbeamter der sogenannten „Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus“, die die rechtsextremistische Anschlagsserie im Berliner Bezirk Neukölln aufklären sollte. Doch nach zwei Prozesstagen wurde Herr Ahmadi am 11. März 2020, mitten im laufenden Verfahren und mit Zustimmung des Berliner Innensenators Andreas Geisel, nach Afghanistan abgeschoben. Die Fortführung des pandemiebedingt unterbrochenen Prozesses steht noch aus.

      Wir halten die Abschiebung eines Opfers von Hasskriminalität prinzipiell für schändlich, erst recht, wenn der mutmaßliche Täter ein Polizist ist und das Verfahren noch läuft. Der Schutz des Opfers und die Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts in Deutschland sollten absolut im Vordergrund stehen. Für viele Betroffene ist die Aufarbeitung des ihnen zugefügten Schadens im Rahmen eines Strafverfahrens Teil der Bewältigung des erlittenen Unrechts. Appelle an Herrn Geisel, Herr Ahmadi zurückzuholen, blieben leider bisher ohne Erfolg. Dabei hat der rot-rot-grüne Senat 2017 eine Bleiberechtsregelung geschaffen, wonach Opfer mutmaßlich rechtsextremer Gewaltstraftaten nicht abgeschoben werden sollen.

      Herr Ahmadi klagt noch heute über Kopfschmerzen und andere körperliche Beschwerden infolge der Gewaltattacke, dazu kommen schwerwiegende psychische Folgen. Nach dem Übergriff hat er sich permanent verfolgt und bedroht und in der ihm zugewiesenen Unterkunft für wohnungslose Menschen nicht mehr sicher gefühlt. Er hatte massive Angst, von Polizisten getötet zu werden, weil er gegen den an der Tat beteiligten Polizeibeamten ausgesagt hat. Herr Ahmadi wurde obdachlos und fiel durch aggressives Verhalten auf. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingestellt, weil er laut psychologischen Sachverständigen nicht schuldfähig ist. Anstatt einer Abschiebung hätte er dringend eine psychotherapeutische Behandlung gebraucht.

      Jamil Ahmadi geht es in Afghanistan aktuell sehr schlecht. Nach Angaben von Personen, die mit ihm in Kontakt stehen, leidet er unter den schweren psychischen und körperlichen Folgen des Angriffs, die nie behandelt wurden, hat chronische Schmerzen und ist dabei zu erblinden. Das Blossom Health Care Center in Afghanistan hat ihm im Januar 2021 eine schwere depressive Erkrankung bescheinigt, die dringend einer medizinischen Behandlung bedürfe, die in Afghanistan jedoch nicht möglich sei. Aufgrund seiner Erkrankung ist er ohne Aussicht auf eine Beschäftigung, die ihm ein menschenwürdiges Existenzminimum ermöglichen würde. Herr Ahmadi wünscht sich eine gesundheitliche Versorgung und psychotherapeutische Behandlung in Deutschland.

      Seit der Machtübernahme der Taliban ist das Leben von Herrn Ahmadi in Afghanistan in großer Gefahr. Enge Familienangehörige von ihm, mit denen er zusammenlebt, haben für die afghanische Regierung bzw. für die britische Botschaft gearbeitet. Herr Ahmadi hatte selbst Kontakt zu internationalen Organisationen wie „Afghanistan Migrants Advice and Support Organization“ (AMASO), die mit der deutschen Organisation medico international zusammenarbeiten. Zudem ist Herr Ahmadi vor Ort als Rückkehrer bekannt, da über seinen Fall auch in Afghanistan berichtet wurde. Rückkehrern wird aber von ihren Landsleuten häufig „Verrat“, „Verwestlichung“, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen. Dadurch drohe ihnen weitere Gefahren für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung.

      Herr Ahmadi war vor der Gewalttat ein geschätzter Kollege in einem Kinderladen in Berlin-Kreuzberg, in dem er im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes arbeitete und wo er einen großen Freundes- und Bekanntenkreis gewann. Bei einer entsprechenden Behandlung und mit einem sicheren Aufenthaltsstatus bestünden für Herrn Ahmadi gute Chancen, sich zu integrieren.
      Wir fordern den Berliner Innensenator Andreas Geisel deshalb auf,

      • die Rückholung von Herrn Ahmadi zu veranlassen,
      • ihm einen sicheren Aufenthaltsstatus zu erteilen
      • und die persönliche Anwesenheit des Betroffenen an dem Prozess gegen die Hauptverdächtigen des rassistischen Angriffs zu ermöglichen.
       

      Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE
      Benedikt Lux, MdA Bündnis 90/Die Grünen
      Niklas Schrader, MdA DIE LINKE
      Timo Schramm, Kandidat für das Abgeordnetenhaus, SPD
      Katina Schubert, MdA DIE LINKE
      Hakan Taş, MdA DIE LINKE
      Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

      Offener Brief als PDF

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-804Tue, 07 Sep 2021 13:06:01 +0200AnkER-Zentren: Kein Ort für Kinder – kein Ort für Niemanden!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anker-zentren-kein-ort-fuer-kinder-kein-ort-fuer-niemanden-804Aufruf von terre des hommes, Pro Asyl, Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne GrenzenAufnahmeeinrichtungen und AnkER-Zentren sind kein Ort für Kinder und kein Ort für Erwachsene. Die neue Bundesregierung muss den Aufenthalt für geflüchtete Kinder, Familien und Erwachsene auf maximal vier Wochen begrenzen. AnkER- und funktionsgleiche Einrichtungen sind Orte der Perspektivlosigkeit und der Angst – sie gehören abgeschafft. Statt Isolation und Entrechtung brauchen wir faire Asylverfahren und gleiche Rechte für alle Kinder, die in Deutschland leben.

      Rechte von Kindern werden verletzt

      Während ihres Asylverfahrens müssen Asylsuchende mittlerweile regelmäßig bis zu 18 Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen, wie AnkER-Zentren und ähnlichen Einrichtungen, bleiben. Familien müssen bis zu sechs Monate dort leben. In diesen großen und oft abgelegenen Einrichtungen sind sie vom Rest der Gesellschaft isoliert und unterliegen Restriktionen wie Arbeitsverboten und Residenzpflicht. Kinder können meist weder die Regelschule noch reguläre Kitas besuchen und haben innerhalb der Einrichtungen kaum Platz zum Spielen und Lernen. Gleichzeitig erleben sie strukturelle Gewalt in ihrem direkten Wohnumfeld und müssen Abschiebungen und Polizeieinsätze miterleben. Was gegessen wird, bestimmt der Speiseplan in der Kantine. Selbstbestimmung? Fehlanzeige.

      Unterstützung von außen wird verhindert

      Weil die Einrichtungen oft abgelegen sind und der Zugang restriktiv gehandhabt wird, ist es für unabhängige Organisationen nahezu unmöglich, die Asylsuchenden zu unterstützen. Damit wird die Art der Unterbringung auch entscheidend für die Fairness des Asylverfahrens insgesamt. Teil des AnkER-Konzeptes ist eine verkürzte Zeit zwischen Ankunft und der Anhörung im Asylverfahren. Damit Menschen über erlittene Verfolgung, Gewalt und Demütigungen sprechen können, braucht es jedoch Zeit, Vertrauensaufbau und unabhängige Beratung vor der Anhörung. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, werden entscheidende Erlebnisse, z.B. sexualisierte Gewalt oder spezielle Fluchtgründe von Kindern, aus Scham oder Unkenntnis verschwiegen und Asylanträge werden trotz Gefahren im Herkunftsland abgelehnt.

      Der Versuch der Bundesregierung, Ankunft und schnelle Abschiebungen räumlich in den AnkER-Zentren miteinander zu verbinden, steht in Widerspruch zu den tatsächlichen Schutzansprüchen der Asylsuchenden. Über der Hälfte der Antragsteller*innen wurde im Asylverfahren ein Schutzstatus zugesprochen. Auch viele zunächst abgelehnte Schutzsuchende bleiben langfristig in Deutschland, da Gerichte falsche Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge korrigieren oder humanitäre und familiäre Gründe gegen eine Abschiebung vorliegen.

      Wir fordern:

      Die Kampagne kann unterstützt werden. Alle Informationen finden sich unter https://keinortfuerkinder.de/

      Unterstützende Organisationen

      Bundesweite Organisationen und Initiativen: AG Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein | borderline-europe Menschenrechte ohne Grenzen e.V. | Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge | Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer | Deutsches Kinderhilfswerk | Grips-Theater | Jugendliche ohne Grenzen | Jumen | KICKFAIR e.V. | KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. | Lesben- und Schwulenverband LSVD | Neue Richtervereinigung (NRV) | Pro Asyl | Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein | Seebrücke – Schafft Sichere Häfen | SOLWODI Deutschland e.V. | terre des hommes | Women in Exil

      Lokale und landesweite Organisationen und Initiativen: AK Asyl Friedrichsdorf e.V. | AK ASYL TRIBSEES | AG Migration und Vielfalt der SPD Brandenburg | Aktiv für Flüchtlinge RLP | Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW | Arbeitskreis Asyl Mettingen | Asylbegleitung-Mittelhessen e.V. | Bayrischer Flüchtlingsrat | Bürgerbündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ | Caritas Nürnberger Land | Christlicher Verein Zur Förderung Sozialer Initiativen In Kiel | Cölber Arbeitskreis Flüchtlinge | Der Paritätische Hessen | Der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein | Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf | Diakonisches Werk Trier und Simmern-Trarbach | djo-Deutsche Jugend in Europa LV NRW e.V. | Ev. Schüler*- und Schülerinnen*arbeit im Rheinland e.V. (ESR) | Ev.-luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg | exchange Salzwedel | Flüchtlingsbeauftragte des Ev.Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg | Flüchtlingshilfe Lippe e.V.| Flüchtlingshilfe Mittelhessen e.V. | Flüchtlingshilfs-Vereins EFIE e.V. Erlangen | Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Flüchtlingsrat Brandenburg | Flüchtlingsrat Bremen | Flüchtlingsrat Düsseldorf e.V. | Flüchtlingsrat Hamburg | Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. | Flüchtlingsrat NRW e.V. | Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz e.V. | Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. | Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. | Flüchtlingsrat Thüringen e.V. | Forum Asyl mit St. Christophorus | FreiZeit für junge Geflüchtete | Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. | Gesellschaftspolitische Projekte e.V. | Hessischer Flüchtlingsrat | Humanistische Union – Beratung für Frauen, Familien u. Jugendliche e.V. | IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle e.V.  | Initiative „200 nach Marburg“ | Interkulturelles Begegnungszentrum Kerner, Marburg | Janusz Korczak Humanitäre Flüchtlingshilfe e.V. | kinder- und kulturkreis oberhausen e.v. | Kindercafé Kiel e.V. | KommMit e.V/BBZ- Beratung und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant*innen | Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB) | KooperationsAnstiftung e. V. | Landesjugendring NRW | lifeline Vormundschaftsverein im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. | Lübecker Flüchtlingsforum e.V. | Medibüro Kiel | MediNetz Bielefeld | Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V.  | Münchner Flüchtlingsrat | NesTTrier | Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V. | NRD Orbishöhe GmbH | pax christi Rhein-Main/Regionalverband Limburg-Mainz | Potsdam-Konvoi | ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e.V. | Refugee Law Clinic Cologne | Saarländischer Flüchtlingsrat e.V. | Sächsische Flüchtlingsrat e.V.  | Schutzhütte / Tafel Schwedt | Seebrücke Mainz | Seebrücke Marburg | Seebrücke Potsdam | Solidarity without Borders Oldenburg | SOS Rassismus Barnim | Sprungbrett Zulunft Berlin e.V. | UMFdenken – jetzt | we integrate e.V. | WillkommensKulturHaus der Gemeinde Ottensen | Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen (ZBBS) e.V.

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      FlüchtlingsheimMigration & Asyl
      news-805Sun, 05 Sep 2021 15:52:00 +0200Isolation beenden – das Ankommen fördern – faire Asylverfahren sicherstellen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/isolation-beenden-das-ankommen-foerdern-faire-asylverfahren-sicherstellen-805Kungebung: 5.9.21 vor dem Ankunftszentrum Hamburg-Rahlstedt und jeden weiteren 1. Sonntag im Monat65 Verbände und Organisationen, u.a. der Flüchtlingsrat Hamburg, Diakonie Deutschland, Deutscher Caritasverband, Paritätischer Gesamtverband, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern gemeinsam die Schließung von AnkER-Zentren und Einrichtungen mit ähnlicher Konzeption für die Aufnahme von in Deutschland ankommenden Geflüchteten. Deren Schließung ist sofort geboten, weil der Aufenthalt dort die Menschen zermürbt und entrechtet werden. Das erklärte Ziel, die Aylverfahren zu verkürzen, wird nicht erreicht. Asylverfahren in diesen Einrichtungen dauern genau so lange wie in allen anderen Erstaufnahmeeinrichtungen, denn große Lager beschleunigen keine Asylverfahren. Das können nur hinreichend viele und gut qualifizierte Mitarbeiter*innen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

      Im Ankunftszentrum Rahlstedt werden Familien mit Kindern und Alleinstehende z.Zt. bis zu sechs Monate festgesetzt, Alleinstehende in Einrichtungen einiger anderer Bundesländer sogar bis zu zwei Jahre. Dort müssen sich, wie auch in einigen anderen Bundesländern, bis zu über 1000 Geflüchtete auf engstem Raum Mehrbettzimmer, sanitäre Anlagen und Gemeinschaftsräume teilen. Das Hamburger Ankunftszentrum ZEA 2 im Bargkoppelstieg kann mit bis zu 1140 Personen belegt werden! Die Menschen dort haben keine Privatsphäre und sind einer ständigen Kontrolle und Überwachung durch Sicherheitsdienste und Polizei ausgesetzt. Kinder werden meist nur rudimentär direkt in den Lagern beschult, statt die umliegenden Regelschulen zu besuchen. Eine adäquate Kinderbetreuung für die jüngeren Kinder gibt es nicht. Kantinenessen, striktes Sachleistungsprinzip und Residenzpflicht schränken die Selbstbestimmung und die Bewegungsfreiheit der Menschen massiv ein.
      Zudem finden regelmäßig nächtliche Abschiebungen mit einem Großaufgebot der Polizei statt. Geflüchtete, die zum größten Teil eine lange und schwere Flucht hinter sich haben, leben in ständiger Angst und werden der Gefahr einer Retraumatisierung ausgesetzt. Das betrifft in besonderem Maße vulnerable Geflüchtete, die trotz der in der EU-Aufnahmerichtlinie vorgeschriebenen Verpflichtung gar nicht erst identifiziert werden, geschweige denn eine adäquate Versorgung erhalten. Ehrenamtliche Unterstützer- und Berater*innen, Freund*innen und Angehörige haben nur sehr erschwert oder gar keinen Zugang. Geflüchtete werden, wie im Ankunftszentrum Rahlstedt, oftmals ohne hinreichende unabhängige Rechtsberatung innerhalb kurzer Zeit durch die ersten Schritte des Asylverfahrens bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag gepeitscht. Faire Asylverfahren sind unter solchen Umständen nicht möglich! Alle Probleme, die große Lager wie die AnkER-Zentren und Einrichtungen mit ähnlicher Konzeption mit sich bringen, werden zudem durch die Corona-Pandemie wie unter einem Brennglas noch weiter verschärft.

      Wir akzeptieren keine Politik, die Geflüchteten weniger Rechte zugesteht!
      Wir gehen nach Rahlstedt, um ihnen unsere Solidarität zu zeigen und die Isolation zu durchbrechen.

      Kommt alle und bitte tragt bei der Kundgebung Masken und beachtet die geltenden Abstandsregeln
      Flüchtlingsrat Hamburg e.V. , Nernstweg 32-34 22765 Hamburg, 3. Stock, Tel: 040 – 431 587
      Homepage: www.fluechtlingsrat-hamburg.de, E-Mail: info@fluechtlingsrat-hamburg.de

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      news-803Fri, 27 Aug 2021 11:31:32 +0200Sofortige Visaverfahren afghanischer Staatsangehöriger in dt. Auslandsvertretungen<br />Visa umgehend erteilen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sofortige-visaverfahren-afghanischer-staatsangehoeriger-in-dt-auslandsvertretungenvisa-umgehend-erteilen-803Gemeinsame Pressemitteilung von DAV, RAV und VDJ, 27.8.2021Angesichts der Beendigung der Evakuierung fordern Anwält*innen und Jurist*innenvereinigungen:

      Alle deutschen Auslandsvertretungen müssen ab sofort für Visaverfahren afghanischer Staatsangehöriger zuständig sein und Visa umgehend erteilen. Die Kapazitäten in den Auslandsvertretungen sind sofort ausreichend aufzustocken.

      Über 3.000 afghanische Staatsangehörige warteten im Mai 2021 auf einen Termin zur Vorsprache in den deutschen Visastellen in Neu-Delhi und Islamabad. Wie viele Angehörige sich über diese hinaus im überaus langwierigen Verfahren auf Erteilung eines Visums befanden, wird nicht erfasst (die Zahlen ergeben sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion). https://dserver.bundestag.de/btd/19/307/1930793.pdf).

      DAV, RAV und VDJ fordern, dass diese, für Friedenszeiten vorgesehene und mit langen Wartezeiten verbundene Praxis sofort geändert wird, und nehmen hierzu Bezug auf den Forderungskatalog hinsichtlich der Situation in Afghanistan von DAV, RAV, Pro Asyl und anderen:
      https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsbruch-beenden-erfuellung-der-menschenrechtlichen-verpflichtung-gegenueber-lokal-beschaeftigten-familienangehoerigen-und-schutzsuchenden-aus-afghanistan-aufnahme-jetzt-799

      Ergänzend verweisen wir auf die Forderung von Amnesty International, die Visapflicht für Afghan*innen auszusetzen:
      https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/afghanistan-gefaehrdete-schutzsuchende-sofort-evakuieren

      Das Ende der Evakuierungen darf nicht das Ende aller Hoffnungen für Schutzsuchende und ihre Familien sein, in naher Zukunft in Sicherheit und wieder zusammenleben zu können!

      PM als PDF

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-802Fri, 27 Aug 2021 08:31:00 +0200 Dialoge säen - Erinnerung aufkeimen lassen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kolumbien-802Vortrag und Gesprächsrunde über die aktuelle Menschenrechtslage in Kolumbien | 27.8.21 | 17:30h | BerlinDie Kolumbienkampagne Berlin, das Kollektiv Desbordando, der FDCL, El Bloque Latinoamericano, Kolko und der RAV laden zu einem Gespräch mit Luz Marina Hache Contreras ein. Luz Marina Hache ist eine der Gründerinnen der "Movimiento de Victimas de Crímenes de Estado/ der Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen" (MOVICE) in Kolumbien. Sie ist Sprecherin von MOVICE für Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen.

      Luz Marina wird in der Veranstaltung über die Erinnerungsarbeit von MOVICE sowie über die aktuelle Menschenrechtssituation in Kolumbien sprechen. Zusätzlich werden wir einige kurze Videos aus/zu Kolumbien zeigen und es wird ein kleines Kulturprogramm sowie solidarische Arepas (Maisfladen) geben.

      Veranstaltung und Diskussion auf Spanisch mit Übersetzung ins Deutsche.  

      Freitag 27.8.2021 | 17:30 – 21:00
      Ort: Prinzessinnen-Garten am Moritzplatz

      Prinzenstraße 35 – 38 / Prinzessinnenstr. 15
      10969 Berlin
      U8 Moritzplatz (leider nicht barrierefrei)

      ***

      Sembrando diálogos, germinando memoria. Conversatorio con Luz Marina Hache, Vocera del MOVICE

      La Kolumbienkampagne Berlin, el colectivo Desbordando, el FDCL, el Bloque Latinoamericano Berlin, Kolko y la RAV invitan a un conversatorio con Luz Marina Hache Contreras, una de las fundadoras de la „Organización víctimas de crímenes de Estado“ (MOVICE) en Colombia y vocera del MOVICE para casos de desaparición forzada. Estaremos conversando sobre el trabajo de memoria del MOVICE y la actual situación de los derechos humanos en Colombia.
      Habrá videos, arepas solidarias y música del grupo Wayra Puka Berlin!!!

      Hay traducción simultánea al Alemán

      Para mayor información pueden escribir un mensaje a nuestro Facebook o al siguiente correo: kolumbienkampagne@emdash.org

      Prinzessinnen-Garten am Moritzplatz
      Prinzenstraße 35 – 38 / Prinzessinnenstr. 15
      10969 Berlin
      U8 Moritzplatz

      27.08.2021, Hora:17:30 – 21:00

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      news-801Thu, 26 Aug 2021 13:12:02 +0200#unteilbar - Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft/publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbar-fuer-eine-solidarische-und-gerechte-gesellschaft-801Aufruf zur Teilnahme bei Großdemonstration von #unteilbar | Berlin 4.9. | RAV-AbschnittAm 04.09.2021 ist es wieder so weit: Wir zeigen gemeinsam mit 328 anderen Organisationen, Gewerkschaften, Initiativen, Bündnissen und so weiter, dass wir eine andere, eine solidarische und gerechte Gesellschaft wollen: www.unteilbar.org

      Wir treten ein dafür, dass Menschenrechte und Demokratie #unteilbar sind, und haben deshalb beschlossen, einen Block/Abschnitt zu eben diesem, ureigenen Thema des RAV zu organisieren, der auf der Demo mit diversen Redebeiträgen präsent sein wird.

      Wir würden uns sehr freuen, möglichst viele von Euch dort zu sehen. Unser Block trifft sich um 13:00 Uhr in Berlin-Mitte, Ebertstr. / Behrenstr. (s. Graphik) – Ihr erkennt uns an einem blau-gelben Lautsprecherwagen und an den großen RAV-Transparenten.
      Die Berliner*innen sind gebeten, auf ÖPNV-Anreise zu verzichten und besser zB per Fahrrad anzureisen. Wir möchten Menschenansammlungen in U- und S-Bahnen möglichst vermeiden.

      Wir sind auch noch auf der Suche nach Ordner*innen, die uns helfen können, dass die Demo auch unter Pandemiebedingungen gut und sicher für alle wird. Falls Ihr Zeit und Lust habt, meldet Euch bitte bei uns!
      Auch das Gesamtbündnis sucht dringend noch Helfer*innen - dafür gibt ein gutes Formular, in das sich eingetragen werden kann - hier. Am Montag und Freitag gibt es von #unteilbar digitale kurze Einführungsveranstaltungen dazu.

      Zuletzt: die Demo zu organisieren kostet auch viel Geld, daher sind auch kleine Spenden gerne gesehen!

      Wir freuen uns, Euch alle bei 21 Grad und Sonne mal wieder auf der Straße zu sehen!

      Aufruf als PDF

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      Empfehlung (Mitteilung)#unteilbar
      news-800Mon, 23 Aug 2021 16:47:21 +0200Versammlungsgesetz NRW stoppen. Grundrechte erhalten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/versammlungsgesetz-nrw-stoppen-grundrechte-erhalten-800Großdemonstration in Düsseldorf, 28.8.21 um 13hInsbesondere nach den Ereignissen auf der Demonstration am 26.06.21 ist der Protest gegen den Entwurf der Landesregierung für ein VersammlungsG in NRW noch einmal lautstark und deutlich auf die Straßen Düsseldorfs zu tragen.
      Alle Informationen zu der Demo (Aufruf, Anreise, Hygienekonzept...) finden sich hier.

      Hier noch ein Link zu einer zusammenfassenden Filmdokumentation des Landesbündnisses zu den Vorgängen am 26.6.21 in Dortmund : https://www.youtube.com/watch?v=f5NdpfI8s74
      Warnung: es sind viele Bilder mit übler Gewaltanwendung zu sehen.

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      Versammlungsrecht
      news-799Wed, 18 Aug 2021 09:24:42 +0200Rechtsbruch beenden!<br />Erfüllung der menschenrechtlichen Verpflichtung gegenüber lokal Beschäftigten, Familienangehörigen und Schutzsuchenden aus Afghanistan.<br />Aufnahme jetzt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsbruch-beenden-erfuellung-der-menschenrechtlichen-verpflichtung-gegenueber-lokal-beschaeftigten-familienangehoerigen-und-schutzsuchenden-aus-afghanistan-aufnahme-jetzt-799Gemeinsame Pressemitteilung von RAV, DAV, EDA, Pro Asyl, VDJ, Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände | 18.8.2021Pro Asyl, Rechtsanwält*innen, Jurist*innenorganisation und nationale sowie europäische Anwält*innenorganisationen erklären und fordern:

      Die zugespitzte Lage in Afghanistan wurde für den Fall des Abzugs der westlichen Streitkräfte von Expert*innen einhellig vorhergesehen.

      Davon unbeeindruckt führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) in einer Stellungnahme in einem gerichtlichen Verfahren noch am 10.08.2021 aus: »Die Bedingungen, auf die Rückkehrer nach Kabul treffen, sind nicht derartig schlecht, dass sie in schrecklichen humanitären Zuständen existieren müssten.« In einem weiteren Schriftsatz vom 11.08. stellt das BAMF fest: »In Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist einerseits auszuführen, dass die meisten Städte und Provinzen derzeitig kampflos übergeben werden. Demnach ist doch sehr fraglich, ob die Intensität der Kampfhandlungen und damit die Gefahrendichte tatsächlich zugenommen hat.«

      Das BAMF, welches unter Fachaufsicht des Bundesinnenministeriums steht, reagiert auf die Entwicklung der letzten Wochen - wenn überhaupt - mit dem bekannten Muster: Entscheidungsstopp. Das ist nicht nur zynisch, sondern rechtswidrig.

      Für die Europäisch Demokratischen Anwält*innen (EDA) erklärt Rechtsanwältin Berenice Böhlo: »Diese Realitätsverleugnung knüpft an die hartnäckige Weigerung an, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Ebenso unverantwortlich sind die seit Jahren festzustellenden, für Betroffene unerträglichen Verzögerungen beim Familiennachzug durch das Auswärtige Amt.«

      Wir wenden uns gegen Lageberichte und eine Behördenpraxis, die das Ausmaß des brutalen Bürgerkriegs und die daraus folgende humanitäre Katastrophe auch jetzt noch systematisch leugnet und die rechtlichen Verpflichtungen missachtet.

      Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert vom RAV äußert sich hierzu wie folgt: »Diese strukturelle Missachtung zeigt sich auch darin, dass noch von Januar bis Mai 2021 76% der negativen Asylbescheide zu Afghanistan von den Verwaltungsgerichten aufgehoben wurden und diese Entscheidungen im weit überwiegenden Maße Bestand haben. BMI und BAMF müssen endlich in Einklang mit europäischem Recht anerkennen: Afghanistan ist für niemanden sicher.«

      Konkret fordern wir:

      PM als PDF

      Für Pressegespräche sind erreichbar:
      Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Tel. 030-24 72 40 90, boehlo@aufenthaltundsoziales.de
      Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert,  lehnert@aufenthaltsrecht.net

      Dieser Aufruf wurde gezeichnet von:

      Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV-Vorstand
      Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin, RAV, Stellvertr. Vorstandsvorsitzende
      Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin
      Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt
      Günter Burkhardt, Geschäftsführer PRO ASYL
      Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt, RAV, Vorstandsvorsitzender
      Manfred Weidmann, Rechtsanwalt
      Claudia Vogel, Rechtsanwältin
      Henning J. Bahr, LL.M., Rechtsanwalt
      Rasmus Kahlen, Rechtsanwalt
      Wiebke Judith, Rechtpolitische Referentin, PRO ASYL
      ARGE Verwaltungsrecht Regionalgruppe Niedersachsen/Bremen
      Nils Spörkel, Rechtsanwalt
      Susanne Schröder, Rechtsanwältin
      Anna Magdalena Busl, Rechtsanwältin
      Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt, RAV-Vorstand
      Ronska Grimm, Rechtsanwält*in
      Thorsten Höft, Rechtsanwalt
      Svenja Robbert, Rechtsanwältin
      Prof. Dr. jur. Christine Graebsch, Hochschullehrerin, Fachhochschule Dortmund
      Prof. Dr. Jörg Arnold, Rechtsanwalt
      Sirkka Schrader, Rechtsanwältin
      Jürgen Westerath, Rechtsanwalt
      Iñigo Schmitt-Reinholtz, Rechtsanwalt
      Lea Voigt, Rechtsanwältin
      Judith Hackmack, Rechtsanwältin
      Joachim Schaller, Rechtsanwalt
      Marinus J. Stehmeier, Rechtsanwalt und Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte
      Britta Eder, Rechtsanwältin
      Steffen Ahrens, Rechtsanwalt
      Rita Belter, Rechtsanwältin
      Stephanie Otrakci, Rechtsanwältin
      Anke Thiesing-Rieck, Rechtsanwältin
      Anette Schmidt, Rechtsanwältin
      Rechtsanwälte Roth & Roth, Nürnberg
      Julius Egel, Rechtsanwalt
      Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt
      Nakibe Ademi, Rechtsanwältin
      Gisela Seidler, Rechtsanwältin
      Sarah Kreibich, Rechtsanwältin
      Lena Koch, Rechtsanwältin
      Petra Ladenburger, Rechtsanwältin
      Paulo Dias, Rechtsanwalt
      Magdalena Gajczyk, Rechtsanwältin
      Christian Reischl, Rechtsanwalt
      Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt
      Karolin Klempin, Rechtsanwältin
      Dagmar Schnürer, Rechtsanwältin
      Barbara Wessel, Rechtsanwältin
      Wiebke Wildvang, Rechtsanwältin
      Sebastian Nickel, Rechtsanwalt
      Dr. Johannes Groß, Rechtsanwalt
      Ottomar August Wilhelm, Rechtsanwalt
      Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwältin
      René Bahns, Rechtsanwalt
      Isabel Antz, Rechtsanwältin
      Bahman Wahab, Rechtsanwalt
      Iris Ludwig, Rechtsanwältin
      Juliane Scheer, Rechtsanwältin
      Dr. Albrecht Göring, Rechtsanwalt
      Alexandra Braun, Rechtsanwältin
      Viktor Riad, Rechtsanwalt
      Robin Michalke, Rechtsanwalt
      Carolin Helmecke, Rechtsanwältin
      Birgit Landgraf, Rechtsanwältin
      Roland Dietrich, Rechtsanwalt
      Lilith Reuffurth, Rechtsanwältin
      Sabine Schölermann, Rechtsanwältin
      Dr. Jahn-Rüdiger Albert, Rechtsanwalt
      Benjamin Hersch, Rechtsanwalt, RAV-Vorstand
      Barbara Dubick, Rechtsanwältin
      Maria-Theresia Huber-Arpé, Rechtsanwältin
      Helmut W. Maciej, Rechtsanwalt/Vereidigter Buchprüfer/Dipl.soz.
      Ulrich Lerche, Rechtsanwalt
      Heike Gall-Alberth, Rechtsanwältin
      Philipp Schönberger, Referendar am Kammergericht
      Ursula Groos, Rechtsanwältin
      Björn Cziersky-Reis, Rechtsanwalt
      Junis Mustafa LL.M., Rechtsanwalt
      Christian Möhlenbeck, Rechtsanwalt, Mediator
      Robert Koop & Kollegen, Rechtsanwälte und Notare, Lingen(Ems)
      Kanzlei 49, Hamburg
      David Werdermann, Rechtsanwalt
      Dr. Katharina Wandscher, Rechtsanwältin
      Lea Beckmann, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte
      Jenny Fleischer, Rechtsanwältin
      Petra Isabel Schlagenhauf, Rechtsanwältin
      Stephan Urbach, Rechtsanwalt
      Reinhard Daum, Rechtsanwalt
      Jörn Freudenberg, Rechtsanwalt
      Dr. Mark Swatek, Rechtsanwalt
      Christian Pensl, Rechtsreferendar
      Adolf Sander, Rechtsanwalt und Notar a. D.
      Armin Grimm, Rechtsanwalt
      Johannes Honecker, Rechtsanwalt
      Julian Stöckl, Rechtsanwalt, München
      Friedrich Schikora, Rechtsanwalt
      Thomas Oberhäuser, Rechtsanwalt
      Franziska Andrae, Rechtsanwältin und Mediatorin
      Konstantin Stern, Rechtsanwalt
      Markus Prottung, Rechtsanwalt
      Christina Clemm, Rechtsanwältin
      Dr. Philipp Gehrmann, Rechtsanwalt
      Barbara Petersen, Rechtsanwältin
      Christian Mertens, Rechtsanwalt
      Sahar Azizi, Rechtsanwältin
      Luisa Hahm, Rechtsanwältin
      Dr. Matondo Cobe, Rechtsanwalt
      Tilman Kohls, Rechtsanwalt
      Claudia Lind, Rechtsanwältin
      Diana Blum, Rechtsanwältin
      Felix Isensee, Rechtsanwalt
      Ünal Zeran, Rechtsanwalt
      Lena Pfeiffer, Volljuristin und Amtsvormündin
      Sebastian Baunack, Rechtsanwalt
      Rainer Willhoeft, Rechtsanwalt
      Rechtsanwaltskanzlei BINDNER-REICHEL, Nürnberg
      Ralf-Carsten Bonkowski, Rechtsanwalt
      Gloria Holborn, Rechtsanwältin
      Eberhard Kunz, Rechtsanwalt
      Stephan Martin, Rechtsanwalt
      Patrick Kirner, Rechtsanwalt
      Dr. Sven-U. Burkhardt, Rechtsanwalt
      Hannah Fleck, Rechtsanwältin
      Peter Brasche, Rechtsanwalt
      Claudia Burgsmüller, Rechtsanwältin
      Nadine Arndt, Rechtsanwältin
      Berndt Hintzelmann, Rechtsanwalt
      Peter Paul Tode, Rechtsanwalt
      Bettina Feix, Rechtsanwältin
      Valeska Knarr, Rechtsanwältin
      Inken Stern, Rechtsanwältin
      Mirco Beth, Rechtsanwalt
      Lara M. Gaber, Rechtsanwältin
      Anne Kling, Juristin
      Anwaltskanzlei Sven Adam, Göttingen
      Julian Trüstedt, Rechtsanwalt
      Friedrich Schikora, Rechtsanwalt
      Anwält*innenbüro Lichtenberg (Marie Melior, Dagmar Schnürer, Michael Plöse)
      Sahar Azizi, Rechtsanwältin
      Dr. Regine Nowack, Rechtsanwältin
      Federico Traine, Rechtsanwalt
      Nora Ebeling, Rechtsanwältin
      Dr. Franz Bethäuser, Rechtsanwalt
      Anne Nitschke, Rechtsanwältin
      Felicitas Kohler, Rechtsanwältin
      Annette Fölster, Rechtsanwältin
      Tim King, Rechtsanwalt
      Rütger Boeddinghaus, Rechtsanwalt
      Katja Friedrich, Rechtsanwältin
      Tim Burkert, Rechtsanwalt
      Christine Siegrot, Rechtsanwältin
      Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt
      Michael Below, Rechtsanwalt
      Ulrich Kraft, Rechtsanwalt
      Ulrich v. Klinggräff, Rechtsanwalt
      Gerhard Strauch, Rechtsanwalt
      Karen Pollok LL.M., Rechtsanwältin
      Markus Kehrbaum, MLE, Rechtsanwalt
      Udo Sürer, Rechtsanwalt
      Dr. Udo Kauß, Rechtsanwalt
      Malte Christian Greisner, Rechtsanwalt
      Stephanie Jörs, Rechtsanwältin
      Sebastian Sevenich, Rechtsanwalt
      Otto Jäckel, Rechtsanwalt
      Dr. Wieland Lehnert, Rechtsanwalt
      Heiko Habbe, Rechtsanwalt/Rechtsberater
      Maxi Schele, Rechtsanwältin
      Anne Harms, Dipl.-Sozialpädagogin
      Ilka Quirling, Rechtsanwältin
      Dr. Jan Benjamin Daniels, Rechtsanwalt
      Carsten Ilius, Rechtsanwalt
      Sebastian Röder, LL.M., Rechtsanwalt
      Katharina Söker, Rechtsreferendarin
      Jens Hänsch, Rechtsanwalt
      Hans Imhof, Rechtsanwalt
      Kareba Hagemann, Rechtsanwältin
      Simon Hagemann, Rechtsanwalt
      Nadine Rappanier, Rechtsanwältin
      Alexandra Roemer, Rechtsanwältin
      Dinah Bauer, Rechtsanwältin
      Marc Meyer, Rechtsanwalt
      Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt
      Hanna Uebach, Rechtsanwältin
      Einar Aufurth, Rechtsanwalt
      Carolin Kaufmann, Rechtsanwältin
      Miriam Frieding, Rechtsanwältin
      Thomas Jennissen, Rechtsanwalt
      Christine Lüth, Rechtsanwältin
      Anya Lean, Rechtsanwältin
      Philip Rusche, Rechtsanwalt
      Josephine Koberling, Rechtsanwältin
      Julius Becker, Rechtsanwalt
      Michaela Staufer, Rechtsanwältin
      Lena Ronte, Rechtsanwältin
      Dr. Andrea Struwe, Rechtsanwältin
      Gerhard Rahn, Rechtsanwalt
      Karen Chautard, Rechtsanwältin
      Marcel Keienborg, Rechtsanwalt
      Dr. Boris Wolkowski, Rechtsanwalt
      Peter Knitsch, Staatssekretär a.D., Rechtsanwalt
      Gunter Christ, Rechtsanwalt
      Gwendolin Buddeberg, Rechtsanwältin
      Tobias P. Lutze, Rechtsanwalt
      Claire Deery, Rechtsanwältin, Vorsitzende Flüchtlingsrat Niedersachsen
      Michal Armbruster, Rechtsanwältin
      Dr. Philipp Schulte, Rechtsanwalt
      Bettina Ocker, Rechtsanwältin
      Jan Sürig, Rechtsanwalt
      Astrid Boxberg, Rechtsanwältin
      Madlen Stephan-Malak, Rechtsanwältin
      Sabine Ziesemer, Rechtsanwältin
      Catrin Hirte-Piel, Rechtsanwältin
      Gunther Specht, Rechtsanwalt
      Silke Born-Gotta, Rechtsanwältin
      Joachim Genge, Rechtsanwalt
      Sabine Steigerwald-Weber, Rechtsanwältin
      Inigo Valdenebro, Abogado
      Fahim Qayumi, Rechtsanwalt
      Valdés Reyes, Rechtsanwalt
      Marten Kaspar, Rechtsanwalt
      Lucy Chebout, Rechtsanwältin
      Stefanie Kirschner, Rechtsanwältin
      Bernhild Schömel, Rechtsanwältin
      Linh Steffen, Rechtsanwältin
      Swantje Meyer-Mews, Rechtsanwältin
      Ahmed Abed, Rechtsanwalt
      Claudia Reichel, Rechtsanwältin
      Stephanie Dufner, E.MA, Rechtsanwältin
      Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin
      Wolfram Treiber, Rechtsanwalt
      Antje Becker, Rechtsanwältin
      Arnike Duensing, Rechtsanwältin und Notarin
      Myrsini Laaser, Rechtsanwältin
      Mechthild Garweg, Rechtsanwältin
      David Hölscher, Rechtsanwalt
      Anna Frölich, Rechtsanwältin
      Mathes Breuer, Rechtsanwalt
      Katharina Camerer, Rechtsanwältin
      Christian Zimmer, Rechtsanwalt
      Oliver Rahnama, Rechtsanwalt
      Ralf Fischer, Rechtsanwalt
      Raik Höfler, Rechtsanwalt
      Johanna Eyser, Rechtsanwältin
      Adrian Furtwängler, Rechtsanwalt
      Dr. Maren Burkhardt, Rechtsanwältin
      Klaus Meyer, Rechtsanwalt
      Marina Link, Rechtsanwältin
      Fiona Macdonald, Rechtsanwältin
      Antonia Gräfin von Plettenberg-Lenhausen, Rechtsanwältin (Syndicusrechtsanwältin)
      Thomas Ludewig, Rechtsanwalt
      Dieter Kierzynowski, Rechtsanwalt
      Dr. Ulrich Wehner, Rechtsanwalt
      Inga Schulz, Rechtsanwältin
      Franz Fertmann, Rechtsanwalt
      Oriane Lafargue, LL.M., Rechtsanwältin
      Stephen E. Marquardt, Rechtsanwalt
      Dr. Anne-Katrin Wolf, Rechtsanwältin
      Daniel Marquard, Rechtsanwalt
      Felix Briesenick, Rechtsanwalt
      Dr. Vera Hofmann, Rechtsanwältin
      Katharina Fröbel, Rechtsanwältin
      Christine Engels, Rechtsanwältin
      Dr. Eckart Wähner, Rechtsanwalt
      MBA116, Rechtsanwält*innen in Bürogemeinschaft, Hamburg
      Stefanie Meyer, Rechtsanwältin
      Manfred Weidmann, Rechtsanwalt
      Thomas Korn, Rechtsanwalt
      Christoph Tometten, LL.M., Rechtsanwalt
      Cana Mungan, Rechtsanwältin
      Julia Schulze Buxloh, Rechtsanwältin
      Kai Michael Dietrich, Rechtsanwalt
      Rainer Kattau, Rechtsanwalt
      Elisa Urbanczyk, Rechtsanwältin
      Lukas Bastisch, Rechtsanwalt
      Frauke Steuber
      Lino Peters, Rechtsanwalt
      Jens Waßmann, Rechtsanwalt
      Sarah Scheller, Rechtsanwältin
      Oda Jentsch, Rechtsanwältin
      Insa Graefe, Rechtsanwältin
      Irene Kohlmann, Rechtsanwältin
      Birgit Scheibe, Rechtsanwältin
      Caroline von Wedel-Parlow, Rechtsanwältin
      Julius Engel, Rechtsanwalt
      Elena Peony, MLE, Rechtsanwältin
      Anwaltsbüro Schulterblatt 36, Hamburg
      Dr. Marcus Mollnau, Rechtsanwalt und Notar
      Julia Bailey, Rechtsanwältin
      Sascha Petzold, Rechtsanwalt
      Ozan Atas, Rechtsanwalt
      Kristin Pietrzyk, Rechtsanwältin
      Jonas Runge, Rechtsanwalt
      Maik Elster, Rechtsanwalt
      Christoph Köhler, Rechtsanwalt
      Tanja Bohlender, Rechtsanwältin
      Victoria Lübeke, Rechtsanwältin
      Hagen Richter, Rechtsanwalt
      Axel Selbert, Rechtsanwalt
      Thorsten Deppner, Rechtsanwalt
      Michael Koch, Rechtsanwalt
      Ole-Jendrik Weber, Assessor
      KTV-Anwälte, Rostock (Rechtsanwalt Thomas Wanie
      Rechtsanwältin Katrin Hildebrandt)
      Teresa Maria Amigo, Rechtsanwältin
      Ingvild Geyer-Stadie, Rechtsanwältin
      Sandra Ae-Sim Schleicher, Rechtsanwältin u Mediatorin

      Weitere Zeichnungen nach Veröffentlichung:
      Martina Lörsch, Rechtsanwältin
      Florian van Bracht, Rechtsanwalt
      Franz Spindler, Rechtsanwalt
      Axel Oswald, Rechtsanwalt
      Dirk Stammler, Rechtsanwalt
      Petra Haubner, Rechtsanwältin
      Christine Hunger, Rechtsanwältin
      Walter Lübking, Rechtsanwalt, Dipl. Ing.
      Nicolai Zipfel, Rechtsanwalt
      Joachim Musch, Rechtsanwalt und Notar
      Christof Momberger, Rechtsanwalt
      Sven Feuerhahn, Rechtsanwalt
      Dr. Esther Weizsäcker, Rechtsanwältin
      Fritz Maier, Rechtsanwalt
      Negin Sandjer, Rechtsanwältin
      Raphael D. E. Stanke, Rechtsanwalt
      Manuela Schiebel-Vogt, Rechtsanwältin
      Gönül Kurt, Rechtsanwältin
      Maria Kalin, Rechtsanwältin
      Silke Jaspert, Rechtsanwältin
      Kathrin Kuhn, Rechtsanwältin
      Harald Klinke, Rechtsanwalt
      Rehane Jawaheri-Amin, Rechtsanwältin
      Sigrun Krause, Rechtsanwältin
      Andelka Husnjak, Rechtsanwältin
      Borgman, Rechtsanwalt
      Martina Synnott, Rechtsanwältin
      Franziska Flint, Rechtsanwältin
      Dr. Annabelle Voßberg, Rechtsanwältin
      Regine Schönleber, Rechtsanwältin
      Bilal Alkatout, Rechtsanwalt
      Brigitte Faßbender, Rechtsanwältin
      Heinz-Dieter Schütze, Rechtsanwalt
      Martina Arndt, Rechtsanwältin
      Angela Furmaniak, Rechtsanwältin
      Stephen Rehmke, Rechtsanwalt
      Lale Emiroglu, Rechtsanwältin
      Susanne Stuhlmacher, Rechtsanwältin
      Bernhard Baumann-Czichon, Rechtsanwalt
      Clara Bünger, Juristin
      Jeanette Höpping, Rechtsanwältin und Mitarbeiterin bei YAAR e.V.
      Christoph Unrath, Rechtsanwalt
      Elisabeth Faltinat, Rechtsanwältin
      Melina Garcin, Mitglied der Härtefallkommission Berlin, Härtefallberatung des Flüchtlingsrats Berlin (e.V.) und RAin
      Margarete Fabricius-Brand, Rechtsanwältin und Dipl.-Psych.
      Julia Röhrbein, Rechtsanwältin
      Sonja Benning, Rechtsanwältin
      Marcel Kasprzyk, Rechtsanwalt
      Nina Markovic, Rechtsanwältin
      Martin von Borstel, Rechtsanwalt
      Sabah-Turkmany, Rechtsanwältin
      Anna Liora Boyn, Rechtsanwältin
      Peter Fahlbusch, Rechtsanwalt
      Prof. Dr. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt
      Susanne Müller, Rechtsanwältin
      Prof. Dr. Holger Hoffmann, Bremen
      Stephan Schumann, Rechtsanwalt, Stellvertretender Bundesvorsitzender Jusos
      Dr. Miriam Vollmer, Rechtsanwältin
      Dr. Jonas Hennig, Rechtsanwalt
      Christian Albrecht, Rechtsanwalt
      Oliver Moro, Rechtsanwalt
      Miriam Paschke, Rechtsanwältin
      Franziska Mayer, Rechtsanwältin
      Jonathan Leuschner, Rechtsanwalt
      Cornelia Ganten-Lange, Rechtsanwältin
      Erna Hepp, Rechtsanwältin
      Bettina Hartnacke, Rechtsanwältin
      Michael Stübing, Rechtsanwalt
      Hannah Rainer, Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag
      Udo Grönheit, Rechtsanwalt
      Tobias Fischer, Rechtsanwalt
      Constanze Muck, Rechtsanwältin
      Oliver Klostermann, Rechtsanwalt und Notar
      Conrad Zimmer, Rechtsanwalt a.D.
      Mark Kozicki, Rechtsanwalt
      Volker Gerloff, Rechtsanwalt
      Thomas Seggewiß, Rechtsanwalt
      Dr. Maximilian Pichl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
      uli v.sanden, Dipl.Sozialpädagogin, Menschenrechtlerin
      Véronique Bry, Dozentin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
      Friedrich Straetmanns, MdB - Die Linke
      Hartmut Liebs, wissenschaftlicher Mitarbeiter - Die Linke
      Karen Schubert, Referentin im Justiziariat - Die Linke
      Knut Rauchfuss, Arzt und Vorstand der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum
      Willi Bischof, Publizist - edition assemblage
      Behnaz H. Ronasi, Rechtsanwältin
      Laura Redmer, Rechtsanwältin
      Bürogemeinschaft bg124, Hamburg
      Michelle Bohley, Wiss. MA, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für ÖffR
      Dr. Jannik Rienhoff, Rechtsanwalt
      Nicole Jack, Wiss. MA, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
      Michael Werner, Rechtsanwalt
      fluchtpunkt, Kirchliche Hilfsstelle für Geflüchtete, Hamburg
      Stephanie Hujo, Rechtsanwältin
      Ulrich Lübbing, Rechtsanwalt

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      PressemitteilungMigration & Asyl
      news-798Tue, 17 Aug 2021 07:34:21 +0200Abschiebungen nach Afghanistan stoppen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/abschiebungen-nach-afghanistan-stoppen-798Aufruf von 26 Organisationen vom 10.8.21Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen aus dem Bereich der Menschenrechte, der Entwicklungspolitik, der Wohlfahrt, Asyl und Flucht sowie Richter- und Anwaltsvereinigungen fordert der Flüchtlingsrat Brandenburg die Bundesregierung auf, geltendes Recht zu achten und Abschiebungen mit dem Ziel Kabul auszusetzen.

      Täglich erobern die radikal-islamistischen Taliban weitere Gebiete in Afghanistan. Erst am Wochenende haben sie praktisch im Durchmarsch auch den ehemaligen Bundeswehrstandort Kundus eingenommen. Die Islamisten haben somit bereits die sechste Provinzhauptstadt sowie weit über die Hälfte aller Distrikte unter ihre Kontrolle gebracht. Das Land versinkt zusehends im Chaos, die Kämpfe dauern unvermindert an. Trotz dieser verheerenden Entwicklung und trotz bundesweiter Kritik hält die deutsche Regierung an Abschiebungen nach Afghanistan fest.

      Bereits vergangene Woche hat der Flüchtlingsrat Brandenburg mit einem Brief an den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke, Innenminister Michael Stübgen, sowie an die Landesfraktionen von DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SPD appelliert, mit gutem Beispiel voran zu gehen und einen sofortigen Abschiebestopp auf Landesebene zu erlassen.

      Heute nun hat ein Zusammenschluss von 26 Organisationen – darunter auch der Flüchtlingsrat Brandenburg – einen Aufruf an die Bundesregierung veröffentlicht, in dem der Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan gefordert wird. „Es ist schockierend und beschämend, das weder Bund noch Länder tun, was angesichts der aktuellen Lage eigentlich selbstredend humanitäre Pflicht sein sollte: Abschiebungen in ein Kriegsgebiet unverzüglich zu stoppen und damit keine weiteren Menschenleben mehr leichtfertig aufs Spiel zu setzen“, kommentiert Vincent da Silva vom Flüchtlingsrat Brandenburg die Situation.
       

      Der Aufruf:

      Keine Abschiebungen nach Afghanistan!

      In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne Anschlag. Seit dem Abzug der NATO-Truppen sind die Taliban auf dem Vormarsch: über die Hälfte der Bezirke in Afghanistan steht schon unter Kontrolle der Taliban. Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie verschärft die humanitäre Situation im Land zusätzlich. Die Lage am Hindukusch ist dramatisch und wird sich aller Voraussicht nach weiter verschlechtern.

      Ein Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan ist vor diesem Hintergrund dringend geboten.

      Die afghanische Regierung hat bereits im Juli die europäischen Staaten aufgefordert, vorläufig keine Abschiebungen mehr durchzuführen. Norwegen, Finnland und Schweden sind dieser Aufforderung nachgekommen. Auch die Grenzschutzagentur Frontex hat Anfang August bekanntgegeben, keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr unterstützen zu wollen. Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Eilentscheidung am 2. August eine Abschiebung aus Österreich nach Kabul, die ursprünglich gemeinsam mit Deutschland stattfinden sollte, mit Verweis auf die dortige Sicherheitslage gestoppt.

      Auch Deutschland darf die Augen vor der sich immer weiter verschlechternden Lage in Afghanistan nicht verschließen und muss alle Abschiebungen einstellen.

      Rechtsstaat heißt, dass menschenrechtliche Prinzipien eingehalten werden. Sie dürfen auch nicht in einem Wahlkampf zur Verhandlung gestellt werden. Das völkerrechtliche Nicht-Zurückweisungsgebot, das aus dem absoluten Folterverbot abgeleitet wird und das Abschiebungen bei zu erwartenden schwersten Menschenrechtsverletzungen verbietet, gehört hierzu. Dieses Abschiebungsverbot gilt unabhängig von individuellem Verhalten.

      Der Aufruf wurde unterzeichnet von:
      AG Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
      Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter (ACAT-Deutschland)
      Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
      Amnesty International
      AWO Bundesverband
      Brot für die Welt
      Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer – BAfF e.V.
      Bundesweites Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan
      Deutscher Caritasverband
      Diakonie Deutschland
      Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
      KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Landesflüchtlingsräte
      medica mondiale e.V.
      medico international
      MISEREOR
      Neue Richtervereinigung e.V.
      Nürnberger Menschenrechtszentrum e.V.
      Oxfam Deutschland
      PRO ASYL
      Republikanischer Anwältinnen – und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Seebrücke
      terre des hommes Deutschland e.V.
      Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF)
      YAAR e.V.

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      AbschiebungenMigration & Asyl
      news-797Fri, 16 Jul 2021 06:58:00 +0200Zugang zu Großveranstaltungen, Jobs bei Behörden, Akteneinsicht für Anwält*innen…<br />Nur nach Prüfung durch Polizei und Verfassungsschutz?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zugang-zu-grossveranstaltungen-jobs-bei-behoerden-akteneinsicht-fuer-anwaeltinnen-nur-nach-pruefung-durch-polizei-und-verfassungsschutz-797Pressemitteilung 7/21 vom 16.7.2021Bereits die Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) 2018 brachte eine erhebliche Ausweitung polizeilicher Befugnisse und ihre Vorverlagerung auf den reinen Verdachtsbereich. Sie wurde von der CSU Dank ihrer stabilen Mehrheit entgegen massiver Proteste breiter Teile der Gesellschaft durch den Landtag gebracht.

      Eine jetzt drohende Verschärfung (in § 60a PAG) soll der Polizei nunmehr eine sog. Zuverlässigkeitskontrolle sowohl für eine »besondere Zugangsberechtigung zu Veranstaltungen und Veranstaltungsreihen« (Abs. 1 Nr. 1) ermöglichen, als auch für den »privilegierten Zutritt zu einem Amtsgebäude oder einem anderen gefährdeten Objekt« (Abs. 1 Nr. 2) und »bei Personen, die Zugang zu Unterlagen oder ähnlichen Inhalten haben sollen, aus denen sich sicherheitsrelevante Erkenntnisse für die Tätigkeit von Polizei und Sicherheitsbehörden ergeben« (Abs. 1 Nr. 4).
      Das Gesetz dient über einen Umweg auch als Türöffner zur Ausforschung und Einmischung nicht nur durch die Polizei, sondern z.B. auch durch den sog. Verfassungsschutz: »Die Polizei ist befugt, das Ergebnis ihrer Zuverlässigkeitsüberprüfung an eine andere Stelle zu übermitteln, wenn die Beurteilung der Zuverlässigkeit der anderen Stelle obliegt« (Abs. 2 Satz 1).
      Die Änderungen im Polizeigesetz ermöglichen weitreichende Eingriffsbefugnisse, sowohl in die Handlungsfreiheit von Bürger*innen, als auch in die Souveränität von Behörden. Gleichzeitig – wie auch schon bei der PAG-Novelle 2018 – sind die rechtlichen Voraussetzungen für das polizeiliche Treiben vage und unbestimmt. Sie öffnen damit Tür und Tor für missbräuchliches Polizeihandeln.
      Yunus Ziyal, Nürnberger Rechtsanwalt und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, erklärt dazu: »Der Gesetzesentwurf definiert weder, was ›erhebliche Sicherheitsrisiken‹ sind und für wen diese bestehen müssen, noch was ›Veranstaltungen, die besonders gefährdet sind‹, darstellen sollen«. RAV-Mitglied und Münchner Rechtsanwalt Mathes Breuer ergänzt, »Es bleibt auch völlig nebulös, wer bspw. (nicht) zum Personenkreis zählt, deren Zugang zu bestimmten sicherheitsrelevanten Unterlagen kontrolliert werden soll. Zählen unbequeme Rechtsanwält*innen, die regelmäßig in Konflikt mit Sicherheitsbehörden und teilweise selbst im Visier des Verfassungsschutzes stehen, sobald sie Akteneinsicht nehmen, auch dazu? Der RAV lehnt eine solche Novelle entschieden ab«.
      Der Überprüfung der ›Zuverlässigkeit‹ – ein weiterer schwammiger Begriff – muss zwar von den Betroffenen zugestimmt werden. Hierzu formuliert das Bündnis #NoPAG treffend: »In der Praxis würde dies sozialer Erpressung gleichkommen: Wer künftig an Großveranstaltungen teilnehmen möchte, muss sich dafür zum Gläsernen Menschen machen«.

      Die geplante Verschärfung des PAG ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in die polizeiliche Kontroll- und Überwachungsgesellschaft. Bayern stellt sich hier wieder als Vorreiter für eine bundesweite und demokratiefeindliche Entwicklung auf, die zu verhindern ist.

      Der RAV ruft daher zur Teilnahme am breiten Protest des #NoPAG-Bündnisses in München auf:

      Am Sonntag, den 18.7.2021, um 14 Uhr auf der Theresienwiese in München

      Kontakt: RA Mathes Breuer, breuer@waechtler-kollegen.de sowie +49 175 5246963

      PM als PDF

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      PressemitteilungPolizeigesetzPolizeikontrollePolizeirecht
      news-796Fri, 02 Jul 2021 12:04:38 +0200Mehr Befugnisse für private Sicherheitsdienste?<br />Ein weiterer Angriff auf die Grundrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mehr-befugnisse-fuer-private-sicherheitsdiensteein-weiterer-angriff-auf-die-grundrechte-796Informations- und Diskussionsveranstaltung, 5.7.2021, 19:00 UhrZum 5.7.21 um 19 h wird hier zu einer Veranstaltung eingeladen, die sich mit dem kommerziellen Sicherheitsgewerbe und dessen Rolle in Unterkünften für Geflüchtete und im öffentlichen Raum gegen Wohnungslose und Jugendliche auseinandersetzt.
      Außerdem geht es uns um ein zunächst geplantes, für diese Legislaturperiode aber abgesagtes Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG_E), für das das Gewerbe hoheitliche Rechte fordert.

      Zur Teilnahme ist eine Anmeldung notwendig (s.u.).
      ***
      Immer wieder ist die Rolle von kommerziellen Sicherheitsdiensten (Security) in der gesellschaftspolitischen Diskussion ein umstrittenes Thema. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals sind intransparent und Übergriffe nicht selten.

      Seit Jahren fordern die Verbände der Sicherheitsunternehmen mehr Befugnisse für ihre Arbeit. Dies hätte mit einem ersten Gesetz für das Sicherheitsgewerbe, wie es im Koalitionsvertrag der GroKo vorgesehen war, Realität werden können. Durch die Corona-Pandemie verzögert sich dieses Vorhaben, und einen Gesetzesentwurf wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben. Doch das ist noch lange kein Grund aufzuatmen. Denn klar ist, sie werden weiter lobbyieren, und eindeutige Schritte in Richtung Befugnis-Erweiterung wurden bereits unternommen.

      Ein solches Gesetz könnte empfindlich in unsere Grundrechte eingreifen. Dies würde nicht nur Asylsuchende in Sammellagern treffen. Die Lobby für eine neu aufgestellte ›Hilfspolizei‹ sieht sich auch auf Großveranstaltungen (Fußballspiele, Festivals usw.) und im öffentlichen Raum (betroffen potentiell: Obdachlose, Jugendliche, Betroffene von Rassismus insgesamt) für ›Sicherheit‹ und ›Ordnung‹ zuständig.

      Wir wollen dazu gemeinsam mit Euch über rechts- und gesellschaftspolitische Fragen diskutieren und haben dazu Referierende eingeladen, die über den aktuellen Stand berichten werden. Im Einzelnen wollen wir berichten und diskutieren über:

        

      Diese und andere Fragen diskutieren wir mit

      Walter Schlecht (Aktion Bleiberecht, Freiburg/Brsg.)
      Anne-Marlene Engler (Humboldt Universität zu Berlin)
      Hartmut Aden (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin), tbc
      Andreas Abel (Gangway e.V., Berlin)
      Moderation Katharina Grote (Bayerischer Flüchtlingsrat e.V., München)

      Eine Veranstaltung von Lager-Watch (Aktion Bleiberecht, Freiburg/Brsg.; Pro Bleiberecht, Mecklenburg-Vorpommern; Bayerischer Flüchtlingsrat; Flüchtlingsrat Hamburg) und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.).

      Zugang
      Die Veranstaltung findet via ZOOM statt. Bei Interesse meldet Euch bitte über kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de an. Wir senden die Zugangsdaten dann per E-Mail zu. Die Teilnahme ist kostenlos.

      Diskutiert und mobilisiert wird alsbald auch unter #noSDLG_E

       

      Hintergrund der Veranstaltung
      In einem bundesweiten Zusammenschluss aus Initiativen und Organisationen der Geflüchteten-Solidarität haben wir uns in den letzten Monaten mit dem Problem rechtswidriger Hausordnungen und daraus resultierender Grundrechtsverletzungen durch kommerzielles Sicherheitspersonal beschäftigt. Dabei stießen wir auf das Vorhaben der Bundesregierung, erstmals ein sog. Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG-E) für kommerzielle Sicherheitsdienste zu erlassen. Dem in Rede stehenden Referent*innenentwurf ging eine »Workshop-Reihe« voraus. Durchgeführt wurde diese durch das BMI unter Teilnahme der großen Sicherheitsunternehmen und deren Lobbyverbänden. Kritische Stimmen und Positionen potentiell Betroffener wurden dabei nicht einbezogen. Das wollen wir ändern und laden Euch ein, uns gemeinsam breit mit dem Thema zu befassen und hier mehr Transparenz einzufordern. Denn das Gesetz ist ein Angriff auf unser aller Freiheit.

      Eine Zusammenfassung zum bisherigen Recherchestand findet sich hier:
      https://www.aktionbleiberecht.de/?p=18900

      Ihr könnt leider nicht teilnehmen, wollt aber zu dem Thema aktiv werden? Dann schreibt gerne an kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de. Wir informieren Euch darüber, wie es weitergeht.

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      LagerSicherheitsgewerbeVeranstaltungen
      news-795Tue, 29 Jun 2021 08:20:48 +0200Verhindern wir das undemokratische Versammlungsgesetz in NRW/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verhindern-wir-das-undemokratische-versammlungsgesetz-in-nrw-795Aufruf zur Teilnahme, Demonstration in Düsseldorf, 26.6.2021Achtung! Neuer Startpunkt!  

      Da die Demo größer wird, als ursprünglich erwartet, mussten wir den Startpunkt auf die Rheinwiesen verlegen. Die Sammlungsphase beginnt um 12:00 Uhr und die Auftaktkundgebung um 13:30 Uhr. Wir versuchen, für die Sammlungsphase Live-Musik zu organisieren, können dies aber leider nicht versprechen.

       

      Ihr gelangt zu den Rheinwiesen vom Hauptbahnhof mit der Bahn bis zur Haltestelle Luegplatz (Linien U74, U75, U76, U77). Die Bahnen werden im 3-Minuten-Takt fahren oder die Linien 708, 709 bis zum Landtag und über die Rhein-Kniebrücke zu den Rheinwiesen gehen. Wer linksrheinisch wohnt (z. B. Neuss, Krefeld oder Mönchengladbach) kann direkt zu den Rheinwiesen kommen und braucht nicht bis zum Düsseldorfer Hauptbahnhof zu fahren. Trotzdem ist damit zu rechnen, dass es gegen 13 Uhr am Düsseldorfer Hauptbahnhof sehr voll sein wird und alle in die Bahn wollen. Reist deshalb bitte deutlich früher als geplant an!

       

      Der RAV ruft alle Mitglieder – nicht nur aus NRW – auf zur Teilnahme an der zentralen Demonstration gegen den Gesetzesentwurf der nordrhein-westfälischen CDU/FDP-Regierung zum Versammlungsgesetz!

      26. Juni 2021 – 13:00 Uhr
      Startpunkt auf den Rheinwiesen. Die Sammlungsphase beginnt um 12:00 Uhr

       

      Dieses Gesetz muss abgewehrt werden.
      Der Entwurf verfehlt den zentralen Kern eines Versammlungsgesetzes: den Schutz der Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Der Entwurf ist vordemokratisch und atmet den Geist eines autoritären Staats (vgl. auch die ausführliche Stellungnahme des RAV, die gemeinsam mit der VDJ und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie verfasst wurde.
      Der Entwurf der Landesregierung ist durch ein tiefes Misstrauen gegen Bürger*innen geprägt, die vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Versammlungen werden alleinig als polizeilich zu behandelndes Problem – als Gefahr, der man begegnen muss – verstanden. Entsprechend sieht der Entwurf weitreichende Regulierungs-und Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei vor: Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung, Gefährderansprachen und weitere Maßnahmen. Zusätzlich werden Möglichkeiten der Kriminalisierung von Teilnehmenden und Veranstalter*innen stark ausgeweitet. Es werden neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten geschaffen, sowie Strafmaße erhöht. Der Versammlungsleitung werden umfangreiche Pflichten auferlegt, die Anmeldung von Versammlungen wird erschwert. Dass es der Landesregierung im Braunkohleland NRW insbesondere darum geht, konzernkritische Klimaproteste gegen RWE abzuschwächen, belegt die Gesetzesbegründung. Auch antifaschistische Proteste werden massiv erschwert, das Recht auf Gegendemonstrationen beschnitten.

       

      Rechtsanwältin Anna Busl, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, erklärt hierzu: »Die Ausübung der Versammlungsfreiheit, vom Bundesverfassungsgericht bezeichnet als ›ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren‹, wird durch diesen Gesetzentwurf zur ›Gefahr‹ erklärt, der polizeilich Einhalt geboten werden muss. Durch die Aufhebung der sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen kann gegen jeden Teilnehmer als ›Störer‹ polizeilich vorgegangen werden«.

       

      Alle aktuellen Informationen rund um den Bündnis-Aufruf und der Demonstration (Hygienekonzept, Demoroute, Redner*innenliste (für den RAV wird RAin Anna Busl sprechen), Aufstellung etc.) finden sich hier:
      https://www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de/

       

      RAV-Aufruf als PDF

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      VersammlungsfreiheitVersammlungsrecht
      news-794Tue, 29 Jun 2021 08:01:00 +0200#unteilbar – Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbar-fuer-eine-gerechte-und-solidarische-gesellschaft-794Aufruf zur #unteilbar-Demonstration am 4. September 2021 in BerlinDer RAV gehört zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs von #unteilbar und ist aktiv im Bündnis tätig. Wir freuen uns auf die Großdemonstration am 4. September, veröffentlichen hier den Aufruf und bitten die Mitgliedschaft und alle Freundinnen und Freunde, den Aufruf ebenfalls zu zeichnen. Alle Informationen finden sich unter www.unteilbar.org

         

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      #unteilbar – Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft!

      Aufruf zur #unteilbar-Demonstration am 4. September 2021 in Berlin

      Die politischen und gesellschaftlichen Missstände haben sich im vergangenen Jahr dramatisch zugespitzt. Weltweit wurde mit der Pandemie offensichtlich, was gesellschaftlich falsch läuft. Auch in Deutschland sind immer mehr Menschen von Armut betroffen oder haben Existenzängste. Gleichzeitig werden die Auswirkungen des Klimawandels immer bedrohlicher. Während Menschenfeindlichkeit und Rassismus vermehrt Zustimmung finden, sterben täglich Menschen an den EU-Außengrenzen.

       

      Gerade jetzt ist der Moment, um #unteilbar auf die Straße zu gehen: Stoppen wir die soziale Spaltung der Gesellschaft und die Verschärfung der Klimakrise! Streiten wir für eine Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst selbstbestimmt leben können und in der das Wohl aller im Mittelpunkt steht! Im Vorfeld der Wahlen machen wir unmissverständlich klar: Wir lassen nicht zu, dass soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt werden.

       

      So kann es nicht weitergehen.

       

      In der Coronakrise wird der Abstand zwischen Wohlstand und Armut noch größer. Menschen im Niedriglohnsektor, in prekärer Beschäftigung und ohne Einkommen werden nicht nur sozial und wirtschaftlich härter von der Krise getroffen. Sie haben auch ein deutlich erhöhtes Risiko, schwer an Covid 19 zu erkranken. Derweil steigen Mieten ungebremst. Viele Menschen müssen in zu kleinen Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Geflüchtete müssen in Lagern leben. Arbeitsmigrant*innen, etwa in der Fleischindustrie oder in der häuslichen Pflege, arbeiten oft jenseits aller sozialen Standards. Der große Personalmangel im Gesundheits- und Pflegebereich und, damit verbunden, die nicht hinnehmbaren Arbeitsbedingungen sind Folgen jahrzehntelanger Kommerzialisierung. Und es sind vor allem Frauen, die die Krise mit bezahlter und unbezahlter Sorge-Arbeit abfedern. Die Auswirkungen dieser Politik sind für uns alle spürbar: Sie verstärkt Ungleichheit und spaltet unsere Gesellschaft. Rassistische, antifeministische und antisemitische Gewalt nehmen zu.

       

      Die wachsende Ungleichheit zeigt sich auch auf internationaler Ebene: Statt Impfstoffe zu globalen öffentlichen Gütern zu machen – wie im letzten Jahr versprochen –, haben sich die reichsten Länder den Löwenanteil gesichert und die Patente bleiben in den Händen weniger Großunternehmen. Obwohl der Klimawandel ungebrochen voranschreitet, wird der dringend notwendige sozial-ökologische Umbau nationalen Egoismen und kurzfristigen Profitinteressen geopfert.

       

      Wir fordern andere politische Prioritäten:

          

      Für einen demokratischen Aufbruch der Vielen!

       

      Wir kommen aus antirassistischen Gruppen, der Krankenhaus- und Care-Bewegung, Mieter*innen-Initiativen, Menschenrechtsorganisationen, aus antifaschistischen Gruppen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, feministischen und queeren Gruppen, netzpolitischen Organisationen, der Anti-Kriegs-Bewegung und der Klimabewegung. Wir sind religiös oder nicht, BIPoC und Weiße, mit und ohne Migrationsgeschichte, jung und alt, mit oder ohne Behinderung, haben unterschiedliche Geschlechter und sexuelle Orientierungen. Gemeinsam gehen wir am 4. September 2021 in Berlin auf die Straße: #unteilbar für eine gerechte und solidarische Gesellschaft – gerade jetzt!

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      #unteilbar
      news-793Wed, 09 Jun 2021 13:18:54 +0200Internationaler "Fair Trial Day" und Verleihung des Ebru Timtik-Preises/publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationaler-fair-trial-day-und-verleihung-des-ebru-timtik-preises-793Online-Veranstaltung am 14.6.2021 von 15.00 – 17.15 h 

      Ausgehend von einem internationalen Zusammenschluss von Rechtsanwält*innen und ihren Organisationen machen wir hiermit auf eine Initiative aufmerksam, die ab diesem Jahr einen jährlichen »International Fair Trial Day« (IFTD), also einen »Tag für das faire Verfahren« begehen möchte. Unter anderem ist die EDA, in der der RAV Mitglied ist, hieran maßgeblich beteiligt.

       

      Namensgeberin des jährlich zu verleihenden Preises ist die Kollegin Ebru Timtik, die im letzten Jahr im Hungerstreik gegen ihre unrechtmäßige Verurteilung in der Türkei in der Haft verstarb.
      Das wohlklingende »Faire Verfahren« droht in immer mehr Ländern, auch solchen, die sich selber als Demokratien bezeichnen, zur Worthülse zu verkommen, was erhebliche Menschenrechtsverletzungen für die Betroffenen bedeutet.

       

      Zugleich bedeutet dies jedoch auf vielen Seiten der Zivilgesellschaft einen andauernden Kampf für Gerechtigkeit. Daran soll dieser Tag und der zu verleihende Preis mahnen und erinnern.

       

      Der Aufruf der Initiator*innen und der Organisationen und Einzelpersonen, die sich inzwischen angeschlossen haben, findet sich hier auf Deutsch und auf Englisch.

       

      Am 14.6.2021 wird hierzu von 15- 17.45 Uhr eine Online-Konferenz stattfinden, an der alle zur Teilnahme eingeladen sind.

      Hier das Programm:

       

      *****

       

      Agenda of the 1st International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award 14 June 2021 15.00 – 17.15 CEST

       

      N.B. – This event will be accessible both for participants and viewers:

       

      Participants

        

      Viewers

        

      First session: IFTD Online Conference 15.00 -16.30 CEST

       

      1. Introduction on behalf of the Steering Group of the International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award (5 min – 10 min)

       

      Irma van den Berg, President of Lawyers for Lawyers

       

      2. Keynote speech (15 min)

       

      Diego Garcia-Sayan, UN Special Rapporteur on the Independence of Judges and Lawyers

       

      3. Panel Discussion (interview) (1h)

       

      Moderator: Banu Güven, Turkish journalist

        

      4. Questions and Answers (10 min)

       

      Break (10 min)

       

      Second session: Ebru Timtik Award Ceremony
      16.40 – 17.15 CEST

       
      1. Introduction on behalf of the Steering Group of the International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award (10 min) by Dominique Attias, President of the Fédération des Barreaux européens (FBE)

      2. Presentation by the Award’s designers (10 min) by Kay Parker, Judd Moses Druce, and Caroline Wright

      3. Presentation of the Award to the Award Recipient’s Representative (15 min) by Attorney Seda Şaraldı, People's Law Office

       

      This event is organised by the Steering Group of the International Fair Trial Day and Ebru Timtik Award consisting of the Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE), European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH), European Bars Federation (FBE), European Democratic Lawyers (EDL-AED), French National Bar Council (CNB), International Association of Democratic Lawyers (IADL), International Association of Lawyers (UIA), International Bar Association’s Human Rights Institute (IBAHRI), Italian National Bar Council (CNF), Law Society of England and Wales, Lawyers for Lawyers (L4L), Ayşe Bingöl Demir and Serife Ceren Uysal

       

      Programm als PDF

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      Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)Repression gegen RechtsanwälteVeranstaltungen
      news-779Thu, 27 May 2021 08:47:48 +0200Grundrechte-Report 2021: Ungleiche Freiheiten und Recht in der Krise/publikationen/mitteilungen/mitteilung/grundrechte-report-2021-ungleiche-freiheiten-und-recht-in-der-krise-779Pressemitteilung anlässlich der Präsentation des neuen GRR am 26.5.2021Der diesjährige Grundrechte-Report beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Grundrechtseingriffen während der Covid-19 Pandemie. Wie der Bericht zeigt, treffen solche Einschränkungen besonders die schwächsten und vulnerabelsten Gruppen in der Gesellschaft.

      Heute erscheint der neue Grundrechte-Report unter dem Titel „Ungleiche Freiheiten und Rechte in der Krise“. Mitherausgeberin Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, kommentiert für die Redaktion: „Der diesjährige Grundrechte-Report zeigt, wie zahlreich die Grundrechtsverletzungen und -einschränkungen im letzten Jahr waren. Mit unserem ‚Alternativen Verfassungsschutzbericht‘ legen wir als Grund- und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland den Finger in die Wunde. Die Bundesregierung muss sich einigen Aufgaben stellen: Von grundrechtskonformer Pandemiebekämpfung über Respekt vor digitaler Privatsphäre zu zukunftstauglichem Klimaschutz und rassismusfreiem staatlichen Handeln.“

      Prof. Dr. Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin, stellt den Grundrechte-Report bei der Pressekonferenz vor und resümiert mit Blick auf die Erfahrungen im letzten Jahr: „Einschränkungen von Grundrechten treffen meist die schwächsten und vulnerabelsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Sie können sich am wenigsten dagegen wehren. Ungleiche Rechte spiegeln daher auch den strukturellen Rassismus in diesem Land.“

      Dies zeigt sich unter anderem an den haftähnlichen Kollektivquarantänen, die in Sammelunterkünften für Geflüchtete verhängt wurden. Hiervon berichtet Kawe Fatehi, der 2019 als kurdischer Aktivist vor politischer Verfolgung aus dem Iran nach Deutschland flüchtete: „Als ich am Morgen des 27. März 2020 aufwachte, war die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Halberstadt von Polizisten umstellt. Fünf Wochen standen wir unter kollektiver Quarantäne, hunderte Menschen auf engem Raum und ohne jeglichen Schutz vor Ketteninfektionen. Alle hatten Angst – zu Recht, denn auch ich wurde nach zweieinhalb Wochen Quarantäne positiv getestet.“

      Das Konzept der „Clankriminalität“ wird im diesjährigen Report in einem ausführlichen Beitrag kritisch beleuchtet. Wie Mohammed Chahrour von der Initiative „Kein Generalverdacht“ feststellt: „Sippenhaft und Kollektivschuld bleiben 2021 Bestandteil der gesellschaftlichen Realität für viele Menschen. Das Versprechen des Rechtsstaats wird bei ethnischen Minderheiten und sozial benachteiligten Gruppen nicht eingelöst: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich.“

      Neben diesen Themen beleuchtet der diesjährige Grundrechte-Report die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit während der Pandemie, die Zumutungen der Coronakrise für Beschäftigte im Gesundheitssektor, die prekären Bedingungen in Schlachtbetrieben und die ungleichen Auswirkungen der Pandemie im Bildungsbereich. Daneben wirft der Report Schlaglichter auf Themen wie digitale Rechte und Vorratsdatenspeicherung, die Verfassungsbeschwerden zum Klimaschutz und den „Cum-Ex“-Steuerskandal.

      Seit mehr als zwanzig Jahren erscheint der „Grundrechte-Report: Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland“. Die 43 Einzelbeiträge im 25. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2020. Der alternative Verfassungsschutzbericht analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

      Grundrechte-Report 2021 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgegeben von: Benjamin Derin, Jochen Goerdeler, Rolf Gössner, Wiebke Judith, Hans-Jörg Kreowski, Sarah Lincoln, Paul Nachtwey, Britta Rabe, Lea Welsch, Rosemarie Will. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M., Mai 2021, ISBN 978-3-596-70622-8, 267 Seiten, 12.00 Euro.
      Inhaltsverzeichnis: http://www.grundrechte-report.de/2021/inhalt/
      Rezensionsexemplare (auch als pdf) zu Pressezwecken können über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Carola Otte unter 030 - 2045 0256 oder info@humanistische-union.de.
      Bezugsmöglichkeiten: Das Buch ist ab sofort über den Buchhandel oder die Webseite der Herausgeber zu beziehen (http://www.grundrechte-report.de/quermenue/bestellen/).

      Der Grundrechte-Report 2021 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte

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      CoronaGrundrechte
      news-778Tue, 18 May 2021 10:49:01 +0200Videoconference within the Asylum Procedure /publikationen/mitteilungen/mitteilung/videoconference-within-the-asylum-procedure-778Auftakt einer Webinar-Serie, 27.5.21 um 20 hThis webinar-series critically highlights interesting case law, legal developments in Europe in Asylum and Migration Law.

      We are happy to start with:

      Videoconference within the Asylum Procedure

      27.5.2021 | 20 h

      The webinar will discuss a successful ruling of the Belgian Council of State against the use of videoconferences in asylum procedures.

      This webinar-series critically highlights interesting case law, legal developments in Europe in Asylum and Migration Law. We invite Lawyers to present interesting cases in order to share experiences and connect. We want to discuss the legal arguments but also the political context.

      The aim of these webinars is to share practical experiences and to start a European, and global, communication amongst Lawyers concernig Migration and Asylum.

      We are convinced we should organise strong positions amongst Lawyers to resist Fortress Europe and for the right of the freedom of movement.

      Zoom link:
      https://zoom.us/j/94967511847?pwd=OTQ3aW9LUjErTC9iWGRFQUg0LzlOdz09
      Meeting ID: 949 6751 1847
      Access code: 535239

      Wir bitten um Anmeldung unter folgender Adresse: minaz@bruttocarattere.org

      Die Anmeldung kann auf deutsch erfolgen, das Seminar wird in englischer Sprache stattfinden.

      Ein Kollege aus Belgien wird über sein erfolgreiches Verfahren gegen den Einsatz von Anhörungen per Videokonferenz in seinem Verfahren berichten. Die ungewöhnliche Uhrzeit erklärt sich mit den Gepflogenheiten der eurpäischen Kolleg:innen. Das Ganze ist ein Testlauf und wird organisiert von der EDA. Weitere Veranstaltungen, dann mit mehr zeitlichem Vorlauf, sind geplant.

      Die EDA ist ein europäischer Dachverband anwaltlicher Organisationen, in dem der RAV Mitglied ist.

      http://www.aeud.org/2021/05/webinar-videoconference-within-the-asylum-procedure/

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      Migration & Asyl (doublet)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)Migration & AsylVeranstaltungen
      news-777Mon, 10 May 2021 08:41:54 +0200Polizeigewalt und Ausnahmezustand in Kolumbien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeigewalt-und-ausnahmezustand-in-kolumbien-777Online-Veranstaltung, 11.5.2021 um 18 hMindestens 37 Tote. Große Demonstrationen, aber auch brutale Angriffe in Medellín, Cali, Bogotá und anderen Städten. Das Internet fällt immer wieder "überraschend" aus. Die Sondereinheit ESMAD veranstaltet Menschenjagden. Der Einsatz von Feuerwaffen gegen Protestierende wird Alltag. Mindestens 87 Personen sind verschwunden. Mindestens 1.700 Opfer von Polizeigewalt.
      Und nun der Ausnahmezustand?

      Was ist los in Kolumbien? Nach einem landesweiten Generalstreik wurde die Steuerreform zunächst zurückgenommen, der Finanzminister trat zurück. Die Proteste gehen aber weiter. Die neoliberale Regierung von Iván Duque wird von vielen Kolumbianer:innen nicht mehr als legitim angesehen. Wird der Ausnahmezustand verhängt? Was passiert dann? Lassen sich die Proteste noch stoppen? Und ist Polizeigewalt straflos?

      Mit Magaly Pino, Sprecherin für Menschenrechte der Bäuer:innenbewegung CNA aus Cali.

      Eine Veranstaltung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV).

      Dienstag, 11.5.2021 um 18:00 h.

      Link zur Teilnahme:
      https://zoom.us/j/99151206934?pwd=VlRpU2NNKy9oUDcvSDJycjA2dHdMdz09
      Meeting-ID: 991 5120 6934
      Kenncode: 780993

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      PolizeigewaltVeranstaltungenKolumbien
      news-776Thu, 06 May 2021 10:17:40 +0200Am 1. Mai hat die Frankfurter Polizei nicht »ihren Kompass verloren«<br />Sie ist wie üblich nach ihrem ureigenen Kompass gesegelt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/am-1-mai-hat-die-frankfurter-polizei-nicht-ihren-kompass-verloren-sie-ist-wie-ueblich-nach-ihrem-ureigenen-kompass-gesegelt-776Pressemitteilung Nr. 6/21 vom 6. Mai 2021In der Bewertung der Ereignisse vom 1. Mai in Frankfurt/M. beschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 3. Mai den Einsatz mit dem Satz, »Die Polizei hat den Kompass verloren«.(1) Diese Einschätzung greift bei weitem zu kurz und segelt weit am Ziel vorbei.

      Der Polizeieinsatz am 1. Mai in Frankfurt/M. stellt keine einmalige Entgleisung von ›BFE-Einheiten‹ (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) dar. Denn erst unlängst (am 23.04.2021) hatte das Amtsgericht Frankfurt über den Einsatz von Beamten der BFE ›68‹ zu entscheiden, eine dieser ›BFE‹ vom 1. Mai in Frankfurt. Eine der ›BFE‹, die sich zugleich rühmen, auch im Dannenröder Wald im Einsatz gewesen zu sein. Einsätze, die gleichfalls schwerverletzte Demonstrant:innen zur Folge hatten.

      Dass das Amtsgericht Frankfurt erst am 23.04.2021 die gewaltsamen Einsatzpraktiken von BFE-Beamt:innen unmissverständlich als das bezeichnet, was diese sind – eine »vorsätzliche rechtswidrige Straftat« im Amt (916 Ds 6153 Js 224821/19, HVT 23.04.2021) –, hat ganz offensichtlich keinerlei Resonanz gefunden.

      Gewalttätige Polizeiübergriffe wie am 1. Mai in Frankfurt/M. sind schon lange keine Ausnahme mehr, sondern stellen eine in Jahren entstandene polizeiliche Alltagspraxis dar, die u.a. entstehen konnte, weil es weder ein disziplinarisches noch ein strafrechtliches Einwirken gab. Urteile gegen Polizist:innen stellen eine absolute Ausnahme dar – was den Handelnden auch bekannt ist.

      Nicht selten übrigens ›exekutieren‹ ›BFE‹ (auch die des PP Frankfurt) auch dann noch vor Ort die Strafe (durch Schläge, oder – wie im Fall, der beim Amtsgericht Frankfurt/M. verhandelt wurde – durch eine Reihe von Schlägen), wenn die eigentliche polizeiliche Maßnahme bereits abgeschlossen ist.

      Und nicht nur das. Es werden extra-legal handelnde Polizeibeamt:innen nicht nur nicht bestraft, sondern mehr und mehr Strafgesetze geschaffen, die geeignet sind, anlasslose Gewalt im Nachhinein zu legitimieren, indem man betroffene Opfer strafrechtlich und zivilrechtlich verfolgt. So wurden auch von den Polizeibeamt:innen den 1. Mai betreffend namhaft gemachte Schwerverletzte kurzerhand zu »Beschuldigten« erklärt.

      »Mehr denn je zeigt sich, dass unabhängige Beschwerdestellen notwendig sind, um einer völligen Verrohung der Polizei wenigstens im Ansatz zu begegnen«, so Rechtsanwältin Verleih, Vorstandsmitglied im RAV. »Demonstrationen, die wie am 1. Mai in Frankfurt mit knöchernen Kopfverletzungen, gebrochenen Händen und Armen aufgelöst werden, sind nicht länger hinzunehmen«.

      Kontakt:
      Rechtsanwältin Waltraut Verleih, Souchaystraße 3, 60594 Frankfurt/M.
      Tel.: 069. 61093674. E-Mail: waltraut.verleih@advocat-frankfurt.de


      (1) Vgl. https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/polizei-ohne-kompass-kommentar-zu-vorfaellen-am-1-mai-in-frankfurt-17323448.html.

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      PolizeigewaltPressemitteilung
      news-775Wed, 05 May 2021 09:51:10 +0200Aushöhlung des Versammlungsrechts stoppen – Versammlungsfreiheit stärken, nicht beschränken!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aushoehlung-des-versammlungsrechts-stoppen-versammlungsfreiheit-staerken-nicht-beschraenken-775Erklärung des RAV, der VDJ und des Grundrechtekomitees zum Gesetzentwurf für ein Versammlungsgesetz für NRW, 5.5.21Der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie lehnen den von CDU und FDP vorgelegten Entwurf für ein Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen als undemokratisch ab. Der Entwurf verfehlt den zentralen Kern eines Versammlungsgesetzes: den Schutz der Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Der Entwurf ist vordemokratisch und atmet den Geist eines autoritären Staats.

      Die Versammlungsfreiheit ist – als kollektive Meinungsfreiheit – eines der wichtigsten politischen Grundrechte, das für den politischen Meinungskampf, die gesellschaftliche Teilhabe und die Sicherstellung von demokratischen Grundsätzen von zentraler Bedeutung ist. Tritt das Versammlungsgesetz für NRW wie vorgeschlagen in Kraft, würden die zentralen verfassungsrechtlichen  Grundsätze der Versammlungsfreiheit, wie sie seit dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1985 bestehen, unterlaufen. Dazu gehören die Autonomie in der Ausgestaltung der Versammlung, die Staatsfreiheit, der freie Zugang zur Versammlung und die Abwesenheit von Observation und Registrierung.

      Der Entwurf der Landesregierung ist durch ein tiefes Misstrauen gegen Bürger:innen geprägt, die vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Versammlungen werden alleinig als polizeilich zu behandelndes Problem – als Gefahr, der man begegnen muss – verstanden. Entsprechend sieht der Entwurf weitreichende Regulierungs- und Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei vor: Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung, Gefährderansprachen und weitere Maßnahmen.

      Zusätzlich werden Möglichkeiten der Kriminalisierung von Teilnehmenden und Veranstalter:innen stark ausgeweitet. Es werden neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten geschaffen, sowie Strafmaße erhöht. Der Versammlungsleitung werden umfangreiche Pflichten auferlegt, die Anmeldung von Versammlungen wird erschwert. Dass es der Landesregierung im Braunkohleland NRW insbesondere darum geht, konzernkritische Klimaproteste gegen RWE abzuschwächen, belegt die Gesetzesbegründung. Auch antifaschistische Proteste werden massiv erschwert, das Recht auf Gegendemonstrationen beschnitten.

      Rechtsanwältin Anna Busl, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, erklärt hierzu: „Die Ausübung der Versammlungsfreiheit, vom Bundesverfassungsgericht bezeichnet als ‚ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren‘, wird durch diesen Gesetzentwurf zur ‚Gefahr‘ erklärt, der polizeilich Einhalt geboten werden muss. Durch die Aufhebung der sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen kann gegen jeden Teilnehmer als ‚Störer‘ polizeilich vorgegangen werden.“

      Michèle Winkler, Referentin des Komitees für Grundrechte und Demokratie ergänzt: „Dieses obrigkeitsstaatliche Verständnis der Versammlungsfreiheit ist einer Demokratie unwürdig. Die Landesregierung führt einen gezielten Bruch mit dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts herbei. Der Versammlungsfreiheit wird ihr demokratischer Kern entzogen: Wenn Demonstrationen komplett polizeilich eingehegt und überwacht sind, werden sie jeglicher Wirkung beraubt.

      Rechtsanwältin Ursula Mende, Bundesvorstandsmitglied der VDJ unterstreicht: „Es ist offensichtlich, dass die Landesregierung die Kritik an ihrer desaströsen Klima- und Energiepolitik mithilfe des Versammlungsgesetzes zum Verstummen bringen will. Geradezu obsessiv wird auf die Klimabewegung verwiesen, um Verschärfungen zu begründen. Dies steht in starkem Kontrast zum Bundesverfassungsgericht, das gerade erst in einer historischen Entscheidung ein Klimaschutzgebot postuliert hat. Die Landesregierung täte gut daran, ihre politische Verantwortung wahrzunehmen, statt Protest gegen ihre desaströse Klimapolitik zu erschweren.

      Pressekontakte:
      Rechtsanwältin Anna Busl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Tel.: 030 44 67 92 16, busl@anwaltsbuero-bonn.de

      Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Tel.: 0177 272 19 84, michelewinkler@grundrechtekomitee.de

      Rechtsanwältin Ursula Mende, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen
      Tel.: 02151 152616, mail@vdj.de

      ***

      Nachfolgend die Argumentation im Einzelnen:

      Teil 1: Hintergrund und allgemeine Anmerkungen
      Teil 2: Kritik an spezifischen Regelungen im Gesetzentwurf (GE)
      Teil 3: Anforderungen an ein modernes, freiheitliches, grundrechtszentriertes Versammlungsfreiheitsgesetz

      Teil 1: Hintergrund und allgemeine Anmerkungen

      Bisher gilt für NRW kein eigenes Versammlungsgesetz, das Bundesgesetz findet Anwendung. Im Abstand von wenigen Monaten haben die Fraktionen der SPD sowie die Landesregierung aus CDU und FDP je einen Gesetzentwurf für ein Versammlungsgesetz für NRW vorgelegt. Am 6. Mai 2021 findet die Öffentliche Anhörung im Innenausschuss des Landes zu beiden Entwürfen statt. Aufgrund der Regierungsmehrheit von CDU und FDP und des demokratiegefährdenden obrigkeitsstaatlichen Gestus, der den Entwurf der Landesregierung kennzeichnet, konzentrieren wir die Kritik auf den Entwurf von CDU und FDP. Wir sehen uns zu folgenden Anmerkungen am vorgelegten Gesetzentwurf veranlasst:

       Zeitpunkt der Einbringung

      Der Zeitpunkt für das Einbringen der Gesetzesentwürfe spricht für sich. Seit über einem Jahr ist das gesellschaftliche Leben stark durch Infektionsschutzmaßnahmen eingeschränkt. Auch Versammlungen finden in deutlich geringerer Zahl und großenteils nur mit starken Einschränkungen statt. Ein verantwortlicher und rücksichtsvoller Umgang mit dem Pandemiegeschehen legt es Veranstalter:innen nahe, Versammlungen nur mit wenigen Teilnehmer:innen und kurzen Anfahrtswegen zu planen. Zahlenmäßig große Proteste sind nahezu unmöglich, zumindest aber verantwortungsvoll schwer umsetzbar. Unabhängig davon wurden in den vergangenen Monaten viele Versammlungen – auch mit ausgefeilten Hygienekonzepten – verboten oder durch Auflagen massiv beschränkt. In dieser Gemengelage ein Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen, das so massiv in ein demokratisches Freiheitsrecht eingreift, erweckt den Eindruck, dass die Landesregierung von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet den Moment nutzen will, um das Vorhaben ohne großen öffentlichen Dissens über die Bühne zu bringen.

       Missachtung demokratischer Teilhabe

      Der Beschluss zu Versammlungen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf vom 14. Mai 1985 („Brokdorf-Beschluss“) gilt als erstmalige ausführliche verfassungsrechtliche Einordnung der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG. Das Bundesverfassungsgericht stellte u.a. fest: „Versammlungen [sind] wesentliches Element demokratischer Offenheit [...] sie bieten die Möglichkeit zur öffentlichen Einflußnahme auf den politischen Prozeß, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und Protest.“ Versammlungen seien „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“. Viele der heute geltenden Leitsätze zur Versammlungsfreiheit rekurrieren immer noch auf diesen Beschluss und auf darauf aufbauende Verfassungsrechtsprechung. Dazu gehören insbesondere die Autonomie in der Ausgestaltung einer Versammlung, die Staatsfreiheit, der freie Zugang zu Versammlungen und die Abwesenheit von Observation und Registrierung.

      Mit dieser freiheitlichen Tradition scheint der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul brechen zu wollen. Schon am 23. April 2020 äußerte er in einer Innenausschusssitzung zum Thema „Versammlungen in NRW während der CoViD-19-Pandemie“: „Es gibt auch keinen Grund zu einer entsprechenden verfassungsrechtlichen oder rechtspolitischen Privilegierung der Grundrechtsausübung nach Artikel 8 des Grundgesetzes, zumal ich mich mit vielen anderen in der Meinung einig weiß, dass deren teils doch recht einseitig anmutende staatspraktische Bevorzugung in der Folge des sog. Brokdorf-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vielleicht auch in anderen Zusammenhängen einmal auf den Prüfstand gestellt werden sollte.“ Nach massiver Kritik an diesen Aussagen nahm Herbert Reul seine Aussage zurück und meinte, er sei missverstanden worden.

      Allerdings spiegelt sich genau diese Argumentationslinie nun erneut im Gesetzesentwurf wider. Um nicht als Regierungskoalition selbst in die Verlegenheit zu geraten, die Verfassungsrechtsprechung offen in Zweifel zu ziehen, wurde die Kritik anhand eines Zitats aus der Rechtswissenschaft formuliert: „Auch das Bundesverfassungsgericht darf, so wird aus der Staatsrechtslehre angemahnt, ‚nicht nach Gusto Grundrechtsfavoriten küren.‘“ und weiter: „[…] das Grundgesetz habe plebiszitäre Formen unmittelbarer Demokratie ganz bewusst nur für wenige, eng begrenzte Ausnahmefälle zugelassen. Der Beschluss lasse eine Unterscheidung zwischen Staatswillensbildung und Volkswillensbildung vermissen, dem abgestuften System der Vorformung des politischen Willens im Grundgesetz werde eine nivellierende Gleichgewichtung aller Faktoren der öffentlichen Meinung nicht gerecht. Das Gericht habe ferner ausgeblendet, dass die Ausnutzung des Sensationsbedürfnisses der Medien durch geschickte Versammlungs- und Demonstrationsveranstalter teilweise gerade zur Überrepräsentation von Versammlungsereignissen in der Berichterstattung führen könne, die nicht durch die politische Bedeutung der jeweiligen Versammlung, sondern durch die medienwirksame Aktion bis hin zu gezielten (und gefilmten) Rechtsverletzungen geprägt seien. [...]“ Dies zeigt nicht nur, dass hier tatsächlich der Bruch mit den Leitsätzen des Brokdorf-Beschlusses gesucht wird, sondern enthüllt auch eine Missachtung demokratischer Teilhabe. Überhaupt die „politische Bedeutung der jeweiligen Versammlung“ bewerten zu wollen, ist anmaßend.
      Wenn man dazu bedenkt, dass die Landesregierung in NRW massive klimapolitische Verwerfungen zu verantworten hat, bekommt dies einen weiteren Beigeschmack. Mit sich zuspitzender Klimakrise werden die Protestformen gegen die Braunkohleverstromung im Braunkohleland NRW immer diverser, die Proteste zahlreicher. Trotz umfangreicher Polizeieinsätze und massiver Desinformationspolitik haben die Proteste, insbesondere des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“, immer wieder tausende von Menschen angezogen. Im Brokdorf-Beschluss heißt es: „Demonstrativer Protest kann insbesondere notwendig werden, wenn die Repräsentativorgane mögliche Mißstände und Fehlentwicklungen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder aus Rücksichtnahme auf andere Interessen hinnehmen.

      Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erst in einer historischen Entscheidung ein Klimaschutzgebot nach Artikel 20a GG im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen anerkannt. Es hat damit auch all jenen Recht gegeben, die seit Jahren mit – teils spektakulären Protestformen – eine drastisch unzureichende Klimapolitik anklagen. Die Landesregierung täte gut daran, die zugrundeliegende Problematik inhaltlich anzugehen. Stattdessen will sie nun aber die Einführung eines Versammlungsgesetzes nutzen, um Proteste weitgehend unterbinden zu können. Die Gesetzesbegründung geht an einigen Stellen geradezu obsessiv auf Demonstrationen in Garzweiler ein, um bestimmte Regelungen zu rechtfertigen. Prof. Dr. Clemens Arzt von der HWR Berlin spricht dahingehend in seiner Stellungnahme(1) zutreffender Weise vom „Trauma Garzweiler“, das zu einem „durch gefahrenabwehrzentrierte Denksätze aufgeladenen Staatsverständnis“ führe, welches den Gesetzesentwurf durchziehe.

       Fehlende grundrechtsschützende Ausrichtung

      Die Neue Richtervereinigung bringt das sichtbarste Manko des Versammlungsgesetzentwurfs direkt zu Beginn ihrer Stellungnahme(2) auf den Punkt: „Entgegen dem selbst gesetzten Anspruch, eine umfassende Regelung zu schaffen, fehlt dem Gesetzentwurf nämlich sein Kern: das Versammlungsrecht. Die Reichweite und den Inhalt des Versammlungsrechts für den Rechtsanwender zu beschreiben, [...] müsste eine zentrale Aufgabe eines modernen Versammlungsgesetzes sein. Der Gesetzentwurf hingegen beschränkt sich auf die Aufarbeitung und „Weiterentwicklung“ der Regelungen zur Beschränkung und Beschneidung des nebulös bleibenden Grundrechts.“ Die Neue Richtervereinigung spricht dahingehend von einem „Versammlungsgesetz ohne Versammlungsrecht“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf. An keiner Stelle werden Pflichten der staatlichen Behörden zum Schutz der Versammlungsfreiheit ausformuliert.

      Im kürzlich in Kraft getretenen Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz werden „Schutz- und Gewährleistungsaufgaben“ definiert. § 3 VersFG BE verpflichtet u.a. dazu, friedliche Versammlungen zu schützen, die Ausübung der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, den ungehinderten Zugang zu Versammlungen zu ermöglichen, die freie Berichterstattung der Medien bei Versammlungen zu gewährleisten, einen schonenden Ausgleich zwischen der Versammlungsfreiheit und den Grundrechten Dritter herzustellen, sowie die Durchführung von Gegenversammlungen in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen. Nichts davon findet sich im Entwurf der Landesregierung von NRW.

      Diese verzichtet auch auf ein Deeskalationsgebot für die Polizei. Auch wenn die entsprechende Regelung in Berlin deutlich zu kurz greift und kein wirksames Deeskalationsgebot darstellt, scheint die Landesregierung in NRW gerade auch in Abgrenzung zu Berlin gänzlich auf ein Deeskalationsgebot zu verzichten (siehe Gesetzesbegründung S. 48), damit dieses nicht „als eine Art gesetzgeberischer Garantenpflicht und Erfolgshaftung missverstanden werden“ könne.


      Teil 2: Kritik an spezifischen Regelungen im Gesetzentwurf (GE)

      Keine Anwendung von Polizeirecht bei Versammlungen
      Der in § 9 GE geregelte generelle Verweis auf Eingriffsbefugnisse aus dem Polizeigesetz des Landes NRW ist ersatzlos zu streichen. Versammlungsbezogene Eingriffe sind im Versammlungsgesetz zu regeln. Das gebietet die Polizeifestigkeit von Versammlungen. Der Verweis eröffnet der Polizei den Zugriff auf sämtliche Eingriffsmaßnahmen des Polizeirechts. Dies ist abzulehnen. Insbesondere § 9 (4), nach dem die Abreise von einer Versammlung angeblich nicht mehr von der Versammlungsfreiheit gedeckt sei, steht in eklatantem Widerspruch zum Grundrechtsschutz nach Artikel 8 GG.

      Keine Kontrollstellen auf dem Weg zu Versammlungen
      Der GE sieht in § 15 die unbeschränkte Möglichkeit der Errichtung von Kontrollstellen vor. Die Polizei soll an diesen Kontrollstellen die Möglichkeit haben, Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen durchzuführen. Die Regelung, die keinerlei Gefahrenprognose voraussetzt, eröffnet die Möglichkeit, systematisch und routinemäßig den Zugang zu Versammlungen zu kontrollieren. Dies hätte einen immens einschüchternden Charakter. Insbesondere die Identitätsfeststellung auf dem Weg zu einer Versammlung kann eine erhebliche abschreckende Wirkung haben, weil das Recht auf Anonymität damit wegfällt. Die Regelung steht zudem der Verfassungsrechtsprechung entgegen, die es verbietet, den Zugang zu einer Demonstration durch die Behinderung von Anfahrten und schleppende vorbeugende Kontrollen unzumutbar zu erschweren oder ihren staatsfreien unreglementierten Charakter durch exzessive Observationen und Registrierungen zu verändern (siehe Brokdorf-Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81).

      Keine Einschüchterung durch sog. Gefährderansprachen
      Nach § 14 (1) GE soll die Polizei Personen auf dem Weg zu Versammlungen anhalten dürfen, um sie per sogenannter Gefährderansprache von möglichen verbotenen Handlungen abzuhalten. Auch das muss als Befugnis zur Einschüchterung verstanden werden und ist mit Blick auf Artikel 8 GG abzulehnen.

      Kein Ausschluss im Vorfeld von Versammlungen
      Nach § 14 (2) GE darf Personen im Voraus einer Versammlung die Teilnahme verboten werden. Zur Sicherstellung des Verbots soll eine Meldeauflage verhängt werden, d.h. die betroffene Person muss bei einer Polizeidienststelle vorstellig werden. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Personen grundsätzlich die Teilnahme an Versammlungen zu versagen und damit deren Grundrechtsausübung vollständig einzuschränken. Um entsprechende Erlasse im Vorfeld zu versenden, muss die Polizei auf personenbezogene Daten zugreifen können. Denkbar ist, dass die Polizei künftig Datenbanken mit unliebsamen Demonstrationsteilnehmer:innen anlegt, ähnlich derer, die es für Fußballfans bereits gibt. Auf Basis dieser Datenbanken würden dann Einzelpersonen von geplanten Versammlungen ausgeschlossen. Ermächtigungen für Versammlungsausschlüsse im Vorfeld haben in einem Versammlungsgesetz nichts zu suchen.

      Für beide zuvor genannten Punkte gilt: Sie laufen diametral dem verfassungsrechtlichen Grundsatz entgegen, dass nur im Falle einer konkreten Gefahr die Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden darf. Personen werden hierdurch künftig unter Generalverdacht gestellt und – wie in der Vergangenheit beobachtbar – aufgrund der ihren (zugeschriebenen) Gesinnung als „Gefährder“ eingestuft.  

      Begrenzung von Video- und Tonaufnahmen und deren Aufzeichnung – keine Aufnahmen im Geheimen
      Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungen stellen einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Problematisch ist auch hier die einschüchternde und abschreckende Wirkung von Videokameras. Jüngere Entscheidungen fordern daher sogar, dass Videobeobachtungsanlagen im Öffentlichen Raum während Versammlungen für die Teilnehmenden sichtbar abgedeckt werden. Begründet ist das damit, dass die verfassungsrechtlich unerwünschte Einschüchterungswirkung schon durch die bloße Präsenz entsprechender Überwachungsvorkehrungen entsteht. Die Rechtsprechung erkennt zudem an, dass schon sogenannte Übersichtsaufnahmen, wie sie in § 16 (2) GE vorgesehen sind, einen Eingriff in Artikel 8 GG darstellen. Deshalb sind diese nach dem Bundesverfassungsgericht nicht stets zulässig, sondern bedürfen einer Gefahrenprognose. Eine solche ist im Entwurf nicht vorgesehen. Erst recht dürfen diese Übersichtsaufnahmen, die vorgeblich zur „Lenkung des Polizeieinsatzes“ gestattet werden sollen, nicht aufgezeichnet werden – denn sonst könnten letztlich komplette Demonstrationen aufgezeichnet werden. Da unter § 16 (3) GE zusätzlich gestattet wird, die Aufnahmen unter bestimmten Voraussetzungen im Geheimen anzufertigen, verstärkt sich die Abschreckungswirkung nochmals.

      Keine neuen Pflichten & Strafen für Versammlungsleitung
      Für Veranstalter:innen und Anmelder:innen werden neue bürokratische Hürden errichtet. Nicht nur müssen deutlich mehr Angaben zu Person und Adresse gemacht werden, eine telefonische oder mündliche Anmeldemöglichkeit entfällt. Außerdem kann die Ausnahme von Samstagen, Sonn- und Feiertagen die Anmeldefrist auf bis zu vier Tage verlängern.
      Gemäß § 12 (2) GE kann die Behörde in bestimmten Fällen Namen und Adressen von Ordner:innen von der Veranstalter:in verlangen. Diese können einer „Geeignetheitsprüfung“ unterzogen werden. Zuwiderhandlungen gegen diese stattlichen Vorgaben können mit Bußgeld belegt werden. Das kann es Veranstalter:innen massiv erschweren, Ordner:innen für die Versammlung zu finden und erhöht den Aufwand im Vorfeld erheblich.

      Kein verdeckter Zwang zur Kooperation
      Durch § 3 GE wird ein verdeckter Zwang zur Kooperation eingeführt, insbesondere durch die Möglichkeit, den „Kooperationswillen“ des Veranstalters bei Maßnahmen nach § 13 GE (Beschränkungen, Auflösung, Verbot) zu berücksichtigen. Ein solcher Zwang ist rechtsstaatlich höchst bedenklich. Nicht die oder der Veranstalter:in ist in einer Begründungs- oder Rechtfertigungspflicht gegenüber den staatlichen Behörden, sondern im Gegenteil: Die staatlichen Behörden haben jegliche Beschränkung oder Auflage zu begründen und können diese nur rechtfertigen mit einer konkreten Gefahr für ein ebenso hohes Rechtsgut wie es die Versammlungsfreiheit darstellt. Indem ein Gebot zur Kooperation zu einer „Kooperationspflicht“ wird, wie es die Gesetzesbegründung (versehentlich?) selbst schreibt, kann das einer Behörde gegenüber nicht gefällige Verhalten zu einer Beschränkung von Artikel 8 Abs. 1 GG führen.

      Keine Ausweitung des Störungsverbots
      Das bisherige Störungsverbot nicht-verbotener Versammlungen wird mit § 7 GE erheblich ausgeweitet. War es nach dem bisher anzuwendenden Versammlungsgesetz des Bundes nur dann strafbar, wenn Gewalttätigkeiten vorgenommen oder angedroht oder grobe Störungen verursacht wurden, so soll es nach § 7 (2) Nr. 2 GE bereits verboten sein, Handlungen vorzunehmen, die auf die Förderung von Störungen gegen bevorstehende Versammlungen gerichtet sind. Zukünftig soll – strafbewehrt – bereits Folgendes unterbunden werden, wie es aus der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgeht: „Die Vorbereitung oder Einübung von Störungshandlungen ist auch dann verboten, wenn ein konkretes Versammlungsgeschehen nicht absehbar ist. Zusammenkommen müssen vielmehr lediglich eine subjektive Verhinderungsabsicht und objektiv Handlungen, die die Durchführung der Versammlung behindern können. Das ist bei einem „Blockadetraining“ der Fall, da es die Blockadefähigkeiten potenzieller Blockierer erhöhen und letztere zudem in ihrer Blockadeabsicht bestärken kann, was sich wiederum potenziell nachteilig für die blockierte Versammlung auszuwirken vermag.

      Eine solche Regelung ist evident verfassungswidrig: „Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt auch nicht nur solche Teilnehmer vor staatlichen Eingriffen, die die Ziele der Versammlung oder die dort vertretenen Meinungen billigen, sondern kommt ebenso denjenigen zugute, die ihnen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung zum Ausdruck bringen wollen. Der Schutz des Art. 8 GG endet jedoch dort, wo es nicht um die – wenn auch kritische – Teilnahme an der Versammlung, sondern um deren Verhinderung geht.“ (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1991 – 1 BvR 772/90 –, Rn. 16 - 17, juris)

      Und das OVG NRW stellte fest: „Soweit Beeinträchtigungen von einer Gegendemonstration ausgehen, stehen einander gleichgewichtige Grundrechtspositionen gegenüber, zwischen denen ein Ausgleich im Rahmen praktischer Konkordanz anzustreben ist." (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. September 2012 – 5 A 1701/11 –, Rn. 75, juris). Nicht nur der Aufruf zu gewaltfreien Blockaden von Aufmärschen faschistischer Parteien und Gruppierungen wird durch das geplante Versammlungsgesetz unter Strafandrohung von bis zu zwei Jahren gestellt. Selbst der Aufruf zu symbolischen Blockaden, also die öffentliche Auseinandersetzung zur Verhinderung faschistischer Aufmärsche würde hierdurch kriminalisiert. Demokrat:innen soll es in NRW zukünftig nicht mehr erlaubt sein, sich einem Neonaziaufmarsch entgegenzustellen.

      Die Behauptung, der Gesetzentwurf wolle insbesondere gegen Rechtsextreme vorgehen(3), entpuppt sich tatsächlich als ihr Gegenteil: Antifaschistischer Protest soll mittels des schärfsten Schwerts des Rechtsstaats – dem Strafrecht – sanktioniert und unterbunden werden.

      Keine Ausweitung von Vermummungs-/ Uniformierungs- / und keine Schaffung eines Militanzverbots
      Durch die im Entwurf unter den §§ 17 und 18 erfolgenden „Vermummungs-, Schutzausrüstungs- und Militanzverbote“ erfolgen weitreichende Ermächtigungen des Staates darüber zu entscheiden, wie eine Versammlung zu gestalten ist. „Indem der Demonstrant seine Meinung in physischer Präsenz, in voller Öffentlichkeit und ohne Zwischenschaltung von Medien kundgibt, entfaltet auch er seine Persönlichkeit in unmittelbarer Weise. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, wobei die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umganges miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.“ (BVerfGE 69, 315/345 – Brokdorf)
      Es ist daher zunächst und ausschließlich Sache der Veranstalter:innen und Teilnehmer:innen, ihre Versammlung zu gestalten. Dabei kann insbesondere der optischen Gestaltung eine herausragende Rolle zukommen, indem etwa farblich ein einheitliches Auftreten erfolgt, um einen gemeinsamen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, um Geschlossenheit und Entschlossenheit zu vermitteln.
      Durch den Gesetzentwurf wird diese Freiheit der staatlichen Direktive unterstellt. Sofern ein Verhalten durch die staatliche Behörde als „zur Identitätsverschleierung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet“ oder „als Schutzausrüstung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet“ (§ 17 GE) angesehen wird, ermöglicht dies ein staatliches Eingreifen und knüpft hieran sogar Strafbarkeit an. Unverdächtige Gegenstände wie Fahnenstangen, Schals und Sonnenbrillen werden dadurch zu möglichen Tatmitteln erklärt, durch die subjektiven Begriffe „geeignet für“, „gerichtet auf“ der staatlichen Einschätzung unterworfen und das Verhalten bereits mit einem Verbot belegt, ohne dass eine tatsächlich strafbare Handlung erfolgt.

      Auch das sogenannte Militanzverbot in § 18 GE ist von subjektiven Wertungen, mithin von Rechtsunsicherheit, geprägt und geeignet, Versammlungen in ihrer Wirkung einzuschränken. Verboten soll nach § 18 Abs. 1 VersG-E künftig sein, an einer Versammlung auch nur teilzunehmen, wenn diese „infolge des äußeren Erscheinungsbildes
      1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken,
      2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder
      3. in vergleichbarer Weise

      Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt.“ Hier ist ein Strafmaß von bis zu zwei Jahren Haft vorgesehen, auch wenn lediglich dazu beigetragen wird, dass eine Versammlung diesem Verbot zuwider läuft. Durch das „Militanzverbot” bekommt die Polizei ein Instrument in die Hand, nahezu jeden missliebigen, kämpferischen Demonstrationsblock mit Maßnahmen bis hin zu Auflösung und Festnahmen zu konfrontieren. Schon die Begriffe „in vergleichbarer Weise“, „vermitteln“ und „einschüchternd wirken“ sind nur schwer auszulegen und erfüllen das Bestimmtheitsgebot nicht. Ein Auftreten mag zudem für eine staatliche Behörde „einschüchternd wirken“, dies kann sogar das Anliegen einer Versammlung sein. Dass die Gesetzesbegründung auf die Garzweiler-Demonstrationen Bezug nimmt, zeigt gerade, dass öffentlichkeitswirksame Proteste in ihrer Wirkung verkleinert werden sollen.

      Dass diese Gesetzesbegründung auf die Begründungen zum Versammlungsgesetz von 1953 Bezug nimmt, zeigt, welche Wertigkeit der Versammlungsfreiheit zugesprochen wird: Die 1950er Jahre in der Bundesrepublik waren gerade von unter heutigen verfassungsrechtlichen Maßstäben unhaltbaren Versammlungsverboten geprägt (z.B. gegen die Remilitarisierung). Zudem muss auf die absurde Aneinanderreihung der nationalsozialistischen SA und SS mit dem heutigen „Schwarzen Block“ oder mit in gleichfarbige Overalls gekleidete Klimaaktivist:innen in der Begründung für das „Militanzverbot“ hingewiesen werden.

      Ein weiterer zu kritisierender Punkt in den geplanten §§ 17 und 18 GE sind die enthaltenen Anordnungsermächtigungen: Bezüglich Vermummung und Schutzausrüstung darf die Polizei künftig festlegen, welche Gegenstände vom Verbot betroffen sein können. Im Falle des Uniformierungsverbots darf sie zusätzlich zu Gegenständen sogar verordnen, welche „Verhaltensweisen“ verboten sein sollen. Diese Anordnungsermächtigungen nehmen den Versammlungsteilnehmer:innen jegliche Planungssicherheit und Autonomie in der Gestaltung ihrer Versammlung. Dagegen legen sie zu viel Gestaltungsspielraum in die Hände der Polizei. Es ist nicht sichergestellt, dass nicht künftig bei jeder Versammlung schon im Vorfeld pauschal stark einschränkende Anordnungen getroffen werden. Das ist insbesondere problematisch, weil nach § 28 GE die Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit Bußgeldern belegt wird. Dies schafft Unsicherheit und kann Abschreckungswirkung entfalten.

      Keine Datenerhebung von Ordner:innen
      Aus nahezu jedem Grund, den die Polizei als eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ annimmt, müssen Veranstalter*innen eine Liste mit Namen und Adressen der Ordner*innen herausgeben. Diese Datenerhebung findet zur Überprüfung der Personen statt, die damit staatlich erfasst und eventuell auch gespeichert bleiben. Allein die Nichtbefolgung der Anweisung, Namen und Adressen von Ordner*innen zu nennen, kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 1.500 Euro geahndet werden. Zudem hat die Polizei ein Ablehnungsrecht der vorgesehenen Ordner:innen und somit eine Möglichkeit, die Organisation einer Versammlung stark zu behindern.

      Kein Ausbau des Katalogs an Ordnungswidrigkeiten und keine Erhöhung von Strafmaßen
      Der Gesetzentwurf würde sechs zusätzliche Ordnungswidrigkeitentatbestände schaffen, die es bisher nicht gibt. So sollen z.B. vorgeblich störende Handlungen, die nicht strafrechtlich verfolgt werden können, künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Wer einen Schal und eine Sonnenbrille auf dem Weg zu einer Demonstration in der Tasche hat, kann dem Wortlaut nach zukünftig ein Bußgeld erhalten. Wer mit einem Gegenstand zur Versammlung geht, der durch eine Anordnung der Polizei als verboten gilt, handelt künftig ordnungswidrig. Somit bekommt die Polizei weitreichende Möglichkeiten, gegen Proteste vorzugehen. Die Bußgeldandrohungen verdreifachen bzw. versechsfachen sich auf bis zu 3.000 Euro.
      Strafandrohungen, die bisher bei maximal einem Jahr Gefängnis lagen, werden teilweise nun auf bis zu zwei Jahre Gefängnis verdoppelt. Dazu gehört das Strafmaß zum Vermummungsverbot, zum Waffen- und Schutzausrüstungsverbot und die Gewaltdrohung gegen Versammlungsleitung oder Ordner:innen.


      Teil 3: Anforderungen an ein modernes, freiheitliches, grundrechtszentriertes Versammlungsfreiheitsgesetz

      Neben der detaillierten Kritik der schwerwiegendsten Unzulänglichkeiten des Gesetzesentwurfs von CDU und FDP ist es uns ein Anliegen, konkrete Vorschläge für ein modernes, freiheitliches und grundrechtszentriertes Versammlungsfreiheitsgesetz zu machen, das den Namen verdient. Wir wollen an einigen Punkten verdeutlichen, wie in einem Versammlungsgesetz die Versammlungsfreiheit zum Ausdruck kommen könnte; wohlwissend, dass der beste Schutz des Grundrechts der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit nur dessen aktive und mutige Wahrnehmung ist."

      Die Versammlungsbehörde sollte nicht Teil der Polizei sein
      Die Aufgaben der Polizei sind die Verfolgung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren. Die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit passt nicht zu diesem Aufgabenbereich, es ergeben sich dauerhaft Zielkonflikte, die regelmäßig zugunsten der polizeilichen Perspektive aufgelöst werden. Die Polizei ordnet Versammlungen als Gefahr ein, Teilnehmer sind potentielle Störer:innen. Versammlungsbehörde und Polizei sind daher zu trennen. In NRW wird nunmehr stattdessen nach § 32 GE die Kreispolizeibehörde als zuständige Versammlungsbehörde festgeschrieben.

      Die Anzeigepflicht ist zu begrenzen
      Die Anzeigepflicht für Versammlungen ist zu begrenzen auf solche, die aufgrund ihrer zu erwartenden Größe eine vorherige behördliche Befassung erforderlich machen. Es ist unverhältnismäßig, wenn sich bspw. drei Personen mit einem Transparent auf einen Fußweg stellen wollen und dies unter Bußgeldandrohung vorher anmelden müssen.

      Verpflichtende behördliche Reaktionszeiten
      Der Gesetzentwurf sieht nicht vor, dass die Behörde innerhalb einer bestimmten Zeit, etwa ebenso innerhalb von 48 Stunden, verpflichtet ist, etwaige Beschränkungen oder Auflagen zu verfügen. Dies aber wäre, gerade vor dem Hintergrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes, begrüßenswert. In der Vergangenheit – und in besonders verschärfter Weise vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den zusätzlichen Eingriffsermächtigungen durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) – waren Veranstalter:innen damit konfrontiert, erst wenige Stunden vor einer geplanten Versammlung einen Auflagenbescheid bis hin zur Verbotsverfügung zu erhalten. Das hatte mitunter zur Folge, dass effektiver Rechtsschutz, ggf. bis zum BVerfG, zeitlich nicht mehr möglich war, Rechte damit unwiederbringlich verloren waren.

      Vermummungs-, Schutzwaffen- und Militanzverbot generell abschaffen
      Die Vermummungs-, Schutzwaffen- und Militanzverbote sind generell abzuschaffen. Sie kranken daran, dass nicht-strafbares Verhalten, wie das Tragen einer Fahnenstange oder das Tragen gleichartiger Kleidungsstücke, durch eine staatliche, notwendig subjektive Einschätzung kriminalisiert wird. Eine rechtssichere Unterscheidung zwischen legalem und illegalem Verhalten ist dem Einzelnen damit unmöglich. Das bereits bei seiner Einführung 1985 bzw. 1989 als autoritär kritisierte Vermummungsverbot ist abzuschaffen. Gerade die Erfahrungen der letzten Monate mit Mund-Nasenschutz bei Versammlungen haben gezeigt, dass sich die Vorannahme nicht bestätigt, anonym teilnehmende seine per sé gefährlich. Für eine Demokratie ist die anonyme Meinungsäußerung ein elementarer Bestandteil. Für Antifaschist:innen kann es überlebenswichtig sein, nicht identifizierbar zu sein.

      Begrenzung des Anwesenheitsrechts der Polizei
      Die Landesregierung hat das im bisherigen Bundesgesetz und auch in anderen Ländergesetzen vorgesehene Gebot, dass sich die Polizei sowohl bei Veranstaltungen unter freiem Himmel als auch in geschlossenen Räumen zu erkennen zu geben hat, weggelassen. Es sollte keine pauschale Befugnis zur Anwesenheit für die Polizei geben. Immer häufiger führt deren Anwesenheit dazu, dass die Präsenz der Polizei das Bild der Demonstration prägt und damit für Teilnehmer:innen wie Dritte einschüchternd wirken kann. Erst recht muss es eine Vorschrift geben, die die Polizei verpflichtet, sich zu erkennen zu geben. Dies sollte auch nicht auf die Veranstaltungsleitung begrenzt sein und ein Verbot umfassen, Polizeikräfte in Zivil ohne Kennzeichnung in Versammlungen einzusetzen.

      Die öffentliche Ordnung ist als Eingriffsrechtfertigung zu streichen
      Statt den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ zu streichen, wird dieser als Teil der Ermächtigungsgrundlage in § 13 GE erneut genannt. Der Begriff der öffentlichen Ordnung umfasst „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung des geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird“ (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315 (352)). Schon daraus wird ersichtlich: Aus rechtsstaatlichen Gründen ist eine solche Ermächtigungsgrundlage nicht haltbar. Sie öffnet willkürlichem Handeln des Staates Tür und Tor, da die „öffentliche Ordnung“ inhärent unbestimmt ist. Dass diese Willkür bereits durch den Gesetzentwurf angelegt ist, dass nicht die Beschränkung, sondern die Ausweitung der Anwendung der „öffentlichen Ordnung“ impliziert wird, wird erneut in der Begründung deutlich: „Angesichts zunehmender Verrohungs- und Verhetzungstendenzen auch im Zusammenhang mit Versammlungen sollte es dabei bleiben, dass die öffentliche Ordnung als versammlungsrechtliches Schutzgut erhalten bleibt. Sollten die entsprechenden Tendenzen anhalten, wäre zu hoffen, dass die Bedeutung der öffentlichen Ordnung in der Versammlungspraxis eher zu- als abnehmen sollte.
      Auch verfassungsrechtlich ist diese Ermächtigungsgrundlage mit Artikel 8 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Denn danach darf eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen. „Ungeschriebene Regeln“ sind gerade kein Gesetz.


      (1) https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-3834.pdf
      (2) https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-3823.pdf
      (3) Vgl. Christos Katzidis, CDU Landtagsabgeordneter, Generalanzeiger, 07.02.2021

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      VersammlungsfreiheitPressemitteilungVersammlungsrechtVersammlungsrecht
      news-774Tue, 04 May 2021 10:57:32 +0200Und immer noch: Afghanistan ist nicht sicher!<br />Stoppt alle Abschiebungen nach Afghanistan! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/und-immer-noch-afghanistan-ist-nicht-sicher-stoppt-alle-abschiebungen-nach-afghanistan-774Pressemitteilung vom 4.5.21 des bundesweiten Netzwerks gegen Abschiebungen nach AfghanistanUngeachtet der verheerenden Sicherheitslage und der massiven Ausbreitung des Covid19 Virus schiebt Deutschland weiter monatlich nach Afghanistan ab. In das unsicherste Land der Welt(1). Immer und immer wieder.
      Der letzte Abschiebeflug aus Berlin ist noch nicht einmal einen Monat her (7. April 2021), da war schon der nächste Abschiebeflug für heute, den 4.5. anberaumt. Der Flug wurde nun aus Sicherheitsgründen abgesagt, um die mitfliegenden Beamt*innen der Bundespolizei zu schützen. Wir fordern sofortige politische Konsequenzen in Form eines bundesweiten generellen Abschiebestopps für Afghanistan.

      Es fehlen mittlerweile die Worte für das menschenfeindliche Handeln des Bundesinnenministers Horst Seehofer und das vieler Innenminister der Bundesländer. Alles ist gesagt - es gibt sowohl Gerichtsurteile(2) wie auch Beschlüsse der Regierungsparteien einzelner Bundesländer(3), um die Abschiebungen auszusetzen. Und dennoch müssen wir jeden Monat aufs Neue öffentlich machen, was Abschiebungen nach Afghanistan bedeuten. Menschen werden fremdbestimmt außer Landes geschafft, in ein Land, das viele nur aus ihrer Kindheit kennen oder noch nie gesehen haben. Ein Land, in dem viele der Abgeschobenen keine Netzwerke oder Strukturen haben, die sie vor Obdach- und kompletter Mittellosigkeit bewahren. Die Situation in Afghanistan ist durch die Pandemie, wie auch den Krieg für jeden Menschen akut lebensbedrohlich!

      Horst Seehofer und die sich an den Abschiebungen beteiligenden Bundesländer ignorieren nach wie bevor BEWUSST die gerichtlichen Entscheidungen, die bestätigen, dass derzeit sogar junge gesunde Männer nicht nach Afghanistan abgeschoben werden dürfen.
      Auf dem Rücken von afghanischen Menschen wird im Vorwahlkampf Hardliner-Politik gemacht und immer wieder das Narrativ des Gefährders und Straftäters bedient, der nach Afghanistan abgeschoben wird. Abgesehen von der Tatsache, dass auch Menschen ohne Vorstrafen abgeschoben werden, verbietet sich die Abschiebung nach Afghanistan für alle Menschen. Deutschland hat nicht erst durch die seit 2001 stattfindende militärische Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan eine besondere Verantwortung den vor diesem Krieg geflohenen Menschen gegenüber.
      Ebenso hat sich Deutschland durch das Unterzeichnen der Genfer Konventionen(4) und der New Yorker Erklärung(5) dazu verpflichtet, Schutz suchenden Menschen diesen Schutz zu gewährleisten. Deutschland kommt seiner Verantwortung somit in doppelter Weise nicht nach!

      Nicht nur werden schutzsuchende Menschen während einer globalen Pandemie abgeschoben, sondern auch in ein Land, in welchem die deutsche Bundeswehr und weitere NATO-Truppen zunächst als aktive Kriegsparteien das Leben dieser Menschen (mit)gefährdet haben und zudem die zukünftige Sicherheitslage nach dem Abzug der Truppen völlig unvorhersehbar ist.

      Der Schutz von Menschenleben während einer globalen Pandemie einzigartigen Ausmaßes kann nicht an nationalen Grenzen halt machen und vom Aufenthaltsstatus oder der Nationalität abhängen.

      Wir lassen nicht zu, dass sich die Öffentlichkeit an Abschiebungen nach Afghanistan gewöhnt. Unsere Forderung bleibt bestehen:
      Keine Abschiebungen nach Afghanistan! Afghanistan ist nicht sicher! #AfghanistanNotSafe


      Unterzeichner:innen:

      1. Jugendliche ohne Grenzen
      2. Yaar e.V.
      3. Women in Exile and Friends
      4. AfghanistanNotSafe KölnBonn
      5. Migrantifa Berlin
      6. We’ll Come United Berlin Brandenburg
      7. Afghanisches Kommunikations- und Kulturzentrum e.V.
      8. Zaki – Bildung und Kultur e.V.
      9. Afghanisch-Deutscher Kulturverein Flensburg
      10. Verein für Iranische Flüchtlinge e.V.
      11. #SyriaNotSafe
      12. Sea-Watch e.V.
      13. LAMA der GEW Berlin
      14. IPPNW AK Flucht & Asyl
      15. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
      16. Bayerischer Flüchtlingsrat
      17. Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
      18. Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      19. Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
      20. Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
      21. Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
      22. Flüchtlingsrat Bremen e.V.
      23. AK Asyl - Flüchtlingsrat RLP e.V.
      24. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.
      25. Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
      26. Seebrücke Berlin
      27. Seebrücke Lübeck
      28. Seebrücke Fürth
      29. Seebrücke Bochum
      30. Seebrücke Potsdam
      31. Seebrücke Münster
      32. Seebrücke Köln
      33. BBZ- Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
      34. Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB)
      35. AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
      36. Xenion e.V.
      37. Moabit hilft e.V
      38. CHoG- CHAMPIONS ohne GRENZEN e.V.
      39. Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf
      40. BZSL e.V.
      41. MeG betreutes Wohnen gGmbH
      42. Härtefallberatung-Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      43. KommMit e. V.
      44. Flüchtlingsbeauftragter im Ev.-Luth. Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde
      45. Fremde brauchen Freunde e.V., Nordfriesland
      46. Sprungbrett Zukunft Berlin e.V.
      47. Bleibe.e.V.
      48. InterAktiv e.V.
      49. Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen (ZBBS) e.V.
      50. Leiterin der Beratungsstelle von Yekmal e. V.
      51. Flüchtlingsrat Oberhausen e.V.
      52. Bon Courage e.V.
      53. AK Asyl Göttingen
      54. weltweit - die Freiwilligengruppe von Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
      55. Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf
      56. AG Bleiben Köln
      57. Mosaik Köln Mülheim e.V.
      58. AK Antira Magdeburg
      59. Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt
      60. Café Internationale(Merseburg)
      61. MediNetz Bielefeld
      62. move on - menschen.rechte tübingen e.V.
      63. Bündnis Bleiberecht Tübingen
      64. Kommission für Bürgerarbeit Pankow
      65. Place4Refugees e.V.

      *****
      (1) https://www.visionofhumanity.org/wp-content/uploads/2020/10/GPI_2020_web.pdf
      (2) https://www.asyl.net/view/detail/News/rechtsprechungsuebersicht-pandemiebedingte-gefahrenlage-bei-rueckkehr-nach-afghanistan/
      (3) Z.B. Berlin: https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/keine-abschiebungen-nach-afghanistan-und-syrien/
      (4) https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/03/Genfer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf
      (5) https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/05/New-Yorker-Erklärung-Kurzinformation.pdf

       

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      AbschiebungenMigration & Asyl (doublet)PressemitteilungMigration & Asyl
      news-773Tue, 27 Apr 2021 12:13:14 +0200Landfriedensbruch oder Demokratiebruch?<br />Zur Geschichte und Gegenwart eines Paragraphen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/landfriedensbruch-oder-demokratiebruch-br-773Online-Veranstaltung | 28.5.21 | Podiumsdiskussion | 19:30 - 21:00hDemonstrationen waren und sind Kampfmittel gegen Obrigkeitsstaat und Diktatur. Für eine Demokratie ist die freie Versammlung wichtig wie die Luft zum Atmen. Doch sieht sich die Versammlungsfreiheit vielfältigen Angriffen ausgesetzt. So finden zunehmend vor allem links gerichtete Versammlungen nur noch unter enger polizeilicher Kontrolle statt. Auseinandersetzungen, Festnahmen und strafrechtliche Verfolgung mit den Vorwürfen des „tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte“ (§ 114 StGB) oder des „Landfriedensbruchs“ (§ 125, 125a StGB) sind auch gegen Teilnehmer:innen alltäglich geworden, die sich an etwaigen Angriffen oder Gewalttätigkeiten gar nicht beteiligt haben.

      Dabei ist schon seit einer Gesetzesreform im Jahr 1970 die bloße Anwesenheit in einer unfriedlichen Versammlung nicht mehr strafbar. Nur wer als „Täter“ oder „Teilnehmer“ an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen“ beteiligt ist, die aus einer Menschenmenge heraus begangen werden, kann sich des Landfriedensbruchs strafbar machen.

      In der justiziellen Aufarbeitung von G20 wird gerade versucht, wieder das einfache „Mitmarschieren“ als Teilnahmehandlung unter Strafe zu stellen. Auch in der Politik gibt es immer neue Initiativen, um den Zustand vor 1970 wieder herzustellen. Zuletzt war es Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul, der im Dezember 2020 unter Hinweis auf die Auseinandersetzungen im Hambacher Forst eine Rechtslage forderte, die ein Vorgehen auch gegen Demonstrierende erlaube, „die Gewalttäter allein durch ihre physische Präsenz schützen“.

      Dabei hatte im Jahr 1985 das Bundesverfassungsgericht in dem schon legendären „Brokdorf-Beschluss“ festgeschrieben, dass Versammlungen ein verfassungsrechtlich schützenswertes „Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie enthielten, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren.“ Mit dieser Veranstaltung wollen wir der Frage nachgehen, wie viel von diesem Versprechen noch übrig geblieben ist und was wir tun müssen, um die Versammlungsfreiheit wieder stark zu machen.

       

      Gabriele Heinecke ist seit vielen Jahren Rechtsanwältin in Hamburg und hat in zahlreichen Demonstrationsstrafverfahren verteidigt, in jüngerer Zeit in den Fällen des anlässlich G20 am „Rondenbarg“ anwesenden Italieners „Fabio“ und in dem „Elbchaussee-Verfahren“.

      Dr. Dr. Peter Ullrich ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Protest- und Bewegungsforschung, hat das Projekt „Mapping #NoG20“ geleitet und ist Co-Bereichsleiter „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ am Zentrum Technik und Gesellschaft, TU Berlin.

      Dr. Oliver Harry Gerson ist Jurist und wissenschaftlicher Assistent/ Habilitand am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht von Prof. Dr. Robert Esser (Universität Passau). Er hat in dem „Elbchausseeverfahren“ für die Verteidigung ein umfangreiches Gutachten zu den Beteiligungsformen des §§ 125, 125a StGB erstellt.

       

      Termin:
      28.5.21 | 19:30 - 21:00 h

      Veranstaltung:
      https://zoom.us/j/99264445043?pwd=d2NPN1JWcDFsdHBDLy9nVUhEVDZXdz09
      Kenncode: 798520

       

      Online-Flyer (PDF)

       

      *****************

       

      Der RAV bietet zusätzlich zu diesem Thema auch eine (kostenpflichtige) Fortbildung gem. FAO am 28.05.2021 von 16 - 19 Uhr an.
      Mehr Informationen und Anmeldeoptionen unter: https://www.rav.de/fortbildung/seminare/seminar/verteidigung-gegen-den-vorwurf-des-landfriedensbruches/3f059cd63c5ad9d0ca3d49bcdefeb1a2/

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      VersammlungsrechtVersammlungsrechtVeranstaltungen
      news-771Thu, 15 Apr 2021 11:30:54 +0200Bundesverfassungsgericht kippt den ›Berliner Mietendeckel‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietendeckel-771Pressemitteilung 5/21 vom 15.4.2021Mit Befremden hat der RAV die überraschende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom heutigen Tage zum MietenWoG Berlin (›Berliner Mietendeckel‹) zur Kenntnis genommen. Aus Sicht des RAV ist die Entscheidung sowohl in rechtlicher Hinsicht, als auch wegen ihrer sozial- und wohnungspolitischen Folgen falsch.

      Mit blindem Formalismus verneint das BVerfG die Gesetzgebungskompetenz des Landes. »Es lässt damit die Lebensrealität vieler Mieterinnen und Mieter vor allem in den Ballungsgebieten außer Acht, die mit der erdrückenden Last immer weiter steigender Mieten konfrontiert sind«, so Rechtsanwalt und RAV-Mitglied, Henrik Solf. Mit den in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft geäußerten rechtlichen Argumenten für eine Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Wohnungswesens setzt sich das Gericht in der durch zahlreiche Veröffentlichungen gebotenen Aufmerksamkeit nicht auseinander.

      Vielmehr bedient es im Wesentlichen das von den Interessenverbänden der Vermieter:innenseite lancierte Dogma, Regelungen zu Miethöhen seien lediglich im »bürgerlichen Recht« zu regeln und stünden unter dem unbedingten Primat der Privatautonomie. Dass der Bund offensichtlich nicht abschließend und wirksam auf die Anforderungen an ein soziales Mietrecht reagiert hat, zeigt die Entwicklung insbesondere auf den Mietmärkten, die von Verdrängung und enormem Preisdruck auf die Mieter:innen geprägt sind.

      Dennoch sind die Anstrengungen des Landes Berlin nicht umsonst gewesen. In den letzten beiden Jahren hat sich eine breite gesellschaftliche Diskussion über gerechte Mieten entwickelt. Gleichzeitig hatte der ›Berliner Deckel‹ der bundesweit geltenden Mietpreisbremse, die aufgrund ihrer vielen Ausnahmebestimmungen nur mäßig wirkt, erstmals Zähne verliehen.

      »Wenn nun das MietenWoG nach Ansicht des BVerfG an der fehlenden Landeskompetenz scheitert«, so Rechtsanwalt Benjamin Hersch und RAV-Vorstandsmitglied, »muss jetzt dringend auf den Bund geschaut werden – ganz besonders in Hinblick auf die anstehenden Wahlen«. Zudem gilt es nach Auffassung des RAV nun umso mehr, die Initiative ›DW & Co. Enteignen‹ zu unterstützen und voranzubringen. Ein breit aufgestellter kommunaler Wohnungssektor hat die Chance, mietpreisdämpfende Wirkung zu entfalten.

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      MietendeckelPressemitteilung
      news-770Wed, 14 Apr 2021 16:53:53 +0200StN zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zur-gebotenen-gesetzlichen-kodifizierung-des-einsatzes-von-v-personen-770Anlässlich der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen BundestagesStellungnahme zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen für den Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltverein e.V. sowie für die Strafverteidigervereinigungen gelegentlich der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages

      Verfasser: Rechtsanwalt Stefan Conen, Berlin

      Hierbei ist noch anzumerken, dass es im Gange der hier beschriebenen Polizei keine Spitzel, keine heimlichen Aufklärer bedarf. Verheimlichung ist alle Male klein, niedrig und unmoralisch (...) Wem soll denn der Staat diesen entehrenden Auftrag geben? Soll er selbst zur Ehrlosigkeit und Unmoralität aufmuntern, und sie zur Pflicht machen? Dann, wenn der Staat einmal bei einigen Menschen Heimlichkeit autorisiert, wer ist ihm denn Bürge, dass nicht diese selber ihre Verborgenheit zum Vergehen nutzen?

      Johann Gottlieb Fichte(1)

      1.
      Schon seit längerem wird eine gesetzliche Grundlage für das Tätigwerden von sog. V-Personen gefordert. Die in der Rechtsprechung und Praxis bislang herangezogenen allgemeinen Kompetenzbeschreibungen der §§ 161, 163 StPO erweisen sich bei näherer Betrachtung als untaugliche Krücken und genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nach welchen staatlich veranlasstes Handeln, das mit Grundrechtseingriffen verbunden ist, zu normieren ist. Zutreffend kommt auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seinem Gutachten aus dem Jahr 2019 zu diesem Ergebnis.(2) Dies ist auch nur konsequent, wenn man sich vor Augen führt, dass jeder gezielte V-Person-Einsatz, der sich gegen einen Bürger richtet, mindestens in dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift.(3) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem sog. „Volkszählungsurteil“ ausgeführt, dass der Bürger, um die Chance der Persönlichkeitsentfaltung zu haben, wissen muss, wer wann was über ihn wisse. Dieses Wissen ist gerade – und ganz besonders dann – gefährdet, wenn der Bürger gar nicht bemerkt, dass überhaupt personenbezogene Daten im staatlichen Auftrag über ihn erhoben werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass verdeckte Ermittlungsmethoden per se unzulässig und untunlich wären. Es bedeutet lediglich, dass sie stets einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mitbringen, welcher nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage zulässig sein kann. In seinem Urteil zum BKAG hat das Bundesverfassungsgericht judiziert, dass „das Ausnutzen von Vertrauen durch Verdeckte Ermittler oder Vertrauenspersonen“ als „sehr schwerwiegender Grundrechtseingriff“ zu bezeichnen ist.(4) An einer gesetzlichen Grundlage, obschon verfassungsrechtlich notwendig, fehlt es dem strafprozessualen V-Personenwesen jedoch nach wie vor in Gänze.(5)

      Damit ist indes nur das normative Elend beschrieben, nicht aber seine Lösung. Für eine solche bräuchte es eine ehrliche und gründliche Bestandsaufnahme des V-Personenwesens in der Bundesrepublik, das strafprozessual nicht nur aufgrund einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage rechtsstaatswidrig ist. Die gegenwärtige Praxis ist in ihrer Ausprägung in der Rechtswirklichkeit oder besser gesagt  in ihrer rechtstatsächlichen Entgrenzung, begünstigt durch normative Verantwortungslosigkeit für staatliches Handeln, in einer rechtsstaatlich mehr als dunkelgrauen Zone.  Der status quo ließe sich unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze gar nicht zulässig kodifizieren. Um so dringlicher ist die Legislative zur rechtskonformen Einhegung der vorhandenen nachfolgend zu beschreibenden Auswüchse gefragt:

      2.
      Bereits die Zusage einer Vertraulichkeit gegenüber Personen, die strafprozessual normativ Zeugen sind, bedarf einer sorgfältig ausgestalteten gesetzlichen Grundlage. Denn bei dem bislang informellen und unregulierten staatlichen Akt einer Vertraulichkeitszusage handelt es sich sozusagen um einen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich zu Lasten der beschuldigten Zielperson. Bei dieser wird nicht nur in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, sondern auch aufgrund der versicherten Vertraulichkeit antizipiert, dass sie im Falle eines späteren Prozesses keine Gelegenheit haben wird, die V-Person unmittelbar zu befragen. Mithin wird mit der staatlichen Zusage einer Vertraulichkeit dem Angeklagten sein Recht aus Art. 6 Abs. 3d EMRK genommen, mit welchem die Europäische Menschenrechtskonvention ihm eigentlich garantiert, ihn belastende Zeugen entweder direkt oder über seinen Verteidiger zu befragen, ja konfrontieren zu können. Daneben greift die Vertraulichkeitszusage auch in die Verpflichtung des Gerichts ein, sich des sachnächsten Beweismittels im Sinne des auch verfassungsrechtlich hochgehaltenen Gebots der „bestmöglichen Sachaufklärung“(6) zu versichern.

      All dies wird gegenwärtig insuffizient durch die Vernehmung der sog. VP-FührerInnen, also derjenigen BeamtInnen, welche die V-Person führen substituiert. Es bleibt für alle Verfahrensbeteiligten vollkommen unklar, ob die V-Person massiv vorbestraft ist, ob sie etwa wegen Täuschungsdelikten wie Betrug, falscher Verdächtigung oder gar Falschaussage vor Gericht verurteilt oder auch nur polizeilich in Erscheinung getreten ist. Bewusst falsche Verdächtigungen einer V-Person lassen sich justiziell kaum verfolgen, weil die Hürde einer bewusst wahrheitswidrigen Denunziation der Subsumtion der VP-FührerIn überlassen bleibt, die allein Kontakt zur VP hat und deren subjektiven Tatbestand einschätzen kann. Der Staatsanwaltschaft selbst fehlt es aufgrund der Anonymisierung der VP regelmäßig an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine eigene Beurteilung und damit für ein ggfls. gebotenes Einschreiten.

      Die Wiedergabe der von der VP mitgeteilten Informationen vor Gericht erfolgt fast immer nur gefiltert durch den oder die VP-FührerIn. Diese bekunden zur Verlässlichkeit der V-Person stets, dass sich diese auch in der Vergangenheit als „zuverlässig“ erwiesen habe. Diese Aussage ist indes ein Muster ohne Wert. Zum einen ist sie für niemanden überprüfbar.  Zum anderen müssen VP-FührerInnen in foro regelmäßig zugeben, dass sie zumeist den Ausgang von Prozessen, welche ihre Vertrauenspersonen ggf. angestoßen haben, gar nicht rückgekoppelt bekommen. Eine Qualitätskontrolle jenseits des Bauchgefühls der VP-FührerIn ist in keiner Weise, obschon rechtsstaatlich angezeigt, institutionalisiert.

      Der Unterzeichner hat im Übrigen selbst erlebt, dass eine Vertrauensperson, die vom Gericht in ihrem Agieren als unzuverlässig gebrandmarkt wurde und von welcher der Bundesgerichtshof später erwartete, dass geprüft würde, sie strafrechtlich zu verfolgen, in der internen Bewertung der VP-Abteilung dessen unbeschadet weiterhin als zuverlässig galt. Der gerichtlichen Bewertung des gesamten Einsatzes sowie des VP-Agierens wurde polizeilich die Gefolgschaft ebenso verweigert (Fall Akbay, BGH NStZ 2014, 277 ff., Rn. 48) wie einem anderen Auftrag dieses Judikats (Kenntlichmachung der Entlohnung von V-Leuten und deren Höhe in den Akten, dazu sogleich unter 3.).

      Konsequenz aus diesem Umstand kann nur sein, dass gesetzlich das verankert wird, was ohnehin Leitbild der StPO ist: Dass nämlich die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Verfahrens“ auch dort in die Verantwortung genommen wird, wo rechtsstaatliche und Transparenzdefizite bereits vorhanden und weiterhin absehbar sind. Eine gesetzliche Kodifizierung muss daher i.S.d. § 160 StPO, welcher der Staatsanwaltschaft die beherrschende und verantwortliche Rolle für das Ermittlungsverfahren zuschreibt, diese gerade auch im Bereich des V-Personenwesens in die personale Verantwortung nehmen.

      3.
      In dem Verfahren Akbay ist die Bundesrepublik gerade jüngst wieder wegen Verletzung des fairen Verfahrens durch eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation verurteilt worden (vgl. EGMR 40495/15).(7) Die rechtsstaatswidrige Tatprovokation ist in der gegenwärtigen faktischen Ausgestaltung von VP-Einsätzen potentiell weiterhin angelegt. Dies hängt (auch) unmittelbar mit der Entlohnung von Vertrauenspersonen zusammen, welche zum einen geheim gehalten wird und zum anderen – insoweit bestätigt durch zahlreiche VP-FührerInnenvernehmungen in foro – an Art und Umfang der durch die VP dem Beschuldigten zugeschriebenen Betäubungsmittel ausgerichtet ist. Es liegt mithin im finanziellen Interesse einer Vertrauensperson einem als Zielperson ausgemachten (oder staatlich zugewiesenen) Bürger erfolgreich eines möglichst umfänglichen BtM-Handels zu bezichtigen, zu überführen und ggfls. zu verleiten. Auch wenn dies nicht die Intention der VP-Entlohnung darstellt, ist es doch eine nicht selten zu beobachtende Begleiterscheinung der jeweiligen Einsätze und keineswegs nur eine allenfalls denktheoretisch mögliche, vollkommen abstrakte Gefahr. Gerade hier zeigt sich in der gesetzlich ungeregelten Praxis zudem die fehlende Bereitschaft der Behörden, selbst höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten. So hat etwa in dem vorzitierten Urteil des Bundesgerichtshofs(8) dieser ausgeführt:

      Zudem muss in einem Rechtsstaat schon der bloße Anschein, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen, vermieden werden. Deshalb sollte in den Akten ebenfalls vermerkt sein, ob eine Vertrauensperson für ihre Tätigkeit eine Entlohnung zugesagt bekommen oder gar erhalten hat. Der Senat weist darauf hin, dass Höhe und Erfolgsbezogenheit des jeweiligen Honorars im Rahmen der gebotenen umfassenden Beweiswürdigung für die Bewertung des Motivs der Vertrauensperson, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, relevant sein und entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen kann.

      Dieses BGH-Urteil stammt aus dem Jahre 2013 und betraf einen Berliner VP-Einsatz, für den der EGMR später die Bundesrepublik wegen unzureichender Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation verurteilte.(9) Der Unterzeichner ist in diversen Berliner Verfahren, bei denen auch V-Leute eine Rolle spielten, im Anschluss an dieses Urteil tätig gewesen. Seine regelmäßig gestellte Frage an die VP-Führung, ob und ggf. wie hoch die Entlohnung sei, welche die V-Person bekommen habe, wurde und wird ebenso regelmäßig abschlägig mit Verweis auf eine fehlende Aussagegenehmigung nicht beantwortet. Die vom Bundesgerichtshof geforderte Aktenkundigkeit derartiger Entlohnungen findet nicht statt. Dieser Fall, der wie gesagt ein Berliner Fall war und der die Berliner VP-Führung betraf, wird in Hauptverhandlungen von der betroffenen Behörde trotz des eindeutigen zitierten Wortlautes der Entscheidung des Bundesgerichtshofs stets dahingehend interpretiert, dass es sich insoweit um eine „Einzelfallentscheidung“ gehandelt habe, der keine generelle Bedeutung beikäme, man mithin als VP-Führung weiterhin jegliche Angabe zur Entlohnung von VPs verweigern dürfe.(10)

      Diese bemerkenswerte Interpretation des vorzitierten Wortlautes der zitierten Entscheidung ist so eigenwillig wie offenkundig unzutreffend. Sie illuminiert jedoch die Verweigerung jedweder – selbst  höchstrichterlich angeordneter – Transparenz und mag als Beispiel dafür dienen, weshalb es umso dringlicher gesetzlicher Regelungen in diesem Bereich bedarf.

      Entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher auch gesetzlich festzuschreiben, dass die Höhe und Ausmaß der Entlohnung von Vertrauenspersonen transparent aktenkundig gemacht werden.

      4.
      Die fehlende Transparenz des V-Personenwesens zeigt sich auch noch in einer anderen Konstellation regelmäßig im Gerichtssaal. Tatsächlich sind die polizeilichen Abteilungen, welche die V-Personen führen, regelmäßig von den ermittelnden Dezernaten personell (und meist auch räumlich) getrennt. In der Theorie soll die VP-Führung eigentlich nicht den Ermittlungsstand der ermittelnden Behörde kennen. VP-Führer berichten im Gerichtssaal denn auch regelmäßig, dass sie über Art, Ausmaß und Umfang der Ermittlungen, zu denen ihre V-Person beiträgt, nicht informiert sind, insbesondere auch keine diesbezügliche Aktenkenntnis haben. Sie können daher regelmäßig auch nicht ausschließen, dass die V-Person, welche ihnen anonymisiert Informationen übermittelt, nicht auch von der die Ermittlung führenden Dienststelle als Zeuge unter Klarnamen vernommen wird. Dies ist deswegen intrikat, weil später die Verfahrensbeteiligten den Eindruck vermittelt bekommen können, dass sie mit zwei personalen Beweismitteln konfrontiert sind, nämlich zum einen einer anonymen V-Person, aber dann auch mit einem namentlich bekannten Zeugen, der die VP ggfls. in Teilen bestätigt. In Wahrheit handelt es sich tatsächlich jedoch nur um ein personales Beweismittel, nämlich eine Person, die einmal indirekt durch die VP-Führung in die Hauptverhandlung unerkannt Informationen einführt und zum anderen dies „normal“ als namentlich bekannter Zeuge tut. Dem Gericht bleibt die Personalunion der vermeintlich zwei Beweismittel in diesen Konstellationen verborgen. Dies ist vor allem deshalb von Belang, weil nach der Rechtsprechung auf die Aussage einer V-Person allein eine Verurteilung nicht gestützt werden kann, es sei denn, es gebe außerhalb ihrer Aussage bestehende Indizien von Gewicht, welche die V-Personenerklärung bestätigen würden. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass diese Anforderung der Rechtsprechung leerläuft, wenn die gleiche Person sich quasi selbst bestätigt und sei es nur in Teilen, weil sie vermeintlich „heikle“ Inhalte nur anonymisiert preisgab, ihre eigene verdeckte Aussage indes als Zeuge namentlich in anderen, vermeintlich weniger heiklen Teilen bestätigt.

      5.
      Bei einer legislativen Kodifizierung des V-Personenwesens ist insbesondere Bedacht auf die Rechtsprechung des EGMR zu nehmen. Dieser fordert, gerade weil der Einsatz von Vertrauenspersonen wie vorstehend beschrieben das naheliegende Risiko einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation birgt, staatlicherseits Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zu einer solchen kommt. Dies wäre auch als Auftrag an den Gesetzgeber bei einer Normierung von VP-Einsätzen de lege ferenda zu verstehen. Der EGMR judiziert regelmäßig, dass, weil der Einsatz von Vertrauenspersonen (die zumeist nach Erfolg bezahlt werden) das Risiko von rechtsstaatswidrigen Tatprovokationen inhärent und staatlich veranlasst ist, dass

      soweit die vom Angeklagten vorgebrachten Behauptungen nicht völlig unplausibel sind [dass eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation stattgefunden haben kann, Anmerkung des Unterzeichners], hat die Staatsanwaltschaft zu beweisen, dass keine Tatprovokation stattgefunden hat. In der Praxis könne es so sein, dass die Behörden diese Beweispflicht nicht erfüllen können, wenn die verdeckte Maßnahme nicht förmlich genehmigt und überwacht wurde (s. Bannikova, Rn. 48). Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines eindeutigen und vorhersehbaren Verfahrens für die Genehmigung von Ermittlungsmaßnahmen sowie deren ordnungsgemäße Überwachung unterstrichen. Bei verdeckten Maßnahmen hielt er die gerichtliche Überwachung für das am besten geeignete Mittel (s. Bannikova, Rn. 49, 50; und Matanovic, Rn. 124; vgl. auch Edwards und Lewis, Rn. 46 u. 48)“.

      Soweit der EGMR hier eine enge richterliche Überwachung für das am besten geeignete Mittel hält diese Risiken zu minimieren, widerstreitet dies den Prinzipien des deutschen Strafverfahrensrechts, in welchem gem. § 160 StPO die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens ist. Da es ihr nach dem EGMR obliegt, im Falle einer im Raum stehenden Tatprovokation zu beweisen, dass eine solche gerade nicht stattgefunden hat, wäre es nur – wie bereits oben unter 2. dargetan – konsequent, sie auch de lege ferenda mit der unmittelbaren Überwachung der V-Personen zu befassen und in die Verantwortung zu nehmen.

      6.
      Des Weiteren ist in einer künftigen gesetzlichen Regelung die Aktenführung hinsichtlich der V-Person zu determinieren und zu kodifizieren. Gegenwärtig ist es so, dass es zumeist keine „ordentlichen“ Vernehmungsprotokolle der V-Personen gibt. Stattdessen sind in den Akten entweder die Äußerungen der VP zusammenfassende Vermerke ihrer VP-FührerIn enthalten, welche diese der V-Person regelmäßig auch nicht mehr etwa zum Gegenlesen oder zur Genehmigung vorlegt. Gleiches gilt für sog. „Quellenvernehmungen“, welche der Aufmachung nach zwar Vernehmungsprotokolle sind, die von der V-Person aber ebenfalls nicht gegengezeichnet werden.

      Daneben existieren indes regelmäßig dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten inklusive der Staatsanwaltschaft vorenthaltene sog. „Treffberichte“,(11) welche zwar ebenfalls die Informationsabschöpfung der V-Person betreffen, jedoch nicht zu den Verfahrensakten gelangen, sondern in der Dienststelle der VP-Führung als Verschlusssache – „Nur für den Dienstgebrauch“ – abgeheftet werden. Diese Verfahrensweise widerstreitet dem Prinzip der Aktenvollständigkeit. Erneut sei der Bundesgerichtshof NStZ 2014, 277, dort Rn. 46, zitiert, wenn er ausführt:

      Es steht nicht im Belieben der Ermittlungsbehörden, ob sie strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in den Akten vermerken und zu welchem Zeitpunkt sie dies tun. Das Tatgericht muss den Gang des Verfahrens ohne Abstriche nachvollziehen können. Dies ist kein Selbstzweck, sondern soll die ordnungsgemäße Vorbereitung durch das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten gewährleisten (...). Zudem muss in einem Rechtsstaat der bloße Anschein, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen, vermieden.

      Auch wenn dieses Zitat sich nicht auf die sog. Treffberichte bezieht, sondern Leitlinien eines rechtsstaatlichen Verfahrens verdeutlicht, sollte es um so mehr Richtschnur bei der überfälligen legislativen Inangriffnahme der Regelung des VP-Wesens sein.

      7.
      Es ist mehr als überfällig, dass der Gesetzgeber sich der Thematik einer gesetzlichen Regelung des strafprozessualen Einsatzes von V-Leuten gründlich annimmt und diese unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kodifiziert. Die hier gemachten Ausführungen verstehen sich dabei als essentialia negotii gerade auch aus Sicht eines Praktikers. Die Frage, ob es eines rechtsstaatlichen Verfahrens würdig ist, private Spitzel auf Bürger anzusetzen, hat der Gesetzgeber und nur er zu entscheiden und nicht wie bislang eine sich selbst überlassene Praxis quasi nach Belieben auszugestalten.

      Hierbei  geht es auch keinesfalls um deklaratorische Regulierungen eines lässlichen Bagatellthemas, sondern um reale Gefahren für die Wahrheitsfindung und hiermit verbunden die reale Gefahr von Fehlurteilen zu Lasten Unschuldiger. Dieses Risiko verdeutlicht der Blick auf amerikanische Untersuchungen, nach denen 15% nachgewiesener Fehlurteile auf der Wirkung staatlich verpflichteter Spitzel beruhen.(12) Die Definition eines amerikanischen Spitzels (snitch) entspricht nicht derjenigen eines V-Manns. Gemein ist beiden indes, dass sie gegen oder in der Hoffnung auf Vorteile dem Staat inkriminierende Informationen gegen Dritte andienen.

      ---
      (1) Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, angewandtes Naturrecht, Bd. II, S. 155f.
      (2) Gutachten WD3-3000-252/19 zu dem Ergebnis, dass die verfassungsrechtliche Legitimation von VP-Einsätzen, bei denen die VP die Zielperson durch Täuschung ausforscht, einer gesetzlichen Grundlage bedarf.
      (3) Zu unterscheiden sind bei Informationsgewinnungen durch V-Personen solche, die „lediglich“ bereits bei ihr vorhandene Informationen aus dem Umfeld der Zielperson anonymisiert liefern (in der Praxis sog. „Warm-VPs“) und solche, die staatlich zur Informationsgewinnung an die Zielperson herangespielt werden (sog. „Kaltstart-VPs“) bzw. Umfeld-VPs, die zur weiteren Erforschung der Zielperson staatlich animiert werden. Grundrechtsrelevant sind insbesondere die letzteren Konstellationen.
      (4) BVerfG, Urt. v. 20.04.2016 – 1 BvR 966/09.
      (5) s. hierzu kritisch bereits Eschelbach in StV 2000, 390ff.
      (6) BVerfGE 133, 168
      (7) EGMR v. 15.10.2020 Akbay vs. Germany
      (8) BGH NStZ 2014, 277
      (9) EGMR v. 15.10.2020 Akbay vs. Germany
      (10) Verantwortlich für diese Einschätzung, so regelmäßig die VP-FührerInnen vor Gericht, zeichne das Justitiariat der Berliner Polizei, dem diese Frage zur Beurteilung vorgelegen habe.
      (11) Als Treffberichte bezeichnete übrigens gleichlautend die Stasi ihre Vermerke über Zusammenkünfte mit ihren sogenannten Informellen Mitarbeitern.
      (12) s. Nachweise bei www.innocenceproject.org sowie auch die Studie des Center on wrongful conviction: „The snitch system: How incentivized Witness put 38 innocent Americans in death row.”

      Stellungnahme als PDF

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      StellungnahmenVerfassungsschutz
      news-769Sat, 03 Apr 2021 17:55:48 +0200Freiheit geht nur solidarisch.<br />#unteilbar statt vereinzelt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-geht-nur-solidarisch-unteilbar-statt-vereinzelt-769Statement der solidarischen Gesellschaft - Hier unterzeichnen!Statement der solidarischen Gesellschaft anlässlich erneuter Mobilisierungen von „Querdenken“ und anderen Pandemieleugner*innen im Frühling 2021

      [Zum Unterzeichnen s. Link ganz unten]

      Egoismus und Rücksichtslosigkeit zerstören den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer sich „Querdenken“ anschließt, fordert eine Gesellschaft, in der die gesundheitlichen Gefahren für Millionen Menschen geleugnet werden und in der antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen an die Stelle von überprüfbaren Fakten treten; in der die demokratische Debatte durch das Recht der Stärkeren ersetzt und die Zusammenarbeit mit Faschist*innen zur Normalität wird. In einer solchen Gesellschaft wollen wir nicht leben. Viele von uns würden sie nicht überleben.

      Das Hinterfragen staatlicher Politik, auch der Corona-Maßnahmen, ist wichtig. Wo es notwendig ist, üben wir Kritik. Dabei sind wir uns einig: Verschwörungserzählungen, Rassismus und faschistische Ideologien sind niemals legitim. Als solidarische Gesellschaft setzen wir uns für das Wohl aller Menschen ein. Wir wollen eine Politik, die niemanden zurücklässt und die verhindert, dass in der Krise einige immer reicher und viele immer ärmer werden. Wir erwarten die ausnahmslose Einhaltung der Menschenrechte, vorausschauendes Handeln und Raum für demokratische Kontrolle, der einer offenen Gesellschaft entspricht. Wir wollen eine lebenswerte Zukunft für alle – in der Krise und danach!
      Wir verzichten momentan weitgehend auf den massenhaften Ausdruck unserer Forderungen auf der Straße, weil Kontaktbeschränkungen und Abstand wichtige Mittel des Infektionsschutzes sind. Wenn wir auch in Pandemiezeiten demonstrieren, halten wir uns an die Hygieneregeln.
      Wir planen gemeinsam die nächsten Proteste für einen klimagerechten, sozialen, antirassistischen und geschlechtergerechten Weg aus der Krise und unterstützen uns dabei gegenseitig. Zusammen streiten wir für eine Zukunft, die von allen mitgestaltet werden kann.


      Der RAV ruft dazu auf, das Statement zu zeichnen, hier

      Statement als PDF

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      #unteilbar
      news-768Tue, 23 Mar 2021 10:01:06 +0100Gerechtigkeit für die ›EL HIBLU 3‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gerechtigkeit-fuer-die-el-hiblu-3-768Pressemitteilung Nr. 4/21 vom 23. März 2021 und Aufruf zur Beteiligung an KundgebungRAV fordert zum zweiten Jahrestag ihrer Seenot-Rettung die Einhaltung internationalen Rechts

      In Malta droht drei jungen Migranten aus afrikanischen Ländern eine lebenslange Haftstrafe, weil sie sich dafür einsetzten, nach der Rettung aus akuter Seenot im Mittelmeer nicht mit weiteren Geflüchteten zurück in die Lager Libyens verbracht zu werden. Aus Bedrohten werden Täter und aus Deeskalation wird ›Terrorismus‹.

      Was war geschehen? Am 28. März 2019 rettete das Frachtschiff El Hiblu 1 über 100 Menschen – darunter 20 Frauen und mindestens 15 Kinder – aus akuter Seenot. Als die Menschen bemerkten, dass das rettende Schiff Kurs auf Libyen nahm, brach an Bord Verzweiflung und Panik aus. Amnesty International bestätigte seinerzeit, dass die Geretteten zu keinem Zeitpunkt gewalttätig gegen die Besatzung vorgingen. Drei der Geretteten – zwei Minderjährige sowie ein 19-Jähriger – hätten vielmehr für die Schiffsführer gedolmetscht, um die in Panik geratenen Flüchtlinge zu beruhigen. Die Besatzung der El Hiblu 1 beschloss daraufhin, das Schiff in Richtung Malta zu steuern.

      Was sind die Folgen? Die drei Teenager wurden von den maltesischen Behörden festgenommen und bis November 2019 in Untersuchungshaft interniert, kamen dann auf Kaution frei. Sie sind seitdem als die ›El Hiblu 3‹ bekannt. Unter Meldeauflagen und strenger Ausgangssperre nehmen sie monatlich an einer Gerichtsverhandlung teil, die Teil des Ermittlungsverfahrens ist. Malta ermittelt gegen sie u.a. wegen ›Terrorismus‹. »Damit werden die Ereignisse vom März 2019 auf den Kopf gestellt und international anerkannte Rechtsstaatsprinzipien in Frage gestellt«, so RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo. »Wir beobachten in großer Sorge die Erosion des Rechtsstaats und eine neue Eskalation bei der Kriminalisierung von Geflüchteten«, so Böhlo.

      Erst am 4. März 2021 konnte eine der Geflüchteten als Augenzeugin über die Ereignisse vom März 2019 berichten. Die nächste Anhörung ist für den 15. April 2021 angesetzt, und der RAV sowie ihre europäische Partnerorganisation, die Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA-AED), beobachten den Prozess weiter.

      Was sind die Forderungen? Der RAV fordert die Einstellung des Verfahrens. Er verweist in einem Statement (dazu unten) auf die Notwendigkeit, internationale Normen und Vereinbarungen zu respektieren und deren Durchsetzung zu befördern. Das Hantieren mit dem Begriff ›Terrorismus‹ ist dazu kein Beitrag, sondern ein Angriff auf den Rechtsstaat und die Menschenwürde. Die Diffamierung von Menschen, die um ihr Leben und ihre Rechte kämpfen, muss endlich ein Ende haben.


      GERECHTIGKEIT FÜR DIE ›EL HIBLU 3‹!
      KUNDGEBUNG
      26. März 2021, 11:00 Uhr
      Maltesische Botschaft
      Klingelhöferstraße 7 | 10785 Berlin

      ****

      Zum juristischen Hintergrund

      Libyen ist unbestritten kein ›sicherer‹ Ort, auch nicht für die Einschiffung von Geflüchteten und Migrant*innen, die auf See gerettet werden. Der RAV erinnert daran: Die Menschenrechtsberichte der UNO und der Europäischen Union dokumentieren systematische Menschenrechtsverletzungen gegen Migrant*innen in Libyen, darunter unrechtmäßige Tötungen, willkürliche Inhaftierungen, Folter und unmenschliche Behandlung, alarmierende Raten von Unterernährung, von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Gruppenvergewaltigung, Sklaverei, Zwangsarbeit und Erpressung.

      Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention – insbesondere das Prinzip des non-refoulement – und die Verpflichtungen gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention einzuhalten. Der RAV erinnert daran: Das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ist ein notstandsfestes Recht, das unter keinen Umständen einschränkbar ist.

      Denklogisch umfasst der Schutz vor Folter das Unterlassen von Anweisungen und Handlungen, durch welche die Betroffenen den Folterern erst zugeführt werden. Mittäter kann auch derjenige sein, der Menschenrechtsverletzungen durch das Verbringen von Menschen in die Herrschaftssphäre der Täter – hier Libyen – erst ermöglicht. Der RAV erinnert daran: Juristisch stellt dies Beihilfe zur Folter dar. Richten sich die Verpflichtungen aus den internationalen und europäischen Abkommen direkt zunächst an staatliche Stellen, gelten diese Handlungs- bzw. Unterlassensnormen über die nationalen Rechtsordnungen auch für Private, d.h. z.B. für die Besatzungsmitglieder nicht-staatlicher Schiffe.

      Die Menschen an Bord des Schiffes El Hiblu 1 handelten, um ihre Rechte nach internationalem Recht zu verteidigen, insbesondere ihr Recht, frei von der ernsthaften Gefahr von Folter, Vergewaltigung, Sklaverei und anderer unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu sein, sollten sie gewaltsam nach Libyen zurückgebracht werden. Der RAV erinnert daran: Zwei der ›El Hiblu 3‹ waren zudem zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen noch minderjährig und sind somit rechtlich als besonders schutzbedürftig anzuerkennen. Ihre speziellen Bedürfnisse und Rechte müssen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens Berücksichtigung finden.

      PM und Hintergrund als PDF

      ******

      Eine weitere Stellungnahme, die von einer Reihe von Organisationen (so auch der RAV) unterstützt wird, findet sich hier auf der Seite der Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA):

      "A reminder of the second anniversary of the rescue and subsequent detention of young migrants called El Hiblu 3" http://www.aeud.org/2021/03/justice-for-el-hiblu-3/

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      Migration & Asyl (doublet)PressemitteilungMigration & Asyl
      news-764Fri, 26 Feb 2021 11:25:00 +0100Deutsche Wohnen & Co enteignen<br />RAV unterstützt Volksbegehren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/deutsche-wohnen-co-enteignen-br-rav-unterstuetzt-volksbegehren-764Pressemitteilung 3/21 vom 26.2.2021Der RAV unterstützt das Volksbegehren der Initiative ›Deutsche Wohnen & Co enteignen‹. Wir rufen dazu auf, sich engagiert an der Unterschriftensammlung zu beteiligen. Am Freitag, dem 26. Februar 2021 startet die Kampagne und ruft zur Beteiligung auf: https://www.dwenteignen.de/mitmachen/.

       

      Mit dieser Vergesellschaftung werden in Berlin ca. 240.000 Wohnungen dem Profitstreben der großen Wohnungskonzerne entzogen und im Sinne eines Grundrechts auf Wohnen so bewirtschaftet, dass kein:e Mieter:in in Angst leben muss, die Miete nicht mehr bezahlen zu können und die Wohnung zu verlieren. Zum anderen erhält die Stadt ein wichtiges Steuerungsmittel, um in relevanter Weise und demokratisch kontrolliert in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Die Vergesellschaftung dient damit auch der Re-Politisierung der Verteilung des lebenswichtigen Gutes ›Wohnraum‹. Eine erfolgreiche Kampagne wird darüber hinaus im öffentlichen Diskurs die Bandbreite politischer Denkmöglichkeiten bedeutend bereichern und kann als Blaupause für ähnliche Initiativen in anderen Regionen und Politikfeldern dienen.

      Wohnen ist ein existenzielles, menschliches Grundbedürfnis und muss daher ein Grundrecht sein.

      Tatsächlich erleben wir aber in unserer täglichen Arbeit als Anwält:innen die Verdrängung von Mieter:innen – unseren Mandant:innen – aus ihren Wohnungen durch

        


      In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass der Bundesgesetzgeber nicht im Stande ist, die Mieter:innen auf dem immer enger werdenden Wohnungsmarkt ausreichend zu schützen. Vielmehr gaben die Gesetzesänderungen in den letzten Jahren den Vermieter:innen Instrumente an die Hand, das Mietniveau einseitig und nachhaltig zu ihren Gunsten zu steigern. Im Ergebnis sind die Mietkosten mittlerweile der bedeutendste Haushaltsposten der Mieter:innen. Aufgrund stagnierender Löhne geraten sie zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis.

      Die Gesetzesänderungen der letzten Jahre –  z.B. im Bereich des Modernisierungsrechts – haben sich sogar gegen die Mieter:innen gerichtet. So wurde ihnen das Recht, sich gegen aufwändige teure Sanierungen in der Wohnung zu wehren und danach zu verbleiben, erheblich beschränkt. Härtefallregelungen schützen sie dabei nur unzureichend. Selbst Gesetzesänderungen, die – wie die sog. Mietpreisbremse – Mieter:innen vor zu hohen Neuvertragsmieten schützen sollen, gewähren durch ihre Ausnahmetatbestände nur sehr unzureichenden Schutz, da sie zu einfach zu umgehen sind.

      Daher sind zur Gewährleistung eines Grundrechts auf Wohnen neue Wege erforderlich.

      Die Initiative ›Deutsche Wohnen & Co enteignen‹ will durch einen Volksentscheid ein im Grundgesetz vorgesehenes Vergesellschaftungsgesetz auf den Weg bringen, das gewinnorientierte Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung überführt. Die Initiative beruft sich neben Art. 28 Abs. 1 der Berliner Landesverfassung, der jedem Menschen ein Recht auf angemessenen Wohnraum garantiert und dem Land dafür eine besondere Verantwortung zuspricht, auch auf Art. 15 Grundgesetz (GG). Art. 15 GG besagt, dass u.a. Grund und Boden zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden kann. Der Artikel erfasst dabei auch Wohnungsunternehmen.

      Daher unterstützen wir die auf Art. 15 Grundgesetz beruhende Idee der Vergesellschaftung und hoffen auf einen Erfolg der Kampagne. Wir rufen dazu auf, das Volksbegehren durch Unterschrift zu unterstützen.

       

      Kontakte:
      Rechtsanwalt Benjamin Hersch: 030.455 00 00
      Rechtsanwältin Carola Handwerg: 030.470 55 183

       

      Pressemitteilung Deutsche Wohnen & Co enteignen - RAV unterstützt Volksbegehren als PDF

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      Mietrecht (doublet)PressemitteilungMietrecht
      news-763Thu, 25 Feb 2021 08:41:53 +0100Solidaritätserklärung mit Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız/publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaetserklaerung-mit-rechtsanwaeltin-seda-basay-yildiz-763RAV, VDJ und Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen: Gemeinsame Pressemitteilung, 25.2.21Die Bedrohungen gegen unsere Kolleg:innen müssen endlich aufhören
      Anwält:innen-Organisationen fordern effektive Ermittlungen im Komplex ›NSU 2.0‹

      Seit mehr als zweieinhalb Jahren erhält unsere Frankfurter Kollegin, Frau Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, von unbekannten Täter:innen immer wieder Schreiben, in denen sie und ihre Familie beleidigt und mit dem Tode bedroht werden. Die Kollegin, die dieses Jahr den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage der Stadt Wiesbaden erhalten wird, ist aufgrund ihres öffentlichkeitswirksamen Auftretens als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren und als Strafverteidigerin in den Fokus der anonymen Täter:innen geraten. Die persönlichen Daten der Familie, die in den Drohschreiben enthalten waren, kamen aus einem Revier der hessischen Polizei. Trotz daraufhin erfolgter Adresssperrungen erreichen unsere Kollegin immer wieder neue Drohschreiben. Wir gehen davon aus, dass die Täter:innen in den Reihen der hessischen Polizei zu finden sind. Die Drohschreiben sind mit ›NSU 2.0‹ unterschrieben, womit sich die Verfasser:innen ausdrücklich auf die mörderische Form des Rechtsterrorismus beziehen. Unsere Kollegin Başay-Yıldız ist nicht die Einzige, die solche Drohschreiben erhalten hat. Auch andere Kolleg:innen, Journalist:innen, Politiker:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen erhalten mit dem Kürzel ›NSU 2.0‹ unterzeichnete Drohschreiben. Diese Bedrohungen betreffen vorwiegend Frauen, die sich im Rahmen ihrer Arbeit und öffentlich gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Sexismus engagieren und äußern.

      Die hessischen Strafverfolgungsbehörden haben bisher keine Ermittlungserfolge öffentlich gemacht. Entweder sind die Ermittlungen über Jahre erfolglos oder Erkenntnisse wurden zwar gewonnen, werden aber geheim gehalten – möglicherweise, um das Ansehen der Polizei zu schützen. Auch ist der Schutz, den unsere Kollegin seitens der hessischen Polizei erfährt, unzureichend.

      Dieser Zustand ist nicht länger haltbar.

      »Die Angriffe gegen unsere Kollegin Başay-Yıldızsind zugleich ein Angriff auf die gesamte Anwaltschaft. Angriffe gegen Kolleg:innen, die engagiert ihren Beruf ausüben, sind nicht hinnehmbar. Wir stehen hinter unserer Kollegin und erklären uns mit ihr solidarisch«, erklärt Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV).

      »Die erfolglosen Ermittlungen im Komplex ›NSU 2.0‹ zeigen, dass wir bei Strafverfahren, in denen Polizeibeamt:innen beschuldigt werden, unabhängige Untersuchungsstellen brauchen, die effektiv ermitteln können. Solange die Polizeibehörden, aus deren Reihen Verdächtige kommen, gegen ihre unmittelbaren Kolleg:innen ermitteln, wird es keine Ermittlungserfolge geben«, erklärt Rechtsanwalt Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ). Derartige Untersuchungsstellen werden im Zusammenhang mit polizeilichem Fehlverhalten und Straftaten schon seit Jahren von verschiedenen Organisationen gefordert.

      Solange es keine unabhängigen Untersuchungsstellen für Ermittlungen gegen Polizeibeamt:innen gibt, ist zumindest sicherzustellen, dass alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, effektive und unabhängige Ermittlungen durch solche Behörden durchzuführen, die keine Verbindungen zu den Polizeibehörden haben, aus denen die Täter:innen stammen oder innerhalb derer enge Verbindungen zu den Täter:innen bestehen.

      Wir gehen, da die Datenabfragen im Zusammenhang mit dem Komplex ›NSU 2.0‹ von Polizeicomputern aus verschiedenen Bundesländern erfolgten, davon aus, dass es sich nicht um eine:n Einzeltäter:in handelt, sondern um eine Mehrzahl von Täter:innen. Ob die Ermittlungen den Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung begründen, woraus sich eine Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes ergeben könnte, ist uns nicht bekannt. Zumindest kann und muss aufgrund des länderübergreifenden Charakters das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernehmen.

      Wir fordern daher:

      Unterzeichnende:
      Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)

      Ansprechpartner:
      Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle (030.44679216)
      Rechtsanwalt Dr. Andreas Engelmann (069.71163438)

      Die gemeinsame Pressemitteilung als PDF

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      PressemitteilungRassismusNSU-Prozess
      news-762Mon, 22 Feb 2021 15:46:17 +0100Entwurf eines Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetz-zur-aenderung-des-strafgesetzbuches-verbesserung-des-strafrechtlichen-schutzes-gegen-sogenannte-feindeslisten-76222.2.2021, RAV-StellungnahmeStellungnahme des RAV zum »Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten«

      Die Bundesregierung will die Veröffentlichung von sogenannten Feindeslisten unter Strafe stellen. Der nun vorgelegte Entwurf ist einerseits reine Symbolpolitik, die auf tatsächlicher Ebene gerade nicht geeignet ist, Menschen vor rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen zu schützen. Andererseits bedeutet der weit gefasste Tatbestand einen direkten Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit und verlagert zahlreiche Probleme des Persönlichkeitsrechts, die bislang vor spezialisierten Pressekammern ausgetragen wurden, in die Verantwortung von Polizei und Staatsanwaltschaften.
      Wie so oft im ›Kampf gegen Rechts‹ wird politischer Aktivismus mit einem Regelungsdefizit gerechtfertigt, obwohl eigentlich ein Vollzugsdefizit vorliegt.

      Die Feindeslisten, die in den vergangenen Jahren bei Neonazis und Rechtsterroristen aufgefunden wurden, waren zuvor gerade nicht öffentlich verbreitet worden. Sie stellten vielmehr interne, klandestine Listen dar, die der Markierung von politischen Gegner:innen dienten. Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf würde daher diese besonders gefährlichen Feindeslisten gar nicht erfassen, da er an das Tatbestandsmerkmal der ›Öffentlichkeit‹ bzw. des ›Verbreitens‹ anknüpft.

      Der Gesetzesentwurf schafft eine ›Opferhierarchie‹. Er ignoriert, dass eine Vielzahl von Menschen, aufgrund ihrer Hautfarbe, religiöser Symbole etc., also qua ihres Erscheinungsbildes, als ›Feind:innen‹ markiert werden. Wo die Synagoge, die Moschee oder die Flüchtlingsunterkunft steht, ist bekannt. Wer Schwarz ist, wird rassistisch markiert. Diese Orte und Personen sind, ohne dass sie gesondert auf Feindeslisten auftauchen, permanent der Gefahr extrem rechter Angriffe ausgesetzt. Statt Symbolpolitik mit der Strafbarkeit von Feindeslisten zu betreiben, sollten Minderheiten endlich effektiver vor rechten Angriffen geschützt werden. »Selbstverteidigung. Wenn Synagogen auf sich allein gestellt sind« lautet eine der Überschriften im Buch »Terror gegen Juden« und offenbart, wie es um den Schutz von Minderheiten derzeit bestellt ist. Bevor der Staat sich also noch eine Aufgabe überhilft, die er weder willens noch in der Lage ist, zu bewältigen, sollten die eigenen Strukturen in Hinblick auf Rassismus und Antisemitismus untersucht und effektive Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

      Wer den bisherigen Umgang der Polizei mit rechten Gewalttaten kennt, den mangelnden Ermittlungseifer, die Täter-Opfer-Umkehr etc., der:die kann sich vorstellen, mit welchem Engagement gegen Feindeslisten von Nazis vorgegangen werden wird. Betroffene wurden in der Vergangenheit immer wieder abgekanzelt, es sei doch gar nichts passiert, das sei zu unkonkret, und überhaupt sei die Anschrift über das Telefonbuch, über das Impressum auf der Homepage o.ä. doch sowieso bekannt.[1] Und wenn den Betroffenen nur diese Ignoranz entgegenschlug, konnten sie sich schon ›glücklich‹ schätzen. Oftmals berichten Betroffene rechter Attacken – vollkommen egal, ob psychisch oder physisch – davon, dass rassistische, antisemitische, frauenfeindliche oder homophobe Angriffe noch verharmlost, wiederholt oder gerechtfertigt worden sind.[2] Nur am Rande sei erwähnt, dass sich Polizei und Ministerien bis heute gegen unabhängige Beschwerdestellen[3] und externe wissenschaftliche Untersuchungen zu Rassismus in den eigenen Reihen sperren.[4]
      Dieser Gesetzesentwurf versucht Sand in die Augen zu streuen, um davon abzulenken, dass staatliche Institutionen keinerlei Selbstkritik und Fehlerkultur hinsichtlich rechter Netzwerke in den eigenen Reihen entwickeln wollen.

      Um das Ausspähen und Verbreiten von Daten in extrem rechten Kreisen zu vermeiden, wäre es, bevor ›der große Wurf‹ eines Strafgesetzes unternommen wird, sinnvoll, zunächst einmal die bestehenden straf- und dienstrechtlichen Vorschriften umzusetzen und entsprechende Konsequenzen herbeizuführen. Die privaten Daten unserer Kollegin Seda Başay-Yıldız, deren Familie und sie selbst seit Jahren durch massive Drohschreiben des NSU 2.0 eingeschüchtert werden sollen, stammen aus Abfragen von Frankfurter Polizeicomputern. Die mehrfachen polizeilichen Datenabfragen, die zur Bedrohung vor allem weiblicher Personen, die sich gegen ›Rechts‹ engagieren oder zu Bedrohungen linker Aktivist:innen führten, sind bislang folgenlos für die handelnden Beamt:innen geblieben. Solange die Sicherheitsbehörden selbst aktiv an der Fütterung von Feindeslisten beteiligt sind, solange wöchentlich von »bedauerlichen Einzelfällen«, die in die Tausende gehen, berichtet wird, in denen mal wieder rechtsextreme Parolen, Symbolik und Beschimpfungen in ›internen‹ Polizeichats geäußert werden, solange werden mit Gesetzesentwürfen wie diesem bloße Nebelkerzen geworfen.

      Apropos Polizei: Zu den in der Vergangenheit aufgetauchten rechtsextremen Feindeslisten wurde durch Betroffenenverbände und zivilgesellschaftliche Organisationen immer und immer wieder gefordert, dass diejenigen Personen, die auf diesen Listen genannt werden, wenigstens informiert, besser noch diese über entsprechende Gefährdungslagen aufgeklärt und bei Schutzmaßnahmen unterstützt werden. Eine Vielzahl der Bundesländer verweigert dies bis heute. Auch das Bundeskriminalamt leugnete eine Gefährdung der Betroffenen und sah keinen Handlungsbedarf. Die vielfach vorgenommene (Nicht-)Gefährdungsanalyse deckt sich mit dem auch sonst häufig rudimentären Wissensstand bzw. der Negierung rechter Gefahr durch die Sicherheitsbehörden. Ein tatsächliches Schutzangebot durch die Polizei erhalten die wenigsten Personen.

      Interessant ist aber, woher auf einmal Unterstützung für den Gesetzesentwurf kommt. Das Bundeskriminalamt betont, dass von dem neu zu schaffenden Tatbestand auch das ›Outing‹ politischer Gegner umfasst wäre. Es deutet damit bereits jetzt an, dass bei einem sogenannten ›Outing‹ die Eignung zur Aussetzung einer entsprechenden Gefahr per se angenommen werden wird. Damit würden nach diesem Entwurf nicht etwa die Verfasser:innen klandestiner rechtsextremer Feindeslisten der Strafverfolgung ausgesetzt, sondern zivilgesellschaftliche und journalistische Aufklärung über rechte Kader und Funktionäre. Die Umsetzung dieses Gesetzesentwurfs wird unweigerlich dazu führen, dass die Strafverfolgung in zunehmendem Maße direkt in die Recherchearbeit von Journalist:innen und zivilgesellschaftlichen Initiativen eingreifen wird und Presseveröffentlichungen zukünftig regelmäßig von Staatsanwaltschaften und Gerichten zu überprüfen sein werden. Damit wird ein seit Jahrzehnten gut funktionierendes System der Kontrolle von Presseveröffentlichungen durch die Organe der Presse sowie die hochspezialisierten Pressekammern in Frage gestellt.

      Der Entwurf sieht vor, dass es strafbar sein soll, frei recherchierbare personenbezogene Daten einer anderen Person öffentlich zu machen, wenn dies geeignet ist, diese Personen der Gefahr von jedenfalls erheblichen Straftaten auszusetzen. Bereits in der Gesetzesbegründung wird dies ausgeweitet. So heißt es dort, es »besteht deshalb ein Bedürfnis nach einer Strafbarkeit einer solchen Veröffentlichung personenbezogener Daten, bei der die Eignung besteht, dass die betroffenen Personen der Gefahr gegen sie gerichteter rechtswidriger Taten ausgesetzt werden«. Wenn jegliche Veröffentlichung frei verfügbarer personenbezogener Daten, die dazu führen kann, dass von Dritten rechtswidrige Taten gegen die Person begangen werden, strafbar ist, ist eine konkrete Berichterstattung über Politiker:innen oder andere Personen des öffentlichen Interesses, die auch ganz konkret deren Handlungsort, Wohnort oder Tätigkeitsfeld umfasst, nicht mehr möglich. Bereits die namentliche Nennung einer:s in einer ländlichen Region tätigen Aktivist:in oder Politiker:in und der Hinweis, in welchem Dorf sie:er wohnt, könnte diese:n einer solchen Gefahr aussetzen und damit den Straftatbestand erfüllen.

      Dies gilt umso mehr, als dass der Tatbestand völlig unklar ist. Wann erfolgt eine Veröffentlichung »in einer Art und Weise […], die geeignet ist«, eine Person der Gefahr der Begehung von Straftaten auszusetzen? Reicht dabei der Hinweis auf politische Gegenaktivitäten oder eine deutlich ablehnende innere Haltung gegen diese Person? In der Begründung des Gesetzes wird ganz offen vorgetragen: Als Umstände, die eine konkrete Gefährdungseignung bei Veröffentlichungen im Internet nahelegen, kämen »insbesondere die Anonymität des Verfassers, die extremistische Ausrichtung der Internetseite, auf der die Daten veröffentlicht werden (in Abgrenzung zu sachlich-informativer Berichterstattung), die Zuordnung der Veröffentlichung zu einer Gruppierung aus dem extremistischen Spektrum oder zu verfassungswidrigen Organisationen (§ 86 Absatz 1 StGB)...« in Betracht. Somit wäre bereits die Einschätzung einer Internetseite als ›extremistisch‹ (durch den Verfassungsschutz) zukünftig ausreichender Beleg, um eine »konkrete Gefährdungseignung« zu belegen. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung des Deutungsstreits um die Geschehnisse bei Demonstrationen in der Stadt Chemnitz, als der damalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Maaßen, Journalist:innen und Aktivist:innen, die von rassistischen Hetzjagden sprachen, offiziell der Lüge bezichtigte, muss einem solchen angestrebten Monopol über die Berichterstattung durch Sicherheitsbehörden vehement widersprochen werden. Denn gerade in solchen, unübersichtlichen Ereignissen sind es oftmals aktivistische Journalist:innen und Mitglieder von Rechercheteams ohne Anbindung zu großen Medien, die entsprechendes Geschehen zu Tage fördern, bevor dies in größerem Umfang aufgegriffen wird. Eine identifizierende Berichterstattung durch solche Quellen könnte damit strafbar werden, während gleichzeitig – wie im Fall Chemnitz/Maaßen geschehen – etablierte Medien politisch unter Druck gesetzt werden.

      Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass bislang beispielsweise kein behördlicher Druck zur Umsetzung der Maßnahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erkennbar ist, das die Verbreitung von Drohungen, Schmähungen und Beleidigungen sowie die bedrohliche Verbreitung höchstpersönlicher Daten ja bereits jetzt effektiv bekämpfen könnte, lässt sich vermuten, dass der nun vorliegende Gesetzesentwurf eigentlich ausschließlich auf die Einschränkung der Pressefreiheit gerichtet ist. Da das vom Bundeskriminalamt beklagte ›Outing‹ im Wesentlichen ein Bekanntmachen der Identität rechtsextremer Aktivisten darstellt, entsteht die entlarvende Situation, dass hier ein vor allem gegen antifaschistische Initiativen, zivilgesellschaftliche Vereine und Journalist:innen gerichtetes Gesetz als angebliche Reaktion auf das Bekanntwerden von ›Feindeslisten‹ von Neonazis präsentiert wird.

      Dieses Verfassungsschutz-Aufwertungsgesetz lehnen wir ab. Wir werden dem Staat nicht die Deutungshoheit darüber überlassen, welche rückschrittlichen Kräfte eine offene und humane Gesellschaft bedrohen. Der Gesetzesentwurf ignoriert in infamer Weise die manifeste Kritik an den Sicherheitsbehörden, die im Bereich Rechtsextremismus immer noch selbst Teil des Problems sind, und kriminalisiert Engagement gegen Rechts.

      Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Stellungnahme nicht die erhoffte sachlich-juristische Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf ist, wie sie der Gesetzgeber wünscht und gewohnt ist. Dies ist Folge der letzten Jahrzehnte: Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Hoyerswerda, der NSU, Heidenau, die Gruppe Freital, der Angriff auf Leipzig-Connewitz, NSU 2.0, Kassel, Halle, Hanau – diese Aufzählung rechter Gewalt ließe sich bedauerlicherweise noch über Zeilen fortsetzen. Allen Betroffenen von rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt und Hetze gehört unsere Solidarität und Unterstützung. Engagierten Journalist:innen, Menschen, die sich klar gegen Rechts positionieren, und nicht zuletzt antifaschistischen Recherchekollektiven und Fachjournalist:innen gilt unser Dank. Sie alle müssen wir als Gesellschaft schützen und ihre Arbeit fördern.

      Deswegen brauchen wir den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht: Wir brauchen eine Praxis des ›Nie Wieder‹ und die Erkenntnis, dass rechte Gewalt tötet. Wir fordern eine kontinuierliche Förderung von Demokratie- und Opferschutzprojekten und das Ende der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements.

      22.02.2021

      Dr. Kati Lang, Dresden
      Kristin Pietrzyk, Jena/Leipzig
      Alexander Hoffmann, Kiel/Leipzig

      ****
      [1] https://www.tagesschau.de/investigativ/fakt/feindeslisten-101.html
      [2] https://www.rav.de/publikationen/rav-infobriefe/infobrief-120-2020/der-neukoelln-komplex/
      [3] Vgl. dazu https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-einfuehrung-des-oder-der-buergerbeauftragten-des-landes-berlin-und-des-oder-der-beauftragten-fuer-die-polizei-berlin/a264d615d855e8deaefbbfd4b961c13c/
      [4] Zuletzt etwa: https://textrecycling.wordpress.com/2021/02/17/offener-brief-gegen-die-diskreditierung-unabhangiger-polizeiforschung/

      RAV-Stellungnahme als PDF von der RAV-Webseite.

      Gesetzesentwurf

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      Stellungnahmen
      news-761Thu, 18 Feb 2021 09:23:59 +0100Gegen die Diskreditierung unabhängiger Polizeiforschung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-die-diskreditierung-unabhaengiger-polizeiforschung-761Offener Brief, Mitzeichnung durch den RAV, 18.2.21Der RAV dokumentiert hier einen Offenen Brief, den er als Erstzeichner ausdrücklich unterstützt.
      Der Brief kann weiterhin durch eine formlose Mail unterzeichnet werden: forschungsgruppe_sicherheit@gmx.net

      Offener Brief: Gegen die Diskreditierung unabhängiger Forschung durch Vertreter*innen der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz

      Die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (HdP RP) initiierte in einer jüngst bekannt gewordenen Mail eine Kampagne gegen eine wissenschaftliche Studie zu Körperverletzung im Amt (KViAPol), welche finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), an der Ruhr-Universität zu Bochum von Prof. Tobias Singelnstein, Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus durchgeführt wird und die bisher zwei Zwischenberichte veröffentlicht hat. Der Versuch einer polizeilichen Selbstimmunisierung gegen externe Forschung, sowie die gezielte Verächtlichmachung einer Studie, deren Ergebnisse der HdP RP nicht gefallen, sind ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft.

      Die genannte Mail richtete sich an sämtliche Verwaltungs- und Polizeihochschulen in der Bundesrepublik und ruft dazu auf durch konzertierte Pressearbeit und die Durchführung eigener Studien “gemeinsam die Interessen der Polizei [zu] wahren” und gegen die vermeintliche Schädigung des Rufes der Polizei durch die Bochumer Studie vorzugehen. In dem von dem Präsidenten der HdP RP Friedel Durben formulierten „Elektronischen Brief“ werden die (Zwischen-)Ergebnisse als „wissenschaftlich-fragil“ bezeichnet und eine Nicht-Wissenschaftlichkeit der Studie suggeriert. Er schreibt weiterhin, dass die „unkommentierte Veröffentlichung derartiger Thesen auch dem Image der rheinland-pfälzischen Polizei“ schade. Um diesem vermeintlichen Vertrauensverlust entgegenzuwirken, habe man als Reaktion „die interdisziplinäre Arbeitsgruppe ‘Durchsetzung polizeilicher Autorität im Rechtsstaat’ (AG DPAR) bereits mit Erscheinen des 1. Zwischenberichtes 2019 eingerichtet, die sich kritisch mit der KViAPol-Studie auseinandersetzt und verschiedene eigene Ansätze verfolgt.“ (Mail datiert auf den 10.02.2021)

      Dieser Mail waren ein Artikel von Martin Hoch und Claudio Thunsdorff sowie ein Kommentar des stellv. Direktors der HdP RP Axel Henrichs angehängt, jeweils veröffentlicht in der Zeitschrift Kriminalistik 01/2021. Im Anhang befand sich weiterhin ein Poster der HdP RP, auf welchem einige Kernsätze der zwei Artikel und des Kommentars zitiert wurden. Die dort formulierte Kritik zielt hauptsächlich auf die Frage der Repräsentativität der Studie und suggeriert grundlos schwere methodische Mängel. Die Akquise von Befragungsteilnehmer*innen über ein nicht-repräsentatives Schneeballsystem ist jedoch ein gängiges Verfahren im Kontext explorativer Dunkelfeldstudien. In beiden Zwischenberichten macht das Projektteam darüber hinaus transparent welche methodischen Grenzen das Projekt hat und in welchem Rahmen die Zwischenergebnisse interpretiert werden können. Dieses Vorgehen entspricht den von der DFG formulierten Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens. Die wissenschaftliche Integrität der Studie wird darüber hinaus durch einen wissenschaftlichen Beirat, in dem auch Expertise aus der Polizei vertreten ist, abgesichert.

      Ein derartiges Vorgehen der HdP RP im Sinne einer Kampagnenarbeit gegen unabhängige Polizeiforschung ist für eine staatlich finanzierte Hochschule befremdend. Es reiht sich ein in eine Vielzahl verschiedener ähnlich gelagerter Kritiken der Polizeigewerkschaften (DPolG, GdP), aus Teilen der Polizei und der Polizeiwissenschaft/Kriminologie am Forschungsdesign und an den vorläufigen Ergebnissen der Bochumer Studie. Die Heftigkeit der Kritik ist angesichts der reflektierten Methodologie der Studie mehr als eigentümlich. Die Mail des Präsidenten der HdP RP Friedel Durben werten wir als Versuch, Forschungsvorhaben, die nicht an den Polizeihochschulen angesiedelt sind und von deren Ergebnissen ein Schaden des Images der Polizei befürchtet wird, zu unterbinden bzw. zu sabotieren.

      Das Initiieren einer organisierten Kampagne zur Diskreditierung unliebsamer Ergebnisse einer Studie, die alle wissenschaftlichen, von der DFG festgelegten Gütekriterien erfüllt, ist nichts weniger als ein Angriff auf die grundgesetzlich verbriefte Freiheit der Wissenschaft. Insbesondere die Polizei muss sich als Vertreterin des staatlichen Gewaltmonopols einer unabhängigen und freien Forschung öffnen und darf diese nicht behindern.

      Wir fordern daher von der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz ein klares Bekenntnis zur Freiheit der Forschung und Wissenschaft nach Art. 5 GG – auch für die Polizeiforschung.
      Der offene Brief kann durch eine formlose Mail unterzeichnet werden: forschungsgruppe_sicherheit@gmx.net

      Im Netz findet sich der Offene Brief mit der wachsenden Zahl der Unterzeichner*innen hier:
      https://textrecycling.wordpress.com/2021/02/17/offener-brief-gegen-die-diskreditierung-unabhangiger-polizeiforschung/

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      Polizei
      news-760Fri, 12 Feb 2021 12:05:49 +0100Das Problem heißt Rassismus!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus0-760Der RAV gedenkt der Opfer von Hanau und fordert die lückenlose Aufklärung des AnschlagsAm 19.02.2021 jährt sich der Anschlag von Hanau. Wir trauern um die Ermordeten

      Gökhan Gültekin,
      Sedat Gürbüz,
      Said Nesar Hashemi,
      Mercedes Kierpacz,
      Hamza Kurtović,
      Vili Viorel Păun,
      Fatih Saraçoğlu,
      Ferhat Unvar und
      Kaloyan Velkov.

      Der Anschlag von Hanau ist kein Einzelfall. Er fügt sich ein in eine lange Reihe von rassistischen und antisemitischen Gewalttaten. Seit 1990 sind mindestens 213 Menschen Opfer dieses rechten Terrors geworden.

      Der Nährboden für Hass und Ausgrenzung wird in der Mitte der Gesellschaft gelegt. Die Erkenntnisse zu rechtsradikalen Strukturen in Polizei und Bundeswehr sind hierfür ein Beispiel. Rassismus ist kein Alleinstellungsmerkmal von AfD und anderen rechtsradikalen Organisationen.
      Solange Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und alle anderen Ideologien der angeblichen Ungleichwertigkeit von Menschen nicht in jeder Erscheinungsform geächtet werden, können sich auch zukünftig Täter als Vollstrecker eines mutmaßlichen ›Volkswillens‹ verstehen. Schweigen ist keine Option.

      Wir wissen, dass in Hanau nicht nur individuelle, sondern auch strukturelle Fehler ursächlich dafür waren, dass der Täter so viele Menschen ermorden konnte.
      So war der polizeiliche Notruf für die Betroffenen nicht erreichbar; eine Rufumleitung war nicht eingerichtet, niemand wurde zurückgerufen, auch nicht Herr Păun, der den Täter verfolgte. Der Notausgang der Arena Bar war zudem verschlossen, wobei es jedenfalls Hinweise darauf gibt, dass dies auf polizeiliche Anordnung hin geschah. Sowohl der Täter als auch sein Vater hatten zuvor bereits mehrere Strafanzeigen erstattet, in denen sie etwa von »ständiger Ausländerkriminalität« und »Hochverrat an Deutschen« faselten. Beobachtet wurden sie nicht. Im Gegenteil: Der Täter war Mitglied in Schützenvereinen und erlaubterweise im Besitz von drei Schusswaffen.

      Der RAV fordert die lückenlose Aufklärung aller behördlichen Fehler und eine entschiedene Bekämpfung jeglichen staatlichen und strukturellen Rassismus. Den Angehörigen müssen alle Möglichkeiten gegeben werden, die Erlebnisse verarbeiten und ihr Leben neu aufbauen zu können. Ihnen und den Freund*innen der Ermordeten gilt unsere unbedingte Solidarität.

      Auch das heißt: Hanau ist überall.

      PM als PDF

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      RechtsextremismusRassismus
      news-759Tue, 09 Feb 2021 11:08:48 +0100Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sofortiger-abschiebestopp-nach-afghanistan-759Pressemitteilung von 96 Organisationen und Initiativen, 9.2.202196 Organisationen und Initiativen verurteilen aufs Schärfste die geplante Abschiebung mitten im Lockdown in das Kriegs- und Krisengebiet Afghanistan

      Wie im Dezember letzten Jahres wieder begonnen, setzt Deutschland seine monatlichen Abschiebungen nach Afghanistan auch 2021 fort. Abschiebungen in ein Land, welches 2020 schon das zweite Mal in Folge vom Institute for Economics & Peace in seinem Global Peace Index 2020[1]  als das gefährlichste Land der Welt eingestuft wurde. Am 31. Januar 2021 hat das Auswärtige Amt Afghanistan als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) ausgewiesen und als Konsequenz seine Reise- und Sicherheitswarnungen noch weiter verschärft, da Afghanistan von COVID-19 besonders stark betroffen sei und das Gesundheitssystem den Belastungen nicht standhalte.[2]

      Im September 2020 stellte das Oberverwaltungsgericht Bremen[3] und im Dezember 2020 auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg[4] außerdem fest, dass auch gesunde, alleinstehende Männer ohne soziales Netzwerk in Afghanistan nicht dorthin abgeschoben werden dürfen, da sie aufgrund der durch die Corona-Pandemie verschlechterten wirtschaftlichen Lage nach einer Abschiebung ihre elementarsten Bedürfnisse absehbar nicht decken können.

      Ungeachtet dessen plant Deutschland am 9.2.2021 den nächsten Abschiebeflug nach Afghanistan, bei dem sich erfahrungsgemäß wieder viele Bundesländer beteiligen werden. Während in Deutschland einerseits um jedes Leben gekämpft wird, werden andererseits Menschen in ein Covid19-Hochrisiko- und Kriegsgebiet abgeschoben und die lebensbedrohliche Situation dort wissentlich in Kauf genommen.  

      Der Sammelcharter am 9. Februar wäre der erste Abschiebflug aus Deutschland seit der informellen „Joint Declaration on Migration Cooperation“[5], die die Europäischen Union und Afghanistan im Januar dieses Jahres unterzeichnet haben und die für unbestimmte Zeit gelten soll. Demnach können künftig monatlich bis zu 500 Flüchtlinge aus der EU nach Afghanistan abgeschoben werden.

      Unter den von der Abschiebung am 9. Februar Betroffenen sind voraussichtlich der 22jährige Hasib aus Kempten/Allgäu, der dort zur Schule ging, jobbte, Fußballspielen liebt, eine Ausbildung beginnen wollte und jetzt in Abschiebehaft in Ingelheim sitzt[6] sowie der 20jährige H. aus NRW, der im Iran geboren wurde, mit neun Jahren nach Deutschland kam, noch nie in Afghanistan war und dort auch keine Angehörigen hat.[7] Um nur zwei Schicksale zu nennen.

      Der Schutz von Menschenleben während einer globalen Pandemie einzigartigen Ausmaßes kann nicht an nationalen Grenzen halt machen und vom Aufenthaltsstatus oder der Nationalität abhängen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort jegliche Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen und Menschenleben zu schützen!

      Unterzeichnende:
      1.    We’ll Come United Berlin Brandenburg
      2.    Jugendliche ohne Grenzen
      3.    Migrant Support Network e.V.
      4.    Afghan Refugees Movement
      5.    Aktionsbündnis Antirassismus
      6.    No Border Assembly
      7.    Karawane München
      8.    YAAR e.V.
      9.    Hazara Zentrum Berlin
      10.    World Hazara Council – Germany e.V.
      11.    Zaki – Bildung und Kultur e.V.
      12.    Afghanisches Kommunikations- und Kulturzentrum e.V.
      13.    Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
      14.    Afghanischer Aufschrei Düsseldorf
      15.    Links*Kanax
      16.    moveGLOBAL e.V.- Berliner Verband migrantischer-diasporischer Organisationen in der Einen Welt
      17.    CISPM (coalition international des sanspapiers et migrants) Mannheim
      18.    Initiativ Oury Jalloh Mannheim
      19.    Migrantifa NRW
      20.    PRO ASYL
      21.    borderline-europe
      22.    SEEBRÜCKE
      23.    IPPNW Deutschland
      24.    medico international
      25.    Ärzte der Welt e.V
      26.    Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte vdää
      27.    Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein RAV
      28.    Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
      29.    Bayerischer Flüchtlingsrat
      30.    Flüchtlingsrat Berlin
      31.    Flüchtlingsrat Bremen
      32.    Flüchtlingsrat Brandenburg
      33.    Flüchtlingsrat Hamburg
      34.    Flüchtlingsrat RLP
      35.    Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
      36.    Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
      37.    Flüchtlingsrat Thüringen
      38.    Hessischer Flüchtlingsrat
      39.    Münchner Flüchtlingsrat
      40.    Sächsischer Flüchtlingsrat
      41.    KuB - Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V
      42.    BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
      43.    Afghanisch-Deutscher Kulturverein Flensburg
      44.    BZSL e.V.
      45.    Migrationsrat Berlin e.V.
      46.    lifeline Vormundschaftsverein im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
      47.    AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
      48.    BNS Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen
      49.    Evangelischer Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf
      50.    Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf
      51.    Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
      52.    Weltweit - die Freiwilligengruppe von Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
      53.    XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
      54.    Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen e.V. (ZBBS)
      55.    Flüchtlingsbeauftragte des Ev.Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
      56.    Flüchtlingsbeauftragte des ev. Kirchenkreises Schleswig-Flensburg
      57.    AfghanistanNotSafe KölnBonn
      58.    Protest LEJ Leipzig
      59.    Leipziger Initiativkreis: Menschen.Würdig
      60.    Bon Courage e.V.
      61.    Wedding hilft
      62.    Sprungbrett Zukunft Berlin e.V.
      63.    Place4Refugees e.V.
      64.    Kölner Netzwerk "kein mensch ist illegal"
      65.    Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
      66.    Seebrücke Lübeck
      67.    Seebrücke Berlin
      68.    Seebrücke Flensburg
      69.    Seebrücke Bochum
      70.    Seebrücke Kiel
      71.    AG Bleiben, Köln
      72.    Seebrücke Potsdam
      73.    Mosaik Köln Mülheim e.V.
      74.    Diakoniewerk Simeon FB SozInt
      75.    Lupine Mentoring e.V.
      76.    Vernetzung gegen Abschiebung Hessen/M
      77.    Humanistische Union OV Lübeck
      78.    WeGe ins Leben e.V.
      79.    MediNetz Bielefeld
      80.    Multikulturelle Zentrum Trier e.V.
      81.    Initiative - Abschiebestopp Thüringen
      82.    MOVE e.V.
      83.    Bleibe.e.V.
      84.    AK Politik Köln
      85.    die AG Bleiben Köln
      86.    Mosaik Köln Mülheim e.V.
      87.    Pallottinische Gemeinschaft St. Christophorus unterschreiben
      88.    Fremde brauchen Freunde e.V., Nordfriesland
      89.    Helferkreis Mohammad Zaki Kulmbach
      90.    MeG betreutes Wohnen
      91.    Die Flüchtlingslotsen im Amt Hürup
      92.    Barnim für alle
      93.    Bürger*innenasyl Barnim
      94.    OMAS gegen Rechts Lübeck
      95.    Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
      96.    Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz


      [1] https://www.economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2020/08/GPI_2020_web.pdf
      [2] https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/afghanistansicherheit/204692
      [3] https://www.oberverwaltungsgericht.bremen.de/entscheidungen/detail.php?gsid=bremen72.c.20994.de&asl=bremen72.c.11265.de
      [4] https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/8969988/?LISTPAGE=1213200
      [5] https://www.statewatch.org/media/1801/eu-council-joint-declaration-afghanistan-5223-21-add1.pdf
      [6] https://www.ulla-jelpke.de/2021/02/12784/
      [7] https://www.facebook.com/nedajeafghan/posts/2398011833655737

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      AbschiebungenCoronaMigration & Asyl (doublet)Migration & Asyl
      news-765Wed, 27 Jan 2021 13:14:00 +0100Gesetzesnovelle zur Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesnovelle-zur-aufnahme-in-den-juristischen-vorbereitungsdienst-765Stellungnahme sächsischer Jurastudierender und Rechtsreferendar:innen im Januar 2021Sehr geehrte Frau Ministerin Meier,

      der letzte offene Brief sächsischer Rechtsreferendar:innen vom 29. Mai 2020 richtete sich gegen eine Entscheidung des OLG Dresden zur Nichtentlassung eines rechtskräftig verurteilten rechtsextremen Gewalttäters aus dem juristischen Vorbereitungsdienst. Das OLG hatte diese Entscheidung freiheitsrechtlich mit dem Schutz des Grundrechts auf Berufsfreiheit begründet. Der Abschluss der zweiten juristischen Staatsprüfung führe nicht zwangsläufig zu einer Aufnahme einer schutzwürdigen Tätigkeit als Organ der Rechtspflege, sodass in der Abwägung das Interesse von Brian E. an dem Abschluss seiner Ausbildung überwiege. Die Kritik der Referendar:innen stützte sich hingegen auf die politische Dimension der Entscheidung, in der sich die besorgniserregende Tendenz der Verharmlosung von Rechtsextremismus in den sächsischen Behörden widerspiegelt.

      Nun soll dieser Kritik mit der geplanten Novelle des Juristenausbildungsgesetzes (SächsJAG) begegnet werden. Unserer Meinung nach ist der Entwurf des § 8 SächsJAG-E jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Insbesondere ist er nicht geeignet den vom OLG betonten Anforderungen der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit und den Forderungen der Rechtsreferendar:innen nach einem entschiedenen Vorgehen gegen Rechtsextremismus gerecht zu werden.
      Die bisherige Regelung (§ 34 SächsJAPO) räumt dem Dienstherren ein Ermessen ein, welches ermöglicht auf den konkreten, im Einzelfall vorliegenden Tatverdacht einzugehen. Der neu eingefügte § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SächsJAG-E zieht hingegen eine regelmäßige Nichtzulassung im Falle eines anhängigen Verfahrens nach sich, welches zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr führen könnte. Diese Regelung in Form von intendiertem Ermessen stellt unserer Ansicht nach einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit, den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, die allgemeine Handlungsfreiheit, sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form der Unschuldsvermutung dar.

      Die Verhältnismäßigkeit ließe sich nur mit der Begründung bejahen, dass der/die Anwärter:in sich bei einem Freispruch erneut in die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bewerben oder die Bewerbung im Fall eines anhängigen Verfahrens bis nach dessen Ende aufschieben kann. Ein solches Verhalten ist jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden: Verfahren können mehrere Jahre dauern und die Verurteilungen fallen oft milder aus als das Strafmaß der Tatbestände, die den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zugrunde lagen. Außerdem ist es unvorhersehbar, ob eine potenzielle Neuwertung aussichtsreich sein könnte. Diese Gegebenheiten würden die Bewerber:innen erheblich in ihrer freien Lebensgestaltung und Berufsfreiheit, schon in Form der Berufswahl beeinträchtigen. Das intendierte Ermessen führt dazu, dass das Vorliegen eines atypischen Sachverhalts vorgetragen werden muss, um der Rechtsfolge der Nichtzulassung zu begegnen, was eine nicht zu rechtfertigende Umkehr der für einen Rechtsstaat konstitutiven Unschuldsvermutung darstellt.

      Der neu eingefügte § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 SächsJAG-E intendiert die Nichtzulassung im Falle einer Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung in strafbarer Weise. Diese aus der § 6 Nr. 7 BRAO übernommene Formulierung wird im Gesetz nicht konkretisiert und weckt Erinnerungen an die mit dem bundesrepublikanischen Radikalenerlass von 1972 verbundenen Berufsverbote aufgrund einer politischen Gesinnungsprüfung. Die Gesetzesbegründung erläutert lediglich, gemeint sei ein nach "außen manifestiertes, strafbares Verhalten, das erkennen lassen muss, dass sie oder er die freiheitliche demokratische Grundordnung zu überwinden trachtet. Hierfür reichen allerdings strafbare verbale Aktivitäten aus." Im Entwurf sind keine konkreten Straftatbestände genannt, wie dies bei schweren Grundrechtseingriffen (vgl. § 100a StPO) üblich ist, sodass diese Formulierung Raum dafür eröffnet, bereits Delikte von geringer Bedeutung und mit Strafandrohung von unter einem Jahr Freiheitsstrafe
      für die Nichtaufnahme oder Entlassung ausreichen zu lassen. Die Formulierung lässt offen, welche Maßstäbe anzulegen sind, um festzustellen, ob sich in der Begehung einer Straftat der Wunsch nach Überwindung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausdrückt.

      Wir empfehlen daher dringend die Beschäftigung mit dem sog. Extremistenbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.05.1975 (BVerfGE 39, 334) und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.09.1995 (EGMR 17851/91), um den vorgelegten Entwurf am formulierten Maßstab der Meinungs- und Berufsfreiheit zu messen.

      Außerdem ist es im Lichte des Bestimmtheitsgrundsatzes geboten, bereits im Gesetzestext deutlich zu machen, dass sich die Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung in einer tatsächlichen Verwirklichung eines Straftatbestandes verwirklicht haben muss. Ansonsten fiele für diese Alternative dem Verfassungsschutz die alleinige Definitionshoheit darüber zu, wer vom Vorbereitungsdienst ausgeschlossen werden soll. An der Zulässigkeit dieser Kompetenzverteilung bestehen, nicht zuletzt wegen der vielen Skandale in den Verfassungsschutzbehörden und der mangelhaften Kontrolle durch die Parlamente und Gerichte an der Rechtmäßigkeit des Informationsgewinns und Richtigkeit der Wertungen, einschlägige Bedenken.

      Die Formulierung des geplanten § 8 Abs. 4 SächsJAG-E ist zwar aus der SächsJAPO übernommen, doch führte die unbestimmte Formulierung aufgrund ihrer sehr seltenen Anwendung praktisch zu wenig Schwierigkeiten. In Annahme einer erleichterten Anwendung durch die formelle Gesetzesform, ist diese Formulierung jedoch in anderem Licht zu sehen. Sie ermöglicht die Versagung der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bereits, wenn "Tatsachen vorliegen, die die Bewerberin oder den Bewerber für den Vorbereitungsdienst als ungeeignet erscheinen lassen." Unbestimmt ist hier nicht nur, welche Tatsachen eine potenzielle Ungeeignetheit begründen könnten, vielmehr wird bereits ein subjektives "ungeeignet erscheinen" zur Ermessensausübung ausreichen.

      Eine Ungeeignetheit wird insbesondere vermutet, wenn Tatsachen vorliegen die nach § 8 Abs. 4 Nr. 1a SächsJAG-E "in der Person der Bewerberin oder des Bewerbers die Gefahr einer Störung des Dienstbetriebs begründen" oder die nach § 8 Abs. 4 Nr. 1b SächsJAG-E "Gefahr begründen, dass durch ihre oder seine Aufnahme wichtige öffentliche Belange ernstlich beeinträchtigt würden". Auch bei dieser Reglung ist nicht bestimmt, wer die Ungeeignetheit der Bewerber:innen feststellen soll und woher die zugrunde liegenden Informationen stammen. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob derart unbestimmte subjektive Kriterien geeignet sind, eine Ermessensentscheidung mit den Freiheitsrechten in Einklang zu bringen.

      Mit der Überführung von bisher in der SächsJAPO verorteten Regelungen in ein formelles Gesetz, wird diesen Regelungen ein höherer Stellenwert gegenüber der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit eingeräumt als bisher. Hinsichtlich der Regelungen zur Zulassung und Entlassung aus dem juristischen Vorbereitungsdienst ist zu erwarten, dass der dadurch manifestierte Wille des Gesetzgebers zukünftig stärkere Umsetzung durch sächsische Behörden und Gerichte erfahren wird. Die entsprechenden Regelungen in der SächsJAPO wurde in den letzten 10 Jahren, soweit wir wissen, nur in zwei Fällen lange erkrankter Rechtsreferendare angewandt.

      Die Neuregelungen des § 8 SächsJAG-E werden insoweit weder der Kritik der Referendar:innen noch der Position des OLG Dresden gerecht. Gegen rechtsextreme Tendenzen oder deren behördliche Verharmlosung hilft der Ausschluss von Ermessen wenig weiter, kommt es bei der Ermessensausübung doch vielmehr auf die Bewertung vorliegender Tatsachen an. Die Entlassung des Brian E. wäre auch nach der noch geltenden Regelung des § 34 SächsJAPO mit entsprechender Ermessensausübung möglich gewesen. Aufgrund dieses konkreten Falles nun eine Gesetzesverschärfung vorzulegen, die ausschließlich zu Lasten der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte geht, verfehlt ihr Ziel. Um Rechtsextremismus als Bedrohung für Menschen und Demokratie zu begegnen, ohne die Möglichkeiten rein politischer Verfolgung zu eröffnen, wäre eine Anwendung des engen menschenwürdezentrierten Begriffs der freiheitlich demokratischen Grundordnung, den das Bundesverfassungsgericht in der Zweiten
      NPD Entscheidung vom 17.01.2017 (BVerfGE 144, 20, Rn. 23 ff.) formulierte, geboten.

      Daher wenden wir uns mit dem Appell an Sie, den § 8 SächsJAG-E im Lichte der unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe zu überarbeiten und nicht in der vorgeschlagenen Fassung in den Landtag zur Verabschiedung einzubringen.

      Initiative Referendariat Nazifrei (Sachsen)
      Kritische Jurist*innen Leipzig
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

      Offener Brief als PDF
      Der Gesetzentwurf findet sich hier.

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      AusbildungAusbildungStellungnahmen
      news-756Thu, 21 Jan 2021 10:10:44 +010011. ›Tag des verfolgten Anwalts‹<br />Demokratische Republik Aserbaidschan – Anwaltschaft in Gefahr/publikationen/mitteilungen/mitteilung/11-tag-des-verfolgten-anwalts-756Pressemitteilung 1/21 vom 21. Januar 2021In den Jahren nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 hatte Aserbaidschan die wichtigsten internationalen und europäischen Menschenrechtsverträge ratifiziert. Dennoch wurden von Ausschüssen der Vereinten Nationen, vom Europarat und durch Nichtregierungsorganisationen ständige Menschenrechtsverletzungen festgestellt. Aserbaidschanische Anwält*innen, die die Opfer solcher Menschenrechtsverletzungen vertraten und über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam berichteten, erlitten ebenfalls schwere Verletzungen ihrer Grundrechte.

      Daher hat der RAV zusammen mit 31 weiteren europäischen und internationalen Organisationen der Anwaltschaft für den 11. Tag des verfolgten Anwalts im Jahr 2021 die Situation der Kolleg*innen in Aserbaidschan ins Zentrum gestellt und dabei insbesondere mit den Kolleg*innen der Group of Practising Lawyers (GPL), einer Gruppen von Menschenrechtsanwält*innen in Aserbaidschan, zusammengearbeitet. Ihr Ziel ist es, sich gegen diejenigen Gesetzesänderungen zu wehren und sie abzuschaffen, die darauf zielen, die Rechte von Anwält*innen zu beschneiden oder ihnen die Berufsausübung zu verunmöglichen.

      Berichte von europäischen und internationalen Organisationen

      Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen stellte 2017 fest, dass Anwält*innen, die Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) brachten, ihre Lizenz gestrichen oder sie sogar unter verschiedenen Anschuldigungen inhaftiert wurden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte belegte für 2002 Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), darunter unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Verstoß gegen Art. 3), willkürliche Inhaftierung (Art. 5), Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6).

      Human Rights Watch berichtete 2019, dass mindestens 30 Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Oppositionelle, Gläubige und andere Kritiker*innen zu Unrecht inhaftiert waren. Zudem gab es Folter und Misshandlungen in der Haft, staatliche Eingriffe gegen die Versammlungsfreiheit, ungerechtfertigte Eingriffe in die Arbeit von Rechtsanwält*innen und Einschränkungen der Pressefreiheit.

      Ebenfalls 2019 hat das Menschenrechtsinstitut der Internationalen Anwaltskammer (IBAHRI) einen Offenen Brief mitunterzeichnet, in dem es u.a. heißt, »Wir fordern die aserbaidschanische Regierung außerdem auf, die internationalen Standards zum Schutz der Anwaltschaft einzuhalten, einschließlich derer, die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in den UN-Grundprinzipien zur Rolle der Rechtsanwält*innen (30. Jahrestag im Jahr 2020) enthalten sind«.

      Die Organisationen Lawyers for Lawyers und die Bar Association of England and Wales stellten 2018 fest, dass die aserbaidschanischen Behörden die Rechte von Anwält*innen missachten, indem sie ihnen nicht erlauben, ihren Beruf angemessen und ohne Einschüchterungen, Behinderungen, Schikanen oder unangemessene Einmischungen auszuüben. Darüber hinaus haben die aserbaidschanischen Behörden keine wesentlichen Maßnahmen ergriffen, um das Recht auf faire Verfahren durchzusetzen sowie sicherzustellen, dass jede*r Bürger*in effektiven Zugang zur Justiz und zu einem Rechtsbeistand eigener Wahl hat.

      Aserbaidschan hat die schlechteste Bilanz unter den Ländern, die die Regelungen der EMRK nicht umsetzen. Jüngsten Statistiken zufolge (https://rm.coe.int/168070973e) hat Aserbaidschan nur 16 Prozent der vom Gerichtshof erlassenen Entscheidungen umgesetzt. Das systematische Versagen bei der Umsetzung von EGMR-Entscheidungen macht es auch Anwält*innen, deren Rechte verletzt wurden, unmöglich, ihren Beruf wieder auszuüben. Nach Angaben von Anwält*innen in Aserbaidschan sind vor dem EGMR derzeit mehr als zehn Fälle anhängig, in denen es um den Ausschluss von Anwält*innen oder missbräuchliche Disziplinarverfahren gegen Anwält*innen geht.

      Der RAV fordert zusammen mit 31 anderen Anwaltsorganisationen weltweit, darunter die Stiftung ›Tag des verfolgten Anwalts‹ und die Europäischen Demokratischen Anwält*innen (Avocats Euroéens Democrates/European Democratic Lawyers, AED-EDL):

      Den vollständigen Bericht sowie sämtliche Forderungen finden Sie hier (engl).

      Kundgebung
      11. ›Tag des verfolgten Anwalts‹ – Solidarität mit den Anwält*innen in Aserbaidschan
      Freitag, 22.01.2021 um 13.00 Uhr
      Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin
      Hubertusallee 43 | 14193 Berlin
      Bus M29, Haltestelle Lynarstraße

      Adana, Amsterdam, Ankara, Athens, Barcelona, Berlin, Brussels, Dhaka, Dusseldorf, Frankfurt/M., Geneva, The Hague, Hamburg, Islamabad, Istanbul, Izmir, Lahore, London, Lyon, Madrid, Manila, Milan, Montpellier, Multan, Nantes, New York, Nuremberg, Paris, Rawalpindi, Rome, Sydney, Toronto, Vancouver, Venice, Yaoundé

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      Tag des bedrohten AnwaltsFreie Advokatur (doublet)Freie Advokatur
      news-755Sat, 16 Jan 2021 13:32:20 +010011. Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin<br />Aserbaidschan/publikationen/mitteilungen/mitteilung/11-tag-des-verfolgten-anwalts-der-verfolgten-anwaeltin-755Aufruf zur Teilnahme am 22.1.21 in Berlin Day of the Endangered LawyerAuch in diesem Jahr ruft der RAV gemeinsam mit seinen in der EDA (Europäische Demokratische Anwält*innen) organisierten Schwesterorganisationen sowie mit der RAK Berlin, der ELDH und anderen Anwält*innenorganisationen zur Teilnahme an einer Kundgebung auf.

      Anlass ist der

      11. „Tag des verfolgten Anwalts“ – Solidarität mit den Anwält*innen in Aserbaidschan
      Freitag, 22.01.2021 um 13 h
      Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin
      Hubertusallee 43 | 14193 Berlin
        

      Dem Botschafter wird eine Petition mit konkreten Forderungen - die vor Ort verlesen wird - übergeben oder in seinen Briefkasten gelegt.

      Einen Bericht mit Informationen zur konkreten Situation der verfolgten und bedrohten Kolleg*innen – namentlich

      Khalid Baghirov, Muzaffar Bakhishov, Farhad Mehdiyev, Elchin Sadigo, Javad Javadov, Yalchin Imanov, Agil Layi, Fakhraddin Mehdiyev, Elchin Sadigov, Yalchin Imanov, Shahla Humbatova, Nemat Kerimli, Nemat Kerimli, Asabali Mustafayev, Irada Javadova, Alayif Hasanov, Gurban Mammadov, Aslan Ismayilov, Afgan Mammadov, Elchin Namazov, Osman Kazimov, Namizad Safarov, Hidayat Suleymanov und Latifa Aliyeva, Intigam Aliyev und Annagi Hajibeyl

      findet sich hier auf Deutsch und hier auf Englisch.

      Als weiteren Hintergrund zu Aserbaidschan bietet sich auch die Lektüre eines Berichts der International Commission of Jurists von 2019 an, der auf die jüngsten rechtspolitischen und rechtlichen Veränderungen dort eingeht und deren Implikationen problematisiert.

      Kommt zahlreich – gerne in Robe!

      Der Ort der Kundgebung kann reizvoll sein: So treffen wir uns am Ende einer Arbeitswoche mit Maske und auf Abstand und können uns anschließend im Grunewald verteilen.

      Weltweit wird der Day of the Endangered Lawyer begangen, fast zeitgleich finden in sehr vielen anderen Städten ähnliche Kundgebungen vor den Botschaften und Konsulaten von Aserbeidschan statt.

      Die Petition mit den Forderungen der 31 Organisationen, die den Botschafter:innen übegeben wird, findet sich hier in deutscher Sprache.

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      Tag des bedrohten AnwaltsFreie Advokatur (doublet)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA)Freie Advokatur
      news-754Fri, 15 Jan 2021 18:03:21 +0100Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgaben nach dem Versammlungsrecht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-landesversammlungsgesetzes-und-von-zustaendigkeiten-fuer-die-aufgaben-nach-dem-versammlungsrecht-754RAV-Stellungnahme, 15.1.2021Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgaben nach dem Versammlungsrecht (Drs. 7/6832)

      Verfasser:innen: Kristin Pietrzyk, Rechtsanwältin und Christoph Köhler, Ass. iur.

      I. Zur Art. 1 Nr. 3 des Änderungsgesetzes – „Öffentliche Sicherheit“

      Der Gesetzesentwurf der Landesregierung enthält den Vorschlag, das Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ zusätzlich zur „öffentlichen Sicherheit“ in den Tatbestand der Generalklausel des § 13 Abs. 1 VersammlG LSA aufzunehmen.

      Das Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ ist in den Tatbeständen der § 13 Abs. 2 und 3, § 14 VersammlG LSA als Konkretisierung umfasst, wie die Landesregierung selbst benennt.

      Der Änderungswunsch wird damit begründet, dass es sich in der Praxis als „problematisch“ erwiesen habe, dass die Versammlungsbehörden ohne den Auffangtatbestand der „öffentlichen Ordnung“ nicht adäquat auf neuartige und atypische Gefahrensachverhalte habe reagieren können.

      Insbesondere seit 2015 nehme die Anzahl rechtsextremistischer Versammlungen zu. Diese Entwicklung habe sich durch die Corona-Pandemie verstärkt. Versammlungsleiter und Versammlungsteilnehmer nutzten Versammlungen regelmäßig, um rassistische, „fremdenfeindliche“, antisemitische, homophobe und sonstige menschenverachtende Thesen zu verbreiten, worin allerdings keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wohl aber eine der öffentlichen Ordnung zu sehen sei.

      Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit meint die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, wohingegen das Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets umfasst, meint.

      Durch die Aufnahme des letzteren Schutzgutes in die Generalklausel des § 13 Abs. 1 VersammlG LSA würde die Landesregierung tatsächlich einen Auffangtatbestand für gefahrenabwehrrechtliches Eingreifen schaffen. Der jeweils zuständigen Versammlungsbehörde wäre damit der Erlass von Auflagen möglich, wenn ein konkreter Gefahrenverdacht hinsichtlich der Verletzung der öffentlichen Ordnung besteht. Als ultima ratio wäre auch das Verbot einer geplanten Versammlung möglich.

      Unklar ist vorliegend die Notwendigkeit einer solchen Ergänzung der Generalklausel. Denn gem. § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VersammlG LSA ist es der zuständigen Versammlungsbehörde bereits jetzt möglich, Versammlungen von Auflagen abhängig zu machen oder zu verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Art und Weise der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges die Gefahr einer erheblichen Verletzung ethischer und sozialer Grundanschauungen besteht, insbesondere die Würde oder Ehre von Personen im Sinne von § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VersammlG LSA verletzt wird.

      Die Begründung der Landesregierung für die Einführung des Schutzgutes der „öffentlichen Ordnung“ stützt sich auf eine Zunahme menschenverachtender Äußerungen auf Versammlungen aus dem rechtsextremistischen Spektrum, wodurch „regelmäßig die ethischen und sozialen Grundanschauungen der überwiegenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger erheblich verletzt“ werden.

      Wenn nun aber genau dies das Tatbestandsmerkmal des § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VersammlG LSA erfüllt, ergibt die Begründung der Landesregierung, dass es eine rechtspolitische Notwendigkeit für die Schaffung eines nicht hinreichend scharf umrissenen Auffangtatbestands gebe, schlicht keinen Sinn.

      Sofern sich die Landesregierung in ihrer Begründung auf die Regelung des § 13 Abs. 2 VersammlG LSA bezieht, ist auffällig, dass sie lediglich auf § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VersammlG LSA Bezug nimmt. Insoweit führt sie aus, dass die Anwendung der Eingriffstatbestände, die nach Aussage der Landesregierung eine Konkretisierung der „öffentlichen Ordnung“ zum Schutzgut haben, regelmäßig nicht anwendbar seien, da selten Versammlungen an besonderen Tagen oder Orten nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 VersammlG stattfänden.

      Die in der Entwurfsbegründung angeführten praktischen Probleme werden seitens der Landesregierung nicht weiter benannt oder ausgeführt. Eine Notwendigkeit der geplanten Regelung wird nicht deutlich.

      Die zuständigen Versammlungsbehörden dürfen bereits jetzt Versammlungen, bei denen die Gefahr einer Verletzung der ethischen oder sozialen Grundanschauungen besteht, von Auflagen abhängig machen oder verbieten. Die Begründung der Landesregierung offenbart, dass es sich nicht um ein Problem des rechtlichen Dürfens handelt, sondern eher um eines der Nutzung rechtlicher Handlungsspielräume. Ein solches Problem wird sich allerdings weder durch Gesetzesänderungen noch -verschärfungen lösen lassen.

      Umso deutlicher wird dies in der Antwort der Landesregierung vom 29.12.2020 auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Die Linke) vom 07.12.2020, LT-Drs. KA 7/4215. Auf die Frage, welche „neuartigen und atypischen Gefahrensachverhalte“ die Notwendigkeit einer Neuregelung begründeten, antwortet die Landesregierung, dass ein Vorgehen der Versammlungsbehörden gegen gelbe Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ auf Versammlungen losgelöst von § 13 Abs. 2 VersammlG LSA nicht möglich sei. Die Landesregierung artikuliert damit das bereits Gesagte: Eine Lücke in der Rechtslage ist nicht gegeben, sondern in der Rechtsanwendung.

      Verfassungsrechtlich ausgedrückt ist Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgabe nach dem Versammlungsrecht unverhältnismäßig. Ein legitimes Ziel wird bereits nicht erkannt. Aufgrund der bereits bestehenden Regelungen ist eine Änderung nicht erforderlich.

      II. Zu Art. 1 Nr. 1 b) des Änderungsgesetzes – „gleichartige“ Kleidung

      Zur Begründung wird § 3 BundesversammlG herangezogen, nach dem das Tragen „gleichartiger“ Kleidungsstücke den Verbotstatbestand darstellt.

      Praxisbeispiele, die seitens der Landesregierung herangezogen werden, sind die „Sharia-Polizei“ sowie die „Schutzzonen“-Kampagne der NPD. Eine strafrechtliche Verfolgung sei wegen der aktuellen Regelung des § 3 VersammlG LSA i. V. m. § 27 VersammlG LSA nicht möglich, da § 3 VersammlG LSA lediglich uniformähnliche Kleidungsstücke verbiete, zudem der repressive Zugriff über das Versammlungsgesetz eben nur Versammlungen erfasse. In der Begründung wird angeführt, dass hinsichtlich der bestehenden Norm rechts- und sicherheitspolitische Regelungslücken erkannt worden seien. Worin diese allerdings genau bestehen sollen, wird nicht ausgeführt.

      Der BGH habe auch ausgeführt, dass die einheitliche Bekleidung der „Sharia-Polizei“ keine Uniform oder Uniformteile darstelle, somit eine Erfassung „gleichartiger“ Kleidungsstücke notwendig sei.

      Weiter geht die Landesregierung auf die Regelungssystematik nicht ein. Es ist zutreffend, dass § 3 BundesversammlG das Tragen „gleichartiger“ Kleidungsstücke neben dem Tragen von Uniformen oder Uniformteilen auf Versammlungen verbietet, wenn dadurch ein militanter, einschüchternder Eindruck entsteht. Auch ist zutreffend, dass im zitierten Urteil des BGH davon ausgegangen wird, dass das Tragen handelsüblicher Warnwesten mit einer gleichlautenden Aufschrift nicht unter das Tatbestandsmerkmal des Tragens von „Uniformen“ oder „Uniformteilen“ fällt. Gleichwohl geht die Landesregierung in ihrer Begründung gänzlich darüber hinweg, dass das Uniformverbot des § 3 VersammlG LSA das Tatbestandsmerkmal „uniformähnlich“ enthält.

      Die Definition von „uniformähnlicher“ und „gleichartiger“ Kleidung dürfte sich dabei auch nicht groß unterscheiden, da auch beim Tragen von „gleichartiger“ Kleidung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Bezug zu einer Uniform gegeben ist:

      „Das Tragen speziell von Uniformen als Ausdruck politischer Gesinnung ist aber – wie historische Erfahrungen bestätigen – geeignet, nicht nur die Außenwirkung kollektiver Äußerungen zu verstärken, sondern darüber hinaus suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auszulösen. Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung des freien Meinungskampfes ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, die Meinungsäußerungsform des öffentlichen Uniformtragens schon in den Ansätzen und auch in ihren Umgehungsformen zu unterbinden. Zu solchen Umgehungsformen gehört insbesondere das gemeinsame Tragen solcher (ziviler) Kleidungsstücke, die im wesentlichen einheitlich aussehen und erkennbar Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen aufweisen. Von ihrer Gleichartigkeit mit Uniformen kann dabei um so eher ausgegangen werden, wenn die Anlehnung durch zusätzliche Umstände (Abzeichen, Auftreten mit militärischem Gebaren) verstärkt wird.“ (vgl. BVerfG, Dreierausschussbeschluss v. 27.04.1982, 1 BvR 1138/81, Rn. 1 – zitiert nach juris)

      Auch das zitierte BGH-Urteil zur sog. „Sharia-Polizei“ (Rn. 17 – zitiert nach juris) nimmt Bezug auf den vorbenannten Beschluss des BVerfG und macht damit deutlich, dass eine gewisse Uniformähnlichkeit bestehen muss.

      Der Sinn dieser Änderung des Versammlungsgesetzes wird – bezogen auf diese Einzelnorm – nicht klar. Die Ersetzung des Wortes „uniformähnlich“ durch „gleichartig“ ergibt, unter den oben genannten Voraussetzungen, wenig Sinn.

      Im Gegenteil wird ein Begriff, der den Regelungskontext verdeutlicht, verwaschen. Es ist zu befürchten, dass durch das Austauschen der Wörter, gerade der in dem Wort „uniformähnlich“ bestehende Bezug auf Uniformen, und das mit dem öffentlichen Tragen von Uniformen bestehende Einschüchterungsrisiko, aufgehoben werden soll. Dadurch besteht die Gefahr einer Ausweitung des Uniformverbotes auf einen Zweck, der gesetzgeberisch im Bundesversammlungsgesetz nicht veranlasst war und auch historisch nicht begründbar ist. Es ist zu befürchten, dass durch diese anlasslose Änderung des bisherigen Wortlautes des § 3 VersammlG LSA einer Anwendung des Tatbestandes auf Fälle, in denen lediglich eine abstrakte „Gleichartigkeit“ von Kleidungsstücken gegeben ist, der Weg bereitet wird. So könnte beispielsweise das gemeinsame Tragen von Sporttrikots oder Fanutensilien bereits eine Gleichartigkeit begründen. Durch die bewusste Auswechselung der Begriffe wird dabei gleichzeitig die einschränkende Komponente, namentlich der einschüchternde Effekt, den das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken auf die Wahrnehmung der Äußerungsfreiheit haben kann, in den Hintergrund gestellt.

      III. Zu Art. 1 Nr. 1 a) des Änderungsgesetzes – Öffentliche Veranstaltungen

      Die Landesregierung möchte im Weiteren das Uniformverbot auf öffentliches Auftreten, das nicht unter den Versammlungsbegriff fällt, ausdehnen.

      Als Begründung wird gleichermaßen die sog. „Schutzzonen“-Kampagne der NPD, sowie die sog. „Sharia-Polizei“ herangezogen.

      Dabei geht es in erster Linie um die Möglichkeit, solches Verhalten strafrechtlich verfolgen zu können, welches eigentlich nicht nach den Strafvorschriften des Versammlungsgesetzes strafbar wäre, da Verhalten außerhalb von öffentlichen Versammlungen nicht unter den Anwendungsbereich der Norm fällt. Die Landesregierung plant somit die Schaffung neuer, allgemein geltender Strafvorschriften. Sinn und Zweck der Norm sind allein repressiv, wie aus der Begründung deutlich wird: „Gegen beide Verhaltensweisen wäre in Sachsen-Anhalt ein strafverfolgendes Einschreiten auf Grundlage von § 27 VersammlG LSA in Verbindung mit § 3 VersammlG LSA nicht möglich […].“

      Diese Ausweitung des Uniformverbotes erscheint insbesondere im Lichte der vorangestellten Überlegungen zu Art. 1 Nr. 1 b) des Änderungsgesetzes problematisch. Zunächst erfolgt durch das Aufweichen des Tatbestandes mittels des Wortes „gleichartig“ eine Entfernung vom ursprünglichen Normzweck. Durch die Ausweitung auf das öffentliche Tragen gleichartiger Kleidungsstücke ufert die Anwendungsmöglichkeit der neu geschaffenen Norm aus. Situationen, bei denen es zu Auseinandersetzungen kommt, in denen Beteiligte „gleichartige“ Kleidungsstücke tragen, geraten in Gefahr, einer anderen strafrechtlichen Beurteilung unterzogen zu werden. Ein Bezug zum eigentlichen Schutzgut des Uniformverbots – die Meinungs- und Versammlungsfreiheit – droht verloren zu gehen.

      Dabei wiegt das Bestimmtheitsgebot aus § 103 Abs. 2 GG besonders schwer. Es ist bereits auf Grundlage der bestehenden Regelung schwer zu bestimmen, wann ein die Voraussetzung des § 3 VersammlG LSA verbotenes, und damit gem. § 27 VersammlG LSA strafbares Verhalten gegeben ist. Dieses Problem wird durch die beabsichtigte Regelung lediglich weiter verschärft. Der Begriff „öffentlich“ bezeichnet einen Geltungsbereich, der schwer eingrenzbar ist. Die geplanten Änderungen des § 3 VersammlG LSA eröffnen einen unbestimmbaren Anwendungsbereich der Norm und bereiten einem Missbrauch des ursprünglichen Zwecks des Uniformverbotes den Weg. Das Änderungsgesetz sieht durch § 27 i. V. m. § 3 VersammlG LSA eine unbestimmte Strafnorm vor.

      IV. Zu Art. 1 Nr. 4 und 5 des Änderungsgesetzes – Erweiterung des Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes

      Eine weitere Änderung stellt die Ausweitung des Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes des § 15 VersammlG LSA auf sonstige öffentliche Veranstaltungen sowie die Anpassung der damit korrespondierende Strafnorm des § 26 VersammlG LSA dar.

      Als Begründung werden Gewaltdelikte bei Sportveranstaltungen benannt. Das Vermummen sowie das zusätzliche Mitführen eines Gebissschutzes, das zwar „strafwürdig“, aber derzeit nicht strafbar sei, werden zur Konkretisierung der Begründung angeführt.

      Bis auf die Erwähnung von Pauschalitäten – „general- und spezialpräventive Erwägungen“ – bleibt die Landesregierung eine Erklärung, woraus sich die Annahme einer Strafwürdigkeit ergibt, schuldig.

      Anhaltspunkte für die Häufigkeit des Auftretens des beschriebenen Verhaltens in Sachsen-Anhalt werden nicht gegeben. Auch fehlt zur adäquaten Verhältnismäßigkeitsprüfung ein Vergleich zu bereits bestehenden ordnungsrechtlichen oder strafrechtlichen Möglichkeiten, einem derart beschriebenen Verhalten staatlich zu begegnen. Es ist nicht erkennbar, dass dem Vorstoß der Landesregierung belastbare Daten zugrunde liegen, die eine Verschärfung allgemeinen Handelns, der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung, rechtfertigen würden.
      Der Gesetzesentwurf ist scheinbar von der Annahme geleitet, dass schärfere Strafen per se zu einer Abnahme von strafrechtlich relevanten Verhalten führen. Diese Annahme ist wissenschaftlich nicht belegbar.

      Eine Kernproblematik des Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes ergibt sich aus der Tatsache, dass das derart ausgestaltete – strafbewehrte – Vermummungs- und Schutzwaffenverbot ein Handeln unter Strafe stellt, das keinen strafrechtlichen Erfolg erfordert. Bestraft wird nicht etwa das Be- oder Verhindern einer hoheitlichen Maßnahme, wie die Gesetzesbegründung suggeriert, sondern die potentielle, abstrakte Möglichkeit dazu. Eine Rechtsgutsverletzung muss nach Intention der Gesetzesbegründung noch nicht vorliegen.

      Bereits das Vermummungs- und Schutzwaffenverbot aus § 17a BundesversammlG i. V. m. § 27 Abs. 2 BundesversammlG, sowie der entsprechende Tatbestand aus § 15 Abs. 1 i. V. m. § 26 Abs. 2 Nr. 1 VersammlG LSA begegnen seit ihrer Einführung Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit.

      Diese Bedenken werden durch die intendierte Regelung weitergetragen. Was genau eine Schutzbewaffnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG LSA sein soll, ist selbst durch die Tatbestandskonkretisierungen „Geeignetheit und Bestimmtheit zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen“ nicht gänzlich klar. Wie die jüngere Rechtsprechung zeigt, kann bereits das Mitführen einer Plastikfolie auf einer Demonstration als Verstoß gegen das Schutzwaffenverbot gewertet werden. Auch könnte beispielsweise die Anreise zu einer Veranstaltung mit dem Fahrrad und Fahrradhelm schon in den Anwendungsbereich der neuen Norm fallen, wenn es durch das Tragen eines Fahrradhelmes zu der faktischen Abwehr einer Vollstreckungshandlung kommt.

      Durch die geplante Verschärfung wird dieser unbestimmte Tatbestand ausgeweitet anwendbar auf alle „sonstigen öffentlichen Veranstaltungen“. Damit wird ein gefahrenabwehrrechtlicher Tatbestand, der seinerseits strafbewehrt ist, unverhältnismäßig ausgedehnt. Erfasst werden können bereits Konzerte in Parks oder öffentliche Feiern, ohne dass angenommen werden kann, dass eine vergleichbare Gefahrenprognose zugrunde gelegt wird. Die geplante Ausdehnung des Anwendungsbereiches von § 15 und § 26 VersammlG LSA bewirkt eine uferlose Pönalisierung des öffentlichen Lebens.
      Dies wird dadurch noch weiter verdeutlicht und verschärft, dass selbst beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB eine Ausnahme von der Strafbarkeit für solche Fälle besteht, in denen sich die Vollstreckungsmaßnahme, gegen die Widerstand geleistet wird, als rechtswidrig erweist. Die geplante Neuregelung enthält keinen entsprechenden Ausnahmetatbestand. Das bloße Mitführen von Gegenständen, die als „Schutzbewaffnung“ geeignet und nach den Umständen dazu bestimmt sein sollen, kann in solchen Fällen bereits eine empfindliche Strafe nach sich ziehen, wohingegen aktiver Widerstand gegen rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen straffrei wäre. Eine solche Regelung manifestiert ein rechtliches Missverhältnis.

      Inwieweit ein Gebissschutz die Durchführung einer hoheitlichen Maßnahme abzuwehren geeignet ist, ist klärungsbedürftig, was jedoch durch die Landesregierung nicht geschieht.

      Die in der Begründung benannte Strafwürdigkeit des begründungstragenden Verhaltens ist in Frage zu stellen. Das bloße Mitführen von Gegenständen, selbst von sog. „Schutzbewaffnung“, bedeutet nicht, dass daraus etwa eine erhöhte Gewaltbereitschaft abzulesen ist. Die These einer erhöhten Gewaltbereitschaft aufgrund des Mitführens eines Gebissschutzes basiert nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen, sondern bleibt eine unbegründete These. In der Antwort auf die bereits angesprochene Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade vom 29.12.2020 zieht die Landesregierung zum Beleg dieser These ein Urteil des OLG Frankfurt a. M. heran, das seinerseits auf einen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vor Einführung des Schutzwaffenverbotes in das Bundesversammlungsgesetz verweist. Dort wird ausgeführt: „Teilnehmer, die solche Schutzwaffen mit sich führen, dokumentieren aufgrund ihres martialischen Erscheinungsbildes eine offenkundige Gewaltbereitschaft und üben auf die Menge nach massenpsychologischen Erkenntnissen eine aggressionsstimulierende Wirkung aus“ (vgl. BT-Drs. 10/3580, S. 4). Aber auch hier wird eine Quelle für die angeblichen „massenpsychologischen Erkenntnisse“ nicht genannt.

      Inwieweit das Tragen eines Gebissschutzes ein martialisches Erscheinungsbild erzeugen oder fördern soll, ist unklar und wird weder vom Rechtsausschuss des Bundestages noch von der Landesregierung beantwortet.

      Es stellt sich auch im Weiteren die Frage nach der Notwendigkeit der Norm. Die Initiative der Landesregierung basiert eindeutig auf der Intention, eine neue strafrechtliche Norm einzuführen. Das gefahrenabwehrrechtliche Moment der Erweiterung des Uniform- sowie Schutzwaffen- und Vermummungsverbotes steht eindeutig nicht im Vordergrund der geplanten Gesetzesänderung. Maßgeblicher Faktor ist hier offensichtlich die Sicherung von Vollstreckungsmaßnahmen sowie die Unterbindung gewalttätigen Verhaltens im öffentlichen Raum.

      Dabei ist dieses Verhalten bereits strafbewehrt, namentlich durch die §§ 113, 114, 125 und 125a StGB. Bereits diese Normen stellen eine rechtspolitisch problematische und verfassungsrechtlich bedenkliche Verschärfung von Verhalten dar, die dasselbe Anliegen verfolgen, wie vorliegend die Landesregierung. Durch § 113 Abs. 1 StGB wird der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bereits unter Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe gestellt. Durch die geplante Neuregelung wird der passive Schutz der Gesundheit, die durch Art. 2 Abs. 1 GG garantiert ist, unter Strafe gestellt. Sofern mit der Regelung auf eine Abschreckung von Gewalttätigkeiten in der Öffentlichkeit abgestellt werden sollte, sei angemerkt, dass auch dieses Verhalten durch Bundesgesetz erheblich strafbewehrt ist, namentlich durch die §§ 125, 125a StGB.

      Ein rechtspolitischer Mehrwert durch eine weitere Verschärfung einer Handlung, die im Vorfeld zu Straftaten liegt, ist weder wissenschaftlich zu begründen, noch vorliegend erkennbar.

      V. Zu Art. 1 des Änderungsgesetzes (insgesamt)

      Die Antwort der Landesregierung vom 29.12.2020 auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Die Linke) vom 07.12.2020 (LT-Drs. KA 7/4215) gibt Aufschluss darüber, auf welcher Tatsachengrundlage die Initiative der Landesregierung basiert. Für den Zeitraum der letzten 3 Jahre liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass eine „Sharia-Polizei“ in Sachsen-Anhalt aufgetreten ist. Anhaltspunkte für ein zukünftiges Auftreten eines solchen Phänomens werden nicht benannt.

      In der kleinen Anfrage wird auch die Erkenntnisgrundlage der Landesregierung zur sog. „Schutzzonen“-Kampagne der NPD abgefragt. In der Antwort zeigt sich zwar, dass es wohl in Sachsen-Anhalt zu solchen Ereignissen gekommen sein könnte. Allerdings wird aus der Antwort der Landesregierung deutlich, dass diese Erkenntnisse erst über die Social-Media-Kanäle der NPD selbst bekannt wurden. Erkenntnisse über tatsächliche „Streifengänge“ liegen der Landesregierung explizit nicht vor. Dies zeigt deutlich ein bereits angesprochenes Problem der Gesetzesinitiative: Unabhängig von der moralischen oder rechtlichen Problematik ist in diesem Phänomenbereich keine Wahrnehmung durch Justiz- oder Exekutivbehörden gegeben.

      Die Landesregierung will restriktivere Regelungen auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts schaffen, diese über die gleichzeitige Pönalisierung „absichern“, scheint jedoch nicht willens oder in der Lage zu sein, potentielle Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Ziel bleibt lediglich eine populistische Verschärfung der Strafbarkeit öffentlichen Verhaltens, bei der ein ernstgemeinter Schutz vor der radikalen Rechten oder religiösen Radikalen nicht zu erwarten ist.

      Auch zeigt sich deutlich, dass es sich vorliegend um einen marginal kleinen Phänomenbereich handelt. Eine derart extensive Gesetzesänderung, die gleichzeitig einen verschwindend kleinen Bereich der real auftretenden Fälle erfasst, ist nicht gerechtfertigt.

      VI. Zu Art. 2 des Änderungsgesetzes

      Art. 2 des Gesetzesentwurfs sieht eine Kommunalisierung des Versammlungsrechtes hinsichtlich der Stadt Halle vor. Die Stadt Magdeburg hat nach Angaben der Landesregierung von der eröffneten Möglichkeit, zuständige Versammlungsbehörde zu sein, keinen Gebrauch gemacht.

      Die Kommunalisierung ist grundsätzlich zu begrüßen.
      Die Polizei ist, entgegen eines weit verbreiteten Mythos, kein neutraler Akteur, sondern verfolgt eigene politische Ziele und Strategien. Aktuell wird dieser Fakt nicht nur offenkundig im Umgang der Polizei mit unzähligen Meldungen über rechtsradikale Polizist:innen, sondern beispielsweise auch in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem öffentlichen Auftreten der Polizei in sozialen Medien.

      Zwar kann nicht gesagt werden, dass kommunale Versammlungsbehörden frei von Vorurteilen oder politischen Färbungen oder Agenden wären – allerdings kann doch angenommen werden, dass diese transparenter und justiziabler wären.

      Die Polizei ist typischerweise auf Versammlungen, um die Friedlichkeit von Versammlungen zu sichern und übt dadurch bereits einen erheblichen Einfluss auf eigentlich „staatsfreie“ Demonstrationen aus. Es ist wünschenswert, wenn Entscheidungen im Vorfeld zu Versammlungen einem anderen Akteur überlassen werden, der weniger abgeschlossen und intransparent agiert.

      Wie bereits oben dargestellt, wird in der Gesetzesbegründung deutlich, dass das hehre Ziel, antisemitische, rassistische oder anders menschenfeindliche Versammlungen einzuschränken oder jedenfalls die Äußerung solchen Gedankengutes zu unterbinden, ein Rechtsanwendungsproblem ist. In den meisten Fällen, die die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade anführt, war die Polizei Rechtsanwenderin. Es sollte somit aufgrund der Erkenntnisgrundlage erkennbar sein, dass eine generelle Kommunalisierung des Versammlungsrechtes wünschenswert ist.

      VII. Fazit

      Die geplante Änderung des Versammlungsgesetzes im hier angesprochenen Rahmen ist rechtlich höchst problematisch. Eine adäquate Darstellung einer rechtlichen Handlungsnotwendigkeit wird nicht gegeben. Die Gesetzesbegründung begnügt sich mit der Bezeichnung unspezifischer, unbelegter Annahmen.

      Selbst wenn man diese Annahmen als zutreffend und belegbar unterstellen wollte, wird keine Notwendigkeit eines gesetzlichen Einschreitens aufgezeigt. Größtenteils stellt sich weniger die Frage der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten, sondern die nach der Umsetzung bereits vorhandener rechtlicher Instrumentarien.

      Stattdessen möchte die Landesregierung den öffentlichen Raum in seiner Gesamtheit noch weiter reglementieren, ohne dass eine Veranlassung benannt werden könnte oder wird, womit sich das neue Versammlungsgesetz immer weiter von nachvollziehbaren Zielsetzungen entfernt.

      Die Pönalisierung des öffentlichen Lebens in diesem Umfang, ohne Beleg einer Gefahr oder Regelungsnotwendigkeit, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in dieses dar.

      VIII. Zum Änderungsantrag der AfD-Fraktion

      Der Antrag der Landtagsfraktion der AfD ist gänzlich unbrauchbar und zeigt das nationalistische Gedankengut dieser Partei und Fraktion deutlich auf.

      Die beiden Änderungswünsche der Fraktion sind die grundsätzliche Verpflichtung, Versammlungsinhalte in deutscher Sprache öffentlich zu machen sowie die Zuständigkeitsübertragung nach Art. 2 des Änderungsantrages zu verhindern.

      Das Recht auf Versammlungsfreiheit gewährt ein Selbstbestimmungsrecht über Art und Weise sowie den Inhalt einer Versammlung. Dies umfasst auch die Freiheit, Versammlungen in anderen als der deutschen Sprache durchzuführen. Der Zweck von Versammlungen, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken, ist dadurch nicht tangiert. Zunächst ist es Personen, die eine Versammlung durchführen wollen, freigestellt, welchen Teil der Öffentlichkeit sie ansprechen möchten. Zudem ist es gerade ein inklusives Merkmal der Versammlungsfreiheit, bspw. Personen, die sich besser in anderen Sprachen ausdrücken können, die Möglichkeit zu geben, auf diese Art und Weise an der öffentlichen Meinungsbildung zu partizipieren.

      Das dies auch elementarer Bestandteil der Versammlungsfreiheit ist, ergibt sich nicht zuletzt aus ihrer komplementären Konzeption. In dem von der AfD-Fraktion zitierten Beschluss des BVerfG wird nicht nur betont, dass die Versammlungsfreiheit ein elementarer Bestandteil einer repräsentativen Demokratie ist, sondern auch, warum:

      „In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, verbleibt dem Einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im allgemeinen nur eine kollektive Einflußnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen. Die ungehinderte Ausübung des Freiheitsrechts wirkt nicht nur dem Bewußtsein politischer Ohnmacht und gefährlichen Tendenzen zur Staatsverdrossenheit entgegen. Sie liegt letztlich auch deshalb im wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse, weil sich im Kräfteparallelogramm der politischen Willensbildung im allgemeinen erst dann eine relativ richtige Resultate herausbilden kann, wenn alle Vektoren einigermaßen kräftig entwickelt sind. […]
      Demonstrativer Protest kann insbesondere notwendig werden, wenn die Repräsentativorgane mögliche Missstände und Fehlentwicklungen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder aus Rücksichtnahme auf andere Interessen hinnehmen (vgl. auch BVerfGE 28, 191 (202)). In der Literatur wird die stabilisierende Funktion der Versammlungsfreiheit für das repräsentative System zutreffend dahin beschrieben, sie gestatte Unzufriedenen, Unmut und Kritik öffentlich vorzubringen und abzuarbeiten, und fungiere als notwendige Bedingung eines politischen Frühwarnsystems, das Störpotentiale anzeige, Integrationsdefizite sichtbar und damit auch Kurskorrekturen der offiziellen Politik möglich mache“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985, 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, Rn. 65, 66 – zitiert nach Juris).

      Die Verpflichtung, Versammlungen grundsätzlich in deutscher Sprache durchzuführen, würde in diesem Sinne den demokratischen Wert von Versammlungen nicht steigern, sondern mindern.

      Der Sinn des zweiten Anliegens der AfD-Landtagsfraktion liegt deutlich auf der Hand. Sie stört sich an der Kommunalisierung des Versammlungsrechts nicht aus rationalen, verfassungsrechtlichen oder -politischen Motiven, sondern an der Tatsache, dass ein politischer Entscheidungsträger Offensichtliches benennt: die Einstufung der Montagsdemonstrationen in Halle (Saale) als rechtsextrem. Es liegt nahe, dass die Landtagsfraktion der AfD ihr Wählerpotential vor einer zutreffenden, aber unliebsamen politischen Einordnung schützen möchte.

      Gleichwohl ist eine Kommunalisierung des Versammlungsrechts aus den oben angeführten Gründen sinnvoll. Der impliziten Unterstellung der Landtagsfraktion der AfD, dass sich eine kommunale Versammlungsbehörde etwa nicht an das Neutralitätsgebot halten werde, ist weder begründet oder haltbar. Im Gegenteil ist allerdings zu hoffen, dass der Rechtsanwendungsmalus hins. der Tatbestände des § 13 Abs. 2 VersammlG LSA, wie er oben dargestellt wurde, behoben werden kann.

      Berlin, 15.02.2021

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      Sachsen AnhaltVersammlungsrechtVersammlungsrechtStellungnahmen
      news-751Sun, 10 Jan 2021 18:24:03 +0100Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu unterbinden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/dringender-appell-75111.1.2021, Offener Brief des RAV an Justizministerien, Gerichte und das BAMF11. Januar 2021, Offener Brief des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

      Dringender Appell des RAV

      Sehr geehrte Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer,
      sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, Landgerichte, Amtsgerichte sowie Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte,
      sehr geehrter Herr Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge,

      für den RAV steht aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation und vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang bisher ergriffenen Maßnahmen fest:
      Auch die Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Virus zu unterbinden.
      Die Aufrufe zum gesellschaftlichen Zusammenhalt verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sich die Einschränkungen auf den Privatbereich fokussieren und nicht auch seitens der Behörden und der Justiz die erforderlichen Anstrengungen unternommen werden. Vor diesem Hintergrund hält der RAV u.a. folgende Maßnahmen für unabdingbar:

      1. Zur Aussetzung aller nicht eilbedürftiger Gerichtstermine

      Viele Gerichtsverhandlungen, die aufschiebbar wären, finden nach wie vor statt. Selbstverständlich müssen in Haft- und Gewaltschutzsachen, in Verfahren, die das Kindeswohl betreffen und in dringenden Betreuungsangelegenheiten auch während des Lockdown Gerichtsverhandlungen durchgeführt werden, wenn damit keine konkreten und erheblichen Gesundheitsgefährdungen einhergehen.

      Hier in Rede stehen aber zahlreiche Strafverhandlungen, die keine Haftsachen sind, sowie Verhandlungen in Asylsachen und in anderen Verfahren, die bereits seit Jahren an den Verwaltungsgerichten anhängig sind und ohne Probleme verschoben werden können.

      Jede Gerichtsverhandlung führt zu einer Steigerung der Gesundheitsgefährdung der Verfahrensbeteiligten. Zu jedem Gerichtstermin kommen zahlreiche Verfahrensbeteiligte, oft auch aus unterschiedlichen Regionen, die alle eine Vielzahl weiterer beruflicher und sozialer Kontakte pflegen. Gerade solche Zusammenkünfte sollen aber im Sinne des Pandemieschutzes – soweit möglich – vermieden werden. Aufschiebbare Termine sind daher aufzuheben und für die Zeit nach dem Lockdown neu zu terminieren. Selbstverständlich obliegt es jeder Richterin und jedem Richter, vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit diese Entscheidung zu treffen. Allerdings sollte auch seitens der Justizverwaltung ein verantwortungsvoller Umgang mit der jeweils zu treffenden verfassungsrechtlichen Abwägung in den Blick genommen werden.

      Zu berücksichtigen ist auch: Der Grundsatz, ›Wir bleiben zu Hause‹, steht einer der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglichen Gerichtsverhandlung diametral gegenüber. Dem Großteil der Bevölkerung dürfte noch nicht einmal bewusst sein, dass der Besuch einer Gerichtsverhandlung zur Sicherstellung von Öffentlichkeit einen »triftigen Grund« für das Verlassen der Häuslichkeit darstellt.

      2. Zur Aussetzung des Personalberechnungssystems und Situation in den Gerichtssälen

      Seitens des RAV wird nicht verkannt, dass eine Aufhebung von Gerichtsterminen im Lockdown zu Einschränkungen bei der Rechtspflege führt. Einschränkungen betreffen aber eine Vielzahl weiterer relevanter gesellschaftlicher Bereiche, wie Bildung, Kultur, Religion und spezifische wirtschaftliche Bereiche, wie etwa die Gastronomie.

      Ein etwaig bestehender Erledigungsdruck für die Gerichte kann auch durch eine Aussetzung des Personalberechnungssystems PEBB§Y genommen werden.

      Gerade vor dem Hintergrund, dass sich eine neue, noch ansteckendere Mutation des Virus herausgebildet hat, sind jetzt alle angehalten, ihren Beitrag zu leisten, um eine Eindämmung des Virus zu ermöglichen und damit auch eine Rückkehr zu einer Normalität in Aussicht zu stellen.

      Die bisher in den meisten Gerichten ergriffenen Maßnahmen sind für den Gesundheitsschutz nicht ausreichend. So ist schon die Einhaltung der Abstandsregeln häufig nicht gewährleistet. In Anbetracht der Tatsache, dass während der Verhandlung meist vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes abgesehen wird, dürfte auch in größeren Räumlichkeiten ein effektiver Hygieneschutz nicht gegeben sein. Auch Plexiglasscheiben und -kästen schaffen nur bedingt Abhilfe. Wenn sie überhaupt vorhanden sind – was in einer Vielzahl von Gerichten nach wie vor nicht der Fall ist –, sind sie nach mehreren Seiten offen und es finden häufig Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten – bspw. bei Inaugenscheinnahmen – statt, bei denen die Verfahrensbeteiligten nahe beieinander stehen.

      Erschwerend kommt hinzu, dass das Wegerisiko in die Sphäre der Verfahrensbeteiligten verschoben wird. Denn aus gesetzlicher und/oder beruflicher Verpflichtung heraus besteht ein Teilnahmezwang an der Verhandlung.

      3. Zur Zustellung negativer Bescheide

      Darüber hinaus werden nach wie vor Ablehnungsbescheide, auch in Asylsachen, zugestellt. Während des Lockdown im Frühjahr 2020 hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zustellung negativer Entscheidungen ausgesetzt. Zu dieser Praxis ist wieder zurückzukehren.

      Für die Betroffenen ist derzeit der Zugang zu anwaltlicher Beratung oder Unterstützung durch unabhängige Beratungsstellen de facto nicht gegeben. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Unterkünften für Geflüchtete durch Quarantäneanordnungen abgeriegelt. Den Bewohner*innen wird ein Verlassen damit verunmöglicht.

      Selbst wenn Möglichkeiten bestehen, die Unterkünfte zu verlassen, ist es aufgrund der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen zu den Kanzleien nahezu unmöglich, anwaltliche Vertretung zu erreichen. Selbst wenn die Betroffenen selber Klage erheben wollen, wird ihnen – die häufig in ländlichen Regionen untergebracht sind – das Wegerisiko unter Benutzung des ÖPNV zu den Rechtsantragsstellen auferlegt.

      Wir fordern daher, die Zustellung negativer Bescheide insbesondere im Bereich des Asyl- und Migrationsrechts bis zum Ende des Lockdown einzustellen.

      Der RAV schließt sich insofern der Forderung des Deutschen Anwaltvereins vollumfänglich an, die er in seinem fundierten Vorschlag für eine ›Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis der Nachholung eines Visumverfahrens‹ dargelegt hat.(1)

      Wir erwarten von den Behörden und der Justiz, dass sie angemessen und rechtskonform auf die Pandemie reagieren. Wir erneuern daher mit diesem Appell unsere Forderungen an die Verantwortlichen, die wir bereits im März 2020 gestellt haben.(2)

      Hochachtungsvoll, Ihr

      Dr. Lukas Theune
      Rechtsanwalt, Geschäftsführer, im Namen des Vorstandes

      (1) https://anwaltverein.de/de/newsroom/dav-initiativ-sn-91-20-covid-19-vo-visumverfahren?page_n27=2
      (2) https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/corona-pandemie-auch-die-justiz-muss-umgehend-reagieren/49760e148aeeb89bb5a4bd5c52dc3533/

      Offener Brief als PDF

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      CoronaMigration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)Migration & AsylMenschenrechte/Türkei
      news-747Tue, 05 Jan 2021 13:44:54 +0100Aytaç Ünsal has to be released/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aytac-uensal-has-to-be-released-747Gemeinsame Pressemitteilung, 16.12.20Berlin, Barcelona, Madrid, Utrecht, Paris, Rome, Brussels, Athens, 16th December 2020

      It is unacceptable that lawyer Aytaç Ünsal, convicted in an unfair trial, has been tortured and sent to prison despite his health conditions. Our colleague has to be released immediately.

      People’s Lawyer Aytaç Ünsal, was taken into custody in Edirne in the evening of the 9th of December 2020. Previously, on the 3rd of September 2020, he had been released by the Court of Cassation, which postponed the execution of his sentence due to the deterioration of his health as a result of his long hunger strike (213 days) demanding the right to a fair trial. The other lawyer who went on hunger strike with him, Ebru Timtik, died from her prolonged fast.  

      Recently, on the 23rd of November, police raided the house where Aytaç Ünsal was being treated. The raid put him on high risk of infection due to the Covid-19 pandemic and the collapse of his already weak immune system. Furthermore, Aytaç Ünsal’s colleagues, who were present in the house during the police raid, were also detained and their belongings plundered.

      Aytaç Ünsal, in very fragile health conditions as a result of the hunger strike, was tortured by the political police when he was taken into custody in Edirne. Our colleague was taken off the vehicle and laid on the ground, stepped on, and his head hit the asphalt ground. Due to this fall, Aytaç Ünsal's face and various parts of his body were injured.

      AED/EDL calls on the Turkish authorities to restore the rule of law and stop the practice of targeting lawyers. By aggressing the Defence, personified in this case by Aytaç Ünsal, Turkish authorities are in fact attacking the rule of law and human rights in Turkey.

      It must be highlighted that Aytaç Ünsal has been attacked in his role as a human rights defender and we therefore call on the Turkish authorities to let him, as well as all other lawyers, to work freely and safely.

      The international community is alarmed by the way Turkish judiciary displays, especially in terrorism-related cases, unprecedented levels of disregard for even the most basic principles of law, such as presumption of innocence, the necessity of a crime to justify a punishment, the non-retroactivity of crimes and the principle of non bis in idem (that is, not being judged for the same facts twice, as is the case in two ÇHD trials). At the same time, procedural guarantees such as adversarial proceedings, equality of arms and the right to a lawyer, are clearly and permanently eroded in these trials against lawyers.

      Therefore, we call on the Turkish authorities to guarantee the independence of lawyers, and to protect procedural fair-trial guarantees. Furthermore, we raise concerns about recent developments jeopardising the effectiveness of the defense of human rights in Turkey. We stress the importance of civil society organisations and human rights defenders in a democratic society, as a vital and fundamental body for the defence of fundamental rights.

      Finally, AED/EDL would like to draw attention to the worrying information we have received concerning the arrest and detention of human rights lawyers working for the non-governmental organization People's Law Office (HALKIN HUKUK BÜROSU) under accusations of membership in a terrorist organization.

      According to the information received:

      We express grave concern regarding the allegations of arrest and prosecution under accusation of membership in a terrorist organization of the above-mentioned lawyers of the People's Law Office. Moreover, serious concern is expressed at the mounting number of human rights defenders and lawyers under investigation for alleged links to terrorist organizations in Turkey, which seems to evidence a pattern of using this type of offence to target individuals and organizations legitimately expressing dissent with the policies of the current Turkish Government.

      We declare the detention of this Human Rights defendants arbitrary, and we demand the Turkish Government to take all necessary measures to guarantee their right not to be deprived arbitrarily of their liberty and to ensure fair proceedings before an independent and impartial court, in accordance with articles 9, 10 and 14 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), ratified by Turkey on 23 September 2003.

      We would also like to draw attention to the Basic Principles on the Role of Lawyers, which stipulate that governments have the duty to ensure that lawyers are able to perform all of their professional functions without intimidation, hindrance, harassment or improper interference, and that lawyers shall not suffer, or be threatened with, prosecution or administrative, economic or other sanctions for any action taken in accordance with recognized professional duties, standards and ethics (Principle 16).

      We would lastly like to highlight the fundamental principles set forth in articles 1 and 2 of the UN Declaration on Human Rights Defenders, which provide for the right to promote and to strive for the protection and realization of human rights and fundamental freedoms.

      In view of the urgency of the matter, we urge the Turkish authorities to safeguard the rights and life of lawyer Aytaç Ünsal, in compliance with international instruments and to free him immediately.

      We urge the Turkish authorities to provide clear information on the measures adopted to respect the fundamental rights and life of Aytaç Ünsal.


      ***
      Founded in 1987, the Association of European Democratic Lawyers (AED) is a confederation of trade unions and lawyers' organizations with the same democratic, modern and humane ideals in Europe. The AED intends to defend the rights of citizens by preserving the independence of lawyers with regard to any political, social, economic or ordinal power. As a professional organization, its international purpose is to ensure respect for the rights of the defense and, in particular, to safeguard the physical integrity and political and economic freedom of lawyers. The association also works to ensure that all individuals have access to national and international judicial appeals, particularly those who are in the most precarious situations and whose basic rights are not recognized or poorly recognized.

      MEMBER ASSOCIATIONS:

      www.aeud.org
      https://www.facebook.com/aed.edl1987/

      twitter: @AED_EDL
      telegram: https://t.me/AED_EDL

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      Freie Advokatur (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Freie AdvokaturMenschenrechte/Türkei
      news-744Fri, 18 Dec 2020 09:39:09 +0100Strafverfahren gegen mutmaßlich rassistische Schläger wird im Januar fortgesetzt<br />Organisationen fordern sofortige Rückholung des nach Afghanistan abgeschobenen Jamil Amadi*/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-mutmasslich-rassistische-schlaeger-wird-im-januar-fortgesetztorganisationen-fordern-sofortige-rueckholung-des-nach-afghanistan-abgeschobenen-jamil-amadi-744PM von FR, Pro Asyl, Reach Out, RAV u. Yaar, 18.12.2020Im April 2017 wurde der damals 26-jährige Jamil Amadi auf einem Berliner S-Bahnhof Opfer eines brutalen und vermutlich rassistisch motivierten Überfalls. Einer der Täter soll der Berliner Polizist Stefan K. gewesen sein, der in seiner Freizeit unterwegs war. Noch bevor das Strafverfahren gegen Stefan K. und die anderen Angeklagten abgeschlossen war, ließ das Landesamt für Einwanderung Herrn Amadi im März 2020 nach Afghanistan abschieben, obwohl die Staatsanwaltschaft der Ausländerbehörde deutlich signalisiert hatte, dass er als Zeuge zur Durchführung der Hauptverhandlung gegen Stefan K. zwingend benötigt wird. Nach fast einjähriger Corona-bedingter Pause wird nun das Verfahren beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten neu aufgenommen. Verhandlungstermine sind für den 20. Januar und 3. Februar 2021 anberaumt.

      Nichtregierungsorganisationen fordern: Jamil Amadi muss sofort nach Berlin zurückgeholt werden, um als Hauptzeuge und Nebenkläger im Verfahren auszusagen und Schmerzensgeldforderungen geltend zu machen. Herr Amadi muss überdies ein sicheres Aufenthaltsrecht als Opfer einer rassistisch motivierten Gewalttat erhalten. Die Rechtsanwältin von Herrn Amadi hat bereits rechtliche Schritte eingeleitet, um eine Wiedereinreise zu ermöglichen.

      Wie die ZEIT am 18.11.2020 berichtete wurde Herr Amadi durch den Überfall schwer traumatisiert und aus der Bahn geworfen. Er wurde obdachlos, nahm Drogen und landete in Haft. Weil ihm eine Reihe von Straftaten zur Last gelegt wurde, schob das Landesamt für Einwanderung Herrn Amadi ab, obwohl es nie zu einer Verurteilung kam und ein Gutachter ihn für schuldunfähig erklärt hatte. Wenig später wurde bekannt, dass der Polizist Stefan K. Mitglied der Ermittlungsgruppe „Rex“ war, die für die Aufklärung der rechtsterroristischen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln zuständig war.

      Wegen der langen Corona-bedingten Unterbrechung des Strafprozesses gegen Stefan K., müssen nun alle Zeug:innen noch einmal geladen werden.

      Herr Amadi muss sofort nach Berlin zurückgeholt werden. Er ist Hauptzeuge in dem Verfahren und es ist unabdingbar, dass auch er noch einmal gehört wird. Zudem hat er als Nebenkläger das Recht, in dem Verfahren Schadensersatzansprüche geltend zu machen und dafür vor Gericht gehört zu werden“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin.

      Die Abschiebung war aus unserer Sicht unrechtmäßig, nicht nur wegen des noch laufenden Strafverfahrens gegen den hauptverdächtigen Polizisten und seine mutmaßlichen Mittäter. Herr Amadi ist seit dem Überfall gesundheitlich stark beeinträchtigt, körperlich und psychisch. Eine adäquate medizinische Behandlung gibt es in Afghanistan nicht. Als Opfer einer vermutlich rassistisch motivierten schweren Gewalttat muss Herr Amadi einen gesicherten Aufenthalt und eine Entschädigung bekommen. Berlin steht hier in der Verantwortung, nicht zuletzt, weil an der brutalen Tat ein Polizeibeamter des Landes Berlins beteiligt gewesen sein soll“, ergänzt Helga Seyb von der Opferberatungsstelle Reach Out.

      Immer noch werden Menschen, die in Deutschland rassistisch motivierte Gewalt erfahren haben, unzureichend geschützt. Die Berliner Regelung, wonach Opfer von Hasskriminalität eine Duldung bzw. ein Bleiberecht erhalten sollen, kommt in der Praxis nicht zur Anwendung. Auch in dem am 30. Oktober 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus fehlt eine entsprechende Regelung.

      Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL fordert: „Rassistische Gewalttaten müssen vor Gericht gebracht und ihre Opfer angehört werden. Betroffene dürfen nicht außer Landes geschaffen werden. Das ist mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar.

      Viele Geflüchtete, die Opfer von Übergriffen geworden sind, zeigen aus Angst vor Abschiebung die Täter:innen gar nicht erst an und sind angesichts rassistischer Gewalt praktisch schutzlos gestellt. PRO ASYL, Reach Out, der RAV, der Flüchtlingsrat und Yaar fordern generell ein Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt.

      * Jamil Ahmadi ist ein Aliasname.

      Pressekontakte

      Hinweis: Falls Sie uns telefonisch nicht erreichen, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail, wir rufen Sie gerne zurück.

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      AbschiebungenPressemitteilung
      news-742Sat, 12 Dec 2020 17:36:18 +0100Mensch Pirna – Aktion weist in Pirna auf Menschenrechte hin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mensch-pirna-aktion-weist-in-pirna-auf-menschenrechte-hin-74272 Jahre Allgemeine Erklärung der MenschenrechtePressemitteilung
      In Pirna feiert ab dem 10.12.2020 ein breites Bündnis der Zivilgesellschaft das 72-jährige Bestehen der Erklärung der Universellen Menschenrechte. Die am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung beschlossene Resolution weist 30 Artikel auf, die den Menschen Rechte zusichern und ein freies und gerechtes Leben ermöglichen sollen. Auf alle 30 Artikel des Papiers weist die Aktion „Mensch Pirna“ mit Fußbodenaufklebern in der Pirnaer Altstadt hin.
      • Einzelne Akteur*innen aus einem überparteilichen Bündnis haben die Aktion „Mensch Pirna“ ins Leben gerufen
      • Unterstützt wird die Aktion, die bis Januar 2021 laufen soll, von verschiedenen Vereinen, Organisationen, Einrichtungen, den Kirchen, Einzelpersonen und Persönlichkeiten
      • Als Pate für Artikel 1 „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“ steht Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke

      Mensch Pirna – Überparteiliche Aktion für die Menschenrechte
      Am 10. Dezember, dem Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Menschenrechte, startet „Mensch Pirna“ mit einer Informationskampagne, die auch über Pirna hinaus strahlen soll. So werden neben den Aufklebern, die in den Folgetagen und noch bis Januar auf die einzelnen Artikel der UN-Resolution aufmerksam machen wollen, digital einige Inhalte geboten. Auf der Webseite Mensch-Pirna.de können Interessierte nicht nur die gesamte Erklärung nachlesen, sondern auch aktuelle Neuigkeiten vom überparteilichen Team hinter der Aktion lesen. Zudem werden auf der Webseite die einzelnen Patinnen und Paten aufgeführt.

      Pat*innen übernehmen einzelne Artikel und Aufkleber
      Für viele der Aufkleber, die über den Dezember hinweg sowie noch im Januar in Pirna zu sehen sein werden, wurden Patinnen und Paten gefunden. So übernimmt beispielsweise der Pirnaer Oberbürgermeister KlausPeter Hanke die Patenschaft für Artikel 1 zu Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Pate für Artikel 2, dem Verbot der Diskriminierung, ist der CSD Pirna e.V. Das Recht auf Wohlfahrt beschreibt Artikel 25, für den die Pat*innen die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Caritas, das DRK und die AWO sind. Die gesamte Liste kann auf der Webseite Mensch-Pirna.de eingesehen werden.

      Weitere Patinnen und Paten sind: Laienchor Pir- Moll, Amnesty International Hochschulgruppe Dresden, Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V., Sächsischer Flüchtlingsrat e.V., Matthias Piel, AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V., Mehrgenerationshaus Famil e.V., Soroptimist Club Pirna, Die christlichen Gemeinden der Stadt Pirna, Sächsische Zeitung , Pirna TV, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Tafel Pirna e.V. , Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), Deutscher Gewerkschaftsbund Dresden - Oberes Elbtal (DGB), NaturFreunde Sachsen e.V. , Naturfreundejugend Sachsen , Friedrich - Schiller - Gymnasium Pirna, Heilpädagogik Bonnewitz, Herder Gymnasium Pirna , Uniwerk e.V., Helpline Dresden und AKuBiZ e.V.

      Erinnerung an Grundfeste der Gesellschaft, gerade jetzt
      Der Zeitpunkt der Aktion wurde nicht willkürlich gewählt, haben über das Jahr 2020 einige Akteur*innen doch gezeigt, dass andere Menschen ihnen nicht viel wert sind. Mit der „Mensch Pirna“-Aktion soll auf gemeinsame Werte hingewiesen werden, um die Gesellschaft – gerade in Zeiten der Krise, in Zeiten der Corona -Pandemie – wieder besser aufeinander einzustimmen. Zwar darf man sich keine Illusionen machen, doch die Hoffnung auf ein besseres, vernünftigeres Miteinander gibt es immer. Und diese wird mit einem breiten Bündnis aus der Zivilgesellschaft zum Ausdruck gebracht.

      Ina Richter und Johannes Domke
      Organisationsteam

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      Bürger- und Menschenrechte (doublet)VersammlungsfreiheitBürger- und Menschenrechte
      news-740Sun, 06 Dec 2020 19:11:43 +0100Jede Abschiebung nach Syrien verletzt die Menschenrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/jede-abschiebung-nach-syrien-verletzt-die-menschenrechte-740Pressemitteilung 17/20, 7.12.2020Abschiebungen in einen Folterstaat und Kooperationen mit dem Assad-Regime sind indiskutabel

      Der RAV fordert anlässlich der Konferenz der Innenminister in dieser Woche, den Abschiebungsstopp nach Syrien zu verlängern. Abschiebungen in einen Folterstaat sind indiskutabel, Syrien ist für keinen Menschen sicher.

      In Syrien ist weiterhin ein brutales und verbrecherisches Regime an der Macht: Jegliche oppositionelle Handlung oder auch nur der Verdacht, gegen die Regierung zu sein, wird von Assad und seinem Regime sofort gewaltsam unterdrückt und verfolgt. Zigtausende Menschen sind und werden weiter inhaftiert und gefoltert. Dem Verdacht, das Regime zu bekämpfen, können alle Menschen in allen Teilen des Landes ausgeliefert sein. Insbesondere diejenigen, die in das Land zurückkehren, sind bedroht, als Regimegegner*innen angesehen zu werden und im Gefängnis zu landen. Hinzu kommt eine katastrophale humanitäre Situation und ein durch den Krieg verwüstetes Land, in dem mehr als sechs Millionen Binnenvertriebene leben.

      Die allgegenwärtige existenzielle Gefahrenlage wird von internationalen, staatlichen wie nichtstaatlichen, Organisationen, einschließlich des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR einhellig bestätigt. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat wieder klar gestellt, dass der syrische Bürgerkrieg gekennzeichnet sei »durch die wiederholte und systematische Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Armee« (EuGH, Urteil vom 19.11.2020 - C-238/19 -). Auch das Auswärtige Amt stellt aktuell in seinem Lagebericht fest, dass Syrien für keinen Menschen und in keiner Region sicher ist. Es verbietet sich jegliche Kooperation mit syrischen Sicherheitsbehörden.

      Auch der Bundesinnenminister hat keine anderen Erkenntnisse, will aber nun im Zusammenspiel mit seinen Innenministerkollegen der Länder aus CDU und CSU den Abschiebungsstopp nach Syrien beenden: »Der Innenminister hat noch nicht einmal schlechte, er hat schlicht gar keine Argumente. Abschiebungen nach Syrien würden gegen die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen«, sagt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV.

      Nach Syrien abzuschieben ist aber –  abgesehen davon, dass es rechtswidrig wäre – auch politisch keine kluge Antwort auf Straftaten mit mutmaßlich islamistischen Motiven. Islamistische Gefahren dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, Menschenrechte einzuschränken und auszuhöhlen. Dazu Rechtsanwältin Barbara Wessel (ebenfalls erw. RAV-Vorstand) »Das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlungen gilt bedingungslos für alle Menschen, auch bei Abschiebungen in andere Staaten. Abschiebungen von Straftäter*innen und sogenannten Gefährder*innen sind ein gefährlicher Dammbruch, der den Schutzwall vor Abschiebungen auch von anderen Menschen bricht, wie wir am Beispiel Afghanistan sehen«.

      Um Abschiebungen nach Syrien praktisch möglich zu machen, müsste der deutsche Staat mit den syrischen Sicherheitsbehörden kooperieren: »Theoretisch müssten die syrischen Behörden im Einzelfall gegenüber den deutschen Behörden sicherstellen, dass keine Folter droht. Es ist völlig realitätsfern, dass ein durchweg autokratisches, repressives und unterdrückerisches Regime Zusicherungen gibt, die verlässlich wären und die rechtsstaatlich einwandfrei in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geklärt werden können«, so Berenice Böhlo, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied des RAV.

      Wir fordern die Innenminister des Bundes und der Länder auf, sich an der Situation in Syrien anstatt an rechten Forderungen zu orientieren, die Menschenrechte zum Maßstab zu nehmen anstatt sie zu relativieren. Der Abschiebungstopp nach Syrien muss verlängert werden.

      Syrien ist nicht sicher – Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

      ***
      Kontakt für Pressegespräche:
      Dr. Matthias Lehnert, Tel. 030.25 29 87 77, lehnert@aufenthaltsrecht.net
      oder über die Geschäftsstelle des RAV, 030.41 72 35 55, kontakt@rav.de

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      SyrienAbschiebungenMigration & Asyl (doublet)PressemitteilungMigration & Asyl
      news-739Tue, 24 Nov 2020 11:08:43 +0100Gesetzentwurf des BMJV für eine „gesetzliche Regelung zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Strafvollstreckungsverfahren“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzentwurf-des-bmjv-fuer-eine-gesetzliche-regelung-zur-intensivierung-des-einsatzes-von-videokonferenztechnik-im-strafvollstreckungsverfahren-739RAV-Stellungnahme, 23.11.20Verfasser: Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Bremen

      Vorbemerkung

      Auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs des Bundesrates vom 24.03.2010 (BT-Drs. 17/1224; vorher bereits BT-Drs. 16/7956, der Diskontinuität verfallen) wurde m.W.v. 01.11.2013 (BGBl. I S. 935) in § 462 Abs. 2 StPO ein neuer Satz 2 eingefügt, demzufolge für den Fall, dass das Gericht „eine mündliche Anhörung an[ordnet], ... es bestimmen [kann], dass sich der Verurteilte dabei an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird“. Es befremdet, dass der vorliegende Entwurf diese Regelung weder erwähnt noch darlegt, welche Erfahrungen damit gemacht wurden.

      Ferner wäre zu erwarten gewesen, dass dargelegt wird, warum die von Seiten der Bundesregierung zu dem o.g. Gesetzentwurf des Bundesrates geäußerten Bedenken hinsichtlich einer beabsichtigten Erweiterung der Regelung auf Anhörungen gem. §§ 453 und 454 StPO nun nicht mehr gehegt werden. In BT-Drs. 17/1224 S. 18 hieß es insoweit:

      Die Bundesregierung hat Bedenken gegen diesen Vorschlag, soweit er auch Geltung für die Fälle des Widerrufes der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 453 Abs. 1 S. 3 StPO beansprucht. In diesen Fällen geht es – wegen der Bedeutung der Sache für den Verurteilten – ganz besonders darum, dass sich das Gericht einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten verschaffen kann.“

      Und zu § 454 StPO:

      „... hat die Bundesregierung Bedenken gegen diesen Vorschlag, der für die Fälle der Reststrafaussetzung zur Bewährung die Möglichkeit der Videokonferenz anstelle einer höchstpersönlichen Anhörung des Verurteilten durch das Gericht vorsieht. Der Zweck der Anhörung des Verurteilten besteht nicht nur in der Gewährung des rechtlichen Gehörs, sondern durch die zwingende mündliche Anhörung soll auch erreicht werden, dass das Gericht den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten aufnimmt und sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft.

      Dementsprechend hatte der Rechtsausschuss des Bundestages auf die Änderungen der §§ 453, 454 StPO ganz verzichtet, u.a. mit folgender Begründung (BT-Drs. 17/12418 S. 17):

      Die Anhörung dient in beiden Fällen jedoch in ganz besonderem Maße dazu, dass sich das Gericht einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten verschaffen kann (und auch sollte).

      Woher nun – nur sieben Jahre später – der Sinneswandel kommt, bleibt ein Geheimnis: Will man wegen der Corona-Pandemie und der damit in Zusammenhang stehenden erhöhten Anforderungen an den Infektionsschutz (notstandsähnlich) vorübergehend eine Sonderregelung schaffen (ähnlich § 10 EGStPO), so wäre dies explizit kenntlich zu machen und demgemäß zu befristen. Nicht hinzunehmen ist jedoch, dass hier eine – vorab mit guten Gründen (s.o.) verworfene – Regelung gewissermaßen ‚im Schatten‘ der Pandemie doch noch, und zwar offenbar über diese hinaus dauerhaft, eingeführt werden soll.

      Vor diesem Hintergrund gleichwohl einige Anmerkungen zu dem BMJV-Entwurf:

      1. Allg. Begründung

      Die Begründung für die in § 463e StPO-E vorgesehene Regelung zur mündlichen Anhörung „im Wege der Bild- und Tonübertragung“ (S. 2) überrascht, gelinde gesagt:
      Durch den Einsatz der Übertragungstechnik werden die mit der mündlichen Anhörung etwaig einhergehenden Sicherheitsrisiken für das Justizpersonal und die hiermit ebenfalls verbundenen Belastungen für den Verurteilten verringert. Für den Fall, dass durch den Einsatz der Videokonferenztechnik ein Gefangenentransport vermieden wird, vermindert sich zudem das Fluchtrisiko. [...] Schließlich trägt der Einsatz der Übertragungstechnik zu einer effizienteren Gestaltung des Verfahrens bei.

      Welche „Sicherheitsrisiken für das Justizpersonal“ damit „etwaig“ gemeint sind, mag man noch erahnen: Ob sich jene Risiken aber schon einmal irgendwo realisiert haben, bleibt hingegen offen; der Verfasser hat solches bisher jedenfalls weder erlebt noch gehört. Gleiches gilt für das „Fluchtrisiko“: Dass und ggf. wie oft Gefangene, die gem. §§ 453, 454 StPO (ggf. auch i.V.m. § 463 StPO) anzuhören sind, einen Gefangentransport zur Flucht missbraucht haben, hätte man gerne erfahren. Beides klingt allzu vorgeschoben. Dann auch noch etwaige „Belastungen für den Verurteilten“ ins Feld zu führen als Begründung für eine Vorgehensweise, die auf seine Zustimmung resp. Ablehnung keine Rücksicht nehmen soll, befremdet. Die vermeintlich „effizientere Gestaltung des Verfahrens“ erweist sich schließlich als Allgemeinplatz: In Anbetracht der auf Seiten der Gefangenen betroffenen Rechte ist „Effizienz“ hier offenbar einmal mehr einseitig justizlastig besetzt und insoweit als Legitimation zurückzuweisen.

      Alles in allem – sieht man, wie gesagt, von infektionsschutzbedingten befristeten Sonderregelungen ab (s.o.) – schon im Ansatz keine tragfähige Begründung für die geplante dauerhafte Änderung des formellen Vollstreckungsrechts.

      Schließlich sei angemerkt, dass der Verfasser im Rahmen solcher audio-visueller Anhörungen, die z.T. bereits (aber eben: Corona-bedingt) stattgefunden haben, regelmäßig auf technische Probleme bzw. Grenzen stößt. So gehen – um nur ein Beispiel zu nennen – Anmerkungen und/oder Zwischenfragen etwa unter, weil technisch bedingt immer nur eine Person gleichzeitig reden kann; außerdem müssten einzelne Teile der Anhörung – um ein weiteres Beispiel zu nennen – wiederholt werden, wenn eine der teilnehmenden Personen vorübergehend aus der Schaltung verschwindet (soweit dies überhaupt zeitnah registriert wird), was kaum praktikabel ist.
       

      2. zu § 463e Abs. 1 StPO-E

      Durch die mündliche Anhörung soll neben der Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektives rechtliches Gehör auch – so zutreffend die Bundesregierung (und ihr folgend der Rechtsausschuss des Bundestages, s.o.) – erreicht werden, dass das Gericht „den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten aufnimmt und sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft“. Das Gericht soll sich zur Gewinnung einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage „einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Verurteilten verschaffen (...), was auch durch die Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geboten“ sei (so jüngst das OLG Brandenburg in einem Beschluss vom 23.09.2020 – 1 Ws 87/20 mit zahlreichen Nachweisen zur einhelligen Rechtsprechung). Dies erfordere „grundsätzlich die gleichzeitige persönliche Anwesenheit des Gerichts und des Verurteilten; eine audiovisuelle Anhörung [könne] allenfalls bei Einwilligung des Anzuhörenden ... ausreichend sein“ (OLG Brandenburg a.a.O. – wenn auch zu dem Fall einer bloßen Telefonkonferenz – m.w.N.).

      Dem ist nichts hinzuzufügen. Hiervon gegen den Willen der Betroffenen abzuweichen, ist weder angezeigt noch akzeptabel.

      Das dem Gericht in dem Entwurf eingeräumte Ermessen (Abs. 1 S. 1: „kann“) ist nicht geeignet, die Bedenken zu beseitigen, zumal effektiver Rechtsschutz insoweit kaum gewährleistet ist. Wenn es in der Begründung heißt (BMJV-E S. 3):

      Erläutert etwa der Verurteilte nachvollziehbar, warum ihm daran gelegen ist, dem Richter persönlich gegenüberzutreten und sich zu erklären, oder verspricht eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit eine bessere Aufklärung entscheidungserheblicher Gesichtspunkte, so wird eine solche auch weiterhin geboten sein.

      so lässt dies bereits erahnen, wie schwer es in Anbetracht des justiziellen „Effizienz“-Gewinns (s.o. 1.) der Verurteilte haben wird, seine Vorstellungen durchzusetzen. Allerspätesten wenn er die Teilnahme an der Anhörung unter audio-visuellen Bedingungen verweigert, sollte das Gericht jedoch davon Abstand nehmen (müssen), zumal damit die Freiwilligkeit eines solchen Verzichts fragwürdig wäre. Insgesamt keine überzeugende Konstruktion.

      Der Zugang der Betroffenen zu ihrer Verteidigung muss jederzeit gewährleistet werden, weshalb diese selbstverständlich das Recht behalten muss, an deren Seite zu sein – damit wäre aber zugleich verhindert, dass auch der Verteidigung eine unmittelbare Kommunikation mit dem Gericht gewährt wird. Dass sich die Betroffenen ggf. „in einem Geschäftsraum eines Verteidigers oder Rechtsanwalts“ aufhalten, ist insofern zwar eine bemerkenswerte (Neu)Regelung in der StPO, macht aber zugleich die Fragwürdigkeit der Konstruktion deutlich: Wie die Anhörung eines Verurteilten, der sich in einem solchen „Geschäftsraum“ aufhalten darf, andernfalls zu einem „Sicherheitsrisiko für das Justizpersonal“ hätte werden sollen, ist schleierhaft, auch eine Fluchtgefahr wäre dann auszuschließen – bliebe also nur „Effizienz“ (s. dazu 1.).

      Dass eine solche Vorgehensweise schließlich ausgeschlossen sein soll (S. 2), wenn es um unbefristete Freiheitsentziehungen geht (lebenslange Freiheitsstrafe sowie Unterbringung gem. §§ 63, 66 StGB), ist ungeachtet all dessen selbstverständlich (und) zu begrüßen.
       

      3. zu § 463e Abs. 2 StPO-E

      Der Konstruktion zufolge wären ebenfalls anzuhörende Sachverständige wiederum von andernorts zugeschaltet. Dagegen spricht zwar nicht unmittelbar der zu Abs. 1 S. 1 formulierte Einwand, es gelte dem Gericht „den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten ... [und] einen persönlichen Eindruck von ihm“ zu verschaffen, zumal Sachverständige bereits im Vorfeld im Rahmen der Exploration hinreichend Kontakt zu dem Verurteilten gehabt haben sollten, um sich einen solchen Eindruck zu verschaffen. Allerdings kann sowohl der Auftritt der Verurteilten in der Anhörung dem Gericht gegenüber und in Reaktion auf deren Fragen den Sachverständigen zusätzliche Erkenntnisse verschaffen. Außerdem gilt auch hier, dass die unmittelbare Auseinandersetzung – gerade auch der Verteidigung – mit den Sachverständigen (immerhin als Konfrontationsrecht gem. Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK dem Grunde nach geschützt) erheblich erschwert würde.
       

      4. Fazit

      Alles in allem – und allemal in der vorliegenden Fassung – ein abzulehnender Entwurf.

      Abgesehen davon erschiene eine solche Regelung am Ende des 1. Abschnitts des 7. Buchs der StPO (in einem § 463e) gesetzestechnisch und -systematisch deplatziert: naheliegender wären – wie ehedem in BT-Drs. 17/1224 vorgeschlagen (s.o.) – Änderungen der §§ 453, 454 StPO. Ungeachtet all dessen ist schließlich nicht ersichtlich, warum an der Regelung des § 462 Abs. 2 S. 2 StPO (s. Vorbemerkung) festgehalten werden sollte.

      Dass – wie schon bisher ausnahmsweise für zulässig erachtet (s. auch oben das OLG Brandenburg mwN) – eine audio-visuelle Anhörung mit Zustimmung der Verurteilten durchgeführt wird, bleibt von alledem unberührt: Dafür mag es aus ihrer Sicht und der ihrer Verteidigung gute Gründen geben (etwa auch, um die Anhörung von Mandant*innen zu gewährleisten, die sich derzeit im Ausland aufhalten). Ob es insoweit einer Klarstellung im Gesetz bedarf, erscheint diskussionswürdig.

      Stellungnahme als PDF

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      Stellungnahmen
      news-741Mon, 23 Nov 2020 10:45:00 +0100Obdachlosen Unionsbürger*innen ohne geklärten Sozialleistungsanspruch wird Unterbringung über ASOG häufig durch die Bezirksämter verweigert./publikationen/mitteilungen/mitteilung/obdachlosen-unionsbuerger-innen-ohne-geklaerten-sozialleistungsanspruch-wird-unterbringung-ueber-asog-durch-die-haeufig-bezirksaemter-verweigert-741Offener Brief an die Sozialstadträtin von Pankow, 23.11.20An:
      Sozialstadträtin von Pankow
      Frau Tietje
      Fröbelstr. 17
      10405 Berlin

      Prüfung der rechtskonformen Unterbringung von Unionsbürger*innen durch das Amt für Soziales Pankow
                                                                                                                                                                   Berlin, 23.11.2020

      Sehr geehrte Frau Tietje,

      wir wenden uns mit einem offenen Brief an Sie, weil wir um Überprüfung der Unterbringungspraxis über ASOG für Unionsbürger*innen durch das Bezirksamt Pankow bitten.

      Wir, das „Netzwerk obdachlose Familien“ sind ein Zusammenschluss von Sozialarbeiter*innen, die Familien dazu beraten und darin begleiten ihr Recht auf Unterbring durchzusetzen.

      Vertreten sind Mitarbeiter*innen von gemeinnützigen Vereinen, Migrations-, Sozial-, Wohnungslosen- und Gesundheitsberatungsstellen.

      Aus der Praxis kennen wir leider zahlreiche Fälle, in denen obdachlosen Unionsbürger*innen ohne geklärten Sozialleistungsanspruch, die Unterbringung über ASOG durch die Bezirksämter verweigert wird. In vielen Fällen sind davon auch Kinder mitbetroffen. Wir dokumentieren diese Fälle und sehen, dass der Leistungsbezug in aller Regel zur Voraussetzung gemacht wird.

      Auf die schriftliche Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus (09.04.2019 Drucksache 18/18580) antwortete Ihr Bezirk zur Unterbringung von obdachlosen Unionsbürger*innen:

      „Ergibt die Erstprüfung der leistungsrechtlichen Ansprüche für unfreiwillig obdachlose Unionsbürgerinnen und Unionsbürger einen eindeutigen Leistungsausschluss, werden die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger umgehend an ihre Herkunftsländer verwiesen und zur zeitnahen Heimreise beraten bzw. auf Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Rückkehrhilfen nach § 23 Abs. 3 a SBG XII hingewiesen.“ (vgl. Antwort auf schriftl.  vom 24.04.19, Drucksache 18/18 580)

      Dieses Vorgehen widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts  Berlin-Brandenburg und des Verwaltungsgerichts Berlin. Vgl. hierzu exemplarisch die Entscheidung des Verwaltungsgericht Berlin (Beschluss v. 23.09.16  - VG 23 L 1434/16-):

      „Das Oberverwaltungsgericht hat […] entschieden, dass Unionsbürger*innen während der Klärung ihrer-  grundsätzlich vorrangigen - sozialrechtlichen Ansprüche - zur Vermeidung der Obdachlosigkeit einen Anspruch auf Unterbringung nach dem Gefahrenabwehrrecht haben.“ (siehe VG Berlin, Beschluss vom 23.09.16, VG 23 L 1434/16 unter Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11. April 2016 – OVG 1 S 1.16 – Rn. 4 ff. und vom 13. April 2016 – OVG 1 S 123.15 – S. 5 ff.; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 07. August 2015, OVG 1 S 82.15).

      Auch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sieht weder die Angebote der Kältehilfe, noch die Notunterkünfte für Familien als regelhaften Ersatz für die ASOG Unterbringungen (siehe Antwort auf Anfrage v. 09.04.2019 Drucksache 18/18580)

      Leider erleben wir regelmäßig, dass die Rechtsprechung der zuständigen Gerichte in der Praxis des Amtes für Soziales Pankow keine Berücksichtigung erfährt.

      Wir bitten Sie, zu prüfen, inwieweit die Umsetzung des ASOG in Ihrer Behörde rechtskonform gewährleistet ist und die geltende Rechtsprechung berücksichtigt wird. Gegebenenfalls bitten wir Sie, die Praxis der Sozialen Wohnhilfe dahingehend zu ändern.

      Wir bitten um eine Rückantwort bis in 2 Monaten.

      Wir würden uns sehr darüber freuen, mit Ihnen und Vertreter*innen des Amtes für Soziales Pankow in einen Austausch über dieses Thema treten zu können. Eine gute Gelegenheit dafür sehen wir z.B. bei einer der nächsten AG’s Unionsbürger*innen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Die Einladung dazu leiten wir Ihnen sehr gern zu.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Unterzeichnende:
      Amaro Foro e.V.
      Nachbarschaftsheim Neukölln e.V.
      Fachgruppe Migration und Flüchtlinge der Landesarmutskonferenz Berlin
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      RAin Esther Kleideiter
      RA Benjamin Düsberg
      RA Lutz Achenbach
      AKM Rechtsanwältinnen
      RAin D. Schnürer
      RA Volker Gerloff
      RA Carolin Kaufmann

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      BerlinSozialrecht
      news-738Sun, 22 Nov 2020 14:54:34 +0100RAV-Anwältin klagt gegen Trojaner-Einsatz durch Hamburger Verfassungsschutz und gegen predictive policing-Befugnisse der Hamburger Polizei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-anwaeltin-klagt-gegen-trojaner-einsatz-durch-hamburger-verfassungsschutz-und-gegen-predictive-policing-befugnisse-der-hamburger-polizei-738Pressemitteilung 16/20, 23.11.2020Hamburgs Verfassungsschutz und die dortige Polizei verfügen seit April 2020 über scharfe Überwachungsinstrumente: Der Verfassungsschutz darf mit Trojanern verschlüsselte Kommunikation ausforschen, die Polizei mittels Algorithmen Personenprofile erstellen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und weitere NGOs erheben heute Verfassungsbeschwerde gegen die entsprechenden Gesetzesänderungen – eine der Kläger*innen ist unser RAV-Mitglied Britta Eder, Strafverteidigerin in Hamburg.

      »Angesichts der umstrittenen Überwachungspraxis von Geheimdiensten und wiederkehrender Polizei-Skandale sind neue Befugnisse für diese Behörden höchst bedenklich. Wie diese Befugnisse in Hamburg geregelt sind, ist darüber hinaus verfassungswidrig«, sagt Bijan Moini, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

      Geheimdiensttrojaner verletzt Grundrechte

      Seit einer Änderung des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes im April 2020 darf sich das Hamburger Amt für Verfassungsschutz ohne Gerichtsbeschluss oder ähnliche Vorab-Kontrolle in Geräte bestimmter Personen hacken (§ 8 Abs. 12). Das verletzt Betroffene in ihrem IT-Grundrecht (Recht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme), und es verletzt ihr Telekommunikationsgeheimnis. Zudem gefährdet der Geheimdiensttrojaner die vertrauliche Kommunikation von Berufsgeheimnisträger*innen wie Anwält*innen und Journalist*innen. Er verletzt damit sowohl die Pressefreiheit, als auch die geschützte Kommunikation.  »Das Gesetz ermöglicht das Mitlesen von Kommunikation zwischen Rechtsschutzsuchenden und ihren Rechtsvertretungen«, so Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Das macht unsere Arbeit unmöglich. Diesen Eingriff in die Berufsfreiheit können wir nicht hinnehmen«.

      Hamburger Regelungen zum Trojaner-Einsatz sind verfassungswidrig

      Trojaner in Händen von Geheimdiensten sind verfassungswidrig, jedenfalls, wenn ihr Einsatz nicht hinreichend begrenzt ist und der Staat Sicherheitslücken in IT-Systemen ausnutzt, statt sie den Betreibern zu melden. All das ist in Hamburg der Fall. Zudem urteilte das Bundesverfassungsgericht nach einer Verfassungsbeschwerde der GFF gegen die Auslandsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst im Mai 2020, dass die heimliche Überwachung bestimmter Personen einer gerichtsähnlichen Vorab-Kontrolle unterliegen muss. »In Hamburg werden die Überwachungsbefugnisse deutlich erweitert, ohne das Kontrollregime zu verbessern – damit ist der Verfassungsverstoß programmiert«, sagt Moini.

      Hamburger ›predictive policing‹-Ansatz ist verfassungswidrig

      Die Verfassungsbeschwerde richtet sich außerdem gegen die automatisierte Auswertung von Daten durch die Hamburgische Polizei (§ 49 HmbPolDVG). Die Polizei darf automatisierte Personenprofile aus einer nicht näher bestimmten Menge an Daten erstellen, darunter ggf. auch öffentlich verfügbare Daten aus sozialen Netzwerken. Es ist unklar, von wem Profile angefertigt werden können und welche Konsequenzen etwaiger ›Beifang‹ für die Betroffenen hat, also die Erfassung von Personen, die selbst nicht als gefährlich gelten. Unklar ist auch, für welche Zwecke genau Software eingesetzt werden kann und wie lange die Profile gespeichert werden. In Hamburg soll dadurch die vorbeugende Verbrechensbekämpfung (›predictive policing‹) halten – allerdings unter Verletzung der Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht der weniger eingriffsintensiven Rasterfahndung gesetzt hat.

      Die GFF koordiniert die Verfassungsbeschwerde. Initiiert wurde und unterstützt wird sie von der Humanistischen Union Hamburg, den Kritischen Jurastudierenden Hamburg, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). Zu den Kläger*innen zählen Rechtsanwältin und RAV-Mitglied Britta Eder sowie Aktivist*innen und Journalist*innen, darunter Sebastian Friedrich (NDR u.a.) und Katharina Schipkowski (taz). Sie werden vertreten durch Jun.-Prof. Dr. Sebastian Golla (Ruhr-Universität Bochum).

      Der GFF-Verfahrenskoordinator Dr. Bijan Moini und weitere Verfahrensbeteiligte stehen für Gespräche zur Verfügung.

      Weitere Informationen zur Verfassungsbeschwerde finden Sie unter:
      https://freiheitsrechte.org/verfassungsbeschwerde-polizei-verfassungsschutzgesetz-hh

      O-Töne der Kläger*innen Sebastian Friedrich und Katharina Schipkowski finden Sie unter:
      https://freiheitsrechte.org/journalistinnen-klagen-verfassungsschutzgesetz-hh

      O-Töne der Klägerin Britta Eder finden Sie unter:
      https://freiheitsrechte.org/strafverteidigerin-klagt-verfassungsschutzgesetz-hh


      Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
      Daniela Turß, presse@freiheitsrechte.org
      Tel. 030.549 08 10 55 oder 0175.610 2896

      Rechtsanwältin Britta Eder, eder@anwaltsbuero-s36.de

      Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV e.V.
      Tel. 030.235 644 36, lukas.theune@rav.de

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      PolizeiDatenPolizeirecht (doublet)PressemitteilungVerfassungsschutz
      news-737Tue, 17 Nov 2020 15:02:52 +0100Zur geplanten Änderung des § 41 Abs. 5 GKG in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-geplanten-aenderung-des-41-abs-5-gkg-in-dem-regierungsentwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-justizkosten-und-des-rechtsanwaltsverguetungsrechts-737Stellungnahme des AK Mietrecht im RAV, 17.11.2020Wir begrüßen grundsätzlich die gesetzgeberische Bestrebung, nach nunmehr sieben Jahren auch das Gebührenrecht der Anwaltschaft an die allgemeine Inflationsrate anpassen zu wollen. Der Regierungsentwurf beschreibt zurecht einleitend, dass die Kosten für den Kanzleibetrieb in den letzten sieben Jahren erheblich gestiegen sind und eine Anpassung der Gebühren daher geboten ist.

      Auch wenn die Regelungen hinter den Forderungen der Anwaltschaft und der Bundesrechtsanwaltskammer zurückbleibt (vgl. gemeinsame Stellungnahme des DAV und der BRAK v. 31.07.2020 – Stellungnahme Nr. 40/2020), ist ihnen das Vorhaben, die Anwaltsvergütung insgesamt anzuheben und durch die Änderungen im Antragsverfahren von Prozesskostenhilfe den Zugang von Bürger*innen zum Recht zu erleichtern, größtenteils gelungen.

      Umso unverständlicher ist vor diesem Hintergrund allerdings, dass im Bereich des Mietrechts mit der Änderung des § 41 Abs. 5 GKG de facto eine Kostensenkung verabschiedet werden soll. Zurecht lehnt die Anwaltschaft und die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer gemeinsamen Stellungnahme (a.a.O.) eine solche Änderung ab.

      Dem können wir uns aus nachfolgenden Überlegungen nur anschließen:

      (1) Die geplante Deckelung des Streitwertes bei Mängelfeststellungsklagen in § 41 Abs. 5 GKG ist nicht geeignet, den gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen.

      Es liegt auf der Hand, dass eine Deckelung des Streitwertes von Mängelfeststellungsklagen auf den Jahreswert (derzeit beträgt dieser nach BGH-Rechtsprechung den 3,5-fachen Jahreswert) unmittelbar auch zur Folge hat, dass die streitwertabhängige Vergütung der Anwält*innen sinkt.

      Angesichts dessen, dass die anwaltliche Vergütung im Wohnraummietrecht bereits jetzt schon unter der Durchschnittsvergütung für die Bearbeitung zivilrechtlicher Angelegenheiten liegt, ist eine weitere Gebührensenkung nicht mehr tragbar. So hat der Kollege Rechtsanwalt Thomas Lutz auf dem diesjährigen Deutschen Mietgerichtstag in Dortmund veranschaulicht, wie sehr die Vergütung der Anwält*innen, die insbesondere Mieter*innen vertreten, hinter der der Kolleg*innen aus den anderen zivilrechtlichen Rechtsgebieten zurückliegt: Beispielhaft führte er aus, dass im Jahr 2018 die Durchschnittsvergütung für zivilrechtliche Angelegenheiten vor den Amtsgerichten bei 395,00 € netto lag. Die Vergütung arbeitsrechtlicher und verkehrsrechtlicher Angelegenheiten lag wegen der durchaus hohen Streitwerte mit 1.530,00 € und 650,00 € über diesem Durchschnitt. Die Vergütung in mietrechtliche Angelegenheiten lagen dagegen nicht nur unter der Vergütung der Kolleg*innen, sondern sogar noch unter dem Durchschnitt. Die Streitwerte der häufigsten Mandate im Wohnraummietrecht (Betriebskosten, Mängelbeseitigungen, Modernisierungen und Mieterhöhungen) liegen oft am unteren Ende der Streitwerttabelle, so dass die Vergütung der Anwält*innen oft nicht über 307,00 € netto hinauskommt.

      (2) Die geplante Deckelung wird den Zugang zum Recht von Mieter*innen einschränken.

      Der Regierungsentwurf verkennt die Tragweite des anwaltlichen Gebührenrechts auch außerhalb der Anwaltschaft. So geht die Vergütung von Anwält*innen – gerade im Bereich des Wohnraummietrechts – oft Hand in Hand mit der Gewährleistung des Zugangs zum Recht. Denn die Kehrseite von niedriger Anwaltsvergütung ist oft auch ein niedriges Bearbeitungsniveau. Können sich Anwält*innen nicht mehr leisten, Fälle mit geringen Streitwerten aber hohem Aufwand zu bearbeiten, wird die Bereitschaft sinken, diese angemessen sorgfältig zu bearbeiten. Kolleg*innen, die in ihrem Bearbeitungsstandard keine Abstriche machen möchten, wären sogar gezwungen, derartige Fälle konsequent abzulehnen.

      Die Leidtragenden sind dabei oftmals jedoch nicht die Anwält*innen, sondern diejenigen, die auf anwaltliche Hilfe angewiesen sind. Dabei trifft es die finanziell Schwachen insbesondere, da diese sich kostspielige Honorarvereinbarungen, die ohnehin eher selten auf Mieter*innenseite zu finden sind, nicht leisten können. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sie Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben oder sogar auf eine Rechtsschutzversicherung zurückgreifen können. Denn diese rechnen ebenfalls streitwertbezogen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und dem Gerichtskostengesetz ab – zusätzliche Honorarkosten werden nicht übernommen.

      Die geplante Änderung wird deshalb dafür sorgen, dass weniger Kolleg*innen solche Fälle bearbeiten können und noch weniger Mieter*innen sich eine solche Bearbeitung gegen angemessene Vergütung leisten können, so dass diese Fälle insgesamt abnehmen werden. Das löst die mietrechtlichen Probleme jedoch nicht, sondern verhindert lediglich, dass solche von den Gerichten mithilfe rechtlicher Beistände geklärt werden.

      In der Praxis kommt hinzu, dass viele Mieter*innen rechtsschutzversichert sind.  Entweder haben sie eine private Rechtsschutzversicherung oder sie sind Mitglieder in einer der über 300 örtlichen Mieterverein in Deutschland und genießen hierüber einen Prozessrechtsschutz. Die Zahl der Rechtsschutzversicherungsverträge steigt jährlich auf derzeit 22 Millionen. Ebenso wie im Bereich des Arbeits- und Verkehrsrechts sind Rechtsstreitigkeiten umfassend versicherungsfähig. Dies ist auch ein Grund für die im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen relativ hohe Zahl an Verfahren. ›Selbstzahler‹, die dann eben auch nicht prozesskostenhilfeberechtigt sind, machen den weitaus kleineren Teil der mietrechtlichen Mandantschaft aus. Aber nicht nur sie, sondern allen Mieter*innen wird hierdurch der Zugang zum Recht erschwert, denn sie sind es, die die Klagen anstrengen müssen. Das kann nicht gewollt sein.

      (3) Die geplante Kostensenkung nutzt entgegen dem Bemühen des Gesetzgebers den Gerichten, den Rechtsschutzversicherungen und den Vermieter*innen.

      Mit dem Sinken der Fallbearbeitung im Bereich der Mängelfeststellungsklagen werden zwar möglicherweise die Gerichtsverfahren in diesem Bereich sinken und eine Entlastung der Gerichte zu beobachten sein. Dieser Effekt ist jedoch angesichts der bedenklichen Erschwerung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz zulasten der Mieter*innen nicht gerechtfertigt.

      Auch den Rechtsschutzversicherungen kommt die geplante Änderung zu Gute: Diese müssen in Zukunft entweder geringere Kosten als bisher decken oder bekommen solche Fälle aufgrund sinkender Bearbeitung wesentlich weniger auf den Tisch. Dies hat eine direkte Kostenersparnis zur Folge, steht aber den berechtigten Interessen der Mieter*innen als Versicherungsnehmer*innen diametral entgegen.

      Von der Abnahme der Durchsetzung von Mieter*innenrechten profitieren schlussendlich auch Vermieter*innen, die nun weniger Gerichtsverfahren fürchten müssen. Die Intension der Gesetzesänderung war aber eine andere.

      (4) Die geplante Kostensenkung verfehlt ihren sozialpolitischen Zweck.

      Die geplante Änderung ist damit insgesamt ein Angriff auf die sozial Schwachen und verfehlt ihren sozialpolitischen Zweck. Sozial schwache Gruppen werden stärker als zuvor von der Teilhabe am Recht ausgegrenzt. Bereits in der Vergangenheit konnte beobachtet werden, wie bestimmte Bereiche des Wohnraummietrechts aufgrund unausgeglichener Kostenregelungen systematisch vom Recht abgeschnitten wurden: Im Bereich der Betriebskosten ist es bereits der Status quo, dass nur noch wenige Kolleg*innen solche Mandate bearbeiten, weil sie finanziell belasten.

      Auch auf dem letzten Deutschen Mietgerichtstag 2020 in Dortmund wurde thematisiert, wie besorgniserregend die Entwicklung der anwaltlichen Vergütung im Wohnraummietrecht – insbesondere auf Mieter*innenseite – ist. Auch hier ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Qualität der anwaltlichen Arbeit – so sie denn überhaupt noch stattfindet – massiv sinken wird zum Nachteil derer, die gute anwaltliche Arbeit nicht bezahlen können.

      (5) Die Erreichung der angemessenen Anwaltsvergütung und der Teilhabe von sozial Schwachen am Recht kann anderweitig sichergestellt werden.

      Langfristig sollte die Deckelung für bestimmte Mietrechtliche Streitigkeiten (§ 41 Abs. 5 GKG) gestrichen und nicht erweitert werden. Eine angemessene Vergütung dürfte auch ohne eine solche Deckelung gewährleistet sein. Die Einführung von Beitragsrahmengebühren statt der starren Gebührendeckelung könnte die fehlerhafte Relation zwischen Vergütung und Aufwand angemessen ausgleichen und ist zu begrüßen. Die Erleichterung des Zugangs zu Prozesskostenhilfe ist in diesem Zuge notwendig, um sozial Schwache den Zugang zum Recht zu erhalten.

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      RVGMietrecht (doublet)StellungnahmenMietrecht
      news-736Fri, 30 Oct 2020 08:56:12 +0100Erklärung des RAV, der VDJ und des Grundrechtekomitees zum Gesetzentwurf für ein Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erklaerung-des-rav-der-vdj-und-des-grundrechtekomitees-zum-gesetzentwurf-fuer-ein-berliner-versammlungsfreiheitsgesetz-736Gemeinsame Pressemitteilung RAV, VDJ, Grundrechtekomitee, 30.10.2020Der RAV, das Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen begrüßen die Bemühungen des Berliner Senats, ein der Versammlungsfreiheit verpflichtetes Versammlungsgesetz zu verabschieden. Zugleich kritisieren sie deutlich handwerkliche, juristische und politische Fehlleistungen. Sie erwarten von einem Rot-Rot-Grünem Senat, dass in den Beratungen noch dringend notwendige Nachbesserungen vorgenommen werden.

      *****************

      Erklärung des RAV, der VDJ und des Grundrechtekomitees zum Gesetzentwurf für ein Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz

      Keine Erweiterung polizeilicher Befugnisse bei Versammlungen – Versammlungsfreiheit schützen, statt beschränken!

      Der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie begrüßen grundsätzlich das Vorhaben der Rot-Rot-Grünen Koalition in Berlin, ein modernes und an dem Grundgedanken der Gewährleistung einer weitreichenden Versammlungsfreiheit ausgerichtetes Gesetz zu erlassen.

      Die Versammlungsfreiheit ist – neben der Meinungsfreiheit – eines der wichtigsten politischen Grundrechte, das für den politischen Meinungskampf, die gesellschaftliche Teilhabe und die Sicherstellung von demokratischen Grundsätzen von zentraler Bedeutung ist.

      Vor diesem Hintergrund enttäuscht der vorgelegte Gesetzesentwurf bürger*innenrechtliche Erwartungen

      Die Versammlungsbehörde soll immer noch Teil der Polizei sein, Polizeirecht soll auf Versammlungen anwendbar sein, die polizeiliche Anwesenheit in den Demonstrationen soll erlaubt sein; nach wie vor müssen Versammlungen angemeldet werden.

      Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV erklärt hierzu: »Der Gesetzentwurf sieht weiterhin Versammlungen als Gefahrenherde und nicht als Ausdruck einer gelebten Demokratie. Die Chance, die Versammlungsfreiheit zu stärken, wird verpasst«. Michèle Winkler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie ergänzt: »Es ist mit dem im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen eines modernen Versammlungsrechts nicht vereinbar, wenn nach wie vor Vermummung als Straftat verfolgt werden kann und Demos verboten werden können, weil Teilnehmende ›Gewaltbereitschaft vermitteln‹ und bedrohlich wirken. Die Berliner Gesellschaft hält auch radikal kritische Stimmen aus. Ein freiheitliches Versammlungsrecht sieht anders aus«.

      Kontakt:
      Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Tel.: 030.44 67 92 16, stolle@dka-kanzlei.de
      Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Tel.: 030.23 56 44 36, lukas.theune@rav.de
      Michèle Winkler; Grundrechtekomitee, Tel.: 0177.272 19 84, michelewinkler@grundrechtekomitee.de
      Rechtsanwältin Ursula Mende, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Tel.: 02151.15 26 16, mail@vdj.de

      Nachfolgend die Argumente im Einzelnen:

       

      Hintergrund

      Am 2. November 2020 soll die erste Anhörung zu dem Entwurf für ein Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz im Abgeordnetenhaus stattfinden.
      Vor diesem Hintergrund sind folgende Anmerkungen an dem derzeitigen Gesetzentwurf veranlasst:

      1. Die Versammlungsbehörde sollte nicht Teil der Polizei sein

      Es ist zu begrüßen, dass die Versammlungsbehörde nicht mehr beim Landeskriminalamt, Abt. polizeilicher Staatsschutz, angesiedelt ist. Sie ist aber weiterhin Teil der Polizeibehörde. Deren Aufgabe ist die Verfolgung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren. Die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit passt nicht zu diesem Aufgabenbereich. Wir fordern daher die Einrichtung einer eigenen Versammlungsbehörde, die bspw. beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten angesiedelt werden könnte. Eine derartige Trennung zwischen Polizei und Versammlungsbehörde wird in vielen anderen Bundesländern seit Jahren praktiziert.

      2. Die Anzeigepflicht ist zu begrenzen

      Die Anzeigepflicht für Versammlungen ist zu begrenzen auf solche, die aufgrund ihrer zu erwartenden Größe und/oder ihres inhaltlichen Kontextes eine vorherige behördliche Befassung erforderlich machen.
      Es ist unverhältnismäßig, wenn sich bspw. drei Personen mit einem Transparent auf einen Bürgersteig hinstellen wollen und diese unter Bußgeldandrohung vorher diese Versammlung anmelden müssen.

      3. Gegen ein Pseudo-Deeskalationsgebot

      Das im Gesetzentwurf aufgeführte Deeskalationsgebot ist tatsächlich keins.

      Die Regelung in § 3 Abs. 4 GE, in dem festgelegt wird, dass die Behörde bei konfliktträchtigen Einsatzlagen Gewaltbereitschaft und drohende oder bestehende Konfrontationen zielgruppenorientiert zu verhindern oder abzuschwächen habe, um eine nachhaltige Befriedung der jeweiligen Lage zu ermöglichen, liest sich als Auftrag, weit im Vorfeld von Gefahren für die öffentliche Sicherheit präventiv und eingreifend tätig zu werden.

      Deeskalation bedeutet aber, die Polizei auch als (potentiellen) Teil eines Konfliktes oder einer Eskalationsspirale zu sehen und dementsprechend einen Einsatz zurückhaltend auszuführen. Eine entsprechende Verhaltenspflicht findet sich in § 3 Abs. 4 GE nicht; er ist daher zu streichen.

      4. Vermummungs- und Schutzwaffenverbot generell abschaffen

      Die Regelung, dass das Vermummungs- und Schutzwaffenverbot nur bei spezieller Anordnung gilt, ist zu begrüßen. Allerdings bleibt unklar, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang seitens der Behörde solche Anordnungen getroffen werden sollen. Der Gesetzentwurf ist dort unklar und unbestimmt.

      Zu kritisieren ist ferner, dass der Verstoß gegen eine solche Anordnung weiterhin strafbewehrt ist. Eine Abstufung auf eine Ordnungswidrigkeit ist daher aus bürgerrechtlicher Sicht eine Mindestforderung.

      5. Keine Anwendung von Polizeirecht bei Versammlungen

      Der in § 10 GE geregelte generelle Verweis auf Eingriffsbefugnisse aus dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz ist ersatzlos zu streichen.

      Versammlungsbezogene Eingriffe sind im Versammlungsgesetz zu regeln. Das gebietet die Polizeifestigkeit von Versammlungen. Dieser Verweis eröffnet der Polizei den Zugriff auf sämtliche Eingriffsmaßnahmen des Polizeirechts. Dies ist abzulehnen.

      6. Integrität von Versammlungen unnötig und unzulässig aufgeweicht

      Die Integrität der Versammlung steht nicht im Mittelpunkt des Gesetzesentwurfs. Maßnahmen der Gefahrenabwehr nehmen viel Platz im GE ein und die Polizeifestigkeit von Versammlungen wird an vielen Stellen unnötig und unzulässig aufgeweicht. Teilweise werden Eingriffsmöglichkeiten an das Gefahrenabwehrrecht geknüpft, wo eine Anknüpfung an die Strafprozessordnung vollkommen ausreicht.

      7. Keine Erweiterung der Beschränkungs- und Verbotstatbestände

      Bei der in § 14 GE geregelten Möglichkeit des Erlasses von Beschränkungen von Versammlungen findet sich auch die Regelung, Versammlungen zu verbieten oder zu beschränken, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise ihrer Durchführung in erheblicher Weise gegen das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger und grundlegende soziale oder ethische Anschauungen verstoßen wird. Damit wird das lt. Begründung des Gesetzentwurfes eigentlich gestrichene Rechtsgut der öffentlichen Ordnung durch die Hintertür wiedereingeführt. Bereits die Gesamtregelung des § 14 GE ist aufgrund seiner Unbestimmtheit zu kritisieren.
      Insbesondere ist § 14 Absatz 2 Satz 2 zu streichen, demzufolge eine Versammlung schon deshalb beschränkt oder verboten werden könnte, »wenn diese geeignet oder dazu bestimmt ist, Gewaltbereitschaft zu vermitteln«. Dieser Passus stellt ein deutlich zu weitgehendes und gleichzeitig kein klar bestimmtes Merkmal für eine Beschränkung oder ein Verbot dar. In den in der Gesetzesbegründung zitierten Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen findet sich keine Entsprechung zur gewählten Formulierung in § 14 Absatz 2 Satz 2. Dort wird vielmehr auf paramilitärisches Auftreten oder eine einschüchternde Gewaltdemonstration abgestellt.

      8. Begrenzung des Anwesenheitsrechts der Polizei

      Die Rot-Rot-Grüne Koalition hat mit dem GE auch die Chance verpasst, die Anwesenheit der Polizei in und an Versammlungen zu begrenzen. Die Regelung nach § 11, dass die Polizei anwesend sein kann, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz erforderlich sei, stellt eine pauschale Befugnis zur Anwesenheit dar.
      Zudem sieht Satz 2 vor, dass es bei Versammlungen unter freiem Himmel genügt, wenn die polizeiliche Einsatzleitung sich der Versammlungsleitung zu erkennen gibt. Dies lässt befürchten, dass es von polizeilicher Seite für zulässig erachtet werden wird, Polizeikräfte in Zivil ohne Kennzeichnung in Versammlungen einzusetzen.

      9. Begrenzung von Video- und Tonaufnahmen bei Versammlungen

      Übersichtsaufnahmen sind nach dem Bundesverfassungsgericht keine stets zulässige Maßnahme, sondern bedürfen einer Gefahrenprognose. Das wäre als zusätzliche Voraussetzung in § 18 (2) einzufügen. § 18 (3) Nr. 2: die Speicherung von Bild- und Ton-Aufzeichnungen zur Gefahrenabwehr für künftige Versammlungen ist zu streichen.
      In Bezug auf die Regelung zu Bild- und Tonaufnahmen in § 18 GE ist weiterhin zu fordern, dass eine weitergehende Aufbewahrungspflicht mit Sperrung für eine behördliche Verwendung aufgeführt wird. Die Löschungspflicht nach drei Monaten ist zu kurz. Oft ist in späteren verwaltungs- und/oder strafrechtlichen Verfahren ein Rückgriff auf gefertigte Aufnahmen seitens der Betroffenen erforderlich. Eine pauschale Löschung dieser Daten könnte daher Rechtsschutzmöglichkeiten verkürzen.

      Dies sind die Mindestpunkte, die bei der parlamentarischen Auseinandersetzung über den Gesetzentwurf aus bürgerrechtlicher Sicht berücksichtigt werden müssten. Ansonsten wird ein Versammlungsfreiheitsgesetz erlassen, dass das Gegenteil bewirkt: eine Erweiterung polizeilicher Eingriffsbefugnisse. Dies würde zu einer Verschlechterung des Status quo führen. Dann wäre es besser, es bei dem bisherigen Gesetz zu belassen.

      PM und Hintergrund als PDF

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      PressemitteilungVersammlungsrechtVersammlungsrecht
      news-735Thu, 29 Oct 2020 18:39:10 +0100Ref.Entwürfe eines Gesetzes zur Reform des Mietspiegelrechts und zu einer Verordnung über den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung und zur Anpassung von Mietspiegeln sowie zur Konkretisierung der Grundsätze für qualifizierte Mietspiegel/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-reform-des-mietspiegelrechts-und-referentenentwurf-einer-verordnung-ueber-den-inhalt-und-das-verfahren-zur-erstellung-und-zur-anpassung-von-mietspiegeln-sowie-zur-konkretisierung-der-grundsaetze-fuer-qualifizierte-mietspiegel-735Stellungnahme des AK Mietrecht im RAV, 29.10.2020Wir begrüßen die geplante Reform, denn sie stärkt die Mietspiegel, die in der Praxis bei der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete wichtig sind. Diese stellt die Grenze bei der Grundmietenerhöhung dar und ist Ausgangspunkt für die Mietpreisbremse.

      Mietspiegel sind darüber hinaus wichtig für die Bestimmung der angemessenen Mieten nach SGB II/XII. Nur die angemessenen Mieten werden in der Regel von den Jobcentern im Rahmen des Arbeitslosengeldes II oder von den Sozialämtern im Rahmen der Grundsicherung übernommen.

      In der jüngeren Vergangenheit gab es jedoch viel Streit um die Anforderungen an die Erstellung der Mietspiegel. In der Regel wurden die qualifizierten Mietspiegel von Seiten der Vermieter*innen mit dem Einwand angegriffen, sie seien nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze erstellt. Denn nur bei Einhaltung dieser Grundsätze wird bisher gesetzlich vermutet, dass die im Mietspiegel aufgeführten Werte die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden. Die Wahrung dieser Grundsätze muss jedoch die Partei beweisen, die sich auf den Mietspiegel beruft. Für Mieter*innen ergeben sich daraus ganz erhebliche Kostenrisiken. Wenn das Gericht nicht doch im Wege der Schätzung die Mietspiegel notfalls auch als einfachen Mietspiegel anwendet, findet die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete über Sachverständigengutachten statt. Diese Gutachten sind gleichfalls teuer und ihr Ergebnis kaum voraussehbar. Aber gerade darauf kommt es bei Mieterhöhung und Mietpreisbremse an. Durch eine exakte für beide Parteien im Vornherein bestimmbare Miethöhe kann Streit vermieden werden. Ein unwirksamer Mietspiegel nützt niemandem. Er schafft Rechtsunsicherheit und zwingt die Mieter*innen, aus Angst vor den Kosten eines Rechtsstreits einer höheren Miete zustimmen, auch wenn diese über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Das treibt die Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete weiter an. Für Bezieher*innen von Leistungen nach SGB II/XII führt das bei Überschreiten der Angemessenheitskriterien dazu, dass sie einen Teil der Miete aus dem existenzsichernden Regelsatz zahlen müssen oder ein Verlust der Wohnung droht.

      Daher bedarf es dringend einer Stärkung des Mietspiegels. Die im Referentenentwurf dargestellte Lösung scheint dazu geeignet zu sein. Die nähere Bestimmung der Kriterien bei der Aufstellung der Mietspiegel, der Datenmenge und der Merkmale ist wichtig. Allerdings bedarf es in der Praxis einer ausreichenden Datenmenge. Die Anordnung von Auskunftspflichten ist daher folgerichtig.

      Dagegen ist die Verlängerung der Frist zur Erstellung von Mietspiegeln zu überdenken. Außerdem sollten größere Gemeinden verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel aufzustellen.

      A. Vermutung und Beweiswirkung

      Der Entwurf setzt richtigerweise bei den Beweisregeln an. Das wird zu einer Beschleunigung der Verfahren führen.

      Der Gesetzentwurf sieht eine Staffelung vor:

      Diese Regelung ist zwar kompliziert, aber notwendig. Es bleibt allerdings das Risiko, dass einzelne Verbände den Mietspiegel nicht anerkennen und damit über die Aufstellung des Mietspiegels nach wissenschaftlichen Grundsätzen Beweis erhoben werden müsste.
      Nach unserer Auffassung sollte es daher ausreichen, dass die Mehrheit der beteiligten Mieter*innen- und Vermieter*innenverbände zugestimmt hat.


      B. Verlängerung der Zeiträume für Erstellung der Mietspiegel von zwei auf drei bzw. vier auf fünf Jahre

      Die Orientierung bei der Fortschreibung an den Index für Nettokaltmieten ist sinnvoll. Die Bestimmung, dass die nach dem Landesrecht zuständigen Behörden die Mietspiegel aufstellen, erscheint nach der Föderalismusreform 2006 zwingend.

      Die Verlängerung der Fristen für die Mietspiegelerstellung von zwei auf drei Jahre sollte nochmals überdacht werden. Die Mietspiegel dienen der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete, jeweils bezogen auf bestimmte Zeitpunkte. Bei den Mieterhöhungen geht es um den Zugang der Erklärung und bei der Mietpreisbremse um den Vertragsschluss. Je älter der Mietspiegel, desto unklarer ist, ob der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete noch abbildet. Viele Gerichte schlagen schon jetzt einen sog. Stichtagszuschlag auf den Mietspiegelwert, wenn die Mieten zwischenzeitlich stark gestiegen sind.

      Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes obliegt es dem Tatrichter, anhand aller zu beachtenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob es bei Heranziehung eines Mietspiegels zur Bildung der Einzelvergleichsmiete sachgerecht erscheint, auf den sich danach ergebenden Wert einen Stichtagszuschlag vorzunehmen. (BGH, Urteil vom 15.3.2017 – VIII ZR 295/15)

      Dabei darf als Schätzmethode für den Stichtagszuschlag nur dann die lineare Interpolation zwischen den für die Wohnung der Beklagten bekannten Werten zweier aufeinander folgender Mietspiegel verwendet werden, wenn von einer annähernd linear verlaufenen Mietpreissteigerung ausgegangen werden kann. (ebenda)

      Von den Instanzengerichten wird im unterschiedlichen Maße davon Gebrauch gemacht. Wie dies und ob dies geschieht, ist für Mieter*innen nicht voraussehbar. Wenn es geschieht, dann üblicherweise zu Lasten der Mieter*innen, da in der Regel die Mieten steigen und ein Aufschlag zu den im Mietspiegel ermittelten Werten vorgenommen wird. Daher erscheint es sinnvoller, die Zeiträume für die Aufstellung oder Fortschreibung der Mietspiegel zu verkürzen, statt sie zu verlängern. Zudem sollte der Zeitraum zwischen dem Stichtag der Erhebung und der Veröffentlichung begrenzt werden. In Berlin lag dieser in den letzten Jahren bei fast neun Monaten. In dieser Zeit ist eine fundierte Beratung zu Mieterhöhungen wegen der Ungewissheit über die neuen Mietspiegelwerte faktisch nicht möglich. Um Rechtssicherheit für die Mieter*innen zu erreichen, sollte dieser Zeitraum nicht mehr als die Überlegungsfrist – also zwei bis drei Monate – betragen.

      Eine taggenaue Feststellung der Miethöhe ließe sich mit sogenannten Mietenkatastern erreichen, die auch eine Vollerfassung aller Wohnungen ermöglichen. Das Land Berlin plant derzeit, ein solches Kataster einzuführen. Die Mietpreise aller Wohnungen sollen von den zuständigen Behörden erfasst werden. Dies böte einen umfassenden Überblick über die in einer Gemeinde gezahlten Mieten. Aufgrund der besseren Datenlage wäre ein Kataster dem Mietspiegel überlegen. Im Gesetz sollten diese Mietenkataster dem qualifizierten Mietspiegel gleichgestellt werden. Auch für sie müssten verbindliche Parameter der zu erhebenden Daten wie Größe, Lage, Baujahr und Ausstattung der Wohnung, des Gebäudes und des Wohnumfeldes festgelegt werden. Auch beim Mietenkataster sollten Verbände der Mieter*innen und Vermieter*innen beteiligt werden, z.B. bei der Auswahl der Ausstattungsmerkmale.

      Die Länder können dann selbstverständlich selbst entscheiden, ob sie für bestimmte Gemeinden Mietenkataster einrichten.


      C. Ausweitung von Mietspiegeln

      Gemeinden ab einer Größe von 100.000 Einwohner*innen sollten verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel aufzustellen. Dies muss gerade für Gebiete gelten, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist. Insbesondere die Mietpreisbremse kann nur dann effektiv geltend gemacht werden, wenn ein Mietspiegel existiert. Andernfalls lassen sich die erforderlichen Daten vorgerichtlich nur durch ein teures Sachverständigengutachten ermitteln. Dies wird allerdings von keiner Rechtsschutzversicherung bezahlt. So werden Mieter*innen davon abgehalten, ihre Rechte aus den Regelungen der §§ 556 d ff. BGB geltend zu machen.

      Die Streichung der Bezugnahme auf Vergleichswohnungen als Begründungsmittel für Gebiete, in denen ein qualifizierter Mietspiegel aufgestellt wurde, wird von uns begrüßt.


      D. Was muss noch geregelt werden?

      1. Kündigung wegen Zahlungsverzuges

      Leider wird auch mit diesem Gesetzesentwurf nicht das Problem der Abwendung von ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzuges gelöst. Bereits mehrfach wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Bundesgerichtshof in zahlreichen Urteilen die Auffassung vertritt, der Gesetzgeber habe nur die Abwendung der außerordentlichen, d.h. fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzug gewollt, nicht jedoch die Abwendung üblicherweise zeitgleich ausgesprochener fristgemäßer Kündigungen. Solange der Gesetzgeber auch weiterhin zu dieser Frage schweigt, wird diese Rechtsprechung weiter gestärkt. Mieter*innen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, können auch weiterhin nur die fristlose Kündigung gem. § 569 BGB abwenden, nicht aber die hilfsweise ebenfalls erklärten fristgemäße Kündigung. Sie verlieren in der Konsequenz je nach Länge des Mietverhältnisses nach 3, 6 oder 9 Monaten die Wohnung, auch wenn sie gleich nach Erhalt der Kündigung die Schulden ausgeglichen haben. Der Hinweis des BGH (Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12) auf die Einzelfallumstände und ein womöglich „mildere Licht“ schafft weder Beratungs- noch Rechtssicherheit.

      Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, endlich zu handeln.

      2. Regelungen zur Miethöhe

      Die jetzt angestrebte Reform sollte zum Ausgangspunkt für weitere längst fällige Veränderungen im Mietrecht genutzt werden.

      Im Miethöherecht wären folgende Reformen dringend angezeigt:
      Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sollten alle Mieten einbezogen werden und nicht nur diejenigen der letzten sechs Jahre.

      Die Mietpreisbremse sollte verstetigt werden. Die Befristung muss aufgehoben werden.

      Die Ausnahmen (umfangreiche Modernisierung) und die Einschränkungen (Modernisierung und Vormiete) müssen gestrichen werden.

      Als Sanktion für einen Verstoß gegen die Regelungen zur Mietpreisbremse sollte dann nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete geschuldet werden und nicht die ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 %.

      Aus Praktikabilitätsgründen muss die Rügeobliegenheit gestrichen werden.

      Im Rahmen der Mieterhöhung sollte die Kappungsgrenze weiter flexibilisiert werden. Derzeit darf die Miete alle drei Jahre um 20 % bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. In Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, kann die Landesregierung derzeit die Kappungsgrenze von 20 % auf 15 % durch Verordnung reduzieren. Aber auch diese Absenkung reicht oft nicht aus, Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen. Deswegen sollten die Landesregierungen die Möglichkeit erhalten, flexibler auf die Entwicklungen des Wohnungsmarktes zu reagieren. Sie müssen ermächtigt werden, diese Kappungsgrenze durch Verordnung noch weiter abzusenken. Bei Bedarf sollten die Länder die Möglichkeit haben, einen zeitlich befristeten Mieterhöhungsstopp zu erlassen.

      3. Kündigung wegen Eigenbedarfs

      Die Personengruppen, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, sollten endlich auf Verwandte ersten Grades, Ehe- und Lebenspartner*innen beschränkt werden. In der Rechtsprechung wurde dieser Personenkreis immer weiter ausgeweitet. So kann Eigenbedarf mittlerweile auch für Nichten und Neffen, Cousinen und Cousins oder getrenntlebende geschiedene Ehepartner*innen angemeldet werden. Über § 573 Abs. 1 BGB wird auch eine Kündigung für Au-pair-Beschäftigte ermöglicht. Aber nicht nur der Personenkreis, sondern auch die Art der Nutzung wurde ausgeweitet. So urteilten die Gerichte, dass auch die Nutzung einer Wohnung nur als Zweitwohnung an einem Wochenende im Monat Eigenbedarf rechtfertigen kann. Auch gewerblicher Eigenbedarf kann geltend gemacht werden.

      Diese Ausuferungen gilt es gesetzlich einzuschränken.

      Darüber hinaus sollte Eigenbedarf unmittelbar nach dem Erwerb einer vermieteten Wohnung (sog. gekaufter Eigenbedarf) ausgeschlossen werden. Erwerber*innen, die die Wohnung in Kenntnis des bestehenden Mietverhältnisses kaufen, sind nicht schutzwürdig. Mieter*innen haben die Möglichkeit, bei Abschluss eines Mietvertrages die Risiken einer Eigenbedarfskündigung abzuwägen und mit den Vermieter*innen abzusprechen. Bzgl. eines Erwerbers/einer Erwerberin haben sie jedoch keine Einflussmöglichkeiten.

      Bereits auf der Tatbestandsebene sollte eine Interessenabwägung zwischen dem Erlangungsinteresse der Vermieter*innen und dem Verbleibewunsch der Mieter*innen vorgenommen werden.

      4. Verhältnis von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung

      Der Dualismus zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung muss durch die Streichung der ordentlichen Kündigung für Vertragsverletzung beendet werden. Dann würden die Mieterschutzvorschriften wie die Möglichkeit der Schonfristzahlung für alle Kündigungen gelten. Außerdem sollte eine Zahlungsverzugskündigung erst nach vorheriger – erfolgloser – Mahnung ausgesprochen werden dürfen.

      Weiterhin sollten Vertragsverletzungen im Vertragsverhältnis geklärt werden. Wegen Vertragsverstößen – außerhalb des Zahlungsverzuges – darf nur gekündigt werden, wenn das inkriminierte Mieter*innenverhalten als Vertragsverstoß gerichtlich festgestellt und dieses vertragswidrige Verhalten dennoch fortgesetzt wird.

      Außerdem sollte

      Berlin, 29. Oktober 2020

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      Mietrecht (doublet)MietspiegelStellungnahmenMietrecht
      news-734Tue, 06 Oct 2020 18:06:54 +0200Mieter*innen schützen – Umwandlungsverbot sichern!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mieterinnen-schuetzen-umwandlungsverbot-sichern-734Pressemitteilung 14/20 | 7.10.2020Wie jetzt bekannt geworden ist, wurde das geplante Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen aus dem Entwurf zum Baulandmobilisierungsgesetz gestrichen. Zur Begründung erklärte Jan-Marco Luczak (CDU), das Mietrecht habe »starke soziale Leitplanken«, die betroffene Mieter*innen ausreichend schützten. Sein Ziel sei es, die Bildung von Wohneigentum zur Selbstnutzung zu stärken.[1]

      Die mietrechtliche Praxis zeigt jedoch, dass Mieter*innen in Eigentumswohnungen häufiger von Eigenbedarfskündigungen betroffen sind, als Mieter*innen in ungeteilten Mietshäusern. Die Zahl dieser Kündigungen nimmt in den letzten Jahren stetig zu und führt für die Mieter*innen auf dem angespannten Wohnungsmarkt zu dramatischen sozialen Folgen.

      Nur die wenigsten Mieter*innen sind in der Lage, ihre Wohnung nach Umwandlung selbst zu kaufen – auch wenn die Immobilienlobby anderes behauptet. Die Käufer*innen verdrängen dabei gerade diejenigen Mieter*innen, die sich einen Wohnungskauf nicht leisten können und die dann in der Folge wiederum höhere Mieten in ihren neuen Wohnungen zahlen müssen. Der Hinweis auf erleichterten Zugang zu Krediten ist zynisch und wird daran kaum etwas ändern können. Dies zeigen z.B. die geplatzten Immobilienblasen in Spanien. Schon jetzt wird für Teile der Republik – München, Frankfurt, Hamburg - vor ähnlichen Zuständen gewarnt.[2]

      Die aktuelle Regelung in § 172 BauGB war und ist wegen der zahlreichen Ausnahmetatbestände nicht ausreichend, die fortschreitende Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen zu bremsen oder gar zu stoppen. Der Gesetzentwurf sah keine so weitgehenden Ausnahmeregelungen mehr vor. Statt der bisherigen Anknüpfung an vorhandene Milieuschutzgebiete sollte nun die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen zur Voraussetzung des Umwandlungsverbots im Zuge landesrechtlicher Lösungen gemacht werden, da die Länder die Situation bei sich vor Ort besser einschätzen können. Eine sinnvolle Zuständigkeitsregelung, die wir u.a. schon von der Mietpreisbremse kennen. Damit sollte ein ausreichender Bestand von bezahlbaren Wohnungen geschützt werden können.

      »Das auf dem Wohnungsgipfel 2018 versprochene Umwandlungsverbot muss endlich umgesetzt werden«, so Rechtsanwalt Henrik Solf aus dem Arbeitskreis Mietrecht im RAV. »Die Spirale aus hohen Mieten, steigender Wohneigentumsnachfrage, Umwandlung und damit einhergehender Verdrängung kann damit endlich unterbrochen werden!«

      Rechtsanwältin Carola Handwerg aus dem AK Mietrecht ergänzt: »Die Zeit rennt uns davon – schon jetzt ist der Verdrängungsprozess in vollem Gange. Dem muss sofort ein Riegel vorgeschoben werden, um Mieter*innen nachhaltig zu schützen

      Wir fordern die Koalitionsparteien auf, die Versprechungen vom Wohngipfel 2018 endlich umzusetzen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen - wie zugesagt - deutlich zu erschweren.

      Kontakt: Rechtsanwalt Henrik Solf | 030. 442 93 86 | solf@schoenhauser.berlinh

      [1] https://www.luczak-berlin.de/aktuelles/umwandlungsverbot-aus-baulandmobilisierungsgesetz-gestrichen-mieter-zu/

      [2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/immobilien-blase-muenchen-und-frankfurt-sind-laut-ubs-am-staerksten-ueberbewertet-a-8314ca02-9a9b-42b7-b1dc-c6c66d334930

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      Mietrecht (doublet)PressemitteilungMietrecht
      news-733Tue, 06 Oct 2020 15:46:56 +0200Keine Vorratsdatenspeicherung in der EU!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-vorratsdatenspeicherung-in-der-eu-733RAV zeichnet den Offenen Brief an EU-Kommission, 06.10.20Sehr geehrte Frau Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres;
      sehr geehrter Herr Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt;
      sehr geehrter Herr Didier Reynders, EU-Justizkommissar und
      sehr geehrte Frau Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb und Digitales

      Wir sind zutiefst beunruhigt über Erklärungen [1], dass die Kommission beabsichtigt, die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten zu prüfen, sobald die Urteile in noch ausstehenden Fällen ergangen sind. Am 9. Dezember 2019 sagte Kommissarin Johansson [2]: „Ich denke schon, dass wir ein Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung brauchen“. Eine Studie über „mögliche Lösungen für die Vorratsspeicherung von Daten“ wurde in Auftrag gegeben. Die deutsche Grundrechts- und Datenschutzorganisation Digitalcourage hält das Design der Studie [3] für voreingenommen, da es die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikation nicht berücksichtigt.

      Die umfassende und anlasslose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten ist das am stärksten in die Privatsphäre eingreifende Instrument und möglicherweise die unbeliebteste Überwachungsmaßnahme, die jemals von der EU verabschiedet wurde. Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung schrieb die umfassende Erfassung sensibler Daten zu sozialen Kontakten (einschließlich Geschäftskontakten), Bewegungsverhalten und Privatleben (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Psychologen, Notrufnummern usw.) von 500 Millionen Europäerinnen und Europäern vor, die keiner Straftat verdächtigt werden.

      In seinem Urteil vom 8. April 2014 setzte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Richtlinie 2006/24 zur Vorratsdatenspeicherung außer Kraft, die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet hatte, Daten über die Kommunikation aller ihrer Kunden zu speichern. Sie ist aber in verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch immer in nationales Recht umgesetzt.

      Wir sind der Überzeugung, dass eine derartig invasive Überwachung der gesamten Bevölkerung nicht akzeptabel ist. Mit einer Regelung zur Datenspeicherung werden sensible Informationen zu sozialen Kontakten (einschließlich Geschäftskontakten), Bewegungsverhalten und das Privatleben (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Psychologen, Helplines usw.) von Millionen von Europäerinnen und Europäern gesammelt, ohne Vorliegen von individuellen Verdachtsmomenten. Die umfassende und anlasslose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten hat sich in vielen Bereichen der Gesellschaft als schädlich erwiesen. Die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten untergräbt das Berufsgeheimnis, schafft die ständige Gefahr von Datenverlusten und Datenmissbrauch und hält die Bürger davon ab, vertrauliche Kommunikation über elektronische Netze zu führen. Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und schwächt damit die Pressefreiheit. Insgesamt beschädigt sie die Grundlagen unserer offenen und demokratischen Gesellschaft. Da es in den meisten Ländern kein finanzielles Entschädigungssystem gibt, müssen die enormen Kosten einer Regelung zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten von den Tausenden betroffenen Telekommunikationsanbietern getragen werden. Dies führt zu Preiserhöhungen und zur Einstellung von Diensten, wodurch die Verbraucher indirekt belastet werden.

      Studien [4] belegen, dass bereits die ohne Vorratsdatenspeicherung verfügbaren Kommunikationsdaten zur effektiven Aufklärung von Straftaten ausreichen. Eine umfassende Vorratsdatenspeicherung hat sich in vielen Staaten Europas als überflüssig, schädlich oder sogar verfassungswidrig erwiesen, z.B. in Österreich, Belgien, Deutschland, Griechenland, Rumänien und Schweden. Diese Staaten verfolgen die Kriminalität ebenso effektiv mit der gezielten Sammlung von Verkehrsdaten, die für individuelle Ermittlungen benötigt werden, wie z.B. den im Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität vereinbarte Rechtsrahmen zur Sicherung gespeicherter Daten.

      Wir argumentieren, dass das aktuelle deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht als Vorbild für die EU angesehen werden darf. Erstens sind verschiedene Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz anhängig und zweitens verfolgt das deutsche Gesetz den gleichen grundsätzlich riskanten Ansatz, Daten über alle Bürgerinnen und Bürger kontinuierlich und ohne Rücksicht auf individuellen Verdacht, Bedrohung oder Bedarf zu erheben.

      Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten einen verbesserten Schutz vor Kriminalität bietet. Auf der anderen Seite sehen wir, dass sie Milliarden von Euro kostet, die Privatsphäre Unschuldiger gefährdet, vertrauliche Kommunikation beeinträchtigt und den Weg für eine immer größere Massenanhäufung von Informationen über die gesamte Bevölkerung ebnet. Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der Medien, der Fachleute und der Industrie lehnen wir gemeinsam die generelle Speicherung von Telekommunikationsdaten ab. Wir fordern Sie dringend auf, keine Versuche zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten zu unternehmen. Gleichzeitig appellieren wir an Sie, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, um sicherzustellen, dass die nationalen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in allen betroffenen Mitgliedsstaaten aufgehoben werden. Darüber hinaus rufen wir Sie dazu auf, sich für ein EU-weites Verbot genereller und anlassloser Vorratsdatenspeicherung einzusetzen, die die Aktivitäten von Menschen erfassen. Wir fordern Sie auf, den europäischen Weg weiterzuentwickeln mit dem Ziel einer EU, die frei von invasiver Überwachung ist. Wir würden uns freuen, die Angelegenheit mit Ihnen persönlich zu besprechen, zu einem für Sie passenden Termin. Mit freundlichen Grüßen

      – – – – –
      [1] https://www.europarl.europa.eu/RegData/questions/reponses_qe/2020/000389/P9_RE(2020)000389_EN.pdf
      [2] https://www.europarl.europa.eu/RegData/questions/reponses_qe/2019/004385/P9_RE(2019)004385_EN.pdf
      [3] https://digitalcourage.de/blog/2020/data-retention-biased-study-by-the-eu-commission
      https://digitalcourage.de/blog/2020/vorratsdatenspeicherung-einseitige-studie-der-eu-kommission
      [4] EDRi: Data Retention Booklet: https://edri.org/our-work/launch-of-data-retention-revisited-booklet/

      Die unterzeichnenden Organisationen (so auch der RAV) finden sich hier.

      Der Brief im Wortlaut (Englisch) als PDF

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      Daten
      news-732Fri, 02 Oct 2020 17:13:19 +0200Freiheit für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh<br />Hände weg von unseren Kolleg*innen - für die Verteidigung der Menschenrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-fuer-die-iranische-rechtsanwaeltin-nasrin-sotoudeh-haende-weg-von-unseren-kolleg-innen-fuer-die-verteidigung-der-menschenrechte-732Pressemitteilung 13/20, 2.10.2020 anlässlich der Ankündigung der Verleihung der Right Livelihood Awards 2020Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) gratuliert der Kollegin Nasrin Sotoudeh aus dem Iran mit größtem Respekt zur Verleihung des Right Livelihood Awards („Alternativer Nobelpreis“), die am gestrigen Donnerstag bekannt gegeben wurde,(1) und fordert die Bundesregierung auf, sich endlich ernsthaft und nachdrücklich für ihre Freilassung einzusetzen.

      Nasrin Sotoudeh war bereits mehrmals wegen ihrer Arbeit als Rechtsanwältin inhaftiert. Zuletzt wurde sie im März 2019 zu insgesamt 38 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt. Im März 2020 trat sie in den Hungerstreik, um gegen die fortgesetzt willkürliche Inhaftierung politischer Gefangener unter menschenunwürdigen Bedingungen zu protestieren. Nach dessen Beendigung wurde sie nunmehr wieder ins berüchtigte Männergefängnis Evin verbracht, trotz ihres kritischen Gesundheitszustandes.

      Nasrin Sotoudeh setzt sich als Rechtsanwältin seit Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Sie vertrat insbesondere Aktivist*innen der Opposition, die im Zusammenhang mit den Protesten gegen die manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 inhaftiert wurden. Sotoudeh vertrat auch die iranische Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, kämpft für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran und verteidigt Frauen, die 2018 ohne Kopftuch die Straße betraten.

      Dazu erklärt Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Vorstandsmitglied des RAV: »Dass das iranische Regime auch den Ehemann und die Tochter von Rechtsanwältin Sotoudeh vorübergehend inhaftierte, zeigt, mit welcher Gewalt Frau Sotoudeh mundtot gemacht werden soll. Herrn Außenminister Maas, der das Urteil im März 2019 kritisierte und ebenfalls ihre Freilassung forderte, stünde es gut zu Gesicht, seinen Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen. Wir können nicht ewig warten.«

      Wir fordern die Bundesregierung auf, sich engagierter und nachhaltiger als bislang für die Freilassung unserer Kollegin einzusetzen. Ungefähr 30 Prozent der industriellen Infrastruktur im Iran stammen aus deutscher Produktion.(2)  Insofern trifft auch die Bundesregierung eine Verantwortung für die massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran.

      Rechtsanwalt Dr. Theune, Geschäftsführer, gratuliert im Namen des RAV auch den anderen Preisträger*innen: »Wir verneigen uns ebenfalls vor der wichtigen Arbeit der Menschrechtsaktivist*innen und Kolleg*innen Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua, Bryan Stevenson aus den USA und Ales Bjaljazki aus Belarus. Die Preise zeigen, dass der Kampf für Menschenrechte und gegen Rassismus weltweit dringender denn je ist.«

      Ansprechpartnerin für weitere Informationen:
      Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV-Vorstandsmitglied: 030.247 240 90
      boehlo@aufenthaltundsoziales.de

      Dr. Lukas Theune, Rechtsanwalt, RAV-Geschäftsführer: 030.235 644 36
      lukas.theune@rav.de

      (1)

      https://www.rightlivelihoodaward.org/media/human-rights-defenders-from-iran-and-belarus-among-2020-right-livelihood-laureates/(2) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/bilaterale-beziehungen/202402

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      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)PressemitteilungRepression gegen Rechtsanwälte
      news-731Wed, 16 Sep 2020 11:39:19 +0200Lager auflösen – Evakuierung jetzt!<br />Für eine solidarische und rechtskonforme Flüchtlingspolitik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/lager-aufloesen-evakuierung-jetzt-731Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration am 20.9.20 um 14 h, Wittenbergplatz, BerlinDas Lager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos besteht nicht mehr. Ebenso wenig besteht ein menschenwürdiges europäisches Asylsystem mit rechtskonformen Aufenthalts- und Rückführungsregeln. Im Gegenteil: Die rechtswidrigen und unmenschlichen Bedingungen in den Lagern an den europäischen Außengrenzen sind politisch ebenso gewollt, wie die Rechtlosstellung der Flüchtenden. Die Botschaft der EU-Regierungen an flüchtende Menschen auf dem Weg nach Europa ist klar: »Sterbt woanders, oder ihr werdet dauerhaft interniert!« Das ist eine Schande.

      Rechtspolitisch bedeutet das: Selbst wenn die Insel-Lager evakuiert werden – und bereits gegen die Evakuierung aus Moria von Asylsuchenden und Personen, die unter die non-refoulement-Regel fallen, wehren sich die konservative griechische Regierung und sämtliche EU-Staaten –, soll das bisher geltende Recht keine Anwendung mehr finden und schon gar kein humanitäres Recht für Flüchtende entstehen. Dass Europa sich gleichzeitig herausnimmt, sich als Trägerin des Friedensnobelpreises und als Verfechterin der angeblich universellen Menschenrechte zu rühmen, kann nicht anders als zynisch bezeichnet werden.

      Das Ertrinken-Lassen von Flüchtenden auf dem Weg nach Europa, die Angriffe auf private Rettungsschiffe, die Kriminalisierung der Menschen auf der Flucht vor Mord, Vergewaltigung, Versklavung, Hunger und Umweltkatastrophen sind die eine Antwort der europäischen Regierungen. Die Internierung in überfüllten Lagern, in Dreck und Hoffnungslosigkeit auf den ägäischen Inseln und anderswo an den EU-Außengrenzen sind die andere Antwort der EU-Staaten auf die menschenrechtlichen Katastrophen in vielen Ländern der Welt.

      Aufnahme Flüchtender statt permanentes Lagersystem

      »Statt einer europa- und menschenrechtskonformen Flüchtlingspolitik will die EU das europäische Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. Das in Moria vor aller Augen gescheiterte Hot-Spotsystem soll ausgeweitet und mit flächendeckenden Grenzverfahren und Haft an den Außengrenzen verbunden werden. In so einem System besteht faktisch kein individuelles Asylrecht mehr. Der Zugang zum Recht wird so systematisch verwehrt«, so Rechtsanwältin Berenice Böhlo, RAV-Vorstandsmitglied und Co-Präsidentin der europäischen Anwaltsorganisation AED-EDL. »Dabei ist in Moria das Scheitern eines solchen Europäischen Asylsystems bereits jetzt evident«, ergänzt Ursula Mende, Bundessekretärin der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). »Dennoch setzen die europäischen Regierungen auf Grenzverfahren, die ohne ausreichenden Rechtsschutz in katastrophalen Aufnahmebedingungen stattfinden«, stellt Michèle Winkler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie klar.

      Die Weigerung, Flüchtende unter humanitär vertretbaren Bedingungen so unterzubringen, dass alle Grundbedürfnisse ausreichend abgedeckt sind, steht für die gewollte und vollständige Aushöhlung des Asylschutzes. Sie bezeichnet auch den Beginn einer Haltung der Schengen-Staaten, dass Flüchtende ohne ausreichende Prüfung ihres Asylanspruchs weiter Hunger, Obdachlosigkeit und Gewalt ausgesetzt bleiben, durch FRONTEX kriminalisiert und abgeschreckt und in vielen Fällen zusätzlich verletzt werden. Das bedeutet auch, dass damit deren Verelendung und Tod billigend in Kauf genommen wird – nur aufgrund ihrer nicht-europäischen Herkunft.

      Moria steht für das drohende Ende der zivilisatorischen Leistung Europas: dass sich Staaten Rechten und Pflichten unterwerfen und dass Menschenrechte unteilbar sind.

      Stattdessen wird jetzt der permanente Rechtsbruch zur ›neuen Normalität‹ in der EU erklärt, der griechische Staat wird für seine Außerkraftsetzung von Rechten als EU-Schutzschild ausdrücklich gelobt. Es wird ein neues Unrechtssystem begründet, das bereits den Zugang von Schutzsuchenden zum Recht unmöglich machen soll. Faktisch läuft diese Politik auf Verelendung und Tod flüchtender Menschen hinaus.

      Der RAV fordert demgegenüber

      Mitunterzeichner:

      Aufruf als PDF

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)Griechenland
      news-730Tue, 15 Sep 2020 10:11:19 +0200Was kommt nach Moria?<br />Das Ende rechtskonformer EU-Flüchtlingspolitik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/was-kommt-nach-moria-das-ende-rechtskonformer-eu-fluechtlingspolitik-730Link zur aufgezeichneten PK Einladung zur Online-Pressekonferenz am 17.9.2020 mit europäischen Anwältinnen und Moria-Geflüchteten RAV and AED-EDL zoom press conference with European lawyers and Moria refugees, September 17, 2020, 10.00amDie Pressekonferenz zum nachhören

      https://www.youtube.com/watch?v=_ikIJ8MlJnA&feature=youtu.be

      Zugangsdaten für Presse- und Medienvertreter*innen unter: gs@rav.de oder: 030.417 235 55
      Hintergrund-Informationen unter: https://www.rav.de/themen/migration-asyl/

      To register and for details: gs@rav.de or: 030.417 235 55
      Background information: https://www.rav.de/themen/migration-asyl/

      Für alle, die die Pressekonferenz live sehen möchten: Den Link zum Live-Stream werden wir am 17.9. kurz vor 10h hier auf dieser Seite öffentlich machen.

      Invitation [English version below]

      Moria steht stellvertretend dafür, dass die zivilisatorische Leistung in Europa, dass sich Staaten Rechten und Pflichten unterwerfen, auf dem Spiel steht. Anwältinnen aus drei europäischen Ländern erläutern hierzu ihre Erfahrungen, ein Geflüchteter aus Moria berichtet, was das Scheitern des Rechts für ihn konkret bedeutet, und Karl Kopp von pro asyl wird dies in die europäische Asylreform der letzten Jahre einordnen.

      Zur aktuellen Situation und den EU-Vorbereitungen auf ein ›Moria 2.0‹ laden RAV und AED-EDL daher für diesen Donnerstag zu einem Zoom-Pressegespräch in deutscher und englischer Sprache ein.

      Presseeinladung als PDF

      ***************

      What’s after Moria?

      The end of EU refugee policy in compliance with human rights

      RAV and AED-EDL zoom press conference with European lawyers and Moria refugees, September 17, 2020, 10.00am

      To register and for details: gs@rav.de or: 030.417 235 55
      Background information: https://www.rav.de/themen/migration-asyl/

      Moria represents the fact the decisive achievement of European civilization – that states subject themselves to rights and duties – is at stake. Lawyers from three European countries explain their experiences, a Moria refugee concretely reports on the consequences of failures of national and EU-law; Karl Kopp from pro asyl will place this in the context of the European asylum reform of recent years.

      RAV and AED-EDL invite you to a zoom press conference in German and English language focusing on the current situation in Moria and EU preparations for a ›Moria 2.0‹.

      Download invitation

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      GeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)Migration & Asyl
      news-729Fri, 11 Sep 2020 07:30:11 +0200Die Zeit der Ausreden ist vorbei: Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland jetzt – alle rechtlichen Spielräume nutzen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-zeit-der-ausreden-ist-vorbei-aufnahme-von-gefluechteten-aus-griechenland-jetzt-alle-rechtlichen-spielraeume-nutzen-729Gemeinsame Pressemitteilung RAV und FR-Berlin, 11.9.2020RAV und Flüchtlingsrat Berlin legen Diskussionspapier vor

      Die Bilder aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager Moria sind schockierend, sie überraschen jedoch nicht: Dass ein Lager, das auf knapp 3.000 Menschen ausgelegt ist, aber mehr als viermal so viele beherbergt, vor einem Großbrand ebenso wenig geschützt werden kann wie vor der Ausbreitung des Corona-Virus, war vorhersehbar. Der Brand von Moria war eine Katastrophe mit Ansage. RAV und Flüchtlingsrat fordern die sofortige und unbürokratische Aufnahme der 13.000 Geflüchteten auf Lesbos durch den Bund und die Länder und schnelle Lösungen für eine Aufnahme aller weiteren Menschen in den griechischen Hotspots. Die Geflüchteten können nicht länger auf »europäische Lösungen« warten.

      Wir begrüßen die klaren Worte des Berliner Innensenators Geisel, der eine schnelle Antwort und »eine Lösung auf allen Ebenen und mit allen Instrumenten, die Europa, dem Bund und den Ländern zur Verfügung stehen«, gefordert hat[1].
      Und wir unterstützen die Ankündigung des Innensenators, das Nein des Bundesinnenministeriums zu einem Landesaufnahmeprogramm aus den griechischen Lagern nicht hinzunehmen und rechtliche Schritte gegen den Bund zu prüfen[2], denn dies ist der nächste nötige Schritt, wenn das Land Berlin ernsthaft für eine Aufnahme eintreten und nicht nur Symbolpolitik betreiben will.

      Eine zeitnahe gerichtliche Klärung ist jedoch nicht zu erwarten, zudem ist der Ausgang ungewiss. Der Rechtsstreit um ein Landesaufnahmeprogramm kann nicht der einzige Weg sein – es ist schnelles und entschlossenes Handeln des Senats und der anderen willigen Bundesländer gefragt. Es müssen alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft und sämtliche Spielräume genutzt werden.

      In einem heute veröffentlichten Diskussionspapier[3] zeigen RAV und Flüchtlingsrat Berlin verschiedene Möglichkeiten auf, um auf Landesebene aktiv zu werden und Menschen aus den Lagern in Griechenland die Einreise zu ermöglichen, ohne auf ein Einvernehmen des Bundesinnenministeriums angewiesen zu sein.

      Zu diesen Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes zählen unter anderem:

      Das Diskussionspapier verfolgt nicht das Ziel einer abschließenden rechtlichen Analyse. Vielmehr soll es Handlungsoptionen aufzeigen und als konzeptionelle Anregung für eine weitere Diskussion dienen.

      »Der anhaltende Rechtsbruch gegenüber Geflüchteten in Griechenland ist keine Spielwiese für Symbolpolitik und Sonntagsreden. Wenn der Senat seine Analyse der Situation in den griechischen Lagern ernst nimmt, muss er handeln und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Es gibt viele ergänzende Alternativen zur bislang im Fokus stehenden Landesaufnahme nach § 23 Aufenthaltsgesetz. Wir erwarten vom Senat, dass er unsere Vorschläge prüft und weiterentwickelt und konkrete Schritte ausarbeitet. Gerne gemeinsam mit uns«, sagt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert (RAV), der das Papier in Zusammenarbeit mit weiteren Anwält*innen verfasst hat.

      Martina Mauer, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Berlin ergänzt: »Angesichts der dramatischen Situation der Geflüchteten in Griechenland und der Blockadehaltung des Bundesinnenministeriums gegenüber Aufnahmeprogrammen durch die Bundesländer muss der Berliner Senat bereit sein, auch neue Wege zu gehen. Es ist zwar erfreulich, dass Bürgermeister Müller und Innensenator Geisel ihren Unmut gegenüber dem BMI öffentlich und klar geäußert haben, doch es gilt auch hier: Taten zählen mehr als Worte«.

      >>> Pressegespräch am Mittwoch, 16.09.2020, 10-11.30 Uhr <<<

      Gerne laden wir Sie zu einem Pressegespräch ein mit dem Verfasser des Diskussionspapiers, Dr. Matthias Lehnert, und Co-Autorin Berenice Böhlo, online auf der Videokonferenzplattform Zoom.
      Wenn Sie teilnehmen möchten, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail an buero@fluechtlingsrat-berlin.de mit dem Betreff »Pressegespräch« und nennen uns das Medium, für das Sie arbeiten. Sie erhalten von uns dann die Zugangsdaten für Zoom.

      Pressekontakt:

      Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, RAV, Tel.: 030-25298777, lehnert[at]aufenthaltsrecht.net
      Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV, Tel: 030-247 240 90, boehlo@aufenthaltundsoziales.de
      Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-22476311, buero@fluechtlingsrat-berlin.de

      Fußnoten

      [1] Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 09.09.2020,
      https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.988983.php

      [2] Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 10.08.2020,
      https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.973342.php

      [3] Download Diskussionspapier,
      https://fluechtlingsrat-berlin.de/diskussionspapieraufnahmegriechenland/

      PM als PDF

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerPressemitteilungGriechenlandFlüchtlinge/Geflüchtete
      news-727Fri, 28 Aug 2020 11:06:43 +0200Ebru Timtik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ebru-timtik-727

      Wir trauern um unsere wunderbare kurdische Kollegin Ebru Timtik - gestorben nach 238 Tagen im Hungerstreik mit der Forderung nach einem fairen Verfahren.

      In Gedanken sind wir bei ihren Angehörigen und stehen weiter in Solidarität an der Seite der Kolleg*innen, die in der Türkei für die Grundsätze fairer Gerichtsverfahren, der Unabhängigkeit der Justiz und für allgeimeine Menschenrechte kämpfen.

      Viele unserer Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei befinden sich anhaltend und rechtswidrig in Haft und Lebensgefahr.

      Die Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal von der ÇHD, einer Mitgliedsorganisation der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte (EJDM), wurden im März vergangenen Jahres zusammen mit 15 weiteren Kolleg*innen wegen des Vorwurfs der Unterstützung, Mitgliedschaft und Gründung von „terroristischen Organisationen“ zu insgesamt 159 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
      Mit dem Hungerstreik fordern die ÇHD-Jurist*innen von der Türkei, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und die Verfolgung von Anwältinnen und Anwälten einzustellen.

      Alle Kolleginnen und Kollegen, die zu Unrecht wegen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit inhaftiert wurden, müssten unverzüglich freigelassen werden.

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      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Repression gegen RechtsanwälteMenschenrechte/Türkei
      news-726Wed, 26 Aug 2020 10:31:29 +0200Marsch von „Querdenken“ und Nazis am Samstag, den 29. August in Berlin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/marsch-von-querdenken-und-nazis-am-samstag-den-29-august-in-berlin-726Aufruf zur Teilnahme an den ProtesaktionenDas Verbot ihrer Demos wird “Querdenken” und Nazis leider nicht aufhalten. Unsere Gegenproteste sind daher weiterhin wichtig!

      Für den 29. August 2020 hat die Stuttgarter Initiative "Querdenken 711" zu einer europaweiten Demonstration "für Freiheit und Frieden" aufgerufen, die vorgibt, sich gegen die Covid-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu richten. 

      Tatsächlich hat sich diese Initiative zu einer Sammlungsbewegung entwickelt, die sich durch nationalistisches, völkisches, rassistisches Gedankengut, durch Verschwörungsideen und  Hassparolen auszeichnet. Es handelt sich nicht um eine Bewegung, die sich um demokratische Rechte sorgt, sondern in weiten Teilen um einen dumpfen Haufen ohne Abgrenzung zu europaweit mobilisierenden Nazis.

      Der RAV ruft seine Mitgliedschaft zur Teilnahme an den zahlreich angekündigten Protestaktionen auf.

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      RAV
      news-725Fri, 21 Aug 2020 09:48:21 +0200Unterstützungsaufruf zur Demonstration gegen Rassismus und Rechtsextremismus/publikationen/mitteilungen/mitteilung/unterstuetzungsaufruf-zur-demonstration-gegen-rassismus-und-rechtsextremismus-725Am 22. August 2020 nach Hanau!Der RAV unterstützt den Aufruf zur Demonstration und Kundgebung in Hanau und ruft seine Mitglieder zur Teilnahme auf. Treffpunkt für RAV-Mitglieder und solidarische Freund*innen ist der Hanauer Bahnhof. Von dort werden wir um ca. 12:30 h mit einem roten RAV-Transparent zur Auftaktkundgebung gehen.

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      Der Aufruf:

      Die Angehörigen der Opfer des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar in Hanau, Überlebende und UnterstützerInnen rufen für den 22. August 2020, sechs Monate nach dem gewaltsamen Tod von neun Menschen, zur Demonstration und Kundgebung nach Hanau auf. Die Hinterbliebenen, Verletzten und Überlebenden fordern:

      Als Unterzeichner*innen dieses Aufrufs teilen wir diese berechtigten Forderungen der Betroffenen und rufen zur Teilnahme an dieser Demonstration auf. 

      Wir unterstützen den Gedenk- und Aktionstag in Hanau auch, weil uns die Situation und Auseinandersetzung dort, mitten in Hessen, exemplarisch erscheint. Zentrale Fragen der Angehörigen zum Vorgehen der Polizei und anderer staatlicher Institutionen vor, während und nach der Tatnacht bleiben unbeantwortet und auch ein halbes Jahr danach sind keinerlei politische Konsequenzen zu erkennen. Im Gegenteil: Der aktuelle Skandal um die Todesdrohungen des NSU 2.0 mit Informationen aus hessischen Polizeicomputern zeigt, dass mörderischer Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus weiter zunehmen und von Polizisten, Soldaten und Behörden toleriert oder gar unterstützt werden. Weder in Hanau noch in Halle oder in Kassel waren Einzeltäter am Werk, sondern Mörder, die sich durch rassistische Hetze ermutigt und bestätigt fühlen. 

      Wir wollen, dass die Forderung der Angehörigen und Überlebenden von Hanau überall gehört werden: „Wir wollen, dass Hanau keine Station von vielen ist, sondern die Endstation. Wir sagen ein halbes Jahr danach: Es muss sich endlich nicht nur etwas, sondern vieles in diesem Land ändern… Dass durch Taten und nicht nur Worte oder Kränze gezeigt, ja bewiesen wird, dass dieser Anschlag und dass Rassismus und Rechtsextremismus in diesem Land nicht geduldet, toleriert und akzeptiert werden.“ Wir schließen uns diesen Worten der Angehörigen aus Hanau an und rufen mit Ihnen dazu auf, sich am 19. August an dezentralen Gedenkaktionen zu beteiligen und dann am 22. August nach Hanau zu kommen.

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      Alle weiteren Informationen rund um die Protestaktionen finden sich auf der Seite der Initiative 19. Februar Hanau

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      RechtsextremismusRassismus
      news-728Thu, 20 Aug 2020 09:50:00 +0200Stellungnahme des BAKJ für den Erhalt und den Ausbau der Bedeutung des Schwerpunktbereiches im Jurastudium/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-bakj-fuer-den-erhalt-und-den-ausbau-der-bedeutung-des-schwerpunktbereiches-im-jurastudium-728August 2020Der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ) positioniert sich gegen den Beschluss der Justizminister*innenkonferenz vom 7. November 2019, der vorsieht, künftig auf die Bildung einer Gesamtnote zu verzichten (“Heidelberger Modell”).

      Der Beschluss der Justizminister*innenkonferenz sieht vor, den universitären Teil bei der Endnote in der ersten juristischen Prüfung nicht mehr zu berücksichtigen. Derzeit setzt sich die Note im „ersten Staatsexamen“ zu 70 % aus der Note der staatlichen Pflichtfachprüfung und zu 30 % aus der Note der universitären Schwerpunktbereichsprüfung zusammen.
      Wir, der BAKJ, lehnen dieses sogenannte „Heidelberger Modell“ ab und plädieren im Gegenteil für eine Stärkung des Schwerpunkbereichs unter Beibehaltung der universitären Autonomie.

      Dem Beschluss der Justizminister*innenkonferenz liegt die Auffassung zugrunde, dass ohne das Einbeziehen der Noten aus dem Schwerpunktbereich eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Staatsexamensnoten herzustellen sei (a). Zudem wird argumentiert, dass mit dem Heidelberger Modell der psychische Druck im Jurastudium verringert werden könne (b). Ferner scheint der Beschluss vorauszusetzen, dass der universitäre Schwerpunktbereich
      keinen wesentlichen Teil der juristischen Ausbildung darstelle (c).

      (a) Unterschiedliches ist unterschiedlich. Die inhaltlichen Verschiedenheiten in der Lehre, je nach Professor*in, Universität oder Schwerpunktbereich lassen sich nicht auf formeller Ebene aufheben. Formelle Vereinheitlichung kann keine Eindeutigkeit oder „Objektivität“ der Bewertung herstellen. Die Beurteilung individueller Fähigkeiten auf einer Notenskala bleibt stets subjektiv und somit uneindeutig. Bei subjektiven Beurteilungen fließen immer auch gesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen in die Notengebungen mit ein. Dies zeigt unter anderem die Studie "Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen" (Towfigh, et al., ZDRW 2018, S. 115 (139)). Abgesehen davon wird durch Noten unsichtbar, dass Bildungsungerechtigkeit und Chancenungleichheit maßgeblich bestimmen, wer überhaupt und wer "erfolgreich" Jura studiert. Außerdem wäre mit einer formellen Vereinheitlichung über Qualität noch nichts gesagt. Anzuzweifeln ist viel mehr der fast schon religiöse Glaube der Jurist*innen an ihr Notensystem und dessen Aussagekraft. Wir plädieren gegen scheinbare Vergleichbarkeit durch Vereinheitlichung und für Differenziertheit - wie sie bei allen wissenschaftlichen Studiengängen üblich ist.

      (b) Im Jurastudium ist der psychische Druck durchgehend sehr hoch. Das fadenscheinige Argument, das Heidelberger Modell verringere den Druck im Jurastudium, verdreht die Tatsache, dass der Schwerpunktbereich eigentlich zu einer Entlastung der staatlichen Pflichtfachprüfung führt. Ohne Bildung einer Gesamtnote würde der psychische Druck insgesamt erhöht, da die Endnote nur noch aus der staatlichen Pflichtfachprüfung bestehen
      würde.

      (c) Verschiedene Prüfungsformen gewähren ein unterschiedliches Maß an wissenschaftlicher Freiheit. Während in den staatlichen Pflichtfachklausuren insbesondere auswendig gelerntes Wissen reproduziert werden muss, ermöglicht der Schwerpunktbereich eine tiefgreifende Reflexion inhaltlicher Fragen. Schwerpunktprüfungen liegen daher eine andere Art und Idee von Wissenserwerb und -transfer zugrunde. Es wird – im Gegensatz zu den
      Pflichtfachklausuren – Raum und Zeit für Wissenschaftlichkeit gegeben. Durch den Verzicht  des Einflusses der Schwerpunktprüfungen auf die Gesamtnote werden kritischer Reflexion und der Fähigkeit zu wissenschaftlicher Recherche die Wertigkeit abgesprochen, sich auch in der Abschlussnote widerzuspiegeln. Der Schwerpunkt ist die einzige Möglichkeit, sich im Studium entsprechend eigener Interessen zu spezialisieren und Wissen zu vertiefen. Juristische Fragestellungen können zudem in den Kontext interdisziplinärer Perspektiven gestellt werden. Mit der Verbannung der Schwerpunktprüfungen aus der Endnote wird dieser Teil des Studiums massiv an Bedeutung verlieren.

      Wir fordern daher, dass die bisherige Regelung zur Bildung einer Gesamtnote beibehalten wird. Der Fiktion von Einheitsjurist*innen mit objektiv vergleichbaren Abschlüssen, die vermitteltes Wissen nur reproduzieren, halten wir die Autonomie und die Wissenschaftlichkeit des universitären Schwerpunktes entgegen. Zur Stärkung der Autonomie plädieren wir für den Ausbau des Anteils der Schwerpunktbereichsnote auf 50 %.

      Mitunterzeichner*innen:
      • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V.
      • Deutscher Juristinnenbund e.V.
      • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
      • Kanzlei geRechtsanwältinnen - Boll & Kolovos
      • AStA der Goethe-Universität Frankfurt
      • AStA der Georg-August-Universität Göttingen
      • Prof. Dr. Andreas Fisahn
      • Prof. Dr. David von Mayenburg
      • Til Martin Bußmann-Welsch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
      • Janwillem van de Loo, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
      • Joachim Schaller, Rechtsanwalt

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      AusbildungStellungnahmen
      news-724Tue, 04 Aug 2020 11:50:14 +0200Türkei – Die neue Drohnenmacht?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkei-die-neue-drohnenmacht-724Onlineveranstaltung, 11.08.2020Die Türkei führt heute einen Krieg an mehreren Fronten gleichzeitig: In Nordkurdistan wütet ein regelrechter türkischer Staatsterrorismus gegen die kurdische Gesellschaft und ihre politischen Institutionen. Die Kriegspolitik des türkischen Staates gegen die kurdische Freiheitsbewegung beschränkt sich jedoch nicht nur auf Nordkurdistan. Es ist die neue außenpolitische Doktrin der Türkei, den Krieg auch außerhalb ihres Staatsterritoriums beziehungsweise ihrer Staatsgrenzen zu führen. Zusätzlich zu Nordkurdistan eskaliert die Regierung unter Führung Erdoğans den Krieg in Südkurdistan (Nordirak) und in Rojava (Nordsyrien).

      Bewaffnete Drohnen und gezielte Luftschläge sind hierbei das neue Wundermittel der türkischen Kriegsführung. Sie kommen in Südkurdistan und Rojava fast täglich zum Einsatz. Allein in den letzten Monaten sind mehrere Massaker an der kurdischen Zivilbevölkerung durch den Einsatz von türkischen Killerdrohnen verübt worden. Die bewaffnete Drohne als neue Waffe ist von der türkischen Regierung in den höchsten Tönen gelobt worden. Dabei ist eine völkerrechtliche Legitimation dieser gezielten Tötungen auf fremdem Staatsterritorium jedenfalls äußerst zweifelhaft.

      Wie funktioniert der Drohnenkrieg des 21. Jahrhunderts? Wer wird mit diesen gezielten Tötungen bekämpft? Und wie sind diese Angriffe aus Völkerrechtsperspektive zu bewerten?

      Matthias Monroy, Journalist und Mitarbeiter im Deutschen Bundestag, zeigt die Funktionsweise der unbemannten Drohnen und gezielten Luftschläge auf. Meral Çiçek, die Vorsitzende des Frauenzentrums REPAK mit Sitz in Silêmanî, wird über die spezifisch türkische Entwicklung des autonomen Krieges berichten und darlegen, warum insbesondere Frauen und Kurd*innen hiervon besonders betroffen sind.
      Priv-Doz. Dr. Robert Frau, Völkerrechtler an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder ordnet die Praxis der türkischen Armee aus juristischer Perspektive ein.
      Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Lukas Theune. Er ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

      Dienstag, 11. August 2020, 19:00 Uhr

      Zur VA:

      https://youtu.be/LodfuWlTFm8 oder
      https://civaka-azad.org/live

      Eine Veranstaltung von:

      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

      Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

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      Veranstaltungen
      news-723Tue, 14 Jul 2020 12:28:38 +0200Stuttgart zeigt erneut:<br />Das Problem heißt Rassismus/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus-723Pressemitteilung 11/20, 14.7.2020RAV fordert unabhängige Untersuchung zu institutionellem Rassismus bei der Polizei Schutz der Betroffenen muss gewährleistet werden

      Die ›Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz‹ (ECRI) hat Deutschland in ihrem Sechsten Bericht erneut auf die »weit verbreitete Praxis des racial profiling unter deutschen Polizeikräften« und auf das »rassistisch motiviertes Verhalten von Strafverfolgungsbehörden« hingewiesen.(1) Diese Kritik an der deutschen Polizei besteht seit Jahren und wird auch vom Menschenrechtskommissar des Europarats und der Expertengruppe der Vereinten Nationen geteilt.

      Am 17. März 2020 wurde Deutschland daher von der ECRI aufgefordert, vorrangig zwei konkrete Empfehlungen umzusetzen:

      Dennoch macht die Bundesregierung keine Anstalten, diese Empfehlungen umzusetzen. Stattdessen wird jede Kritik an der Polizeiarbeit stereotyp als ›Generalverdacht‹ zurückgewiesen. Der Polizei wird ein Blankoscheck ausgestellt – ungeachtet der Erkenntnisse etwa zu rechtsradikalen Strukturen in der Polizei. Soweit Fälle von rechtswidriger Polizeigewalt und rassistischem Verhalten von Polizeibeamt*innen bekannt geworden sind, werden diese regelmäßig als Einzelfälle bagatellisiert und jedes strukturelle Problem negiert. Die populistische Lobbyarbeit der Polizeigewerkschaften bestimmt das politische Handeln. Dabei wird verkannt, dass es ein zentrales Wesensmerkmal des Rechtsstaates ist, das Handeln der Exekutive auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

      Die Stimmen der Betroffenen werden ignoriert. Die Black Lives Matter-Bewegung und migrantische sowie postmigrantische Organisationen haben eine Vielzahl von Beispielen für rassistisch motivierte Verhaltensweisen und Polizeigewalt gegeben. Das Innenministerium weigert sich, diese Stimmen zu hören.

      »Dass Bundesinnenminister Seehofer die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz nicht nur ignoriert und behauptet, es gäbe kein racial profiling in Deutschland, sondern zudem ein in Berlin verabschiedetes Landesantidiskriminierungsgesetz diffamiert, ist besorgniserregend. Ein Innenminister, der verkennt, dass es eine effektive staatliche Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols geben muss und Polizeiarbeit sich selbstverständlich immer an rechtsstaatlichen Grundsätzen messen und überprüfen lassen muss, ist nicht länger tragbar«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV.

      Das derzeitige Vorgehen der Stuttgarter Polizei und die Reaktion von Teilen der Politik zeigen auf eindrückliche Weise, dass es in Deutschland ein strukturelles Rassismus-Problem gibt, das dringend als solches erkannt und aufgearbeitet werden muss.

      Es ist evident, dass die Ermittlung der Staatsangehörigkeit der Eltern von Tatverdächtigen weder zur Strafverfolgung, noch aus Präventionsgründen geeignet oder gar angemessen ist. Diese Feststellung ist in einem Strafverfahren weder üblich, noch wird es vom Gesetz gefordert. Vielmehr handelt es sich um einen schweren Grundrechtseingriff, für den es keine Rechtfertigung gibt. Die Staatsangehörigkeit von Angehörigen ist weder für die Feststellung der Strafbarkeit, noch für die konkrete Strafzumessung relevant. Das Vorgehen der Stuttgarter Polizei erweckt den Eindruck, es gebe einen Zusammenhang zwischen der Nationalität der Eltern und dem Verhalten ihrer Kinder. »Das Festhalten und das Verteidigen dieses zu Recht als ›Stammbaumforschung‹ bezeichneten Verhaltens der Stuttgarter Polizei belegt das Bestehen von rassistischen Denkmustern in Teilen der Polizei und der Politik. Denn damit wird in völkischer Manier eine Verbindung zwischen Nationalität und Kriminalität suggeriert, die es nicht gibt«, so Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, stellvertretende Vorsitzende des RAV. »Der Politik und der Polizei würde es gut zu Gesichte stehen, sich endlich ernsthaft mit rassistischen Strukturen in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen und eine entsprechende Fehlerkultur zu entwickeln, um effektive Maßnahmen für die Schaffung einer grundgesetzkonformen Realität zu schaffen«.

      Der RAV fordert die Bundesregierung auf, die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz unverzüglich umzusetzen.

      Kontakt: RAV-Geschäftsstelle, 030.417 235 55

       

      (1) Vgl. rm.coe.int/ecri-report-on-germany-sixth-monitoring-cycle-german-translation-/16809ce4c0, S. 38 [13.07.2020].

      (2) Ebd., S. 41.

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      PolizeiRassismus
      news-708Wed, 01 Jul 2020 12:59:47 +0200Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist überfällig!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verlaengerung-der-revisionsbegruendungsfrist-ueberfaellig-708Pressemitteilung 10/20, 1.7.2020Das OLG München hat am 11.07.2018 das Urteil im sog. NSU-Prozess gesprochen – am 21.04.2020, nach sage und schreibe mehr als 21 Monaten (so wie es das Gesetz gem. § 275 Abs. 1 StPO zulässt), wurde das schriftliche Urteil zu den Akten gereicht und das Protokoll der Hauptverhandlung abgeschlossen! Das Urteil umfasst 3.025 Seiten, das Protokoll soll sich auf 44 Aktenordner erstrecken.

      Ab Zustellung jenes Urteils hatten diejenigen, die Revision eingelegt haben, genau einen (!) Monat Zeit, die Revision zu begründen – ob die Zeit überhaupt gereicht hat, das Urteil sorgfältig zu lesen und das Protokoll gründlich zu prüfen, mag dahinstehen. Innerhalb dieses einen Monats (eine Verlängerung ist – mit Ausnahme ergänzender Ausführungen zur Sachrüge – bekanntlich ausgeschlossen) eine Revisionsbegründung zu verfassen, die nicht nur mit einem Satz die allgemeine Sachrüge erhebt, sondern diese auch noch ausführt, und vor allem Verfahrensrügen nach allen Regeln strafprozessualer Kunst und bundesgerichtlicher Kautelen erhebt, dürfte sogar denjenigen unmöglich gewesen sein, die zufällig in diesem einem Monat überhaupt nichts anderes zu tun hatten.

      Zugegeben, dieser Fall ist auch in puncto Umfang außergewöhnlich; das Problem umfänglicher Urteile und ebenso raumgreifender Protokolle als Gegenstand der Revisionsbegründung ist aber keineswegs selten. Während dem Gericht umso mehr Zeit eingeräumt wird, das Urteil zu begründen, je länger die Hauptverhandlung gedauert hat (§ 275 Abs. 1 StPO), bleibt für die Revisionsbegründung nach weiterhin geltendem Recht immer nur max. ein Monat (§ 345 Abs. 1 StPO). Dass dies mit einem fairen Verfahren gem. Art. 6 Abs. 1 und 3 EMRK nichts gemein hat, versteht sich von selbst (vgl. auch Grabenwarter NJW 2002, 109 und Beukelmann NJW-Spezial 2017, 632); der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) muss auch im Revisionsverfahren effektiv gewährleistet sein.

      Exkurs: Im Zivilprozess beträgt die Revisionsbegründungsfrist zwei Monate und kann verlängert werden (§ 551 Abs. 2 ZPO); im Verwaltungsrechtsstreit gilt Ähnliches (§ 139 Abs. 3 S. 3 VwGO). Warum solches ausgerechnet im Strafprozess, wo es insb. für die betroffenen Angeklagten um so viel geht und wo es gerade in den schwerwiegenden Fällen nur eine Tatsacheninstanz gibt, nicht vorgesehen ist, kann niemand erklären.

      Das NSU-Urteil muss einmal mehr Anlass sein, die Rechtslage zu ändern, zumal sich das BVerfG bisher geweigert hat, hier einzugreifen (vgl. nur Beschl. v. 19.02.1998 – 2 BvR 1888/97). Die Frage ist dabei auch nicht, was dafür spricht, die Revisionsbegründungsfrist zu verlängern, sondern was eigentlich dagegen spricht, sie der Urteilsbegründungsfrist anzupassen: gar nichts! So wie das Gericht die Maximalfrist nicht ausschöpfen muss, gilt dies selbstverständlich auch für die Staatsanwaltschaft, die Nebenklage und nicht zuletzt die Verteidigung, die dies am Wohl der Mandantschaft ausrichten wird.

      In den „regensburger thesen zum strafprozess“ (rechtspolitische Forderungen des 43. Strafverteidigertages v. 24.03.2019, III.1.) heißt es klar und deutlich: „Die Frist zur Revisionsbegründung soll genau so lang sein, wie die Frist des Gerichts zu Urteilsabsetzung.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

      Kontakt: RA Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Tel. 0421.335166, Mail pollaehne@strafverteidiger-bremen.de

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      RevisionStrafprozessrecht (doublet)
      news-707Tue, 23 Jun 2020 12:27:17 +0200Fact Finding-Mission zu den ÇHD-Verfahren in Istanbul/publikationen/mitteilungen/mitteilung/abschlussbericht-der-fact-finding-mission-zu-den-chd-verfahren-707Zur Verletzung des Grundsatzes fairer Gerichtsverfahren, der Unabhängigkeit der Justiz und der Grundsätze zur Rolle der Rechtsanwälte (Oktober 2019)Eine Gruppe von 15 Anwältinnen und Anwälten aus sieben europäischen Ländern traf sich vom 13. bis 15. Oktober 2019 in Istanbul zu einer Erkundungsmission, um die rechtlichen Umstände zu klären, die im März 2019 zur Verurteilung von 18 türkischen Anwältinnen und Anwälten durch das 37. Hohe Strafgericht von Istanbul geführt haben. Die europäischen Anwältinnen und Anwälte des Beobchtungsteams kamen aus Österreich, Belgien, Katalonien/Spanien, Griechenland, Deutschland, Frankreich und Italien. Sie vertraten unter anderem zwei internationale Anwaltsverbände, zwei europäische Anwaltsorganisationen, den europäischen Dachverband der Anwaltskammern, verschiedene nationale und regionale Anwaltskammern und Anwaltsorganisationen.

      Wir dokumentieren nachfolgend den 40-seitigen Bericht der Untersuchungskommission in englischer Sprache. Der Bericht umfasst Ergebnisse von Gesprächen mit Expertinnen und Experten, dokumentiert die Verfahren und bewertet sie aus straf- und menschenrechtlicher Perspektive. Der RAV kann auf Anfrage weitere Dokumente in englischer und französischer Sprache - darunter Pressemitteilungen, Appelle an den UN-Hochkommissar für Menschenrechte sowie Berichte u.a. zu einer früheren Mission aus dem Jahr 2018 - zur Verfügung stellen.

      Unsere Kolleginnen und Kollegen befinden sich anhaltend und rechtswidrig in Haft und Lebensgefahr. Wir bitten um Kenntnisnahme und Unterstützung!

      Bericht der Untersuchungskommission (PDF)

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      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-704Tue, 16 Jun 2020 11:42:27 +0200Rechtsbruch in den griechischen Flüchtlingslagern beenden:<br />Aufnahme statt Symbolpolitik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsbruch-in-den-griechischen-fluechtlingslagern-beenden-704Pressemitteilung 09/20, 16.6.2020 (English version below)Über 30.000 Menschen leben weiter in den griechischen Flüchtlingslagern unter katastrophalen und menschenunwürdigen Bedingungen. Auf der heutigen Bundespressekonferenz (BPK) in Berlin hat auch der RAV Stellung genommen und die Evakuierung der Flüchtlingslager sowie ein Ende der anhaltenden Rechtsbrüche gefordert.

      Die griechische Rechtsanwältin Giota Massouridou, ELENA-Koordinatorin für Griechenland und Vize-Präsidentin der Europäischen Demokratischen Anwältinnen (EDA) erklärt: »Die unmenschlichen Bedingungen in den griechischen Hotspots werden auf nationaler Ebene in vielen EU-Mitgliedsstaaten weithin kritisiert, auch in Griechenland. Zahlreiche Berichte und Medieninformationen belegen die katastrophale Lage. Es geht ja nicht nur Moria, sondern um insgesamt fünf Hotspots (Leros, Kos, Samos, Chios und Lesbos). An jedem dieser Orte wird seit Jahren die Menschenwürde vergessen«.

      Seit Monaten wird durch selbstorganisierte Gruppen, Kirchen, Kommunen, Flüchtlingsorganisationen sowie der griechischen und internationalen Zivilgesellschaft gefordert, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen. Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin e.V. berichtet dazu: »Wir bekommen laufend Anfragen von Menschen, die entsetzt sind über die Situation in den griechischen Lagern und fragen, was sie tun können, damit Menschen nach Deutschland kommen«.

      Die Bundesregierung sieht sich so massiv mit der Forderung nach Aufnahme konfrontiert, dass sie in einer zutiefst beschämenden Aktion wenige Kinder aus Griechenland einfliegen lässt, die Deutschland im Rahmen des Familiennachzugs größtenteils sowieso hätte aufnehmen müssen.

      Einige Bundesländer wollen nun Landesaufnahmeanordnungen nach § 23 AufenthG verabschieden. Diese erfordern das Einvernehmen des Bundesinnenministeriums. Wird dieses nicht erteilt, müssen diese Länder den Rechtsweg beschreiten und das Bundesinnenministerium verklagen.

      Hierzu Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Bundesvorstandsmitglied des RAV: »Der Bund wird weiter jede echte Aufnahme blockieren. Dieses Nichthandeln ist konsequente Folge der Vorschläge des Bundesinnenministeriums, wonach das Recht auf Schutz und Asyl in Zukunft nur noch Gegenstand von Grenzverfahren sein soll. Das Leiden in den Hotspots ist Ergebnis zielgerichteter Politik, die auf Abschreckung um jeden Preis setzt«.

      Die Bundesländer sollten alle ihnen zur Verfügung stehenden Wege ausschöpfen, um eine Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland durchzusetzen und sich nicht zum Komplizen des Bundes machen. Dazu Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert (RAV): »Wenn die Länder wirklich Menschen aufnehmen wollen, müssen sie alle rechtlichen Spielräume jenseits der Aufnahme im Einvernehmen des Bundes nutzen. Sie können etwa Stipendienprogramme zur Ermöglichung des Schulbesuchs verabschieden und Familientrennungen durch eine großzügige Handhabe des gesetzlichen Rahmens beenden. Der Verweis auf den Bund als Rechtfertigung für ihr Nichthandeln ist inakzeptabel«.

      In der gegenwärtigen Situation mit Aufnahmeprogrammen voranzugehen, die zu einer echten Entlastung vor Ort führen, bedeutet – anders als das Bundesinnenministerium behauptet – nicht weniger, sondern mehr europäische Solidarität.

      Die Reaktion auf die jahrelange Krise des europäischen Asylsystems muss ein verlässlicher europäischer Solidaritätsmechanismus einer Koalition aufnahmebereiter Länder sein.

      »Die aktuelle gesamteuropäische Verantwortungslosigkeit und die Außerkraftsetzung des Rechts an den Grenzen und innerhalb der EU stellen das Rechtssystem als Ganzes in Frage«, so RAV-Anwalt Dr. Lehnert. »Wir sind nicht bereit, uns an diesen Rechtsbruch zu gewöhnen«.

      Den sogenannten EU-Türkei-Deal, der explizit kein Rechtsakt der europäischen Union und damit auch von keinem europäischen Gericht überprüfbar sein soll, ist ebenso wie das Hotspot-System kein taugliches Modell für ein europäisches Asylrecht. Stattdessen ist geltendes Recht durchzusetzen.

      Familienzusammenführungen im Dublin-Verfahren dürfen nicht länger durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge systematisch verzögert und verunmöglicht werden. Die Praxis der Push-Backs und Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen ist sofort zu beenden. Erforderlich ist die Einhaltung der Regelungen der internationalen Seenotrettung. FRONTEX soll keine Allianz mit libyschen Milizen – es gibt keine ›Libysche Küstenwache‹ – eingehen, sondern sich an effektiver Seenotrettung beteiligen. Schutzsuchende aus libyschen Foltergefängnissen sind umgehend zu evakuieren.

      »Die Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland wird diese Probleme nicht lösen. Das darf aber keine Ausrede für Nichthandeln sein«, so RAV-Anwältin Böhlo, »wir fordern daher die Aufnahme durch Bund und Länder jetzt«.

      Hintergrundmaterial:

      www.rav.de/projekte/griechische-lager-evakuieren/
      www.ecre.org/our-work/elena/
      Avocats Européens Démocrates-European Democratic Lawyers, http://www.aeud.org/

      Kontakte:

      Giota Massouridou (EDA): massouridoup@yahoo.gr
      Martina Mauer (Flüchtlingsrat Berlin): 030.224 76 311
      Dr. Matthias Lehnert (RAV): 030.252 987 77
      Berenice Böhlo (RAV): 030.247 240 90

      Die Pressemitteilung als PDF

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      Press Information No. 09/20 – June 16, 2020 [English translation]

      End the Breach of Law in the Greek Refugee Camps: Refugee Admission instead of Symbolic Politics

      More than 30,000 people continue to live in the Greek refugee camps under catastrophic and inhuman conditions. At today's [June 16] Federal Press Conference (BPK) in Berlin, the RAV together with other organizations commented and called for the evacuation of the refugee camps and for an end to the ongoing violations of law.

      Greek lawyer Giota Massouridou, ELENA coordinator for Greece and Vice-President of the European Democratic Lawyers Association (EDA), explains: »The inhuman conditions in the Greek hotspots are widely criticized at the national level in many EU Member States, including in Greece. Numerous reports and media information document the catastrophic situation. It is not only Moria, but the total of all five hotspots needs to be considered (Leros, Kos, Samos, Chios and Lesbos). In each of these places human dignity has been forgotten since years«.

      For months, self-organized groups, churches, municipalities, refugee organizations, Greek and international civil society members have been calling for taking in refugees from Greece. Martina Mauer from Flüchtlingsrat Berlin e.V. reports: »We are constantly receiving enquiries from people who are horrified by the situation in the Greek camps and ask what they can do to get people to come to Germany«.

      The Federal Government is so massively confronted with the demand for admission of refugees that in a deeply shameful action it has flown in a few children from Greece, most of whom Germany would have had to take in anyway in the context of family reunification.

      Some federal states [Länder] now want to adopt refugee admission orders according to § 23 AufenthG [Residence Law]. These admissions require the agreement of the Federal Ministry of the Interior. If the Ministry does not grant agreement, the Länder must take legal action and sue the Federal Ministry of the Interior.

      Lawyer Berenice Böhlo, member of the federal board of the RAV: »The Federal Government will continue to block any meaningful refugee admission. This failure to act is a logical consequence of its proposals that the right of protection and the right of asylum should only be subject to border procedures in the future. Suffering in the hotspots is the result of targeted policies based on deterrence at all costs«.

      The federal states should use all means at their disposal to enforce the admission of refugees from Greece and should not make themselves an accomplice of the Federal Government. As lawyer Dr. Matthias Lehnert (RAV) comments: »If the federal states really want to admit people, they must use all the legal leeway beyond refugee admission in agreement with the Federal Government. For example, they can adopt scholarship programs to enable school attendance and end family separations through generous use of the respective legal framework. The reference to Federal Government’s passivity as justification for their inaction is unacceptable«.

      In the current situation, to go ahead with refugee admission programs that lead to real relief on the ground does not mean – contrary to what the Federal Ministry of the Interior claims – less but more European solidarity.

      The response to the long-standing crisis of the European asylum system must be a reliable European solidarity mechanism of a coalition of welcoming and admission-ready countries.

      »The current Europe-wide irresponsibility and the abrogation of the law at the borders and within the EU calls into question the legal system as a whole«, says RAV lawyer Dr. Lehnert. »We will not get used to this kind of lawbreaking«.

      The so-called EU-Turkey deal, which explicitly does not constitute a legal act of the European Union and thus is not supposed to be verifiable by any European court, is – just like the hotspot system – not a suitable model for a European asylum law. Instead, applicable law must be enforced.

      Family reunifications according to the Dublin procedures must no longer be systematically delayed and made impossible by the Federal Office for Migration and Refugees. The practice of push-backs and rejections of persons seeking protection at the external borders of the EU must be stopped immediately. It is necessary to comply with the regulations of international maritime rescue procedures. FRONTEX is not supposed to form an alliance with Libyan militias – there is no such thing as a ›Libyan Coast Guard‹ – but to participate in effective sea rescue. Those seeking protection from Libyan torture prisons must be evacuated immediately.

      »Taking in refugees from Greece will not solve all those problems mentioned above. However, this must not be an excuse for inaction«, says RAV lawyer Böhlo, »we therefore demand that the federal and state governments take action now«.

      Background material:
      https://www.rav.de/projekte/griechische-lager-evakuieren/
      https://www.ecre.org/our-work/elena/

      Avocats Européens Démocrates-European Democratic Lawyers, http://www.aeud.org/

      Contacts:
      Giota Massouridou (EDA): massouridoup@yahoo.gr
      Martina Mauer (Flüchtlingsrat Berlin): 030.224 76 311
      Dr. Matthias Lehnert (RAV): 030.252 987 77
      Berenice Böhlo (RAV): 030.247 240 90

      Press Information (engl. Version) PDF

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)Flüchtlinge/Geflüchtete
      news-703Fri, 05 Jun 2020 13:59:52 +0200#SoGehtSolidarisch/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sogehtsolidarisch-703Aufruf zur Teilnahme am Band der Solidarität, 14.6.2020Der RAV ist Teil des Bündnisses für den #unteilbar-Aktionstag am 14. Juni 2020 und ruft alle Mitglieder und Freund*innen auf, sich dem Band der Solidarität anzuschließen. Wir verstehen unsere Aufgabe als Anwältinnen und Anwälte, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, nicht allein in der Verteidigung politischer Rechte und Freiheiten, sondern auch in dem Eintreten für die sozialen Rechte. Wenn Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Gefahr sind, müssen diese auch auf der Straße an der Seite der Zivilgesellschaft erstritten werden. Wir brauchen jetzt die politische Weichenstellung in eine diskriminierungsfreie, solidarische und klimagerechte Zukunft!

      #SoGehtSolidarisch

      Alle Informationen zum Aktionstag am 14.6.20 von #unteilbar.

      Wir bitten, auch das Aktionskonzept aufmerksam zu lesen. Die Herausforderung, eine verantwortliche Aktionsform in Zeiten von Covid-19 zu finden ist groß.

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      Aufruf #SoGehtSolidarisch 14. Juni 2020 (und hier als PDF)

      #unteilbar durch die Krise

      Die Pandemie trifft uns alle, doch bei Weitem nicht alle gleich. Was vorher ungerecht war, wird in der Krise noch ungerechter: Weltweit sind immer mehr Menschen in ihrer Existenz bedroht und haben keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Milliarden aus den ersten Konjunkturprogrammen kommen vor allem Unternehmen zugute. Jetzt muss dringend in den Klimaschutz, ins Gesundheitssystem und den Kultur- und Bildungsbereich investiert werden.

      Gleichzeitig werden Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungserzählungen gesellschaftsfähiger und bedrohen unser Zusammenleben. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.

      So darf es nicht weitergehen!

      Viele von uns drohen zurückzubleiben: Menschen ohne sichere Arbeit, die ihre Miete nicht mehr zahlen können oder kein Zuhause haben; geflüchtete Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen oder an den europäischen Außengrenzen entrechtet werden; Menschen, die von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung betroffen sind oder gar Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt werden; Angehörige von Risikogruppen, Betroffene von häuslicher Gewalt und Schulkinder, die abgehängt werden.

      Dabei sind es vor allem Frauen, die in der Pflege, im Einzelhandel und bei der Kinderbetreuung die Umsetzung der Schutzmaßnahmen erst möglich machen.

      Für eine solidarische Gesellschaft

      Jetzt wird entschieden, wer die Kosten der globalen Krise trägt, wer danach stärker wird und wer schwächer. Jetzt wird entschieden, ob wir es schaffen, uns gemeinsam auf den Weg in eine antirassistische, soziale und klimagerechte Gesellschaft zu machen – für ein besseres Leben für alle. Auch in der Krise zeigen wir, dass es solidarisch geht – wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.

      Wir fordern:

      #SoGehtSolidarisch

      Am Sonntag, den 14. Juni 2020, um 14 Uhr werden wir verantwortungsbewusst und mit Abstand demonstrieren. Auf der Straße und im Netz zeigen wir:

      #SoGehtSolidarisch!

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      #unteilbarBürger- und Menschenrechte
      news-702Fri, 05 Jun 2020 12:08:57 +0200Gesetz zur Einführung des oder der Bürgerbeauftragten des Landes Berlin und des oder der Beauftragten für die Polizei Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-einfuehrung-des-oder-der-buergerbeauftragten-des-landes-berlin-und-des-oder-der-beauftragten-fuer-die-polizei-berlin-702Stellungnahme, 5.6.20201. Vorbemerkungen

      Die Einführung der oder des Beauftragten für Bürger*innen(1) und die Polizei (im Folgenden: die oder der Beauftragte) ist grundsätzlich zu unterstützen.

      Seit Jahren fordern Menschen- und Bürger*innenrechtsorganisationen die Etablierung von unabhängigen Ermittlungsstellen, die Vorwürfe rechtswidriger Polizeigewalt effektiv aufklären und sanktionieren können. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (zuletzt: Hentschel and Stark v. Germany, no. 47274/15, 9 November 2017, § 87) hat wie auch der Menschenrechtskommissar des Europarates (2015 (CommDH(2015)20, 1. Oktober 2015, Rn. 40ff) und der UN-Folterausschuss (CPT Inf (2017)6, § 18) die fehlende Unabhängigkeit und in der Folge auch mangelnde Effektivität der Aufklärung von Polizeigewalts-Vorwürfen in Deutschland kritisiert.

      Der vorliegende Gesetzentwurf bringt insoweit eine Verbesserung, dass eine Institution geschaffen wird, die sich solchen Vorwürfen annehmen kann und organisatorisch von der Polizeibehörde getrennt ist. Zu begrüßen ist auch, dass diese Institution mit eigenen Ermittlungskompetenzen ausgerüstet ist.

      Bereits in diesen Vorbemerkungen sollen jedoch zwei Punkte angesprochen werden, die sich in Hinblick auf die Effektivität der Tätigkeit dieser oder dieses Beauftragten als problematisch erweisen könnten.

      Der erste Punkt hängt mit der Erweiterung des Aufgabenbereichs der oder des Beauftragten zusammen, die oder der auch für Vorgänge aus dem innerpolizeilichen Bereich zuständig sein soll (also zum Beispiel für Beschwerden hinsichtlich der Ausrüstung der Polizei oder ähnliches) sowie darüber hinaus für die Stärkung der Stellung des Bürgers oder der Bürgerin im Verkehr mit anderen Behörden als der Polizei. Es sei bereits jetzt bei der Diskussion des Entwurfs zur Einführung der oder des Beauftragten bemerkt, dass auf jeden Fall auch ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung stehen müssen, damit die oder der Beauftragte den gesamten mit dem Gesetz zugewiesenen Aufgabenbereich effektiv bearbeiten kann. Es muss sicher gestellt werden, dass der oder dem Beauftragten mindestens zwanzig Mitarbeiter*innen zugewiesen werden. Eine ähnliche personelle Kapazität wie bei der oder dem Datenschutzbeauftragten muss gewährleistet sein.

       Der zweite Punkt betrifft nur den Bereich der Aufklärung von Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens, das die Schwelle strafbaren Verhaltens überschreitet. Hier ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass ein schwebendes Gerichtsverfahren oder ein laufender Untersuchungsausschuss die Tätigkeit der oder des Beauftragten ausschließen (§ 17) und dass seine Aufklärungsbefugnisse dann eingeschränkt sind, wenn ein Straf- oder Bußgeldverfahren oder ein Disziplinarverfahren laufen (§ 18). Eine Sanktionsmöglichkeit durch die oder den Beauftragten ist nicht vorgesehen (§ 19). Das bedeutet, dass reguläre Ermittlungs- und Sanktionierungs-Verfahren den Vorrang haben und die Aufklärungskompetenz genau dann begrenzt wird, wenn die Vorwürfe von strafrechtlicher Relevanz sind.

      Da es aber – auch aus der Sicht der bereits zitierten internationalen Institutionen - gerade die Effektivität von Ermittlung und Sanktionierung strafrechtswidriger Polizeigewalt gesteigert werden müsste, wird die oder der neue Beauftragte die diesbezüglichen Mängel nicht ausgleichen können. 

      Es wird daher auf das in einem „Policy Paper“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte bereits im Jahr 2014 vorgeschlagene Zwei-Säulen-Modell verwiesen, wonach neben eine oder einen Beauftragte für Polizei noch eine zweite Institution tritt (Eric Töpfer/Julia von Normann, Unabhängige Polizei-Beschwerdestellen, 2014). Diese zweite Institution übernimmt die Fälle, in denen das vorgeworfene polizeiliche Fehlverhalten von strafrechtlicher Relevanz hat. In dieser Institution würden interdisziplinäre Teams von polizeiexterne Ermittlungspersonen unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft die Aufklärungsarbeit leisten.

      2. Bemerkungen zu einzelnen im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen

      § 1 Aufgaben des oder der Bürger- und Polizeibeauftragten

      Es wird begrüßt, dass es nach der Gesetzesbegründung zu § 1 das grundsätzliche Ziel des Gesetzes ist, eine unabhängige Instanz zu schaffen, deren Fokus neben der Aufklärung von Fehlverhalten Einzelner auch etwaige strukturelle oder institutionelle Mängel innerhalb der Institution Polizei sind.

      § 2 Bestellung und Beendigung des Amtsverhältnisses

      Die Wahl der oder des Beauftragten durch das Abgeordnetenhaus sichert die Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive. In diesem Zusammenhang wäre die Einbeziehung von Vertreter*innen gesellschaftlicher Organisationen begrüßenswert, um bereits im Auswahlprozess die Möglichkeit zu eröffnen, die verschiedenen Perspektiven auf den konkreten Inhalt der Tätigkeit der oder des Beauftragten einzubeziehen.

      § 3 Rechtsstellung

      Die Rechtsstellung der oder des Beauftragten als unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen ist uneingeschränkt zu begrüßen, da dadurch die institutionelle, hierarchische und praktische Unabhängigkeit gewährleistet wird.

      § 14 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, Eingaben von Polizeidienstkräften

      Die Ausrichtung der Beschwerdemöglichkeit an die oder den Polizeibeauftragten umfasst nicht nur persönliches Fehlverhalten, sondern auch mittel- oder unmittelbare sowie institutionelle ungerechtfertigte Benachteiligung ist sinnvoll, um den wie zu § 1 in der Gesetzbegründung ausgeführt auch strukturell zu verstehenden Auftrag der oder des Beauftragten mit Leben zu füllen.

      Wichtigster Kritikpunkt aus Sicht des RAV ist die im Gesetz vorgesehene Beschränkung, dass Beschwerden und Eingaben grundsätzlich nicht anonym eingereicht werden können. Dies ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Zum einen könnte eine anonymisierte Beschwerdemöglichkeit es zum Beispiel Polizeibeamten ermöglichen, das von ihnen beobachtete Fehlverhalten von Kolleg*innen mitzuteilen, ohne befürchten zu müssen, dass sie innerhalb ihrer Einheit oder Dienststelle als „Nestbeschmutzer*innen“ angesehen werden oder dass ihnen - in Fällen, in denen sie sich nach einiger Zeit der Beobachtung entschließen, strafwürdiges Verhalten von Kolleg*innen zu melden – der Vorwurf der Strafvereitelung gemacht wird, weil sie nicht umgehend bei der ersten Beobachtung Strafanzeige erstattet haben.

      Dass sinnvolle Aufklärungsarbeit auch aufgrund anonymer Hinweise möglich ist, zeigt zum Beispiel die Einrichtung der anonymen Hinweisstelle im Bereich der Korruption (vgl. https://www.berlin.de/polizei/dienststellen/landeskriminalamt/lka-3/anonyme-hinweisgeberstelle-korruption-262814.php).

      Von Seiten des RAV wird ergänzend angeregt, auch über zivilgesellschaftliche Organisationen oder Beratungsstellen eingereichte Beschwerden zuzulassen. Aus der Praxis ist bekannt, dass Personen, die rechtswidriger Polizeigewalt oder strukturellen Benachteiligungen ausgesetzt sind, oftmals auch Schwierigkeiten beim Zugang zum Recht haben, sei es aufgrund sprachlicher oder sonstiger Barrieren. Es kann den Blick der oder des Beauftragten nur sinnvoll erweitern, wenn auch Beschwerden, die von „Fürsprecher*innen“ solcher strukturell gesellschaftlich benachteiligten Personen vorgebracht werden, zulässig sind.

      Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdefrist von drei Monaten nach Beendigung der polizeilichen Maßnahme aus anwaltlicher Perspektive zu knapp bemessen ist. Die Beschwerde ist samt dem zugrunde liegenden Sachverhalt einzureichen. Die betroffene Person muss die Gelegenheit haben, den Sachverhalt substantiiert zusammenfassen zu können und sich umfassend zu informieren und beraten zu lassen. Die Chance auf Klärung würde auch nicht bei einer Frist von 6 Monaten oder einem Jahr vereitelt. Anzumerken ist, dass selbst die kürzeste Frist nach dem OWiG bei 6 Monaten liegt.

      § 15 Tätigkeit ohne vorherige Beschwerde oder Eingabe

      Als Ausdruck der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ist die Einräumung des Selbstbefassungsrechts sehr begrüßenswert.

      Zu den in §§ 17 bis 19 formulierten Grenzen des Prüfungsrechts und der Kompetenzen wurde bereits in der Vorbemerkung Stellung genommen.

      (1)   Es sei kurz bemerkt, dass die Bezeichnung „Der oder die Beauftragte für Bürgerinnen und Bürger sowie für Polizei“ gegenüber der Bezeichnung „Der oder die Bürgerbeauftragte [...]“ vorzugswürdig wäre. Auch der Petitionsausschuss des Bundesrats trägt den Namen „Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen des Bundesrates“.

      Verfasserin: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin

      Stellungnahme als PDF

       
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      PolizeiStellungnahmen
      news-700Sat, 09 May 2020 15:29:48 +0200#FreeThemAll/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechthintergittern-700Solidaritätserklärung Screenshot eines Videos des RAV zu #freethemall

      Der RAV beobachtet seit vielen Jahren Gerichtsverfahren in der Türkei, in denen Rechtsanwält*innen wegen der Ausübung ihrer Berufstätigkeit, insbesondere wegen der Verteidigung von Oppositionellen und Kurd*innen, vom Erdoğan Regime als Terroristen strafverfolgt und inhaftiert werden.

      Nach dem sog. Putschversuch von 2016 wurden unsere Schwesterorganisationen, die ÇHD (Çağdaş Hukukçular Derneği, Progressive Anwaltsorganisation) und die ÖHD (Özgürlükçü Hukukçular Derneği, Anwält*innen für Freiheit) verboten und ihre Mitglieder in Massenprozessen angeklagt. Einige von ihnen befinden sich seit September 2018 in Untersuchungshaft.

      Unsere Solidarität gilt unseren Kolleg*innen, der Angriff auf sie ist ein Angriff auf uns alle. Wir fordern ihre umgehende Freilassung.

      Unsere Solidaritätsbotschaft in Englisch als Video (via Twitter) und als PDF

      Eine kleine gute Nachricht: Unser Kollege Doğukan Ünlü ist inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

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      Freie Advokatur (doublet)Bürger- und MenschenrechteFreie AdvokaturRepression gegen Rechtsanwälte
      news-698Tue, 21 Apr 2020 22:43:00 +0200»Menschenrechte wahren – Lager auflösen – Evakuierung jetzt!«/publikationen/mitteilungen/mitteilung/lager-evakuieren-698Pressemitteilung 8/20, 21.4.2020 Kundgebung am 23. April 2020, 17.00 Uhr in Berlin #LagerEvakuierenAm 23. April 2020 werden wir von 17.00 bis 18.00 Uhr in Berlin eine Kundgebung durchführen, um auf die alarmierende Situation in den griechischen Flüchtlingslagern aufmerksam zu machen und die Forderung nach der sofortigen Auflösung der Lager und der Unterbringung der Geflüchteten in den EU-Staaten zu unterstützen.

      Wir, das sind eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen, stellvertretend für viele, die ihre Stimme erheben

      An der Kundgebung werden Vertreter*innen von Wohlfahrtsverbänden, Bürgerrechtsorganisationen, Flüchtlingsinitiativen u.v.m. teilnehmen. Die Liste der Teilnehmenden und Redner*innen finden Sie unter diesem Anschreiben; ebenso den Aufruf.
      Wir machen ausdrücklich den Ort der Kundgebung nicht bekannt und rufen ausdrücklich dazu auf, nicht an der Kundgebung teilzunehmen.

      Die Anzahl der Teilnehmenden ist begrenzt. Eine Ansammlung von zu vielen Menschen ist unbedingt zu vermeiden. Wir nehmen den Infektionsschutz ernst und werden dementsprechend auch die Kundgebung durchführen.
      »Auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie muss es möglich sein, in verantwortungsbewusster Art und Weise auf die Straße zu gehen, auf die drohende humanitäre Katastrophe in Moria und anderswo aufmerksam zu machen und die sofortige Durchsetzung humanitärer Maßnahmen einzufordern«, so der Rechtsanwalt und RAV-Vorsitzende Dr. Peer Stolle.

      Beteiligt euch dennoch an den Protesten, bspw. über www.evacuate-moria.com oder in anderer Form.

      Insbesondere rufen wir alle auf, die Kundgebung live am 23. April 2020 ab 17:00 Uhr hier https://www.rav.de/projekte/griechische-lager-evakuieren/ zu verfolgen.
      Dieser Stream wird auch anschließend an dieser Stelle zur Verfügung stehen.

      Wir werden die Kundgebung live per Stream übertragen.

      #LagerEvakuieren
      #LeaveNoOneBehind

      ********

      Nachfolgend unser Aufruf und die Teilnehmenden:
      Menschenrechte wahren – Lager auflösen – Evakuierung jetzt!

      Die Situation in den griechischen Flüchtlingslagern ist alarmierend. Mehr als 42.000 Menschen leben auf engstem Raum unter katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie drohen die Lager zu pandemischen Hotspots zu werden. Eine internationale Koalition aus Gesundheitsfachleuten, Virolog*innen, Menschenrechtler*innen fordert die sofortige Evakuierung der Menschen aus den Lagern.
      Wir schließen uns der Forderung der sofortigen Auflösung der Lager an und fordern, die Geflüchteten in den EU-Staaten sicher unterzubringen, vgl. https://www.evacuate-moria.com/.

      Viele Gemeinden in Deutschland haben ihre Bereitschaft erklärt, Menschen aus dem Lager in Moria aufzunehmen. Das Innenministerium unter Horst Seehofer blockiert diese Aufnahme weiterhin. Die Aufnahme von lediglich bis zu 50 unbegleiteten Minderjährigen ist eine Schande und vollkommen unzureichend.

      Die Einhaltung der Menschenrechte darf nicht an den Außengrenzen der EU enden.

      Auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie muss es möglich sein, in verantwortungsbewusster Art und Weise auf die Straße zu gehen und auf die drohende humanitäre Katastrophe in Moria und anderswo aufmerksam zu machen.

      Wir werden unser Demonstrationsrecht am Donnerstag, 23. April 2020, 17.00 Uhr wahrnehmen.

      Teilnehmende:
      Begrüßung: Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt, Vorstandsvorsitzender des RAV
      1. Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer, Paritätischer Gesamtverband
      2. Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin und Pro Asyl
      3. Martina Schwarzer, Seebrücke
      4. Markus N. Beeko, Generalsekretär, Amnesty International Deutschland
      5. Sabine Will, Ärztin, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)
      6. Dietrich Koch, Dipl.-Psych., Xenion. Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
      7. Hamid Nowzari, Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
      8. Katja Riemann, Schauspielerin
      9. Wolfgang Kaleck, Rechtsanwalt, Generalsekretär, European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)
      10. Anna Spangenberg, Presseteam im Bündnis #unteilbar
      11. Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender, Humanistische Union
      12. Tom Jennissen, Komitee für Grundrechte und Demokratie/Bürgerrechte & Polizei/CILIP
      13. Luisa Neubauer, Klimaaktivistin, FridaysForFuture
      14. Shermin Langhoff, Intendantin, Maxim-Gorki-Theater
      15. Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, Vorstandsmitglied im RAV

      PM als PDF

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerPressemitteilungLager
      news-699Tue, 21 Apr 2020 09:11:00 +0200Berliner Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete JETZT/publikationen/mitteilungen/mitteilung/berliner-landesaufnahmeprogramm-fuer-gefluechtete-jetzt-699Offener Brief von 44 Organisationen, 21.4.2020Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Michael Müller,
      sehr geehrter Herr Innensenator Andreas Geisel,
      sehr geehrte Vorsitzende der Fraktionen von SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus,

      47 unbegleitete minderjährige Geflüchtete zwischen 11 und 15 Jahren aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln Samos, Lesbos und Chios sind am Samstag in Deutschland angekommen. Ca. 39.000 Geflüchtete leben dort weiterhin, darunter 13.000 Kinder und Jugendliche, unter menschenunwürdigen Bedingungen und extremem Infektionsrisiko (Covid 19) – die dramatischen Bilder und Berichte sind uns allen längst bekannt.(1) Viele der Geflüchteten sind bereits gesundheitlich geschwächt und psychisch traumatisiert.

      Zumindest ein Anfang ist gemacht – das zeigt uns, dass es geht – aber umgehend fortgeführt werden muss. Nach dem Königsteiner Schlüssel entfallen auf Berlin 5 %, d.h. zwei oder drei der 47 Kinder.

      Berlin hat sich bereits im Dezember 2019 bereit erklärt, 70 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, und sich offen gezeigt für die Aufnahme weiterer besonders schutzbedürftiger Gruppen wie alleinerziehende Mütter, Familien mit Kindern, chronisch Kranke, traumatisierte und alte Menschen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach hat öffentlich erklärt, umgehend 400 Geflüchtete aufnehmen, unterbringen und versorgen zu können, mit mehr Vorbereitung sogar bis zu 2000.

      Zuletzt haben Sie, Herr Geisel, am 14.04.2020 erneut die Aufnahmebereitschaft mit einem Brief an den Bundesinnenminister (BMI) bekräftigt.(2) Hierin fragen Sie  nach der Zustimmung des BMI zu einem Landesaufnahmeprogramm Berlins gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG für die Aufnahme von mindestens 70 Kindern von den griechischen Inseln. Sie weisen darauf hin, dass auch weitere Bundesländer zusätzliche Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen möchten.

      Das Berliner Landesaufnahmeprogramm muss jetzt schnell umgesetzt werden!

      > Berlin muss mit Nachdruck die umgehende Zustimmung des BMI einfordern.
      > Bei einer Zustimmung des BMI muss Berlin vorbereitet sein, um die Aufnahme sofort zu beginnen.
      > Bei einer Ablehnung muss Berlin rechtliche Schritte gegen das BMI prüfen.

      Der Bundesinnenminister hat bisher einem Landesaufnahmeprogramm die Zustimmung noch nie versagt. Auf die allgemeinen Angebote der Länder für eine Aufnahme aus Griechenland hat er in den letzten Wochen geschwiegen. Auf die Bitte des Innensenators von Berlin, die Zustimmung für eine Berliner Landesaufnahme gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG von 70 Kindern aus griechischen Lagern aufgrund der humanitären Umstände dort zu erteilen, muss das BMI jetzt umgehend reagieren.

      Die humanitäre Aufnahme ist allerdings eine souveräne Entscheidung des Bundeslandes Berlin. Sie soll allein aufgrund der unwürdigen Zustände in den griechischen Lagern und der besonderen Schutzbedürftigkeit der aufgenommen Menschen erfolgen. Ein mögliches Asylverfahren, das die Lage in den Herkunftsländern der Geflüchteten prüft, ist hiervon unabhängig.(3)

      Die Rechtsgutachten von Redeker, Sellner und Dahs(4) sowie von Heuser(5) kommen zu dem Ergebnis, dass die Länder aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Eigenstaatlichkeit einen großen politischen Entscheidungsspielraum für die humanitäre Landesaufnahme haben. Falls das BMI die Zustimmung versagt, muss das Land Berlin daher rechtliche Schritte gegen den Bund wegen Verletzung seiner Eigenstaatlichkeit einleiten!(6)

      Das Programm auf Landesebene muss umgehend konkretisiert und operationalisiert werden. Dies beinhaltet die Vorbereitung einer Aufnahmeanordnung des Landes Berlin nach §23 AufenthG. Notwendig ist auch eine zügige Abstimmung mit den vor Ort aktiven Institutionen und den griechischen Behörden, um eine Auswahl in den Lagern zu ermöglichen.

      Landesaufnahmeprogramme sind dafür da, um flexibel und schnell auf humanitäre Notlage zu reagieren. Herr Müller und Herr Geisel, handeln Sie schnell, stellen Sie die Weichen für das Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus Griechenland und holen Sie die Menschen aus dieser Hölle!

      Als Zivilgesellschaft sind wir bereit, die Aufnahme zu unterstützen sowohl mit unseren Kontakten zu vor Ort aktiven griechischen zivilgesellschaftlichen Organisationen als auch mit Initiativen in Berlin, um die Integration der Geflüchteten zu begleiten.

      In Erwartung einer zeitnahen Antwort verbleiben wir
      mit verbindlichen Grüßen

      gez. Dr. Sabine Speiser, Willkommen im Westend, sabine.speiser@web.de, http://willkommen-im-westend.de/
      gez. Herbert Nebel, Respekt für Griechenland e.V., nebelherbert@t-online.de, http://respekt-für-griechenland.de/
       gez. Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., buero@fluechtlingsrat-berlin.de, https://fluechtlingsrat-berlin.de/
      für die unterzeichnenden Organisationen:

      AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
      Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
      Back on Track e.V.
      BBZ Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
      Be an Angel e.V.
      Berlin hilft e.V.
      Berliner Forum Griechenlandhilfe e.V.
      Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen
      Bildungs- und Beratungszentrum Raupe und Schmetterling – Frauen in der Lebensmitte e.V.
      borderline-europe – Menschenrechte ohne Gren-zen e.V.
      BumF Bundesfachverband unbegleitete minder-jährige Flüchtlinge e.V.
      Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.
      euqal rights beyond borders
      Flüchtlingskirche Berlin
      Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband  Berlin
      Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg KdöR
      Institut für Traumapädagogik Berlin
      Inter Homines - Empowerment und Therapie mit politisch Verfolgten e.V.
      Internationale der Kriegsdienstgegner*innen e.V.
      Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
      Jesuiten Flüchtlingsdienst
      Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.
      Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.
      Kompetenzzentrum Flucht, Trauma und Behinde-rung an der Humboldt-Universität zu Berlin
      Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.
      Moabit hilft
      Ökumenisches Zentrum für Umwelt-, Friedens- und Eine-Welt-Arbeit e.V.
      Pankow Hilft
      Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V.
      Pro Asyl
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Respekt für Griechenland e.V.
      Schöneberg hilft e.V.
      Seebrücke
      Solidarity City
      Sprungbrett Zukunft Berlin e.V.
      Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrech-te
      Weltweit in der Kirche Berlin
      Willkommen im Westend
      Willkommen in Falkensee
      XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
      Zaki - Bildung und Kultur e.V.
      Zentrum ÜBERLEBEN gGmbH - Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen

      (1) https://data2.unhcr.org/en/documents/download/75410
      (2) https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.919747.php
      (3) Heuser, Rechtsgutachten zur Zulässigkeit der Aufnahme von Schutzsuchenden durch die Bundesländer aus EU-Mitgliedstaaten: www.rosalux.de/publikation/id/41787/aufnahme-von-schutzsuchenden-durch-die-bundeslaender
      (4) Redeker/Sellner/Dahs, Aufnahme von Flüchtenden aus den Lagern auf den griechischen Inseln durch die deutschen Bundesländer - Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen: www.dropbox.com/s/21wghgyqi2ped69/Länderkompetenzen%20humanitäre%20Aufnahme%20Griechenland.pdf
      (5) Heuser, a.a.O.
      (6) Beim Berliner Verwaltungsgericht oder/und Bundesverfassungsgericht: Heuser, a.a.O.

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      GriechenlandGeflüchtetenlager
      news-696Wed, 15 Apr 2020 09:53:18 +0200RAV fordert angesichts der Corona-Krise:<br />Kündigungsschutz muss auf Dauer gestellt werden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-fordert-angesichts-der-corona-krise-kuendigungsschutz-muss-auf-dauer-gestellt-werden-696Pressemitteilung Nr. 07/20 vom 15.4.2020Die Bundesregierung hat auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zunächst zügig reagiert und unter anderem eine schnelle Verabschiedung von Schutzvorschriften für Wohnungs- und Gewerbemieter*innen erwirkt. Allerdings konzentriert sich die Diskussion aktuell allein darauf, wie den Vermietern und Vermieterinnen die Mieteinnahmen zu 100 Prozent erhalten werden können. Die Frage nach einer gerechten Verteilung der Lasten der Corona-Krise wird nicht gestellt.

      Vor diesem Hintergrund erweisen sich die neuen Schutzvorschriften bei näherer Betrachtung als unzureichend und ungerecht. Gerade bei Wohnraummieter*innen und Kleingewerbetreibenden werden die Probleme nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

      »Eines ist schon jetzt klar: Auf die gesundheitliche Krise wird eine wirtschaftliche Krise folgen, und viele Menschen werden die aktuellen finanziellen Einbrüche später nicht ausgleichen können«, stellt der Berliner Rechtsanwalt Henrik Solf, Mitglied im ›Arbeitskreis Mietrecht‹ im RAV dazu fest.

      Die neue Regelung soll nur bis zum 30. Juni 2022, also lediglich zwei Jahre, gelten. Solange sollen Mietrückstände aus der Zeit von April bis Juni 2020 nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden können. Das reicht zum Schutz der Mieter*innen vor dem Verlust der Wohnung oder des Gewerberaumes jedoch nicht aus. Es ist zu befürchten, dass viele Mieter*innen in Kurzarbeit, Kleingewerbetreibende oder Soloselbständige die wirtschaftlichen Folgen der Krise innerhalb von zwei Jahren nicht überwunden haben werden.

      »Es ist bereits jetzt absehbar, dass die Betroffenen in dieser Zeit die Rückstände nicht abtragen können. Es bedarf daher eines dauerhaften Kündigungsschutzes«, betont Carola Handwerg, Berliner Anwältin und ebenfalls im ›AK Mietrecht‹ tätig.

      Wir fordern daher eine differenzierte Lösung:

      Bei allen Gewerbe- und Wohnraummieter*innen sollte die Nachzahlung der Miete binnen zwei Monaten nach Zustellung einer Räumungsklage eine Kündigung heilen können – unabhängig davon, ob sie fristgerecht oder fristlos erklärt wurde. Dieser Schutz muss dauerhaft gelten. Gleichzeitig ist das Sozialrecht zu ändern: Mieter*innen, die aufgrund der Corona-Pandemie wegen Einkommenseinbußen ihre Miete nicht zahlen können, sollten einen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden durch die Sozialleistungsbehörden haben. Derzeit steht die Mietschuldenübernahme lediglich in deren Ermessen. Für Gewerbemieter*innen mit bis zu zehn Beschäftigten muss zudem ein Fonds eingerichtet werden, aus dem etwaige Mietzuschüsse gezahlt werden können.

      »Nur so kann verhindert werden, dass Mieter*innen nicht auch noch unter den Spätfolgen der Corona-Krise zu leiden haben«, so Rechtsanwalt Benjamin Raabe vom RAV. »Die krisenbedingten Kosten muss die Allgemeinheit tragen«.

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      KündigungsschutzCoronaMietrecht (doublet)
      news-695Wed, 08 Apr 2020 13:28:53 +0200Covid-19 in der Türkei: Keine Zeit verlieren!<br />Warum inhaftierte Anwält*innen sofort freigelassen werden müssen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/covid-19-in-der-tuerkei-keine-zeit-verlieren-warum-inhaftierte-anwaelt-innen-sofort-freigelassen-werden-muessen-695Gemeinsame Pressemitteilung europäischer Jurist*innenvereinigungen, 7.4.20Die Europäische Vereinigung der Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte (EJDM) und die Europäischen Demokratischen Anwält*innen (AED-EDL) sind europäische Anwaltsorganisationen mit Mitgliedern in über 20 europäischen Ländern, darunter die Türkei. Beide Organisationen beobachten seit vielen Jahren Gerichtsverfahren in der Türkei, insbesondere die Massenprozesse gegen Anwält*innen ihrer zwei Mitgliedsorganisationen ÇHD (Çağdaş Hukukçular Derneği, Progressive Anwaltsorganisation) und ÖHD (Özgürlükçü Hukukçular Derneği, Anwält*innen für Freiheit). Die Stiftung ›Tag des bedrohten Anwalts‹ hat sich zum Ziel gesetzt, die ungehinderte Ausübung des Anwaltsberufs überall auf der Welt zu fördern, die unter repressiven Regierungen Mandate zur Verteidigung oder Unterstützung von Klienten annehmen, deren Menschenrechte auf dem Spiel stehen.

      Derzeit sind sieben Anwält*innen des ÇHD in Haft (Selçuk Kozağaçlı, Behiç Aşçı, Engin Gökoğlu, Aytaç Ünsal, Aycan Çiçek, Barkın Timtik, Oya Aslan, Ebru Timtik); Selçuk Kozağaçlı ist der Präsident des ÇHD, ein Menschenrechtsanwalt, der mehrere Menschenrechtspreise erhalten hat, darunter den Hans-Litten-Preis der ›Vereinigung Demokratischer Jurist*innen‹ (VDJ). Weitere drei Anwält*innen gehören der Anwaltsorganisation ÖHD an, Doğukan Ünlü, Halil İbrahim Vargül, Semra Özbingöl Çelik.

      Die weltweite Ausbreitung der Covid-19-Epidemie macht nicht vor den Gefängnistoren halt. Im Gegenteil, die Überfüllung der Gefängnisse erhöht das Risiko der Ausbreitung unter den Gefangenen und dem Personal. Die türkische Regierung hat daher zu Recht beschlossen, fast ein Drittel der mehr als 300.000 Gefangenen aus dem Gefängnis zu entlassen oder unter Hausarrest zu stellen. Von dieser Maßnahme sind jedoch diejenigen ausgeschlossen, die beschuldigt werden, eine terroristische Organisation zu unterstützen, ihr anzugehören oder sie anzuführen. Diese Entscheidung betrifft auch Rechtsanwält*innen, die in Ausübung ihrer beruflichen Pflichten angebliche Terror-Unterstützer vor Gericht vertreten haben.

      Die Anwält*innen begannen am 3. Februar 2020 einen Hungerstreik aus Protest gegen die langen Gefängnisstrafen, die gegen sie wegen Terrorismusvorwürfen verhängt wurden. Nach dem 30. Tag des Hungerstreiks wurde dieser durch vier Anwält*innen unterbrochen. Durch die weiteren vier inhaftierten Kolleginnen und Kollegen, alle Mitglieder des ÇHD, wird er fortgesetzt (Ebru Timtik, Barkın Timtik, Oya Aslan, Aytaç Ünsal). Sie fordern ein faires Verfahren und Gerechtigkeit für sich selbst und ihre Mandanten. Alle Anwält*innen wurden bei einer Polizeiaktion im September 2018 verhaftet. Zwei der Anwält*innen haben angekündigt, am 5. April, dem ›Tag der Anwält*innen‹ in der Türkei, mit den Hungerstreik notfalls bis zu ihrem Tod fortzufahren.

      Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie haben Anwält*innen in aller Welt und Menschenrechtsvertreter internationaler Organisationen wiederholt an alle Regierungen appelliert, Gefangenen so weit wie möglich freizulassen.

      Die türkische Regierung sollte Folgendes berücksichtigen

      Unter diesen Umständen ist die sofortige Freilassung der inhaftierten Anwält*innen für die Regierung zwingend geboten, wenn sie nicht für schwere Gesundheitsschäden oder gar den Tod der Inhaftierten verantwortlich sein will.

      European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH),
      Thomas Schmidt (lawyer), Secretary General, Platanenstrasse 13, D-40233 Düsseldorf, Germany
      Phone : +49 (211) 444 001, Mobile: +49 (172) 6810888, Email: thomas.schmidt@eldh.eu, Web: www.eldh.eu

      Day of the Endangered Lawyer Foundation, Hans Gaasbeek, International coordinator,
      Nieuwe Gracht 5a, NL-2011 NB Haarlem, The Netherlands
      Phone: +31 (023) 531 86 57, Email: hgaasbeek@gaasbeekengaasbeek.nl, Web: http://dayoftheendangeredlawyer.eu/

      European Democratic Lawyers Federation (AED-EDL), Robert Sabata Gripekoven,
      Col·legiat 20381 ICAB C/ Provença, 332, 3er, 08037 Barcelona, Spain,
      Phone/Fax: +34 (93) 457 83 58, Mòbil: +34 (619) 30 43 77, Email: robertsabata@icab.cat, Web: http://www.aeud.org/

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      CoronaMenschenrechte/Türkei (doublet)KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)
      news-694Tue, 07 Apr 2020 10:20:42 +0200Sächsisches Landessozialgericht erkennt: Covid-19 erfordert höhere Leistungen für alleinstehende und alleinerziehende Geflüchtete/publikationen/mitteilungen/mitteilung/saechsisches-landessozialgericht-erkennt-covid-19-erfordert-hoehere-leistungen-fuer-alleinstehende-und-alleinerziehende-gefluechtete-694Pressemitteilung Nr. 06/20 vom 8.4.2020Seit dem 1. September 2019 gelten für Geflüchtete in Deutschland neue Regeln im Existenzsicherungsrecht. Seitdem werden u.a. Grundsicherungsleistungen für Alleinstehende und Alleinerziehende in Sammelunterkünften nur zu 90 Prozent gewährt. Von ihnen könne erwartet werden, dass sie gemeinsam wirtschaften wie Ehepaare, heißt es in der empirisch nicht belegten Begründung zur Gesetzesänderung. Dagegen sind in Deutschland Eil- und Hauptsacheverfahren anhängig. Wegen der erheblichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Menschen in Sammelunterkünften werden zahlreiche weitere Eilanträge vor den Sozialgerichten gestellt.

      Durch die Covid-19-Pandemie hat sich die Situation der Bewohner*innen von Sammelunterkünften dramatisch verändert. Sozialarbeiter*innen sind in vielen Sammelunterkünften aufgrund der Pandemie bereits abgezogen worden und/oder machen nur noch Telefonbetreuung. Viele Menschen in den Sammelunterkünften bleiben in ihren Zimmern. Ein gemeinsames Leben kann und soll auch nicht stattfinden. Dennoch ist die Gefahr für eine Ausbreitung der Pandemie in Sammelunterkünften weiterhin groß. Auch deshalb fordert u.a. pro asyl die Auflösung der Sammelunterkünfte und dezentrale Unterbringung der Geflüchteten (https://www.proasyl.de/news/covid-19-und-fluechtlingspolitik-was-deutschland-jetzt-machen-muss/).
      Diesen Forderungen schließt sich der RAV an und fordert zudem das Ende jeglicher migrationspolitisch begründeter Sonderverfahren im Sozialrecht.

      RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo betont, »es muss endlich Schluss gemacht werden mit den Sonderverfahren im Sozialrecht. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar«.

      »Bis zur Auflösung der Lager können und dürfen nun erst recht nicht angebliche Einspareffekte eine Kürzung der Regelleistung für Alleinstehende und Alleinerziehende begründen«, so der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der einige der Antragstellenden rechtlich vertritt. »Ziel weiterer Verfahren ist die Gewährung voller Regelleistungen. Es geht monatlich um bis zu 42 Euro bei den Ärmsten unserer Gesellschaft«, so RAV-Mitglied Adam weiter.

      »Wenn die Sozialleistungsträger die Leistungen für Geflüchtete in Sammelunterkünften nicht selbstständig kurzfristig anheben, müssen die Sozialministerien der Länder dies vorgeben. Wenn auch dies nicht erfolgt, ist die Sozialgerichtsbarkeit gefragt. Das Sächsische Landessozialgericht hat insoweit mit Beschluss vom 23. März 2020 Handlungswillen gezeigt« erläutert RAV-Mitglied Rechtsanwalt Raik Höfler aus Leipzig, der den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts erstritten hat.

      »Die Folgen einer Pandemie dürfen sich nicht am Status von Menschen ausrichten. Daher ist mindestens die Aufnahme der Sozialschutz-Regelungen in das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) notwendig. Es verbietet sich, einzelne Regelungen zur Existenzsicherung von den Sozialschutz-Regelungen auszunehmen«, so der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff für die ›AG Sozialrecht‹ im DAV.

      RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo ergänzt: »Dass das ›Sozialschutz-Paket‹ (BT-Drucksache 19/18107, https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/181/1918107.pdf) vom März 2020 anlässlich der Corona-Krise keinerlei Verweis auf das Asylbewerberleistungsgesetz enthält, ist ein menschenrechtlich fatales Signal der Bundesregierung«.

      Der Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23.03.2020 zu dem Az.: L 8 AY 4/20 B ER findet sich HIER

      Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle: 030.41 72 35 55 | kontakt@rav.de

      Hintergrund:
      Am 21.08.2019 ist das sog. ›Geordnete-Rückkehr-Gesetz‹ und am 01.09.2019 das ›Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes‹ in Kraft getreten. Beide Gesetze enthalten massive Leistungskürzungen insbesondere für Alleinstehende und Alleinerziehende in den Gemeinschaftsunterkünften.
      Mit der Neuregelung im Asylbewerberleistungsgesetz wurden zwar endlich die Bedarfssätze angepasst (nachdem die letzte Erhöhung 2016 erfolgt ist und eine Fortschreibung durch die Behörden trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht durchgeführt wurde). Allerdings hat der Gesetzgeber eine neue Bedarfsstufe für Alleinstehende eingeführt, die noch nicht in einer eigenen Wohnung wohnen. Sie erhalten zukünftig genauso viel wie Ehegatten und damit nur etwa 90 Prozent der vollen Leistungen.
      Laut dem Gesetzeszweck soll »der besonderen Bedarfslage von Leistungsberechtigten in Sammelunterkünften« Rechnung getragen werden. Es sei davon auszugehen, so der Gesetzgeber, dass eine Gemeinschaftsunterbringung für die Bewohnerinnen und Bewohner solcher Unterkünfte Einspareffekte zur Folge hat, die denen in Paarhaushalten im Ergebnis vergleichbar seien.

      Der Deutsche Anwaltverein (DAV) wird sich in den nächsten Tagen ebenfalls zur Lage von Geflüchteten in Sammelunterkünften aus migrations- und sozialrechtlicher Perspektive äußern. Wir bitten um Beachtung.

      Diese Regelung wird von diversen deutschen Sozialgerichten in Eilverfahren bereits ohne die Auswirkungen des Covid-19-Virus für verfassungswidrig gehalten (vgl.: SG Landshut, Beschlüsse v. 24.10.2019 – S 11 AY 64/19 ER und v. 28.01.2020 – S 11 AY 3/20 ER; SG Hannover, Beschluss v. 20.12.2019 – S 53 AY 107/19 ER; SG Leipzig, Beschluss v. 08.01.2020 – S 10 AY 40/19; SG Darmstadt, Beschluss v. 14.01.2020 – S 17 SO 191/19 ER; SG Frankfurt/Main, Beschluss v. 14.01.2020 – S 30 AY 26/19 ER; SG Freiburg, Beschluss v. 20.01.2020 – S 7 AY 5235/19 ER; SG Frankfurt/Main, Beschluss v. 14.01.2020 – S 30 AY 26/19 ER; SG Leipzig, Beschluss v. 08.01.2020 – S 10 AY 40/19; SG Dresden, Beschluss v. 04.02.2020 – S 20 AY 86/19 ER; SG München, richterlicher Hinweis v. 31.01.2020 – S 42 AY 4/20 ER und Beschluss v. 10.02.2020 – S 42 AY 82/19 ER; LSG Sachsen, Beschluss v. 23.03.2020 – L 8 AY 4/20 B ER).

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      SozialrechtCoronaMigration & Asyl (doublet)Pressemitteilung
      news-693Fri, 03 Apr 2020 14:18:39 +0200Durch die Corona-Krise gibt es deutlich mehr häusliche Gewalt – Hilfestellung in akuten Fällen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/durch-die-corona-krise-gibt-es-deutlich-mehr-haeusliche-gewalt-hilfestellung-in-akuten-faellen-693Merkblatt für Betroffene und Unterstützer*innen, 3.4.2020Allerorts hören wir, dass es zu deutlich mehr häuslicher Gewalt kommt: Durch Ausgangseinschränkungen und Arbeit im Homeoffice sind sehr viele Menschen plötzlich auf beengtem Raum zu Hause; viele davon sind in großer, existenzieller Sorge. Nöte und Isolation steigern den Stress zu Hause und führen häufig zu vermehrten Aggressionen. Solche Entwicklungen wurden bereits aus China, Frankreich, Spanien und Italien berichtet, wo es während der #Corona-Isolation dreimal so viele Fälle von häuslicher Gewalt gab. Auch in Deutschland gibt es erste Hinweise auf vermehrte häusliche Gewalt.

      Eines der großen Probleme ist, dass die Betroffenen kaum an Unterstützung und Hilfe kommen, sei es durch Beratungsstellen oder auch durch Rechtsanwält*innen. Sie sind häufig rund um die Uhr mit dem Täter oder Täterin zusammen, können permanent kontrolliert werden und können nicht einmal ungestört telefonieren oder schreiben.

      Wir sind Rechtsanwältinnen, die häufig Mandant*innen in Fällen häuslicher Gewalt vertreten und haben hier einmal in Kürze einige wichtige Anlaufstellen und Möglichkeiten aufgeschrieben, die wir für wichtig halten.

      Die folgende Übersicht soll eine erste Hilfestellung in akuten Fällen von häuslicher Gewalt und Gewalt im sozialen Nahraum für Betroffene sein sowie Angehörigen und Nachbar*innen von Betroffenen wichtige Informationen zur Unterstützung liefern.

      Es gibt im Netz bereits sehr hilfreiche ausführliche Informationen in verschiedenen Sprachen u.a. bei

      https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/
      https://www.hilfetelefon.de/
      https://www.big-berlin.info/
      https://beauftragter-missbrauch.de/hilfe/hilfetelefon

      Hier soll nur kurz auf die wichtigsten sofortigen Möglichkeiten im Fall akuter Gewalt im sozialen Nahraum hingewiesen werden. Die Übersicht ersetzt keine anwaltliche Beratung und ist keineswegs abschließend.

      Wichtig: Die meisten Beratungsstellen sind weiterhin per Telefon oder E-Mail zu erreichen. Auch Rechtsanwält*innen arbeiten weiter und können meist telefonisch und/oder per E-Mail kontaktiert werden. Die Familiengerichte und Strafgerichte arbeiten zwar sehr eingeschränkt, Eilanträge werden aber zu jeder Zeit bearbeitet und können entweder persönlich oder über Rechtsanwält*innen gestellt werden.

      Für Betroffene ohne finanzielle Möglichkeiten gibt es die Möglichkeit, Beratungshilfe beim Amtsgericht des Wohnortes zu bekommen. Da die Amtsgerichte derzeit aber meist nur schriftliche Anträge annehmen, dauert dies häufig lange. Wir gehen davon aus, dass die meisten auf häusliche Gewalt spezialisierten Rechtsanwält*innen wegen der Frage der Bezahlung der Beratung eine Lösung mit den Betroffenen finden werden; es ist also sinnvoll nachzufragen, auch wenn gerade kein Geld gezahlt werden kann.

      Erste Hilfe bei häuslicher Gewalt

      Wird eine Frau Opfer von häuslicher Gewalt, weiß sie oft nicht, an wen sie sich wenden kann.

      Diese Problematik wird sich in den nächsten Wochen während der Corona-Krise noch weiter verschärfen, da auch erste Zufluchtsorte innerhalb des Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis wegfallen werden.

      1. Unterstützung durch die Polizei: Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot, Erstattung einer Strafanzeige

      Auch wenn es vielen Betroffenen schwerfällt: Es ist wichtig und sinnvoll, sich an die Polizei zu wenden. Die Polizei kann den gewalttätigen Partner der Wohnung verweisen und ein Rückkehrverbot aussprechen und so die drohende Gewalt oder ihre wiederholte Anwendung verhindern.

      Wichtig: Die sog. polizeilichen Wegweisungen, also die Auflage für den Täter, erst einmal nicht in die Wohnung zurückkehren zu dürfen, sind stets zeitlich befristet (je nach regionalem Polizeigesetz ca. 10 Tage bis 2 Wochen). Insofern muss nach der ersten Wohnungszuweisung rasch darüber nachgedacht werden, wie es weitergehen kann. Ist es sicher, wenn der Täter zurückkehrt oder sollte die Betroffene weiterhin allein in der Wohnung sein? Wenn sie weiterhin nicht mit dem Täter zusammenleben kann, dann muss dringend eingeschätzt werden, ob die Wohnung sicher genug ist oder sie deshalb, weil der Täter weiß, wo sie wohnt, unsicher ist. Wenn sie sicher genug ist, dann müssen weitere Anträge bei dem zuständigen Familiengerichtgestellt werden. Wenn die Gefährdung zu groß ist, muss ein anderer Zufluchtsort gefunden werden. https://www.frauenhauskoordinierung.de/hilfe-bei-gewalt/frauenhaussuche/.

      Wenn die Polizei eingeschaltet wird, erstattet diese von Amts wegen, also selbständig, Strafanzeige, oder die Betroffene stellt selbst eine Strafanzeige. Dies ist in den meisten Fällen auch für die familiengerichtlichen Verfahren sinnvoll, denn dann werden die Angaben der Betroffenen ernster genommen, als wenn es keine Strafanzeigen gibt. Meist wird die betroffene Person zunächst kurz befragt und dann später zu einer Vernehmung geladen oder aufgefordert, schriftlich den Sachverhalt zu schildern.

      Wichtig: Bei vielen Delikten, wie etwa Körperverletzung, ist es neben der Anzeige auch noch erforderlich, einen Strafantrag innerhalb von drei Monaten zu stellen. Das geht nur schriftlich. Meist wird die Polizei deshalb noch einmal genau nachfragen – zurzeit kommt es aber womöglich zu Verzögerungen, weshalb es gut wäre, selbst noch einmal bei der Polizeidienststelle nachzufragen. Die Betroffene erhält bei Anzeigenerstattung ein Papier mit der Vorgangsnummer und der Nummer der Polizeidienststelle.

      Über den Ablauf des Verfahrens, mögliche Aussageverweigerungsrechte etc. sollte sich die Betroffene dringend rechtlich bei einer Beratungsstelle oder einer Rechtsanwält*in informiere

      2. Unterstützung durch Gerichte

      a) Gewaltschutzverfahren

      Effektiven Schutz gegen die Gewalt bietet das Gewaltschutzgesetz. Nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) kann das Familiengericht Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt oder Nachstellung treffen. Die Betroffenen können beim Familiengericht beispielsweise ein Näherungsverbot und die Zuweisung der Ehewohnung erwirken. Ein Näherungsverbot kann etwa bedeuten, dass sich der Täter der Betroffenen nicht mehr als 50 m nähern darf, nicht bei der Wohnung, nicht bei der Arbeitsstelle etc. erscheinen darf, nicht mehr anrufen oder texten darf. Der Gewaltschutzantrag kann ohne anwaltlichen Beistand direkt bei der Rechtsantragsstelle vom Familiengericht gestellt werden.

      Unserer Kenntnis nach haben die Rechtsantragstellen auch überall geöffnet, es bietet sich aber an, dort vorher anzurufen.

      Es ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Tat begangen wurde oder wo die letzte gemeinsame Wohnung der Verfahrensbeteiligten lag oder wo der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat. Die Adressen des zuständigen Familiengerichts lassen sich im Internet herausfinden. Das zuständige Gericht kann etwa bei Google unter den Stichworten: xxxstraße Familiengericht gefunden werden. Wenn die Adresse der Betroffenen gegenüber dem Täter geheim bleiben soll, ist es sinnvoll, diese nicht anzugeben. Dann muss entweder eine Adresse angegeben werden, an die die Post zugestellt werden kann, oder es muss eine Rechtsanwältin beauftragt werden, die zustellungsbefugt ist. Die Frauenhäuser sind sehr gut über die Möglichkeiten der Geheimhaltung informiert; schwierig ist es, wenn Betroffene privat Unterschlupf finden. Dann muss häufig besonders auf die Geheimhaltung hingewiesen werden.

      Ein Überblick über die Schutzanträge und die Möglichkeit des Downloads der Anträge gibt es auf der Internetseite von BIG e.V.: https://www.big-berlin.info/medien/schutzantraege.

      b) Sonstige familiengerichtliche Verfahren

      Wohnungszuweisung

      Neben der Wohnungszuweisung nach dem Gewaltschutzgesetz bestehen rechtlich auch noch andere Möglichkeiten, die Wohnung zugewiesen zu bekommen. Bei häuslicher Gewalt sind die Voraussetzungen für die Wohnungszuweisung in aller Regel auch nach der Regelung des § 1361 b BGB erfüllt.

      Sorgerecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgangsrecht

      Bei Trennung nach Gewalt mit gemeinsamen Kindern werden immer sehr rasch Fragen wie Aufenthaltsbestimmungsrecht, also das Entscheidungsrecht, wo sich die Kinder aufhalten, Sorgerecht, Umgangsrecht etc. wichtig. Gerade die Frage, ob und wie der andere Elternteil Umgang ausüben kann, ist wichtig, da die Gerichte grundsätzlich davon ausgehen, dass der Umgang mit beiden Elternteilen für die Kinder wichtig ist.

      Es können deshalb Eilanträge bei den Familiengerichten gestellt werden, die oft noch am gleichen Tag entschieden werden. In diesen Fällen ist eine vorherige Beratung bei einer Beratungsstelle oder einer Rechtsanwält*in sinnvoll. In sogenannten Kinderschutzfällen können auch die Jugendämter Eilanträge stellen, wenn die Besorgnis besteht, dass das Kindeswohl in Gefahr ist.

      Unseres Wissens nach werden Eilverfahren, die Kinder betreffen, auch zurzeit rasch bearbeitet.

      Ob und inwiefern gerade Lösungen wie etwa begleiteter Umgang gefunden werden können, scheint regional sehr unterschiedlich zu sein. An vielen Orten wird gar kein begleiteter Umgang mehr durchgeführt oder angebahnt.

      Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt

      Trennen sich die Eltern von Kindern und werden die Kinder hauptsächlich von einem Elternteil betreut, steht dem betreuenden Elternteil Kindesunterhalt zu. Das andere Elternteil muss dem betreuenden Elternteil Barunterhalt zahlen. Die Höhe des Kindesunterhalts ist einkommensabhängig und bestimmt sich nach der sog. Düsseldorfer Tabelle. Die aktuelle Tabelle kann z.B. unter https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/ mit Erläuterungen abgerufen werden. Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht in der Lage ist, zu zahlen oder noch nicht zahlt, sollte zunächst ein Antrag auf Unterhaltsvorschuss bei dem zuständigen Jugendamt gestellt werden. In diesen Fällen zahlt die Unterhaltsvorschusskasse erst einmal einen Teil des Unterhalts. Anträge können meist auf den örtlichen Behördenseiten abgerufen werden, in Berlin etwa unter https://www.berlin.de/sen/jugend/familie-und-kinder/finanzielle-leistungen/unterhaltsvorschuss/.

      Auch der getrenntlebende Ehegatte hat Anspruch auf Zahlungen von Ehegattenunterhalt. Diesen exakt zu berechnen, ist nicht einfach. Das muss meist durch eine Rechtsanwält*in geschehen. Zurzeit werden viele Betroffene wahrscheinlich zur Überbrückung erst einmal Anträge bei dem zuständigen Jobcenter oder Sozialamt auf Grundsicherung stellen müssen. https://www.arbeitsagentur.de/datei/antrag-algii_ba015207.pdf. Da das Jobcenter, sobald es Geld auszahlt, prüfen muss, ob der getrenntlebende Ehegatte eigentlich Unterhalt zahlen müsste, schreiben sie ihn an und fordern ihn auf, sein Einkommen nachzuweisen. Deshalb ist es sehr wichtig, darauf zu achten, dass das Jobcenter die (geheime) Adresse nicht aus Versehen preisgibt.

      Wichtig: Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung nur dann rückwirkend, wenn derjenige, der den Unterhalt zahlen muss, zur Zahlung von Unterhalt wirksam und nachweisbar aufgefordert wurde. Also sollte vorsorglich der Ehegatte immer zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert werden, und das sollte man etwa durch ein Einschreiben beweisen können.

      3. Unterstützung durch Frauenhäuser: Unterkunft und Beratung

      Von Gewalt betroffene Frauen, die nicht in ihrer Wohnung bleiben können oder wollen, finden zu jeder Tages- und Nachtzeit Schutz in Frauenhäusern. Hier erhalten sie und ihre Kinder eine Unterkunft sowie Beratung und psychosoziale Unterstützung. Eine Einschränkung gilt nur für ältere Söhne, die z.T. nicht mit ihren Müttern im Frauenhaus wohnen können.

      Die Adressen von Frauenhäusern sind nicht öffentlich, um umfassenden Schutz vor Gewalt zu gewährleisten. Der Erstkontakt kann telefonisch oder über die Polizei oder Frauenberatungsstellen und Hilfetelefone hergestellt werden.

      Informationen sowie eine deutschlandweite Frauenhaussuche finden sich unter:
      https://www.frauenhauskoordinierung.de/themenportal/hilfesystem/frauenhaeuser/.

      Hilfetelefon:
      https://www.hilfetelefon.de/.

      Das Hilfetelefon arbeitet mit Dolmetscher*innen zusammen, die zum Gespräch dazugeschaltet werden können, wenn die Betroffenen der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

      Big-Hotline:
      https://www.big-berlin.info/.

      In Berlin gibt es die Möglichkeit, über die BIG-Hotline zwischen 8:00 Uhr und 23:00 Uhr weitere Informationen zu freien Frauenhausplätzen in Berlin zu erhalten. Auch die BIG-Hotline hat die Möglichkeit der Sprachmittlung bei Sprachbarrieren.

      Informationen über regionale Frauenberatungsstellen finden Sie beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe unter:
      https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html.

      4. Unterstützung durch Rechtsanwält*innen

      Es ist meist sinnvoll, sich eine*n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin vor Ort zu suchen. Auf häusliche Gewalt spezialisierte Rechtsanwält*innen haben meist den Schwerpunkt im Familienrecht und/oder Strafrecht. Sie können entweder bei den örtlichen Rechtsanwaltskammern oder im Internet gefunden werden.

      Asha Hedayati, Rechtsanwältin, https://www.kanzlei-hedayati-berlin.de/
      Christina Clemm, Rechtsanwältin, http://www.anwaeltinnen-kreuzberg.de/

      Berlin, 3. April 2020

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      CoronaHäusliche Gewalt
      news-692Fri, 27 Mar 2020 07:27:43 +0100Keine Strafverfolgung der Geflüchteten ›EL HIBLU 3‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-strafverfolgung-der-gefluechteten-el-hiblu-3-692Pressemitteilung 5/20 vom 27.3.2020Malta muss europäisches und internationales Recht beachten und anwenden

      In der Nacht vom 25. auf den 26. März 2019 verließ ein Gummiboot Libyen mit etwa 114 Personen an Bord, darunter 20 Frauen und mindestens 15 Kinder. Es geriet in schwere Seenot und wurde von dem Öltanker El Hiblu 1 gerettet. Als die betroffenen Menschen bemerkten, dass sie zurück nach Libyen verfrachtet werden, begannen Szenen der Verzweiflung und Panik. Sie machten deutlich, dass dies für sie den Tod bedeuten würde. Nach von Amnesty International gesammelten Informationen haben die Geretteten zu keinem Zeitpunkt gewaltsame Aktivitäten gegen den Kapitän oder Crewmitglieder unternommen. Die verantwortlichen Besatzungsmitglieder der El Hiblu 1 beschlossen, das Schiff in Richtung Malta zu steuern. Das maltesische Militär eskortierte das Schiff nach Malta, wo die Passagiere am 28. März 2019 von Bord gingen.

      Drei der geretteten Menschen – zwei Minderjährige (damals 15 und 16 Jahre alt) sowie ein 19-Jähriger – wurden sofort verhaftet und anschließend für acht Monate inhaftiert. Sie wurden Ende November 2019 gegen Kaution freigelassen und sind unter dem Namen ›El Hiblu 3‹ bekannt.

      Die maltesischen Behörden ermitteln gegen sie wegen einer Reihe schwerer Vergehen, darunter der Vorwurf des Terrorismus und der Piraterie. Einige dieser Straftaten können mit lebenslanger Haftstrafe geahndet werden. Die formelle Anklage gegen die Jugendlichen ist noch nicht erhoben.

      »Bereits jetzt ist zu beobachten, dass etliche europäische und internationale Rechtsordnungen nicht beachtet werden«, so die Berliner Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo. »Daher ruft der RAV die maltesischen Behörden auf, europäisches und internationales Recht bei der Entscheidung über die Strafverfolgung ohne jede Einschränkung zu beachten und anzuwenden«.

      Hintergrund

      Libyen – willkürliche Tötungen und Inhaftierungen, Folter und unmenschliche Haftbedingungen und unvorstellbar grausame Bedingungen in Flüchtlingslagern. Alarmierende Raten von Unterernährung, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Gruppenvergewaltigung, Sklaverei, Zwangsarbeit und Erpressung werden übereinstimmend durch Berichte europäischer Stellen und der Vereinten Nationen dokumentiert. Diejenigen Menschen, die bei einem Fluchtversuch auf dem Seeweg aufgegriffen und zurück nach Libyen gebracht werden, werden direkt wieder in das Muster der Verletzungen und Misshandlungen zurückgeführt, dem sie entkommen waren.

      Es besteht internationale Einigkeit darüber, dass Libyen keinen ›sicheren Ort‹ (place of safety) im Sinne internationaler und europäischer Rechtsordnungen darstellt. Menschen, welche aus Seenot gerettet wurden, müssen jedoch sowohl durch die die Rettung koordinierenden staatlichen Stellen als auch durch die die Rettung durchführenden Schiffe an einen Ort gebracht werden, welcher für sie als ›sicherer Ort‹ gilt.

      Darüber hinaus sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention (Prinzip des Non-Refoulement) und die Europäische Menschenrechtskonvention einhalten: der Schutz vor Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ist ein absolutes Recht, welches unter keinen Umständen einschränkbar ist. Hierzu gehört auch, sich nicht zum Mittäter zu machen, indem Menschenrechtsverletzungen durch Verbringung von Menschen in die Herrschaftssphäre Libyens erst ermöglicht werden.

      Trotzdem werden Geflüchtete, welche diese Menschenrechtsverletzungen in Libyen überlebt haben und geflüchtet sind, immer wieder durch rechtswidrige Kooperationen mit Libyen und Anweisungen europäischer Stellen an die Crew von Rettungsschiffen, in diese Hölle der libyschen Flüchtlingslager zurücktransportiert, wenn sie bei ihrer Flucht über das Meer in Seenot geraten und durch hinzueilende Schiffe gerettet werden können.

      Der RAV fordert die Bundesregierung auf, sich bei den maltesischen Behörden und der Justiz dafür einzusetzen, dass

      Wir empfehlen nachdrücklich die Einrichtung einer unabhängigen Prozessbeobachtung bezüglich des Strafverfahrens gegen die ›El Hiblu 3‹. Wir rufen die demokratische Gesellschaft auf, den Prozess gegen diese Jugendlichen zu beobachten und sich für ihre Zukunft in Freiheit einzusetzen.

      Weitere Informationen zur Kampagne für die Freiheit der ›El Hiblu 3‹:

      elhiblu3.info
      free-elhiblu3.info

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      Pressemitteilung
      news-691Fri, 20 Mar 2020 13:50:34 +0100Zwangsräumungen von Wohn- und Geschäftsräumen aussetzen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zwangsraeumungen-von-wohn-und-geschaeftsraeumen-aussetzen-691Pressemitteilung AK-Mietrecht im RAV, Nr. 4/20 vom 20.3.20AK Mietrecht im RAV appelliert an Gerichtsvollzieher*innen, Amtsrichter*innen und Vermieter*innen

      Der Arbeitskreis Mietrecht im RAV fordert neben den Vermieter*innen auch alle Gerichtsvollzieher*innen auf, angesichts der aktuellen Situation auf Zwangsräumungen von Wohnungen und Geschäftsräumen zu verzichten.

      Gerichtsvollzieher*innen handeln bei den ihnen zugewiesenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gem. § 1 der Gerichtsvollzieherverordnungen selbstständig und unterliegen hierbei zwar der Aufsicht, aber nicht der unmittelbaren Leitung des Gerichts. Auch die Dienstvorgesetzten der Gerichtsvollzieher*innen, die aufsichtführendem Richter*innen der Amtsgerichte sind unabhängig von Weisungen aus der Politik – seien es die Regierung oder die Parlamente.

      Dennoch haben Gerichtsvollzieher*innen und Richter*innen Beurteilungsspielraum, wie sie mit

      Letztendlich gilt der Appell aber den Auftraggeber*innen der Zwangsräumungen, den Vermieter*innen. »Nehmen Sie laufende Aufträge zur Zwangsräumungen zurück und stellen Sie keine neuen Aufträge«, so der AK Mietrecht im RAV.

      Wohnen ist Menschenrecht!

      Zwangsräumungen sind damit generell nicht vereinbar. In der jetzigen Krise sind sie die hässlichste Seite der profitorientierten Wohnungswirtschaft.

      Kontakt:

      RA'in Carola Handwerg, Tel. 030-47 05 51 83
      RA Benjamin Raabe, Tel. 030-780 96 66 20

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      Mietrecht (doublet)
      news-690Fri, 20 Mar 2020 13:14:06 +0100Keine Kündigungen in der Corona-Krise!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-kuendigungen-in-der-corona-krise-690Pressemitteilung Nr. 3/20 vom 20.3.20In Folge der Corona-Krise verlieren derzeit viele Menschen ihre Arbeit und damit ihr Einkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie ihre Mieten nicht mehr zahlen können. Es drohen massenhaft Kündigungen von Mietverhältnissen und der Verlust von Wohnraum.

      Das muss verhindert werden!

      Daher ist es nötig, den Kündigungsschutz für diese Fälle zu verbessern und Menschen vor einer Zwangsräumung zu schützen.

      1. Kündigung wegen Zahlungsverzug

      Nach aktueller Rechtslage verlieren Mieter*innen ihre Wohnung, wenn sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Eine Nachzahlung der Rückstände (Schonfristzahlung) kann zwar eine fristlose Kündigung heilen, die gleichzeitige fristgerechte Kündigung wird aber hierdurch nicht abgewendet. Zudem übernehmen die Sozialleistungsbehörden die Mietrückstände nur dann, wenn die Vermietenden im Falle der Nachzahlung ausdrücklich auf die Rechte aus der Kündigung verzichten. Diese Erklärung wurde in der Vergangenheit in vielen Fällen nicht abgegeben, so dass die Mieter*innen ihre Wohnung verloren haben. Damit laufen die Schutzsysteme letztlich leer. Dies wird noch dadurch verschärft, dass für eine ordentliche Kündigung schon Mietrückstände von wenig mehr als einer Monatsmiete reichen und auch eine nicht gezahlte Mieterhöhung selbst dann zur Kündigung führen kann, wenn sich die Vertragsparteien noch darüber streiten.

      Wir fordern daher:

      »Zugleich müssen die Sozialleistungsbehörden verpflichtet werden, im Falle der Bedürftigkeit Mietrückstände zur Vermeidung von Obdachlosigkeit immer zu übernehmen. Derzeit steht dies noch im Ermessen von Jobcentern und Grundsicherungsämtern«, so Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Henrik Solf.

      Die Ermessensvorschriften in § 22 SGB II und § 36 SGB XII sind insofern abzuändern. Es muss ein Anspruch auf Übernahme der Zahlungsrückstände normiert werden.

      1. Zwangsräumung

      Gleichzeitig ist es wichtig, Menschen vor drohender Obdachlosigkeit zu schützen.

      Die Länder sollten ihre Polizeigesetze so ändern, dass die Ordnungsbehörden Menschen in akuten Fällen in die Wohnung (wieder-)einweisen können, die aufgrund eines Räumungsurteils von Zwangsräumung und Obdachlosigkeit bedroht sind.

      »Außerdem sollten Räumungen während der Corona-Krise schlicht untersagt werden. Nehmen wir uns ein Beispiel an unserem Nachbarland: In Frankreich gilt seit langem ein Verbot einer Zwangsräumung in den Wintermonaten, um Mieterinnen und Mieter vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen«, so Rechtsanwalt Benjamin Raabe vom AK Mietrecht im RAV.

      Kontakt:
      RA'in Carola Handwerg, Tel. 030-47 05 51 83
      RA Benjamin Raabe, Tel. 030-780 96 66 20

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      Mietrecht (doublet)
      news-689Fri, 20 Mar 2020 12:07:47 +0100COVID-19: in view of the seriousness of the health risk and the specific dangers posed by the pandemic in prisons, international organisations must take immediate action. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/covid-19-in-view-of-the-seriousness-of-the-health-risk-and-the-specific-dangers-posed-by-the-pandemic-in-prisons-international-organisations-must-take-immediate-action-689Appeal by European NGOs involved in the field of prison health and in the defence of the right to health protection for prisonersCOVID-19: in view of the seriousness of the health risk and the specific dangers posed by the pandemic in prisons, international organisations must take immediate action. 

      The signatory organisations, which are involved on a daily basis in the protection of the right to health of prisoners, are alarmed at the unpreparedness of penitentiary administrations to deal with the spread of the coronavirus on the continent and, in most countries, the lack of consideration of the specific situation of prisons in national preparedness plans and systems for dealing with public health incidents. They recall that more than 1.5 million people are detained in prison facilities on the continent on any given day and that under international treaties, States are obliged to take the necessary measures to protect the life and health of those they detain.

      The deficiencies observed pose a threat not only to prisoners and staff working in the institutions but also to the general population(1). Prisons are generally considered to be amplifiers in the spread of infectious disease(2).

      Although levels of exposure to the health crisis vary greatly from one country to another, due to the great disparities in the characteristics of prison systems and the performance of national hospital systems, it appears that, overall, the prison issue is too largely ignored at European level, even though prisons are places with a high risk of transmission. Moreover, some states are tempted to adopt measures to isolate detainees from the rest of the population, in disregard of the rights of detainees and their relatives, and at the risk of preventing the population's adherence to health instructions given by authorities. 

      Consequently, taking amount of the risk factors in the prison context, the signatory NGOs intend to alert the international organisations concerned, first and foremost WHO and the Council of Europe, to the serious shortcomings observed on the ground and urge them to put pressure on governments to take special health measures and reduce significantly the prison population as soon as possible.

      Once again, the national contexts are highly contrasted and the picture drawn below should not be interpreted as reflecting a uniform situation. However, in view of the urgency of the situation, it is intended to underline the seriousness of the consequences that would result from failure to manage the coronavirus disease outbreak in prison and the imperative need for international organizations to act immediately to redirect national policies in this area.

      1. Prisons represent high-risk environments for the transmission of infectious diseases

      1.1 Conditions of occupancy and organization of prison facilities.Prisoners are permanently in a situation of great promiscuity, whether in cells, production workshops, yards, etc. All aspects of prison life involve the movement of prisoners in groups, in more or less large numbers. The facilities are often poorly ventilated. In many European states, this situation is aggravated by regional or national situations of prison overcrowding(3). From this point of view, the risks of spreading of the virus in the prison systems of post-soviet countries are particularly significant: i.) the prison population there is particularly large; ii.) remand prisons are often overcrowded and organised in collective cells, while correctional institutions are mostly organised in barracks housing 80-150 convicts, if not more; iii. ) once convicted, prisoners are transported for weeks or even months to their assigned correctional institutions; these transports take place in appalling hygienic conditions and involve repeated stops along the route.

      1.2 A population at high risk of communicable disease and facing serious risk factor for coronavirus severity.In particular, the notification rates of tuberculosis in European prisons are up to 30 times higher than in the general population(4). Several countries in Europe, especially in Eastern Europe report HIV prevalence among prisoners at rates greater than 10 %(5).  Prison populations in Europe are aging at an unprecedented rate(6).

      1.2 A frequently failing medical system. Although the level of development of prison medicine varies greatly, the organisation of care in prisons is never designed to deal with a crisis situation. Even more critically, especially in Eastern Europe, services are very often under-equipped, understaffed and unable to cope adequately with the ordinary burden of common diseases. Moreover, they generally suffer from a very poor linkage with the general health system, leading to significant delays. Almost everywhere, the unavailability of escorts is a recurrent problem for the transfer of patients to the hospital.

      2. WHO guidance against COVID-19 spread are hardly implemented in prison.

      WHO has provided States with guidance for public health measures that can slow the transmission and spread of COVID-19(7). Accordingly, many States have taken measures to prohibit gatherings, to close down most public places and impose quarantine on the population to ensure social distance. However, although all countries are not on an equal footing in this respect, most measures recommended by the WHO are not, for the most part, implemented in prisons(8).

      2.1 The reduction of prisoners' contact with their relatives: mostly adopted response by prison administrations. Domestic authorities have generally limited themselves to providing information about the virus and drastically limiting prisoners' contact with the outside world(9). Some, like France, have suppressed collective activities within the prisons. However, these measures do not appear to be of such a nature as to adequately prevent the risks of contamination, which may be caused by new entrants, extractions of prisoners to the courts, staff working in the prison, etc. These measures can have perverse effects: prisons are particularly vulnerable to fake information/myths that may circulate by word-of-mouth or online. The increasing isolation of the prison environment accentuates the impact of rumours(10).

      2.2 The maintenance of recurrent situations of regrouping of people: a favourable environment for the spreading of the virus. At present, detainees are generally still faced with multiple and routine gathering situations, for roll call, work, showers, etc.. Prison staff are in daily contact with a large number of detainees, conduct body and cell searches. 

      2.3 Failure to implement the required prevention interventions. From this point of view also, authorities do not seem to consider the risks of internal propagation within the prison. Detainees are frequently not in a position to observe hand hygiene instructions(11). Masks for symptomatic individuals or health staff are not available(12). Environmental cleaning is done under usual conditions.

      3.  COVID-19 case management

      The laconism of the prison preparedness and response plans disseminated, or even the absence of any public information on the subject, indicates that prison medical services have not, at this stage, been prepared for an influx of COVID-19 cases. In view of the serious failures of the services concerned in the management of common pathologies in ordinary times, the lack of preparedness suggests an improvised and therefore potentially chaotic management of COVID-19 cases.

      3.1 Intervention protocol and articulation with civil medicine. In most of the countries, no information was available on the intervention protocols defining the division of roles between prison medicine and civil medicine.

      3.2 Capacities of penitentiary medical facilities.Apart from exceptions(13), the available information does not show any reinforcement of the medical units in terms of personnel and equipment, particularly respiratory equipment. It does not appear that guidance to health providers for COVID-19 and severe acute respiratory infections has been disseminated.

      3.3 Conveyance and stay of detained patients in hospital. No increase in the number of medical personnel was reported, nor were escorts provided to transport patients with Covid-19 to civilian hospitals. No legal measures to ease the transfer and hospital stay appear to have been envisaged.

      4. Measures liable to infringe fundamental rights.

      Several countries have taken, or are about to take, drastic measures to limit the prison population's contact with the rest of the world. Some countries have decided to completely suspend family visits(14), others have imposed severe restrictions in this area. Some States have provided for compensatory measures, such as increased telephone(15) or video conferencing facilities(16).

      Several UN experts(17) and the Council of Europe have urged States to avoid overreach of security measures in their response to the coronavirus outbreak. When it comes to prison, the NGO Penal Reform International has recalled the requirements of necessity and proportionality of measures limiting visiting rights in this context(18).

      While limitations on contact with the outside world may be justified where they are proportionate to the risk and accompanied by adequate compensatory measures, it must be stressed that closing prisons on themselves increases the risk of ill-treatment, especially in crisis and panic situations. Limitations on visits and activities will inevitably lead to situations of great tension(19). Prison administrations will face unprecedented pressure. If relief measures are not taken swiftly, particularly in terms of the number of detainees, they may find themselves facing situations that are very difficult to manage.

      Furthermore, it is essential that NPMs retain their right of access to prisons and that detainees have the possibility of contacting them by telephone, under appropriate conditions of confidentiality.

      5. An indispensable intervention at the international level

      The Signatories urge international governmental organizations to take full account of both the major health risk associated with the spread of COVID-19 in prisons and the inertia shown by States, and consequently to take measures to ensure that States act effectively and with full respect for the fundamental rights of detained persons.

      5.1 Health measures of prevention, early detection and control of COVID-19. International organizations must act swiftly to get States to develop the required prevention and response plans. WHO must play its leading role in this area and provide support to authorities for preparation and response. However, the technical support approach is not enough, and WHO and the relevant United Nations and Council of Europe bodies must use all their influence to bring States to meet their international obligations to protect the life and health of detained persons.   

      5.2 Avoid the spread of COVID-19 by significantly reducing the prison population.Whatever measures may be taken by the prison authorities to adapt to life in detention, the configuration of the premises and the organization of the prisons do not allow for the implementation of preventive measures, and in particular of social distance. Unless there is a clear reduction in the number of detainees, the virus will spread rapidly within the facilities and the prison and medical services will be overwhelmed. The national authorities must take urgent measures to seriously reduce the number of prisoners. In this respect, Council of Europe bodies, and in particular the Committee of Ministers, the General Secretary, the Committee for the Prevention of Torture (CPT) and the Commissioner for Human Rights, which play an important role in guiding penal and prison policies, must rapidly adopt recommendations to bring states to take these decisive steps. States have at their disposal a wide range of measures that can produce rapid effects, from penal policy guidelines provided to prosecutors' offices to exceptional measures of pardon and amnesty. It is essential that an impetus be given very quickly at European level to steer national policies in this way.

      5.3 Monitor respect for fundamental rights. The mechanisms for monitoring respect for fundamental rights should take exceptional organisational measures in order to be able to fully play their role. First, the ECtHR should strengthen its capacity to deal with requests for interim measures under Rule 39. In ordinary times, these are already very often necessary in some countries, such as Russia or Ukraine, in order to obtain acts of care which are essential for the protection of life. It is likely that the number of well-founded requests will increase significantly. Moreover, for legal or practical reasons, prisoners' access to their lawyer or to NGOs will become acute. The Court should adopt practical instructions adapting the formal requirements resulting from Article 47. The other relevant bodies of the Council of Europe and the United Nations should organise the monitoring of the measures taken by states to combat the pandemic.

      On 18.03.2020

      First signatories :

      Contact :

      Hugues de Suremain, +33 (0)6 60 42 50 04
      Aigul Mukanova, +380 50 3030 0433
      Julia Krikorian, +49 (0)176 64 777 987


      (1) WHO, Prison and Health, Genève, 2014
      (2) The Lancet, HIV and related infections in prisoners, Sep 10, 2016 Volume 388Number 10049p1025-1128, e2-e3
      (3) Prison population brief. See also CoE, White Paper on Prison Overcrowding, CM(2016)121-add3
      (4) WHO Europe, Good practices in the prevention and care of tuberculosis and drug-resistant tuberculosis in correctional facilities (2018)
      (5)The Lancet, HIV and related infections in prisoners, Sep 10, 2016 Volume 388Number 10049p1025-1128, appendixp8
      (6) For instance, a report by Public Health England (PHE) showed that the proportion of people in prison aged 50 or older has increased by 150 per cent between 2002 and 2017.
      (7) https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/technical-guidance
      (8) In France, the  National Preventive Mechanism stated on 16 March that the safety of persons in remand detention centres was no longer guaranteed and that the administration will therefore fail in its obligation to protect the persons under its control if it does not take the necessary measures as a matter of urgency. It called for a reduction in the prison population by encouraging prison exits and limiting entries.
      (9) In addition to visitations restrictions, the Irish Prison Service planned on a number of contingency measures to reduce the number of people in custody in a controlled manner.
      (10) In Italy the lack of medical information and miscommunication resulted in panic and false myth.
      (11) For instance, hydroalcoholic gel is prohibited for detainees.
      (12) In Italy, according to the NGO l’Altro Diritto, ombudsmen have expressed high concerns for the lack of masks, gloves or sanitizer. In Belgium, the guidelines for the management of suspected or actual cases of contamination recall the shortage of means of protection (masks, disinfectant gel) and recommend their use only when necessary.
      (13) In Moldova, the texts dated 12 March foresee the supply of equipment stocks (protective masks, multifunctional electronic thermometers, etc.), medicines, biodistructive preparations, etc.;
      (14) Including Belgium, Spain, Italy, France, Russia, Ukraine, Moldova, Bulgaria
      (15) Belgium has granted a 20 euro telephony credit to all detainees.
      (16) On 8 and 9 March, the Italian authorities authorised wide access to video calls to offset the effects of the suspension of visits. However, these instructions were unevenly applied, contributing to the outbreak of trouble.
      (17) COVID-19: States should not abuse emergency measures to suppress human rights – UN experts, GENEVA (16 March 2020)
      (18) Penal Reform International, Coronavirus: Healthcare and human rights of people in prison, briefing paper, 16 March 2020.
      (19) Riots or protests have been taking place in 27 prisons throughout Italy. In this context, 13 prisoners died on 7 March 2020.

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      Strafvollzug
      news-688Wed, 18 Mar 2020 11:23:12 +0100Feministische Ausgabe des RAV InfoBrief/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-eine-feministische-ausgabe-des-rav-infobrief-in-der-zweiten-jahreshaelfte-2020-688Projekt für Anfang 2021Wie schon berichtet, hat sich im RAV eine kleine und weiter wachsende Gruppe von Interessierten zusammengefunden, um das Thema Sexismus und Antifeminismus im Recht, innerhalb des RAV, und in der anwaltlichen Tätigkeit näher zu beleuchten.
      Ausgangspunkt waren die Diskussionen auf zwei Berliner Regionalgruppentreffen im letzten Jahr, bei denen nochmal klar wurde, dass bislang Sexismus RAV-intern eigentlich nur im Zusammenhang mit der Nebenklage im Strafrecht diskutiert und hart umstritten worden war und der RAV zu diesem gesellschaftlichen Machtverhältnis bisher wenig beizutragen hatte. Das wollen wir ändern.

      Den Initiator*innen geht es um einen grundsätzlich anderen Umgang des RAV mit Sexismus und Antifeminismus und das bedeutet auch eine Neuausrichtung anhand dieser Fragen. Und so hat die Diskussion einen wichtigen Aspekt in den Mittelpunkt gerückt: Dass sich die feministische Perspektive nicht in der Beschäftigung mit so genannten ›Frauen*-Themen‹ erschöpft, sondern Sexismus zusammen mit anderen Unterdrückungs- und Ausgrenzungsverhältnissen als Instrument zur Erhaltung – nicht nur patriarchaler – Macht identifiziert und angreift.
      Im weiteren Verlauf entstanden jede Menge erster Ideen.

      Ein erstes Projekt ist derzeit bereits am Entstehen: Eine feministische Ausgabe des RAV InfoBrief in der ersten Jahreshälfte 2021. Dazu hat sich aus den bisherigen Treffen eine kleine vorläufige Redaktionsgruppe herausgebildet, die bisher – den Umständen ihrer Entstehung geschuldet – nur aus Berliner*innen besteht. Das soll nicht so bleiben!
      Noch sind die Vorstellungen, wie eine solche Ausgabe konkret aussieht und was sie beinhaltet, im Entstehen und sich Verändern. Wir in der Redaktionsgruppe decken mit unseren Ideen und Kontakten bei weitem nicht die Bandbreite an Themen ab, die in dem Heft Platz finden könnten. Allein die Frage, »was verstehen wir unter Feminismus?«, könnte ein Heft füllen.
      Deshalb sind wir angewiesen auf euch, eure Ideen, eure Expertise, eure politischen Standpunkte, eure Begeisterung, euer Mitdenken, eure Unterstützung und eure Beiträge, – es betrifft uns alle!
      Neben der inhaltlichen Ausrichtung wünschen wir uns auch, das bekannte Format aufzubrechen und freuen uns deshalb auch über alternativen Darstellungen in Form z.B. von Comics, Interviewformaten, Filmrezensionen, persönlichen Erfahrungsberichten aus der anwaltlichen Praxis, Collagen und Fotos.

      Ihr erreicht uns unterderblindefleck@rav.de

      Euer Redaktionsteam
      Berlin im März 2020

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      RAVFeminismus
      news-687Tue, 17 Mar 2020 14:35:39 +0100Aufnehmen statt Sterben lassen! Die Faschisierung Europas stoppen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufnehmen-statt-sterben-lassen-die-faschisierung-europas-stoppen-687Gem. Pressemitteilung, 17.3.2020Es war zu erwarten: 4 Jahre Zuschauen zeigen jetzt ihre katastrophale Wirkung. Der Corona-Virus hat auch die griechischen Inseln erreicht. 40.000 Menschen, zusammengepfercht in völlig überfüllten EU-Hotspot Lagern wie Moria, unter desaströsen Hygiene-Bedingungen und fast ohne medizinische Versorgung, könnten schon bald der tödlichen Krankheit ausgeliefert sein. Während Europäische Staaten zum Schutz vor der Pandemie ihre Grenzen schließen und selbst soziale Begegnungen von Kleingruppen unterbinden, ist das von der Austeritätspolitik und Wirtschaftskrise schwer angeschlagene griechische Krankensystem in keiner Weise in der Lage, bei einem großflächigen Krankheitsausbruch die notwendige medizinische Versorgung der Geflüchteten sicherzustellen. Und die EU versperrt sich weiterhin allen Appellen, die Lager zu räumen und die Menschen sicher zu evakuieren. Vielmehr wird verstärkt abgeriegelt. Dies passt dazu, was wir in den letzten zwei Wochen an der griechisch-türkischen Grenze beobachten konnten: Eine beispiellose Brutalisierung der EU-Migrationspolitik, gepaart mit der skrupellosen Verletzung grundlegender Menschenrechte, Europarecht und der Genfer Flüchtlingskonvention.

      Menschen, die in Europa Schutz suchen, werden mit Tränengas beschossen, zusammengeschlagen, ausgezogen und illegal über die Grenze zurückgeschoben. Im ägäischen Meer werden Fliehende aggressiv von der griechischen Küstenwache attackiert, Motoren zerstört und Schlauchboote aufgestochen. Auch was 2015 noch unsagbar war, ist nun Realität geworden: Mit scharfer Munition wird die Grenze verteidigt und mehrere Menschen wurden an der griechisch-türkischen Evros-Grenze erschossen. Damit hat sich die europäische Grenzpolitik von einem passiven Sterbenlassen an den Außengrenzen zu einer Politik aktiven Tötens gewandelt. Freiwillige Helfer_innen und Mitarbeiter_innen internationaler Organisationen auf den griechischen Inseln wurden in rechtsradikalen Netzwerken zur Verfolgung ausgeschrieben und von faschistischen Mobs gejagt und brutal zusammengeschlagen. Faschist_innen aus ganz Europa treffen auf den griechischen Inseln ein, soziale Zentren und Solidaritätsstrukturen wurden in Brand gesetzt.

      Zudem wurde das Asylrecht für alle Personen, die seit dem 1. März in Griechenland eingereist sind, ausgesetzt. Die griechische Regierung ließ durch ihren Regierungssprecher Stelios Petsas mitteilen, dass sie einen Monat lang keine Asylanträge mehr von Neuankommenden annehmen werde. Neu eingereiste Geflüchtete werden unter ad-hoc Haftbedingungen wie im Hafen auf Lesbos festgehalten und sollen abgeschoben werden. Ihnen wird jedoch nicht nur das Recht auf Schutz verweigert; laut Zeitungsberichten gab es schon mehrere hunderte Fälle, in denen Menschen wegen „illegaler Einreise“ zu vierjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

      DIE EUROPÄISCHE ABKEHR VON SÄMTLICHEN GRUNDRECHTEN

      All dies tritt nicht nur die vielbeschworenen europäischen Werte mit Füßen, sondern verstößt gegen internationales Völkerrecht, Europarecht, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention.

      1. Griechenland hat sich zur Einhaltung des völkerrechtlichen Grundsatzes des Non-Refoulement (Nicht-Zurückweisung) verpflichtet, der in einer Vielzahl von völker- und menschenrechtlichen Verträgen verankert ist (u.a. Art. 33 Genfer Flüchtlingskonvention, Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention). Die Waffengewalt an der griechischen Grenze, als auch Abschiebungen ohne Asylverfahren stehen im Widerspruch zu diesen Rechtsnormen und stellen einen fortgesetzten Rechtsbruch dar.

      2. Ebenso ist das Verbot der Kollektivausweisung menschen- und europarechtlich verankert (Art. 19 Abs. 1 der europäischen Grundrechte-Charta, Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK). Auch Griechenland ist über die europäische Grundrechte-Charta an diesen Grundsatz gebunden. Die griechische Regierung kann sich auch nicht auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (8675/15 und 8697/15) zur Praxis der Pushbacks an der spanisch-marokkanischen Grenze berufen: Der EGMR hat in dieser Entscheidung verlangt, dass es eine legale Einreisealternative gibt und der Antrag auf Schutz an anderer Stelle gestellt werden kann. Eine solche Alternative existiert in Griechenland keinesfalls, weder kann an anderen Grenzübergangen oder in Polizeistationen ein Schutzgesuch gestellt werden. Damit ist weder eine Aussetzung des Asylrechts noch eine komplette Grenzschließung rechtmäßig. Sowohl das Zurückweisungsverbot als auch das Verbot der Kollektivausweisung gelten unbedingt, und können zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen ausgesetzt werden – erst recht nicht durch eine juristisch nicht verankerte Absprache, wie es der als Abkommen bezeichnete EU-Türkei-Deal vom März 2016 darstellt.
      Dennoch stellen sich die EU und Deutschland schützend hinter Griechenland, das von der EUKommissionspräsidentin von der Leyen ganz in Manier einer Verteidigungsministerin als „das Schild Europas“ bezeichnet und mit 700 Millionen Euro für Grenzaufrüstung unterstützt wird. Die Spirale der Militarisierung nimmt immer weiter zu: Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex wird in einem RABIT Sondereinsatz an die Grenze geschickt. Was sie tun soll ist ungewiss – sich an den Erschießungen beteiligen?

      TÜRKISCHE KRIEGSFÜHRUNG MIT FLÜCHTLINGEN UND DER ANFÄNGERFEHLER DER EU-MIGRATIONSPOLITIK

      Es ist unglaublich, dass die Europäische Union bereit ist, jegliche Rechtsgrundlage, Moral und zivilisatorische Maske über Bord zu werfen, weil zwischenzeitlich einige tausend Menschen an der griechischen Grenze einen Asylantrag stellen möchten. Der verhängnisvolle EU-Türkei Deal vom 18. März 2016 hat wieder einmal einem autoritären Regime Macht über die europäische Politik gegeben. Das politische Mantra, 2015 dürfe sich nicht wiederholen, erlaubt der EU kein Umdenken. Dabei sind die Flucht-Migrant_innen in der Tat zur Verhandlungsmasse und zur menschlichen Munition für die eigenen militaristischen und innenpolitischen Pläne der türkischen AKPRegierung geworden – in die Hand gelegt durch eine EU Migrationspolitik, die über Deals autoritäre Regime als Puffer Zonen Europas zur Flüchtlingsabwehr aufbaut.

      Doch die Türkei ist nicht sicher, sie gewährt Menschen ohne europäischen Pass kein Asyl. Auch wenn die Türkei mit ihrer militärischen Präsenz in Idlib das Ziel verfolgt, die gewaltsame Vertreibung von weiteren rund 3,5 Millionen Menschen durch die syrisch-russische Offensive in Richtung ihrer Grenze zu verhindern, ist und bleibt sie seit ihrem Angriff auf syrische Gebiete unter kurdischer Selbstverwaltung selbst verantwortlich für hunderttausendfache Vertreibung. Auch an der türkisch-syrischen Grenze wird auf Flüchtende geschossen – und die Türkei schiebt selbst nach Syrien ab. Bereits in den letzten Jahren hat Erdogan in regelmäßigen Abständen mit der Aufkündigung des EU-Türkei-Deals gedroht. Diesmal hat der türkische Präsident seiner Drohung Nachdruck verliehen: Menschen wurden in Bussen zur Grenze gefahren, zusammengepfercht und zum Teil mit Schlägen und vorgehaltener Waffe zum Grenzübertritt gezwungen. All dies geschieht, um Bilder zu produzieren, die EU und NATO dazu zu bringen sollen, die Türkei in ihrer Kriegsstrategie zu unterstützen und Fluchtmigration aus Syrien einzudämmen. Außerdemsollen Syrer_innen in eine sogenannte „Sicherheitszone“ in die kurdischen Gebieten im Nord-Osten Syriens abgeschoben werden. Damit hätte der türkische Präsident zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die kurdisch-demokratische Selbstverwaltung empfindlich geschwächt und sich gleichzeitig der temporär im Land geduldeten Flüchtlinge entledigt.

      Anstatt den Anfängerfehler der EU Migrationspolitik – die Abhängigkeit von autoritären Regimen – als Ursache des Problems zu erkennen, versucht die EU die Türkei mit allen Mitteln zu besänftigen. Dabei verkennt sie, dass der Deal noch nie funktioniert hat und auch nie funktionieren wird: weder der 1:1-Austausch (wobei für jede aus Griechenland in die Türkei zurückgeschobene syrische Person eine_n Syrer_in nach Europa umgesiedelt werden sollte), noch die Leerung der griechischen Inseln durch Abschiebungen. Das einzig funktionale Element des Deals ist der Kuhhandel von Milliardenbeträgen für gewalttätige Migrationsabwehr. Bricht dies weg, zeigt sich das wahre Gesicht dieser hilflosen und gescheiterten Migrationspolitik: Die Erschießung an der EU-Außengrenze stellt dann nur die letzte logische Konsequenz dar. Der EU-Türkei-Deal ist von Anfang an gescheitert, jeder neue Versuch eines Deals wird ebenso scheitern!

      DER ZWEIKLANG DER ABSCHOTTUNG UND FASCHISIERUNG

      Die Umdeutung der Willkommenskultur von 2015 zu einer „Flüchtlingskrise, die sich nie wiederholen dürfe“, kreiert eine derartige Angst, dass lieber Erschießungen geduldet werden, als über Aufnahme geredet wird. Dabei hat das Abschottungsparadigma auch seine mörderische innenpolitische Seite. Während bis heute zahlreiche Städte und Gemeinden – wie in dem Netzwerk „Städte Sichere Häfen“ – nach wie vor für eine Praxis und Kultur des Willkommens und der offenen Gesellschaft stehen, hat die Politik mit ihrer Dämonisierung der Migration als „die Mutter aller Probleme“ auch innergesellschaftlich Diskurse und Taten der „Verteidigung Europas“ hoffähig gemacht. Insofern ist die Faschisierung an der Außengrenze eng verwoben mit dem erstarkenden Rechtsterrorismus und Angriffen auf die Grundlagen der Demokratie in den europäischen Gesellschaften. Europa steht an einem Scheideweg: Wir können diesen Wahnsinn nur mit einer Rückkehr zu grundlegenden Rechten, Offenheit und Aufnahmebereitschaft begegnen.

      WIR FORDERN:
      • Die sofortige Evakuierung aller Migrant_innen von den griechischen Inseln und aus allen überfüllten Lagersituationen
      • Effektive Schutzmaßnahmen gegen den Corona-Virus für Migrant_innen
      • Den sofortigen Stopp der staatlichen Gewalt und der Ermordung von Migrant_innen an den Außengrenzen
      • Die sofortige Beendigung des EU-Türkei Deals
      • Eine aktive EU-Politik um die gewaltsame Vertreibung von Millionen von Menschen in Syrien zu beenden
      • Die Wiederherstellung des Asylrechts, rechtsstaatlicher Asylverfahren und die Demilitarisierung der Außengrenze
      • Die Einhaltung geltender Völker-, Menschen- und Europarechtlicher Vorgaben beim Umgang mit den ankommenden Menschen
      • Die Aufnahme der Menschen in den solidarischen Städten
      • Eine europäische Politik, die selbst nicht andauernd Fluchtursachen produziert

      INITIATOR_INNEN
      Adopt a Revolution
      borderline europe e.V.
      bordermonitoring.eu
      Equal Rights Beyond Borders
      Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
      Kritnet
      Komitee für Grundrechte und Demokratie
      medico international
      Republikanischer Anwältinnen - und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Sächsischer Flüchtlingsrat
      SEEBRÜCKE - Schafft sichere Häfen!

      WEITERE UNTERSTÜTZENDE GRUPPEN
      Alarmphone
      Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein
      #ausgehetzt - das Bündnis
      Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
      Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.
      colorido e. V.
      Flüchtlingsrat Baden-Würtemberg
      Flüchtlingsrat Brandenburg
      Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
      Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V
      Flüchtlingsrat Sachsen Anhalt
      Hessischer Flüchtlingsrat
      Humanistische Union OV Lübeck
      Iuventa 10
      Kölner Flüchtlingsrat e.V.
      Legal Centre Lesvos
      Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
      marxistische linke - ökologisch, emanzipatorisch, feministisch,
      integrativ e.V.
      Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus
      Mare Liberum
      Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik Netzwerk
      Omas gegen Rechts
      Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. (VDJ)

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerEU-Türkei-DealMigration & Asyl (doublet)Europa (doublet)
      news-685Tue, 17 Mar 2020 11:13:13 +0100Corona-Pandemie: Auch die Justiz muss umgehend reagieren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/corona-pandemie-auch-die-justiz-muss-umgehend-reagieren-685Pressemitteilung, 17.03.2020RAV fordert die sofortige Aufhebung aller aufschiebbaren Gerichtstermine

      Bundesweit fordern Gesundheitsämter und zuständige Ministerien nachvollziehbar die Reduzierung unnötiger enger räumlicher Kontakte (›Sozialkontakte‹). Die Mobilität wurde staatlicherseits ebenfalls massiv eingeschränkt. Nur so kann eine schnelle Ausbreitung des Virus eingedämmt werden. Auch die Justiz muss schnellstmöglich auf die Corona-Pandemie reagieren.

      »Der erste Schritt muss sein, Gerichtstermine, die sich rechtskonform verschieben lassen, sofort aufzuheben«, so Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV. »Auch die Fristen für Stellungnahmen in Gerichts- und Verwaltungsverfahren müssen umgehend verlängert werden.Der Rechtsstaat muss seinen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung leisten«.

      Jede Gerichtsverhandlung und die dazugehörigen An- und Abreisen setzen alle Beteiligten einem vermeidbaren und damit unnötigen Infektionsrisiko aus. Sie wirken allen richtigen Bestrebungen, die Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland zu verzögern, diametral entgegen.

      Aus Sicht des RAV ist es daher unabdingbar, alle von den Gerichten aufschiebbaren Gerichtsverhandlungen zumindest bis Ende April 2020 abzusagen. Im Fall von unabdingbaren Gerichtsverhandlungen – wie in Strafverfahren mit Untersuchungshaft, bei Betreuungssachen oder in Gewaltschutzverfahren – sind entsprechende Schutzmaßnahmen für die Beteiligten zu ergreifen.

      Nach Ansicht des RAV müssen Haftsachen angesichts der kritischen Situation in den Justizvollzugsanstalten mit besonderer Sorgfalt neu geprüft werden: Gerade hier stellt sich insbesondere die Frage nach dem Haftgrund der Fluchtgefahr vollkommen neu. In einer Gesellschaft, in der der Staat aufgrund einer Pandemie immer weitere Bereiche des sozialen Lebens unterbindet und Ländergrenzen schließt, sind die Möglichkeiten, sich einem Verfahren durch Flucht zu entziehen, ganz erheblich gesunken. »Es ist somit zu prüfen, ob Haftbefehle, die auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt werden, aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt werden können«, so Dr. Björn Elberling, Vorstandsmitglied des RAV. »Damit kann die Infektionsgefahr für alle Gefangenen in Haftanstalten erheblich eingedämmt werden. Die Situation in den Gefängnissen muss der aktuellen Krisensituation sofort angepasst werden«.

      Um der Ausbreitung der Corona-Epidemie auch hier entgegenzuwirken, fordert der RAV bundesweit:

       Kontakt: Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Tel. 030-23 56 44 36

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      Pressemitteilung
      news-681Fri, 06 Mar 2020 11:01:38 +0100A coalition to "shield" migrants and refugees against violence at the borders/publikationen/mitteilungen/mitteilung/a-coalition-to-shield-migrants-and-refugees-against-violence-at-the-borders-681Statement, 6.3.2020We will hold Greece and the EU accountable for the violations of the rights of migrants and refugees fleeing Turkey.

      Over the last days, violations of the rights of migrants and refugees seeking to access EU territory via Greece have escalated to a new extreme. The conditions for such an escalation have long been in the making. In 2015, the EU introduced the “hotspot” approach, imposing on Italy and Greece the sorting of migrants and refugees arriving on their shores. In March 2016, the EU signed an agreement with Turkey, which for a time, allowed to contain crossings. Yet the twin developments transformed Aegean islands into open-air prisons and exacerbated a humanitarian catastrophe at Greece’s borders. And the untenable cooperation with Turkey – denounced by civil society - is now unsurprisingly breaking down, with Turkish authorities seeking to pressure the EU by sending migrants and refugees in its direction.

      In the aim of stemming the increasing arrivals of mostly Syrian exiles fleeing war and now the threats of Turkish authorities, Greek agencies have resorted to a new level of violence – and have been joined in them by segments of the population. At sea, the Greek coast guard have blocked the route of migrantsand refugeeboats, shooting in the air and even wounding passengers,(1) and a child has drowned.(2) On land, push-backs across the Evros river have continued, and video footage - labelled as “fake news” by the Greek authorities(3) but now verified by Forensic Architecture - shows a Syrian refugee being shot dead.(4) Finally activists acting in solidarity with migrants and refugees are being criminalised and attacked by far-right groups.(5) Grave violations are ongoing and the most fundamental principles of asylum law are being shunned.

      Greek authorities are sending a simple message to potential migrants and refugees, one that the Greek foreign ministry conveyed on twitter: "no one can cross the Greek borders".(6) Greece’s policy of closure(7) has also received the backing of the EU. Charles Michel, President of the European Council, has applauded Greek efforts “to protect the European borders”(8) while Ursula von der Leyen, European commission president, has referred to Greece as a “European shield” – thus suggesting that unarmed migrants and refugees constitute a physical threat to Europe.(9) Finally, Frontex, the European border agency, is preparing “a rapid border intervention” squad.(10) In short, Greece and the EU appear ready to resort to any means necessary to deter migrants and refugees and prevent the repetition of the 2015 large-scale arrivals in Europe – and of the European-wide political crisis it triggered.

      We firmly condemn the instrumental use of migrants and refugees by the EU and Turkey, and the Greek and EU operations deployed to prevent them from reaching European soil. No policy aim can justify such gross violations. Exiles fleeing violence must not face the violence of borders while they seek protection. Our organisations are joining their efforts to hold states accountable for their crimes. We plan to document and take legal action against those responsible for the violations of migrants and refugees’ rights, as well as those of activists acting in solidarity with them. We will employ our investigative and legal instruments to block state violence and reverse the deeply worrying trend towards the multiplication of push-backs in Greece, – a trend observable to different degrees across the EU’s shifting borders. Migrants and refugees are not a threat the EU should shield itself against, but are themselves threatened by state violence all along their precarious trajectories. We aim to use the tools of human rights to shield migrants and refugees from the brutality targeting them.

      Still from an ongoing video investigation by Forensic Architecture showing a panorama created from eyewitness footage capturing the transfer of Muhammed al-Arab, who was fatally shot along the Evros/Meriç river. Credit: Forensic Architecture, 2020. Full video: https://vimeo.com/395567226

      First organisations to join the coalition:

      1) https://alarmphone.org/en/2020/03/04/escalating-violence-in-the-aegean-sea/?post_type_release_type=post&fbclid=IwAR2r2ATotl6HEfg2F2Zt3FDScFgZHB4wU5jb-T27jwkhV_pFcXYcdIa4xXg
      (2) https://www.theguardian.com/world/2020/mar/02/child-dies-as-boat-carrying-migrants-capsizes-off-lesbos
      (3) http://www.ekathimerini.com/250110/article/ekathimerini/news/greece-calls-fake-news-on-news-of-dead-refugee
      (4) https://www.dailysabah.com/politics/syrian-refugee-killed-by-greek-police-while-trying-to-cross-border/news
      (5) https://www.vice.com/en_us/article/xgq533/video-shows-greek-mobs-attacking-migrant-boats-and-aid-workers
      (6) https://www.euronews.com/2020/02/29/greek-police-fire-tear-gas-at-refugees-amid-violence-at-turkish-border
      (7) http://www.ekathimerini.com/250097/article/ekathimerini/news/greece-freezes-asyulum-applications-from-illegally-entering-migrants
      (8) http://www.ekathimerini.com/250097/article/ekathimerini/news/greece-freezes-asyulum-applications-from-illegally-entering-migrants
      (9) https://www.theguardian.com/world/2020/mar/03/migration-eu-praises-greece-as-shield-after-turkey-opens-border
      (10) https://www.theguardian.com/world/2020/mar/03/migration-eu-praises-greece-as-shield-after-turkey-opens-border

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)Rassismus
      news-680Tue, 03 Mar 2020 17:46:05 +0100Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-werden-nicht-teil-dieses-verbrechens-sein-680Gemeinsame Erklärung, 3.3.2020Wieder einmal benutzt Erdoğan Flüchtlinge als politische Schachfiguren. Wieder einmal werden Menschenrechtsverteidigende aus verschiedenen Bereichen und Ländern Zeugen einer illegalen und unmenschlichen Situation an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei.

      Offizielle Zahlen sind nicht verfügbar, aber es ist klar, dass Tausende von Flüchtlingen, darunter eine große Anzahl von Minderjährigen, von Erdoğan manipuliert wurden und nun zwischen zwei Grenzen festsitzen, ohne die Chance nicht nur auf Asylverfahren, sondern auch auf angemessene Nahrung, sauberes Wasser und eine Unterkunft zu haben. Es gibt ernsthafte Berichte über Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, und es ist auch bekannt, dass etwa hundert Personen, die die Grenze überschritten haben, bereits von den griechischen Behörden festgenommen wurden. Abgesehen von dieser neuen Situation, besteht die inakzeptable Lage in den griechischen Brennpunkten nach wie vor, und im Mittelmeer sterben Menschen.

      Es ist erneut notwendig, die europäischen Regierungen an ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze des Völkerrechts und der Menschenrechte zu erinnern.

      Die gegenwärtige Notlage der Migrantinnen und Migranten an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland liegt nicht nur in der Verantwortung dieser beiden Länder. Die europäischen Staaten sind für diese Krise direkt verantwortlich, zusätzlich zu der schrecklichen Situation in den griechischen Krisenherden und im Mittelmeer. Diese Katastrophe ist eine direkte Folge der unrechtmäßigen und inoffiziellen Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei. Diese Vereinbarung sollte unverzüglich aufgehoben werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Türkei kein sicheres Land für Migrantinnen und Migranten ist, und dessen Erklärung zu einem sicheren Drittland ist eine klare Verletzung der Menschenrechte. Die vom türkischen Staat vorgeschlagenen ›sicheren Zonen‹ in Syrien sind völkerrechtswidrig.

      Eine Lösung kann nur in Europa und ohne die Beteiligung der türkischen Regierung gefunden werden. Nationale Politikerinnen und Politiker sowie EU-Vertreterinnen und -Vertreter sollten Fremdenfeindlichkeit, Populismus und Rassismus sofort ablegen. Diese Ansätze führen zu faschistischen Lösungen, die mit unseren europäischen Werten unvereinbar sind.

      Das Recht, Schutz zu suchen und das Recht auf ein Leben in Würde ist das Grundrecht jedes einzelnen Menschen, dessen Leben bedroht ist. Die europäischen Staaten müssen den Zugang zu internationalem Schutz gewähren, nicht nur aus humanistischer Sensibilität, sondern weil sie rechtlich dazu verpflichtet sind.

      Daher sollten die EU-Staaten und internationale Organisationen die Maßnahmen der griechischen Regierung, die Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz auszusetzen und alle Personen, die illegal nach Griechenland einreisen, ohne Registrierung abzuschieben, nicht unterstützen. Diese Handlungen verstoßen gegen internationale Flüchtlings- und Menschenrechtsgesetze und finden keine Unterstützung in der Entscheidung des EGMR im Fall N.D. N.T. gegen Spanien (Anträge Nr. 8675/15 und 8697/15). Eine solche Manipulation von Gesetzen und Urteilen gefährdet die Rechte jedes europäischen Bürgers und die Demokratie und stellt eine fatale Haltung gegenüber schutzbedürftigen Personen dar.

      Griechische Gerichte haben Verurteilungen von Personen, die in diesen Tagen in Evros ankommen, mit bis zu vier Jahren Haft ohne Aufschub angekündigt. Diese Maßnahmen verstoßen gegen die Genfer Konvention und werfen ernste Fragen in Bezug auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess auf. Europäische Regierungen und internationale Organisationen sollten handeln.

      Denn die Situation verschlechtert sich täglich:

      Yiota Masouridou, Vizepräsidentin der AED, Athen, erklärt: »Seit der Verabschiedung der EU-Türkei-Erklärung im Jahr 2016 verletzen die EU-Mitgliedsstaaten kollektiv das Prinzip der Nicht-Zurückweisung. Eine Menschenrechtslösung muss jetzt umgesetzt werden, indem Flüchtlinge und Asylsuchende auf EU-Territorium aufgenommen werden. Kurzfristige politische Lösungen, die die europäische Rechtskultur beschämen, sollten aufgegeben werden«.

      Und die türkische Anwältin Ceren Uysal fügt hinzu: »Wir sind Zeugen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Wir glauben fest daran, dass es notwendig ist, zu handeln, zu protestieren und gegen die Aushöhlung des Rechtsstaates und die Verletzungen der Menschenrechte zu kämpfen«.

      Es gibt ein andauerndes Verbrechen, und wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!

      Athen, Istanbul, Berlin, Amsterdam, Paris, Brüssel, Rom, Madrid, Barcelona

      3. März 2020

      Kontakt
      Giota Massouridou, Vice-President of the AED-EDL: massouridoup@yahoo.gr

      Unterzeichnende
      Avocats Européens Démocrates, www.aeud.org
      Borderline Europe, https://www.borderline-europe.de/
      Mission Life-line, www.mission-lifeline.de
      Alarmphone, https://alarmphone.org/en/
      Dutch Organization for Asylum Lawyers, www.hvh-advocaten.nl
      Medico international e.V., www.medico.de
      The Dutch League for Human Rights
      Foundation of the Day of the Endangered Lawyer, http://dayoftheendangeredlawyer.eu/
      Lawyers’ Association for Freedom (ÖHD)
      Progressive Lawyers’ Network (CHD)

      Statement als PDF (dt)
      Statement PDF (eng)

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      GeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)
      news-678Fri, 21 Feb 2020 15:11:26 +0100European Court of Human Rights<br />Spain and the European Union will prevail the protection of European borders over the right to asylum./publikationen/mitteilungen/mitteilung/european-court-of-human-rights-br-spain-and-the-european-union-will-prevail-the-protection-of-european-borders-over-the-right-to-asylum-678Gemeinsame Pressemitteilung zur Entscheidung des EGMR (push-back)The European Court of Human Right (ECHR) just took a decision in favour of the Spanish authorities, by endorsing the practice known as “hot push-back” of people trying to reach the Spanish enclaves of Ceuta and Melilla. Although another body of the Court had already condemned Spain in 2017 for this illegal practice [1], its Grand Chamber decided this time that Spain had not violated the rights of the exiles who had already crossed its border by sending them back to Morocco quickly and widely. With this highly serious decision, the ECHR legitimizes the generalization of the principle of non-refoulement. Furthermore, it endorses the impossibility of applying for asylum in case of illegal border crossing and welcomes the good collaboration with Morocco in the repression of exiles.

      Migrants face refoulement practices all along their way at the EU’s external borders which are increasingly extending to the South, and to the East. They also face it when they try to cross the Sahara [2], the Balkan countries [3] or when they attempt to flee the Libyan hell [4] . This reality (which can lead to death in the most dramatic cases) also affects the European territory, as illustrated by the recurrent deportations of migrants at the French borders with Italy and Spain [5] . The refoulement practices are multiplying and have become an increasingly standardised form of management of the illegalised mobility that it’s necessary to stop by any means.

      For at least two decades they have suffered from the violence of the Spanish border guards while trying to enter in the enclaves of Ceuta and Melilla. The Spanish militaries are not to be outdone : numerous NGOs reports show that Morocco regularly conducts violent repressions and roundups to keep exiles away from the border [6] .

      Despite this old and well-documented reality, the ECHR in its judgement of 13 February concludes that Spain has not committed any violation, finding “(…) that the applicants [had] placed themselves in an unlawful situation” by attempting to cross the Melilla border at an unauthorised location. It adds that “They thus chose not to use the legal procedures which existed in order to enter Spanish territory lawfully (…)”. Misleading argument considering only exiles who entered through an accredited border post could be protected from refoulement or that they could apply for asylum at the consulate without hindrance. However, numerous human rights organisations - whose reports were deliberately disregarded by the Court – have established that black people are especially tracked by the Moroccan security forces who prevent them from reaching the border posts of the enclaves. Access to the asylum office in Ceuta and Melilla (established in 2015) is thus impossible for them. They have no other choice but to climb over fences and their sharp blades, or set sail, risking their lives [7].

      The ECHR, by reversing Spain’s conviction, gives a strong signal to the European States for the generalization of these violent practices of refoulement and to the legitimation of the externalisation of asylum. Indeed, by figuring that a Member State can restrict the right to seek protection on its territory in some places or some circumstances, the Court endorses practices contrary to international law and that the EU has been trying to promote for a long time : preventing the arrival of those who are looking for protection, either by erecting physical or legal barriers, or by subcontracting its obligations to countries notoriously hostile to migrants.

      The signatory associations strongly condemn the Court decision. We refuse to allow the principle of non-refoulement, a cornerstone of the right to asylum, to be questioned in the name of the externalisation policy and of the borders protection of the EU and its Member States. We support migrants in the exercise of their freedom of movement, and we fight against the violence and racism that they suffer along their illegalized trajectories.

      Signatory associations :


      Fußnoten
      (1) ECHR, October 3, 2017, N.D. et N.T. c. Spain, req. n° 8675/15 et 8697/15
      (2) Amnesty International report, «Forced to leave – stories of injustice against migrants in Algeria», 2017 ; Alarmphone Sahara, «October 2019 to January 2020 : Continuation of deportation convoys from Algeria to Niger», January 2020
      (3) Le Monde «La Bosnie, cul-de-sac pour les migrants», December 30,2019 ; See also the website of «Welcome» which informs on violence in the Balkan countries.
      (4) Brief n°7 « Libya : where thugs are funded by Europe to mistreat migrants », May 2018 ; Forensic Oceanography, “Mare Clausum”, May 2018
      (5) ANAFE, Persona non grata –Conséquences des politiques sécuritaires et migratoires à la frontières franco-italienne, Observation report 2017-2018
      (6) See for instance : Migreurop, « War on migrants – The black book of Ceuta and Melilla » 2006, Human Rights Watch « Abused and Expelled Ill-Treatment of Sub-Saharan African Migrants in Morocco », 2014 ; Caminando Fronteras « Tras la frontera », 2017 ; GADEM « Coûts et blessures – Rapport sur les opérations des forces de l’ordre menées dans le nord du Maroc entre juillet et septembre 2018 », 2018
      (7) See for instance : collective report « Ceuta et Melilla : centres de tri à ciel ouvert aux portes de l’Afrique ? », December 2015 ; Third party intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - Applications No. 8675/15 and No. 8697/15N.D. v. Spain and N.T. v. Spain ; Third party intervention by Aire Centre, Amnesty International, ECRE and the International Commission of Jurists

      PM englisch (PDF)
      PM französisch (PDF)
      PM spanisch (PDF)

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      Migration & Asyl (doublet)
      news-676Fri, 07 Feb 2020 13:06:33 +0100#nichtmituns/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nichtmituns-676Aufruf zur Teilnahme an der Großdemonstration | 15.2.2020 | ErfurtDer 5. Februar 2020 markiert einen Tabubruch. CDU und FDP haben gemeinsam mit der extrem rechten AfD in Thüringen einen Ministerpräsidenten gewählt – allen vorherigen Versprechen zum Trotz. Auch nach Kemmerichs Zurückrudern ist klar: Die Brandmauer gegen die Faschist*innen hat einen tiefen Riss. Innerhalb von FDP und CDU gibt es die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der AfD.

      Wir sind zutiefst empört. Die Konsequenz für alle Demokrat*innen muss sein: Mit der AfD darf es keine Kooperation geben – nicht im Bund, nicht in den Ländern und nicht auf kommunaler Ebene!

      Aus diesem Grund ruft ein breites Bündnis für den 15. Februar um 13 Uhr auf dem Domplatz in Erfurt zu einer gemeinsamen Demonstration unter dem Motto „#nichtmituns: Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!“ auf.
      Wer mit Faschist*innen paktiert, hat die ganze solidarische Gesellschaft gegen sich! Wir werden unseren Protest lautstark zum Ausdruck bringen. Wir alle streiten tagtäglich:

      Wir rufen bundesweit dazu auf, am Samstag, den 15. Februar in Erfurt, gemeinsam mit uns auf die Straße zu gehen.
      Am selben Tag stellen sich unsere Freund*innen dem Naziaufmarsch in Dresden entgegen. Unser Antifaschismus ist #unteilbar!

      ---

      Faşistlerle uzlaşma yok - hiçbir zaman ve hiçbir yerde!

      15 Şubat 2020 | Erfurt | 13:00 | Domplatz

      5 Şubat 2020 bir tabunun yıkıldığı gün oldu. CDU ve FDP, önceki tüm vaatlerine rağmen, Thüringen'de aşırı sağ AfD ile birlikte başbakan seçtiler. Kemmerich'in geri adım atmasından sonra bile, bir şey açık: Faşistlere karşı durulan  direniş duvarında derin bir çatlak oluştu. FDP ve CDU, AfD ile ortak çalışmaya hazır.

      Biz ise aşırı öfkeliyiz. Tüm demokratlar için çıkarılacak ders şu olmalıdır: AfD ile  federal hükümette, eyaletlerde yerel düzeyde kesinlikle işbirliği yapılamaz!

      Faşistlerle uzlaşan herkes dayanışmacı tüm toplumu karşısına almış demektir.

      Protestolarımızı yüksek sesle ifade edeceğiz.

      Hepimiz her gün:

      - Demokrasi ve toplumsal anti-faşizm için!
      - İşçi hakları, sosyal adalet ve iklim adaleti için!
      - Irkçılık, anti-Semitizm ve anti-feminizme karşı!
      - AfD ile herhangi bir işbirliğine karşı!

      mücadele ediyoruz.

      Herkesi ülke çapında 15 Şubat Cumartesi günü Erfurt'ta bizimle birlikte sokağa çıkmaya çağırıyoruz.

      Aynı gün dostlarımız Dresden'deki Nazi yürüyüşüne karşı eylem yapacaklar.

      Faşizme karşı mücadelemiz #bölünemez! #unteilbar!

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      Antifaschismus
      news-674Wed, 05 Feb 2020 11:01:23 +0100Rechtliche Einschätzung zu sexualisierten Aufnahmen bei Festivals/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtliche-einschaetzung-zu-sexualisierten-aufnahmen-bei-festivals-674Überblick über Rechte und Möglichkeiten, 5.2.2020 Aufgrund der aktuell bekannt gewordenen Vorfälle von sexualisierten Aufnahmen sowohl beim Festival „Monis Rache“ als auch bei der „Fusion“ soll den Betroffenen mit dieser Einschätzung ein Überblick über ihre Rechte und Möglichkeiten verschafft werden.

      Der Text basiert auf den derzeit veröffentlichten Erkenntnissen in den Medien, insb. der Reportage des Magazins STRG_F. Die Tatsache, dass auch auf der „Fusion“ Bildaufnahmen gefertigt wurden (hier die Stellungnahme von Kulturkosmos Müritz e.V. https://forum.kulturkosmos.de/viewtopic.php?t=28956), wurde erst nach Fertigstellung des Textes bekannt. Im Wesentlichen gelten die im Text getroffenen Aussagen aber ebenso für die Betroffenen des „Fusion“ Festivals.

      1. Chancen und Risiken eines Strafverfahrens aus Betroffenenperspektive

      Nach Meldungen in der Presse hat die Polizei wegen der Bildaufnahmen vom Festival „Monis Rache“ ein Ermittlungsverfahren eröffnet, da mehrere Strafanzeigen vorliegen. Die Veranstalter*innen der Fusion haben von sich aus Strafanzeige gestellt. Dies bedeutet in beiden Fällen, dass ein Strafverfahren läuft, unabhängig davon, ob Betroffene das wollen oder nicht. 

      Das Verhalten fällt u.a. unter den Straftatbestand von § 201 a StGB “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen”. Der Täter kann dafür pro Tat zu einer Geldstrafe bis maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden.
      Da öffentlich nicht bekannt ist, ob der Verdächtige von „Monis Rache“ bereits einschlägig vorbestraft ist, um wie viele Taten es sich handelt, ob und ggf. wie viel Geld er damit umgesetzt hat etc., kann nicht eingeschätzt werden, welche Strafhöhe hier am Ende einmal verhängt werden wird. Nach jetzigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass hier mit einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, zu rechnen ist. Auch die Verurteilung zu einer Geldstrafe steht - so der Täter noch nicht vorbestraft sein sollte und weitere strafmildernde Umstände (Geständnis, freiwillige Zahlungen, Aufklärungsunterstützung etc.) hinzutreten sollten - im Raum.

      Ein Strafverfahren ist für Betroffene, die sich entweder freiwillig am Verfahren beteiligen oder die ggf. auch unfreiwillig als Zeug*innen beteiligt sind, immer mit Belastungen und im schlimmsten Fall Retraumatisierung verbunden.
      Andererseits eröffnet das Strafverfahren Betroffenen eigene Handlungsspielräume und es besteht die Option, eigene Akzente zu setzen. Aktive Betroffene, unterstützt durch kompetente anwaltliche Vertreter*innen, können Öffentlichkeit in das Verfahren bringen, bspw. durch Pressearbeit oder indem sie Stellungnahmen im Verfahren abgeben und die gesellschaftspolitische Relevanz thematisieren. Die Beteiligungsmöglichkeiten für Betroffene im Strafverfahren eröffnen einen Aktionsraum, der nicht nur auf den Täter selbst zielt, sondern darüber hinaus strukturelle Probleme thematisieren kann. Im Weiteren können Betroffene - die als Zeug*innen sonst bloße Beweismittel im Strafverfahren sind - aktiv auftreten und mit ihrer anwaltlichen Vertretung dafür sorgen, dass sexistisches, retraumatisierendes Verhalten der Ermittlungsbehörden verhindert bzw. eingeschränkt wird. 

      Personen, die Interesse an einer aktiven Beteiligung am Strafverfahren haben, sollten sich unbedingt anwaltlich beraten und ggf. vertreten lassen.

      2. Straftatbestände

      Nach § 201 a StGB - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen wird u.a. bestraft, wer "von einer anderen Person, die sich in einem gegen Einblick geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt" (leicht verkürzt § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie wer eine, durch solch eine Tat hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht (§ 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB). Den Darstellungen im Beitrag von STRG_F ist zu entnehmen, dass sich der Täter durch die von ihm verwendeten – egal, ob dieser die Aufnahmen selber angefertigt hat oder "nur" verwendet hat - strafbar gemacht hat. Auch bei den Aufnahmen vom „Fusion“ Festival ist sowohl die Alternative des „Herstellens“ als auch des „Übertragens“ erfüllt.

      Auch § 33 Kunsturhebergesetz ist durch das Verbreiten der Bilder erfüllt. Danach ist strafbar, wer ein Bildnis ohne Einwilligung des oder der Betroffenen verbreitet.

      Darüber hinaus müssten im Fall von „Monis Rache“ die per Chat versandten Äußerungen - sofern auffindbar - auf den Straftatbestand der Beleidigung geprüft werden.
       
      3. Verjährungsproblematik

      Taten nach dem Straftatbestand des § 201 a StGB verjähren nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), da die Höchststrafe zwei Jahre Freiheitsstrafe beträgt. Eine Verjährungsproblematik besteht daher derzeit nicht.

      Zwar ist der Strafrahmen nach § 33 Kunsturhebergesetz auf maximal ein Jahr begrenzt, so dass man zumindest bei „Monis Rache“ an eine Verjährung denken könnte. Ausweislich der Reportage fand das Verbreiten der Bilder aus dem Jahr 2016 auch noch in darauffolgenden Jahren statt, so dass keine Verjährung eingetreten ist. 

      Es sollte allerdings seitens der Ermittlungsbehörden dafür Sorge getragen werden, dass die Verjährung nunmehr durch Bekanntgabe an den Täter, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, unterbrochen wird.

      4. Ablauf des Verfahrens

      a) Strafanzeige

      Die Strafanzeige ist zunächst nur die bloße Mitteilung an die Behörden, dass eine Straftat geschehen ist. Eine Strafanzeige muss nicht durch die Betroffenen gestellt werden, sondern kann von jede*r Person erstattet werden. Ausweislich der Presseverlautbarungen liegen der Polizei diverse Strafanzeigen vor.

      Die Polizei bittet nunmehr darum, dass potentiell Betroffene (weitere) Strafanzeigen stellen. Es besteht allerdings keine Pflicht für potentiell Betroffene sich zu melden. 

      b) Strafantrag

      Sowohl bei § 201 a StGB als auch dem Straftatbestand nach § 33 KunstUrhG handelt es sich um ein sogenanntes Antragsdelikt. Dies bedeutet prinzipiell, dass die Straftat nur verfolgt wird, wenn ein*e Geschädigte*r einen Strafantrag stellt. Auch daher mag die Aufforderung der Polizei rühren, sich zu melden. Es wird zur Strafverfolgung ggf. ein Strafantrag einer im strafrechtlichen Sinne tatsächlich betroffenen Person benötigt. Es ist Betroffenen zu raten, prinzipiell Strafantrag "aus allen in Betracht kommenden tatsächlichen und rechtlichen Umständen" zu stellen. Zu beachten ist insofern auch, dass die Strafantragsfrist drei Monate nach Kenntnis von Tat und Täter betrifft. Insoweit ist möglicherweise Eile geboten.

      Die Strafverfolgung nach § 201 a StGB, wohl aber die Verfolgung nach § 33 KUrhG, ist nicht an das Vorliegen eines Strafantrags geknüpft. Vielmehr kann die Staatsanwaltschaft das sog. besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen und die Tat dann sozusagen von Amts wegen, also auch ohne das Vorliegen eines Strafantrags durch eine tatsächlich verletzte Person, verfolgen.

      Wir vertreten die Ansicht, dass bei der Tat das besondere öffentliche Interesse zu bejahen ist. Denn es handelt sich um eine Vielzahl von potentiell und wahrscheinlich auch tatsächlich betroffenen Personen. Tatsächlich betroffen iSv § 201 a StGB ist nämlich bereits jede*r von der oder dem Bildaufnahmen gefertigt wurden. Im Weiteren ist das besondere öffentliche Interesse auch aufgrund der breiten Ausstrahlungswirkung zu bejahen. Die Aufnahmen wurden im öffentlichen Bereich einer Veranstaltung, die wahrscheinlich auch durch Jugendliche besucht wurde, gefertigt. Die Tat hat nicht nur Auswirkung auf individueller Ebene auf die direkt betroffenen Personen, sondern auch auf sämtliche potentiell betroffene Personen. All jene fragen sich nunmehr, ob Aufnahmen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich wahrscheinlich nur schwer widerruflich in den Weiten des Internets geteilt werden. Darüber hinaus hat die Tat eine gesellschaftliche Wirkung, von der Frauen bzw. all jene, die als Frauen wahrgenommen werden, betroffen sind. Veröffentlicht wurden ausschließlich Aufnahme von Frauen*. Die sexistische Komponente der Tat hat eine gesellschaftliche Dimension und beinhaltet implizit die Bedrohung aller Frauen*, stets Gefahr zu laufen, wenn sie sich in öffentliche Räume begeben, sexualisierten Übergriffen ausgesetzt zu sein und dass etwa intime Bilder ohne ihr Wissen angefertigt und veröffentlicht werden. Dies kann zu Vermeidungs- und Rückzugsstrategien von Frauen aus dem öffentlichen Raum führen. Für solche Botschaftsdelikte ist daher nach hier vertretener Auffassung auch über die Anwendung von Nr. 86 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen. 

      b) Datenmaterial

      Ob der Polizei Videomaterial vorliegt oder nicht, ist (bisher) nicht bekannt. Fakt ist, dass die Journalistin der Reportage StrG_F nicht verpflichtet ist, ihr Material zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich ist sie aber auch nicht daran gehindert.

      Es ist Aufgabe der Polizei zu ermitteln, ob die Plattform die Daten - auch bei Selbstlöschung des Accounts - gespeichert hat und zur Herausgabe an die Ermittlungsbehörden verpflichtet werden kann.

      c) Zeug*innen

      Betroffene, aber auch andere Personen, die Wissen zur oder um die Straftat haben, kommen als Zeug*innen im Verfahren in Betracht. Spätestens vor Gericht sind sie zum Erscheinen und stets zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Sollten den Ermittlungsbehörden und später dem Gericht Bildaufnahmen vorliegen, müssen Betroffene davon ausgehen, dass den vernehmenden Personen das häufig als kompromittierend empfundene Bildmaterial bekannt ist.
      Denjenigen Personen, die Aussagen bei der Polizei machen wollen oder müssen sei geraten darum zu bitten, dass zumindest eine weibliche Beamt*in die Zeug*innenvernehmung durchführt.

      Dies ist vor Gericht aber nicht möglich. Der oder die zuständige Richter*in bestimmt über einen sogenannten Geschäftsverteilungsplan, von dem nicht abgewichen werden darf. Ggf. kann die Zeug*innenvernehmung bei Gericht auf Antrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden, jedenfalls kann verhindert werden, dass die Bilder in öffentlicher Hauptverhandlung gezeigt werden.
      Die Ermittlungsbehörden werden versuchen, das vorhandene Bildmaterial mit den Bildern von Anzeigenerstattenden zu vergleichen. Dies können sie, so wie sie es im Bereich der Kinderpornografie einsetzen, anhand von Bilderkennungsprogrammen versuchen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie die betroffenen Personen Einblick in sichergestelltes Bildmaterial geben, damit die Personen ggf. sich selbst identifizieren können.

      c) Akteneinsicht

      Prinzipiell besteht für im strafrechtlichen Sinne tatsächlich Betroffenen die Möglichkeit der Akteneinsicht. Problematisch wird hier zunächst darzustellen, ob eine Person tatsächlich betroffen ist. Wahrscheinlich wird es keine Akteneinsicht in die gesamten Videodateien geben, da damit höchstpersönliche Rechte anderer verletzt werden können.

      5. Möglichkeiten einer aktiven Beteiligung von Betroffenen am Verfahren

      Es gibt für Betroffene durchaus die Möglichkeit sich aktiv am Strafverfahren zu beteiligen. Allerdings besteht die Hürde, dass dies nur für jene Personen gilt, die tatsächlich betroffen sind. D.h. Personen, von denen Bildaufnahmen gefertigt wurden. (Potentiell) betroffene Personen, die eine aktive Beteiligung am Verfahren wünschen, wird geraten sich an einen Anwalt/eine Anwältin (möglichst mit Erfahrung in der Betroffenenvertretung) zu wenden und die Optionen zu besprechen. Prinzipiell ist jede Person im strafrechtlichen Sinne tatsächlich betroffen, die sich auf einem der DIXI-Toiletten befunden hat während Aufnahmen gemacht wurden. Auf die Veröffentlichung / Verbreitung der Aufnahmen kommt es zumindest hinsichtlich einer Strafbarkeit nach § 201 a StGB gerade nicht an (wohl aber für eine Strafbarkeit nach § 33 KUrhG)

      a. Nebenklage

      Nebenklage bedeutet prinzipiell, dass sich Betroffene bestimmter Straftaten der Anklage der Staatsanwaltschaft anschließen können. Betroffene sind somit nicht "nur" reine Beweismittel (Zeug*innen) im Verfahren, sondern haben eine eigenständige Rolle als Verfahrensbeteiligte. Prinzipiell raten wir zur anwaltlichen Vertretung, um eine effektive Wahrnehmung gewährleisten zu können. Allerdings muss die Nebenklage durch das Gericht zugelassen werden.

      Das sieht das Gesetz (§ 395 Abs. 1 StPO) bei Verstößen gegen das Kunsturhebergesetz vor, so dass sich hier aus dem Gesetz die Möglichkeit zur Nebenklage ergibt. Dabei ist aber zu beachten, dass iSd § 33 KUrhG wohl nur diejenigen Personen als Betroffene gelten dürften, deren Aufnahmen tatsächlich verbreitet wurden. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass die Verletzung von § 33 KUrhG nur auf Antrag geschieht, hier also ein fristgemäßer Strafantrag von Nöten ist.

      Das Gesetz sieht allerdings in § 395 Abs. 3 StPO auch für andere Delikte, worunter auch die Verletzung von § 201a StPO zählen könnte, die Nebenklage vor, wenn "dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner (gemeint ist der oderdie Betroffene) Interessen geboten erscheint". Darunter würden alle Betroffenen fallen, von denen Bildmaterial angefertigt wurde; auf eine Verbreitung kommt es insoweit nicht an.

      Sollten sich also Personen zur aktiven Beteiligung entschließen, würde anwaltlicherseits versucht werden eine Zulassung zur Nebenklage zu erreichen.

      b. Adhäsionsklage

      Sollte das Gericht eine Nebenklage von Personen, von denen ausschließlich Aufnahmen erstellt, aber nicht verbreitet wurden, nicht zulassen, gäbe es darüber hinaus die Möglichkeit, sich als Betroffene*r dem Strafverfahren im Rahmen einer sog. Adhäsionsklage anzuschließen. Dies bedeutet, dass Schmerzensgeldansprüche, die eigentlich in einem gesonderten Zivilverfahren geltend gemacht werden könnten, im Strafverfahren geklärt werden können und die Betroffenen hierdurch am Verfahren zu beteiligen sind. Vorteil eines Adhäsionsverfahrens gegenüber einem zivilrechtlichen Verfahren ist, dass bestimmte Beweislastregelungen für die Betroffenen günstiger sind, dass - so das Strafgericht die Schuld des Täters als erwiesen ansieht - auch über den Schmerzensgeldanspruch entsprechend entschieden wird und kein ganz neues Verfahren angestrebt werden muss. 

      c. Strafbefehl

      Nebenklage und Adhäsionsklage kommen nicht in Betracht, wenn das Gericht das Verfahren im Rahmen eines sog. Strafbefehls oder per Einstellung beendet. Ein Strafbefehl ist quasi ein Urteil ohne mündliche Verhandlung, gegen den der oder die Täter*in ggf. mit einem Einspruch eine mündliche Verhandlung erzwingen kann. Darüber hinaus existieren im Gesetz diverse Einstellungsnormen, die eine Beendigung des Verfahrens ohne Verurteilung nach sich ziehen, auch wenn der oder die Beschuldigte als Täter*in recht wahrscheinlich ist. Bei bestimmten Einstellungen steht Betroffenen, die beantragt hatten über den Ausgang des Verfahrens informiert zu werden, eine Beschwerdemöglichkeit zu. 

      d. Risiken bei Nebenklage und Adhäsionsklage

      Prinzipiell sind beide Verfahrensarten mit einem Kostenrisiko für die Betroffenen verbunden. Es besteht für bedürftige Betroffene zwar die Möglichkeit Prozesskostenhilfe zu beantragen, jedoch steht dies unter weiteren rechtlichen Hürden. So sich Betroffene daher für die aktive Verfahrensbeteiligung entscheiden, wird daher dringend dazu geraten die Kosten - auch für die anwaltliche Vertretung - finanziell abzusichern, da diese mehrere tausend Euro betragen können. 

      e. Privatklage

      Sollte das Gericht das Verfahren gegen den Täter einstellen - wovon nach obigen Ausführungen erstmal nicht ausgegangen wird - gäbe es die Möglichkeit ein Strafverfahren gegen den Täter im Rahmen der sogenannten Privatklage durchzuführen. Dabei übernehmen die Betroffenen die Rolle der Staatsanwaltschaft (wobei die Staatsanwaltschaft auch während des Privatklageverfahrens einfach wieder in das Verfahren eintreten kann). Das Privatklageverfahren wird unsererseits eher kritisch gesehen, da es hohe Risiken für die Betroffenen birgt.

      f. Zivilrechtliches Verfahren

      Grundsätzlich werden bei dem Nachweis, dass Bilder, die von einer Person heimlich angefertigt und verbreitet wurden, Schmerzensgeldansprüche bestehen. Diese können entweder wie oben dargestellt in einem Adhäsionsverfahren, oder auch zivilrechtlich geltend gemacht werden. Dabei wird es bei der Schmerzensgeldhöhe auf die Verbreitung der Bilder, die Löschbarkeit der Daten und die Auswirkung auf die konkrete Person ankommen.

      Möglicherweise ist hier der Zivilrechtsweg für Betroffene, die nachweisen können, dass ihre Bilder veröffentlicht wurden, eine sehr gute Variante, um eigene Rechte durchzusetzen. Dabei besteht jedoch stets ein Kostenrisiko.

      6. Weitere Beteiligte

      Prinzipiell bestand für diejenigen Personen (sog. Erstkontaktgruppe bei „Monis Rache“) keine Anzeigepflicht bezogen auf die bereits begangenen Straftaten. Sollte sich jemand an der Beseitigung von Beweismitteln beteiligt haben, käme eine Strafbarkeit wg. Strafvereitelung (§ 258 StGB) in Betracht.

      Personen, die das Videomaterial weiter geteilt oder auf andere Plattformen hochgeladen haben, sind ebenso nach § 201 a StGB und § 33 KUrhG strafbar.

      7. Löschungsanspruch gegen Plattformen

      Selbstverständlich sollten Betroffene, so Kenntnis besteht, dass Bildmaterial auf Plattformen von ihnen nach wie vor verfügbar ist, unverzüglich die Löschung einfordern. Es besteht ein Löschungsanspruch. Wir raten aber dazu, vor der Löschung die Beweise justiziabel zu sichern. Also bitte Screenshots machen, möglichst mit URL und allen weiteren Daten.

      8. Anwaltliche Vertretung/rechtliche Beratung

      Insgesamt raten wir Betroffenen dringend, sich weitergehende rechtliche Beratung einzuholen. Sie sollten, so sie weitergehende Beratung und/oder anwaltliche Vertretung wünschen, sich an spezialisierte Beratungsstellen wenden. Kontakte zu Anwält*innen können auch über die Anwaltssuche des RAV (https://anwaltssuche.rav.de/) oder die örtliche Rechtsanwaltskammer erreicht werden.

      Verfasserinnen:
      RAin Dr. Kati Lang (Dresden)
      RAin Christina Clemm (Berlin)
      RAin Katharina Gamm (Berlin)
      RAin Kristin Pietrzyk (Jena)

      Berlin, 05.02.2020

      Rechtslage (PDF)

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      FeminismusSexualisierte Gewalt
      news-673Tue, 04 Feb 2020 14:28:45 +0100Aufruf zur Teilnahme<br />#WirHabenPlatz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wirhabenplatz-673Überregionaler Seebrücken-Aktionstag, Samstag 8.2.20Unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus den Lagern auf den griechischen Inseln nach Deutschland evakuieren!

      Alle Informationen zu den dezentralen Protestaktionen finden sich hier.

      In Berlin können sich RAV-Mitglieder, Freund*innen etc. um 14 h unter dem roten RAV-Transparent "Kein Mensch ist illegal" an der Straßenecke Werderscher Markt/Schinkelplatz zusammenfinden.

      ....

      Aus dem Aufruf der Seebrücke

      Schon viel zu lange sitzen Kinder, Jugendliche, Familien und Einzelpersonen in überfüllten Lagern auf griechischen Inseln fest. Die Lebensbedingungen in diesen Lagern sind unmenschlich: Es gibt kaum Infrastruktur, Menschen müssen in bitterer Kälte draußen schlafen – ohne jeglichen Schutz. Mehr als 40.000 Menschen werden in diesen Lagern festgehalten, darunter auch über 4.000 unbegleitete minderjährige Menschen.

      Dutzende Kommunen und Bundesländer in ganz Deutschland sagen: Wir haben Platz und wollen Kinder und Jugendliche  aus griechischen Lagern aufnehmen. Doch Innenminister Seehofer blockiert – und die Kinder können nicht nach Deutschland kommen. 

      Wir sagen, es ist Zeit für Druck auf der Straße! JETZT ist die Zeit gekommen, den Widerstand des Bundesinnenministeriums zu brechen und tatsächlich Menschen aus den Lagern nach Deutschland zu evakuieren! 

      Deshalb fordern wir am 08. Februar 2020 gemeinsam:

      Wir rufen auf zu einem dezentralen Aktionstag mit Kundgebungen vor den Büros der Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD!
      Macht Lärm, ladet die Presse ein, schafft öffentliche Aufmerksamkeit und macht es in der ganzen Stadt bekannt: Wir wollen aufnehmen – unsere Abgeordneten sind jetzt dafür verantwortlich, die Blockade des Innenministers zu beenden und die Aufnahme der Kinder zu ermöglichen!

      Schon zwei Tage nach unserem Aktionstag fahren alle Abgeordneten zur Sitzungswoche des Bundestages! Machen wir genug Druck, geben sie ihn direkt in Berlin an Seehofer weiter – so könnten wir ihn zum Handeln zwingen!
      ....

      Bisher angemeldet (Aktualisierungen unter https://seebruecke.org/so-beteiligst-du-dich-am-aktionstag-wirhabenplatz/) :

      12:00 Krefeld - FlashMob - Krefeld hat Platz!

      10:00 Mannheim Mahnwache zum Aktionstag

      14:00 Bielefeld Demo - Wir haben Platz!

      14:00 Bielefeld  #WirHabenPlatz Aktionstag Bielefeld

      14:00 Berlin Demo: WIR HABEN PLATZ – Aufnahme jetzt ermöglichen!

      14:00 Dortmund #WirHabenPlatz – Aktionstag der Seebrücke - auch in Dortmund

      12:00 Hamburg Aktion #WirHabenPlatz der Seebrücke Hamburg

      11:00 Köln Demo: Wir Haben Platz!

      19:30 Bonn Trinken gegen das Ertrinken - Die Kneipentour

      13:00 Wuppertal Mahnwache "Junge Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen!"

      16:00 Frankfurt Mahnwache #WirHabenPlatz

      18:30 München Kundgebung: WIR HABEN PLATZ - Evakuiert die griechischen Lager!

      12:00 Lüneburg Kundgebung: Wir haben Platz!

      11:00 Göttingen Wir Haben Platz – Aktionstag in Göttingen

      10:00 Freiburg Griechenland: Aufnahme jetzt!

      10:00 Oldenburg Aktionstag "Wir haben Platz!"

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      GriechenlandGeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)
      news-672Thu, 23 Jan 2020 12:35:46 +0100Tag der gefährdeten Anwält*innen am 24.01.2020/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-gefaehrdeten-anwaelt-innen-am-24-01-2020-672Pressemitteilung, 23.01.2020In diesem Jahr, am 24. Januar 2020, begehen wir den 10. Jahrestag des Tages des gefährdeten Anwalts, der bedrohten Anwältin. An diesem Tag finden in vielen Städten weltweit Kundgebungen von Rechtsanwält*innen vor den pakistanischen Botschaften statt, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen, so auch in Berlin.

      In den vergangenen Jahrzehnten waren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Pakistan allein wegen der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten Opfer von Massenterror, Mord, Mordversuchen, Übergriffen, (Todes-)Drohungen, Missachtungsverfahren, Schikanen und Einschüchterungen sowie gerichtlicher Schikane und Folter in der Haft. Als Reaktion auf all diese wiederholten Angriffe streiken, demonstrieren, protestieren und boykottieren pakistanische Anwältinnen und Anwälte.

      Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins: „Wir fordern die pakistanische Regierung und das Parlament auf, dafür zu sorgen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Pakistan ihre beruflichen Pflichten in Sicherheit und ohne Angst vor Repressalien oder Angriffen ausüben können, wie es die UN-Grundprinzipien über die Rolle der Rechtsanwälte verlangen.“

      Aus diesem Anlass findet am morgigen Freitag, den 24.01.2020, um 13:00 Uhr eine Kundgebung vor der pakistanischen Botschaft in Berlin, Schaperstraße 29, 10719 Berlin, statt; wir werden dem Botschafter dort eine entsprechende Petition übergeben.

      Kontaktdaten:

      Dr. Lukas Theune, lukas.theune@rav.de

      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
      Tel +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57

      PM_deutsche Fassung (PDF)

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      Tag des bedrohten AnwaltsFreie Advokatur (doublet)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)PressemitteilungFreie Advokatur
      news-671Fri, 17 Jan 2020 16:13:07 +0100Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-bekaempfung-des-rechtsextremismus-und-der-hasskriminalitaet-671Stellungnahme des RAV, 17.1.2020Verfasserinnen: RAin Dr. Kati Lang, RAin Kristin Pietrzyk

      Vorbemerkung
       
      Prinzipiell wird die Intention gegen Taten, die aus rassistischen, antisemitischen, sozialdarwinistischen oder heteronormativen Beweggründen begangen werden (Hasskriminalität) engagiert vorzugehen, begrüßt. Allerdings dient eine Vielzahl der Vorschläge, unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechtsextremismus der abzulehnenden Ausweitung des Strafrechts sowie abzulehnenden Erweiterung von Zugriffsrechten für die Ermittlungsbehörden. Sie räumen den Sicherheitsorganen, die insbesondere im Rahmen der Aufklärung von rechten Gewalttaten und Terrors immer wieder in der Kritik standen, noch mehr Befugnisse ein, statt wirksame Instrumente für Betroffenengruppen (bspw. unabhängige Meldestellen, Bekämpfung von racial profiling etc.) zu installieren. Diesseits wird - insgesamt betrachtet - weniger ein Regelungs- als ein Vollzugsdefizit gesehen. 
       
      Der Gesetzesentwurf versucht insbesondere im Bereich des Strafgesetzbuches, den gesellschaftlichen Rechtsruck und die Verrohung im gesellschaftlichen Umgang mit erhöhten Strafen zu begegnen. Gesellschaftliche Probleme sind in den seltensten Fällen über das Strafrecht zu lösen. Der RAV setzt sich daher für die Stärkung einer solidarischen Gesellschaft, lebendigen Zivilgesellschaft sowie unabhängige Demokratie- und Beratungsstellen ein. Das Ziel des Gesetzentwurfes wäre durch eine gesicherte, verstetigte Finanzierung und Unterstützung von unabhängigen Demokratieprojekten, Beratungs- und Forschungsstellen eher zu erreichen als mit der Erweiterung von Straftatbeständen. 
       
      I. Meldepflicht für Diensteanbieter*innen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz
       
      Der Gesetzesentwurf sieht laut Anschreiben an die Verbände und Fachkreise vor, dass Diensteanbieter*innen nach dem NetzDG zukünftig für Inhalte und IP-Adressen meldepflichtig an das Bundeskriminalamt sind, wenn die Inhalte insbesondere Morddrohungen und Volksverhetzungen enthalten. In der Änderung des NetzDG ist jedoch von dieser Einschränkung keine Rede mehr. Vielmehr sieht der neu zu schaffende § 3a NetzDG vor, dass der Anbieter eines sozialen Netzwerks alle Inhalte übermitteln muss, die dem oder der Anbieter*in in einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte gemeldet worden sind, die der oder die Anbieter*in entfernt oder gesperrt hat und bei denen Anhaltspunkte auf die Verwirklichung bestimmter Straftatbestände vorliegen. Zu übermitteln sind sodann der Inhalt des Beitrages sowie die IP-Adresse des oder der Nutzer*in. 
       
      Damit wird nicht nur den Betreiber*innen von sozialen Netzwerken die Prüfung eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer Straftat auferlegt und damit ein Teil der Strafermittlung und -verfolgung auf Private umgewälzt. Vielmehr ermöglicht der Entwurf eine umfangsreiche Datenweitergabe aus den sozialen Netzwerken an das Bundeskriminalamt: 
       
      Die Praxis zeigt, dass insbesondere Personen des rechten Spektrums oftmals in den sozialen Netzwerken durch massenhafte Beschwerden gegen andere Personen zur Löschung von Beiträgen oder temporären Sperrungen von Nutzer*innen beitragen. Mithin ermöglicht der Gesetzentwurf, es auf diesem Weg gerade auch rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen, unliebsame Personen durch die Meldepflicht der Anbieter*innen mittelbar beim Bundeskriminalamt bekannt zu machen. 
       
      Schlussendlich wird damit die Meinungskundgabe in sozialen Netzwerken aus Angst vor unbegründeten Meldungen an das Bundeskriminalamt eingeschränkt werden. Dem kann auch nicht durch die in § 3a NetzDG niedergelegten Meldevoraussetzungen begegnet werden. Im Zweifel werden - um Sanktionen zu vermeiden - eher Meldungen durch die Anbieter*innen erfolgen, bei denen die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Wie das Bundeskriminalamt mit den gemeldeten Daten verfährt, wenn sich herausstellt, dass die Meldevoraussetzungen nicht erfüllt sind, ist dem Entwurf nicht zu entnehmen.  
       
      II. BKA-Gesetz / StPO / Telemediengesetz 
       
      Die vorgeschlagenen Änderungen der StPO haben keinen expliziten Bezug zum mitgeteilten Ziel des Gesetzentwurfs. Die Datenerhebungsbefugnisse der Ermittlungsbehörden werden pauschal auf Nutzungsdaten (Änderungsvorschlag zu 100g und 100j StPO) und die Auskunftsverpflichtung auf Diensteerbringer*innen im Sinne des Telemediengesetzes erweitert. Damit ist nun nicht mehr nur Telekommunikation im technischen Sinne ausforschbar. Nunmehr sollen alle Diensteanbieter*innen im Sinne des Telemediengesetzes verpflichtet sein, Auskunft über ihre Nutzer*innen zu geben. 
       
      Diese Erweiterung der Auskunftsverpflichtung betrifft jedoch nicht nur Auskünfte gegenüber Ermittlungsbehörden, sondern auch gegenüber den Verfassungsschutzämtern (§ 15a Abs. 3 Nr. 3 TelemedienG - Entwurf).
       
      Es ist festzustellen, dass unter dem Deckmantel, den Kampf gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus zu verstärken, erneut die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden erweitert werden sollen. 
       
       III. Änderungen des Strafgesetzbuches

       1. Erweiterung von Straftatbeständen – Vorverlagerung von Strafbarkeit
       
      Grundsätzlich ist die erneute Schaffung von Tatbeständen, die weit im Vorfeld einer rechtswidrigen Tat eine Strafbarkeit eröffnen, abzulehnen. Es ist dem Strafrecht grundsätzlich fremd, Sanktionen für nicht begangene Handlungen auszusprechen. Immer wieder Straftatbestände im Bereich der Vortat zu schaffen oder zu erweitern, begegnet grundsätzlichen Bedenken.
       
      Die Ausweitung des Straftatenkatalogs in § 126 StGB wird daher abgelehnt. Es wird eine Vielzahl von Äußerungen pönalisiert, die gerade keine Androhung einer schweren Straftat darstellen. Die gefährliche Körperverletzung stellt im Unterschied zu den bisher in § 126 StGB aufgezählten Straftatbeständen ein Massendelikt dar. 

      Eine damit verbundene weitere Vorverlagerung stellt die vorgeschlagene Ausweitung von § 140 StGB dar. Dies würde bspw. bedeuten, dass jeder "Like" im web2.0 unter unstreitig widerlichen Kommentaren wie "der ... werde ich ordentlich die Fresse polieren" oder "dem werden wir das Maul stopfen" in den Bereich der Strafverfolgung gelangen könnten. Sympathiebekundungen für solche Äußerungen sind selbstverständlich verachtenswert und es ist ihnen gesellschaftlich entschieden entgegenzutreten. Ob jedoch das Strafrecht das richtige Mittel ist, die verbale Verrohung gesellschaftlicher und politischer Debatten zu begrenzen, darf mehr als nur bezweifelt werden. 
       
      Insoweit § 241 StGB in seiner jetzigen Fassung gesellschaftliche Macht- und Hierarchieverhältnisse manifestiert, nämlich dadurch, dass die Person mit der schwächeren (gesellschaftlichen) Position zu einer stärkeren - und damit pönalisierten - Drohung greift, wogegen es dem oder der (gesellschaftlich) Stärkere*n ausreicht eine Drohung auszusprechen, die nicht pönalisiert ist, kann die Antwort nicht sein, dass eine nahezu uferlose Ausweitung von Strafbarkeit bis hin zur Drohung mit einer einfachen Körperverletzung geschaffen wird.

      Auch hier gilt im Weiteren, dass das Strafrecht für die Bekämpfung von verbaler Verrohung der falsche Ort ist.
      Aus den vorgenannten Gründen wird auch die Qualifikation in § 241 Abs. 4 StGB-E als untauglich angesehen.

      Hinzu tritt, dass schon vorurteilsmotivierte Gewalttaten aufgrund personeller Defizite bei den Strafverfolgungsbehörden nach wie vor häufig mangelhafte Bearbeitung erfahren. Mit welchen personellen Ressourcen die hier angestrebte Strafverfolgung tatsächlich umgesetzt werden soll, lässt der Entwurf offen. 
       
      2. Verbesserter Schutz von Kommunalpolitiker*innen 
       
      Vorab sei angemerkt, dass die nach wie vor bestehende Fokussierung auf Staats- statt auf Menschenrechtsschutz kritisiert wird. Weshalb für die Aufrechterhaltung und den Schutz von Demokratie Politiker*innen als schützenswerter angesehen werden, als bspw. Repräsentant*innen der Zivilgesellschaft, - hingewiesen sei auf die massiven Bedrohungen gegen Anetta Kahana (Vorsitzende Amadeu-Antonio-Stiftung) - erschließt sich nicht.
       
      Solange unter Sicherung von Demokratie jedoch der Schwerpunkt auf dem Schutz des Staates und seiner Organe verstanden wird, gibt es aus hiesiger Sicht keinen Grund Kommunalpolitiker*innen schlechter zu stellen als die auf landes-, bundes- oder europäischer Ebene tätigen Personen. Der Erweiterung von § 188 StGB auf Kommunalpolitiker*innen wird insoweit nicht entgegengetreten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum gerade Kommunalpolitiker*innen, also jene, die am häufigsten "am nähesten" dran und überwiegend ehrenamtlich tätig sind, weniger schützenswert sein sollen. Demokratie lebt vom gesellschaftlichen Engagement vor Ort. Derzeit sind immer wieder (auch) Kommunalpolitiker*innen heftigen Anfeindungen, Beschimpfungen und Schmähungen ausgesetzt. Teils so massiv, dass sie ihr Engagement für die Gesellschaft beenden. Beispielhaft genannt sei die Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf Martina Angermann (SPD), die, nachdem sie sich klar gegen Rechts positioniert hatte, dauerhaft Angriffen ausgesetzt sah und schließlich zurücktrat.
       
      3. Verbesserter Schutz von medizinischen Personal in ärztlichen Notdiensten und Notfallambulanzen
       
      Auch hier sei angemerkt, dass die Schaffung immer neuer Straftatbestände die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Probleme wohl nicht lösen wird. Konkret wird kritisiert, dass Zivilist*innen (Ärzt*innen, Rettungssanitäter*innen etc.) in die Nähe von „Staat“ konstruiert werden. Wenn eine Regelungslücke für die, durch den Gesetzesentwurf benannten Personengruppen, die ohne Frage wie viele andere Berufsgruppen auch achtenswerten Dienst am Einzelnen und der Gesellschaft leisten, gesehen wird, so wäre eine Regelung im Bereich des § 323 c StGB anzusiedeln.
       
      4. Strafzumessung „vorurteilsmotivierte Beweggründe“
       
      Die Konkretisierung des § 46 Abs. 2 StGB wird grundsätzlich begrüßt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass nicht erneut der Fehler begangen werden sollte, Betroffenengruppen auszuschließen. Die Aufnahme von antisemitischen Beweggründen in die Strafzumessungsnorm wäre von Beginn an angezeigt gewesen. Klarstellend sollte zumindest in der Gesetzesbegründung aufgeführt werden, dass die, wie von der Bundesregierung beschlossen, internationale Antisemitismusdefinition (IHRA) zur Auslegung heranzuziehen ist. 
       
      Im Zuge der Veränderung sollte die Chance genutzt werden weitere Betroffenengruppen, die vorurteilsmotivierten Angriffen ausgesetzt sind, klarstellend aufzunehmen. Die Subsumption von Betroffenengruppe unter den Auffangtatbestand der "sonstigen menschenverachtenden Beweggründe" wurde bereits im Jahr 2014 zu Recht gerügt. 
       
      "Behinderte Menschen werden nicht Opfer von Hasskriminalität, weil sie Menschen sind, sondern weil sie eine Behinderung haben. (...) Minderheiten in einen Sammelbegriff zu packen ist genau das, was das Gesetz eigentlich gerade nicht tun sollte. Es sollte die besondere Situation der Opfer würdigen und transparent machen, dass es Straftaten gibt, die begangen werden, weil das Opfer eine Behinderung, eine bestimmte sexuelle Orientierung, eine andere Herkunft oder eine bestimmte Religion hat." (https://blog.zeit.de/stufenlos/2014/08/29/nicht-die-erwaehnung-wert-hasskriminalitaet/, Link, Christiane 29.08.2014)

      Der Lesben- und Schwulenverband LSVD kritisierte im damaligen Verfahren, dass es ein Ausdruck von Missachtung (ist), wenn ein Gesetz gegen Hasskriminalität diese Formen von Gewalt in der Floskel »sonstige menschenverachtende« Beweggründe versteckt. Alle Erfahrung zeigt: Wenn homophobe und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich mitbenannt ist, wird diesen Beweggründen in der Praxis von Polizei und Justiz zu wenig nachgegangen. (https://www.lsvd.de/de/ct/372-Gesetzesentwurf-zu-Hasskriminalit%C3%A4t-macht-Homo-und-Transphobie-unsichtbar , LSVD, 14.11.2014)
       
      Insofern wird angeregt, eine Formulierung zu finden, die ebenfalls Angriffe aus sozialdarwinistischen (bspw. Angriffe auf Wohnungslose und Menschen mit Behinderung) und heteronormativen Beweggründen (Taten aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität) umfasst.
       
      Der Begriff "fremdenfeindlich" sollte gestrichen werden, da für diesen (schon jetzt) - neben den rassistischen Beweggründen - kein Anwendungsbereich verbleibt.  Der Begriff impliziert eine auf Emotionen beruhende Angst vor »dem Fremden« und läuft Gefahr, die gesellschaftlichen Ursachen von Diskriminierung zu bagatellisieren. Auch kann er schnell vom eigentlichen Problem ablenken, denn Opfer von Angriffen werden nicht »Fremde« per se, sondern nur ganz bestimmte Minderheiten.

      Dresden/ Jena, 17.01.2020

      StN als PDF

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      Stellungnahmen
      news-657Wed, 18 Dec 2019 14:51:16 +0100Tag des bedrohten Anwalts 2020/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-bedrohten-anwalts-2020-65724. Januar 2020 | 13 Uhr Aufruf zur Teilnahme an einer Kundgebung vor der Botschaft von Pakistan in BerlinDer RAV wird anlässlich des "Tag des bedrohten Anwalts" am Freitag, 24.01.2020 um 13 Uhr gemeinsam mit der RAK-Berlin und vermutlich auch wieder mit der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und der VDJ zur Kundgebung vor der Botschaft von Pakistan in Berlin aufrufen, um auf die Situation der Kolleg*innen in Pakistan aufmerksam zu machen.
      Wie in jedem Jahr werden zeitgleich in vielen anderen europäischen Städten ebensolche Protestaktionen von Anwaltsorganisationen durchgeführt werden.

      24.01.2020. um 13 Uhr
      Botschaft der Republik Pakistan
      Schaperstr. 29
      10719 Berlin

      Bitte merkt Euch den Termin vor und unterstützt Eure Kollegen und Kolleginnen mit dieser Solidaritäts- und Protestaktion.

      Zur Vorabinformation dient der Basic Report (PDF)
      Weitere Details folgen Anfang Januar.

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      Tag des bedrohten AnwaltsEuropäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)
      news-653Mon, 16 Dec 2019 10:35:13 +010040 Jahre RAV. Im Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/40-jahre-rav-im-kampf-um-die-freie-advokatur-und-um-ein-demokratisches-recht-653Neuerscheinung, November 2019Volker Eick, Jörg Arnold (Hrsg.)

      40 Jahre RAV. Im Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht

      ISBN: 978-3-89691-264-0
      423 Seiten
      Preis: 35,00 €

      https://www.dampfboot-verlag.de/shop/artikel/40-jahre-rav

      Die Gründung des Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) fällt, gesellschaftskritisch betrachtet, mit der Krise des fordistischen Gesellschaftsmodells und dem aufkommenden globalen Neoliberalismus deutscher Prägung zusammen. Anders betrachtet reagierten Anwältinnen und Anwälte mit dem Aufbau des RAV zum Schutz der Freiheit der Advokatur und von demokratischer Rechtsstaatlichkeit gegen den Sicherheitsstaat auf die Einschränkung von Freiheits- und Berufsrechten, auf Ehrengerichtsverfahren und drohende Berufsverbote gegen diejenigen, die Mitglieder der RAF und andere Linke als Beschuldigte verteidigten. Zugleich beginnt der RAV, als Teil der Bürgerrechtsbewegung national wie international für Menschenrechte zu streiten.

      An den Protesten gegen das Atommülllager im Wendland, gegen die Treffen der G8- und G20-Eliten, für eine gerechte Mietenpolitik, für ein menschenrechtlich fundiertes Asyl- und Ausländerrecht ist der RAV ebenso beteiligt wie an der rechtspolitischen Kritik am Gefängnis-, Polizei- und Kriminalsystem.Die hier versammelten Beiträge stellen nicht nur ein Kaleidoskop der rechtspolitischen und verfahrensrechtlichen anwaltlichen Auseinandersetzungen der vergangenen vier Jahrzehnte dar, sondern benennen zugleich zukünftige Aufgaben im „Kampf um die freie Advokatur und um ein demokratisches Recht.“

      Es schreiben u.a.: Berenice Böhlo, Helga Cremer-Schäfer, Herta Däubler-Gmelin, Rolf Gössner, Wolfgang Kaleck, Udo Kauß, Ulrike Lembke, Anna Luczak, Helmut Pollähne, Birgit Sauer, Tobias Singelnstein, Elke Steven, Peer Stolle, Antonia von der Behrens und Hartmut Wächtler.

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      RAV-Historie
      news-650Wed, 27 Nov 2019 12:54:40 +0100Wir fordern die sofortige Beendigung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit mit der Türkischen Republik!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-fordern-die-sofortige-beendigung-der-polizeilichen-und-justiziellen-zusammenarbeit-mit-der-tuerkischen-republik-650Pressemitteilung, 27.11.2019Die jüngere Geschichte der Türkei ist durch die Zerstörung rechtsstaatlicher Standards nach innen und völkerrechtswidrige Aggression und Kriegsverbrechen nach außen geprägt. Weder die Bombardierung der eigenen Zivilbevölkerung in den Jahren 2015 und 2016, noch die Umgestaltung des türkischen Staates zu einer Präsidialdiktatur in den Folgejahren hatten eine entschiedene Reaktion der europäischen Regierungen zur Folge. Die Entlassung von mehr als hunderttausend Staatsbediensteten, die Inhaftierung hunderter Journalist*innen und Rechtsanwält*innen, die drakonische Verfolgung und Bestrafung der Wahrnehmung demokratischer Rechte, Wahlmanipulationen und die Nichtanerkennung von Wahlergebnissen, die Erdoğan nicht passen, wie auch der völkerrechtswidrige Angriff auf den syrisch-kurdischen Kanton Afrin, waren für die europäischen Regierungen kein Anlass, die Zusammenarbeit mit dem Erdoğan-Regime in Frage zu stellen. Ein unsäglicher Grund hierfür ist das mit Erdoğan geschlossene Bündnis zur Verhinderung der Weiterwanderung flüchtender Menschen nach Kerneuropa.

      Die Unterzeichnenden fordern angesichts der aktuellen Geschehnisse in Nordsyrien ihre jeweiligen Regierungen auf, endlich die längst überfälligen Konsequenzen gegenüber dem die Menschenrechte und Völkerrecht mit Füßen tretenden autoritären Erdoğan-Regime zu ziehen.

      Die Athener Rechtsanwältin Yiota Massouridou von der EDA erklärt: »Der türkische Staat hat seine völkerrechtswidrige Aggression gegenüber den nordsyrischen Kurdinnen und Kurden offen mit dem Ziel eines Bevölkerungsaustauschs begründet. Ein Staat, der ethnische ›Säuberungen‹ propagiert, in dem die grundlegenden Bürger- und Menschenrechte nicht gelten, in dem blanke Willkür herrscht und der Völkerrechtsverbrechen begeht, darf von keiner europäischen Regierung als Partner behandelt werden«.

      Wir fordern:

      Angesichts der politischen Verfolgung jeglicher Opposition, der gewaltsamen Unterdrückung der kurdischen Minderheit und der offenkundigen Zusammenarbeit des türkischen Staates mit Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat, birgt die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit mit der Republik Türkei die reale Gefahr der Verstrickung europäischer Behörden in Unterdrückung, Folter und Staatsterrorismus.

      Der Frankfurter (Main) Rechtsanwalt Stephan Kuhn vom Organisationsbüro der Deutschen Strafverteidigervereinigungen: »Nur durch den strikten Verzicht auf justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit mit türkischen Behörden lässt sich ausschließen, dass durch Informationen deutscher Behörden Unterdrückungsmaßnahmen, Folter und Unrechtsurteile in der Türkei erfolgen. Umgekehrt dürfen deutsche Gerichte und Behörden keine Informationen verwenden, denen offenkundig der Verdacht anhaftet, durch rechtsstaatswidrige Methoden gewonnen worden zu sein. Die Bundesregierung darf ein solches Regime durch Nichts unterstützen«.

      * Avocats Européen Démocrates / European Democratic Lawyers (AED/EDL)
      * Çağdaş Hukukçular Derneği | Progressive Lawyers Association
      * European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH)
      * Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      * Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
      * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      * Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)


      Kontakt:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Geschäftsstelle
      kontakt@rav.de
      Tel. +49 (0)30 41 72 35 55

      PM_deutsche Fassung (PDF)
      PM_englische Fassung (PDF)

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      Menschenrechte/Türkei (doublet)Pressemitteilung
      news-649Wed, 27 Nov 2019 12:26:06 +0100Polizeidatenbanken/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeidatenbanken-br-649Anwaltliche Unterstützung bei Auskunft und LöschungIn den vergangenen Jahren hat sich für die Sicherheitsbehörden ein neues Feld aufgetan, in dem die Überwachung immer weitere Kreise zieht. Insbesondere die Polizei speichert immer mehr Daten zu Personen, die in den Fokus der Polizei geraten waren, sei es im Rahmen von Strafverfahren oder auch durch andere Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen oder Platzverweise. Dies kann mit sehr ungünstigen Konsequenzen für die Betroffenen einher gehen, die über die Aufnahme ihrer Daten in eine polizeiliche Datei nicht informiert werden. Es mehren sich die Fälle, in denen Personen zum Beispiel bei der Ausreise oder einer Verkehrskontrolle langwierig kontrolliert werden, ohne dass sie jemals strafrechtlich verurteilt werden.

      Wie das System der Polizeidatenbanken funktioniert und welche Möglichkeiten der Auskunft und Löschung von Speicherungen in solchen Datenbanken es gibt, ist auf der vom RAV-Mitglied Dr. Anna Luczak betriebenen Webseite: www.polizeidatenbanken.de ausführlich erklärt.

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      Daten
      news-648Tue, 26 Nov 2019 11:11:01 +0100Antifaschismus ist gemeinnützig<br />Antifaschismus ist unteilbar/publikationen/mitteilungen/mitteilung/antifaschismus-ist-gemeinnuetzig-br-antifaschismus-ist-unteilbar-648Pressemitteilung Nr. 7 vom 26. November 2019Die VVN-BdA steht seit ihrer Gründung kurz nach der Befreiung vom Faschismus für die Erfüllung des Schwurs von Buchenwald vom 19. April 1945. Das KZ Buchenwald steht für den gemeinsamen entschlossenen antifaschistischen Widerstand von Häftlingen und zeigt, dass selbst unter den widrigsten Bedingungen Faschismus besiegt werden kann, wenn Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammenstehen.

      Das ist politisches Allgemeingut, nachzulesen auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung, einer Institution des Bundesministeriums des Innern:
      »Buchenwald erinnert nicht nur an die Grausamkeiten des NS-Terrors, sondern auch an den selbstorganisierten Widerstand der Gefangenen. Im Lager waren Antifaschisten aus zahlreichen europäischen Ländern interniert: Intellektuelle wie Stéphane Hessel aus Frankreich, der Schriftsteller und spätere spanische Kulturminister Jorge Semprún, drei ehemalige französische Ministerpräsidenten und andere sozialdemokratische, kommunistische und konservative Politiker sowie Geistliche. Sie etablierten in Buchenwald konspirative Netzwerke wie beispielsweise das kommunistische ›Internationale Lagerkomitee‹ und versuchten, die Gewaltexzesse der SS im Rahmen des Möglichen einzudämmen. […] Um den Opfern zu gedenken, kamen die Überlebenden am 19. April 1945 zusammen, um gemeinsam den Schwur von Buchenwald abzulegen: ›Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.‹«.

      Das Berliner Finanzamt für Körperschaften hat der Bundesvereinigung der VVN-BdA Ende Oktober 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannt und Steuerforderungen im fünfstelligen Bereich angekündigt und bedroht damit die VVN-BdA in ihrer Existenz. Es setzt damit in einer Zeit, in der sich nationalistische und faschistische Ideologie ausbreitet und wieder eine Partei gefunden hat, ein ganz anderes - gefährliches - Signal. Unter ausschließlicher Bezugnahme auf die politische Argumentation des CSU-beeinflussten bayerischen Verfassungsschutzes, die VVN-BdA sei die »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus« und in der VVN-BdA werde ein »kommunistisch orientierter Antifaschismus« verfolgt, beweist das Finanzamt, dass es die Lehren aus dem deutschen Faschismus nicht zu teilen bereit ist.

      Gabriele Heinecke vom Bundesvorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins erklärt dazu:
      »Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA ist politisch ungeheuerlich und juristisch ein Verstoß gegen die Verfassung. Wer heute behauptet, es gebe ›verschiedenen‹ Antifaschismus, von dem der eine gut und der andere schlecht und finanziell auszutrocknen sei, will die deutsche Geschichte und die Tatsache vergessen machen, dass Widerstand gegen Faschismus nur dann erfolgreich sein kann, wenn er vielfältig, international und unteilbar ist. Die Entscheidung ist sofort rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang fordert der RAV die Streichung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO, wonach die Finanzämter widerlegbar davon ausgehen können, dass ein Verein, der in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, nicht gemeinnützig ist«.

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      GemeinnützigkeitAntifaschismusPressemitteilung
      news-647Wed, 30 Oct 2019 13:03:31 +0100Polizeiliche Gewaltanwendung aus Sicht der Betroffenen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeiliche-gewaltanwendung-aus-sicht-der-betroffenen-647Veranstaltung zu den ersten Ergebnissen der Dunkelfeldstudie der Universität Bochum | 20.11.2019 | BerlinEine Veranstaltung mit Laila Abdul-Rahman und Hannah Espín Grau vom Forschungsprojekt KviAPol an der Ruhr-Universität Bochum.

      Rechtswidrige Gewaltanwendung durch Polizeibeamt*innen ist ein schwer wiegendes gesellschaftliches Problem. In den amtlichen Statistiken tauchen nur wenige solcher Fälle auf; fast immer wird das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt.

      In der Studie "KviAPol - Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" (https://kviapol.rub.de/) untersucht ein Team von Wissenschaftler*innen der Ruhr-Universität Bochum unter Leitung von Prof. Dr. Tobias Singelnstein erstmals für Deutschland das Hell- und Dunkelfeld übermäßiger polizeilicher Gewaltanwendungen. Nun liegen die ersten Ergebnisse der Untersuchung vor.

      Laila Abdul-Rahman und Hannah Espín Grau sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Forschungsprojekt KviAPol an der Ruhr-Universität Bochum. In ihrem Vortrag stellen sie die bisherigen ersten Ergebnisse der Untersuchung vor, berichten, wie die Studie weitergeführt wird und stehen anschließend für Fragen und Diskussion zur Verfügung.

      20.11.2019 um 18:30 h
      Humboldt-Universität zu Berlin
      Hauptgebäude
      Unter den Linden 6
      Hörsaal 2097

      Eine gemeinsame Veranstaltung des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV e.V.)

      PDF

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      PolizeigewaltVeranstaltungen
      news-646Fri, 25 Oct 2019 16:26:08 +0200Kein grenzüberschreitender Direktzugriff auf persönliche Daten durch die E-Evidence-Verordnung!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-grenzueberschreitender-direktzugriff-auf-persoenliche-daten-durch-die-e-evidence-verordnung-646Offener Brief an die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments:Sehr geehrte Damen und Herren,

      das Europäische Parlament berät über die Vorschläge von Kommission und Rat zu einer geplanten Verordnung über elektronische Beweismittel. Wir wenden uns an Sie, um unserer Besorgnis über den Vorschlag Ausdruck zu verleihen.

      Der Entwurf sieht vor, dass Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaates (Anordnungsstaat) Provider, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (Vollstreckungsstaat), unmittelbar verpflichten können, Meta- und Inhaltsdaten ihrer Kunden  herauszugeben. Die Herausgabe muss binnen zehn Tagen und in Notfällen binnen 6 Stunden erfolgen. Halten sich Anbieter nicht daran, so drohen ihnen Sanktionen in Höhe von bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes. Der Vollstreckungsstaat muss die Anordnung nicht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen und hat kein Recht, ihr zu widersprechen. Er ist hingegen verpflichtet, bei Nichteinhaltung eine Sanktion gegenüber dem Provider zu verhängen und zu vollstrecken. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Tat, wegen der ermittelt wird, in beiden Staaten eine Straftat ist. Auch Anbieter, die in Drittstaaten sitzen, in denen die zu verfolgende Tat keine Straftat ist, sollen zur Datenherausgabe verpflichtet werden dürfen, wenn sie ihre Dienste in der Europäischen Union anbieten.

      Die unterzeichnenden Organisationen warnen ausdrücklich vor diesem Vorhaben. Der Vorschlag nimmt Staaten die Möglichkeit, die Grundrechte ihrer Bürger zu schützen. Er höhlt das europäische Datenschutzrecht aus und droht, das bestehende internationale System der Rechtshilfe in Strafsachen zu beschädigen. Nur zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist der europäischen Ermittlungsanordnung ist nicht geklärt, ob tatsächlich Lücken in der grenzüberschreitenden Strafverfolgung bestehen.

      Unsere Kritikpunkte im Einzelnen finden sich in der PDF

      Mit freundlichen Grüßen

      Chaos Computer Club e.V.
      Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
      digitalcourage e.V.
      Digitale Freiheit
      Digitale Gesellschaft e.V.
      Humnasistische Union
      Neue Richtervereinigung e.V.
      Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      SaveTheInternet
      Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      als Einzelperson: Kilian Vieth, Stiftung Neue Verantwortung

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      Europa (doublet)Grundrechte
      news-645Wed, 23 Oct 2019 16:55:37 +0200Angriffe gegen den spanischen Kollegen Gonzalo Boye/publikationen/mitteilungen/mitteilung/angriffe-gegen-den-spanischen-kollegen-gonzalo-boye-645RAV erhebt gemeinsam mit anderen Organisationen Beschwerde beim UN-Sonderberichterstatter, 23.10.19Der spanische Rechtsanwalt Gonzalo Boye, der u. a. den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont vertritt, sieht sich einer Vielzahl von Angriffen seitens der spanischen Behörden ausgesetzt. So wurde beispielsweise am Montag, dem 21. Oktober 2019, das Haus des Kollegen Boye auf Antrag des spanischen Gerichts Audiencia Nacional durchsucht.

      Vorgeworfen werden Boye u.a. Dokumentenfälschung, Falschaussage und Missachtung des Gerichts – Vorwürfe, die sich als haltlos herausstellten. Durch die Medien und verschiedene konservative Politiker wird der Kollege Boye anhaltend beleidigt und bedroht.

      Nach Ansicht der Beschwerdeführer – neben dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), die European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH) und der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) – werden die Vorwürfe gegen den Kollegen Boye erhoben, weil die spanischen Behörden das Handeln des Rechtsanwalts mit dem Anliegen seiner Mandantschaft, hier der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, gleichsetzen.

      Die gegen den Kollegen Boye ergriffenen Maßnahmen stellen einen massiven und vollkommen inakzeptablen Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit dar. Aus diesem Grund hat der RAV eine vom ECCHR eingereichte Communication (Beschwerde) beim UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten mitgezeichnet. In der Mitteilung werden die Vorfälle und Angriffe gegen Gonzalo Boye dargestellt und der Sonderberichterstatter darum ersucht, die spanische Regierung aufzufordern, die Neutralität der spanischen Justiz zu gewährleisten und Maßnahmen gegen derartige Angriffe auf die freie Anwaltstätigkeit von Herrn Boye zu ergreifen.

      Mehr Informationen und den Beschwerdeschriftsatz finden Sie hier https://www.ecchr.eu/nc/pressemitteilung/angriffe-auf-ecchr-partneranwalt-gonzalo-boye/

      PDF

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      Freie Advokatur (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-644Fri, 18 Oct 2019 11:52:25 +0200RAV kritisiert ›brandstiftende‹ Ideologie der AfD:<br />Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses ungeeignet/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kritisiert-brandstiftende-ideologie-der-afd-br-brandner-als-vorsitzender-des-rechtsausschusses-ungeeignet-644Pressemitteilung Nr. 6 vom 18. Oktober 2019Stephan Brandners Äußerungen auf Twitter verleugnen die antisemitische, rassistische und misogyne Dimension des Anschlags von Halle. Wer Solidaritäts- und Schutzkundgebungen vor Synagogen und Moscheen als »Herumlungern« betitelt oder sich solche Formulierungen zu eigen macht und nicht in der Lage ist, die Motivation des Anschlags zu benennen, der offenbart erneut, dass er und seine Partei Teil des Problems sind. Die, die hetzen, die verharmlosen, die leugnen und relativieren sind – wenn auch nicht im juristischen Sinne – mitverantwortlich für antisemitische, rassistische und antifeministische Taten.

      Wir verurteilen auch die Angriffe auf unseren Kollegen Michel Friedman aufs Schärfste. Stephan Brandner zeigt mit den Angriffen auf Michel Friedman, wo die AfD steht. In antisemitischer Manier wird auf eine Person fokussiert, die jüdischer Herkunft ist und diese daher herabgewürdigt.

      Dazu Prof. Dr. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt in Bremen und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV: »Herr Brandner ist in seiner Funktion als Vorsitzender des Rechtsausschusses ungeeignet. Er beschädigt das Ansehen des Rechtsausschusses und erschwert dessen Funktionsweise massiv«.

      Das reguläre Gesetzgebungsverfahren stellt eine Beteiligung der Verbände sicher. Der RAV beteiligt sich aktiv an diesen Verfahren. Dies bedeutet auch, dass Mitglieder unseres Vereins an Anhörungen des Rechtsausschusses teilnehmen. Wir sehen große Probleme darin, dass die Leitung des Rechtsausschusses und damit auch die Durchführung von Beteiligungsverfahren im Rahmen des Ausschusses einer Person obliegt, die antidemokratische, diskriminierende und menschenverachtende Positionen vertritt.

      Dazu Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin in Dresden und ebenfalls Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV, »wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln um den solidarischen Zusammenhalt dieser Gesellschaft streiten. Wir werden die ›brandstiftende‹ Ideologie der AfD immer und immer wieder benennen und bekämpfen. Dazu gehört auch, dass wir Herrn Brandner nicht unwidersprochen in seiner Funktion als Vorsitzender des Rechtsausschusses respektieren werden«.

      Kontakt: Geschäftsstelle des RAV, kontakt@rav.de; Tel. 030. 41 72 35 55

      PM als PDF

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      Pressemitteilung
      news-643Tue, 08 Oct 2019 14:14:17 +0200Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-modernisierung-des-strafverfahrens-643RAV-Stellungnahme, 8.10.19Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

      Verfasser:
      RA Benjamin Derin, Berlin
      RA Lukas Theune, Berlin

          I. Vorbemerkung

      Die nachfolgende Stellungnahme wird nur auf ausgewählte, aus Sicht der im RAV organisierten Kolleginnen und Kollegen gewichtige Aspekte des Referentenentwurfs eingehen.

      Ganz grundsätzlich ist es im Sinne moderner Gesetzgebung nicht nachvollziehbar, dass erneute Gesetzesänderungen geplant werden, bevor kurz zuvor mit ähnlicher Stoßrichtung verabschiedete Rechtsakte evaluiert worden sind. Das betrifft insbesondere die erst 2017 erfolgten Änderungen durch das »Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens«[1] im Recht der Befangenheit und im Beweisantragsrecht. Der Bundestag müsste aus unserer Sicht vor einer Diskussion über weitere Einschränkungen der Rechte beschuldigter Personen – die im Gegensatz zu den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, zur Polizei und zur Justiz keine Lobby und damit kaum Einflussmöglichkeiten haben – zunächst prüfen lassen, inwieweit sich die vor zwei Jahren vorgenommene Reform auf die forensische Praxis ausgewirkt hat. Hierüber schweigt sich der vorliegende Referentenentwurf aus.

          II. Stellungnahme im Einzelnen

      Zu den nachfolgenden Punkten wird dezidiert Stellung genommen. Insgesamt durchzieht den Entwurf eine Tendenz zur Aufweichung wesentlicher Sicherungen der Rechte beschuldigter Personen, die das rechtsstaatliche Strafverfahren weiter zu gefährden geeignet ist. Im Einzelnen:

        1. Vereinfachtes Verfahren bei angeblich missbräuchlich gestellten Befangenheitsanträgen

      Der RAV spricht sich gegen die beabsichtigte Änderung des Befangenheitsrechts aus. Bereits jetzt ist das ehemals nachvollziehbar und einfach gestaltete Recht einer angeklagten Person, die/den zuständige*n Richter*in wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, so kompliziert ausgestaltet, dass es nur noch selten in Anspruch genommen wird geschweige denn Erfolg verspricht. Der Entwurf macht es Angeklagten ohne Not nochmals weitaus schwieriger, dieses fundamentale Recht zu nutzen.

      a) Der Hintergrund des Ablehnungsrechts liegt auf der Hand: Ein*e Richter*in, die/der begründeten Anlass zur Sorge gibt, der/dem Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber zu stehen und nicht »ohne Ansehen der Person« zu urteilen, darf ebenso wenig ein Urteil fällen wie ein*e Richter*in, der/die von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, vgl. § 24 Abs. 1 StPO. Präsentiert sich z.B. der Vorsitzende Richter auf seiner Facebook-Seite in einem T-Shirt mit dem Aufdruck »Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – JVA« und kommentiert dazu, dies sei sein »Wenn Du rauskommst, bin ich in Rente«-Blick,[2] muss sich die Person, die sich vor diesem Richter zu verantworten hat, nicht darauf einlassen, dass dieser über ihre Freiheit entscheidet – denn Neutralität kann hier nicht erwartet werden. Ebenso bestehen bei der Entscheidung über die Strafbarkeit von Sitzblockaden gegen eine von der AfD angemeldete Demonstration immer dann Zweifel an der Neutralität der zuständigen Richter*innen, wenn diese selbst Mitglieder der AfD sind.

      b) Der Referentenentwurf sieht insbesondere vor, dass die Verhandlung unter Leitung der/des Abgelehnten bis zu zwei Wochen lang und bis zur Urteilsverkündung fortgeführt wird, um dann so spät wie möglich über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Folgte das Ablehnungsrecht ursprünglich der Idee, die Besorgnis der Befangenheit unverzüglich zu klären und der/dem Angeklagten bis dahin möglichst keine Fortsetzung der Verhandlung unter der/dem potenziell befangenen Richter*in zuzumuten, verkehrt sich die Konzeption in das Gegenteil: Das Ablehnungsgesuch soll als bloßer Störfaktor an das Ende des Prozesses verbannt werden, wo es dann ohne viel Aufhebens abgelehnt werden kann.

      c) Für die/den Angeklagten dürfte es kaum nachvollziehbar sein, dass die/der abgelehnte Richter*in weiter an der Hauptverhandlung teilnimmt und in dieser durch die fortgeführte Beweisaufnahme bereits Fakten geschaffen werden, ohne dass eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erfolgt ist. Eine Beweisaufnahme führt auch dann, wenn sie letztlich nach begründetem Ablehnungsgesuch wiederholt werden muss, zu Ergebnissen: Ein Zeuge oder eine Zeugin wird durch die Fragen beeinflusst und wird nach Wiederholung der Beweisaufnahme sich an die erste Beweisaufnahme erinnern und versuchen, Fragen wieder so wie zuvor zu beantworten, auch wenn diese damals suggestiv erfolgt waren; auch bei Schöff*innen setzt sich die bereits stattgefundene Beweisaufnahme in den Köpfen fest. Das menschliche Gehirn ist eben kein Computer – dort kann nichts gelöscht werden; dass sich »die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters auf das Ergebnis des Verfahrens folglich nicht aus(wirkt)« (so S. 22 des Referentenentwurfs), ist insofern unhaltbar.

      d) Hinzu tritt, dass in der forensischen Praxis nach wie vor unverteidigte Angeklagte häufiger sind als solche mit Verteidiger*in (was unter anderem an der noch immer nicht erfolgten Umsetzung der Richtlinie über Prozesskostenhilfe im Strafverfahren liegt). Auch wenn es eigentlich nicht Aufgabe eines Anwält*innenvereins sein sollte, ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch und gerade diesen unverteidigten Angeklagten[3] das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zusteht – und hierzu gehört der/die Richter*in, bei dem »ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen« (§ 24 Abs. 2 StPO), eben nicht. Dabei ist einmal mehr daran zu erinnern, dass es eben nicht um die Frage geht, ob Richter*innen befangen sind (was sie selbst allzu oft missverstehen), sondern ob Angeklagte nachvollziehbar die berechtigte Sorge einer solchen Befangenheit haben.

      Diese Angeklagten ohne Rechtsbeistand zum Maßstab genommen wird deutlich, wie unmöglich es für sie ist, überprüfen zu lassen, ob ihre Besorgnis der Befangenheit zurecht besteht.[4] Der Referentenentwurf vertieft diese Schwierigkeiten und vereitelt damit letztendlich die Geltendmachung eines im Grundgesetz verbrieften Rechts angeklagter Personen. Wird die beschuldigte Person nämlich darauf verwiesen, das Ablehnungsgesuch schriftlich anzubringen, und wird dann die vorgesehene Zwei-Wochen-Frist in Gang gesetzt, ist es für eine angeklagte Person beinahe unmöglich, ihr Prozessverhalten darauf einzustellen – soll sie sich in der Zwischenzeit zu dem Vorwurf einlassen? Vor einem Richter oder einer Richterin, in deren Unparteilichkeit sie nicht vertraut? Oder allein deswegen lieber schweigen, während die Hauptverhandlung voranschreitet? Hier werden Angeklagte in lähmender Ungewissheit gelassen, ohne dass es hierfür einen Grund oder auch nur eine empirische Grundlage gäbe.

      e) Die für die Änderung angeführten Gründe vermögen nicht zu überzeugen und zeugen selbst von einem problematischen Prozessverständnis. Der Bundestag sollte jedenfalls in Bezug auf den im Referentenentwurf mitgeteilten Befund, »dass die weit überwiegende Anzahl der Befangenheitsanträge nach den Erfahrungen der justiziellen Praxis unbegründet« sei, (Gesetzentwurf S. 22), der allein es rechtfertige, das öffentliche Interesse an der beschleunigten Hauptverhandlung nunmehr stärker zu gewichten (ebd.), das BMJV um empirische Daten ersuchen, die diese These stützen. Solche gibt es nach unserer Kenntnis nicht. Der Referentenentwurf versucht, die Rechte angeklagter Personen in Bezug auf ihre Besorgnis der Befangenheit der zuständigen Gerichtspersonen weiter zu beschneiden und geht hierbei gegen die aus dem Bereich der Europäischen Union kommenden Rechtsakte einen nationalen Sonderweg der zunehmenden Einschränkung von Rechten verfolgter Personen – dies sollte dann zumindest so benannt werden und nicht unter dem ewigen Deckmantel der Modernisierung und Beschleunigung geschehen.

        2. Vereinfachte Ablehnung angeblich missbräuchlich gestellter Beweisanträge

      Die geplanten Änderungen des Beweisantragsrechts sind ebenfalls abzulehnen. Sie sind nicht nur überflüssig, sondern stellen eine erhebliche und nicht gerechtfertigte Beschneidung der Beschuldigten- und Verteidigungsrechte dar. Der Entwurf ist insofern Ausdruck einer besorgniserregenden Diskursverschiebung, als die aktive Ausübung von Beschuldigtenrechten und eine engagierte Verteidigung zunehmend als einem ›ordentlichen‹ Strafverfahren abträglich gelten. Diese bereits in der StPO-Reform 2017 erkennbare Tendenz droht, den rechtsstaatlichen Strafprozess in seinem Kern zu beschädigen.

      a) Leitprinzip der Strafprozessordnung ist im Lichte des Grundgesetzes, dass der/die Beschuldigte stets Subjekt und niemals bloßes Objekt des gegen ihn/sie gerichteten Verfahrens ist. Eines der wesentlichen Werkzeuge, das ihm/ihr zur Ausfüllung dieser Rolle an die Hand gegeben ist, ist das eigene Beweisantragsrecht. Mit der beabsichtigten Modifizierung des § 244 Abs. 3 und Abs. 6 StPO wird just dieses Instrument entscheidend gestutzt. Einerseits wird das Kriterium der Konnexität zum Bestandteil der neukodifizierten Definition des Beweisantrags gemacht, was dogmatisch unnötig ist und in der Praxis als Anhebung der Darlegungshürde missverstanden werden könnte. Andererseits wird die Ablehnungsschwelle abgesenkt. Anknüpfungspunkt hierfür ist die sogenannte Verschleppungsabsicht: Stellte diese bislang einen Ablehnungsgrund dar, bei dessen Vorliegen ein Beweisantrag förmlich abgewiesen werden kann, soll ihre Feststellung (oft: Unterstellung) künftig dazu führen, dass schon kein bescheidungsbedürftiger Antrag vorliegt. Zugleich soll es nicht mehr wie bisher darauf ankommen, ob der gestellte Beweisantrag überhaupt geeignet ist, zu einer erheblichen Verzögerung zu führen. So soll die Ablehnung vermeintlich missbräuchlicher Beweisanträge erleichtert und das Verfahren beschleunigt werden.

      b) Dies suggeriert zunächst, dass missbräuchliche und verschleppende Beweisanträge ein grassierendes Problem darstellten, welches reihenweise Prozesse zum Erliegen bringe. Tatsächlich bestehen hierfür keinerlei empirische Hinweise. Vielmehr dürfte es sich den bisherigen Erkenntnissen nach um ein äußerst seltenes Phänomen handeln. So gesteht auch die Entwurfsbegründung ein, dass der Verschleppungsabsicht in der Praxis kaum Bedeutung zukommt. Weshalb sich dies ändern soll, bleibt schleierhaft. Dass es dabei nicht um die Vermeidung von Verzögerungen geht, offenbart der ausdrückliche Verzicht auf das Kriterium der wesentlichen Verzögerungseignung. Der Entwurf richtet sich damit bewusst auch gegen solche Beweisanträge, denen ohne wesentlichen Zeitverlust nachgegangen werden könnte. Ob mit der Prävention unwesentlicher Verzögerungen überhaupt ein legitimer Zweck verfolgt wird, dürfte zweifelhaft sein. Unklar bleibt in dem Entwurf außerdem, wie man sich die prozessuale Realität einer solchen Vorgehensweise vorstellt. Der in eine ablehnende Entscheidung gegossene Vorwurf der Verschleppungsabsicht wird regelmäßig nicht unwidersprochen bleiben und einer Beschleunigung des Verfahrens insofern kaum zuträglich sein (das Gegenteil ist mindestens so plausibel).

      c) Im Vordergrund steht ersichtlich etwas anderes, nämlich die Rolle der Beteiligten in der Hauptverhandlung. Anstatt das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu würdigen, soll sich das Gericht lästiger Anträge künftig durch die Behauptung entledigen, diese könnten jedenfalls nichts Sachdienliches erbringen und dienten der Prozessverschleppung. Eine derartige Vorwegnahme des Beweisergebnisses steht im Widerspruch zu fundamentalen Prinzipien des modernen Strafprozesses (wie insbesondere der Unschuldsvermutung) und läuft Gefahr, den/die Beschuldigte*n zum Objekt zu reduzieren. Angesichts der klaren programmatischen Natur des Entwurfs erscheint es müßig, erneut darauf hinzuweisen, dass zur Ablehnung unzulässiger Beweisanträge schon lange hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Not tut wohl eher eine ebenso programmatische Aufforderung: Beweisanträge sollten nicht als zu bekämpfendes Übel, sondern als konstitutiver Bestandteil eines fairen Verfahrens und einer ergebnisoffenen Wahrheitssuche verstanden werden.

        3. Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen

      Für die beabsichtigte Einführung eines neuen Rechtsweges für Besetzungsrügen ist keine Notwendigkeit ersichtlich. Mit Blick auf die anvisierte Wochenfrist wird – ungeachtet dessen – eine großzügigere Frist von mindestens zwei Wochen zu bemessen und darüber hinaus eine Zustellung der Besetzungsmitteilung an die Verteidigung sicherzustellen sein, um das Recht nicht in Gänze zu vereiteln.

      a) Die vorgeschlagene Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen scheint zwar nicht irgendeiner tatsächlich bestehenden Notwendigkeit geschuldet zu sein – durchgreifende Einwände sollen dieser gegenüber indes nicht geltend gemacht werden, auch wenn zutreffend darauf hingewiesen wird, dass die Wahrung der einheitlichen Geltung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ohne Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes kaum möglich sein wird (die Divergenzvorlage des § 121 GVG ist hierfür kein ausreichender Ersatz; dies kann in anderen Fällen, wo sich der Instanzenzug beim Oberlandesgericht erschöpft – etwa im Ordnungswidrigkeitenrecht – zur Genüge festgestellt werden). Künftig wird der geplante längere Urlaub der Beisitzerin oder des Schöffen in dem einen Bundesland ausreichen, um den gesetzlichen Richter auszutauschen, in dem anderen nicht – es wird schwerfallen, sich hier einen Überblick zu verschaffen.

      b) Problematisch ist indes die vorgeschlagene Fristenregelung von nur einer Woche. Diese wird in der Praxis die Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts letztlich vereiteln.

      Wie prüft die Verteidigung die ordnungsgemäße Besetzung eines Spruchkörpers? Hierfür ist zunächst der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts einzusehen, dann der kammer- oder senatsinterne Geschäftsverteilungsplan anzufordern, schließlich in die Schöffen- und ggf. Hilfsschöffenliste Einsicht zu nehmen und ggf. herauszufinden, wie und von wem diese eigentliche gewählt worden sind. All das in einer Woche zu erledigen, dürfte unmöglich sein, jedenfalls dann, wenn die Verteidigung nicht zufällig am Gerichtsort ihr Büro hat. Ist die Besetzung geprüft worden und aus Sicht der Verteidigung der gesetzliche Richter nicht als Entscheidungsgremium vorgesehen, ist diese Rüge abzufassen, wobei die Anforderungen derjenigen einer Verfahrensrüge in der Revision entsprechen und damit so schwierig sind, dass für die Begründung einer Revision eine Frist von einem Monat gilt. All dies ist in einer Woche nicht zu schaffen und wird dazu führen, dass noch seltener die Verteidigung die Gerichtsbesetzung rügt und das Grundgesetz damit strukturell in diesem Punkt keine Geltung mehr beansprucht. Dies ist abzulehnen. Die Frist zur Anbringung sollte dahermindestens zwei Wochen betragen.

      Schließlich ist gesetzlich sicherzustellen, dass diese Frist nur in Gang gesetzt wird, wenn die Mitteilung der vorgesehenen Besetzung an die Verteidigung erfolgt. Wird nämlich etwa an den in Haft befindlichen Angeklagten zugestellt, wird die Frist noch kürzer und damit nicht mehr dem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gerecht.

      c) Erweiterung der DNA-Analyse auf Bestimmung der Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie des Alters.

      Die beabsichtigte Einführung der erweiterten DNA-Analyse ist entschieden abzulehnen. Sie ist unzweckmäßig, gefährlich und begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.

      Der Entwurf sieht vor, durch die Neufassung des § 81e StPO die erlaubten Feststellungen an Spurenmaterial unbekannter Spurengeber*innen zu erweitern und dazu nunmehr auch den sog. codierenden Bereich der DNA einzubeziehen. Wurden bislang nur Identifizierungsmuster, Abstammung und Geschlecht analysiert, soll künftig die Untersuchung auf Alter und mögliche Haar-, Augen- und Hautfarbe hin erlaubt sein. Der Gesetzgeber erhofft sich davon ein Bild der unbekannten Spurengeber*innen, das (fälschlicherweise) als genetisches Phantombild bezeichnet wird und der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten dienen soll.

      (1) Bei der Auswertung der Erbinformationen handelt es sich um schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen. Die Entwurfsbegründung verkennt dies und setzt die erweiterte DNA-Analyse mit »der Verwertung einer Fotografie« gleich (Referentenentwurf, S. 27). Das Genmaterial eines Menschen enthält Informationen zu den intimsten Bereichen der Person und kann unter anderem Aufschluss über Herkunft, Verwandtschaft, Persönlichkeitsveranlagungen, Lebenserwartung und potenzielle Erbkrankheiten geben (während die einschlägigen Wissenschaften beständig an weiteren Aufschlüssen arbeitet). Die Erkenntnisse gehen oftmals über das hinaus, was die Betroffenen von sich selbst wissen. Mit gutem Grund wird seit Jahrzehnten eine intensive gesellschaftliche Debatte um den Umgang mit DNA geführt, die von großer Skepsis und Sensibilität geprägt und bislang wohl nur selten mit der Betrachtung von Fotografien verglichen worden ist.

      Auch der Hinweis darauf, dass einige der nun erhobenen Eigenschaften teilweise von außen erkennbar sind, ist irreführend: Erstens werden die Informationen hier gerade nicht von außen gewonnen, sondern durch die Analyse genetischer Daten, die zuvor niemandem zugänglich waren. Zweitens wird nicht das Aussehen als visuelle Wahrnehmung festgestellt, sondern die Wahrscheinlichkeit einer individuellen menschlichen Entwicklung anhand des vorliegenden Erbmaterials und dem Forschungsstand zu dessen Auswirkungen. Hier darf nicht das Erkenntnisinteresse mit dem verwechselt werden, was tatsächlich festgestellt wird. Und drittens wird dabei nun erstmalig der sog. codierende Bereich untersucht. Er enthält alle erdenklichen Erbinformationen und ist damit um ein Vielfaches grundrechtssensibler als der für die bisherigen – vor allem vergleichenden – Feststellungen ausreichende nicht-codierende Bereich (von dem man lange Zeit annahm, er lasse keine nennenswerten Rückschlüsse über die Person zu).

      Diese fundamentale Umwälzung wirft die Frage auf, ob auch der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit betroffen ist. Verfassungsgerichtlich entschieden ist diesbezüglich bislang nur, dass unter engen Voraussetzungen der nicht-codierende Bereich untersucht werden darf. Problematisch dürfte in dieser Hinsicht insbesondere sein, inwieweit eine Auswertung von DNA faktisch überhaupt auf die hier erlaubten Merkmale beschränkt werden kann. Auch für Aussagen über vermeintlich harmlose Eigenschaften wie die Augenfarbe müssen unter Umständen dutzende oder gar hunderte von Genen ausgewertet werden, die wiederum vielfältige weitere Informationen enthalten. Die Anwesenheit bestimmter Gensequenzen oder Mutationen kann wiederum Hinweise auf Krankheitsrisiken und ähnliches zwangsläufig mitliefern, auch wenn diese nicht Ziel der Untersuchung waren.

      (2) Diesem massiven Eingriffsgewicht und Gefahrenpotential steht ein nur geringer Nutzen gegenüber. Entgegen der landläufigen Vorstellung lassen sich aus der DNA die gesuchten Eigenschaften nicht eindeutig ablesen. Es werden lediglich Hinweise auf mögliche Entwicklungen gewonnen. Diese werden als Wahrscheinlichkeit wiedergegeben. Das erkennt auch der Gesetzgeber an, begnügt sich aber mit der pauschalen Behauptung, die Vorhersagegenauigkeit sei für die genannten Merkmale »hinreichend« (Referentenentwurf, S. 27). Sie ist es nicht. Für das biologische Alter rechnet die Entwurfsbegründung selbst mit Abweichungen von bis zu zehn Jahren. Die positivsten Schätzungen führen für bestimmte häufige Augenfarben eine Genauigkeit von über 90% an. Schon für seltenere Augenfarben sind diese Werte weitaus niedriger und auch die Haarfarbe wird demnach nur in 75% der Fälle erfolgreich vorhergesagt werden. Sogar nach diesen extrem optimistischen Einschätzungen wäre ein großer Teil der aus Alter, Augen-, Haut- und Haarfarbe bestehenden „Phantombilder“ schlicht falsch, zumal sich die Ungenauigkeiten aufaddieren. Experten weisen darauf hin, dass die wirkliche Vorhersagegenauigkeit noch viel geringer sein dürfte. Hinzu tritt, dass sich beispielsweise Haar- und auch Augenfarbe leicht verändern lassen. Unabhängig von der gewaltigen Fehleranfälligkeit bleibt unklar, welche relevanten Ermittlungsansätze sich daraus ergeben, dass ein unbekannter Spurengeber (möglicherweise) blaue Augen hat. Die erweiterte DNA-Analyse kann damit keinen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten. Vielmehr besteht das ernstzunehmende Risiko, dass die Ergebnisse die Ermittler in die Irre führen und damit die Zahl zu Unrecht als potenziell verdächtigter Personen zunimmt.

      (3) Es steht zu befürchten, dass das eigentliche Interesse an der erweiterten DNA-Analyse darin liegt, über das (ungenaue) Merkmal der Hautfarbe darauf zu schließen, ob der/die Verdächtige einer Minderheit angehört, um die Ermittlungen dann hierauf zu fokussieren. Es ist vielfach nachgewiesen worden, dass sich derartige Hypothesen in den Strafverfolgungsbehörden nur allzu schnell bilden und dazu führen können, dass wichtige anderweitige Hinweise übersehen werden (so etwa hinsichtlich der NSU-Morde). Des erheblichen Diskriminierungspotenzials ist sich der Gesetzgeber zumindest teilweise bewusst, wenn er die Gefahr »rassistischer Stimmungsmache oder Hetze« anspricht. Das Argument, die Maßnahme an sich sei nicht diskriminierend, weil sie sich nicht »gegen eine bestimmte Personengruppe oder Minderheit« richte (Referentenentwurf, S. 28), ist allerdings entlarvend: Die Gefahr der Diskriminierung liegt darin, dass die erweiterte DNA-Analyse erkennbar vor allem für Szenarien gedacht ist, in denen sie Angehörige irgendeiner Minderheit betrifft.

      Unter Berücksichtigung aller Umstände kann hier von einer verhältnismäßigen Maßnahme nicht mehr die Rede sein.

          III. Die weiteren Regelungsvorschläge

      Zu den anderen Punkten in dem Referentenentwurf erfolgt keine eigene ausführliche Stellungnahme; es seien indes jeweils wenige Worte erlaubt:

          1. Verbot der Gesichtsverhüllung

      Die Einführung eines Verbots der Gesichtsverhüllung halten wir für rein populistisch begründet. Es ist bislang in Gerichtssälen bereits Praxis, dass selbst Kopfbedeckungen abzunehmen sind. Die/der Richter*in verfügt dies im Rahmen der ihr/ihm obliegenden Sitzungsleitung. Für Weiterungen besteht aus unserer Sicht daher kein Bedarf.
      Nicht behandelt wird indes der in der Praxis vorkommende Fall, dass in Zivil eingesetzte Polizeibeamt*innen ›verkleidet‹ vor Gericht erscheinen. Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert, dass diese Möglichkeit, die gerade bei Tatzeug*innen die Verteidigungsmöglichkeiten erheblich einschränkt, nicht durch § 68 Abs. 3 StPO gedeckt ist.

          2. Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung zur Verfolgung des Wohnungseinbruchsdiebstahls

      Im Hinblick auf die beabsichtigte Erweiterung des Kataloges des § 100a StPO kann der RAV nur erneut darauf hinweisen, dass von derartigen Maßnahmen stets eine Vielzahl Unbeteiligter betroffen ist, in deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung immer weiter und häufig in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen wird. In Deutschland wird ohnehin im internationalen Vergleich zu häufig TKÜ eingesetzt – durch die Erweiterung gerade auf den Wohnungseinbruch würde diese Tendenz noch massiv befördert.

          3. Einführung eines Gerichtsdolmetschergesetzes zur bundesweiten Vereinheitlichung der Standards für Gerichtsdolmetscher

      Die vorgesehene Vereinheitlichung von Standards für Gerichtsdolmetscher*innen begrüßt der RAV ausdrücklich. Hier setzt der Entwurf der zu Recht wahrgenommenen mangelhaften derzeitigen Situation eine gute Regelung entgegen.

      Berlin, 08.10.2019


      [1] Vgl. hierzu Singelnstein/Derin NJW 2017, 2646.
      [2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/wir-geben-ihrer-zukunft-ein-zuhause-jva-facebook-richter-darf-strafrichter-bleiben/13652892.html
      [3] Die Verteidigung selbst hat ohnehin kein Ablehnungsrecht, vgl. § 24 Abs. 3 StPO.
      [4] Vgl. für einen Fall, wo dies versucht wurde: KG (5. Strafsenat), Beschluss vom 13.04.2018 - 5 Ws 37/18.

      Stellungnahme als PDF

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      Stellungnahmen
      news-642Wed, 02 Oct 2019 14:32:02 +0200Gefängnisse in Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland:<br />Gewalt in Gefängnissen hinterfragen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gefaengnisse-in-russland-der-ukraine-frankreich-und-deutschland-br-gewalt-in-gefaengnissen-hinterfragen-642Seminar im Rahmen des Europäischen Tag des Anwalts, 25./26.10.19 in BerlinDas zeitgenössische Gefängnis ist in ein dichtes Netz von Interventionen von Kontrollorganen und verbindlichen internationalen Standards eingebunden, die in erster Linie darauf abzielen, Verletzungen der Integrität der Inhaftierten - durch Bedienstete, Mitgefangene oder durch Sicherheitsmanagementsysteme - zu verhindern.
      Ist es, fast zwanzig Jahre nach der Bekräftigung des Rechts auf menschenwürdige Haftbedingungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, gelungen das Streben nach einer gewaltfreien Strafe durchzusetzen und Mechanismen entgegenzuwirken, die verbreitet als dem Gefängnis inhärent angesehen werden?
      Ist es dem europäischen Projekt für gemeinsame Mindeststandards gelungen, nationale pönologische Vorstellungen und Berufskulturen zu überwinden, d. h. die eingeschliffenen Mechanismen im Vollzug aufzubrechen?
      Welche Widerstands-/Anpassungsstrategien haben die Gefängnisverwaltungen als Reaktion auf diese Reformanordnungen eingesetzt?
      Welche Wege aus der Gewalt im Gefängnis zeigen diese Erfahrungen auf?
      Können Akteure der Zivilgesellschaft diese Veränderungen erzwingen? Können insbesondere Anwält*innen dazu beitragen, die Wachsamkeit aufrechtzuerhalten?

      Programm

      Das Seminar findet im Rahmen des Europäischen Tages des Anwalts statt und wird ehemalige Gefangene, Forscher*innen, führende Vertreter der Zivilgesellschaft und Anwält*innen zusammenbringen, um das Problem der Gewalt im Gefängnis im Westen (Deutschland und Frankreich) und den ehemaligen Sowjetstaaten im Osten (Russland und Ukraine) zu erörtern.

      Bezüglich der Ukraine und in Russland wird das Seminar darauf abzielen, die jeweiligen Wege der in den Ländern durchgeführten Gefängnisreformen zu diskutieren und zu hinterfragen, ob es gelungen ist, mit dem Vermächtnis des Gulag zu brechen.
      In welcher Form manifestiert sich Gewalt im Gefängnis?
      Wie stellt sich die Gefängnissubkultur, die traditionell mit einem starren Hierarchiesystem und informellen Regeln verbunden ist, und die das System nach "roten" Gefängnissen (kontrolliert von Gefängnispersonal und deren Helfern) und "schwarzen " Gefängnissen (kontrolliert von Gefangenengruppierungen) unterscheidet, heute dar?
      Wie gelingt es Menschenrechtsverteidiger*innen angesichts der unterschiedlichen politischen und sozialen Kontexte der beiden Länder, Missbrauch zu bekämpfen und die stark punitive Rationalität des Strafrechtssystems einzudämmen?
      Besondere Aufmerksamkeit wird den Gefängnissen in den Gebieten der Ostukraine außerhalb der Kontrolle der Regierung (LNR und DNR) gewidmet, da sie ein blinder Fleck für Rechtsstaatlichkeit und demokratische Kontrolle zu sein scheinen.

      Im Gegensatz dazu werden westliche Gefängnisse seit langem von einer Politik regiert, die von einem strikten Verbot körperlicher Gewalt geprägt ist, und manchmal sogar von einem humanitären Ethos, der jede Form von Leiden bei der Vollstreckung des Urteils verurteilt. Von Osten aus gesehen, werden sie oft als vorbildliches Modell betrachtet.
      Aber spiegelt ein solches Paradigma nicht in gewissem Maße die Diskrepanz zwischen dem Diskurs über die Rechte der Gefangenen und der Realität in Gefängnissen wider?
      Trotz gesundheitsbezogener und materieller Bemühungen:
      Führen nicht die Zwänge des Sicherheits- und Verwaltungssystems, die durch die Gefängnisverwaltung umgesetzt werden, und das Fehlen von Konflikträumen im Gefängnis, welches andere Gewaltformen etabliert, die zwar diffuser und/oder von symbolischer Natur sind, gleichsam zu einer Schädigung der Person, die ihnen ausgesetzt sind?
      Wie geht das Gefängnis in einer demokratischen Gesellschaft, die von Rechtsstaatlichkeit regiert wird, mit der Gewalt um, die täglich im Inneren zum Ausdruck kommt?
      Stellt unter diesem Gesichtspunkt die jüngste öffentliche Politik, die die Maßnahmen der Gefängnisse massiv auf die Aufdeckung und Behandlung von gewalttätigem Extremismus ausrichtet, nicht eine Radikalisierung des Sicherheitsansatzes dar, die ein gewisses Maß an institutioneller Gewalt im Rahmen des Risikomanagements als notwendig unterstellt?

      Im Rahmen des Europäischen Tags des Anwalts laden
      die Fachhochschule Dortmund,
      der Verein Strafvollzugsarchiv e.V.,
      der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein e.V.,
      die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und
      das European Prison Litigation Network
      ein:

      Gefängnisse in Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland: Gewalt in Gefängnissen hinterfragen

      25. Oktober, 16:00 bis 20:00 Uhr
      Humboldt Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Bebelplatz 2, Seminarraum 144

      26. Oktober, 9:00 bis 17:30 Uhr
      Humboldt Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Unter den Linden 6, Seminarraum 2093

      Freier Eintritt bei Anmeldung unterPrisonViolence@prisonlitigation.org
      Seminar in Deutsch, Französisch und Russisch mit Simultanübersetzung

      In Zusammenarbeit mit:
      NGO Charkiw Menschenrechtsschutzgruppe, Ukraine
      NGO Irkutsk ohne Folter, Russland
      NGO Legal Basis, Jekaterinburg, Russland
      NGO Ural Human Rights Group, Tscheljabinsk, Russland

      Das genaue Programm kann hier runtergeladen werden Flyer

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      VeranstaltungenStrafvollzug
      news-641Fri, 27 Sep 2019 12:30:26 +0200Referentenentwurf zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-zur-verlaengerung-und-verbesserung-der-regelungen-ueber-die-zulaessige-miethoehe-bei-mietbeginn-641RAV-Stellungnahme, 27.9.2019Mit Datum vom 03.09.2019 hat das BMJV einen Gesetzesentwurf zur Verlängerung und Verbesserung der Mietpreisbremse vorgelegt. Es enthält zwei Regelungen:

      1. Die Mietpreisbremse wird um fünf Jahre verlängert. Die Landesregierungen können also Verordnungen erlassen, die spätestens zum 31.12.2025 außer Kraft treten, bereits bestehende Regelungen können verlängert werden.

      2. Der Mieter kann zu viel gezahlte Miete auch für die Vergangenheit zurück verlangen, wenn er die überhöhte Wiedervermietungsmiete spätestens 30 Monate nach Vertragsbeginn rügt, längstens jedoch bis zum Ende des Mietverhältnisses.
       

      Grundsätzlich begrüßen wir beide Reformvorschläge.

        1. Verlängerung der Mietpreisbremsenregelungen

      Die fünfjährige Verlängerung ist dringend notwendig; ein Auslaufen zum Ende 2020 – wie ursprünglich vorgesehen – wäre fatal.

      Die Mietpreisbremse hat zwar tatsächlich zu einer Verlangsamung der Mietendynamik geführt – obwohl die Regelung in der Vergangenheit mit erheblichen praktischen Problemen zu kämpfen hatte, die die Wirksamkeit dieses Steuerungsinstruments erheblich eingeschränkt haben.

          a. Verfassungsrechtliche Unsicherheiten

      Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass die Mietpreisbremse von Beginn an immer wieder verfassungsrechtlich in Zweifel gezogen wurde. Spätestens mit dem Vorlagebeschluss der 67. Kammer des Landgerichts Berlin im Oktober 2017 an das Bundesverfassungsgericht wurden viele gerichtliche Verfahren über die Mietpreisbremse ausgesetzt und die Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen abgewartet. Dies hat sich nun geändert. Das Bundesverfassungsgericht hat am 18.07.2019 in seinem ausführlich begründeten Beschluss zu allen wesentlichen Fragen der Verfassungsmäßigkeit Stellung genommen und dem Gesetzgeber Sicherheit gegeben. Dieser kann auch für die Wiedervermietung Regelungen zur Begrenzung der Mietpreise aufstellen, ohne dass dies gegen die Verfassung verstieße. Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, ist die ureigene Kompetenz des Bundesgesetzgebers. Diese Klarheit wird dazu führen, dass nun mehr Mieterinnen und Mieter die Höhe der Wiedervermietungsmiete prüfen und ihre Rechte auch durchsetzen werden. Denn nach der Konstruktion der Regelung hängt die Wirksamkeit der Mietpreisbremse derzeit allein davon ab, dass Mietende ihre Rechte durchsetzen; entgegen landläufiger Vorurteile wird die Miete ja nicht von Amts wegen gesenkt. Durch die Klarstellung in den verfassungsrechtlichen Fragen hat die Mietpreisbremse endlich die Chance, tatsächlich zu wirken. Dann wird es in Zukunft auch nicht mehr zu den eklatanten Abweichungen von bis zu 66% zwischen Vergleichsmieten und Angebotsmieten kommen, wie diese in der Tabelle auf Seite 7 des Referentenentwurfs ausgewiesen sind.

          b. Regionale Geltung der Mietpreisbremse und viele ungültige Landesverordnungen

      Die Mietpreisbremse gilt nicht automatisch. Vielmehr werden in § 556 d Abs. 2 BGB die Länder ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen, in denen dann die Regelungen gelten sollen. Hierfür gibt es zahlreiche formelle und materielle Vorgaben, die eingehalten werden müssen. In zahlreichen Fällen ist dies den Ländern nicht gelungen. Die Verordnungen wurden für unwirksam erklärt, die Mietpreisbremse verlor ihre Gültigkeit. Besonders prominente Beispiele sind Hamburg (LG Hamburg, Urteil v. 14.6.2018, Az. 333 S 28/18; inzwischen gilt eine neue Verordnung), München (LG München Urteil v. 06.12.2017, Az. I 14 S 10058/17; hier gilt ebenfalls eine neue Verordnung), Stuttgart (LG Stuttgart Urteil v. 13.3.2019, Az. 13 S 181/18) und Frankfurt (LG Frankfurt/Main Urteil v. 27.3.2018, Az. 2-11 S 183/17). In Berlin gilt die Mietpreisbremse weiter unverändert. Allerdings haben zumindest zwei Landgerichtskammern regelmäßig die Verfahren wegen der Vorlage zum Bundesverfassungsgericht ausgesetzt. Faktisch gilt die Mietpreisbremse daher nur in wenigen Regionen. Das gilt leider auch für die Schwarmstädte, die ganz besonders von Wohnungsknappheit bedroht sind.

      Aus den vorgenannten Gründen kann man bisher allenfalls von einem Feldversuch zur Erprobung der Mietpreisbremse sprechen. Es gibt Chancen, dass sich dies ändert. Die Landesverordnungsgeber haben hoffentlich aus den Gerichtsentscheidungen gelernt und werden rechtssichere Verordnungen erlassen. Die Verfassungsfragen sind geklärt. Von daher kann das Instrument in den nächsten fünf Jahren endlich seine Wirkung entfalten.

      In diesem Zusammenhang sollte überlegt werden, ob das Gesetz nicht gänzlich entfristet wird. Verfassungsrechtlich dürfte dies kaum problematisch sein, zumal die Prüfung der Erforderlichkeit bei den Ländern verbleibt, die dies regelmäßig spätestens nach fünf Jahren zu überprüfen haben.

      Gleichzeitig muss bedacht werden, ob nicht die Anforderungen an die Verordnung zur Ausweisung der Gebiete herabgesetzt werden, an Förmeleien sollte dieses Regelungsinstrument nicht scheitern.

        2. Rückforderung für die Vergangenheit

      Die geplante Änderung des § 556g Abs. 2 BGB und die Bestimmung, auch rückwirkend Mieten zurückverlangen zu können, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Bisher traf Vermieter*innen nur ein geringes Risiko, musste er doch die erhöhten Mieten erst nach Rüge der betroffenen Mieter*innen für die Zukunft senken. Dies stellte eine Einladung zum Ignorieren der Mietpreisbremse dar, zumal der Verstoß gegen Vorschriften der Mietpreisbremse auch im Übrigen keine Sanktionen nach sich zog. Waren die unter 1. dargelegten Gründe die praktischen Bremsen der Bremse, ist die aktuelle Rügeobliegenheit mit Wirkung in die Zukunft das verfahrensrechtliche Hemmnis. Die zaghaften, meist schlecht beratenen Mieter*innen wurden benachteiligt.

      Nach der neuen Regelung sollen nunmehr Rückforderungen überhöhter Mietzahlungen auch vor dem Zeitpunkt der Rüge möglich sein – allerdings nur, wenn der Mieter bzw. die Mieterin dies innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre des Vertrags rügt. Wird diese Frist verpasst, kann wie bisher nur noch für die Zukunft die überhöhte Miete zurückverlangt werden. Ein Grund für diese zeitliche Grenze erschließt sich nicht. Die Möglichkeit der Rückforderung nicht geschuldeter Miete im Rahmen der Regelverjährung nach § 195 BGB wäre nachvollziehbar und sachdienlich.

      Abzulehnen ist auch das Ansinnen, die Rückforderung im Falle des beendeten Mietverhältnisses auszuschließen. Auch dafür gibt es keinen sachlichen Grund. Im Gegenteil: Eine solche Regelung benachteiligt diejenigen Mieter*innen, die im laufenden Mietverhältnis aus unterschiedlichen Gründen keinen Streit mit ihren Vermieter*innen anfangen wollen. Sie werden leer ausgehen.

      Es sollte erwogen werden, das gesamte Verfahren zu vereinfachen und zu effektivieren. Von Anfang an hat sich uns die Erforderlichkeit der Rügeobliegenheit nicht erschlossen. Es sollte die Vermieter*innen schützen, die sich redlich angestrengt hatten, die höchstzulässige Miete zu ermitteln und denen dies aufgrund der komplizierten Wege zur Bestimmung dieser Werte nicht gelungen war (so jetzt auch Seite 8 des Referentenentwurfs). Aber wovor müssen diese Vermieter*innen denn geschützt werden? Ihnen drohen keine staatlichen Sanktionen. Er muss einzig und allein die zu viel gezahlte Miete erstatten. Unredliche Vermieter*innen sind sowieso nicht schützenswert. Aber auch redliche Vermieter*innen, die sich über die Miethöhe irren, müssen nur Fehler korrigieren, für die sie – und das ist das Wesen eines Irrtums – in der Regel ein Verschulden trifft.

      Vor diesem Hintergrund sollte erwogen werden, § 556g Abs. 2 BGB gänzlich zu streichen. In diesem Falle wären die Mieten, die die höchstzulässigen Mieten übersteigen, unwirksam und könnten nach § 812 BGB zurückverlangt werden. Es bliebe die zeitliche Beschränkung durch die Verjährungsregelungen. Dies ist völlig ausreichend.

      Die derzeitige Regelung ist selbst für einen Volljuristen schwer durchschaubar, denn: Die überhöhten Mieten werden nicht geschuldet. Zahlt Mieter*innen ohne Rüge den unzulässigen Teil nicht, kommen sie nicht in Zahlungsverzug und schulden die Miete nicht. Gleichzeitig können sie aber die zu viel gezahlte Miete gleich einer Naturalobligation nicht zurückfordern oder aufrechnen. Das kennen wir sonst nur aus Glückspiel und Wette. Aber ist das hier wirklich angebracht?

      Auch wenn in dieser Novelle eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Rechtszustand zu sehen ist, wird deutlich, dass weiterhin das Interesse der Vermieter*innen an Rechtssicherheit über das Interesse der Mieter*innen gestellt wird, eine nichtgeschuldete Leistung vollständig zurückfordern zu können. Nach zweieinhalb Jahren sollen Vermieter*innen nun die Sicherheit bekommen, auch nicht geschuldete Mieten behalten zu dürfen und nach Beendigung des Mietvertrags auch. Diese Prioritätensetzung zugunsten der Vermieter*innen ist nicht nachvollziehbar.

      Insbesondere würde gerade das wirtschaftliche Risiko, überhöhte Mieten zu jedem Zeitpunkt des Mietverhältnisses zurückerstatten zu müssen, Vermieter*innen schon zu Vertragsbeginn anhalten, nur die tatsächlich gem. 556d Abs. 1 BGB geschuldete Miete zu verlangen. Und je mehr Vermieter*innen sich an das Gesetz halten, auch ohne dass ihre Mieter*innen dafür erst tätig werden mussten, desto mehr ist die Mietpreisbremse geeignet, Breitenwirkung zu entfalten und den Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete wirklich zu dämpfen. Wenn das weiterhin das Ziel sein soll, ist nicht ersichtlich, warum die nicht geschuldete Miete nicht einfach stets im Rahmen der Regelverjährung nach § 195 BGB von den Mieter*innen zurückgefordert werden können soll.

        3. Weiterer Regelungsbedarf

      In der Praxis erweist sich auch der Einwand der vorherigen Modernisierung als konfliktträchtig. Streit gibt es über Umfang und Höhe der Kosten. Rekurriert wird immer auf einen Sachverhalt, den die Mieter*innen schwer beurteilen können, da er noch vor dem Vertragsbeginn liegt. Zudem wird gerade durch die Modernisierung der Zustand der Wohnung so verbessert, dass damit auch die ortsübliche Vergleichsmiete, die ja Grundlage für die Ermittlung der höchstzulässigen Miete ist, steigt. Dies ist völlig ausreichend. Daher sollten die Einschränkungen in § 556e und die modernisierungsbedingten Ausnahmen in § 556f BGB gestrichen werden.

      Berlin, 27.9.2019

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      Mietrecht (doublet)MietpreisbremseStellungnahmen
      news-640Wed, 18 Sep 2019 12:20:44 +0200Rechten Terror jetzt aufklären!<br />Das Berliner Abgeordnetenhaus muss handeln/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechten-terror-jetzt-aufklaeren-br-das-berliner-abgeordnetenhaus-muss-handeln-640Gemeinsame Presseerklärung von VDJ, RAV, ILMR, 18. September 2019In Berlin-Neukölln kam es in den letzten Jahren zu ungewöhnlich vielen rechten Gewalttaten. Die rechten Brandanschläge gegen diverse Bezirkspolitiker, einen Buchhändler und der Mord an Burak Bektaş sowie Morddrohungen gegen weitere  Personen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, konnten jedoch bis heute nicht aufgeklärt werden. Während bisherige Ermittlungen ins Leere liefen, kam es zu rechten Umtrieben im Berliner Landeskriminalamt (LKA).

      So verfassten Polizeibeamte Drohbriefe gegen Linke, und von der Polizei erstellte Namenslisten fanden sich plötzlich auf rechtsradikalen Blogs. Obwohl der Berliner Verfassungsschutz konkrete Kenntnisse über die Gefahr eines Brandanschlages auf den Bezirkspolitiker Ferat Kocak hatte, wurde er vom Verfassungsschutz nicht gewarnt. Schließlich kam es zum lebensgefährlichen Anschlag auf ihn und seine Familie.

      Rechte Motive des Mordes an Burak Bektaş wurden nicht weiterverfolgt, und aus den Akten lassen sich zahlreiche Ermittlungsfehler entnehmen. "Fehler", die auf dem sog. ›Confirmation Bias‹ basieren, d.h. vorurteilsbelastete Ermittlungen, die von einer bestimmten Hypothese ausgehen und daher nur so ermitteln, dass diese Erwartungen erfüllt werden, springen hier ins Auge.

      Das Magazin Kontraste recherchierte derweil, dass ein LKA-Beamter privaten Kontakt in die Neonazi-Szene hielt. Diese Vorgänge erinnern stark an die Vertuschungen, unterdrückten Ermittlungen und engen Kontakte zwischen Sicherheitsbehörden und Neonazis, die bezüglich der NSU-Morde bekannt wurden. Deshalb forderten die Opfer der Brandanschläge im Mai 2019, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufnehmen soll, was dieser ablehnte.

      Die Vertuschungen und oberflächlichen Ermittlungen zu den NSU-Morden dürfen sich nicht wiederholen!

      Wir fordern deshalb, dass den Hinweisen auf rechte Strukturen im Berliner LKA nachgegangen wird und in allen Berliner Sicherheitsbehörden die notwendigen personellen und strukturellen Konsequenzen gezogen werden!

      Wir fordern, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus von Berlin zur Aufklärung der rechtsradikalen Neuköllner Anschlagsserien und dem Mord an Burak Bektaş eingerichtet wird!

      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. (VDJ)
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV)
      Internationale Liga für Menschenrechte e. V. (ILMR)

      PM als PDF

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      PressemitteilungRechtsextremismus
      news-637Tue, 17 Sep 2019 15:01:00 +0200Zeug*innen wie alle anderen?<br />Polizeibeamt*innen als Tatzeug*innen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zeug-innen-wie-alle-anderen-br-polizeibeamt-innen-als-tatzeug-innen-637Podiumsdiskussion | 7.11.19 | Kammergericht Berlin Prof. Dr. em. Günter Köhnken, Rechtspsychologe Kiel | StA Dr. Heiko Artkämper, Dortmund | VRi LG-Berlin Kristin Klimke | Marco Noli, AG Fananwälte | RA Lukas Theune, Berlin --> JETZT MIT PROTOKOLL DER VERANSTALTUNG Polizeizeug*innen sind aus dem strafgerichtlichen Alltag kaum wegzu denken. Sie spielen als Tatzeug*innen in vielen Verfahren eine wesentliche Rolle und sind für die Strafjustiz wichtige Stützen bei der effektiven Fallbewältigung: Polizeizeug*innen sind stets gut vorbereitet, sie gelten bei vielen Richter*innen als neutral und allein aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung als gewissenhaft und zuverlässig.
      Ob diese Aussagen tatsächlich so zuverlässig sind, ist aber gerade die Frage. Müssten die Umstände des Zustandekommens polizeilicher Aussagen nicht vielmehr als Risikofaktoren betrachtet werden, die zu einer besonders kritischen Würdigung Anlass geben sollten? Zu denken ist u.a. an die Problematik von Gemeinschaftserinnerungen, die Vorbereitung durch Lesen der Strafanzeige und der eigenen Aussage, den polizeilichen Korpsgeist, den internen Austausch und
      ein eigenes polizeiliches Interesse am Ausgang des Strafverfahrens.
      Werden also an Polizeizeug*innen andere Maßstäbe angelegt als an andere Zeug*innen, und wenn ja, berechtigterweise oder nur vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit der Justiz?

      Das wollen wir aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Verfahrensbeteiligten mit folgenden Teilnehmer*innen diskutieren:

      Prof. Dr. em. Günter Köhnken, ehem. Leiter des Lehrstuhls für Rechtspsychologie, Kiel
      Dr. Heiko Artkämper, Staatsanwalt in Dortmund
      Kristin Klimke, Vorsitzende Richterin am Landgericht Berlin
      Marco Noli, Rechtsanwalt in München, AG Fananwälte
      Lukas Theune, Rechtsanwalt in Berlin, Promotion: Polizeibeamte als Berufszeugen in Strafverfahren
      Moderation: Dr. Kersten Woweries Rechtsanwältin in Berlin

      Zeit und Ort:
      Podiumsdiskussion am 7. November 2019 um 18.00 Uhr
      Plenarsaal des Kammergerichts, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin

      Im Anschluss wird es bei einem kleinen Umtrunk Gelegenheit für vertiefende Gespräche geben.
      Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

      PROTOKOLL (pdf)

      Eine Veranstaltung von:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
      AG Fananwälte
      in Kooperation mit dem Verein Forum Recht und Kultur im Kammergericht e.V.

      Flyer

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      Polizeizeug*innenVeranstaltungen
      news-639Tue, 17 Sep 2019 13:37:29 +0200Drittes Gesetz zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften/publikationen/mitteilungen/mitteilung/drittes-gesetz-zur-aenderung-polizeirechtlicher-vorschriften-639Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, 17.9.19Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg Drittes Gesetz zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften (Bürgerschafts-Drucksache 721/17909) anlässlich der Anhörung im Innenausschuss am 19. September 2019

      Verfasserin: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin

      Technische Vorbemerkung

      Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme darauf, zu den vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Meldeauflagen, Lichtbilderstellung im Polizeigewahrsam, Gezielter Kontrolle und Fußfessel ausführliche Beurteilungen abzugeben (A). Es schließen sich kurze Bemerkungen zu weiteren Normen an (B).

      Inhaltliche Vorbemerkung

      Der Gesetzentwurf beinhaltet einige Kompetenzen, die bereits sehr weit im Vorfeld von Gefahren sehr weitgehende Grundrechtseingriffe ermöglichen. Das Ansetzen bereits im Vorfeld bringt es mit sich, dass die von der Polizei zu treffende Prognose, ob tatsächlich eine Gefahr besteht, mit Unsicherheit behaftet ist. Würde der Gesetzentwurf als Gesetz beschlossen, hätte das zur Folge, dass – im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind – schwerwiegende Maßnahmen gegen Personen eingesetzt werden, von denen tatsächlich keine Gefahr ausgeht.

      Insgesamt gesehen gefährdet die Ausweitung präventivpolizeilicher Befugnisse, die zum Beispiel im Fall der Gezielten Kontrolle unbeteiligte Dritte oder aufgrund von falschen Prognosen bei Meldeauflagen und Fußfessel auch tatsächlich nicht „gefährliche“ Personen betreffen können, Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung zusteht, in dem sie ihre Individualität entwickeln und wahren können.

      A. Ausführungen zu den einzelnen Änderungsvorschlägen in SOG und PolDVG

      1. Meldeauflagen - § 11 a SOG

      Grundsätzlich ist es aus Sicht der Anwältinnen und Anwälte des RAV zu begrüßen, dass mit § 11 a SOG nun eine gesetzliche Grundlage für eine in der Praxis bereits vielfach angewandte Maßnahme geschaffen werden soll. Leider ist die Regelung, was ihre Form und Dauer angeht, so allgemein formuliert, dass zu befürchten ist, dass es zu unbestimmt formulierten und unverhältnismäßigen Anordnungen kommt.

      Nach § 11 a SOG S. 2 ist weder festgelegt, was in der Auflage alles schriftlich festgehalten werden soll, noch welche Dauer sie längstenfalls haben darf. Um zu vermeiden, dass Polizeidienststellen für die Betroffenen unverständliche Auflagen, in denen zum Beispiel die „zuständige Polizeidienststelle“ als Ort benannt ist, ohne dass eine Adresse mitgeteilt wird, oder nicht mit Gründen versehene Auflagen erlassen, sind aber Mindestanforderungen an den Inhalt in das Gesetz aufzunehmen.

      Auch eine zeitliche Obergrenze ist einzuführen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs (S. 84), die sich in der Praxis der im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein organisierten Anwälte und Anwältinnen bestätigen lässt, werden vorrangig in Zusammenhang mit Fußballspielen gegen von der Polizei als gewalttätig eingestufte Fußball-Fans Meldeauflagen verhängt. Daher ist es naheliegend, dass die zeitliche Geltung auf konkrete einzelne Spieltage mit Risiko-Spielen beschränkt werden kann, also eine Höchstdauer von 48 h ausreichend wäre.

      Es ist auch schwerlich möglich, über längere Zeiträume sichere Vorhersagen über das Bestehen der Gefahr einer Straftatbegehung zu treffen. Außerdem entstehen bei längerfristigen Meldeauflagen naturgemäß häufig Probleme in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Anforderungen aus dem beruflichen und privaten Umfeld. Wenn festgelegt wird, dass ein Betroffener sich über drei Monate hinweg jeden Samstag bei der Polizeidienststelle am Wohnort melden muss, kann er zum Beispiel weder an Fortbildungsveranstaltungen noch an familiären Unternehmungen teilnehmen, die am Wochenende außerhalb des Wohnorts stattfinden.

      Das vorstehend Gesagte gilt erst recht für die im Gesetzentwurf vorgesehene Option der Verlängerung einer einmal erlassenen Anordnung. Davon ist aufgrund der Prognoseschwierigkeiten grundsätzlich abzusehen. Sollte eine Verlängerungsoption im Gesetz verbleiben, müsste wenigstens dadurch, dass die Entscheidung darüber einem Gericht zugewiesen wird (Richter/in-Vorbehalt) sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen und die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

      Dem weiteren Beispiel aus der Gesetzesbegründung, dass eine Meldeauflage dazu dienen könnte, die Ausreise zum Zwecke der Ausbildung in einem so genannten „Terrorcamp“ zu verhindern ist, muss entgegnet werden, dass hierzu eine Meldeauflage eindeutig nicht geeignet ist. Eine Meldeauflage kann eine Ausreise nicht verhindern. Hier kommen eher Ausreiseverbot oder Ausschreibung der Person zur polizeilichen Beobachtung in Betracht.

      2. Gezielte Kontrolle - § 31 PolDVG i.V.m. § 15 SOG

      Die Einführung von gefahrenunabhängigen Kompetenzen zur Durchsuchung von Personen und Sachen, die zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben sind, ist nicht verfassungsgemäß. Mit dieser Kompetenz wird die Möglichkeit zur Durchsuchung von Personen und Sachen von den bisher für diese Maßnahmen aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen abgekoppelt, die an eine konkrete Gefahrenlage anknüpften, und weit ins Vorfeld tatsächlich bestehender Gefahren verlagert. Gleichzeitig wird die Kompetenz auf Personen ausgeweitet, von denen keine Gefahr ausgeht. Es dürfen damit zum Beispiel mitgeführte Taschen jeder Person überprüft werden, die sich in einem ausgeschriebenen Fahrzeug befindet – auch wenn die Person, derentwegen das Fahrzeug ausgeschrieben wurde, gar nicht mit dabei ist.

      Um eine überschießende Überwachung zu vermeiden, ist auf die Einführung dieser Regelung zu verzichten. So ist zum Beispiel in Sachsen-Anhalt die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung geregelt (§ 19 Abs. 1 und 2 SOG LSA), dann aber explizit verfügt (19 Abs. 3 SOG LSA):

      Gegen eine Person, die unter polizeilicher Kontrolle steht oder ein nach Absatz 1 ausgeschriebenes Kraftfahrzeug führt, sind beim Antreffen andere Maßnahmen nur zulässig, wenn jeweils die besonderen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt sind.

      Die bisherigen Kompetenzen sind auch völlig ausreichend – wenn zum Beispiel Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in dem zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Fahrzeug Sachen befinden, die sichergestellt werden dürfen, kann dieses bereits jetzt nach § 15 a Abs. 1 Nr. 3 SOG durchsucht werden. Die Erweiterung wird dazu führen, dass regelmäßig in ausgeschriebenen Fahrzeugen mitfahrende Personen, die selbst nicht ausgeschrieben sind, und alle ihre Sachen durchsucht werden, ohne dass dafür eine Notwendigkeit besteht. Betroffen davon werden Familienangehörige, Fahrgemeinschaften oder Freundinnen und Freunde sein, die sich ein Fahrzeug ausleihen oder darin mitfahren.

      Nach Ansicht des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins sollte auf die Änderungen in §§ 15 und 15 a verzichtet werden, da von der Erweiterung der Durchsuchungskompetenz eine Vielzahl von Personen betroffen sein wird, von denen keine Gefahr ausgeht.

      3. Aufnahme von Lichtbildern in Gewahrsamseinrichtungen - § 17 PolDVG

      Die Anfertigung von Lichtbildern von Personen stellt als Teil der erkennungsdienstlichen Daten einen tief greifenden Eingriff in das Recht auf informationellen Selbstbestimmung dar. Die vorgesehene Regelung soll ausweislich der Gesetzesbegründung allein der Erleichterung der Arbeit in den Gefangenensammelstellen und anderen Gewahrsamseinrichtungen dienen, weil der Rückgriff auf Ausweisdokumente nicht immer schnell zu gewährleisten sei, weil diese sich woanders befänden.

      Der in der neuen gesetzlichen Regelung liegende Eingriff ist durch solche Erwägungen sicherlich nicht zu rechtfertigen. Da demselben Zweck genauso gedient wäre, wenn vor Gewahrsamszellen Schränke angebracht werden, in denen die Ausweisdokumente verwahrt werden, ist dies umzusetzen und nicht eine neue Form der erkennungsdienstlichen Behandlung einzuführen (ohne deren gesetzliche Voraussetzungen!). Die geplante Norm ist verfassungswidrig.

      4. Fußfessel - § 30 PolDVG

      Die Einführung einer präventivpolizeilichen elektronischen Aufenthaltsüberwachung wird von den durch den RAV vertretenen Anwältinnen und Anwälten grundsätzlich abgelehnt. Es handelt sich um eine Maßnahme, die sehr tief in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Die Person, die eine derartige Fessel trägt, weiß, dass jeder ihrer Schritte nachvollzogen werden kann. Die Betroffenen sind dieser Beobachtung rund um die Uhr unausweichlich ausgesetzt, was – auch empirischen Studien zufolge – zu psychischen Problemen führen kann. Diese Maßnahme führt auch zur Stigmatisierung, da die Geräte für andere Menschen in der Umgebung wahrnehmbar sind.

      Als die Fußfessel im Bereich der Strafvollstreckung vor acht Jahren eingeführt wurde, sollte diese Maßnahme nur im Ausnahmefall zur Verhinderung von schwer wiegenden Wiederholungstaten bei nach langer Zeit aus Haft entlassenen Straftäter*innen eingesetzt werden. Wenn mit dem Gesetzentwurf nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 nunmehr sogar die Verhütung jeglicher Gefahr für Leib (=einfache Körperverletzung) die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung rechtfertigen kann, wird das Anwendungsgebiet unübersehbar ausgeweitet.

      Zu beachten ist außerdem: Dadurch dass es sich um eine präventivpolizeiliche Maßnahme handelt, ist die von der Polizei zu treffende Prognose, ob tatsächlich eine Gefahr besteht, immer mit Unsicherheit behaftet. Würde der Gesetzentwurf als Gesetz beschlossen, hätte das zur Folge, dass – im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind – auch Personen eine Fußfessel tragen, von denen tatsächlich gar keine Gefahr ausgeht.

      B. Ergänzende kurze Anmerkungen

      1. Verdeckter Einsatz technischer Mittel bei Polizeieinsätzen - § 21 Abs. 4 PolDVG

      Aus Sicht des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein ist nicht nachvollziehbar, warum bei dem verdeckten Einsatz technischer Mittel im Rahmen von Polizeieinsätzen zum Zweck des Schutzes von Polizeikräften (so genannte „Personenschutzsender“) auf den generell nach § 21 Abs. 2 geltenden Richtervorbehalt verzichtet werden soll. Nach § 29 Abs. 4 PolDVG bedarf der Einsatz von Verdeckten Ermittlungspersonen ohnehin einer richterlichen Anordnung, so dass bei einem gleichzeitig geplanten Einsatz eines Personenschutzsenders auch dieser gleich mit beantragt werden kann. Sollten solcher Sender zum Beispiel im Rahmen von Wohnungsdurchsuchungsmaßnahmen eingesetzt werden, gilt für deren Anordnung ebenfalls ein Richtervorbehalt (§ 16 a SOG). Für Eilfälle könnte eine der bei Durchsuchungen geltenden entsprechende Regelung eingeführt werden. Für den im Gesetzentwurf vorgesehenen vollständigen Verzicht auf den Richtervorbehalt gibt es keine nachvollziehbaren Gründe.

      2. Automatische Datenverarbeitung – § 49 PolDVG

      Die im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein organisierten Anwältinnen und Anwälte sehen die Möglichkeit der automatisierten Datenverarbeitung, wie sie in § 49 PolDVG vorgesehen ist, kritisch. Es liegt darin die Möglichkeit, anlasslos Persönlichkeitsprofile zu erstellen oder bestehende Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen von Bürger*innen auszuwerten. Dies ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet es eine Verletzung der Menschenwürde, wenn die Speicherung und Zusammenführung von personenbezogenen Daten zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (siehe u.a. die Entscheidung des BVerfG zum BKAG vom 20. April 2016).

      3. Datenschutzbeauftragter - § 72 PolDVG

      Es ist abzulehnen, dass im Gesetzentwurf für den Datenschutzbeauftragten keine Anordnungsbefugnis mehr vorgesehen ist. Die Grundrechtseingriffe, die in einer etwaig rechtswidrigen Datenerhebungsmaßnahme liegen, sind nicht zu verhindern, während nach § 72 erst der Rechtsweg durchlaufen werden muss. Damit ist die Effektivität der Kontrolle nicht gewährleistet.

      Berlin, 17.9.2019

      Die Stellungnahme als PDF

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      PolizeigesetzStellungnahmenPolizeirecht
      news-638Fri, 13 Sep 2019 15:40:32 +0200Referentenentwurf über ein Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-ueber-ein-gesetz-zur-mietenbegrenzung-im-wohnungswesen-in-berlin-638Stellungnahme des RAV und GFF, 13.9.19Die Stellungnahme wurde vom RAV gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. erarbeitet.
      Die vollständige Version mit Inhaltsverzeichnis und Fußnoten kann hier heruntergeladen werden: StN als PDF

      A. Landesrechtliche Kompetenz
      I. Ausgangslage
      Steigende Mieten in den Ballungszentren, Knappheit an bezahlbaren Wohnraum, eine Explosion von Boden- und Immobilienkaufpreisen führen gerade in den Hotspots der Republik zu einer Wohnungsnot. Das Wohnungsthema ist die soziale Frage unserer Zeit.

      Gerade in den Ballungszentren ist bezahlbarer Wohnraum rar. Der Zuzug in die Zentren erhöht den Druck auf die Wohnungsmärkte. In den letzten Jahrzehnten wurde zu wenig gebaut. Hier hat ein Prozess des Umdenkens zwar eingesetzt. Allerdings darf bezweifelt werden, ob die alleinige Fokussierung auf den Neubau die derzeitigen Probleme am Wohnungsmarkt lösen werden. Denn es fehlt vor allem an bezahlbaren Wohnraum.

      Der Abbau des öffentlichen Sektors der Wohnraumbewirtschaftung, die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Einstieg in den Ausstieg des Sozialwohnungsbaus rächen sich nun. Private Investor*innen haben Interesse an einem möglichst hohen Gewinn. Da lohnt sich die Schaffung preiswerten Wohnraums nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil des neuen Wohnraums in Form von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen entstehen. Gefördert wird dies durch das von der großen Koalition eingeführten Baukindergeld, das die Bildung von Immobilieneigentum fördert. Bezahlbarer Wohnraum wird auf diesem Wege dort, wo er gebraucht wird, kaum entstehen.

      Vor diesem Hintergrund wird klar, dass wir neben der Errichtung neuen Wohnraums eine Begrenzung der Mieten im Bestand brauchen. Denn der Neubau wird nicht die Lücke an bezahlbaren Wohnraum schließen können. Durch den Neubau werden allenfalls Bestandswohnungen frei, die dann aber bezahlbar sein müssen. Bezahlbarer Wohnraum wird dauerhaft nur erhalten, wenn neben Neubau auch die Mieten im Bestand geschützt werden. Der Schutz der Mieten im bereits bestehenden Gebäudebestand wurde durch die Mietpreisbremse, die für die Wiedervermietung von Wohnraum gilt, zwar auf dem Papier verbessert. In der Praxis erweisen sich jedoch unüberbrückbare Hürden. Viele Bundesländer haben Verordnungen erlassen, die der gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten haben, so dass dort die Mietpreisbremse erst gar nicht gilt (z.B. in Hamburg). Ansonsten erweist sich die Mietpreisbremse aufgrund der zahlreichen Ausnahmen als nicht ausreichend, um das Mietniveau bezahlbar zu machen. Die Mietpreisbremse ist genauso wie die Grundmietenerhöhung an die ortsübliche Vergleichsmiete gekoppelt. Diese steigt in den letzten Jahren weit stärker als Lebenshaltungsindex und Lohnniveau. Die Mietrechtsänderung des Bundesgesetzgebers vom letzten Herbst hat zwar für Verbesserungen gesorgt. Allerdings wird auch sie die Mietenexplosion nicht stoppen können. Auf Bundesebene erweist sich insbesondere die CDU/CSU als entscheidender Hemmschuh zu einer besseren Begrenzung der Mietsteigerungen.

      In Berlin steigen die Mieten im Vergleich zum Bundesgebiet exorbitant. Viele Indikatoren sprechen deutlich für einen nicht mehr funktionierenden Markt. So lag die Leerstandsquote bei 0,9 %. Bei einer Leerstandsquote unter 3 % spricht man von Wohnungsknappheit. Der Abstand zwischen der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete und der durchschnittlichen Angebotsmiete wird immer größer. Daher müssen auch andere Wege gesucht werden muss, um den Markt zu regulieren.

      II. Mietpreisregulierung der Vergangenheit
      Hier empfiehlt es sich, zunächst einen Blick in die Geschichte zu werfen. Denn das Problem der Wohnungsknappheit ist kein Neues, allerdings waren Staat und Gesellschaft früher viel eher bereit, in den Markt zum Schutze der Wohnenden einzugreifen.

      Es gab in den letzten 100 Jahren in Deutschland wenige Zeiträume, in denen der Mieterschutz und die Mietenregulierung so schwach waren wie heute. Trotz der starken Liberalisierung des Mietmarkts wird zu wenig gebaut. Dagegen gab es gerade in Zeiten großer Wohnungsnot starke Preisregulierungen. Dennoch wurde zu diesen Zeiten viel gebaut. Gerade in den goldenen 50ern musste zerstörter Wohnraum wiederaufgebaut und 15 Millionen Flüchtlinge in den alten Bundesländern integriert und mit Wohnraum versorgt werden. Gleichzeitig bestanden zunächst ein Preisstopp und später eine staatlich verordnete Mietanhebung für Altbauten. Nur frei finanzierte Neubauten waren preislich nicht gebunden. Ein großer Teil der Neubauten wurde jedoch im geförderten Wohnraum errichtet, um damit auch Menschen mit Wohnraum zu versorgen, die über weniger Geld verfügten. Wohnen war deshalb günstig. Die Belastungsquote der Haushalte mit Wohnkosten lag im Mittel bei ca. 10 %. Diese niedrige Belastungsquote war sicherlich ein Grund für die goldenen 50er Jahre. Seit der Liberalisierung des Mietrechts und damit des Marktes sind die Mieten stark gestiegen, und zwar auf 25 bis 30 %. Gerade einkommensschwache Haushalte müssen im Verhältnis noch mehr fürs Wohnen aufwenden.

      Die Regulierung des Marktes wurde von den Gegner*innen als Wohnungszwangswirtschaft bezeichnet. Aufgrund der Unterversorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen und der damit einher gehenden Wohnungsnot sah sich der Staat jedoch ermächtigt, zugunsten der Wohnenden einzugreifen. Neben der Wohnungsbewirtschaftung (u.a. Wohnungsbelegung) fiel hierunter der Mieter*innenschutz (insbesondere der Kündigungsschutz) auch das sogenannte öffentliche Mietpreisrecht. Hier ging es um die Regulierung des Mietpreises. Gerade die Mietpreise unterlagen von 1917 bis in die 1960er Jahre strengen Regeln.

      Bereits während des 1. Weltkrieges wurde eine Mietenschutzverordnung  erlassen, die eine Begrenzung der Mieten vorsah. Über die diversen Länderverordnungen, als wichtigste die Preußische Höchstmietenverordnung (PrHMVO) von 1919 wurde dies schließlich reichsweit im Reichsmietengesetz 1923 kodifiziert. Bezugspunkt war hierbei die Friedensmiete von 1914. Die Mietpreise für Altbauten wurden immer auf die Mieten im Jahr 1914 bezogen und staatlicherseits Erhöhungen verfügt/ermöglicht. Für Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen gab es i.d.R. befristete Erhöhungsmöglichkeiten. Bestimmte Wohnungstypen (große Wohnungen) wurden zeitweilig aus dem Regelungsbereich herausgenommen. Nur für sie galt das BGB, das ja 1900 in Kraft getreten war. Die übrigen Mietverhältnisse waren insbesondere durch öffentlich-rechtliche Vorschriften überlagert, ohne dass das bürgerliche Recht und auch die Regelungen zur Miethöhe hierdurch abgeschafft waren. Vielmehr war auch hier die zivilrechtliche Rechtsbeziehung Voraussetzung für einen öffentlich–rechtlichen Eingriff.

      1936 wurde gar ein Mietenstopp für alle Wohnungen verfügt und durch das Kontrollratsgesetz Nr. 18 von 1946 erneut ein vollständiger Mietpreisstopp bestimmt. Dieser galt fast uneingeschränkt bis 1955. Danach gab es im Rahmen des 1. Bundesmietengesetzes wiederum prozentuale Erhöhungsmöglichkeiten. Die Begrenzungen der Miethöhe galten sowohl für Mieterhöhungen als auch für Wiedervermietungen. Bei letzterer mussten Mieter*innen allerdings ihr Recht aktiv geltend machen. Ab 1960 wurde dann in Gebieten mit einem „entspannten“ Wohnungsmarkt die Preisbindung aufgehoben, die letzten Gebiete in Westdeutschland fielen Ende der 60 Jahre (Hamburg, München u.a.) aus der Preisbindung. In West-Berlin galt die Regelung bis 1988. Bei dieser Art von Preisbindung spielte weniger die Ausstattung der Wohnung als vielmehr deren Geschichte eine entscheidende Rolle. Die starke Regulierung hatte auf die Mietpreise einen entscheidenden Einfluss.

      Während dieser fast 50 Jahre war in Teilen des Wohnungsmarktes das an sich geltende BGB von öffentlich-rechtlichen Normen überlagert, die die Mietpreise betrafen.

      III. Kompetenz zum Erlass öffentlich-rechtlicher Normen zur Begrenzung der Miethöhe
      In Anlehnung an die historische Entwicklung und unter Würdigung der Föderalismusreform 2006 entstand die Idee des sogenannten Mietendeckels. Peter Weber hat in einem Aufsatz in der JuristenZeitung überzeugend dargelegt, dass der Landesgesetzgeber – wie vormals der Reichs- bzw. Bundesgesetzgeber – neben dem sozialen privatrechtlichen Mietrecht im öffentlichen Recht Regelungen zum Mietpreis treffen kann.

      1. Föderalismusreform
      Grundsätzlich können sowohl der Bund als auch die Länder Gesetze erlassen. Das Grundgesetz als bundesdeutsche Verfassung regelt in den Artikel 70 ff. GG, welche der vorgenannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften nun Gesetze erlassen kann. Dies wird bestimmt nach entsprechenden Regelungsgegenständen. Der Bund ist nur zuständig, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich anordnet, Artikel 70 GG. Der Grundgesetzgeber hat einen Großteil der Regelungsgegenstände der sog. Konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet: Solange der Bundesgesetzgeber in diesen Bereichen selbst keine Regelung getroffen hat, sind die Länder zuständig (Art 72 I GG). Da der Bundesgesetzgeber weitgehend Gesetze erlassen hat, waren die Länder nicht mehr befugt, eigene Regelungen zu treffen. Bis 2006 gehörte auch das Wohnungswesen zur sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde der Bereich des Wohnungswesens (bis auf einzelne Bereiche, z.B. das Wohngeldrecht) aus der konkurrierenden Gesetzgebung herausgenommen. Da das Wohnungswesen auch nicht der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt, verbleibt es bei Artikel 70 GG. Die alleinige Gesetzgebungskompetenz bleibt für diese Bereiche bei den Ländern. Altes Bundesrecht bleibt solange gültig, bis das Land selbst Regelungen trifft und das Bundesrecht ersetzt (Artikel 125 a Absatz 1 GG). In den Bereichen des Wohnungswesens kann somit seit 2006 der Landesgesetzgeber tätig werden.

      2. Wohnungswesen
      Nun stellt sich die Frage, was unter den Begriff des Wohnungswesens fällt. Bei der Auslegung der der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes ist die entstehungsgeschichtliche und historische Auslegung besonders ergiebig. So muss man davon ausgehen, dass die Materien, die aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz übernommen wurden im selben Sinne zu verstehen waren, wie dies in der WRV der Fall war. Nach älterer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft das Wohnungswesen im Sinne des Artikel 10 Nr. 4 WRV, 74 Absatz 1 Nr. 18 GG a.F. sämtliche Regelungen, die sich aus sozialen Gründen auf private Wohnzwecke dienende Gebäude beziehen. In Abgrenzung zu der Sondermaterie Bodenrecht geht es nicht um die bauliche Nutzung von Grundstücken zu Wohnzwecken, sondern es sind Regelungen der Bewirtschaftung von Wohngebäuden und Wohnraum gemeint. Öffentlich-rechtliche Regelungen treffen den Wohnraum ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse und sonstige über den Wohnraum bestehende privatrechtliche Rechtsbeziehungen. Zum Wohnungswesen gehören – so Weber und Putzer - neben der Wohnraumbewirtschaftung eben auch das öffentliche Mietpreisrecht .

      Es spricht nichts dafür, dass sich an dem traditionell geprägten Begriff des Wohnungswesens durch die Föderalismusreform irgendetwas geändert hätte. Dem widerspricht letztlich auch nicht Papier in seinem Gutachten zum Mietendeckel. Auch er gibt an, dass bis auf fünf benannte Teilbereiche das gesamte Recht des Wohnungswesens nunmehr Ländersache sei. Er geht jedoch davon aus, dass weder das Wohnungsmietrecht noch das Mietpreisrecht dazu gehöre. Das öffentliche Preisrecht war allerdings stets Teil des Wohnungswesens. Das daneben gültige BGB und insbesondere die in den Mietverträgen geregelten Bestimmungen zur Miethöhe und Mietänderungen galten auch, wurden aber durch das öffentliche Recht ergänzt.

      Der Gesetzgeber hatte die Wohnungsgesetzgebung im Hinblick auf die Eigentumsgarantie als „Ausnahme oder Sonderrecht“ angesehen  Von dem Recht sollte nur so lange Gebrauch gemacht werden, wie die Wohnungsnot keine andere Wahl zuließ. Mit Abbau der Wohnungsnot und Entspannung der Wohnungsmärkte sollte die Rechtfertigung für den Eingriff in die Rechte der Eigentümer von Wohnraum entfallen sein. Die Ende der 1950er Jahre für die folgende Dekade prognostizierte Entspannung der Wohnungsmärkte sorgte auch für die Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit führte im Jahre 2001 dazu, dass die Zweckentfremdungsverbotsverordnung in Berlin keine gesetzliche Grundlage mehr hatte. Durch die seinerzeit vom Gericht angenommen entspannte Wohnungsmarktlage ließ sich der Eingriff in Arti-kel 14 GG nicht mehr rechtfertigen .Dies dürfte sich inzwischen in Berlin aber auch in anderen Ballungszentren stark gewandelt haben.

      4. Mietpreisrecht öffentliches Recht versus Zivilrecht
      Das öffentliche Preisrecht hat viele Berührungspunkte zum bürgerlichen Recht, insbesondere zum privaten Mietrecht, die Rechtsbereiche lassen sich jedoch anhand klarer Kriterien voneinander abgrenzen .

      Zur Unterscheidung beider Rechtsmaterien ist es wichtig, sich die Regelungsbereiche zu verdeutlichen: Während das private Mietrecht die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bürgern regelt, tritt der Staat im Bereich des öffentlichen Rechts dem Bürger mit Geboten und Verboten gegenüber. Allerdings bedarf es für diese Eingriffe im Hinblick auf betroffene Grundrechte eben einer Rechtsfertigung. Das öffentliche Recht dient den Allgemeininteressen, während das Privatrecht den Individualinteressen der Parteien dient. Im Rahmen des Privatrechts trifft der Gesetzgeber Regelungen, die einen Interessenausgleich zwischen den jeweiligen Vertragsparteien sicherstellen sollen. Es regelt das Recht der Vertragsparteien und setzt zwingend eine Rechtsbeziehung, einen Mietvertrag voraus. Demgegenüber wirken staatlich festgesetzte Höchstmieten weiter. Sie setzen mit einer Höchstmiete Grenzen, die vertraglichen Vereinbarungen bleiben unberührt. Eine öffentlich-rechtliche Regelung der Höchstmiete soll keinen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Mieter*innen und Vermieter*innen herstellen. „Vielmehr ist er darauf gerichtet, im Interesse der Allgemeinheit eine soziale Not bzw. erhebliche Schieflage in einem für die betroffenen Bevölkerungsteile schlechthin existenziellen Bereich der Daseinsvorsorge zu beseitigen.“

      Dies lässt sich an einem Beispiel erläutern: Unterliegt meine Wohnung den Regungen eines Zweck-entfremdungsgesetzes, das die Nutzung von Wohnraum zu gewerblichen Zwecken verbietet, darf diese selbst dann nicht gewerblich genutzt werden, wenn dies im Mietvertrag vom Vermieter eigentlich zugesichert wurde.

      Im Hinblick auf den Mietpreis lässt sich auch eine Parallele zu § 5 Wirtschaftsstrafgesetz herstellen. Die mit dem Vermieter vereinbarte Miete ist auf eine Höhe von 20 % über der Vergleichsmiete – öffentlich-rechtlich – gekappt, wenn die wirtschaftliche Notlage der Mieterin ausgenutzt wurde. Die Vertragsfreiheit wird also durch eine öffentlich-rechtliche Regelung zum Schutz der Allgemeinheit begrenzt. Die Ausübung der Rechte aus dem privaten Vertrag wird insofern begrenzt.

      Wie sich hieran zeigt, ist es sehr wohl möglich, sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich Regelungen zu treffen, die Auswirkungen für Eigentümer*innen und Mieter*innen haben. Entgegen der Auffassung von Papier schließt das private Mietrecht und insbesondere die Mietpreisbremse das öffentliche Preisrecht gerade nicht aus. Neben den oben genannten systematischen und historischen Erwägungen ist noch auf darauf zu verweisen, dass in § 556d Absatz 2 Satz 7 BGB der Bundesgesetzgeber davon ausgeht, dass die Länder flankierend zur Mietpreisbremse Regelungen erlassen, die geeignet sind, Wohnungsknappheit zu überwinden. Der Bundesgesetzgeber geht selbst davon aus, dass die Länder hierzu die Kompetenz haben.

      Letztlich hat dies zur Folge, dass der Landesgesetzgeber öffentlich-rechtliche Normen zur Begrenzung der Miethöhe erlassen kann, sofern die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die Regelung auf Grund des dinglichregelnden Charakters der öffentlichen Mietpreisregelung sich jeweils nur auf die Wohneinheit und nicht auf das zivilrechtliche Rechtsverhältnis von Vermieter*in und Mieter*in beziehen kann. Eine Regelung dieses Rechtsverhältnisses ist nicht möglich, da der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz gem. Artikel 74 Absatz 1 Nr. 1 abschließend Gebrauch gemacht hat. Einer entsprechenden Regelung auf Landesebene würde nicht nur die Kompetenz fehlen. Die Regelungen wären auch gem. Artikel 31 GG nichtig.

      Die öffentlich-rechtliche landesrechtliche Regelung gilt neben der zivilrechtlichen bundesrechtlichen Regelung. Während die preisrechtlichen Regelungen den allgemeinen Preisstand schützen sollen, zielen Mietpreisbremse und Regelungen zur Begrenzung der Mieterhöhungen in den Bestandsmietverhältnissen allein auf die relative schuldrechtliche Beziehung zwischen Vermieter und Mieter ab.

      Im Ergebnis steht dem Landesgesetzgeber eine Kompetenz zu, landesrechtliche Regelungen zur Begrenzung der Mietpreise zu treffen, sofern dies wohnungsbezogen erfolgt.

      5. Umsetzung der kompetenzrechtlichen Anforderungen
      An den oben aufgeführten Anforderungen aber auch am Verfassungsrecht im Übrigen ist der jetzt vorliegende Gesetzesvorschlag zu messen.

      In dem Gesetzesvorschlag soll die Miethöhe begrenzt werden. Die mietpreisrechtliche Begrenzung bezieht sich auf die konkrete Wohnung. Zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung einer Tabelle, in der die nach dem Gesetz höchstzulässigen Mieten für bestimmte Wohnungen aufgeführt sind. Um Härten für den Vermieter zu kompensieren, sind Ausnahmen von der Mietenbegrenzung zu Gunsten des Vermieters vorgesehen.

      Das Gesetz friert darüber hinaus die Mietpreise, die am 18.06.2019 vereinbart waren, ein. Sie stellen grundsätzlich die höchstzulässigen Mieten für die jeweiligen Wohnungen dar. Liegt diese Miete unterhalb der Tabellenmiete, dann sieht das Gesetz eine jährliche 1,3 %-ige Anpassung vor, bis das Niveau der Tabelle erreicht wird. Liegt die aktuelle Miete über der höchstzulässigen Miete, dann gilt diese. In Härtefällen, die in der wirtschaftlichen Situation des Mieters liegen, kann dieser ggf. eine Senkung auf die beschriebene Tabellenmiete verlangen.

      B. Grundrechtskonformität des Referentenentwurfs
      I. Vereinbarkeit mit Artikel 14 Absatz 1 GG
      Der in § 3 des Referentenentwurfs normierte Mietenstopp sowie die in §§ 4, 5 des Referentenentwurfs vorgesehenen Mietobergrenzen sind mit der in Artikel 14 Absatz 1 GG verankerten Eigentumsgarantie vereinbar. Sie stellen als abstrakt-generelle Festlegung von Rechten und Pflichten des Eigentümers eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Artikel 14 Absatz 1 S. 2 GG dar.

      1. Verfassungsrechtlicher Maßstab
      Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen zur Regulierung des Grundeigentums den verfassungsrechtlichen Maßstab für den Eingriff in Artikel 14 Absatz 1 S. 1 GG durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen konkretisiert, zuletzt im Beschluss zur Mietpreisbremse vom 18. Juli 2019. Danach geht die Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Je stärker der Einzelne auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen ist, umso weiter ist der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers.  

      Das trifft auf die Miethöhenregulierung in besonderem Maße zu. Eine Wohnung hat für den Einzelnen und dessen Familie eine hohe Bedeutung. Das betrifft Mieter*innen, die ihren privaten Lebensmittelpunkt bereits in der Mietwohnung haben, aber auch Wohnungssuchende, die auf Mietwohnungen unausweichlich angewiesen sind.  Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden, wiederholt als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft. So hat das Bundesverfassungsgericht schon 1992 bezüglich der Pachtzinsbegrenzung für Kleingärtner ausgeführt, dass Grund und Boden nicht vermehrbar seien und sich am Markt ein Preis bildet, der im Hinblick auf die soziale Funktion des Eigentumsobjekts nicht mehr angemessen sei. Unter diesen Umständen könne der Gesetzgeber durch eine Pachtzinsbegrenzung einer Preisentwicklung vorbeugen, die dazu führen würde, dass ein Großteil der Bevölkerungsschichten, für die die Nutzung eines Kleingartens aus den dargelegten Gründen von besonderer Bedeutung ist, durch den Pachtzins unangemessen belastet würde.  

      Das Bundesverfassungsgericht hat zudem immer wieder darauf hingewiesen, dass die Eigentumsgarantie nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums gewährleistet. Der Gesetzgeber könne einmal geschaffene Regelungen nachträglich verändern und fortentwickeln, auch wenn sich damit die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen verschlechtern. Diese Abänderung müsse durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die von Artikel 14 Absatz 1 GG gezogenen Grenzen seien erst dann überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden.

      2. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
      Die Bestimmung von Mietobergrenzen gemäß § 5 des Referentenentwurfs, der Mietenstopp nach § 3 des Referentenentwurfs und die Absenkung hoher Mieten nach § 4 des Referentenentwurfs sind vor diesem Hintergrund verhältnismäßig. Die Regelungen verfolgen einen legitimen Zweck (dazu unter a). Gleichermaßen geeignete jedoch mildere Mittel sind nicht ersichtlich (dazu unter b). Die Regelungen sind auch angemessen (dazu unter c).

      a) Legitimer Zweck
      Mit der Bestimmung von Mietobergrenzen verfolgt der Berliner Senat einen legitimen Zweck. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zur Mietpreisbremse bestätigt, dass es ein Gemeinwohlbelang ist, der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken. Dabei betont das Bundesverfassungsgericht, dass die Wohnung den Lebensmittelpunkt der Einzelnen und ihrer Familien bildet und nicht allein der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, sondern auch der Freiheitssicherung und der Persönlichkeitsentfaltung dient. Das umfasse auch die Lage der Wohnung, etwa in Bezug auf die Entfernung zu kulturellen Einrichtungen, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Naherholungsgebieten oder die Erreichbarkeit mit öffentlichem Nahverkehr.  Zudem sieht das Bundesverfassungsgericht ein darüberhinausgehendes gesellschaftspolitisches Interesse an einer durchmischten Wohnbevölkerung in innerstädtischen Stadtvierteln. Als langfristige Folge der Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus stark nachgefragten Stadtvierteln drohe eine Aufteilung der Wohnbevölkerung auf einzelne Stadtteile nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Mit Blick auf diese, durch spätere Maßnahmen nur schwer zu beseitigenden Folgen einer Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus einzelnen Stadtvierteln komme auch der Verhinderung der Gentrifizierung Gewicht als Gemeinwohlbelang zu.  

      So liegt es hier: Der Mietendeckel soll die rasante Preisentwicklung auf dem freien Mietenmarkt bremsen und die Mieten in Berlin auf ein sozialverträgliches Maß zurückführen. Die Bevölkerung soll durch Unterbindung eines weiteren Mietanstiegs vor umfassenden Verdrängungsprozessen und dadurch bedingten sozialen Verwerfungen geschützt werden. Die Regelungen sollen auch der zunehmenden Segregation durch Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten in abgelegene Wohngegenden entgegenwirken und die soziale Durchmischung der Stadtviertel fördern. Auch für Bevölkerungsschichten mit mittlerem und geringem Einkommen sollen Mietwohnungen in attraktiven Wohnvierteln zu bezahlbaren Mietpreisen erhältlich bleiben. Diese Zwecke liegen im öffentlichen Interesse. Die stadtentwicklungspolitischen Ziele könnten in der Gesetzesbegründung etwas deutlicher herausgearbeitet werden.

      Die stadtentwicklungspolitischen Ziele könnte in der Gesetzesbegründung etwas deutlicher herausgearbeitet werden. Dies würde eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe erleichtern.

      b) Geeignetheit und Erforderlichkeit
      Die Mietpreisregulierung ist auch geeignet, die Mieten in Berlin auf ein sozialverträgliches Maß zurückzuführen. Der Mietenstopp, die Mietobergrenzen und die Möglichkeit der Absenkung hoher Mieten stellen sicher, dass einkommensschwache Mieter in ihren Mietwohnungen bleiben können, zudem schaffen die Regelungen die Voraussetzungen für einen Marktzugang einkommensschwächerer Mieter. So kann die Miethöhenregulierung es einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, die bei einem Wohnungswechsel aufgrund gestiegener Mieten in ihrem bisherigen Stadtteil ohne Miethöhenregulierung keine für sie bezahlbare Wohnung hätten finden können, das Anmieten einer Wohnung in ihrer angestammten Umgebung ermöglichen. Durch Mietobergrenzen, die unabhängig von der Wohnlage gelten, wird eine Durchmischung der Bevölkerung in den angespannten Wohnvierteln erhalten und gefördert. Die vorgeschlagenen Regelungen werden zudem über ihren Geltungszeitraum hinaus Wirkung entfalten, da sie auch bremsende Wirkung auf die Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmieten haben, die nach dem Geltungszeitraum für zukünftige Mieterhöhungen maßgeblich sein werden.  

      Gleich geeignete Mittel milderer Art sind nicht ersichtlich. Die Erforderlichkeit ist auch vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass der Staat nicht erst tätig werden soll, wenn der Schaden final eingetreten ist. Allein auf den Neubau zu setzen, wäre nicht gleichermaßen geeignet, den Mietpreisverschärfungen entgegenzuwirken. Die Grenzen des Neubaus ergeben sich bereits aus den fehlenden Kapazitäten der Bauwirtschaft und dem langen Planungsvorlauf von Bauvorhaben. Der Senat sollte dennoch an dem Ziel festhalten, möglichst viele Wohnungen zu bauen. Die Erforderlichkeit einer zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Mietpreisregulierung bleibt davon unberührt.

      Bereits getroffene, mildere wohnungspolitische Maßnahmen des Lands Berlin haben nicht die nötige Wirkung gezeigt. Dazu gehören insbesondere die im Jahr 2014 wieder aufgenommene Förderung des Neubaus mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungen, das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, die Umstellung der Berliner Liegenschaftspolitik, die Ausweisung von Sozialen Erhaltungsgebieten, die Entwicklung neuer Wohngebiete oder der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften.  

      Auch die Bestimmungen im BGB zur Regulierung der Mietpreise haben nicht den gewünschten Effekt gezeigt. So konnte die Mietpreisbremse den rasanten Preisanstieg von Mietwohnungen in Berlin nicht stoppen.

      Auch in ihrer individuellen Ausgestaltung sind die vorgeschlagenen Regelungen erforderlich.

      Der Mietenstopp ist gemäß § 3 des Referentenentwurfs auf fünf Jahre begrenzt und ermöglicht die Erhöhung niedriger Mieten unterhalb der in § 5 normierten Obergrenzen um 1,3 % jährlich. Weder ein kürzerer Zeitraum noch eine weitergehende Möglichkeit zur Erhöhung der Mieten wären gleichermaßen geeignet, die gesetzgeberischen Zwecke zu erfüllen. Ein kürzeres Einfrieren der Mieten würde sich weitaus weniger nachhaltig auf die Mieten und damit den Erhalt der Bevölkerungsstruktur auswirken.

      Als milderes Mittel im Umgang mit geringen Mieten könnte der Senat allenfalls in Erwägung ziehen, Mietuntergrenzen festzulegen, unterhalb derer die Regelungen des Mietendeckels nicht anwendbar sind und die üblichen Mieterhöhungen zulässig bleiben.

      Die in § 5 des Referentenentwurfs festgelegten Mietobergrenzen basieren auf dem Mietspiegel 2013. Der Mietspiegel von 2013 bildet nach der Begründung des Entwurfs letztmals eine weitgehend ausgeglichene Wohnungsmarktlage ab (zur Kritik dieses Ansatzes C.I. § 5), zu der mit Hilfe der neuen Regelungen zurückgefunden werden soll. Durch die Kappungsgrenzen-Verordnung vom 7. Mai 2013 wurde ganz Berlin zu einer Gemeinde im Sinne § 558 Absatz 3 Satz 2 BGB bestimmt, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingun-gen besonders gefährdet ist. Hiermit wurde erstmals öffentlich festgestellt, dass das gesamte Stadtgebiet Berlins eine angespannte Wohnungsmarktlage aufweist. Für den Zeitraum davor geht der Berliner Senat noch von weitgehend ausgeglichenen Mietpreisen aus. Höhere Obergrenzen, insbesondere eine Ausrichtung am aktuellen Mietspiegel, wären nicht gleichermaßen geeignet, der Mietpreisentwicklung Einhalt zu bieten. Der aktuelle Mietspiegel ist bereits Ausdruck eines überhitzten Wohnungsmarktes mit den jeweiligen Verdrängungseffekten, die mit den vorgeschlagenen Mietobergrenzen wieder eingefangen werden sollen.

      Auch die Entkopplung der Mietobergrenzen von der Lage der Wohnung ist erforderlich. Eine Differenzierung nach Wohnlage wäre nicht gleichermaßen geeignet, der zunehmenden Spaltung der Stadt in attraktive Wohnlagen mit sehr wohlhabenden Bevölkerungsschichten und Stadtvierteln mit einkommensschwachen Bevölkerungsschichten entgegenzuwirken.

      Schließlich ist auch die Absenkung der hohen Mieten nach § 4 des Referentenentwurfs erforderlich. Die Begrenzung der Maßnahmen auf die Unterbindung zukünftiger Mieterhöhungen und die Festlegung von Mietobergrenzen bei Neuvermietung wären nicht gleichermaßen geeignet, der Verdrängung von Bevölkerungsteilen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen entgegenzuwirken. Gerade die Absenkung der Mietpreisspitzen ermöglicht es diesen Bevölkerungsgruppen, auch in Zukunft ihre Wohnung zu halten und damit ihren Lebensmittelpunkt zu bewahren. Die Absenkung hoher Mieten dient nicht ausschließlich den davon profitierenden Mietparteien, sondern trägt auch zum übergeordneten Ziel einer langfristigen Entspannung des Mietmarkts bei.  

      Insoweit ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht erforderlich, die Absenkung der Mieten auf Haushalte zu beschränken, bei denen die Mietkosten 30 % ihres Haushaltseinkommens übersteigen. Um die Mieten flächendeckend und nachhaltig auf ein sozialverträgliches Maß zurückzuführen und einer langfristigen Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus attraktiven Wohnlagen entgegenzuwirken, wäre eine einkommensunabhängige Absenkung überhöhter Mieten das geeignetere Mittel.

      c) Angemessenheit
      Die Vorschläge des Senats sind auch angemessen, da der hohe Allgemeinnutzen in einem angemessenen Verhältnis zur Beeinträchtigung der Vermieterposition steht. Gerade auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieter*innen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Die Grenzen der Verhältnismäßigkeit setzt das Bundesverfassungsgericht jedoch dort, wo die Miethöhenregulierung auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter*innen oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führte.

      Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen hält der Referentenentwurf stand. Einer übermäßigen Belastung der Vermieter*innen in Form von Verlusten oder Substanzgefährdungen beugt der Referentenentwurf durch verschiedene Ausnahmeregelungen vor. So können niedrige Mieten nach § 3 des Referentenentwurfs trotz Mietenstopp jährlich um 1,3 % erhöht werden, maximal jedoch auf die Mietobergrenze nach § 5 des Referentenentwurfs. Auf diese Weise sind die Vermieter*innen, die bislang sehr niedrige Mieten verlangt haben, von dem strengen Mietenstopp ausgenommen.

      Darüber hinaus sieht § 7 des Referentenentwurfs eine Härtefallregelung vor, um unbillige Härten zu vermeiden. Unbillige Härten liegen gemäß Absatz 2, angelehnt an die Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts, dann vor, wenn die nach §§ 3 bis 6 zulässige Miete auf Dauer zu Verlusten für die Vermieter*innen oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würde. Dadurch stellt der Referentenentwurf sicher, dass die Wirtschaftlichkeit des Eigentums gesichert ist, also keine Verluste drohen oder aufgrund fehlender Einnahmen notwendige Erhaltungsmaßnahmen unmöglich werden.

      Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, sollte unter gewissen Umständen auch der Wegfall von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufs erfasst sein. Zu denken ist dabei insbesondere an private Vermieter*innen, die zur Finanzierung des Kaufs ein Darlehen aufgenommen haben, bei dem die vereinbarten Raten den erwarteten Mieteneinkünften entsprechen. Wenn Vermieter*innen neue Darlehensbedingungen aushandeln können, beispielsweise mit längerer Laufzeit und niedrigeren Raten, stellt dies kein Verlust im Sinne des § 7 dar. Es sind jedoch auch Situationen vorstellbar, gerade bei älteren Eigentümer*innen, in denen sich das Finanzinstitut nicht darauf einlässt, die Darlehensbedingungen zu ändern, so dass der Verlust droht. Zudem sollte die Rückausnahme in § 7 Absatz 1 konkretisiert werden, wonach Umstände, die in den Verantwortungsbereich der Vermieterin fallen, nicht als unbillige Härte gelten.

      Zur Angemessenheit der getroffenen Regelungen trägt auch bei, dass die Regelungen auf fünf Jahre befristet sind und durch die Feststellung einer akuten Wohnungskrise bedingt sind. (Auseinanderdriften des Marktes, Leerstandsquoten, Mietpreisentwicklung vs. Lohnentwicklung)

      Zur Angemessenheit der einzelnen Maßnahmen:
      (1) Obergrenze nach § 5:
      In § 5 legt der Referentenentwurf eine Obergrenze fest, die sich an dem Mietspiegel von 2013 ori-entiert, allerdings ohne nach Wohnlage zu differenzieren. Die Obergrenze kommt einerseits bei Neuvermietungen zum Tragen, andererseits bei der Absenkung hoher Mieten und bei der Erhöhung niedriger Mieten. Solche preisrechtlichen Kappungsgrenzen zur Durchsetzung gewichtiger Allgemeinwohlbelange lassen sich verfassungsrechtlich rechtfertigen. So hat das Bundesverfassungsgericht auch schon in der Vergangenheit Miet- oder Pachtzinsbegrenzungen aufgrund sozial-politischer Erwägungen für verfassungsrechtlich unproblematisch erachtet. So wies das Gericht bereits 1985 die Beschwerde eines Vermieters zurück, der eine Miete, die bis vor kurzem einer Mietpreisbindung unterlegen hatte, um mehr als 30 % auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen wollte. Mit der Einführung einer Kappungsgrenze sei keine unverhältnismäßige, in die Substanz des Eigentums eingreifende Belastung des Vermieters verbunden. Die Vorschrift regele lediglich die Begrenzung künftiger Erträge aus der Vermietung von Wohnraum. Dabei werde zwar dem Vermieter eine Höchstgrenze vorgegeben, die unabhängig von der künftigen Mietpreis- und Geldwertentwicklung Geltung beansprucht. Verfassungsrechtliche Probleme können sich daraus aber allenfalls dann ergeben, wenn die Vermietung von Wohnraum auch bei voller Ausschöpfung des Mieterhöhungsrechts im Ergebnis zu Verlusten führen würde. Die Bestandsgarantie des Artikel 14 Ab-satz 1 Satz 1 GG sei noch nicht berührt, wenn nicht die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentumsobjekt erzielt werden könne.

      Auch hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Begrenzung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete für verfassungsgemäß erklärt. Die Regelung sichere dem Vermieter*innen einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellen wird. Dass sie zugleich die Ausnutzung von Mangellagen auf dem Wohnungsmarkt verhindere und Preisspitzen abschneide, könne schon deshalb nicht beanstandet werden, weil eine solche Nutzung des Eigentums im Hinblick auf die soziale Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Vor dem Hintergrund kann auch die Festlegung einer am Mietspiegel von 2013 orientierten Obergrenze keiner anderen Bewertung unterliegen. Für den Zeitraum vor 2013 kann nach Einschätzung des Berliner Senats von einer weitgehend ausgeglichenen Wohnungsmarktlage ausgegangen werden. Im Mai 2013 wurde erstmals öffentlich festgestellt, dass das gesamte Stadtgebiet Berlins eine angespannte Wohnungsmarktlage aufweist. Die damals üblichen Mieten werden auch heute noch regelmäßig die Wirtschaftlichkeit der Wohnung sicherstellen. Die Erhaltungskosten sind seitdem nicht nennenswert gestiegen, bei drohenden Verlusten greift die Härtefallklausel des § 7 des Referentenentwurfs.

      Bedenken könnten sich allenfalls hinsichtlich der fehlenden Differenzierung der Obergrenze anhand der Wohnlage ergeben. In bestimmten Gegenden wird die vorgegebene Obermiete erheblich vom bisherigen Mietzins abweichen. Doch auch diese Regelung lässt sich mit dem gesetzgeberischen Zweck einer ausgewogenen Stadtentwicklung, der Vorbeugung einer weiteren sozialen Spaltung und der Förderung einer gesunden Durchmischung der Stadtbevölkerung über alle Stadtviertel hinweg rechtfertigen. Insofern ist auch zu bedenken, dass die sprunghafte Wertsteigerung in bestimmten Wohnlagen nicht vor allem auf einer Leistung der Vermieter*innen beruht, sondern auf einer wirtschaftlich günstigen Entwicklung der Region, etwa dem Ansehen einer Universität, der Infrastruktur, Arbeitsmarkt- und/oder Kulturangebot und viele andere Leistungen der Allgemeinheit zurückzuführen ist.

      (2) Mietenstopp:
      Auch der Mietenstopp gemäß § 3 des Referentenentwurfs begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. § 3 verbietet die Erhöhung der Mieten für einen Zeitraum von fünf Jahren. Mieten, die unterhalb der in § 5 festgelegten Obergrenzen liegen, dürfen um 1,3 % jährlich erhöht werden, maximal jedoch bis zur Obergrenze in § 5. Die Regelung greift rückwirkend ab dem 18. Juni 2019. Wie bereits ausgeführt, kann der Gesetzgeber die Miethöhe begrenzen, wenn dies durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt ist. Es ist auch nicht unverhältnismäßig, dass von der Regelung auch Vermieter*innen betroffen sind, die in der Vergangenheit mögliche Mieterhöhungen nicht ausgereizt haben oder konnten. Bereits jetzt ist es so, dass die Regelungen zur Mietpreiserhöhung diejenigen Vermieter*innen benachteiligen, deren Mieter*innen schon seit vielen Jahren in der Mietwohnung leben und deswegen eine verhältnismäßig geringe Miete zahlen. Sowohl einer Erhöhung sehr geringer Mieten zur Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete als auch der Kündigung zwecks Mieterhöhung hat das Bundesverfassungsgericht sehr klare Absagen erteilt.

      Der Verhältnismäßigkeit steht auch nicht entgegen, dass viele Vermieter*innen mit den üblichen Mieterhöhungen kalkuliert haben. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einmal geschaffene Regelungen nachträglich verändern und fortentwickeln auch wenn sich damit die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen verschlechtern. Die Abänderung kann wie hier durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.

      Unbilligen Härten wirkt der Referentenentwurf entgegen, indem niedrige Mieten nach § 3 Absatz 3 bis zur Obergrenze des § 5 jährlich um 1,3 Prozent erhöht werden können und Härtefallanträge nach § 7 gestellt werden können.

      Auch die in § 3 Absatz 1 des Referentenentwurfs normierte Rückwirkung des Mietenstopps ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig und die Wahl des Zeitpunkts orientiert am gegebenen Sachverhalt vertretbar ist.  Die Erforderlichkeit eines Stichtages ergibt sich dadurch, dass der Mietendeckel schon seit einiger Zeit in der politischen Diskussion ist und verhindert werden sollte, dass Vermieter*innen ihre Mieterhöhungsmöglichkeiten in unbilliger Weise ausschöpfen, bevor der Mietendeckel in Kraft tritt. An dem gewählten Stichtag hat der Senat die „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz (Mietendeckel)“ beschlossen und im Anschluss veröffentlicht, in denen unter anderem festgehalten ist, dass Mieten für fünf Jahre nicht erhöht werden sollen. Die gesetzgeberischen Pläne wurden also transparent kommuniziert und haben es den Vermieter*innen ermöglicht, ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend anzupassen.

      (3) Absenkung der Mieten:
      Die Herabsetzung überhöhter Mieten gemäß § 4 des Referentenentwurfs hat eine größere Eingriffsintensität als die übrigen Maßnahmen, da in bestehende Verträge eingegriffen und vereinbarte Mieten abgesenkt werden. Doch auch diese Maßnahme lässt sich mit den Gemeinwohlzwecken des Gesetzes rechtfertigen. Eine einmal getroffene vertragliche Vereinbarung genießt keinen absoluten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz, vielmehr muss der Eingriff in Artikel 14 GG und in die Privatautonomie wiederum mit den entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen abgewogen werden. Auf Seiten der Vermieter*innen ist zu berücksichtigen, dass die Miete vor dem Hintergrund möglicherweise getroffener Dispositionen vereinbart wurde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nur erhöhte, über der Obergrenze des § 5 liegende Mieten, abgesenkt werden müssen und die durch diese Miete erzielte Rendite ohnehin der kurzfristigen Explosion des Berliner Mietmarkts geschuldet ist und keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz genießt.

      Es liegt auch kein Fall einer echten Rückwirkung vor, da nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird, sondern in ein Dauerschuldverhältnis, das zwar einen Anknüpfungspunkt in der Vergangenheit hat, aber noch nicht abgeschlossen ist. Zudem genießen die Vermieter*innen nur einen verminderten Vertrauensschutz, da sie aufgrund der anhaltenden gesellschaftspolitischen Debatten zur Mietenkrise in Berlin mit politischen Maßnahmen rechnen mussten.

      So entschied das Bundesverfassungsgericht schon 1983 hinsichtlich einer Regelung zur Erhöhung des Mietzinses, die sich auf erfolgte Erhöhungen der letzten drei Jahre bezog, dass der Vermieter*innen schon im Hinblick auf die sozialpolitische Bedenklichkeit des alten Rechtszustandes nicht davon ausgehen konnte, der Gesetzgeber werde auch für alle Zukunft prozentual unbegrenzte Mietanhebungen auf das Vergleichsmietenniveau zulassen. Unter diesem Gesichtspunkt sei es bereits zweifelhaft, ob das Vertrauen eine*r Vermieter*in auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage überhaupt eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber beanspruchen kann. Darüber hinaus sei aber ganz allgemein zu berücksichtigen, dass der Bürger gerade im sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des sozialen Mietrechts ohnehin mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen muss und nicht ohne weiteres auf das unveränderte Fortbestehen einer ihm derzeit günstigen Rechtslage vertrauen kann.  

      II. Vereinbarkeit mit Artikel 3 GG
      Die vorgeschlagenen Regelungen sind auch an Artikel 3 GG zu messen.

      Im Folgenden werden verschiedene Vergleichsgruppen gebildet und die Rechtfertigung einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung erörtert. Differenzierungen bedürfen stets eines Sachgrunds und unterliegen wegen der von den Regelungen betroffenen Eigentumsgarantie und des Eingriffs in die Privatautonomie über das Willkürverbot hinaus strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen.

      1. Gleichbehandlung von Vermieter*innen unabhängig von der Lage der Wohnung
      Bedenklich könnte die Bestimmung von Mietobergrenzen ohne Berücksichtigung der Wohnlage sein. Dadurch werden diejenigen Vermieter*innen, die Wohneigentum zu hohen Preisen in attraktiven Wohnvierteln erworben haben, bei der zulässigen Miete mit den Vermieter*innen gleichgestellt, deren Wohnungen in weniger attraktiven Wohnvierteln gelegen sind. In der Entscheidung zur Mietpreisbremse hat das BVerfG eine Differenzierung nach regionalen Unterschieden anhand der ortsüblichen Vergleichsmiete für gerechtfertigt gehalten, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Dabei stellt das BVerfG einen direkten Zusammenhang zwischen der ortsüblichen Vergleichsmiete und der Wirtschaftlichkeit der Vermietung her. Eine bundesweit einheitliche Mietgrenze bliebe hingegen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ohne hinreichenden sachlichen Bezug. Zugleich fehle es ihr an einer hinreichenden Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Mieter*innen, so dass eine solche Regelung der befürchteten Verdrängung einkommensschwächerer Mieter*innen aus deren angestammten Wohnvierteln nicht effektiv entgegenwirken könne. Dies begründet das BVerfG damit, dass die ortsübliche Vergleichsmiete auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mieter*innen widerspiegele.

      Die fehlende Differenzierung nach Wohnlage kann möglicherweise damit gerechtfertigt werden, dass sich in bestimmten Stadtvierteln wohlhabende Mieter*innen ballen, während einkommensschwache Bevölkerungsteile in weniger attraktive Wohngegenden verdrängt werden. Um dieser Segregation entgegenzuwirken, kann es geboten sein, einkommensschwachen Mieter*innen durch deutliche Absenkung der Mieten in attraktiven Gegenden den Zuzug zu ermöglichen. Anders als das vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommene Gesamtbundesgebiet ist der gesamte Berliner Wohnungsmarkt angespannt und rechtfertigt Eingriffe in den Mietmarkt. Fraglich bleibt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichwohl, ob einheitliche Obergrenzen für ganz Berlin ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind. Ergänzende Ausführungen zur Notwendigkeit einer stadtweiten einheitlichen Deckelung in der Begründung des Gesetzes wären daher empfehlenswert.

      2. Gleichbehandlung von privaten und gewerblichen Mieter*innen
      Die Gleichbehandlung von gewerblichen und privaten Vermieter*innen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insofern lassen sich die Argumente des BVerfG zur Mietpreisbremse übertragen. Zwar trete bei einer Vermietung zur privaten Vorsorge im Gegensatz zur unternehmerischen Nutzung die Bedeutung des Eigentums für die Freiheit der Einzelnen stärker hervor, mit Blick auf die mit der Miethöhenregulierung verfolgten Ziele bestehe jedoch ein sachlicher Grund. Um die Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsgruppen aus nachgefragten Stadtvierteln wirksam zu verhindern und Wohnungssuchenden aus diesen Bevölkerungsgruppen dort weiterhin die Anmietung einer Wohnung zu ermöglichen, ist es geeignet und erforderlich, die mit der Miethöhenregulierung verbundene Dämpfung der Mieten unterschiedslos und ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung der Mieteinnahmen für den Vermieter*innen anzuwenden. Die gleiche Behandlung führt nicht zu einer im Ergebnis nicht mehr angemessenen Belastung privater Vermieter*innen, da auch hier die Ausnahme- und Härtefallregelungen greifen.

      3. Gleichbehandlung von Vermieter*innen, die bislang geringe Mieten veranschlagt haben mit Vermieter*innen, die Mietgrenzen ausgereizt haben
      Von dem allgemeinen Mietenstopp sind auch diejenigen Vermieter*innen betroffen, die bislang sehr niedrige Mieten veranschlagt haben. Diese Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte müsste durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.

      In dem Beschluss zum Mietendeckel befand das BVerfG eine Privilegierung der Vermieter*innen, die zuvor die zulässigen Mieten ausgereizt hatten, als unproblematisch. Es sei nicht Ziel der Miethöhenregulierung, ein sozial missbilligenswertes, aber in der Vergangenheit erlaubtes Vermieter*innenverhalten zu sanktionieren. Im Unterschied zur Mietpreisbremse beschränkt § 3 des Referentenentwurfs jedoch auch im Bereich der geringen Mieten die Mieterhöhungsmöglichkeiten de*r Vermieter*in, sowohl im laufenden Mietverhältnis als auch bei Neuvermietung. Dieser umfassende Mietenstopp verfolgt den Zweck, die Mietpreisentwicklung nachhaltig und flächendeckend zu bremsen. Dazu trägt auch das Einfrieren geringer Mieten bei. Um die Belastung dieser Vermieter*innen abzumildern, sieht der Referentenentwurf jedoch vor, dass Mieten unterhalb der Obergrenze jährlich um 1,3 % erhöht werden dürfen. Eine weitere Option zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit wäre die Festlegung von Mietuntergrenzen, unterhalb derer der Mietenstopp keine Anwendung findet.

      4. Ungleichbehandlung von Mieter*innen je nach Einkommen, bzw. Ungleichbehandlung der Vermieter*innen je nach Einkommen der Mieter*innen
      § 4 des Referentenentwurfs sieht einen Absenkungsanspruch nur für diejenigen Mieter*innen vor, die für die Miete mehr als 30 % ihres Haushaltseinkommens aufbringen müssen. Eine Ungleichbehandlung erfolgt hier zwischen Vermieter*innen, die an einkommensschwache Haushalte vermietet haben und Vermieter*innen mit zahlungskräftigen Mieter*innen, sowie spiegelbildlich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Mieter*innen.

      Der Senat verfolgt mit dieser Differenzierung das Ziel, die maximal zulässige Miete an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Mieter*innen zu knüpfen und dadurch der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen effektiv entgegenzuwirken. Dies ist ein legitimer Zweck (dazu oben unter 2a), fraglich ist jedoch, ob die Differenzierung der Miete nach Haushaltseinkommen ein geeignetes und erforderliches Mittel ist. In seinem Beschluss zur Mietpreisbremse hat das Bundesverfassungsgericht eine Orientierung der Miete an der ortsüblichen Vergleichsmiete auch deshalb für ein geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, weil dadurch die Miete auch mittelbar an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mieter*innen anknüpft. Ohne entsprechende Anknüpfung könne der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen nicht effektiv entgegengewirkt werden. Eine Differenzierung nach Zahlungsfähigkeit sieht das Bundesverfassungsgericht mithin grundsätzlich als geeignetes Mittel, um einer Verdrängung ärmerer Haushalte entgegenzuwirken.

      Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Unterscheidung der Miethöhe nach regionalen Mietmärkten auch mit den höheren Immobilienpreisen, mithin einer höheren Investition beim Kauf der Wohnung korreliert und damit auch in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Wohnung für den Vermieter*innen ein angemessenes Unterscheidungskriterium darstellt. Im Gegensatz dazu ist das Haushaltseinkommen der Mieter*innen für die Vermieter*innen ein rein zufälliges Anknüpfungsmerkmal und sie konnten zum Zeitpunkt der Vermietung nicht damit rechnen, dass daran zukünftig eine geringere Miete geknüpft sein würde. Eine Anknüpfung an das Haushaltseinkommen könnte zudem den unerwünschten Nebeneffekt haben, dass Vermieter*innen künftig weniger häufig an einkommensschwache Haushalte vermieten, weil sie befürchten, dass auch in Zukunft gesetzliche Regelungen wieder an die Zahlungsfähigkeit anknüpfen könnten. Damit würde diese Unterscheidung dem ursprünglichen Ziel, der Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen entgegenzuwirken, zuwiderlaufen.  

      Die Angemessenheit der Regelung setzt zudem voraus, dass die Differenzierung nach geeigneten, also sachlich gerechtfertigten Kriterien erfolgt. Insoweit könnte hinterfragt werden, ob es sachgerecht ist, nur an das Einkommen und nicht an das Vermögen anzuknüpfen. Zudem ist fraglich, ob eine scharfe Grenzziehung bei 30 % des Haushaltseinkommens der Zielsetzung gerecht wird oder nicht vielmehr ein ausdifferenziertes Berechnungssystem mit nach Einkommen gestaffelter Miete erforderlich wäre, um den Interessen gerecht zu werden.

      Eine Absenkung der Miete für einkommensschwache Haushalte ließe sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sicherlich verfassungskonform ausgestalten. Angesichts des enormen Bürokratieaufwands und der genannten Bedenken in Hinblick auf Artikel 3 GG ist jedoch zu einer Regelung zu raten, die unabhängig vom Haushaltseinkommen die Absenkung hoher Mieten vorsieht. Dies hätte auch den Vorteil, über den unmittelbaren Schutz einkom-mensschwacher Mieter*innen hinaus auch nachhaltig das Mietpreisniveau in Berlin zu senken und die enormen Mietpreisunterschiede anzugleichen. Während kurzfristig von einer solchen Regelung auch einkommensstarke Haushalte profitieren, führt eine unterschiedslose Absenkung langfristig zur stärkeren Entspannung des Mietmarkts, unter anderem durch die Auswirkungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete, die auch nach dem Geltungszeitraum des Mietendeckels Wirkung entfaltet. Davon profitieren langfristig gerade auch einkommensschwache Mieter*innen.

      C. Das Gesetz im Einzelnen
      Das Gesetz erscheint insgesamt etwas kompliziert und unübersichtlich. Es wird in der alltäglichen Anwendung wenig verbraucherfreundlich sein.

      I. Anmerkungen zu den einzelnen Regelungen des Gesetzes
      § 1
      Die landesrechtliche Gesetzeskompetenz zum Wohnungswesen erstreckt sich nicht auf die Regelung von Wohnungsmietverhältnissen. Eingriffe in Vertragsverhältnisse berühren die bundesrechtliche Kompetenz zur Regelung des bürgerlichen Rechts (Vertragsbezug). Gegenstand des Gesetzes können daher nur Wohnräume sein (Objektbezug).

      § 2
      Formell bedarf die Beleihung von Dritten eines Gesetzes, das „Ob“ und „Wie“ der Übertragung regelt. Aus dem Gesichtspunkt der lückenlosen demokratischen Legimitation der Exekutive müssen Rechtaufsicht und Fachaufsicht angeordnet sein.  Beides ist gewahrt.

      Materiell ist für eine Abweichung vom Funktionsvorbehalt aus Artikel 33 Absatz 4 GG („Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen" [...]) eine sachliche Rechtfertigung erforderlich. Dabei steht dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Die Nutzung privater Kapazitäten zur Aufgabenerfüllung stellt nach der Rechtsprechung des BVerfG einen sachlichen Grund in diesem Sinne dar . Grenze der Aufgabenübertragung sind lediglich die staatlichen Kernaufgaben. Nach diesem Maßstab ist die Beleihung nach § 2 Abs. 2 materiellrechtlich unproblematisch. Allerdings sollten die Sachkundevoraussetzungen für die Beleihung klarer gefasst werden.

      § 3 Absatz 1
      Es fehlt eine Definition des Begriffes der „Miete“. Offenbar orientiert sich der Mietenbegriff sinnvollerweise an den gleichen Kriterien, die auch im Berliner Mietspiegel 2019 (dort Nr. 5) benutzt werden. Dies sollte auch so benannt werden.

      Die Regelung unterscheidet aus nicht nachvollziehbaren Gründen zwischen der am Stichtag vereinbarten (Satz 1) und der am Stichtag geschuldeten Miete (Satz 2). Der Bezug auf die am Stichtag vereinbarte Miete erscheint missverständlich, da am 18.06.2019 durchaus für einen späteren Zeitpunkt eine höhere Miete vereinbart seit kann, als die am 18.06.2019 geschuldete Miete.

      § 3 Absatz 3
      In der praktischen Umsetzung erscheint diese Vorschrift als zu kompliziert. Das gilt vor allem für Mieten, die Höchstwerte und die Mietobergrenze gemäß § 5 vereinbarungsgemäß übersteigen, z.B. weil die Mieter*innen nach dem 18.06.2019 einer Erhöhung der Miete zugestimmt haben. Diese müssten dann eigenständig die Erhöhung der Tabellenwerte um 1,3 % beachten und ihre Zahlung anpassen.

      § 4
      Der direkte Zugriff auf einzelne Mietverträge in der Form der Ersetzung des mietvertraglich vereinbarten Mietzinses durch eine öffentlich-rechtliche Preisnorm erscheint kompetenzrechtlich problematisch. Ein solcher Zugriff dürfte dem bürgerlichen Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) zuzuordnen sein und daher in der Zuständigkeit des Bundes liegen. Problematisch erscheint aber auch eine einzelfallorientierte, per Verwaltungsakt vollzogene Absenkung, da diese direkt an dem konkreten Mietverhältnis und nicht an der Wohnung ansetzt. Zum einen wird nur in vereinzelte Mietverträge eingegriffen, zum anderen sind die Rechtsfolgen abhängig von der Person der Mieter*innen.

      Dieses Dilemma ist wohl letztlich nur durch eine Vorschrift auflösbar, die hohe Mieten generell herabsetzt (vgl. dazu oben B.II.4.).

      § 4 Absatz 2
      Der Begriff der Mietbelastung erscheint nicht hinreichend bestimmt. Handelt es sich dabei um die Nettomiete oder in Anlehnung an die Rechtsprechung  zur finanziellen Härte gem. § 555d Absatz 3 Satz 1 BGB um die Bruttomiete? Letzteres ist zu bevorzugen und sollte entsprechend klargestellt werden. Sinnvoller erschiene es, die Mietsenkung an die WBS-Berechtigung anzubinden, da die Bezirksämter mit der Ermittlung der entsprechenden Einkommensvoraussetzungen vertraut sind.

      § 4 Absatz 4 Satz 2
      Der Verweis auf § 2 Absatz 2 Satz 1 Wohnraumgesetz Berlin zur Bestimmung angemessener Wohnflächen erscheint nur wenig praktikabel. So sind etwa im Altbaubestand 3-Zimmer-Wohnungen regelmäßig größer als 75 m².

      § 4 Absatz 4 Satz 3
      Nach dieser Regelung können Mieter*innen, die ergänzende Leistungen nach SGB II erhalten, eine Mietbelastung nicht geltend machen, die von staatlichen Leistungsträgern nicht übernommen wird. Diese sollte aber den Regelsatz nicht schmälern.

      § 5 Absatz 1
      Für die Ermittlung der Höchstmieten auf die Zahlen des Berliner Mietspiegels 2013 zurückzugreifen erscheint nicht nachvollziehbar. Wenn mit der Kappungsgrenzen-Verordnung vom 07.05.2013 eine besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Berliner Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen festgestellt wurde, können die zum 01.09.2012 erhobenen Daten nicht einen weitgehend ausgeglichene Wohnungsmarktlage widerspiegeln. Mit einer solchen Argumentation würde der Landesgesetzgeber seine Begründung zur Kappungsgrenzen-Verordnung in Frage stellen. Ähnliches gilt für das Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz aus dem gleichen Jahr.

      Tatsächlich stieg die ortsübliche Vergleichsmiete in Berlin bis 2009 relativ moderat an. Im Jahre 2009 zeigte der Mietspiegel erstmals einen stärkeren Anstieg. Die Neuvertragsmieten stiegen im selben Zeitraum gleichfalls stark an. Aus der Begründung des Senats zur Kappungsmieten-Verordnung geht hervor, dass der Index Angebotsmieten/Bestandsmieten 2011 im Verhältnis zum Jahr 2006 schon bei 112% lag. In einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt läge dieser Wert dagegen bei 100%.

      § 5 Absatz 3
      Die Anbindung der preisrechtlichen Höchstmiete an eine „erfolgte“ zivilrechtliche Mieterhöhung gemäß §§ 559ff. BGB dürfte ebenfalls die Kompetenz des Landesgesetzgebers überschreiten. Der Höchstpreis ist zulässigerweise objektbezogen und nicht vertragsbezogen zu bestimmen. Bestraft würden im Übrigen Vermieter*innen, die aus unterschiedlichen Erwägungen eine Mieterhöhung (noch) nicht erklärt haben. (z.B. Genossenschaften)

      Die Regelung ist zudem logisch inkonsistent. Jedenfalls in die Mieten aus dem Mietspiegel 2013 sind die Modernisierungsmieterhöhungen, die hier den Zuschlag begründen sollen, schon eingeflossen. Sie würden hier doppelt berücksichtigt. Zudem refinanzieren sich Modernisierungen durch Mieterhöhungen gemäß § 559 BGB a.F. nach etwa 9 Jahren komplett. Darüber hinaus wurde der modernisierte Zustand bei späteren Mieterhöhungen gem. § 558 BGB (meist nach Mietspiegel) in die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel berücksichtigt. Warum man das bei den in Anlehnung an den Mietspiegel 2013 ermittelten Werten anders handhaben will und hier einen Zuschlag gewährt, erschließt sich nicht.

      § 5 Absatz 3 Satz 2
      Mit der gewählten Formulierung erhöht sich der Höchstpreis auch dann um 1,00 €, wenn nur eine geringere Modernisierungsumlage (z.B. von 0,10 €) gemäß §§ 559ff. BGB rechtlich möglich wäre. So würden  Modernisierungen mit geringem finanziellen Aufwand provoziert.

      § 5 Absatz 4
      Die Auskunftspflicht mindert die Risiken für Mieter*innen bei der Einschätzung der Höchstmiete für ihre Wohnung. Sie sollte mit einer Pflicht zur Vorlage von Belegen verknüpft werden, anhand derer die Auskunft geprüft werden kann. Sie eröffnet dennoch erhebliches Konfliktpotential für die Frage, welche Modernisierungen wann mit welcher Modernisierungsumlage verbunden war und ob diese tatsächlich auch wirksam „umgelegt“ wurde. Dies dürfte Durchschnittsmieter*innen völlig überfordern und auch ihre Berater*innen vor unlösbare Aufgaben stellen.

      § 6
      Die Statuierung einer Genehmigungspflicht von Mieterhöhungen überschreitet gleichfalls die Kompetenz des Landesgesetzgebers. Dieser kann zwar Höchstgrenzen für Mietpreise nach Modernisierung oder für bestimmte Ausstattungen anordnen. Die Zulässigkeit von Modernisierungsmieterhöhungen ist jedoch nach privatrechtlichen Maßstäben zu bestimmen. Die Entscheidung darüber obliegt gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 1 GG aktuell dem Bundesgesetzgeber. Eine Regelung, die einzelne Ausstattungsmerkmale mit Mietzuschlägen verbindet, dürfte dagegen kompetenzrechtlich unbedenklich sein.

      Für alle Wohnungen, die die Werte in § 5 Absatz 1 noch nicht erreicht haben, sind Mieterhöhungen von mehr als 1,40 €/m² bzw. 1,00 €/m² möglich, die ihre Grenzen dann in den § 559 Absatz 3a BGB finden sollen. Ohne eine erhebliche Einschränkung der Mieterhöhungsmöglichkeiten durch Modernisierung nach dem BGB wird jedoch das Ziel des Gesetzes, der drohenden Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten entgegenzuwirken, nicht erreicht.

      § 6 Absatz 2
      Die Ausnahmen sind zu weit gefasst. Das trifft insbesondere auf die Modernisierung zur Erreichung der Klimaschutzziele des Landes Berlin zu. Das Ziel der Warmmietenneutralität aus dem Koalitionsvertrag bleibt außer Betracht.

      Darüber hinaus sind die Klimaschutzziele – etwa aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm – kein klares Kriterium zur Bestimmung der Genehmigungsfähigkeit einer Modernisierungsmaßnahme. Die in dem Programm genannten Maßnahmen, wie Nutzung von Geothermie, Fernwärme, Blockheizkraftwerken und Wärmerückgewinnungsanlagen führten neben der Wärmedämmung und dem Austausch von Fenstern in der Vergangenheit zu Mieterhöhungen von bis zu 8 €/m². Daher wird damit zu rechnen sein, dass auch weiterhin die gemäß § 559 Absatz 3a BGB möglichen Mieterhöhungen voll ausgeschöpft werden. Das Ziel des Gesetzes, den Mietenanstieg auch durch Modernisierungsmieterhöhungen zu begrenzen, wird so verfehlt. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die Vermieter*innen sich weiterhin in Modernisierungen flüchten werden, um eine höhere Rendite zu erreichen. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die Möglichkeit, die Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete anzupassen, beschränkt wird. Damit wird die Modernisierungsmieterhöhung Preistreiber Nr. 1 bei Mietwohnungen und damit weiterhin das Instrument der Vermieter*innen zur Verdrängung von Mieter*innen bleiben.

      Modernisierungszuschläge müssen daher, wie im Eckpunktepapier vorgesehen, gegenüber den Möglichkeiten nach § 559 Absatz 3a BGB deutlich reduziert werden.

      § 7 Absatz 1
      Der Begriff der unbilligen Härte erscheint uns als zu unbestimmt und dehnbar. Es muss deutlicher werden, dass es sich hier um die Regelung eines Ausnahme- und nicht eines Regelfalls handelt. Bezieht sich die Härte auf das gesamte Objekt oder die einzelne Wohnung? Wird auf Antrag nur für eine Wohnung die Höchstgrenze angehoben oder der Preis aller Wohnungen im Objekt anteilig? Es sollte deutlicher werden, welche Gründe in den Verantwortungsbereich des Vermieters fallen. Zumindest sollte sich dies aus der Gesetzesbegründung ergeben.

      § 7 Absatz 2
      Unklar ist, ob etwa schon einfache Gewinneinbußen als Verluste anzusehen sind.  Der Begriff der Verluste sollte daher genauer definiert werden. Ein Härtefall gem. § 7 sollte nur vorliegen können, wenn die Mieteinnahmen zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Gebäudes, insbesondere zur Vornahme notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen nicht mehr ausreichen, wobei die Bildung von Instandsetzungsrücklagen aus Gewinnen der Vorjahre erfolgt sein sollte.

      § 11
      Es fehlt eine Übergangsvorschrift für das Auslaufen des Mietendeckelgesetzes. Ein ungebremstes Ende des Gesetzes würde von einem Tag zum anderen wieder die ungedeckelten Mieten in Kraft setzen. Da zu diesem Zeitpunkt eine ortsübliche Vergleichsmiete nicht oder nur schwer bestimmt werden kann, müssen Vermieter*innen dann zur Begründung von Mietererhöhungen gemäß §§ 558ff. BGB gemäß § 558a Absatz 2 BGB auf Sachverständigengutachten oder drei Vergleichswohnungen zurückgreifen.

      II. Eigenbedarf
      Zu begrüßen ist auch, dass die offenbar geplante Genehmigungspflichtigkeit von Eigenbedarfskündigungen nicht in den Referentenentwurf übernommen wurde. Dies wäre erheblichen kompetenzrechtlichen Bedenken begegnet. Dennoch sollte angesichts der ausufernden Zahl von Eigenbedarfskündigungen weiter über landesrechtliche oder bundesrechtliche Beschränkungen von Eigenbedarfskündigungen nachgedacht werden. Zu diskutieren wäre etwa eine Regelung, nach einer Kündigung nur die Nutzung als Erstwohnsitz zulässt oder die an der Möglichkeit der Versorgung der gekündigten Mieter*innen mit Ersatzwohnraum anknüpft, insbesondere derer, die nur geringe oder keine Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben.

      III. Verfahren
      Der Referentenentwurf sieht vor, dass Mieter*innen einen Antrag auf Absenkung der Mieten stellen können, wenn ihre Miete die Höchstmiete aus § 5 Absatz 1 übersteigt. Einen Antrag müssen auch Vermieter*innen stellen, die einen Zuschlag zur Tabellenmiete wegen einer in den letzten acht Jahren durchgeführte Modernisierung erreichen wollen. Ebenso müssen die Vermieter*innen einen Antrag stellen, die die Bewirtschaftung der Immobilie durch den Mietendeckel gefährdet sehen. Die Senatsverwaltung rechnet mit 400.000 Anträgen nach Inkrafttreten des Gesetzes. Auch mit Hilfe beliehener Dritter werden die bezirklichen Wohnungsämter diesen Ansturm in angemessener Zeit nicht bewältigen können. Zumal im Haushalt bislang keine entsprechenden Stellen eingerichtet sind.

      Dies hätte zur Folge, dass
      •    die Mieter*innen auf absehbare Zeit die über der Tabellenmiete liegenden Mieten zahlen;
      •    Vermieter*innen können nur die Tabellenmieten verlangen und Modernisierungszuschläge auf absehbare Zeit nicht fordern;
      •    Mieten, die für Vermieter*innen nicht auskömmlich sind, werden weiter zu zahlen sein.


      Vor diesem Hintergrund sollte geprüft werden, ob nicht so viel wie möglich über bußgeldbewehrte Verbote geregelt werden kann. („Es ist verboten, eine Miete zu verlangen, die die am 18.06.2019 zulässig vereinbarte Miete übersteigt“). Gleichzeitig sollte wie bei § 5 WiStrG die Möglichkeit aufgenommen werden, dass die zuständige Behörde eine Rückzahlung der zu viel geleisteten Miete anordnen kann. Unabhängig davon gäbe es dann zivilrechtlich einen Rückforderungsanspruch nach §§ 812, 134 BGB bezüglich der überzahlten Miete. Die Modernisierungszuschläge könnten aber auch im Rahmen eines Ordnungswidrigkeits- oder Rückzahlungsverfahrens überprüft werden. Bei den Bezirksämtern blieben nur noch die Härteanträge.

      Der Ausschluss einer Selbstkorrektur der Verwaltung durch Widerspruchsverfahren wird Mieter*innen und Vermieter*innen zudem frühzeitig in verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzungen zwingen. Der mit diesem Verfahren verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand wird eine nicht zu unterschätzende Hürde für betroffene Mieter*innen zur Rechtsdurchsetzung bilden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Mieter*innenvereinigungen lediglich Rechtsschutz für mietrechtliche, nicht jedoch für verwaltungsrechtliche Auseinandersetzungen anbieten. Ein bußgeldbeehrtes Verbotsgesetz böte dagegen die Möglichkeit, Streitigkeiten zwischen den Mietparteien vor den Zivilgerichten zu führen.

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      Mietrecht (doublet)Stellungnahmen
      news-632Fri, 06 Sep 2019 16:45:00 +0200Was tun, wenn's brennt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/was-tun-wenns-brennt-632Rechte Gewalt in Berlin stoppen! 10.9.19 | 19:30 h | SO36Diskussion mit:
      Ferat Kocak, Vizesprecher Die Linke Neukölln, Betroffener rechter Gewalt
      Sven Richwin, Rechtsanwalt, vertritt mehrere Betroffene rechter Gewalt
      Katharina König-Preuss Die Linke Thüringen, berichtet über den Sinn eines Untersuchungsausschusses vor dem Hintergrund des NSU-Ausschusses in Thüringen

      Zeit und Ort:
      Dienstag, 10. September 2019 um 19:30 h
      SO36
      Oranienstr. 190
      10999 Berlin

      Nachdem mit Walter Lübcke ein Politiker Opfer rechten Terrors geworden ist, scheint das Thema wieder Konjunktur zu haben. In Berlin, das seit Jahren immer wieder Tatort rechten Terrorswird, scheint das Thema die Sicherheitsbehörden jedoch kaum zu interessieren. Im Neuköllner Süden kommt es seit 2010 immer wieder zu schweren Vorfällen: Der Mord an Burak Bektașim Jahr 2012, sowie zahlreiche Brandanschläge auf das Haus der Falken, private PKWs von Linken und eine  alternative Neuköllner Kiezkneipe, bei denen es oft nur dem Zufall geschuldet war, dass es keine schwer Verletzten oder Tote gab. Die Neuköllner Neonaziszene scheint aktiv und bisher weitestgehend ungestört in ihren Angriffen.

      Eine nicht unbedeutende Rolle scheint die Untätigkeit der Berliner Sicherheitsbehörden zu spielen:
      Trotz Kenntnis eines potentiellen Täterkreises werden Ermittlungen immer wieder eingestellt. Betroffene der Angriffe werden trotz entsprechender Hinweise der Sicherheitsbehörden nicht über ihre Gefährdung informiert, geschweige denn geschützt. Es entsteht der Eindruck, dass dahinter nicht Zufall, Pannen oder Unvermögen stecken, sondern Struktur.

      Ein Ansatz des Zusammenschlusses Betroffener ist es nun, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses mittels einer Petition zu fordern, um das Berliner Abgeordnetenhaus zu einer Auseinandersetzung mit dem Umgang der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden mit rechtem Terror zu bewegen.
      Welche Wege und Strategien sind im Kampf gegen rechte Gewalt, nicht nur in Berlin-Neukölln, notwendig und sinnvoll?

      In der Veranstaltung wollen wir diese und weitere Fragen mit euch diskutieren und uns mit der Lebensrealität Betroffener auseinandersetzen.

      Eine Veranstaltung des Zusammenschlusses Betroffener, des arbeitskreises kritischer juristinnen (akj) und des Republikanischen Anwätlinnen- und Anwältevereins (RAV)

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      Veranstaltungen
      news-636Fri, 06 Sep 2019 16:36:33 +0200Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-verlaengerung-des-betrachtungszeitraums-fuer-die-ortsuebliche-vergleichsmiete-636Stellungnahme des RAV, 6.9.19Grundsätzlich ist die Erweiterung des Betrachtungszeitraums für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahren zu begrüßen, jede Erweiterung hilft. Allerdings wäre es sicherlich besser, alle Mieten bei der Ermittlung der Vergleichsmieten zu berücksichtigen. Denn nur so werden alle Mieten berücksichtigt, die am Markt gezahlt werden.

            1. Ortsübliche Vergleichsmiete und Betrachtungszeitraum

      Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich – von der Grundidee her – um die Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es sind daher nicht nur die in jüngerer Zeit neu vereinbarten Mieten zu berücksichtigen, sondern auch die unveränderten Bestandsmieten, die offenbar von diesen Vermietern als auskömmlich und nicht unangemessen angesehen werden. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind Änderungskündigungen ausgeschlossen. Die Vermieter dürfen nicht kündigen, um einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wird ihnen das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappung von 15 bzw. 20 % auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu erhöhen. Das kann nicht die Neuvermietungsmiete sein, denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen würde. Dann hätte man sich dieses Verbot schlicht sparen können.

      Daher ist die ortsübliche Vergleichsmiete nicht die bei Neuvermietung erzielbare Miete, sondern diejenige Miete, die für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermieter soll das bekommen, was die anderen Vermieter – im Schnitt – auch an Miete erhalten. Darin enthalten sein müssen alle Mieten, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten.

      Derzeit sollen hingegen bei der Ermittlung der Vergleichsmiete nur die Mieten eine Rolle spielen, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Die Mieten, die also schon lange nicht erhöht worden sind, finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Diese systemwidrige Beschränkung wird mit der Einbeziehung zweier weiterer Jahre zwar gemildert. Konsequent und richtig wäre aber die Einbeziehung aller Mieten.

      Es wird angeregt, genau dies so zu regeln. Dabei muss auch darauf verwiesen werden, dass man 2016 unter der Vorgängerregierung schon einmal weiter war. Seinerzeit ging es um die Einbeziehung der Mieten immerhin der letzten zehn Jahre.

             2. Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten

      Der Referentenentwurf führt zur Begründung aus, dass die Mieten und hier insbesondere die Angebotsmieten in den letzten Jahren erheblich gestiegen seien. Aus diesem Grunde solle über die Ausweitung des Betrachtungszeitraums eine stärkere Dämpfung der Mieten erreicht werden. In der Praxis erweist sich allerdings gerade die Auseinandersetzung über die tatsächliche Miethöhe als wesentlich gravierender. Regelmäßig streiten sich die Parteien über die Qualität der qualifizierten Mietspiegel, die allein in eine Ermittlung der Vergleichsmieten sicher ermöglichen. Viele Mietspiegel sind als nicht mit dem Gesetz vereinbar – weil nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt – von der Rechtsprechung für ungültig erklärt worden.

                 a. Stärkung der qualifizierten Mietspiegel

      Es bedarf daher dringend verbindlicher Regelungen, wie die Mietspiegel aufzustellen sind. Hier hatte die Vorgängerregierung bereits einen Entwurf erarbeitet, der eine Reihe interessanter Ansätze enthielt. Hierauf hatten wir bereits in unserer anliegenden Stellungnahme zur letzten Mietrechtsreform verwiesen.

               b. Beweisregeln zu Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete

      Weiter ist es wichtig, neben einer Definition der wissenschaftlichen Grundsätze, die Beweisregeln in Bezug auf den Mietspiegel zu verbessern. Wir schlagen daher vorher, eine gestufte Beweisvermutung einzuführen:

      Es soll grundsätzlich dabei bleiben, dass ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellter Mietspiegel, der von den Interessenverbänden (Vermieter und Mieter) oder der Behörde anerkannt wurde, die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt. Darüber hinaus sollte gesetzlich vermutet werden, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, wenn die Interessenverbände und die Behörde den Mietspiegel anerkennen.

      Die Beweisvermutung führt gem. § 292 ZPO dazu, dass die unter Beweis gestellte Tatsache (hier also die ortsübliche Vergleichsmiete oder die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze) als bewiesen gilt, es sei denn, dass der Beweisgegner (i.d.R. der Vermieter) im Einzelfall das Gegenteil beweist. Gerade wenn sowohl Interessenvertreter der Vermieter als auch der Mieter den Mietspiegel anerkennen, kann man davon ausgehen, dass nicht nur die ermittelten Mieten, sondern auch die Aufstellung des Mietspiegels selbst ordnungsgemäß erfolgt sind. Ein Gegenbeweis bleibt aber möglich.

      Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, den nach Landesrecht für die Aufstellung der Mietspiegel zuständigen Behörden die Möglichkeit einzuräumen, Mietspiegel als lokale Norm für verbindlich zu erklären. Der Behörde soll möglich sein, den Mietspiegel als Satzung bzw. Rechtsverordnung zu erlassen, sofern nach ihrer Prüfung die Regeln bei der Aufstellung eingehalten wurden und die Interessenverbände zugestimmt haben. In diesem Fall würde das Zivilgericht, das über die ortsübliche Miete zu befinden hat, inzident prüfen, ob der Mietspiegel ordnungsgemäß aufgestellt worden ist. In Bundesländern, die über eine Verwaltungsordnung nach § 47 VwGO verfügen, könnte zudem eine Normkontrolle angestrengt werden. Die doppelte Beweisvermutung und die Möglichkeit, dadurch die Mietspiegel für verbindlich zu erklären, sollen für mehr Sicherheit im Streit über die richtige Miethöhe sorgen.

            3. Mietpreisbremse

      Gänzlich fehlt in dem Entwurf eine Auseinandersetzung mit der Mietpreisbremse. Denn auch für die Mietpreisbremse ist die ortsübliche Vergleichsmiete von großer Bedeutung. Diese darf bekanntlich nicht um mehr als 10 % bei Wiedervermietung überschritten werden, sofern sich die Wohnung in einem Gebiet gemäß § 555d Absatz 2 BGB befindet. Nachdem nun nach fünf Jahren geklärt ist, dass eine Mietpreisbremse nicht verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber nicht nur die Höhe von Bestandsmieten, sondern auch die Wiedervermietungsmieten regeln darf, sollte der Gesetzgeber dieses Instrument mutiger nutzen und die Mietpreisbremse deutlich schärfen.

      Hierzu wird schon lange gefordert,

      Berlin, 6. September 2019

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      Mietrecht (doublet)MietpreisbremseStellungnahmen
      news-635Fri, 30 Aug 2019 13:03:08 +0200Fehlerhafte Asylentscheidungen gehören ›in den Papierkorb‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kuenzler-635Pressemitteilung Nr. 5 vom 30. August 2019Anwält*innen üben massive Kritik an den Äußerungen des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Asylrecht

      Die Interviewäußerungen des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, vom heutigen Tag stellen ein gefährliches Zündeln am rechten Rand dar. PräsOVG Künzler verstößt aus Sicht des RAV gegen das Mäßigungsgebot insbesondere in Hinblick darauf, dass in Sachsen am kommenden Sonntag Landtagswahlen stattfinden. Künzler hatte behauptet, das Asylrechtssystem in Sachsen ignoriere Richterentscheidungen.

      Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, Fachanwältin für Migrationsrecht aus Dresden und Mitglied im erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), dazu:
      »Das Interview ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Die Äußerungen sind einseitig und ein Affront gegen schutzsuchende Menschen, die Vertrauen in die deutsche Gerichtsbarkeit haben. Eine Vielzahl von fehlerhaften Asylentscheiden muss durch Gerichte korrigiert werden und bewahrt somit Menschen vor der Abschiebung in Tod, Hunger oder erniedrigende Behandlung«.

      Rechtsanwältin Anne Nitschke, Mitglied der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ): »Wenn Herr Künzler behauptet, die Verwaltungsgerichte würden angesichts der von der Landesdirektion Sachsen herausgegeben Abschiebestatistik ›für den Papierkorb‹ arbeiten, vergleicht er Äpfel mit Birnen. Er übersieht dabei, dass sich beispielsweise aufgrund guter Integration, aus familiären oder humanitären Gründen auch jenseits des Asylverfahrens rechtliche Bleibeperspektiven für abgelehnte Asylsuchende ergeben«.

      Zu den durch PräsOVG Künzler aufgeworfenen Punkten ist festzuhalten:

      1. Er verkennt die Umstände von Flucht: Menschen werden Papiere häufig durch Schleuser abgenommen, Dokumente gehen oft auf der gefährlichen Flucht über das Meer verloren. Papiere werden aus Angst um zurückgebliebene Familienangehörige vernichtet. Und auch die Furcht vor Aufgriff durch Verfolgungsbehörden des Herkunftsstaats, denen kritische Dokumente gerade nicht in die Hände gelangen sollten, ist gegeben.
      2. Falsch ist, dass ohne vorgelegte Identitätsdokumente nicht abgeschoben werde. Vielmehr sind die deutschen Behörden in Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten – bspw. auch mit Afghanistan – in der Lage, sogenannte Passersatzpapiere zu erlangen, mit denen die Personen dann abgeschoben werden.
      3. Schlussendlich stehen die Aussichten für einen erfolgreichen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) unter besonders hohen rechtlichen Hürden. Es können auf individueller Ebene zu einem späteren Zeitpunkt Tatsachen bekannt werden oder auch sich die Zustände im Herkunftsland so zuspitzen, dass nunmehr eine Schutzzuerkennung notwendig ist. Beispielsweise kann das für einen aus einem islamischen Land stammenden Asylsuchenden gelten, der in der Bundesrepublik den Zugang zum christlichen Glauben gewinnt und somit aufgrund seiner Konversion nicht mehr in sein Herkunftsland zurückkehren kann.
         

      Das Recht auf Asyl, der Flüchtlingsschutz und der Schutz von Menschen, denen erniedrigende Behandlung droht, sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Immer weiteren Angriffen auf diese Grundwerte und der permanenten Aushöhlung dieser Schutzrechte treten wir entschieden entgegen.

      Die Äußerungen von Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, sind zu hören unter: MDR Mediathek, Radio vom 30.08.2019, 8.38 Uhr: »Frust bei Sachsens Verwaltungsrichtern«,
      https://www.mdr.de/mediathek/radio/mdr-aktuell/Richter-frustiert-wegen-Umsetzung-von-Asylentscheidungen-audio-100_zc-124d573e_zs-b8694c8c.html
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      PM als PDF

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      Migration & Asyl (doublet)Pressemitteilung
      news-634Wed, 21 Aug 2019 16:57:00 +0200#unteilbar<br />Solidarität statt Ausgrenzung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbarsolidaritaet-statt-ausgrenzung-634Großdemonstration, 24.8.19 in Dresden AufrufDer RAV ist Mitinitiator des Bündnisses #unteilbar und Erstunterzeichner des Aufrufs von #unteilbar-Sachsen.
      Wir werden am 24.8.19 mit einem RAV-Lautsprecherwagen an der Großdemonstration in Dresden teilnehmen und laden dazu ein, sich unserem Block anzuschließen.

      Hier der Aufruf von #unteilbar:

      Für eine offene und freie Gesellschaft - Solidarität statt Ausgrenzung!

      Es findet eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung sind gesellschaftsfähig. Was gestern mehrheitlich noch undenkbar war und als unsagbar galt, ist heute Realität. Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und Rechtsstaat werden offen angegriffen. Es ist ein Angriff, der uns allen gilt.

      Wir wissen um die Bedeutung der Landtagswahlen in Sachsen und der sächsischen Verhältnisse für die Auseinandersetzung um den bundesweiten Rechtsruck.

      Ganz Europa ist von einer nationalistischen Stimmung der Entsolidarisierung und Ausgrenzung erfasst. Kritik an diesen unmenschlichen Verhältnissen wird gezielt als realitätsfremd diffamiert. In dieser Situation lassen wir nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen.

      Während der Staat sogenannte Sicherheitsgesetze verschärft, die Überwachung ausbaut und so Stärke markiert, ist das Sozialsystem von Schwäche gekennzeichnet: Menschen leiden darunter, dass viel zu wenig investiert wird, etwa in Bildung, Pflege und Gesundheit, in den Kampf gegen die ökologische Krise, in öffentlichen Nahverkehr, Kinderbetreuung und Jugendkultur. Während ländliche Infrastruktur massiv unterfinanziert ist und die Menschen in die urbanen Zentren drängen, fehlt es in den Großstädten an bezahlbarem Wohnraum. Die Umverteilung von unten nach oben wurde durch die Wendekrise, Agenda 2010 und Finanzkrise massiv vorangetrieben. Steuerlich begünstigte Milliardengewinne der Wirtschaft stehen einem der größten Niedriglohnsektoren Europas und der Verarmung benachteiligter Menschen gegenüber.

      Nicht mit uns – Wir halten dagegen!
      „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ unter diesem Banner gingen ́89 Menschen in Sachsen auf die Straße. Diese Botschaft hat bis heute nicht an Relevanz verloren und soll in diesem Sommer auf die Straßen zurückkehren. So treten wir ein für eine offene und solidarische Gesellschaft, in der Menschenrechte unteilbar und vielfältige und selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich sind – in Sachsen, Deutschland und weltweit. Wir stellen uns gegen jegliche Form von Diskriminierung und Hetze. Gemeinsam treten wir Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus, Antiromaismus, Antifeminismus und LGBTTIQ*-Feindlichkeit entschieden entgegen. Menschen die auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen sind, dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Gleichwertigkeit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten ist nicht verhandelbar. Allen hier lebenden Menschen muss gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden.

      Wir sind jetzt schon viele, die sich einsetzen:
      Ob an den Außengrenzen Europas, ob vor Ort in Organisationen von Geflüchteten und in Willkommensinitiativen, ob in queer-feministischen, antirassistischen Bewegungen, in Migrant*innenorganisationen, in Behinderten- oder Kinderrechtsorganisationen, in Gewerkschaften, in Verbänden, NGOs, Religionsgemeinschaften, Vereinen und Nachbarschaften, ob in dem Engagement gegen Wohnungsnot, Verdrängung, Pflegenotstand, gegen Überwachung und Gesetzesverschärfungen, gegen die Entrechtung von Geflüchteten und für Klimagerechtigkeit – seit dem Herbst der Solidarität sind Hunderttausende Menschen für eine solidarische Gesellschaft auf die Straßen gegangen – an vielen Orten haben sich Menschen aktiv für eine Gesellschaft der Vielen eingesetzt. Diesen Aufbruch sozialer Bewegungen werden wir in diesem Sommer fortschreiben.

      Als Auftakt unserer gemeinsamen Aktivitäten wird am 6. Juli eine Demonstration in Leipzig stattfinden, mit der wir den #unteilbar-Sommer in Sachsen einläuten wollen. Als Höhepunkt ist eine Großdemonstration mit bundesweiter Mobilisierung am 24. August 2019 in Dresden geplant. Dazwischen wollen wir mit der #WannWennNichtJetzt Konzert- und Marktplatztour in Plauen, im Erzgebirge, in Zwickau, Grimma und Bautzen kooperieren. So werden wir an verschiedenen Orten lokal aktiv sein und in einer großen bundesweiten Mobilisierung in Dresden zusammenkommen.

      #unteilbar Sachsen lebt von unserem Engagement. Wir alle sind bei der Vorbereitung gefragt: Bei der Vernetzung mit anderen Aktiven und der Mobilisierung in unseren Nachbarschaften.

      Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung in ganz Sachsen und weit darüber hinaus!
      Für ein Europa der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit!
      Für ein solidarisches und soziales Miteinander in Sachsen statt Ausgrenzung und Rassismus! Für das Recht auf Schutz und Asyl – Gegen die Abschottung Europas!
      Für eine freie und vielfältige Gesellschaft!
      Solidarität kennt keine Grenzen!

      Alle Informationen rund um die Demonstration am 24.8.19 finden sich hier.

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      Anläßlich der großen #unteilbar-Demonstration am 13.10.18 hatten der RAV, die VDJ und das Komitee für Grundrechte und Demokratie am 2.10.18 einen eigenen Aufruf verfasst, der hier nachzulesen ist.

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      #unteilbar
      news-633Sun, 18 Aug 2019 11:16:02 +0200Veranstaltung im #unteilbar-Sonderzug/publikationen/mitteilungen/mitteilung/veranstaltung-im-unteilbar-sonderzug-63324.8.19, Jurist*innenwaggon im Sonderzug von Berlin nach Dresden zur Großdemonstration #unteilbar - Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung!Am 24.8.19 fahren 2 Sonderzüge von Berlin zur Großdemonstration von #unteilbar nach Dresden. Im Zug A hat der RAV zusammen mit der VDJ und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger einen ganzen Großraumwaggon gebucht. Auf der Hinfahrt werden wir die Zeit für eine kleine Veranstaltung nutzen (s.u.).

      Innnerhalb diesen Waggons sind noch einige freie Plätze vorhanden. Gern nehmen wir noch Buchungen an - bitte meldet Euch verbindlich per Mail an kontakt@rav.de an. Ein Ticket für die Hin- und Rückreise kostet 40 Euro, Kinder unter 14 fahren umsonst.
      Details zum Abfahrtsort und den Zeiten geben wir bei Buchung bekannt.

      Weitere Tickets in anderen Waggons des Sonderzuges (oder Spenden für Menschen, die mitfahren möchten, aber es sich finanziell nicht leisten können) sind buchbar unter www.unteilbar.org/sonderzug

      Zur Veranstaltung im Jurist*innenwaggon:

      Die Sicherung der europäischen Außengrenzen vor unerwünschter Einwanderung ist seit Langem brutal und für viele Menschen tödlich - durch den politischen Rechtsruck und die offene Ausschaltung menschenrechtlicher Garantien, sowie durch die Einbindung der  Europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union ist sie nochmal skrupelloser und zugleich intransparenter geworden. In einem Input wird Matthias Lehnert, Rechtsanwalt in Berlin, einen Einblick in die  politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen geben und diskutieren, ob juristische Interventionen eine sinnvolle Gegenstrategie sein können.

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      #unteilbar
      news-631Tue, 13 Aug 2019 11:15:24 +0200GE: Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ge-oeffentliche-sicherheit-und-ordnung-in-mecklenburg-vorpommern-631RAV-Stellungnahme, 9.8.19Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze (Drucksache 7/3694) anlässlich der Anhörung im Innen- und Europaausschuss am 22. August 2019.

      Verfasserin: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin

      Technische Vorbemerkung

      Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme darauf, zu den vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Video-Überwachung im Polizeigewahrsam, Meldeauflagen, Besonderen Mittel der Datenerhebung, Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung, Gezielter Kontrolle und Rasterfahndung ausführliche Beurteilungen abzugeben (A). Es schließen sich kurze Bemerkungen zu weiteren Normen an (B).

      Inhaltliche Vorbemerkung

      Der Gesetzentwurf beinhaltet eine Vielzahl von Kompetenzen, die bereits sehr weit im Vorfeld von Gefahren sehr weitgehende Grundrechtseingriffe ermöglichen. Das Ansetzen bereits im Vorfeld bringt es mit sich, dass die von der Polizei zu treffende Prognose, ob tatsächlich eine Gefahr besteht, mit Unsicherheit behaftet ist.

      Würde der Gesetzentwurf als Gesetz beschlossen, hätte das zur Folge, dass – im Falle polizeilicher Fehleinschätzungen, die wegen der grundsätzlichen Schwierigkeit, solche Prognosen zu treffen, unvermeidbar sind – schwerwiegende Maßnahmen gegen Personen eingesetzt werden, von denen tatsächlich keine Gefahr ausgeht.

      Es könnten Telefone abgehört, Computer online durchsucht, zu diesem Zweck Drohnen heimlich auf W-LAN-Netze zugreifen und ähnliches. Diese Problematik wird noch verschärft dadurch, dass mit derartigen Methoden nicht nur auf Daten von Personen zugegriffen werden darf, bei denen die Polizei davon ausgeht, dass von ihnen eine Gefahr ausgeht, sondern auch deren engere Kontaktpersonen direkte Zielobjekte der Überwachung sein können. Hinzu kommt, dass bei Zugriffen auf Telekommunikationsinhalte immer auch völlig unbeteiligte Dritte betroffen sind, die nicht in engem, sondern nur sporadischem Kontakt mit den Personen stehen, in Bezug auf die Aufklärung betrieben werden soll.

      Um die Dimensionen klar zu machen, wird beispielhaft auf zwei Erhebungen zu derartigen Maßnahmen hingewiesen: So wurden im Jahr 2014 in Berlin gegen 743 Personen strafprozessuale Telefonüberwachungsmaßnahmen angeordnet, abgehört wurden dabei insgesamt 1.504.884 Gespräche[1] – die Zahl der mitbetroffenen Gesprächspartner*innen wurde nicht erhoben, aber es ist leicht vorstellbar, dass diese Zahl fünfstellig ist. Von gefahrenabwehrenden Maßnahmen nach dem neuen BKAG von 2009, das Pate für einige der am meisten in Grundrechte eingreifende Maßnahmen des hiesigen Entwurfs stand, waren in den Jahren 2009 bis 2015 86 potentielle Gefahrverursacher*innen betroffen – ›mitbetroffen‹ war eine Zahl von mindestens[2] 1.621 Personen.[3] Die Streubreite ist gerade bei Maßnahmen der heimlichen Überwachung nachweislich sehr groß.

      Aus Sicht der im RAV organisierten Anwältinnen und Anwälte ist die klassische Aufteilung zwischen (eher offenen und weniger eingreifenden) Maßnahmen der Abwehr von Gefahren, bei denen noch unsicher ist, ob sie sich tatsächlich verwirklichen werden, und (eher heimlichen und stärker eingreifenden) Maßnahmen der repressiven Verfolgung bereits geschehener Straftaten nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch politisch geboten, um zu verhindern, dass in der Bevölkerung ein Gefühl der umfassenden staatlichen Überwachung entsteht.

      Bereits in der Grundentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in dem es das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erstmals definierte, ist ausgeführt[4]:
      »Individuelle Selbstbestimmung setzt voraus, dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit gegeben ist. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.

      Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.

      Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.«

      Das Grundgesetz schützt insoweit auch vor (Selbst-)Einschränkungen, die sich Bürgerinnen und Bürger aus Furcht vor Überwachung auferlegen.

      Im Zusammenspiel tiefgreifender und gleichzeitig heimlicher Befugnisse entsteht die Möglichkeit einer derart extensiven und intensiven Überwachung, dass umfassende Persönlichkeitsprofile von Personen erstellt werden können.

      Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet es eine Verletzung der Menschenwürde, wenn sich eine Überwachung über einen längeren Zeitraum erstreckt und derart umfassend ist, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (siehe auch die in der Gesetzesbegründung vielfach zitierte Entscheidung des BVerfG zum BKAG vom 20. April 2016, 1 BvR 966/09, Rn. 130 mit Verweis auf frühere Entscheidungen: BVerfGE 109, 279 <323>; 112, 304 <319>; 130, 1 <24>).

      Wer sich sicher sein kann, dass im Normalfall nur der Staat nur dann seine private Kommunikation und sein privates Leben überwacht, wenn die eindeutige Notwendigkeit besteht, eine geschehene Straftat aufzuklären, kann sich einigermaßen sicher sein, nicht von Überwachung betroffen zu sein, wenn im engeren Umfeld keine Straftaten begangen werden. Wenn aber diffuse Gefahrenlagen schon Grund für die Überwachung nicht nur von für die Gefahr mutmaßlich verantwortlichen Personen, sondern auch von deren Kontaktpersonen sein können, ist kaum noch absehbar, wer in den Fokus gerät. Die Erfassung von Daten von Kontaktpersonen geht dabei nach dem Gesetzentwurf so weit, dass zum Beispiel nach § 27 Abs. 3 auch höchstpersönliche Daten von selbst nicht gefährlichen Kontaktpersonen erhoben werden dürfen, also biometrische und genetische Daten, solche zur Religion, zur sexuellen Orientierung etc. (siehe § 3 Abs. 5 Nr. 3).

      Insgesamt gesehen gefährdet die Ausweitung der präventivpolizeilichen Befugnisse im vorgeschlagenen Gesetz Menschenwürde, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach den einzelnen Bürger*innen ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung zusteht, in dem sie ihre Individualität entwickeln und wahren können.

      Als Vorbemerkung sei abschließend noch gesagt, dass der Gesetzesentwurf sehr extensiv auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Änderungen des BKA-Gesetzes 2009 Bezug nimmt und so den Eindruck erweckt, das verfassungsrechtlich Gebotene zu regeln. Hierzu muss zunächst gesagt werden, dass das, was das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die neuen Kompetenzen des BKA entschieden hat – Kompetenzen, die das BKA anwenden darf, wenn es Hinweise von Geheimdiensten anderer Länder in Bezug auf Planungen von großen Terroranschlägen in der Bundesrepublik Deutschland bekommt – keineswegs ohne weiteres auf Landespolizeien übertragen werden kann.

      Weder aus dem Gesetzentwurf, noch aus Zahlen der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Land Mecklenburg-Vorpommern oder den Berichten der Abteilung für Verfassungsschutz des Ministeriums für Inneres und Europa des Landes Mecklenburg-Vorpommern ergibt sich, dass im Land Mecklenburg-Vorpommern für die Landespolizei dieselbe Notwendigkeit besteht wie für das BKA, terroristische Gefahren weit im Vorfeld konkreter Planungen aufzuklären. Erst recht gilt das vor dem Hintergrund, dass eine Vielzahl weitreichender Kompetenzen im neuen SOG nicht nur bei terroristischen Gefahren angewandt werden sollen darf, sondern auch schon bei Gefahren für »Leib, Leben oder Freiheit« einer Person, mit anderen Worten bereits bei der Gefahr einer einfachen Körperverletzung (=Gefahr für Leib).

      Zu dem Bezug auf die Verfassungsgerichtsentscheidung von 2016 zum BKAG muss aber vor allem eines klar gestellt werden: Wenn das Bundesverfassungsgericht Gesetze kontrolliert, entscheidet es explizit, was verfassungsrechtlich überhaupt nicht mehr tragbar ist und daher laut Verfassung nicht gelten darf. Aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen lässt sich also nur ersehen, was nicht geregelt werden darf – es bleibt eine politische Entscheidung, was geregelt werden muss. Aus Sicht des RAV besteht keine Notwendigkeit, dass jede Landespolizei schon im Vorfeld konkreter Verbrechensplanungen mit einer Vielzahl sehr weitgehender, heimlicher Ausforschungsmethoden eine Vielzahl von Personen überwacht.

      A. Ausführungen zu den einzelnen Änderungsvorschlägen

      1. Videoüberwachung von polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen - § 32 Abs. 9

      Die dauernde Beobachtung von in Polizei-Gewahrsamszellen festgehaltenen Personen in von Seiten der Polizei zu bestimmenden Fällen stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Person dar.

      Zwar könnte eine Überwachung von Gewahrsamszellen auch Vorteile für Gefangene bringen, die befürchten, polizeilichen Übergriffen ausgesetzt zu sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, solange die Videoaufzeichnung durch die Beamten an- und abgeschaltet werden kann.

      Den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten des RAV wird leider nicht nur in seltenen Ausnahmefällen von Betroffenen berichtet, dass sich Polizeibeamte in polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen unangemessen bis falsch oder sogar gewalttätig verhalten.[5] Da Personen in Gewahrsamszellen üblicherweise allein sind und die ihnen gegenüber rechtswidrig handelnden Beamte nicht identifizieren können, wenn diese ihren Namen nicht nennen, ist ein Nachweis des Geschehens für die Betroffenen in vielen Fällen aussichtslos.

      Eine Videoüberwachung in polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen könnte insoweit Abhilfe schaffen – allerdings nur, wenn das Gesetz eine lückenlose und flächendeckende Dokumentation vorschreiben würde. Denn nur, wenn durchgehend gefilmt wird, kann die Tatsache, dass das Geschehen in einer bestimmten Zelle oder zu einer bestimmten Zeit nicht aufgezeichnet wurde, in einem nachfolgenden Verfahren als Indiz dafür gewertet werden, dass etwas verborgen werden soll.

      Weil die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Maßnahme eben keine umfassende Aufzeichnung vorsieht, bietet sie keinen Schutz vor unangemessenem bis gewalttätigem Verhalten in Gewahrsamseinrichtungen. Sie entspricht entgegen der Gesetzesbegründung eben deshalb auch keineswegs der Empfehlung von Amnesty International im Bericht zu rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland von 2010.

      Da die Ermessensnorm – so wie sie im Gesetzentwurf formuliert ist – keinen Schutz gegen rechtswidriges Polizeihandeln bietet, ist der in der Videoüberwachung liegende Eingriff nicht zu rechtfertigen, dem die Betroffenen unausweichlich ausgesetzt sind, während sie im Gewahrsam festgehalten werden. Es stellt eine deutlich über die Freiheitsentziehung als solche hinausgehende Beeinträchtigung dar, wenn eine in Unfreiheit befindliche Person einer Dauer-Beobachtung ausgesetzt ist. Dass das gesamte Verhalten der Gefangenen in der Zelle nach dem Gesetzentwurf nicht nur beobachtet, sondern sogar aufgezeichnet werden darf, verschärft die Problematik noch.

      Abschließend sei bemerkt: Soll – wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt – Suizid oder gesundheitlichen Notfällen vorgebeugt werden, liegt es auch näher, die betroffenen Personen in anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern, unterzubringen.

      2. Meldeauflagen - § 52 b

      Grundsätzlich ist es aus Sicht der Anwältinnen und Anwälte des RAV zu begrüßen, dass mit § 52 b nun eine gesetzliche Grundlage für ein in der Praxis bereits vielfach angewandtes Handeln geschaffen wird. Leider geht jedoch die Regelung über das hinaus, was die bisherige Praxis war. Dafür besteht aus anwaltlicher Sicht zum einen kein Bedarf, zum anderen birgt die weitreichende Formulierung des Gesetzesentwurfs die Gefahr, dass es zu unverhältnismäßigen Anordnungen kommt.

      Hier ist vor allem die Regelung des § 52 b Abs. 5 gemeint, wonach eine Meldeauflage für die Dauer von bis zu drei Monaten erteilt werden kann. Es ist durchaus fragwürdig, ob es überhaupt möglich ist, eine sichere Prognose dazu zu stellen, dass über einen derart langen Zeitraum für jeden einzelnen Tag die Gefahr einer Straftatbegehung droht. Der Gesetzentwurf selbst gibt in der Begründung auch gar kein Beispiel dafür, dass über 90 Tage hinweg eine Meldeauflage die Begehung einer Straftat verhindern soll – das im Gesetzentwurf benannte Beispiel lautet, dass sich aus dem Spielplan für Fußballveranstaltungen ergibt, dass betroffene Personen »bei einer Reihe von Risiko-Spielen« Straftaten begehen könnten (S. 253 des Entwurfs). Hier wäre aber gerade keine Meldeauflage für die Dauer von drei Monaten verhältnismäßig, sondern mehrere Meldeauflagen für jeden einzelnen Spieltag.

      Warum dies einen Unterschied macht, kann wiederum ein Beispiel zeigen: Im Laufe von drei Monaten finden vier solche Spiele statt, wobei aber zwischen dem zweiten und dritten der Spiele ein Zeitraum von vier Wochen liegt, in dem kein solches Spiel angesetzt ist. Bei einer Meldeauflage über die Dauer von drei Monaten müsste sich die Person aber auch in diesen Wochen melden und könnte zum Beispiel keine auswärtige Geschäftsreise unternehmen.

      Problematisch ist in Zusammenhang mit der Anordnung längerfristiger Meldeauflagen, dass Widersprüche nach § 56 b Abs. 2 S. 3 keine aufschiebende Wirkung haben sollen, so dass Personen, die sich dagegen wenden, verwaltungsgerichtliche Eilverfahren durchführen müssten, um eine Aufhebung der Meldeauflage für bestimmte Zeiträume zu erreichen.

      Die Höchstgrenze für Meldeauflagen muss vor diesem Hintergrund deutlich verkürzt werden. Alternativ müsste mindestens klarstellend ein Passus eingefügt werden, dass eine Meldeauflage, die einen längeren Zeitraum als 48 Stunden betrifft, nur dann verhängt werden darf, wenn die Prognose gestellt werden kann, dass für jeden einzelnen der Tage in dem gesamten Zeitraum die Gefahr besteht, dass Straftaten begangen werden.

      Zu weitgehend ist in diesem Zusammenhang auch die geplante neue Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 5, wonach zur Durchsetzung von Meldeauflagen Gewahrsam angeordnet werden kann. Gilt eine Meldeauflage über einen langen Zeitraum hinweg, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein einzelner Meldetermin verpasst wird, größer als bei einer kurzfristigen Maßnahme. Dass in so einem Fall gleich Gewahrsam droht, bedeutet eine übermäßige Freiheitseinschränkung.

      3. Besondere Mittel der Datenerhebung § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 Nr. 2

      In Bezug auf die Regelung zu besonderen Mitteln der Datenerhebung nach § 33 Abs. 1 ist zunächst ausdrücklich zu begrüßen, dass mit § 33 a ein Richtervorbehalt eingeführt worden ist.

      Kritikwürdig ist jedoch die sehr weitgehende Einbeziehung von Kontaktpersonen und der nicht ausreichende Schutz Dritter.

      Nach § 33 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 darf jede einzelne der Maßnahmen (sei es eine längerfristige Observation oder der Einsatz von verdeckt ermittelnden Polizeibeamten) auch gegen Kontaktpersonen nach § 27 Abs. 3 Nr. 2 eingesetzt werden, also gegen Personen, von denen selbst keine Gefahr ausgeht, von denen die Polizei nur annimmt, dass sie zum Beispiel Kenntnis von Planungen anderer haben. Wie bereits in den einleitenden Bemerkungen ausgeführt, verschiebt eine solche Erweiterung des Kreises von Personen, die tief greifenden und heimlichen Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sein dürfen, über den Kreis der tatsächlich gefährlichen Personen hinaus das Grundgefüge der Gesellschaftsordnung. Wenn es solche Kompetenzen gibt, wonach zum Beispiel ein verdeckter Ermittler auf die Freundin oder die Familie einer gefährlichen Person angesetzt werden dürfte, kann in der Bevölkerung ein allgemeines Gefühl der möglichen Überwachung entstehen. Dies ist mit Blick auf eine freiheitliche Gesellschaft unbedingt zu vermeiden.

      Erst recht gilt dies für mitbetroffene Dritte. Nach § 33 Abs. 4 dürfen solche Maßnahmen auch eingesetzt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen sind – was im Übrigen in der Praxis auch regelmäßig der Fall ist, da solche längerfristigen heimlichen Maßnahmen das gesamte Leben der Zielperson begleiten, in dem immer auch Dritte eine Rolle spielen, seien es Kinder und andere Verwandte, Nachbar*innen, Geschäftspartner*innen, Freund*innen, Mitbewohner*innen, Lehrer*innen, Verkäufer*innen etc.

      4. Verschiedene Formen der Telekommunikationsüberwachung (insb. Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ §§ 33 c, 33 d)

      Aus der Erfahrung der im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte besteht in Bezug auf die Überwachung der Telekommunikation neben den strafprozessualen Befugnissen schon kein weiterer Bedarf an entsprechenden Eingriffsgrundlagen. Bei konkreten Planungen schwerwiegender Taten ist schon jetzt die strafprozessuale Überwachung nach den §§ 100 a StPO ff. möglich (vgl. § 89a StGB). Ein darüber hinaus bestehender Bedarf für eine Landespolizei ist – wie bereits in den einleitenden Bemerkungen ausgeführt – äußerst fraglich.

      Zur präventivpolizeilichen Online-Durchsuchung durch das BKA hat ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht[6] ergeben, dass in fünf Jahren überhaupt nur in zwei Fällen insgesamt fünf derartige Anordnungen nach § 20k BKAG a.F. ergingen. Aufgrund von technischen Problemen führte nur eine dieser fünf Anordnungen letztlich auch dazu, dass Daten von insgesamt zwei Zielsystemen ausgeleitet wurden, wobei insgesamt ca. 70.000 Inhalte erhoben wurden – allerdings keine verfahrensrelevanten Daten.[7] Explizit festgestellt wurde in dem Gutachten auch, dass es sich um eine zeitaufwändige und vorbereitungsintensive Maßnahme handelt. Dasselbe gilt für die Quellen-TKÜ, bei der die Entwicklung der Überwachungsmittel regelmäßig so arbeits- und zeitintensiv ist, dass sie bei Fertigstellung bereits veraltet sind.[8]

      Das spricht nicht nur dagegen, dass für die Einführung einer präventivpolizeilichen Kompetenz zur Online-Durchsuchung überhaupt ein Bedarf bei der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern besteht. Es erscheint auch fraglich, dass – würde sie eingeführt – überhaupt die Mittel dafür vorhanden wären, die Kompetenz auch einzusetzen.

      Es spricht auch dagegen, dass Eilkompetenzen – wie in § 33 c Abs. 10 und 33 d Abs. 4 vorgesehen – überhaupt notwendig sind. Es ist schon kaum ein Fall vorstellbar, in dem eilig gehandelt werden muss, aber noch die Erstellung einer Überwachungs-Software abgewartet werden kann. Denn weder Online-Durchsuchung noch Quellen-TKÜ können innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden. Während der Erarbeitung der technischen Tools kann aber ohne weiteres auch ein Antrag an das Gericht formuliert werden. Das sieht im Übrigen auch das BKA so.[9]

      Zu den technischen Problemen, bei der Quellen-TKÜ das verfassungsrechtliche Gebot zu erfüllen, dass ausschließlich die laufende Kommunikation überwacht wird,[10] werden hier keine weiteren Ausführungen gemacht – gleichwohl sei angemerkt, dass dies auch in den Augen der Anwältinnen und Anwälte des RAV eines der Hauptprobleme dieser Ermittlungsmethode darstellt.

      Ein anderes Problem stellt sich bei den Kompetenzen für Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ nach dem Gesetzentwurf gleichermaßen: Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist für beide Kompetenzen in § 26 a nicht hinreichend gewährt. Dies gilt insbesondere in der Auswertungsphase, in der die aus den heimlichen Maßnahmen gewonnenen Daten analysiert werden. Hier ist vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Online-Durchsuchung nach dem BKAG entschieden worden, dass die Regelung des § 20 Abs. 7 Satz 3 und Satz 4 BKAG a.F. verfassungswidrig war, wonach die Daten durch den Datenschutzbeauftragten und weitere Bedienstete des BKA auf ihren Kernbereichsgehalt gesichtet werden sollten.[11] Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass die verfassungsrechtlich gebotene Sichtung durch eine unabhängige Stelle maßgeblich dem Ziel dient, kernbereichsrelevante Daten so frühzeitig herauszufiltern, dass sie den Sicherheitsbehörden nach Möglichkeit nicht offenbar werden und dass das wiederum voraussetzt, dass die Kontrolle im Wesentlichen von externen, nicht mit Sicherheitsaufgaben betrauten Personen wahrgenommen wird, weshalb also eine Kontrolle durch behördeninterne Datenschutzbeauftragte nicht ausreichend ist.[12] Auch die »Sachleitung« eines Gerichts genügt (diesen Anforderungen) nicht.

      Sollte also – entgegen allem oben Gesagten – daran festgehalten werden, dass in einer Änderung des SOG auch Kompetenzen zur Online-Durchsuchung und zur Quellen-TKÜ eingeführt werden, muss eine Regelung eingeführt werden, wonach ein Gericht mit diesen Methoden erhobene Daten vor der Auswertung durch die Polizei auf etwaige kernbereichsrelevante Inhalte hin überprüft und die Löschung dieser kernbereichsrelevanten Inhalte vornimmt.[13]

      5. Gezielte Kontrolle - § 35 Abs. 2

      Die Einführung einer Kompetenz zur gezielten Kontrolle von Personen, die zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben sind, ist nicht verfassungsgemäß. Mit dieser Kompetenz wird die Möglichkeit zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung von den dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen (siehe §§ 29, 53 und 57 SOG MV) abgekoppelt und weit ins Vorfeld tatsächlich bestehender Gefahren verlagert und auf Personen ausgeweitet, von denen keine Gefahr ausgeht. Es darf dann zum Beispiel die Identität jeder Person überprüft werden, die sich in einem Fahrzeug befindet, von dem angenommen wird, dass dieses Fahrzeug auch eine Person nutzt, von der angenommen wird, dass sie erhebliche Straftaten begehen wird.

      Um eine überschießende Überwachung mit den in der einführenden inhaltlichen Anmerkung dargelegten Folgen für die Gesellschaft zu vermeiden, ist auf die Einführung dieser Regelung zu verzichten. So ist zum Beispiel in Sachsen-Anhalt die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung geregelt (§ 19 Abs. 1 und 2 SOG LSA), dann aber explizit verfügt (19 Abs. 3 SOG LSA):

      Gegen eine Person, die unter polizeilicher Kontrolle steht oder ein nach Absatz 1 ausgeschriebenes Kraftfahrzeug führt, sind beim Antreffen andere Maßnahmen nur zulässig, wenn jeweils die besonderen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt sind.

      So sollte nach Ansicht des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins auch die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern gestaltet werden.

      6. Rasterfahndung - § 44

      Aus dem bereits in Bezug auf Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ zitierten Gutachten des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht ergibt sich auch, dass eine Kompetenz für die Durchführung von präventivpolizeilichen Rasterfahndungen in der Praxis nicht benötigt wird. Die Rasterfahndung nach § 20j BKAG a.F. wurde in den fünf Jahren nach ihrer Einführung im Jahr 2009 vom BKA genau einmal eingesetzt.[14]

      Außerdem gilt wiederum das in Bezug auf Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ ebenso Gültige: Eine Eilkompetenz ist nicht erforderlich, weil eine Rasterfahndung lange und aufwändige Vorbereitung erfordert.[15]

      B. Ergänzende kurze Anmerkungen und redaktionelle Hinweise

      zu § 25 b: Soweit im Gesetz vorgesehen ist, dass gerichtliche Entscheidungen auch ohne Anhörung und Bekanntgabe wirksam werden können, ist übersehen worden, eine flankierende Regelung zur nachträglichen Unterrichtung einzufügen, sobald eine Information über die Maßnahme die Erreichung ihres Ziels nicht mehr gefährdet.

      zu § 26 b Abs. 2: Es gilt das bereits mehrfach Gesagte: Nicht jede Regelung des BKAG ist für jedes Land erforderlich. Aus Sicht des RAV ist es nicht nachvollziehbar, welchen Grund es dafür geben sollte, den Schutz von vertraulichen Gesprächen mit nicht-anwaltlichen Berufsgeheimnis-Träger*innen wie Ärzt*innen, Seelsorger*innen etc. so weit erodieren zu lassen, wie es § 26 b Abs. 2 vorsieht. Die Regelung ist zu streichen.

      zu § 45 a: Es ist zu begrüßen, dass mit § 45 a nunmehr eine gesetzliche Regelung für Aussonderungsprüffristen gespeicherter personenbezogener Daten vorgesehen wird. Es wird angeregt, neben den genannten Fristen explizit eine Frist zur Aussonderungsprüffrist in Bagatellfällen von drei Jahren einzuführen.

      zu 48 Abs. 5: Offenbar ist übersehen worden, dass bei Auskunftsverweigerung neben der Kontrolle durch die oder den Datenschutzauftragte/n auch eine Kontrolle im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt. Es ist zu ergänzen, dass die dokumentierten Gründe auch dahin zu übermitteln sind bzw. eine Sperrerklärung abzugeben ist.

      zu § 57 Abs. 2: Während bei der Regelung zur Sicherstellung (§ 61) im Entwurf ein Richtervorbehalt vorgesehen ist, fehlt er bei der Regelung der Durchsuchung von elektronischen Speichermedien nach § 57 Abs. 2. Ein Richtervorbehalt ist aber aufgrund der Grundrechtseingriffstiefe einer Durchsuchung von elektronischen Speichermedien, bei denen eine Kernbereichsrelevanz regelmäßig auf der Hand liegt, nicht verzichtbar.

      Berlin, den 09. August 2019


      [1] Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/2401 v. 20.07.2015, S. 4.
      [2] In einigen Fällen fehlen die Zahlen zu den Mitbetroffenen.
      [3] BT-Drs. 18/13031, S. 17 – Maßstab für Mitbetroffenheit war hier § 20 w BKAG a.F.
      [4] BVerfGE 65, 1, 42f.
      [5] Siehe u.a. Grundrechte-Report 1999, S. 138; Grundrechte-Report 2003, S. 70; Grundrechte-Report 2013, Seite 64; Grundrechte-Report 2016, S. 74 und S. 186.
      [6] BT-Drs. 18/13031, S. 23.
      [7] BT-Drs. 18/13031, S. 38.
      [8] BT-Drs. 18/13031, S. 40.
      [9] Laut Gutachten des MPI, BT-Drs. 18/13031, S. 42.
      [10] BVerfG, Urteil 27.02.2008, 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07.
      [11] BVerfG, Urteil 20.04.2019, 1 BvR 966/09, Rn. 223.
      [12] BVerfG, Urteil 20.04.2019, 1 BvR 966/09, Rn. 224f.
      [13] Hierbei ist auf die Einhaltung ausreichender Aufbewahrungsfristen für die Löschungsprotokolle zu achten: BVerfG, Urteil 20.04.2019, 1 BvR 966/09, Rn. 226.
      [14] BT-Drs. 18/13031, S. 21.
      [15] BT-Drs. 18/13031, S. 42.

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      Stellungnahmen
      news-630Wed, 31 Jul 2019 16:34:06 +0200Die problematische Nutzung von DNA für die Polizeiarbeit/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-problematische-nutzung-von-dna-fuer-die-polizeiarbeit-630Veranstaltung, 05.09.19 BerlinInformationsveranstaltung und Diskussion zum „genetischen Phantombild“

      Die Bundesregierung will die Strafprozessordnung grundlegend erweitern.
      Neben Einschnitten in Beschuldigten- und Verteidigungsrechte sollen sogenannte erweiterte DNA-Analysen eingeführt werden. Damit darf die Polizei menschliche DNA-Spuren auf mögliche Augen-, Haut- und Haarfarbe sowie Alter ihrer Träger*innen untersuchen. Dieses „genetische Phantombild“ wird in der Wissenschaft als ungenau und gefährlich kritisiert. Aus antirassistischer und datenschutzrechtlicher Perspektive bergen die erweiterten DNA-Analysen erhebliches Diskriminierungspotenzial. Für die politische Rechte bietet die Debatte erneut die Möglichkeit, ihre rassistische Erzählung von Migration und Kriminalität als den zwei Seiten einer Medaille weiter zu etablieren.
      Diese und andere Themen wollen wir vor dem endgültigen Beschluss der Strafrechtsreform beleuchten.

      Zeit & Ort
      Donnerstag, 5. September 2019
      Beginn: 19:30 Uhr
      „Aquarium“, Skalitzer Str. 6, Berlin

      Referent*innen:
      RA Benjamin Derin, Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP, RAV
      Isabelle Bartram, Gen-Ethisches Netzwerk GeN
      Anja Reuss, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

      Eine Veranstaltung von: CILIP, Gen-ethisches Netzwerk (GeN), arbeitskreis kritischer jurist*innen an der Humboldt-Universität Berlin (akj), Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

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      Veranstaltungen
      news-629Wed, 17 Jul 2019 15:37:47 +0200Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Stiefkindadoption bei nicht miteinander verheirateten Paaren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungswidrigkeit-des-ausschlusses-der-stiefkindadoption-bei-nicht-miteinander-verheirateten-paaren-629RAV-Stellungnahme vom 03. Juli 2019Stellungnahme des RAV zum Diskussionspapier vom 07.06.2019
      Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Stiefkindadoption bei nicht miteinander verheirateten Paaren
      BVerfG vom 26.03.2019, 1 BvR 673/17

      Verfasser: Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried

      Vorbemerkung

      Von den beiden genannten Lösungsmöglichkeiten halten wir die Lösung B für vorzugswürdig. Wir meinen, dass es im Einzelfall auch im Kindeswohl liegen kann, die Adoption fremder Kinder durch nichteheliche Paare zuzulassen. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von derjenigen bei der Stiefkindadoption, hinsichtlich derer nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ohnehin eine Neuregelung geboten ist. Das Diskussionspapier vom 07.06.2019 berücksichtigt jedoch in einigen Punkten die Konsequenzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts und den Reformbedarf nicht hinreichend:

      1. Entwicklung von Stabilitätskriterien für nichteheliche Lebensgemeinschaften

      Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts müssen ohnehin Stabilitätskriterien für nichteheliche Lebensgemeinschaften entwickelt werden. Es handelt sich also bei diesem Erfordernis nicht um Konsequenzen der angedachten Lösungen, sondern um eine Konsequenz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch bereits Anhaltspunkte für die Entwicklung dieser Kriterien dargestellt.

      Hinsichtlich dieser Kriterien gibt es unseres Erachtens keine nennenswerten Unterschiede zwischen der Stiefkindadoption durch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Adoption fremder Kinder in eine nichteheliche Lebensgemeinschaft.

      2. Kindeswohlprüfung ohnehin erforderlich

      Auch bei der gemeinschaftlichen Adoption durch Ehepaare und der Stiefkindadoption durch Ehepartner findet eine Kindeswohlprüfung statt, die sich nicht in der Feststellung des Bestehens einer Ehe erschöpft. Die bei Umsetzung der angedachten Neuregelungen erforderliche Kindeswohlprüfung unterscheidet sich hiervon nicht grundsätzlich. Der (erhöhte) Prüfungsaufwand bei Gerichten und Behörden hält sich somit in vertretbaren Grenzen.

      3. Einzeladoption auch durch Ehepartner ermöglichen

      Die in dem Diskussionspapier genannte Konsequenz der Benachteiligung von Ehegatten (bei beiden Lösungen) ließe sich dadurch vermeiden, dass auch verheirateten Personen die Einzeladoption ermöglicht wird. Auch dies mag im Einzelfall im Kindeswohl geboten sein. Es besteht daher keinerlei Veranlassung, an dem bisherigen generellen Ausschluss der Einzeladoption durch Verheiratete festzuhalten.

      4. Entbehrlichkeit der Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren

      Im Rahmen der Neuregelung sollte die Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren dadurch entbehrlich gemacht werden, dass die Ehefrau der Frau, die ein Kind zur Welt bringt, entsprechend §1592 Nr. 1 BGB ebenfalls automatisch Mutter ist, ferner durch die Ermöglichung einer Mutterschaftsanerkennung - entsprechend den Regelungen zur Vaterschaftsanerkennung.

      Die durch die Verweigerung dieser Möglichkeiten erforderliche Stiefkindadoption bindet erhebliche Kräfte bei Gerichten und Behörden. Die Freisetzung dieser Kräfte würde die im Diskussionspapier erwähnte Mehrbelastung mehr als kompensieren.

      Stellungnahme als PDF

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      Stellungnahmen
      news-628Wed, 17 Jul 2019 09:25:55 +0200Mannheimer Appell für eine verantwortliche Kriminalpolitik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mannheimer-appell-fuer-eine-verantwortliche-kriminalpolitik-628Appell der Fachgruppe Strafrecht der Neuen RichtervereinigungDer RAV begrüßt den ›Mannheimer Appell für eine verantwortliche Kriminalpolitik‹ der Neuen Richtervereinigung - Fachgruppe Strafrecht, den wir hier folgend veröffentlichen.
      Das Vorhaben der Mehrheit der Landesjustizministerien, erneute Bewährungsentscheidungen nahezu unmöglich zu machen, wenn innerhalb einer laufenden Bewährung eine neue Tat begangen wurde, ist unverantwortlich, weil irrational und populistisch. Den überzeugenden Argumenten des ›Mannheimer Appels‹ ist nichts hinzuzufügen.

      ********

      Appell
      Unter dem Stichwort „Kettenbewährungen“ fordern die Landesjustizministerinnen und –minister seit ihrer Frühjahrskonferenz am 5. und 6. Juni 2019 unter anderem, den Gerichten per Gesetz zu verbieten, eine Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn die Straftat innerhalb einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde. Zur Begründung berufen sie sich auf statistisches Zahlenmaterial, das den Eindruck erweckt, als sei eine erneute Bewährungsaussetzung nach einem Bewährungsbruch sehr weit verbreitet.
      Angesichts dieser Forderung appelliert die Fachgruppe Strafrecht der NRV an die Verantwortlichkeit der Politik für das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger.
      Der unablässige Ruf nach immer neuen Strafverschärfungen ist geeignet, genau jene Verunsicherung zu schüren, deren angeblicher Bekämpfung diese Gesetzesinitiativen dienen sollen.
      Zur Reaktion auf Kriminalität sind die vorhandenen Mittel ausreichend. Dies folgt nicht nur aus der jüngst vorgelegten Kriminalstatistik, sondern auch aus den Antworten des Deutschen Viktimisierungssurvey (DVS), wonach keine grundlegende Veränderung der selbst erfahrenen Kriminalität bei den Bürgerinnen und Bürger zwischen 2012 und 2017 feststellbar ist. Gestiegen ist lediglich die subjektive, durch nichts begründete Kriminalitätsfurcht – und damit das Bedürfnis, Wählerinnen und Wähler durch eine Härte suggerierende Symbolgesetzgebung zu gewinnen. Wünschenswert wäre dagegen bestenfalls eine Erweiterung des Sanktionenkatalogs um solche Instrumente, die die Legalbewährung zu fördern geeignet sind.
      Die Behauptung, Gefängnisstrafen erreichten Gesetzestreue besser als eine Ermutigung zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung, widerspricht sämtlichen empirischen Erkenntnissen, was in den Justizministerien bekannt sein dürfte. Diese Behauptung dennoch immer wieder vorzubringen, zeugt von einem autoritären und im Kern antidemokratischen Weltbild. Dieses Vorgehen ist geeignet, gerade diejenigen politischen Kräfte zu fördern, die durch das Betonen von Law-and-Order-Forderungen vorgeblich zurückgedrängt werden sollen. Das Gleiche gilt für den impliziten Vorwurf, Richterinnen und Richter urteilten zu lasch und ihnen müssten per Gesetz die Zügel angelegt werden.
      Das zur Untermauerung der Forderung der Justizministerkonferenz herangezogene statistische Zahlenmaterial ist zudem unseriös aufbereitet. So erscheint schon die Analyse, dass in mehr als der Hälfte aller Fälle trotz einer bestehenden Bewährung eine zweite gewährt werde, tendenziös fehlerhaft. Es wird hierbei nicht berücksichtigt, dass die Statistik auch dann eine zweite Verurteilung ausweist, wenn es sich tatsächlich um die später erfolgte Verurteilung einer ersten Tat gehandelt hat. Außerdem ist für die Legalprognose allein auf den Zeitpunkt der (letzten) Hauptverhandlung abzustellen. Für eine ernsthafte Bewertung der richterlichen Entscheidungen müsste somit der Zeitablauf seit der abzuurteilenden Tat berücksichtigt werden. Insbesondere wäre eine Analyse in Hinblick auf die allein relevante Fragestellung geboten, ob sich die Gewährung einer zweiten Chance im Ergebnis in dem Sinne als überwiegend zutreffend erwiesen hat, dass danach tatsächlich während der (doppelten) Bewährungszeit keine weitere Straftat mehr begangen wurde. All dies ist dem Zahlenmaterial nicht zu entnehmen, auf dessen Grundlage die Justizministerkonferenz ihre Forderung aufgestellt hat.
      Die Forderung nach einer vermeintlich konsequenteren Sanktionierung rekurriert zudem auf das Vorurteil, dass im Falle der Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung keine spürbare Reaktion auf strafbares Verhalten erfolge. Tatsächlich kann aber gerade durch Bewährungsauflagen und –weisungen beim Verurteilten eine Verhaltensänderung erreicht werden. Erholsam ist eine aktive Bewährungszeit für den Verurteilten nicht.
      Nur am Rande sei erwähnt, dass die bundesdeutschen Gefängnisse ohnehin bereits in Besorgnis erregender Weise überbelegt sind. Hierdurch kann der Strafvollzug seiner verfassungsrechtlich gebotenen Aufgabe, die Resozialisierung der Verurteilten zu fördern, noch schlechter gerecht werden.
      Kein Politiker, der entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse behauptet, die von ihm geforderten Strafschärfungen dienten der Verhinderung von Kriminalität, soll später sagen, er habe die mit dieser Stimmungsmache von ihm selbst erzeugte Gefährdung des demokratisch verfassten Rechts- und Sozialstaats nicht erkannt. Populistische Töne tragen entscheidend dazu bei, die repräsentative Demokratie zu gefährden, anstatt sie zu bewahren.

      Mannheimer Appell als PDF

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      Pressemitteilung
      news-627Wed, 03 Jul 2019 11:19:40 +0200Gewaltexzess bei Nürnberger Polizei<br />RAV mahnt zur Vorsicht bei Neugestaltung eines »Gaffer-Gesetzes«/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gewaltexzess-bei-nuernberger-polizei-br-rav-mahnt-zur-vorsicht-bei-neugestaltung-eines-gaffer-gesetzes-627Pressemitteilung Nr. 4 vom 3. Juli 2019Über mehrere Minuten hinweg hatten Ende Juni zwei Polizeibeamte im Rahmen einer vorläufigen Festnahme einen am Boden liegenden Mann mit Schlägen, Tritten und Schlagstockeinsatz traktiert, wie ein Video einer Privatperson belegt.(1) Zwar setzt das Video erst ein, als der Mann bereits am Boden liegt. Allerdings ist das Handeln der Beamten während der Aufzeichnung eindeutig unverhältnismäßig und damit ungerechtfertigt. Das LKA ermittelt gegen die Beamten und das Opfer.

      Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Vertreter der Regionalgruppe Bayern des RAV, mahnt anlässlich des Falls: »Wir müssen immer wieder Geschädigte von Polizeigewalt vor Gericht vertreten. Wo Bilder oder Videoaufnahmen vorliegen, haben die Opfer zumindest eine Chance, ihr Recht zu bekommen. Deshalb ist Vorsicht mit Blick auf das geplante Gesetz gegen ›Gaffer‹ geboten. Es soll sich zwar gegen Personen richten, die bei ›Unfallgeschehnissen‹ Bild- oder Filmaufnahmen von Unfallopfern anfertigen und die Persönlichkeitsrechte der Geschädigten verletzen. Tatsächlich wird aber auch immer auf vermeintliche Störungen der polizeilichen Arbeit hingewiesen. Dem ist aber mit Vorsicht zu begegnen«.

      Ein Gesetz, das die Behinderung von Hilfeleistung unter Strafe stellt, wurde bereit 2017 erlassen.(2) Der RAV sieht die Gefahr, dass die Neugestaltung des ›Gaffer-Gesetzes‹ auch die Wegnahme von Mobiltelefonen und anderen Aufnahmegeräten umfassen wird. »Das kann dazu führen«, so Strafverteidigerin Franziska Nedelmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des RAV, der der Fall bekannt ist, »dass derartige Aufzeichnungen von der Polizei künftig unterbunden und den Betroffenen damit wertvolle Beweismittel entzogen werden«.

      Rettungsarbeiten sollen nicht behindert werden. Aber immer wieder verlaufen Fälle rechtswidriger Polizeimaßnahmen mangels objektiver Beweismittel im Sande. »In der Ausgestaltung des Gesetzes ist daher zu berücksichtigen, dass die Dokumentation von polizeilichen Einsätzen nicht verhindert wird«, so Rechtsanwalt Ziyal.

      Ferner bekräftigt der Anwaltsverein eine langjährig erhobene Forderung nach effektiver Kontrolle der Polizei:
      Notwendig ist eine unabhängige Instanz mit institutioneller Unabhängigkeit von Polizei und Innenverwaltungen sowie hinreichender Ausstattung mit Befugnissen und Ressourcen. Sie muss für alle Formen von Missbrauch des staatlichen Gewaltmonopols zuständig sein. Eine solche unabhängige Polizeikommission muss von dem Landesparlament eingerichtet und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Mitglieder der Kommission müssen eigene Ermittlungen anstellen, Akten einsehen und Empfehlungen an die Staatsanwaltschaft aber auch die Innenverwaltung für disziplinarische Reaktionen aussprechen können. Den Betroffenen von Polizeigewalt muss ein Einsichtsrecht in die Akten der Kommission zustehen.

      PM als pdf

      Kontakt für Nachfragen:
      Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Tel. 0911-376 64 27-7


      [1]https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/video-nurnberger-polizisten-prugeln-auf-45-jahrigen-ein-1.9042766.

      [2]https://www.tagesschau.de/inland/bundesrat-gaffer-105.html

       ]]>
      Pressemitteilung
      news-626Wed, 03 Jul 2019 09:08:48 +0200Kriegsverbrechen des IS, Gerechtigkeit und das Schweigen des «Westens»/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kriegsverbrechen-des-is-gerechtigkeit-und-das-schweigen-des-westens-626Veranstaltung, 11.7.19 BerlinDer sogenannte «Islamische Staat» ist militärisch besiegt. Doch die Gefahr ist damit noch nicht gebannt: Wie weiter mit den tausenden Kriegsgefangenen, die sich im freien Teil Rojavas/Nordsyriens befinden?
      Während «der Westen» das Problem ignoriert, fordert die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens ein internationales Kriegsverbrecher*innentribunal vor Ort.

      Wie ist die Lage in den Geflüchtetenlagern vor Ort?
      Was genau fordert die Selbstverwaltung Nordsyriens und warum?
      Welche Erfahrung gibt es mit ähnlichen internationalen Verfahren?
               
      Darüber wollen wir diskutieren:             
      Nina Röttgers, Cadus Redefine Global Solidarity e.V., wird von der Lage vor Ort im El Hol Camp berichten.                   
      Ibrahim Murad, Vertreter der demokratischen Selbstverwaltug von Nord- und Ostsyrien in Europa stellt die Positionen der Selbstverwaltung zur Diskussion.
      Prof. Dominik Steiger, Professor für Völkerrecht an der TU Dresden, wird die unterschiedlichen Aspekte rechtlich einordnen und Möglichkeiten der Auslieferung und Vorbilder und Probleme für ein internationales Tribunal darstellen.                       

      Zeit & Ort
      11.7.19 um 19 h
      Rechtswissenschaftliche Fakultät
      Humboldt Universität zu Berlin
      Hörsaal 1072
      Unter den Linden 6
      10099 Berlin

      Eine Veranstaltung von:
      arbeitskreis kritische jurist*innen an der HU, Café Rojava/ Kampagne TATORT Kurdistan, Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit und dem Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

      Flyer (pdf)

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      Veranstaltungen
      news-625Tue, 02 Jul 2019 16:21:23 +0200Resozialisierung light<br />Ohne deutschen Pass: keine Chance im Strafvollzug?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/resozialisierung-light-br-ohne-deutschen-pass-keine-chance-im-strafvollzug-6255. Berliner Gefangenentage 25./26.10.2019 ***verschoben auf den 30./31.10.2020******Leider müssen wir die Berliner Gefangenentage dieses Jahr absagen. Wir planen einen Ersatz im nächsten Jahr, ins Auge gefasst haben wir den 30. und 31.10.2020.***

      ›Kriminelle Ausländer konsequent abschieben‹, fordert inzwischen nicht nur die rechtspopulistische Propaganda. Leider sind solche immer schon latent vorhandenen Einstellungen auch innerhalb des Strafvollzuges und bei den Gerichten stärker geworden.

      Therapieangebote, Vollzugslockerungen und Wiedereingliederungsmöglichkeiten? Für Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland gibt es wenig bis keine. Und das ist gewollt. Ohne Chancen im Vollzug wird das Rückfallrisiko erhöht. Es stellt sich die Frage von Ursache und Wirkung.

      Auf den 5. Berliner Gefangenentagen vom 25. bis 26. Oktober 2019 soll diskutiert werden, welche Möglichkeiten gerade für ausländische Inhaftierte für eine gelungene Resozialisierung bestehen. Weg von der populistischen Debatte über ›kriminelle Ausländer‹ und damit einhergehenden Problemen im Strafvollzug wollen wir u.a. mit Richter*innen, Vollzugsmitarbeiter*innen, Gutachter*innen, Strafverteidiger*innen und Studierenden diskutieren, welche Behandlungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen, um Rückfälle in die ›Kriminalität‹ zu vermeiden. Auch stellt sich die Frage, wie medial geförderte und durch Teile der Politik populistisch ausgenutzte Vorurteile durchbrochen werden können.

      Vorläufiges Programm:

      Freitag 25.10.2019 | 15 Uhr |Juristische Fakultät, Bebelplatz 2,  Raum 144

      Einführung in strafvollzugs- und strafvollstreckungsrechtliche Verfahren – Basiswissen für Interessierte (insb. auch für Studierende)
      Rechtsanwältin Ria Halbritter und Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann (beide Berlin)

      18 Uhr | Ort wird noch bekanntgegeben

      Impulsvortrag: Prof. Christine Graebsch (Universität Dortmund)

      Podiumsdiskussion:

      Dr. Dirk Behrendt, Justizsenator Berlin (Bündnis 90 / Die Grünen), angefragt
      Engelhard Mazanke (Leiter Ausländerbehörde Berlin), angefragt
      Prof. Christine Graebsch (Universität Dortmund)
      Dipl. Psych. Silvia Hawliczek (SenJustVA Berlin)
      Rechtsanwalt Sebastian Scharmer (Berlin)
      Moderation: Rechtsanwalt Lawrence Desnizza (Berlin)

      anschließend Brezeln und Umtrunk

      Samstag, 26.10.2019 | 10:00 Uhr | genauer Ort wird noch bekanntgegeben

      ›Festvortrag‹
      Aufenthaltsrecht und Strafvollzug: Rechtsanwalt Björn Cziersky-Reis (Berlin)

      11:15 Uhr |Aufteilung in die AGs | Die genauen Räume der AGs werden noch bekanntgegeben

      AG I
      Auswirkungen des aufenthaltsrechtlichen Status auf den Vollzug

      RiLG Baron (Berlin), angefragt
      Bill Borchert (Anstaltsleiter der JSA Berlin)
      Michaela Stiepel (Psychologin in der JSA Berlin)
      Prof. Graebsch (Universität Dortmund)
      Moderation: Rechtsanwältin Dr. Annette Linkhorst (Berlin)

      AG II
      Auswirkungen des aufenthaltsrechtlichen Status auf die Vollstreckung

      RiKG Dr. Kessel (angefragt)
      Hon. Prof. Dr. Sabine Nowara (Universität Köln)
      GenStA Berlin N.N, angefragt
      Moderation: Rechtsanwältin Henriette Scharnhorst (Berlin)

      13:00 Uhr Pause und Möglichkeit zum Austausch bei Fingerfood und Getränken

      14:00 Uhr

      Auswertung und Abschlussdiskussion im ›World Cafémit allen Teilnehmenden
      Moderation: Rechtsanwältin Ursula Groos und Rechtsanwalt Olaf Söker

      Insgesamt wird es – wie bei allen Gefangenentagen – die Möglichkeit geben, sich für die effektive Vertretung in vollzugs- und vollstreckungsrechtlichen Verfahren fortzubilden.
      Die Veranstaltung umfasst insofern auch fünf Fortbildungsstunden nach FAO.

      Die Gefangenentage werden durch den gemeinsamen Arbeitskreis Strafvollzug (der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und des RAV, www.arbeitskreis-strafvollzug.de) in Kooperation mit der Humboldt-Initiative organisiert und finden wieder in den Räumen der Humboldt-Universität zu Berlinstatt. Die genauen Tagungsräume werden noch bekannt gegeben.

      Teilnahmebeitrag:
      € 60,00 
      Mitglieder des RAV und der StVV Berlin
      € 90,00 Nichtmitglieder
      Für Studierende und Referendar*innen ist die Teilnahme kostenfrei.
      Von Mitarbeiter*innen aus Vollzug und Verwaltungen freuen wir uns sehr über einen Beitrag auf freiwilliger Basis!

      Rückfragen gerne an: fortbildung@rav.de

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      Strafvollzug
      news-623Sun, 02 Jun 2019 10:51:28 +0200Keine Geordnete-Rechtlosigkeit!<br />Weiterer Angriff auf den Rechtsstaat in Vorbereitung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-geordnete-rechtlosigkeit-623Pressemitteilung Nr. 3 vom 2. Juni 2019Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz, das morgen im Innenausschuss des Bundestages verhandelt werden soll, ist ein fundamentaler Angriff auf den Rechtsstaat. Das Gesetz sieht systematische Inhaftierungen und existenzielle Einschnitte bei den Sozialleistungen und der Integration von Geflüchteten vor.

      Rechtsanwältin Berenice Böhlo vom Vorstand des RAV sagt: »Dieses Gesetz stellt unsere Mandant*innen rechtlos. Es wird zu massenhaft rechtswidrigen Inhaftierungen und Abschiebungen kommen, ohne dass die Betroffenen einen Anwalt oder eine Anwältin einschalten können. Wir werden für unsere Mandantinnen vor den Sozialgerichten wieder um jede Windel kämpfen müssen«.

      Die Regierungsparteien behaupten, das Gesetz sei eine Reaktion auf ein angebliches Defizit im Vollzug von Abschiebungen. Tatsächlich ist das Gesetz die Reaktion auf die Angriffe von rechts und zeigt, wie die Entrechtung von Flüchtlingen nicht nur ein Thema von Rechtsaußen ist, sondern von CDU und SPD zentral vorangetrieben wird.

      Ein dauerhafter Aufenthalt von bis zu 18 Monaten in Anker-Einrichtungen verhindert systematisch und gezielt den Zugang zum Recht. Das Asylrecht ist, wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, in besonderer Weise ein verfahrensabhängiges Recht. Verfahrensrecht hat Verfassungsrang.

      Alle bisherigen anwaltlichen Erfahrungen mit Anker-Zentren zeigen, dass gerade dort das Verfahrensrecht systematisch verletzt wird. Eine unabhängige, anwaltliche Vertretung von Anfang an ist Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens, in den Anker-Einrichtungen aber nicht mehr möglich. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Lars Castellucci (SPD) hatte im Rahmen der Koalitionsvereinbarung versprochen, dass in den Anker-Einrichtungen der Zugang zum Recht erhalten bleibt. Genau das ist, wie die Erfahrung zeigt, nicht der Fall. Dennoch ist auch die SPD bereit, die Entrechtung von Flüchtlingen noch weiter voranzutreiben.

      Über 80 Prozent der Haftentscheidungen von Richtern*innen haben sich als rechtswidrig erwiesen. Würde es der Gesetzgeber mit dem Zugang zum Recht ernst meinen, müsste jeder inhaftierte Flüchtling eine anwaltliche Vertretung beigeordnet bekommen. Hier aber schweigt das Gesetz.
      In der Vergangenheit hat sich weit über die Hälfte der Entscheidungen des Bundesamtes als falsch erwiesen und wurde von den Verwaltungsgerichten aufgehoben. Das Bundesamt ist nunmehr stolz auf eine angebliche Fehlerquote von ›nur‹ noch 25 Prozent. Auch in den Verfahren, in denen es um die Überstellung in andere EU-Länder geht, kommt es regelmäßig zu behördlichen Entscheidungen, die später von den Gerichten aufgehoben werden.

      RAV-Vorstandsmitglied Berenice Böhlo: »Die Rechtslage ist äußerst komplex, da es kein einheitliches europäisches Asylsystem gibt. Ohne anwaltliche Beratung und Vertretung wird es in Zukunft kaum gelingen, überhaupt effektiven Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu erhalten, denn die Betroffenen können faktisch nicht mehr vor den Verwaltungsgerichten klagen«.

      Nach wie vor ist ein Großteil der Gesellschaft in der Unterstützung mit Geflüchteten aktiv. Das Gesetz ist eine schallende Ohrfeige für alle hier aktiven Bürger*innen. Die neue ›Härte‹ von der der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor so begeistert spricht, basiert auf struktureller Entrechtung und ist eine Katastrophe, die die Gesellschaft an sich betrifft.

      Neben dem RAV kritisieren über 20 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Richter*innen und Anwält*innen, das Gesetz und haben in einem Offenen Brief dagegen Stellung bezogen.

      PM als PDF

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      Migration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)GrundrechtePressemitteilung
      news-609Fri, 31 May 2019 10:36:24 +0200"Geordnete-Rückkehr-Gesetz"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/offener-brief-br-geordnete-rueckkehr-gesetz-609Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen BundestagesAm Montag den 3. Juni 2019 soll im Innenausschuss das sog. Geordnete-Rückkehr-Gesetz verhandelt werden, um es dann anschließend im Turboverfahren in der kommenden Woche durch das Parlament zu peitschen. Hiermit veröffentlichen wir auf den Offenen Brief andie Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der auch vom RAV mit gezeichnet wurde.

      *****

      Sehr geehrte Damen und Herren,

      in Kürze werden Sie über zahlreiche Gesetzentwürfe aus dem Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts entscheiden, die weitreichende Folgen für das Leben zahlreicher – auch dauerhaft – in Deutschland lebender Menschen haben werden. Insbesondere das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ würde selbst Familien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dauerhaft von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgrenzen, sie unverhältnismäßigen Sanktionen und einer uferlosen Ausweitung der Haftgründe  aussetzen. 

      Wir bitten Sie vor diesem Hintergrund, dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz Ihre Zustimmung zu verweigern und zu verhindern, dass diese oder ähnliche Regelungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. Auf vier besonders problematische Punkte möchten wir Sie noch einmal explizit hinweisen:

                  1. Kein verfassungswidriger Ausschluss von Sozialleistungen

      Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2012 in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum migrationspolitisch nicht zu relativieren ist.

      Nichtsdestotrotz plant die Bundesregierung u.a. folgende Leistungskürzungen:

            2. Keine menschenunwürdigen Regelungen zur Abschiebungshaft

      Abschiebungshaft ist keine Strafhaft, sondern dient allein der Durchsetzung der Ausreisepflicht – dies sieht auch der Gerichtshof der Europäischen Union so und verweist explizit darauf, dass zum Schutz der Menschenwürde eine Unterbringung in getrennten Einrichtungen erfolgen muss. Trotzdem beabsichtigt die Bundesregierung, Abschiebungshaft bis 2022 in regulären Gefängnissen durchzuführen. In der Folge würden die strengen Sicherheitsauflagen – z.B. im Hinblick auf die Nutzung von Handys oder Internet sowie die Bewegungsfreiheit – auch in der Abschiebungshaft gelten.

      Darüber hinaus sollen die Gründe für die Abschiebungshaft durch eine neue Definition des Begriffs der „Fluchtgefahr“ so stark ausgeweitet werden, dass Abschiebungshaft nahezu jede*n treffen kann. Schon das Verlassen eines EU-Mitgliedstaates vor Abschluss des Asylverfahrens kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr sein. Daneben würde auch bei einer lange zurückliegenden falschen Angabe bezüglich der eigenen Identität oder „der Zahlung erheblicher Geldbeträge“ zur Einreise unterstellt, dass eine Fluchtgefahr besteht. Die Regelung verkennt, dass die Zahlung von hohen Geldsummen für die meisten Geflüchteten oft den einzigen Weg darstellt, Verfolgung im Heimatland zu entkommen. Das würde sogar Menschen betreffen, die legal eingereist sind.

      Die Betroffenen müssten dann aufgrund einer gleichzeitig eingeführten Beweislastumkehr beweisen, dass keine Fluchtgefahr vorliegt. Das ist praktisch kaum möglich. Die Regelung ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Freiheit nach Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz.
       

                  3. Keine Einführung einer prekären „Duldung Light“

      Menschen, die ihrer im Gesetzesentwurf definierten ausufernden „Passbeschaffungspflicht“  nicht nachkommen, sollen nur noch die sogenannte „Duldung light“ bekommen. Ihnen wird damit pauschal Ausbildung und Arbeit verboten. Das gilt sogar dann wenn sie nicht abgeschoben werden können. Für Afghan*innen, die zum Beispiel, nie über eine Geburtsurkunde verfügt haben und sich zum Teil viele Jahre in Drittstaaten wie dem Iran aufgehalten haben, ist es kaum möglich, eine sogenannte Tazkira (Identitätsdokument in Afghanistan) zu beschaffen.

      Dies wird auch Menschen – insbesondere Kinder – treffen, denen es oft unmöglich ist, der Passbeschaffung nachzukommen: Nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie es nicht können.

      Diese Duldung light hat fatale Auswirkungen auf  Kinder, obgleich bei ihnen die fehlende Identitätsklärung meist nicht ursächlich für die ausbleibende Abschiebung ist: Selbst mit Pass würden sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit in der Regel nicht abgeschoben werden. So hat die Sanktionierungsmaßnahme keinerlei Bezug zu dem erklärten Ziel der Beseitigung von „Fehlanreize(n) zum rechtswidrigen Verbleib”.

      Daneben ist auch problematisch, dass die Zeit in der Duldung light nicht als Vorduldungszeit für die Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und b AufenthG angerechnet wird. Dies kann vor allem geflüchteten Kindern einen wichtigen Weg ins Bleiberecht verbauen - selbst wenn sie sehr gut integriert sind. Denn für die entsprechenden Regelungen müssen sie  vor dem 21. Geburtstag vier Jahre geduldet sein.

      Es besteht die Gefahr, dass unbegleitete Kinder und ihre Vormünder durch diese Regelung  vorschnell in ein Asylverfahren gedrängt werden, ohne dass vorher das Kindeswohl in Ruhe und angemessen geprüft werden kann. Das kann grundlegende Konsequenzen für ihr Aufenthaltsrecht haben und läuft Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention zuwider, gemäß dem das „Wohl des Kindes“ stets handlungsleitend sein muss.


                  4. Keine langen Vorduldungszeiten für Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung

      Ziel sowohl der Ausbildungs- als auch der Beschäftigungsduldung ist es, gut integrierten Geduldeten eine Bleibeperspektive aufzuzeigen und Rechtssicherheit für Arbeitgeber zu schaffen. Für Arbeitgeber ist es wichtig, abschätzen zu können, ob sich die Investition in Ausbildung oder Einarbeitung lohnt. Die Anforderungen für diese beiden Formen der Duldung sind jedoch so hoch, dass die Regelungen ins Leere laufen werden.

      Soll die Ausbildung erst nach Ablehnung des Asylantrags aufgenommen werden, kann die Ausbildungsduldung nur erteilt werden, wenn der Betroffene bei Antragstellung bereits seit sechs Monaten im Besitz einer Duldung ist. Hierbei handelt es sich um eine erhebliche Verschlechterung zur geltenden Regelung. Diese Regelung errichtet  eine zusätzliche Hürde für den Weg in die Ausbildung. Welcher Arbeitgeber stellt unter solchen Bedingungen ein?

      Eine Beschäftigungsduldung soll erst nach 12-monatiger Duldung und 18-monatiger Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden erteilt werden können. Gemeinsam mit den Regelungen zur Duldung für Personen mit ungeklärter Identität und dem teilweise langen Aufenthalt in AnkER-Zentren, bedeutet dies, dass es für die Betroffenen nahezu unmöglich sein wird, eine Beschäftigung aufzunehmen und eine Beschäftigungsduldung zu erhalten.

      Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, werden Zehntausende in Deutschland permanent in Angst vor Haft und vor Abschiebung in einem Zustand der Perspektivlosigkeit leben.

      Der offene Brief wurde initiiert von PRO ASYL, dem Paritätischen Gesamtverband und Save the Children Deutschland.

      Weitere Unterzeichner sind:

      Amnesty International
      Asyl in der Kirche – Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft
      AWO Bundesverband e.V.
      Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
      Care Deutschland und Luxemburg
      Deutsche Jugend in Europa Bundesverband e.V.
      Deutsches Kinderhilfswerk
      Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie
      Deutscher Anwaltverein – Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht
      Diakonie Deutschland
      Humanistische Union
      Internationaler Bund
      Jesuiten Flüchtlingsdienst
      KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
      Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
      Neue Richtervereinigung
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not

      PDF_Offener Brief

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      Migration & Asyl (doublet)
      news-607Tue, 14 May 2019 17:15:29 +0200Einladung zum Berliner Regionaltreffen 3/2019/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-3-2019-607Thema: Feministische Rechtskritik 16.5.19 | 19 h | KuBEingeladen haben wir zu unserem 3. Berliner Regionaltreffen in 2019 Dr. Anna Hochreuter von der Redaktion der Feministischen Rechtszeitschrift „STREIT“, die uns eine Einführung in das Thema geben und von der Mitarbeit in der Redaktion der „STREIT“ berichten wird.

      Donnerstag, den 16. Mai | 19.00 Uhr
      Kontakt- und Beratungsstelle (KuB)
      Oranienstr. 159
      10969 Berlin
      (U-Bahnhof Moritzplatz, M29 Moritzplatz)

      Wie immer gilt:

      Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.

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      news-606Fri, 03 May 2019 10:29:00 +0200Martin Lemke/publikationen/mitteilungen/mitteilung/martin-lemke-606RAVnews-603Fri, 22 Mar 2019 10:26:00 +0100Das Werk einer gleichgeschalteten Justiz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-werk-einer-gleichgeschalteten-justiz-603Pressemitteilung Nr. 2 vom 22. März 2019 Zu der Verurteilung von 18 Strafverteidiger*innen in der Türkei am 20. März 2019Vorgestern, am 20. März 2019 wurden 18 Strafverteidiger*innen von dem 37. Istanbuler Strafgericht am Gerichtsstandort Silivri in Abwesenheit zu Haftstrafen zwischen 3 Jahren und 1 Monat und 18 Jahren und 9 Monaten verurteilt. 9 Kolleg*innen sollen für über 10 Jahre hinter Gitter.

      Die Verurteilten sind Mitglieder des Vereins progressiver Juristinnen und Juristen (Çağdaş Hukukçular Derneği, ÇHD), der – wie auch der RAV – im europäischen Verband Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte (EDA) organisiert ist. Allein aufgrund ihres anwaltlichen Engagements wird ihnen wird vorgeworfen, Unterstützer, Mitglieder oder gar Führungspersönlichkeiten der Organisation Revolutionäre Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) zu sein, die in der Türkei als terroristische Organisation verfolgt wird. Das ist anwaltliche Berufsausübung und in einem auch nur annähernd demokratischen Staat keine Straftat.

      Das Urteil ist das Ergebnis eines Strafprozesses, der von Beginn an willkürlich und unter Missachtung jeglicher nach der Menschenrechtskonvention garantierten Beschuldigten- und Menschenrechte geführt wurde. Die Entscheidung ist symptomatisch für den Zustand der türkischen Justiz, die nicht Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit, sondern die Bekämpfung politisch unliebsamer Personen mit justiziellen Mitteln bis hin zu ihrer Vernichtung zum Ziel hat.

      Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorstandsvorsitzender des RAV e.V., erklärt hierzu: »Wir stehen solidarisch an der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die deutsche Bundesregierung weiter mit dieser, sämtliche rechtsstaatliche Prinzipien missachtenden Regierung der Türkei zusammenarbeitet«.

      Der RAV ist in großer Sorge, weil sich einige der verurteilten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, darunter unser Kollege, Selçuk Kozağaçlı, Vorsitzender des ÇHD und Träger des Hans-Litten-Preises, inzwischen seit Wochen mit dem Mittel des Hungerstreiks gegen die gegen sie ergriffenen Maßnahmen des diktatorischen Regimes zu wehren versuchen und ruft zu einer breiten Solidarität mit den Kolleg*innen auf.

      Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an die Geschäftsstelle des RAV.

      PM als PDF

      Auch die Europäischen Demokratische Anwältinnen und Anwälte (EDA) haben sich per Pressemitteilung zu den Verurteilungen geäußert - zu lesen hier

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      Freie Advokatur (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-604Wed, 20 Mar 2019 14:28:00 +0100Einladung zum Berliner Regionaltreffen 2/2019/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-2-2019-604Thema: Fake News, Schießbefehl und Morde in Moabit: Die Märzkämpfe 1919 in Berlin 21.3.19 | 19 h | KuBIn Berlin wird gerade eifrig über die Enteignung einiger Immobilienunternehmen diskutiert. Ein wenig weiter gingen die Forderungen der Berliner Arbeiter*innen, die im Frühjahr 1919 den Generalstreik ausriefen und unter anderem eine umfassende Wirtschaftsdemokratie forderten. Doch das letzte Aufbäumen der Revolution 1918/1919 in Berlin wurde auf Anordnung der sozialdemokratischen Regierung durch Freikorps blutig niedergeschlagen, über 1.200 Menschen starben innerhalb weniger Tage. Aufgrund eines umfassenden Schießbefehls wurden insbesondere in Lichtenberg zahllose Menschen erschossen, nachdem die Presse falsche Meldungen über angebliche Morde durch Aufständische verbreitet hatte.

      Während dieser Ereignisse in Lichtenberg zum Jahrestag mit einer großen Ausstellung im Bezirksmuseum gedacht wird, ist weitgehend vergessen, dass nicht wenige Morde direkt unter den Augen und mit Billigung der Justiz erfolgten. In den Gefängnissen wurden Aufständische getötet und Politiker und Journalisten wie Leo Jogisches, der nach der Ermordung von Luxemburg und Liebknecht führende Kopf der KPD, in den Fluren der JVA Moabit "auf der Flucht" erschossen. Die Täter, oft Faschisten der ersten Stunde, konnten mit umfassender Straflosigkeit rechnen während den vermeintlichen "Spartakisten" drakonische Strafen drohten.

      Als Referenten konnten wir Dietmar Lange, Historiker und Redakteur der Zeitschrift "Arbeit - Bewegung - Geschichte" gewinnen, der derzeit die Ausstellung "Schießbefehl in Lichtenberg" im Museum Lichtenberg im Stadthaus kuratiert.

      Donnerstag, den 21. März | 19.00 Uhr
      Kontakt- und Beratungsstelle (KuB)
      Oranienstr. 159
      10969 Berlin
      (U-Bahnhof Moritzplatz, M29 Moritzplatz)

      Wie immer gilt:

      Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.

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      Politische Justiz (doublet)
      news-605Tue, 12 Mar 2019 10:03:00 +0100Mietendeckel ist nötig und möglich/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietendeckel-ist-noetig-und-moeglich-605Pressemitteilung Nr. 1 vom 12. März 2019RAV fordert die Berliner Regierungskoalition auf, zügig die landesrechtlichen Voraussetzungen für die Einführung eines Mietendeckels zu schaffen.

      Am 6. März 2019 hatte der RAV in die Evangelischen Elisabeth Klinik zum Fachgespräch »Mietendeckel, geht das?« eingeladen. In der dreistündigen Debatte wurden die Möglichkeiten einer landesrechtlichen Regelung zur Miethöhe kontrovers diskutiert und Modelle einer Umsetzung vorgestellt. Neben Vertreter*innen der drei Berliner Regierungsparteien waren Richter*innen vom Berliner Verwaltungsgericht und vom Landgericht erschienen. Fachjurist*innen der Senatsverwaltungen Bauen und Wohnen sowie der Justiz beteiligten sich ebenso wie Professoren für Zivil- und Öffentliches Recht. Neben Parlamentarier*innen aus anderen Bundesländern waren Anwält*innen und Interessenvertreter*innen von Mieter*innen sowie mietenpolitisch Aktive dabei.

      Mietpreisregulierungen schon historisch bedeutsam

      Nach einem Referat zur historischen Entwicklung des Mietpreisrechts wurden die Möglichkeiten des Nebeneinanders von öffentlichem und privatem Recht dargestellt. Anschließend wurde die verfassungs- und kompetenzrechtliche Zulässigkeit eines Mietendeckels erläutert. Im Zentrum stand dabei die Frage, ob der Landesgesetzgeber eine solche Regelung erlassen darf oder ob das Sache des für das Bürgerliche Recht zuständigen Bundesgesetzgebers ist. In der sich anschließenden Debatte wurde einmal mehr klar, wie wichtig der Blick in die Geschichte ist. Ab 1917 bis in die 1960er-Jahre war das bürgerliche Mietrecht überlagert von einem öffentlichen Preisrecht, das der Mietentwicklung nach oben klare Grenzen setzte. Im Ergebnis betrug die Belastungsquote mit Wohnkosten lediglich ca. 10 Prozent des Haushaltseinkommens. In Westberlin galten generelle öffentlich-rechtliche Mietbegrenzungen gar bis 1988.

      Mietbegrenzungen auch heute möglich

      In der Debatte wurde auch deutlich, dass mit der Föderalismusreform 2006 die Ermächtigung, jenseits des Zivilrechts ein öffentliches Mietpreisrecht zu schaffen, auf die Länder überging. Ein Teilnehmer brachte dazu ein anschauliches Beispiel: Bei der Automiete kann mit dem Vermieter eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h vereinbart werden. Dennoch gelten beim Betrieb des Fahrzeugs weiter die Geschwindigkeitsbegrenzungen der Straßenverkehrsordnung. Das soziale Mietrecht des BGB und ein öffentlich-rechtlicher Mietendeckel sind also zwei unterschiedliche Regelungsmaterien, die sich zwar überschneiden können, aber in Zweckrichtung und Wirkweise unterscheiden. Eine öffentliche Mietpreisbindung dient, anders als das soziale Mietrecht, allein der Bewahrung bezahlbaren Wohnraums und lässt Mietverträge in ihrem Bestand unberührt.

      Aktueller Bedarf an Mietendeckel

      Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde eine Reihe von Modellen zu Begrenzung der Bestands- und Neumieten vorgestellt: neben einem generellen Mietenstopp über die Koppelung einer generellen Miethöhe an das Medianeinkommen bis hin zur Orientierung an der ortsüblichen Vergleichsmiete.

      Am Ende der Veranstaltung wurde verabredet, die Diskussion in Nachfolgeveranstaltungen fortzusetzen. Es müssen Mietendeckelmodelle entwickeln werden, die effektiv und rechtlich wirksam für eine deutliche Dämpfung der Mietpreise sorgen, um den staatlichen Auftrag der Wohnungsversorgung für alle sicherzustellen.

      »Gefragt ist jetzt der Mut des Landesgesetzgebers, im Kampf gegen die aktuelle Mietenexplosion rechtliches Neuland zu betreten«, so Benjamin Raabe vom AK Mietrecht im RAV.

      Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an: Henrik Solf, 030.442 9386 oder Benjamin Raabe, 030.7809 666 20

      PM als PDF

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      Mietrecht (doublet)
      news-600Fri, 08 Feb 2019 10:08:08 +0100Kein Verbot der Roten Hilfe!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-verbot-der-roten-hilfe-600Gemeinsame Pressemitteilung, 8.2.2019Diese Erklärung wird getragen von:Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Neue Richtervereinigung e.V.
      Humanistische Union
      Pressemitteilung als PDF]]>
      Pressemitteilung
      news-599Wed, 30 Jan 2019 14:20:16 +0100Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/frankfurter-erklaerung-in-solidaritaet-mit-den-betroffenen-rechter-rassistischer-und-antisemitischer-gewalt-599Gemeinsame Pressemitteilung, 30.1.2019"Wir fordern ein Ende der Bagatellisierung der rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten durch politisch Verantwortliche sowie die Anerkennung, dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt." Mit der "Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt" fordern die Bildungsstätte Anne Frank, die Türkische Gemeinde Hessen, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie die Türkische Gemeinde in Deutschland und der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ein "Ende der Bagatellisierung der rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten durch politisch Verantwortliche sowie die Anerkennung, dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt." Ein "weiter so" verbietet sich angesichts der seit mehr als einem halben Jahr andauernden Erfolglosigkeit, mit der die hessischen Ermittlungsbehörden im Fall der anhaltenden Morddrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und gegen die Gruppe "NSU 2.0" und deren Kontakte zu einer Gruppe Frankfurter Polizeibeamter in der 1. Hauptwache an der Zeil ermitteln sowie angesichts der anhaltend erfolglosen Ermittlungen gegen die oder den Täter, die bzw. der für eine Serie von neun Brandstiftungen bei linken und alternativen Wohn- und Hausprojekten  im Rhein-Main-Gebiet verantwortlich ist. Denn mit jedem weiteren Brandanschlag, mit jeder weiteren rassistischen Morddrohung, die für die Tatbeteiligten ohne Konsequenzen bleiben, steigt das Selbstbewusstsein der Tatbeteiligten und ihrer Sympathisant*innen. Gleichzeitig entsteht bei den Betroffenen und der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Ermittlungen bei politisch rechts, rassistisch oder antisemitisch motivierten Straf- und Gewalttaten allenfalls halbherzig erfolgen und keine Priorität genießen. Die „Frankfurter Erklärung“ ist ab heute über Open Petition zur Mitzeichnung freigeschaltet:
      https://www.openpetition.de/petition/online/frankfurter-erklaerung-in-solidaritaet-mit-den-betroffenen-rechter-rassistischer-und-antisemitischer
      "Damit gibt es eine einfache Möglichkeit einer breiten gesellschaftliche Solidarität für die vom NSU2.0 bedrohte Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und die von den Brandanschlägen betroffenen linken und alternativen (Haus-)Projekte im Rhein-Main-Gebiet Ausdruck zu verleihen", betonen die Initiator*innen der "Frankfurter Erklärung für Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt". Wir erklären unsere Solidarität mit den Betroffenen dieser offensichtlich rassistisch und politisch rechts motivierten Straftaten und fordern:
      ·         Ein Ende der Bagatellisierung der rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten durch politisch Verantwortliche sowie die Anerkennung, dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt. ·         Eine sofortige umfassende und transparente Aufklärung aller rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten in Hessen samt der Rolle von Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz durch eine unabhängige Untersuchungskommission nach dem Vorbild der britischen MacPherson-Kommission. Diese hatte den rassistischen Mord an dem Teenager Stephen Lawrence untersucht und umfangreiche Empfehlungen zu institutionellem Rassismus in der Polizei erarbeitet. (1)typo3/ ·         Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten. Diejenigen, die sich über polizeiliches Fehlverhalten, falsche Ermittlungen oder einen diskriminierenden Umgang mit Opfern von Straftaten beschweren wollen, müssen Zugang zu einer mit umfassenden Kompetenzen ausgestatteten Anlaufstelle haben können. Diese Anlaufstelle muss außerhalb der Polizeibehörden angesiedelt und unabhängig sein.
      (1) vgl. Empfehlungen der MacPherson-Kommission und weiterführendes Material: www.bug-ev.org/themen/schwerpunkte/dossiers/polizeiliche-untersuchungen-bei-rassistisch-motivierten-straftaten.html]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-598Wed, 23 Jan 2019 07:24:35 +0100Einladung zum Berliner Regionaltreffen 1/2019/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-1-2019-59824. Januar 2019 | 19.00 Uhr Thema: Prozessbeobachtung des RAV in der TürkeiInternationale Tag der bedrohten Anwältin/des bedrohten Anwalts, der in diesem Jahr die Situation der Kolleg*innen in der Türkei zum Thema macht. Wir wollen diese Gelegenheit nutzen, um die aktuelle Prozessbeobachtung des RAV am Beispiel des sogenannten KCK-Verfahrens vorzustellen. Seit 2012 sind 46 türkische und kurdische Rechtsanwält*innen wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, der KCK, einer angeblichen Nachfolgeorganisation der PKK, angeklagt. Das Verfahren geht nun bald ins siebente Jahr, ohne dass Anknüpfungspunkte gegen sie vorliegen würden. Die zahlreichen Strafverfahren gegen türkische und kurdische Kolleg*innen sind sehr offensichtlich politisch motiviert und dienen recht deutlich der Einschüchterung oppositioneller Aktivitäten. Benjamin Hersch und Anne-Kathrin Krug beobachten das Verfahren seit vielen Jahren und werden ihre Eindrücke über die Situation engagierter Kolleg*innen in der Türkei, den Kampf um die freie Advokatur und die Möglichkeiten der Prozessbeobachtung berichten. Donnerstag, den 24. Januar | 19.00 Uhr
      Kontakt- und Beratungsstelle (KuB)
      Oranienstr. 159
      10969 Berlin
      (U-Bahnhof Moritzplatz, M29 Moritzplatz) Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen. ]]>
      KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-597Wed, 23 Jan 2019 06:53:00 +0100Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-der-verfolgten-anwaeltin-597Aufruf zur Teilnahme, 24.1.2019Auch in diesem Jahr ruft der RAV gemeinsam mit in der EDA (Europäische Demokratische Anwält*innen) organisierten Schwesterorganisationen sowie mit der VDJ, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, der RAK-Berlin und der ELDH zur Teilnahme an einer Kundgebung auf.

      Anlaß ist der

      »Tag des verfolgten Anwalts«, der jedes Jahr an vielen Europäischen Orten am 24. Januar begangen wird.

      In diesem Jahr wollen wir unsere Solidarität mit den türkischen und kurdischen Anwält*innen in der Türkei zeigen.

      Donnerstag, 24.01.2019

      Türkische Botschaft in Berlin
      Tiergartenstr. 19-21
      10785 Berlin
      Beginn: 14 Uhr

      und

      Generalkonsulat der Republik Türkei in Hamburg
      Tesdorpfstraße 18
      20148 Hamburg
      Beginn: 13 Uhr

      Der Basic Report 2019“ enthält Informationen zur Historie des »Tag des verfolgten Anwalts«, allgemein zur aktuellen Lage in der Türkei sowie konkret zur Situation unserer verfolgten und bedrohten Kolleg*innen

      – namentlich

      Ahmet Mandaci, Akın Atalay, Bülent Utku, Mustafa Kemal Güngör, Aycan Çiçek, Aytaç Ünsal, Behiç Aşçı, Buket Yilmaz, Can Tombul, Engin Gökoğlu, Eren Keskin, Halil İbrahim Vargün, Naim Feyzullah Eminoğlu und Selçuk Kozağaçlı.

      Der RAV freut sich über zahlreiche, solidarische Teilnahme an der Kundgebung – gerne in Robe!

      ]]>
      Tag des bedrohten AnwaltsMenschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Europäische Demokratische Anwält*innen (EDA) (doublet)
      news-596Tue, 15 Jan 2019 14:56:43 +0100Gemeint sind wir alle<br />Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeint-sind-wir-alle-br-solidaritaet-mit-den-betroffenen-rechter-rassistischer-und-antisemitischer-gewalt-596Einladung zur Informationsveranstaltung und Podiumsdiskussion, 21.1.19 FFMOrt: forum medico, Lindleystr. 15, 60314 Frankfurt am Main
      Zeit: 21. Januar 2019 um 19 Uhr Begrüßung:
      Anne Jung (medico international) Debatte mit:
      • Seda Başay-Yıldız, (Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.)
      • Abdulkerim Şimşek (Medizintechniker, Nebenkläger im NSU-Prozess am OLG München)
      • Kris Simon (Mietshäuser Syndikat-Projekte in Frankfurt a.M.)
      • Michael Weiss (NSU Watch)
      • Esther Dischereit (Schriftstellerin, Autorin von „Blumen für Otello. Über die Verbrechen von Jena“, Berlin)
      • Rupert von Plottnitz (Rechtsanwalt, Justizminister a.D., Frankfurt a.M.) Moderation:
      Heike Kleffner (Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.) Weitere Informationen unter: info@verband-brg.de, Tel. 0157 9 23 19 783 Wir bitten Pressevertreter*innen um Vorab-Akkreditierung bis zum 19.1.2019 unter: info@verband-brg.de Die Veranstaltung wird organisiert von:
      bildungsstätte anne frank
      medico international
      NSU Watch Hessen
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. Flyer zur Veranstaltung (PDF)]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Freie Advokatur (doublet)
      news-595Fri, 04 Jan 2019 17:22:11 +0100StN des RAV zum RefE PKH und zum JGG/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-refe-pkh-und-zum-jgg-595Stellungnahme vom 30.11.18 Verfasser: Dr. Helmut Pollähne und Lukas Theune, Rechtsanwälteund
      für ein "Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren" v. 11.10.2018 [nachf. RefE "JGG"] I. Vorbemerkungen

      Es empfiehlt sich zunächst einmal, beide RefE im Zusammenhang zu kommentieren, weil sie zumindest in puncto sog. ‚Pflichtverteidigung‘ nicht isoliert voneinander bewertet werden können und sollten; soweit insb. der letztgenannte RefE ergänzender Anmerkungen bedarf, wird darauf gesondert eingegangen (s.u. III.). Dass der RefE "PKH" zugleich auch der Umsetzung von Teilen der Kinder-RiLi (s.u.) dienen soll (BMJV Vorblatt S. 2; RefE S. 1), stiftet insoweit allerdings eher Verwirrung (s. dazu auch III.1.), ebenso eine im RefE "JGG" vorgesehene Änderung der StPO (dazu aaO S. 72 f., 79).
      1. Beide Entwürfe dienen der Umsetzung entsprechender Richtlinien der EU,Dies verdient auch deshalb Beachtung, weil jene Richtlinien mit den vorliegenden RefE nur unzureichend erfasst bzw. umgesetzt werden (sollen). Die schwierige und langwierige Entscheidungsfindung auf EU-Ebene, die letztlich – unter erheblicher Beteiligung gerade auch Deutschlands – zu Kompromissen geführt hat, die sich im Hinblick auf die ursprünglich verfolgten Ziele tendenziell als Verwässerung erweisen, droht im Rahmen der nationalen Umsetzung zu weiteren Abstrichen zu führen, und sei es ‚nur‘, dass bestehende Gestaltungsspielräume nicht ausgeschöpft werden.

      Zwar hat der Gesetzgeber noch Zeit bis zum 25.05. bzw. 11.06.2019 zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht, es sind aber auch schon wieder mehr als zwei Jahre vergangen seit deren Verabschiedung, und es liegen erst Entwürfe vor: Eile ist insofern zwar geboten (auch wenn die Frage spannend ist, was gilt, wenn die genannten Fristen ablaufen), da es sich aber sowohl in puncto "Verteidigung" als auch im "Jugendstrafverfahren" um Reformen mit weitreichenden und absehbar nachhaltigen Konsequenzen handeln wird, sind sorgfältige Beratungen ebenso angezeigt! Diese Beratungen sollten nicht überfrachtet werden, gleichwohl ist – gerade auch zum Jugendstrafrecht (s.u. III. vor 1.) – zu bedenken, was noch auf der Reformagenda steht.

      2. Ausgangspunkt des RefE "PKH" ist das "Recht auf Prozesskostenhilfe" zur Gewährleistung der Effektivität des Rechts auf "Zugang zum Rechtsbeistand", das mit dem überkommenen deutschen System der "notwendigen" Verteidigung zumindest nicht auf Anhieb in Einklang zu bringen, aber schon gar nicht deckungsgleich ist. Die prozessrechtliche Beweislast ist ein andere: Das von der EU proklamierte "Recht auf Prozesskostenhilfe" (eigentlich auf "legal aid", vgl. auch die UN-Resolution 67/187 v. 20.12.2012; um "Prozesskosten" geht es nur mittelbar) geht im Interesse der verdächtigten und beschuldigten Personen davon aus, dass sie grundsätzlich einer Verteidigung bedürfen, die nicht an fehlenden Ressourcen scheitern soll, und gestattet nur unter engen Voraussetzungen Ausnahmen (s. auch u. II.5.); das deutsche Recht der "notwendigen" Verteidigung geht im Interesse der Strafrechtspflege davon aus, dass es einer "Prozesskostenhilfe" (die bezeichnenderweise auch gar nicht erst so genannt wird) nur bedarf, wenn dies gesetzlich ausnahmsweise vorgesehen ist (derzeit insb. gem. § 140 StPO). Es gilt, diese Binnenlogik des bisherigen deutschen StPO-Modells aufzubrechen: Dass verdächtigte, beschuldigte bzw. angeklagte Personen in strafjustiziellen Verfahren eine professionelle Verteidigung an ihrer Seite haben, muss die Regel sein, das Gegenteil muss (endlich) zur Ausnahme werden und darf jedenfalls nicht an Mittellosigkeit scheitern! Die Annahme des RefE, das deutsche Recht entspreche den Vorgaben der PKH-RiLi "noch nicht in vollem Umfang" (BMJV S. 2), ist insoweit Schönfärberei; die Annahme, es handele sich um ein "bewährtes System" (aaO), referiert eher die justizielle Sicht der Dinge. Den nötigen "Perspektivenwechsel" sieht der RefE leider nur – wenn auch immerhin – in puncto Zeitpunkt der Beiordnung (aaO), es bedürfte aber insg. eines solchen Wechsels.

      Dies gilt nicht nur, aber vor allem, wenn "Kinder" (i.S.d. UN-KRK) mit strafjustiziellen Verfahren konfrontiert werden (s.u. III.1.): Wer ‚A‘ sagt und daran festhält, "Kinder" mit Straf-Verfahren zu überziehen, muss im Rahmen der gerade auch dort geltenden fair trial- und Schutzprinzipien auch ‚B‘ sagen und in jedem Fall eine Verteidigung garantieren (grundlegend dazu Albrecht aaO S. 287 ff.). Die in den seit Jahren auf EU-Ebene und in Fachkreisen anhaltenden Diskussionen bisweilen geäußerte Befürchtung (eher: Unterstellung), Rechtsanwält*innen würden ein solches Modell dazu missbrauchen, Gebühren zu ‚schinden‘ und damit weder ihren jugendlichen Mandant*innen noch dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafverfahrens dienen, ist scharf zurückzuweisen: Verheerender wirkt die implizite Botschaft, die Verteidigung würde das vermeintlich wohlwollende Jugendstrafverfahren ‚stören‘ und/oder Sparzwängen zuwiderlaufen.

      Hinzu kommt, dass das (deutsche) Modell der "notwendigen Verteidigung" durch die PKH-RiLi keineswegs vorgezeichnet ist: Die Mitgliedstaaten "können" eine Bedürftigkeitsprüfung, eine Prüfung der materiellen Kriterien "oder" beides vornehmen (Art. 4 Abs. 2), haben m.a.W. explizit das Recht, es bei einer Bedürftigkeitsprüfung zu belassen (vgl. auch Art. 4 Abs.: "Wenn der Mitgliedstaat eine Prüfung der materiellen Kriterien vornimmt …"). Die vorliegenden RefE lassen eine eingehendere Begründung dazu weitgehend vermissen, warum diese Option nicht gewählt werden soll; der bloße Hinweis darauf, man sei zu einer "reinen PKH-Lösung" nicht verpflichtet (RefE "PKH" S. 2), ersetzt kein Argument. Ein "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" trägt die Verfehlung des mit der PKH-RiLi verfolgten Zwecks vielmehr bereits im Titel: Wenn es heißt, die beabsichtigte Reform im "bewährten System" diene "dem Schutz des Beschuldigten und der besseren Funktionsfähigkeit der Rechtspflege" (aaO), so tritt jener Schutz beschuldigter Personen letztlich doch wieder hinter den Schutz der (Funktionsfähigkeit der) Rechtspflege zurück!

      Ein Grundanliegen des RefE "PKH", bei Gelegenheit der Umsetzung der PKH-RiLi bisheriges "Richterrecht" im Gesetz zu verankern, um "mehr Rechtsklarheit und -sicherheit" sowie eine umfassende und systematisch klarer strukturierte Normierung zu schaffen, um die Verständlichkeit und Handhabbarkeit zu verbessern (BMJV S. 2; RefE S. 1), ist zwar im Ansatz zu begrüßen, droht aber zu kurz zu springen: Weder ist es mit dem bisherigen Richterrecht in puncto Pflichtverteidigung getan, noch sind wesentliche Fragen des neuen PKH-Rechts im Strafverfahren (insb. in puncto Auswahl, s.u. II.6.) überhaupt den Gerichten zu überlassen.

      Die von der PKH-RiLi geforderten Änderungen im Auslieferungsrecht hinsichtlich der Vollstreckung von EU-Haftbefehlen sind (ebenfalls) überfällig, wenn auch in puncto IRG-Reformbedarf nur ein – zweifellos wichtiges – Detail. Die zunächst nur innerhalb der EU vorgeschriebene Verpflichtung, dem oder der Betroffenen einen Rechtbeistand zu garantieren, auf den Auslieferungsverkehr mit Drittstaaten auszudehnen (RefE "PKH" Art. 4 Nr. 5, 6, 8), ist zu begrüßen, allerdings wäre auch eine bisher nach h.M. von § 40 IRG nicht vorgesehene (vgl. jüngst OLG Bremen, Beschl. v. 05.09.2018 – 1 Ausl. A 13/18) Beiordnung der im ersuchenden Staat zur Vertretung der Interessen Verfolgter tätigen Verteidigung für das vor einem deutschen Gericht geführte Auslieferungsverfahren wünschenswert.

      3. Die Ausweitung der (generell notwendigen, s.o.) Verteidigung zur "Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren" ist zu Recht ein zentrales Anliegen des RefE "JGG". Die Kinder-RiLi verlangt jedoch mehr, und das ebenfalls zu Recht: Wegen ihrer geringeren Beschwerdemacht und konfrontiert mit einem Erziehungsstrafrecht(ssystem), das sie tendenziell zu Objekten ganzheitlicher Präventions- und Interventionsansätze macht, müssten die Rechte von "Kindern" (i.S.d. UN-KRK, s.o.; für Heranwachsende gilt aber letztlich dasselbe) im Strafverfahren deutlich besser ausgestaltet sein, als im allgemeinen Strafverfahren – das Gegenteil ist jedoch der Fall! Eine Reform ist angezeigt und der RefE "JGG" insoweit ein großer Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte müssen aber folgen (s.u. III.).
      II. RefE "PKH"

      In Anknüpfung an die Vorbemerkungen (s.o. I.2.) und in Kenntnis der bereits vorliegenden Stellungnahmen (insb. von Seiten der Strafverteidigervereinigungen und des DAV) sollen hier in der gebotenen Kürze nur einige zentrale Punkte angesprochen werden:

      1. Notwendige Verteidigung bei Strafbefehlen

      Aus Sicht des RAV (ebenso "Neuordnung der Pflichtverteidigerbestellung", policy paper der Strafverteidigervereinigungen, Mai 2018 S. 11 ff.) ist jedes Strafbefehlsverfahren immer ein Fall notwendiger Verteidigung. Beschuldigten fällt es unserer Erfahrung nach schwer, zu verstehen, was genau ein Strafbefehl bedeutet. Hinzu kommt, dass für einen Strafbefehl, der genau wie ein Urteil in Rechtskraft erwachsen kann, ein hinreichender Tatverdacht genügt und der kontradiktorische Rahmen der Hauptverhandlung entfällt. Schließlich zeigt die Erfahrung, dass nicht wenige Strafbefehle, die zunächst ‚nur‘ eine Geldstrafe vorsahen, später in der Ersatzfreiheitsstrafe enden.

      2. Notwendige Verteidigung bei nicht der deutschen Sprache Mächtigen und Menschen mit Behinderungen

      Das Ermittlungsverfahren ist im deutschen Strafprozessrecht als schriftliches Verfahren ausgestaltet. Dies bedeutet, dass für eine adäquate Verteidigung i.S.d. Art. 6 EMRK Akteneinsicht unabdingbar ist. Entsprechend hatte der Gesetzgeber bereits in § 147 Abs. 7 StPO (inzwischen Abs. 4) ein Recht auf Auskunft für unverteidigte Beschuldigte eingeführt. Dieses Recht kann aber nur wahrgenommen werden, wenn jene Beschuldigten in deutscher Sprache lesen können. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn sie entweder nicht der deutschen Sprache mächtig sind und/oder nicht lesen können (Analphabet*innen). In diesen Fällen muss daher immer ein Fall notwendiger Verteidigung angenommen werden.

      Soweit § 140 Abs. 1 Nr. 11 StPO-E (anstelle des bisherigen § 140 Abs. 2 S. 2 StPO) den Beiordnungsantrag bestimmter Menschen mit Behinderungen erfasst, ist einerseits zu begrüßen, dass Sehbehinderungen in die bisherige Regelung einbezogen werden sollen. Darüber hinaus gibt es aber auch andere (z.B. intellektuelle, psychische) Behinderungen, die – auf Antrag – einen solchen Beiordnungsanspruch begründen sollten; die Ungleichbehandlung (wenn letztere weiterhin nur durch § 140 Abs. 2 StPO erfasst würden) wäre auch im Lichte der UN-BRK nicht zu legitimieren (vgl. auch Pollähne in: Aichele/DIMR [Hg.] Das Menschenrecht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht. Art. 12 UN-BRK, 2013 S. 166 ff.).
      3. Notwendige Verteidigung bei einer Straferwartung ab sechs Monaten

      Der RAV schließt sich zunächst ausdrücklich der Einführung zum RefE "PKH" an, in der es unter "B. Lösung" (S. 2) heißt: "Drittens soll, um den Vorgaben der PKH-Richtlinie zur Berücksichtigung der Schwere der zu erwartenden Strafe auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR gerecht zu werden, ein Fall notwendiger Verteidigung allgemein ab einer Straferwartung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe gegeben sein."

      Dies ist angemessen und wurde mutmaßlich (bzw. hoffentlich) nur aufgrund eines redaktionellen Versehens in der geplanten Neufassung des § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO-E noch nicht normiert, was nachzuholen ist. Darüber hinaus sollte – auch im Lichte des § 47 StGB (vgl. auch die UN-Resolution 67/187 v. 20.12.2012) – prinzipiell eine Verteidigung als notwendig anerkannt werden, wenn überhaupt Freiheitsentzug droht.
      4. Notwendige Verteidigung bei nicht erledigter Bewährungsstrafe

      Bereits jetzt ist es gängige richterliche (und staatsanwaltschaftliche) Praxis, in Fällen, in denen eine beschuldigte Person noch eine offene Bewährungsstrafe hat und nunmehr ein neuer Vorwurf gegen sie erhoben wird, einen Fall der notwendigen Verteidigung zu sehen. Dies sollte aus Klarstellungsgründen auch entsprechend gesetzlich normiert werden.

      Auch wenn die PKH-RiLi (vgl. dazu auch Sommerfeld ZJJ 2017 S. 167) und der RefE „PKH“ das Vollstreckungsrecht (nicht recht nachvollziehbar) insg. ausblendet, ist zumindest an dieser Stelle zu fordern, dass auch im Widerrufsverfahren (§§ 56f, 57 Abs. 5 StGB) eine Verteidigung notwendig ist.
      5. Notwendige Verteidigung bei Bedürftigen

      Die PKH-RiLi sieht vor (Art. 4 Abs. 1), dass Verdächtige und beschuldigte Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist (s.o. I.2.). Zwar mag es Auslegungssache sein, wann ein Rechtsbeistand "im Interesse der Rechtspflege erforderlich" ist. Aus Sicht des RAV bezweckt die Richtlinie aber, dass keine Person deswegen ohne Rechtsbeistand vor einem Strafgericht erscheinen muss, weil sie die Kosten nicht zu tragen imstande ist. Dies ergibt sich etwa schon aus dem in Art. 2 Abs. 4 PKH-RiLi dargestellten Anwendungsbereich.

      Hier sollte ein Auffangtatbestand analog zu § 397a Abs. 2 StPO eingeführt werden. Der bedürftigen angeklagten Person ist, auch wenn ein Fall notwendiger Verteidigung nicht vorliegt, jedenfalls nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Beiordnung einer Verteidigung zu bewilligen, wenn sie dies beantragt und die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt (mit Ausnahme der hinreichenden Erfolgsaussicht der "Rechtsverteidigung" gem. § 114 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO).
      6. Auswahl des Verteidigers

      Zunächst ist es zu begrüßen, dass die Auswahlfreiheit der beschuldigten Person erhalten bleibt und erstmals auch die Auswechslung der Pflichtverteidigung normiert wird. Warum dies allerdings nur innerhalb von zwei Wochen nach der Bestellung eines oder einer Verteidiger*in möglich werden soll, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Vielmehr können Differenzen über Verteidigungsstrategien, Vertrauensverluste und andere Gründe auch danach noch auftreten (etwa nach erfolgter Akteneinsicht); der Wechsel des oder der Verteidiger*in sollte daher nach unserer Auffassung bis zur Hauptverhandlung möglich sein. Um andererseits dem Beschleunigungsgebot hinreichend Rechnung zu tragen, kann die (zu) späte Auswechslung des oder der Pflichtverteidiger*in dann kein Aussetzungsgrund sein, sodass sich Beschuldigte – von Extremfällen abgesehen – frühzeitig um eine*n neue*n Verteidiger*in bemühen werden.

      Begrüßenswerterweise sieht der RefE ebenfalls den Bedarf für eine Regelung, welche*r Rechtsanwält*in als Pflichtverteidiger*in bestellt werden darf, wenn die beschuldigte Person nicht selbst eine*n Verteidiger*in benennt, will die Auswahl dann aber immer noch dem zuständigen Gericht überlassen (§ 142 Abs. 4 StPO-E), das sich an den im Gesamtverzeichnis der BRAK (§ 31 BRAO) eingetragenen Rechtsanwa?lt*innen zu orientieren hätte.

      Dies reicht nicht aus, um den Verdacht zu zerstreuen, es würden von den Gerichten immer wieder bestimmte Kolleg*innen bestellt, von denen eine konsensuale Verfahrenserledigung erwartet werden kann oder die aus anderen Erwägungen als der der bestmöglichen Verteidigung für die beschuldigte Person (etwa weil man sich kennt) ausgewählt werden. Um dem vorzubeugen, muss die Entscheidung über die beizuordnende Verteidigung aus den Händen des Gerichts in die Hände der Anwaltschaft gelegt werden. Der RAV teilt die Auffassung des DAV und der Strafverteidigervereinigungen, dass jedenfalls die Auswahl durch die Anwaltschaft erfolgen solle. Es wäre in EDV-Zeiten ein leichtes, hier einen automatisierten Prozess zu installieren, in dem sämtliche Kolleg*innen von den Rechtsanwaltskammern nach einem bestimmten Modus in eine Liste aufgenommen und dann automatisiert abgerufen werden, sodass hier auch keine ‚menschliche‘ Auswahl – die immer Anlass zu jenem Verdacht geben kann – mehr stattfinden müsste. Dem Gegenargument, dass in bestimmen Fällen eine bestimmte fachliche Expertise von Nutzen ist, kann entgegengehalten werden, dass die beschuldigte Person (etwa bei Zweifeln an der Kompetenz) jederzeit den oder die Pflichtverteidiger*in auswechseln kann (s.o.).
      7. Qualifikation der (beigeordneten) Verteidiger*innen

      Es ist richtig, dass Referendar*innen nach dem RefE nicht mehr als Pflichtverteidiger*innen bestellt werden können. Im Übrigen ist die Auswahl, welche Kolleg*innen zu solchen bestellt werden können, eine Sache der Anwaltschaft (s.o. 6.) und von daher von den Rechtsanwaltskammern selbst zu entscheiden (wobei die Fachanwaltsbezeichnung "Strafrecht" ein wichtiges Kriterium bleiben wird). Die PKH-RiLi gibt den Mitgliedsstaaten ferner vor, auch finanziell sicherzustellen, dass die Qualität der Dienstleistung angemessen ist. Dies bedeutet, dass Fortbildungen, wie sie etwa vom DAV, den Strafverteidigervereinigungen, dem RAV und vielen anderen Anbietern bereits angeboten werden, staatlich gefördert werden müssen, damit dieser jenem Qualitätsanspruch gerecht werden kann. Hierfür ist ein geeigneter Modus zu entwickeln.
      8. Konsequenzen bei Verstößen

      Findet eine Vernehmung oder eine andere in § 141 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO-E genannte Ermittlungshandlung – außerhalb der in Abs. 3 S. 1-neu vorgesehenen Ausnahmen – ohne die vorherige Beiordnung eines oder einer Verteidiger*in statt, so dürften deren Inhalte bzw. die Aussage der Betroffenen bereits nach geltendem Recht einem Verwertungsverbot unterliegen. Hier sollte in § 136 StPO ein ausdrücklicher Verweis auf § 136a Abs. 3 S. 2 StPO eingeführt werden, um dem jeden Zweifel zu nehmen.

      Nicht nachvollziehbar ist, warum die für das Jugendstrafverfahren (s.u. III.1.) vorgesehene Regelung, wonach eine Vernehmung ohne anwaltliche Anwesenheit zu unterbrechen (§ 70c Abs. 4 JGG-E) und ebenso mit einer Hauptverhandlung erneut zu beginnen ist (§ 51a JGG-E), wenn sich nachträglich herausstellt, dass (doch) ein Fall notweniger Verteidigung vorliegt, nicht in die StPO übernommen werden soll.
      III. RefE "JGG"

      Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass der RefE nicht der – in der Kinder-RiLi durchaus angelegten – Versuchung erlegen ist, das verfahrensrechtliche Schutzniveau unterschiedlich auszugestalten, je nachdem ob es sich um Jugendliche ("Kinder" i.S.d. RiLi) oder Heranwachsende handelt. Das ließe sich noch konsequenter umsetzen (s.u.), vor allem aber ist an die alte – aber immer aktuelle – Reformforderung zu erinnern, Heranwachsende vollständig auch in das materielle Jugendstrafrecht einzubeziehen, womit das anliegende Gesetzgebungsvorhaben aber sicher überfrachtet würde. Jedes ÄndG birgt jedoch immer die Gefahr, weiteren (z.T. notorischen) Reformbedarf auf die ‚lange Bank‘ zu schieben.

      Im Rahmen der bisherigen Gesetze zur Änderung des JGG ist der vorliegende RefE zweifellos ein Gesetz zur "Reform" des Jugendstrafverfahrens(rechts), und zwar eines, das ein solch hochtrabendes Ziel positiv einzulösen geeignet ist. Eine solche Reform war allerdings auch ohne den europäischen Richtliniendruck überfällig. Die Ende 2007 zusätzlich in § 2 Abs. 1 JGG verankerte Programmatik, "unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten", um das Ziel zu erreichen, "vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden" entgegenzuwirken, führt nicht erst seitdem, sondern kontinuierlich seit den Anfängen des JGG von 1923 und nicht zuletzt seit den ‚Reformen‘ von 1943 und 1953 dazu, die Rechte Jugendlicher im Strafverfahren wegen jener Ausrichtung am "Erziehungsgedanken" einzuschränken, sie in vergleichbarer Verfahrenslage gegenüber Erwachsenen also tendenziell, vielfach aber auch explizit zu benachteiligen. In Anbetracht der besonderen Schutzbedürftigkeit von "Kindern" (das gilt aber prinzipiell auch für Heranwachsende), gerade konfrontiert mit den Institutionen und Akteuren des Strafjustizsystems (dazu Albrecht, Jugendstrafrecht, 3. Aufl. 2000 S. 285 ff. mwN), wäre jedoch das Gegenteil angezeigt! Der RefE "JGG" ist insoweit ein Schritt in die richtige Richtung.

      Allerdings ist sowohl für das formelle wie das materielle Jugendstrafrecht weiterer Reformbedarf anzumelden: Was Letzteres betrifft, greift der RefE "JGG" nur ein Detail auf, nämlich die Zweifelsregelung zur Altersfeststellung (s.u. 2.), zu erinnern ist aber auch an den Reformbedarf im Sanktionsrecht des JGG. An der Schnittstelle beider Rechtsgebiete liegt die erst 2017 in StGB und StPO vollzogene Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, die im Jugendstrafrecht gem. §§ 6 iVm 2 Abs. 2 JGG entspr. gelten soll, allerdings bereits zu einigen Problemen in der Praxis geführt hat, die nicht nur Differenzen in der Rechtsprechung (vgl. AG Rudolstadt ZJJ 2018, 63 einer- und LG Münster ZJJ 2018, 245 andererseits sowie AG Frankfurt ZJJ 2018, 251, vgl. auch Zieger/Nöding, Verteidigung in Jugendstrafsachen, 7. Aufl. 2018 S. 126 ff.), sondern auch rechtspolitische Forderungen nach Korrekturen zeitigten (www.dvjj.de/veroeffentlichungen/stellungnahmen/stellungnahme-der-dvjj-zur-vermoegensabschoepfung): Hier besteht inhaltlich und zeitlich drängender Klärungsbedarf, für den das mit diesem RefE "JGG" in Gang gesetzte Gesetzgebungsverfahren der richtige Ort wäre. Soweit jedoch das (neue) Einziehungsrecht im Jugendstrafverfahren Anwendung findet, wäre dies als ein (weiterer) Fall notweniger Verteidigung anzusehen.

      Vor diesem Hintergrund (s. auch die Vorbemerkungen unter I.3.) zu einigen ausgewählten Fragen:
      1. notwendige Verteidigung
      Grundsätzlich gilt zunächst (§ 68 Nr. 1 JGG), dass Jugendlichen eine Verteidigung zu bestellen ist, wenn auch Erwachsenen eine zu bestellen wäre, womit v.a. auf § 140 StPO verwiesen wird. Daran hält der RefE "JGG" (wenn auch terminologisch überarbeitet) zu Recht fest. Damit sollen – auch das völlig zu Recht – die durch den RefE "PKH" geplanten Änderungen des § 140 StPO im Jugendstrafverfahren ebenfalls gelten, so dass insoweit auf die Stellungnahme unter II. zu verweisen ist. Während § 68 Nr. 2-4 JGG im Übrigen nur redaktionelle Änderungen erfahren soll, verdient die geplante Neufassung der Nr. 5 einige Anmerkungen:

      Der bisherige § 68 Nr. 5 JGG erfasste bereits ab 1990 den später (2009) in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO eingefügten Grund zwingend notwendiger Verteidigung (Vollstreckung von U-Haft oder einstweiliger Unterbringung), wenn auch beschränkt auf Jugendliche. Durch den Verweis auf § 140 StPO in § 68 Nr. 1 JGG (s.o.) ist die Nr. 5 seit 2009 praktisch gegenstandlos, deren Streichung also konsequent; die in § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO-E geplante Erweiterung gälte dann entspr. (zur einstweiligen Unterbringung gem. § 71 Abs. 2 JGG s.u.).

      Stattdessen soll nun ein zusätzlicher – und d.h. vor allem auch über § 140 StPO hinausgehender – Grund notwendiger Verteidigung im Jugendstrafverfahren eingeführt werden, und zwar, wenn "die Verhängung einer Jugendstrafe oder die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe zu erwarten ist". Das geht deutlich – insb. wegen des Verzichts auf eine Mindeststrafe – über den geplanten § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO hinaus (s.o. II.3.) und ist insoweit prinzipiell zu begrüßen, sieht man von der hier vertretenen Position ab, jugendlichen Beschuldigten in allen Fällen eine Verteidigung beizuordnen. Wichtig ist zudem die Klarstellung, dass dies auch für die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe gelten soll und den Fall der Aussetzung ihrer Verhängung.

      Ausgehend von dem darin zu Recht zum Ausdruck kommenden Prinzip der Kinder-RiLi, dass eine strafjustizielle Freiheitsentziehung nicht ohne Verteidigung angeordnet werden darf, sind allerdings zwei Ergänzungen angezeigt: Erstens muss dies auch für den Arrest gelten, was nicht mit dem Argument verworfen werden kann, es handele sich nicht um eine "Strafe"; das mag – wenn überhaupt – für den Sprachgebrauch des JGG gelten (wobei es freilich gerade in puncto Sprachgebrauch überfällig wäre, den Begriff der "Zuchtmittel" endlich auch in den ‚alten' Bundesländern zu streichen), gilt aber nicht für die Kinder-RiLi und die Rechtsprechung zur EMRK. Und zweitens muss dies auch für den Widerruf der Strafaussetzung gelten (zumal die Verteidigung im Vollstreckungsrecht überhaupt notleidend, aber nicht minder notwendig ist, vgl. Pollähne/Woynar, Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug, 5 Aufl. 2014 S. 12 ff. und Zieger/Nöding aaO S. 221 f., 291 f.).

      Beachtlich (auch weil ohne Parallele in der StPO, s. dazu II.8.) ist in diesem Zusammenhang § 51a JGG-E, demzufolge mit der Hauptverhandlung erneut zu beginnen ist, wenn sich erst in deren Verlauf herausstellt, dass die Verteidigung bis dahin nicht verteidigter Jugendlicher gem. § 68 Nr. 5 JGG-E (doch) notwendig ist. Dabei darf eine wichtige Folgefrage allerdings nicht offenbleiben: Hat der jugendliche Angeklagte vor der Aussetzung (und eben: ohne Verteidigung) Angaben zur Sache gemacht, dürfen diese in der neuen Verhandlung nicht ohne sein Einverständnis (dann: nach Beratung durch die Verteidigung) gegen ihn verwertet werden (vgl. auch Sommerfeld aaO S. 174). Für die Vernehmung ist eine entspr. Regelung in § 70c Abs. 4 JGG-E vorgesehen.

      Eine redaktionelle Unklarheit der bisherigen Fassung des § 68 JGG würde mit der Änderung der Nr. 5 (ggf. unbeabsichtigt: RefE "JGG" S. 64 schweigt dazu) beseitigt: Hieß es bisher am Ende des § 68 JGG nach einem Semikolon, "der Verteidiger wird unverzüglich bestellt", war damit – jedenfalls dem Wortlaut nach – unklar, ob sich das auf alle Nrn. der Vorschrift bezieht oder nur auf Nr. 5 (BT-Drs. 11/5829, 28 spräche eher für letztere Auffassung, vgl. auch Eisenberg, JGG, 18. Aufl. 2016 § 68 Rn. 31b und Zieger/Nöding aaO S. 216). Mit der vorgeschlagenen Neufassung der Nr. 5 (s.o.) würde diese Klausel womöglich gelöscht. Vertritt man hingegen die Auffassung, der bisherige letzte Halbsatz 'gehöre' nicht nur zu Nr. 5, sondern zur gesamten Vorschrift, hätte sie Bestand: Das gälte es im Sinne der letztgenannten Lesart klarzustellen! Unabhängig davon würde gem. RefE "PKH" die in § 141 Abs. 1 StPO-E geplante Regelung zur "unverzüglichen" Bestellung (allerdings nur unter den dort genannten engeren Voraussetzungen) entspr. gelten (s.u.). Damit entspräche die neue Rechtslage aber jedenfalls zu § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO-E gem. § 141 Abs. 1 Nr. 2 StPO-E im Erg. weitgehend dem jetzigen § 68 Nr. 5 JGG.

      Eine weitere Unstimmigkeit des bisherigen § 68 Nr. 5 JGG würde nach den bisherigen RefE nicht hinreichend geklärt: Wieso im Falle der "einstweiligen Unterbringung" nur gem. § 126a StPO nicht aber gem. § 71 Abs. 2 JGG eine Verteidigung notwendig sein soll (s. dazu auch Eisenberg aaO Rn. 31c), erschließt sich nicht. Während § 68 Nr. 5 JGG aber explizit auf § 126a StPO Bezug nimmt, spricht § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO-E nur allg. von "einstweiliger Unterbringung", könnte den Fall des § 71 Abs. 2 JGG also dem Wortlaut nach miterfassen (auch wenn die Begr. in RefE "PKH" S. 30 dies nicht erwähnt). Da § 71 Abs. 2 S. 2 JGG jedoch die "sinngemäße" Geltung des § 115a StPO vorsieht, wäre es widersinnig, zukünftig die Vorführung "zur Entscheidung über … einstweilige Unterbringung" gem. § 71 Abs. 2 JGG nicht in den Anwendungsbereich einzubeziehen – eine explizite Regelung im JGG wäre der Normenklarheit halber vorzuziehen! Ähnliches gälte für die Frage, ob § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO-E mit dem Aufenthalt in einer "Anstalt" (ohnehin ein historisch überholter Rechtsbegriff) auch den Aufenthalt in einem "geeigneten Heim der Jugendhilfe" gem. § 71 Abs. 1 S. 1 JGG erfasst: Da es sich um eine staatlich angeordnete Freiheitsentziehung handelt (auch i.S.d. Art. 5 EMRK), drängt sich diese Sichtweise auf; auch insoweit wäre aber ggf. eine Klarstellung im JGG angezeigt. Durch den Pauschalverweis des § 68 Nr. 1 JGG (insb.) auf § 140 StPO lassen sich – wie man sieht – nicht alle jugendstrafverfahrensrechtlichen Fragen klären.

      Für die Bestellung der Verteidigung gelten zunächst einmal (qua § 2 Abs. 2 JGG) die §§ 141 ff. StPO und damit auch die dort geplanten Änderungen uneingeschränkt. In § 68a JGG-E würde man insoweit nur Ergänzungen vermuten, das trifft es jedoch nicht durchgehend (was bereits die Klausel in Abs. 3 erahnen lässt: "Im Übrigen bleibt § 141 StPO unberührt"): § 68a Abs. 1 JGG-E stiftet zunächst Verwirrung (auch im Abgleich mit § 141 Abs. 1 StPO-E, der auf Erforderlichkeit abstellt), regelt er doch eine Ausnahme-Konstellation – nachträgliche Haft in anderer Sache, zumal dies auch von § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO-E erfasst würde – und sieht noch dazu problematische Ausnahmen vor (eine Parallelregelung ist in der StPO nicht vorgesehen); die Regelung ist insg. abzulehnen.

      Über § 141 Abs. 3 StPO-E hinausgehend sollen zudem "Vernehmungen des Beschuldigten oder Gegenüberstellungen mit dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers durchgeführt werden [dürfen], soweit dies mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar" ist, wobei allerdings weitere Voraussetzungen (kumulativ) hinzutreten müssen (§ 68a Abs. 2 JGG-E), die deutlich über § 141 Abs. 3 StPO-E hinausgehen: Der ‚feine‘ Unterschied zwischen "schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen" (RefE "JGG") und "einer gegenwärtigen Gefahr" (RefE "PKH") für "Leib oder Leben oder für die Freiheit einer Person" dürfte noch ein redaktionelles Versehen sein; der Unterschied zwischen der "erheblichen Gefährdung eines Strafverfahrens" (RefE "PKH") und der "eines sich auf eine schwere Straftat beziehenden Strafverfahrens" (RefE "JGG") ist allerdings erheblich; hinzu kommt noch das "Vorliegen außergewöhnlicher Umstände" (JGG-E, im StPO-E ohne Parallele). Kommt die in § 68a Abs. 2 JGG geplante Regelung mithin deutlich restriktiver daher, als die in § 141 Abs. 3 StPO-E, so ist gleichwohl zu kritisieren, dass das Kriterium "außergewöhnlicher Umstände" vage bleibt, was für die "schwere Straftat" ähnlich gilt, eine Kategorie, die bisher nur aus § 100a Abs. 2 StPO bekannt war (worauf der RefE "JGG" S. 66 denn auch "grundsätzlich" verweist). In Anbetracht der engen Grenzen, die einer Ausnahme von der Pflicht, eine Beschuldigtenvernehmung nicht ohne (notwendige) Verteidigung durchzuführen, damit – jedenfalls im JGG (zur StPO s.o.) – gesetzt werden sollen, sind zwei Anmerkungen angebracht:

      2. Anwendungsbereich (Alterszweifel)

      Die Aufnahme einer Altersregelung für den Zweifelsfall an der Grenze zur Volljährigkeit (§ 1 Abs. 3 JGG-E) ist zu begrüßen, könnte aber bedenkliche Umkehrschlüsse provozieren:

      Klarstellende Ergänzungen erscheinen angebracht. Dies gilt schließlich auch für den berechtigten Hinweis (RefE "JGG" S. 51) auf §§ 81a/b StPO und die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: Was spräche dagegen, das auch dort (oder in § 43 JGG) zu verankern?
      3. Jugendgerichtshilfe (JGH)

      Die Arbeit der JGH auch dadurch aufzuwerten, dass ihre Rolle und Aufgaben im Gesetz deutlich mehr als bisher (in § 38 JGG) konkretisiert und terminologisch präzisiert werden, ist grundsätzlich zu begrüßen: Abs. 2-neu entspricht weitgehend Abs. 2 S. 1; die Konkretisierung des bisherigen Begriffs der "Umwelt" (zukünftig "familiärer, sozialer, wirtschaftlicher Hintergrund"), vor allem aber die Aufnahme der "besonderen Schutzbedürftigkeit" des Jugendlichen, zu der sich die JGH ggf. äußern soll, ist zu begrüßen. Dass dies selbstverständlich zu beinhalten hat, auf die möglichen negativen Folgen von Kriminalisierung und Sanktionierung aufmerksam zu machen (vgl. auch § 46 Abs. 1 S. 2 StGB), sollte ebenfalls im Gesetz verankert werden. Und in puncto Sprachgebrauch sollte bei der Gelegenheit auch der ‚aus der Zeit gefallene‘ Begriff "fürsorgerisch" ersetzt oder gestrichen werden; der Verweis auf § 1 Abs. 1 und 3 SGB-VIII wäre sachgerechter. Ob anstelle des fragwürdigen Begriffs der '"Erforschung" (der immer auch nach Ausforschung klingt und damit das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf den Plan ruft) der der "individuellen Begutachtung" in Anlehnung an die Kinder-RiLi (Art. 7) angemessener wäre, erscheint in Anbetracht der Sonderregelungen der StPO (§§ 72 ff.) zum Sachverständigen-Beweis fraglich (das SGB-VIII kennt beide Begriffe nicht); denkbar wäre die Anlehnung an den in § 463 Abs. 4 S. 1 StPO eingeführten Begriff der "gutachterlichen Stellungnahme". Schließlich erscheint auch die Rede vom "Wohl des Kindes" im JGG deplatziert: Es geht um schutzwürdige Interessen.

      Ebenfalls zu begrüßen ist, dass eine zügige Bearbeitung (nach früher Information, s.u. gem. § 70 Abs. 2 S. 1 JGG-E) durch die JGH und eine zeitnahe Vorlage ihres Berichts normiert werden soll (Abs. 3-neu); der besondere Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen galt auch bisher schon (§ 38 Abs. 2 S. 3 JGG). Unklar bleibt allerdings, was – zumal im Lichte des neuen Abs. 7 (s.u.) – mit der einleitenden Einschränkung, "sobald es im Verfahren von Bedeutung ist", bezweckt wird, zumal die JGH sich schwer tun wird, Bedeutung und Zeitpunkt zu beurteilen. Dass wesentliche Änderungen zu ergänzenden Nachforschungen und entspr. Nachberichterstattung führen müssen, sollte selbstverständlich sein (§ 38 Abs. 3 S. 3 JGG-E). Insg. verdienen schließlich Dokumentationspflichten stärker Beachtung.

      § 38 Abs. 4 JGG-E greift den bisherigen § 38 Abs. 2 S. 4 JGG auf, bestärkt aber – sachgerecht – die Anwesenheitspflicht der JGH, genauer: der "Person, die die Nachforschungen angestellt hat" (wenn auch nur als Soll-Vorschrift), was korrespondiert mit einer entsprechenden Ladungspflicht (s.u. zu § 50 Abs. 3 JGG-E). Unklar ist allerdings oder doch zumindest in sich unschlüssig, warum durch die Abwesenheit ggf. Kosten entstehen sollen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu tragen hat (§ 38 Abs. 4 S. 3 JGG-E), wenn gem. § 50 Abs. 3 S. 3 JGG-E bei Abwesenheit der schriftliche Bericht verlesen werden kann (s.u.). Unabhängig davon ist eine solche 'Kostendrohung' prinzipiell abzulehnen.

      Dass auf die Erfüllung der Anforderungen der Abs. 3, 4 S. 1 (s.o.) verzichtet werden kann, wenn dies "auf Grund der Umstände des Falles gerechtfertigt und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist", erscheint prinzipiell sachgerecht (Abs. 7-neu). Es sollte aber selbstverständlich sein, auch den Jugendlichen, seine Verteidigung und Erziehungsberechtigten/gesetzliche Vertretung mindestens dazu zu hören, was deshalb ebenfalls verankert werden sollte. Dass es auch Fälle gibt, in denen überhaupt eine Beteiligung der JGH gem. Abs. 2 – auch in puncto Verhältnismäßigkeit – verzichtbar ist, was die umfangreichen "Nachforschungen" betrifft, wird aber zu Unrecht ausgeklammert. Die Frage der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung bleibt insg. – zumal im Lichte der Verzichtsmöglichkeit gem. Abs. 7 S. 1, 3 und der Verlesungsregelung (§ 50 Abs. 3 S. 3 JGG-E, s.u.) – unklar: Der gerade auch mit der Kinder-RiLi (und entspr. dem RefE "JGG") steigenden Bedeutung der JGH würde es gerecht, die gesetzeswidrige Nichtanwesenheit als absoluten Revisionsgrund gem. § 338 StPO zu begreifen (in RefE "JGG" S. 52 f. nicht thematisiert), zumal im Übrigen Auseinandersetzungen darüber, ob das Urteil auf der Nichtanwesenheit beruht (§ 337 StPO), mühsam werden. Dass noch während laufender Hauptverhandlung auf die Anwesenheit für "Teile" davon verzichtet werden kann (Abs. 7 S. 4), könnte dazu verleiten, hiervon insb. dann Gebrauch zu machen, wenn die JGH wider Erwarten nicht erschienen ist, was nicht Sinn der Sache wäre und zum Missbrauch einlädt; auch insoweit wäre das Mindeste, dass der verteidigte Angeklagte ebenfalls verzichtet.

      Dass eine Anklage im Regelfall (zu § 38 Abs. 7 s.o.) erst – wenn überhaupt – nach Vorlage des JGH-Berichts zu erheben ist (§ 46a S. 1 JGG-E), wird der Bedeutung der JGH und ihrer Berichte gerecht. Die Ausnahme (S. 2), "wenn dies dem Wohl des Jugendlichen dient und zu erwarten ist, dass das Ergebnis der Nachforschungen spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung vorliegen wird", leuchtet nicht ein, genauer gesagt: Es ist kaum vorstellbar, dass es – zumal nach (wenn auch jugend-)staatsanwaltlicher Einschätzung – dem "Wohl des Jugendlichen" dienen soll, die Anklage vorab zu erheben (in U-Haft-Fällen gilt auch für die JGH besondere Beschleunigung, s.o.).

      Die Konkretisierungen in § 50 Abs. 3 JGG sind zu begrüßen, bilden aber im Wesentlichen die gängige Praxis ab. Vor dem Hintergrund der Neuregelungen (s.o.) ist die Regelung zur Verlesung des JGH-Berichts in S. 3 allerdings – gerade auch im Zusammenspiel mit der Verzichtsregelung des § 38 Abs. 7 JGG-E, s.o.; vgl. RefE "JGG" S. 56) – mindestens missverständlich, vor allem aber der StPO fremd (ein Fall des § 256 StPO liegt nicht vor, denn einerseits handelt es sich um sog. "Leumundszeugnisse", andererseits werden sie nicht für die JGH als Behörde abgegeben). Auch insoweit wäre – von den Erfordernissen der Amtsaufklärungspflicht abgesehen – das Mindeste, dass alle Beteiligten (die JGH incl.) mit der Verlesung einverstanden sind (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO, auf den ggf. in § 50 JGG Bezug genommen werden könnte).

      Dass die JGH (zumal im Lichte der Neuregelungen) so früh wie möglich – „spätestens zum Zeitpunkt der Ladung des Jugendlichen zu seiner ersten Vernehmung“ – von der Einleitung eines Verfahrens zu unterrichten ist (§ 70 Abs. 2 S. 1 JGG-E), versteht sich von selbst; die Einschränkung in S. 2 auf Fälle einer solchen Vernehmung ohne Ladung erscheint daher bedenklich.

      Was nach wie vor fehlt im JGG ist eine Regelung zum rechtlichen Verhältnis der JGH zum Jugendlichen und seinem Umfeld: Fragen etwa zu Auskunftspflichten resp. Schweigerechten und zu Belehrungen werden auch vom SGB-VIII (dort insb. §§ 8, 52) allenfalls unzureichend beantwortet; die Anwendbarkeit des SGB-X im Jugendstrafverfahren erscheint fraglich. Das Freiwilligkeitsprinzip muss aber gewahrt bleiben.
      4. JGG-Rechtsmittelrecht

      Die geplante Änderung des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG, womit die rigiden Beschränkungen des jugendstrafverfahrensrechtlichen Rechtsmittelrechts ansatzweise gelockert werden sollen, geht einen – allerdings zu zaghaften (s.u.) – Schritt in die richtige Richtung. Dass die bisherige Regelung "in erzieherischer Hinsicht fragwürdig und im Hinblick auf Gewährleistungen der VN-Kinderrechtskonvention angreifbar" erscheint (RefE S. 58), gilt nicht erst seit Inkrafttreten der Kinder-RiLi. Hierfür das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzuführen, ist zwar dem JGG nicht ganz fremd (s.u.), aber doch ein Systembruch im regulären Rechtsmittelrecht bzgl. erstinstanzlicher Urteile. Gerade im Jugendstrafverfahren erscheint es bedenklich, solche Entscheidungen im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Anhörung der Betroffenen (§ 309 StPO) zu treffen; das Berufungsverfahren ist deshalb vorzugswürdig. Für die vorgesehenen Änderungen in § 59 Abs. 1 S. 2 und § 63 Abs. 2 JGG gilt Entsprechendes. Dass diese Erweiterung der Rechtsmittelbefugnis dem RefE zufolge auch der StA zustehen soll, überzeugt allerdings nicht.

      Gravierender ist, dass der mindestens so bedenkliche § 55 Abs. 2 JGG nicht angetastet werden soll: Die hierin liegende Benachteiligung gegenüber Erwachsenen (vgl. §§ 312, 335 StPO) ist ebenfalls "in erzieherischer Hinsicht fragwürdig und im Hinblick auf Gewährleistungen der VN-Kinderrechtskonvention angreifbar". Der Zwang, wählen zu müssen zwischen Sprungrevision und Revisionsverzicht, ist in Anbetracht rechtlich angreifbarer Berufungsurteile nicht akzeptabel – oder doch jedenfalls nicht, solange dieses Recht Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage selbstverständlich zusteht. Es wird vielmehr in Kauf genommen, dass Berufungsurteile rechtskräftig werden, die entweder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und/oder materiellrechtlich nicht haltbar sind. Wie das mit den Besonderheiten des Jugendstrafrechts legitimiert werden soll, bleibt unerfindlich.
      5. Rechte von Erziehungsberechtigten

      Die Mitwirkung Erziehungsberechtigter und/oder gesetzlicher Vertreter im Jugendstrafverfahren ist nicht frei vom Zwiespalt: Das geltende JGG (§§ 51 Abs. 2, 67 Abs. 4 JGG) sieht einen solchen bisher vor allem dort, wo der Verdacht der strafbaren Beteiligung besteht, bei drohenden Beeinträchtigungen der Wahrheitsfindung oder sonstigen Gefahrenlagen (§ 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3-5 JGG). Es gibt aber durchaus Konstellationen, in denen Jugendliche – denen im Hinblick auf jene Mitwirkung bisher keinerlei Mitsprache zusteht (vgl. aber auch § 1626 Abs. 2 BGB) – gerne auf die Anwesenheit von Eltern(teilen) und/oder gesetzlichen Vertretern verzichten würden, die auch noch in das 'hohe Lied' des Erziehungsstrafrechts einstimmen, oder weil es ihnen schlicht 'unangenehm' ist.

      Die vorgesehene Neuregelung in § 51 Abs. 6, 7 JGG knüpft aber weiterhin lediglich an den Ausschluss gem. Abs. 2 an. Immerhin wird Jugendlichen das Recht eingeräumt, in jenen Fällen eine "andere für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeignete volljährige Person" zu benennen. Kommt es dazu nicht (s.u.), "muss ein für die Betreuung des Jugendlichen in dem Jugendstrafverfahren zuständiger Vertreter der Jugendhilfe anwesend sein", wobei sich die Frage aufdrängt, ob das der/die ohnehin anwesende JGH-Vertreter*in sein soll/darf (s.o. zu § 38 Abs. 4 JGG-E); ein weiterer Rollenkonflikt wäre ggf. vorprogrammiert.

      Gem. § 67 Abs. 3 S. 3 JGG-E soll dies für den Ausschluss gem. S. 1 entsprechend gelten, nicht hingegen für den Fall der Entziehung der Rechte gem. Abs. 4, was nicht einleuchtet; so oder so stellt sich bei § 67 Abs. 4 JGG allerdings die Frage, warum es neben den o.g. Personen noch der Bestellung eines Pflegers (§ 67 Abs. 4 S. 3 JGG) bedarf. Ungeachtet dessen erscheint die in § 67 Abs. 3 JGG-E vorgesehene Regelung bedenklich, zumal im Regelfall der polizeilichen Vernehmung Polizeibeamte darüber zu entscheiden hätten, ob die Anwesenheit Erziehungsberechtigter "dem Wohl des Jugendlichen dient und ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt"; die Klausel ist ohnehin zu vage, und selbst die Regelvermutung des § 67 Abs. 3 S. 2 JGG-E ließe noch Ausnahmen zu. Für den (ggf. sogar dauerhaften) Ausschluss von Mitteilungen gem. § 67a Abs. 3 und 6 iVm Abs. 1, 2 JGG-E gälte Entsprechendes.
      6. Unterrichtung des Jugendlichen

      In Anbetracht der tendenziellen Geringschätzung der Rechte Jugendlicher in nach ihnen benannten Jugend-Strafverfahren ist § 70a JGG-E zunächst einmal durchweg zu begrüßen, nicht weil er weitergehende Rechte gewährt, aber weil er immerhin – über allgemeine Informationen über das Verfahren und ggf. die Vollstreckung hinaus – die bestehenden Rechte zusammenfasst und den von jenen Verfahren Betroffenen einen Unterrichtungsanspruch eröffnet. Solche Unterrichtungspflichten bleiben aber letztlich wirkungslos, wenn deren Verletzung (auch in puncto Zeitpunkt und Verständlichkeit, s. zu letzterem § 70b Abs. 1 JGG-E) folgenlos bleibt. Zudem sollte aufgenommen werden, dass die Unterrichtung in einer für die Jugendlichen verständlichen (und d.h. ggf. einfachen) Sprache zu erfolgen hat.
      7. U-Haft

      Schon § 114e StPO ist in Hinblick auf die Übermittlungspflicht von Erkenntnissen aus der U-Haft nicht frei von Bedenken (vgl. Schlothauer/Weider/Nobis, Untersuchungshaft, 5. Aufl. 2016 S. 552 f.). Dass das JGG in § 70 Abs. 3 JGG-E noch einen Schritt weitergehen soll, ist abzulehnen: Erkenntnisse, die die "den Freiheitsentzug durchführenden Stellen … auf Grund einer medizinischen Untersuchung erlangt haben, insbesondere solche über die geistige und körperliche Verfassung des Jugendlichen", haben der Schweigepflicht zu unterliegen. Dass jugendliche Gefangene beim Gang zum Anstaltsarzt bedenken müssen, was sie dort preisgeben bzw. welche Konsequenzen dies für ein anhängiges Verfahren haben könnte, ist inakzeptabel, zumal es sie dazu verleiten könnte, lieber gar nicht zum Arzt zu gehen. Im Übrigen müssten jugendliche U-Gefangene aber selbstverständlich nicht nur darüber unterrichtet werden, dass sie einen Anspruch auf medizinische Untersuchung und Unterstützung haben (§ 70a Abs. 2 Nr. 2 JGG-E), sondern auch darüber, dass dabei gewonnene Erkenntnisse ggf. übermittelt werden – andernfalls müsste eine Verwertung zu ihren Lasten ausgeschlossen sein.

      In § 89c Abs. 2 JGG-E soll der altersbezogene Trennungsgrundsatz für die U-Haft verankert werden, dass also Jugendliche ("Kinder") "mit jungen Gefangenen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur untergebracht werden [dürfen], wenn eine gemeinsame Unterbringung ihrem Wohl nicht widerspricht“, und mit Gefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben, nur „wenn dies seinem Wohl dient". In Anbetracht der allg. Föderalisierung des Vollzugsrecht überrascht diese Detailregelung (zumal sie zugleich den Trennungsgrundsatz zwischen männlichen und weiblichen jungen U-Gefangenen vermissen lässt, was einen bedenklichen Umkehrschluss provoziert; s. Ostendorf [Hg.] Untersuchungshaft und Abschiebungshaft, 2012 S. 101, Harrendorf in: König [Hg.] Untersuchungshaft, 2011 S. 43 ff., vgl. auch Schlothauer/Weider/Nobis aaO S. 520 ff.), ist aber selbstverständlich zu begrüßen. Darüber hinaus ist zu erwägen, dass es auch Heranwachsende gibt (vgl. § 105 Abs. 1 JGG), die von über 24-Jährigen getrennt werden sollten.

      Bremen/Berlin, 30.11.2018 Stellungnahme als PDF]]>
      news-594Fri, 04 Jan 2019 16:59:51 +0100StN des RAV zum Referentenentwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FKEG) /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-referentenentwurf-fuer-ein-fachkraefteeinwanderungsgesetz-fkeg-594Stellungnahme vom 6.12.2018 Verfasser: Dr. Frederik v. Harbou, RechtsanwaltVorbemerkung

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) begrüßt grundsätzlich die Reform des Aufenthaltsrechts durch Ausarbeitung eines Einwanderungsgesetzes. Dieses sollte jedoch nicht auf Fachkräfte beschränkt sein, sondern eine Öffnung und Liberalisierung auch für nicht formal qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für Personen, die zu anderen Aufenthaltszwecken als der Arbeits- und Ausbildungsmigration in das Bundesgebiet einzureisen beabsichtigen, vorsehen. Folglich sollte nach Ansicht des RAV auch das bisherige Aufenthaltsgesetz insgesamt in „Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetz“ umbenannt werden. Nur durch einen solchen Schritt würde tatsächlich ein Signal im Sinne eines Anerkennens des Wandels der deutschen Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft sowie eines Bekenntnisses für eine weltoffene und chancengerechte deutsche Migrationspolitik gesetzt.
      Dem müsste allerdings auch im Gesetzestext selbst durch die Berücksichtigung der Grund- und Menschenrechte sowie der Interessen Migrationswilliger  – gegenüber der einseitigen Benennung volkswirtschaftlich-utilitaristischer Ziele aus einer rein nationalstaatlichen Perspektive – entsprochen werden. Zudem wird mit der Reform nach gegenwärtigem Entwurfsstand die Chance verpasst, die im geltenden Migrationsrecht ausgeuferten Ermessenstatbestände einzuhegen. Sowohl MigrantInnen als auch z.B. ArbeitgeberInnen bleiben damit trotz Erfüllung sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel den häufig unvorhersehbaren und nicht selten von sachwidrigen Erwägungen geleiteten Einzelfallentscheidungen der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden ausgesetzt, was verfassungsrechtliche Bedenken begründet und auch zweckwidrig erscheint insofern dies die Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte nicht erhöhen dürfte.

      Programmsätze der Grundnormen für Ausbildungs- und Arbeitsmigration (Art. 1 Nr. 10, Nr. 19 FKEG)

      Die beiden Programmsätze in den Entwurfsfassungen der §§ 16 Abs. 1 und 18 Abs. 1 AufenthG (E) benennen zahlreiche öffentliche Interessen, die insbesondere im Rahmen der Ermessensausübung durch die beteiligten Behörden berücksichtigt werden sollen:
      Vollständig unberücksichtigt bleiben nach dem Entwurf hingegen die Individualinteressen von MigrantInnen. Zwar ist im Bereich der Ausbildungs- und Erwerbsmigration die grund- und menschenrechtliche Bindung der Bundesrepublik schwächer ausgeprägt als z.B. im Bereich des humanitären Aufenthalts oder des Familiennachzugs. Doch wird eine derart einseitige Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Interessen der Bundesrepublik und eine damit implizierte Konzeption von MigrantInnen als „Humankapital“ oder ökonomisch verwertbarer Rohstoff unter Ausblendung ihrer subjektiven Rechte und Interessen dem Anspruch des Grundgesetzes zum Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und Wahrung der – gemäß der Judikatur des Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 132, 134) migrationspolitisch nicht zu relativierenden – Menschenwürde nicht gerecht.

      Mitteilungspflichten bei vorzeitiger Beendigung einer Ausbildung oder Beschäftigung (Art. 1 Nr. 4, Nr. 10, Nr. 56, Nr. 65, Nr. 71)

      Nach dem Entwurf sollen ArbeitgeberInnen und Bildungsträger künftig verpflichtet sein, die Ausländerbehörde innerhalb einer bzw. zwei Wochen zu informieren, wenn die den Aufenthalt begründende Ausbildung oder Beschäftigung vorzeitig beendet wird. Gleichzeitig sollen die entsprechenden Mitteilungspflichten der MigrantInnen selbst ausgeweitet werden. Beide Änderungen sollen eine vorzeitige Beendigung des Aufenthaltsrechts von Ausbildungs- und ArbeitsmigrantInnen ermöglichen.
      Auch diese geplanten Regelungen lassen individuelle Rechte und Interessen von Arbeits- und AusbildungsmigrantInnen außer Acht. Insbesondere ist zu befürchten, dass MigrantInnen an der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber ArbeitgeberInnen gehindert werden, weil ihr Aufenthaltsrecht vorzeitig beendet wird oder sie aufenthaltsrechtliche Maßnahmen befürchten müssen. Darüber hinaus ist eine Instrumentalisierung von ArbeitgeberInnen und Bildungseinrichtungen zu ordnungspolitischen Zwecken mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

      Einführung eines Visums zur Ausbildungsplatzsuche (Art. 1 Nr. 17 FKEG)

      Während die Einfügung einer Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Visums zur Ausbildungsplatzsuche grundsätzlich – als längst überfälliger Reformschritt – zu begrüßen ist, enttäuscht deren Ausgestaltung.
      Die Altersgrenze von 25 Jahren für die Erteilung eines solchen Visums erscheint beliebig gesetzt und entspricht nicht einer Viel- bis Mehrzahl heutiger Erwerbsbiographien. Gerade in den Berufsfeldern, für die durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Deckung der z.T. hohen Auszubildendennachfrage erwartet wird (z.B. Krankenpflege), besteht ein hoher Anteil Ausbildungsinteressierter, die eine Zweitqualifikation anstreben und folglich oft die Altersgrenze nicht mehr wahren können.
      Auch führt die Einführung einer solchen Regelung zur Diskriminierung von Eltern und in besonderem Maße Frauen, deren Eintritt in das Berufsleben sich häufig aufgrund von Schwangerschafts- und Kinderbetreuungszeiten gegenüber (insbesondere kinderlosen) Männern verzögert. Der RAV fordert deshalb hilfsweise (insoweit die Altersgrenze nicht gänzlich aufgehoben wird), die genannte Frist um einen pauschalierten Aufschlag für Eltern zu verlängern und zwar pro Kind von zwei Jahren für Frauen und einem Jahr für Männer.
      Neben der Altersgrenze dürfte auch die Voraussetzung „guter“ Kenntnisse der deutschen Sprache zu einer erheblichen Reduzierung der Attraktivität des neuen Aufenthaltstitels führen. Der RAV gibt zu bedenken, dass sich nur Personen, die aus wohlhabenden Verhältnissen stammen, die Ressourcen für die häufig äußerst kosten- und zeitintensive Vorbereitung auf die Prüfungen zum Beleg entsprechender Deutschkenntnisse leisten können werden. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung beim Zugang zu diesen Aufenthaltstiteln gerade von Personen, für die eine Ausbildung in Deutschland eine besondere Chance zur Verbesserung ihrer prekären ökonomischen Verhältnisse darstellen könnte.
      Schließlich erscheint auch die Dauer der Befristung des Titels auf sechs Monate im Vergleich zu demjenigen zur Studienplatzsuche (neun Monate gem. § 16 Abs. 7 AufenthG) nicht nachvollziehbar und für eine erfolgreiche Ausbildungsplatzsuche häufig als unrealistisch kurz angesetzt. Dies gilt zumal von Seiten des BMI verlautete, dass der Fachkräftemangel aktuell im Bereich der Ausbildungsberufe stärker ausgeprägt sei als bei akademischen Berufen.

      Neuregelung des Aufenthaltstitels zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte (Art. 1 Nr. 31 FKEG)

      Auch wenn die Einführung eines Aufenthaltstitels zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte aus Ausbildungsberufen (§ 20 Abs. 1 AufenthG (E)) zu begrüßen ist, erscheint die Forderung des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse – regelmäßig auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (vgl. S. 102 des Entwurfs) – als für das Arbeitsmigrationsrecht systemwidrig und zudem als sachwidrige Schlechterstellung dieser Personengruppe gegenüber Fachkräften mit akademischem Abschluss, die zur Arbeitsplatzsuche einreisen (§ 20 Abs. 2 AufenthG (E)). Problematisch erscheint zudem die Beschränkung der Nebenerwerbstätigkeit (als Probearbeit) während der Arbeitsplatzsuche auf nur 10 Stunden pro Woche (§ 20 Abs. 1 S. 4 AufenthG (E)), da dies dazu führt, dass die Lebensunterhaltssicherung in diesem Zeitraum unnötig erschwert wird.

      Wegfall der Vorrangprüfung bei der Beschäftigung von Fachkräften (Art. 1 Nr. 46 FKEG)

      Der im Entwurf nach § 39 AufenthG (E) vorgesehene Wegfall der Vorrangprüfung für Fachkräfte ist zwar zu begrüßen, jedoch geht er nicht weit genug. Es fragt sich, warum das Institut, das ausländische ArbeitnehmerInnen gegenüber inländischen bei der Aufnahme einer Beschäftigung diskriminiert und integrationshemmend wirkt, nur für Fachkräfte abgeschafft wurde. Die wenigen verbliebenen Anwendungsbereiche der Vorrangprüfung (nachdem diese auch bereits für die meisten Asylsuchenden nach der geltenden Fassung der BeschV ausgesetzt wurde), rechtfertigen kein Festhalten an diesem Institut. Der RAV spricht sich folglich für eine Abschaffung der Vorrangprüfung und damit eine Gleichbehandlung in- und ausländischer ArbeitnehmerInnen aus.

      Einführung eines staatlichen Bildungsverbots (Art. 1 Nr. 55 FKEG)

      Äußerst kritisch zu beurteilen ist die weitere Ausgrenzung von bestimmten Personengruppen – insbesondere solchen aus sog. sicheren Herkunftsstaaten. Mit der Einführung eines generellen Verbots auch der Absolvierung von schulischen Ausbildungen (§ 60a Abs. 6 S. 1 AufenthG (E)) soll gesetzgeberisches Neuland betreten und ohne erkennbaren Grund – und gegen die mit dem Gesetz verfolgten Interessen der Bundesrepublik – der Besuch von Berufsschulen staatlich untersagt werden.

      Änderung der Regelung über die Erteilung einer Ausbildungsduldung (Art. 1 Nr. 56 FKEG)

      Der RAV bedauert, dass mit der Reform nach gegenwärtigem Entwurfsstand die Chance verpasst wird, die im geltenden Migrationsrecht spärlich vorhandenen Möglichkeiten zu einem „Spurwechsel“ aus einem gescheiterten Asylverfahren in einen geregelten Aufenthalt substantiell zu erweitern. Hierzu wäre zuvörderst die systemwidrige Zuordnung der Legalisierung eines Aufenthalts über den Weg einer Ausbildung zum Duldungsregime („Ausbildungsduldung“) aufzuheben und in solchen Fällen vielmehr ein (befristeter und ggf. auflösend bedingter) Aufenthaltstitel zu erteilen. Eine rechtliche Zuordnung zum Duldungsregime bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Nutzbarmachung der Arbeitskraft von MigrantInnen im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses erscheint als Ausnutzung der juridisch und häufig auch ökonomisch prekären Lage Geflüchteter. Zu bedauern und angesichts des beklagten Fachkräftemangels kaum nachzuvollziehen ist zudem, dass kein Pendant zur (betrieblichen) Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung für den Fall des Studiums oder der rein schulischen Ausbildung geschaffen wurde.
      Trotz punktueller Klarstellungen und Verbesserungen (insbesondere die Ausweitung auf Helferausbildungen gem. § 60 b Abs. 1 Nr. 1 b) AufenthG (E)), bleibt der Entwurf zur Neuregelung der Ausbildungsduldung weit hinter den Erwartungen des RAV zurück und beinhaltet sogar substantielle Verschlechterungen. Während nach aktueller Rechtslage bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Ausbildungsduldung besteht, soll nach dem Entwurf die Erteilung in Ausnahmefällen verweigert werden können (§ 60 b Abs. 1 S. 2 AufenthG (E)), was den Ausländerbehörden neue Spielräume eröffnet und damit dem Ziel der bundesweiten Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis in diesem Bereich zuwider läuft. Es wird mit dem Erfordernis einer Aufnahme der Ausbildung bereits während des Asylverfahrens bzw. des Erfordernisses einer vorangegangenen Duldung (aus anderem Grund als der Ausbildung) nach § 60a AufenthG zudem eine deutliche Reduzierung des Personenkreises vorgenommen, der für die Erteilung einer Ausbildungsduldung infrage kommt (§ 60 b Abs. 1 S. 1 AufenthG (E)) – dies zumal im Zusammenspiel mit den neu eingeführten Normen zur Identitätsklärung. Denn die Identitätsklärung wird – anders als nach geltender Rechtslage – zur zwingenden Voraussetzung für die Erteilung einer Ausbildungsduldung gemacht (§ 60 b Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (E)). Für die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes muss nach dem Entwurf spätestens sechs Monate nach der Einreise in das Bundesgebiet die Identität geklärt worden sein, damit eine Person eine Ausbildungsduldung erhalten kann. Da diese Norm unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Betroffenen gelten soll, setzt sie sehr starke Anreize für Asylsuchende, noch während eines laufenden Asylverfahrens, insbesondere angesichts dessen ungewissen Ausgangs, zur Beschaffung von Dokumenten Kontakt zur heimischen Botschaft – auch bei tatsächlicher erheblicher Aussetzung einer Verfolgungsgefahr – aufzunehmen, was wiederum mit völker- und europarechtlichen Vorgaben unvereinbar ist.
      Problematisch erscheint auch die extensive Konkretisierung des bereits aus der bisherigen Regelung der Ausbildungsduldung bekannten Begriffs des Vorliegens „konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ als Ausschlusstatbestand für die Erteilung einer Ausbildungsduldung (§ 60 b Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (E)). Nach § 60 b Abs. 2 Nr. 3 d) AufenthG (E) soll hierfür sogar ausreichen, wenn „vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen“. Hiermit wird entgegen der deklarierten Intention des Ministeriums keine Rechtssicherheit und -klarheit geschaffen, sondern den Ausländerbehörden ein nahezu beliebig weiter Spielraum zur Verhinderung der Erteilung einer Ausbildungsduldung im Einzelfall eingeräumt (verdeckter faktischer weiter Ermessensspielraum).
      Die Ausgestaltung der Norm zur Ausbildungsduldung als Anspruchsnorm erscheint nach alledem als irreführend.

      Einführung einer Beschäftigungsduldung (Art. 1 Nr. 56 FKEG)

      Obgleich die Einführung einer Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG (E)) im Grundsatz zu begrüßen ist, erscheint die im Entwurf vorgesehene Ausgestaltung dieses Instituts durch überzogene Voraussetzungen an den Realitäten vorbeizugehen, womit die Neuregelung weitgehend leerzulaufen droht. So werden Betroffene kaum sogleich seit mindestens 18 Monaten eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden pro Woche ausüben (§ 60c Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (E)), eine ausreichende Lebensunterhaltssicherung nicht nur für die Gegenwart, sondern auch die vergangenen 12 Monate (§ 60c Abs. 1 Nr. 2-3 AufenthG (E)) und kumulativ noch ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 60c Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (E)) nachweisen können. Die Regelung ist damit allenfalls geeignet, den Anschein der Eröffnung einer Möglichkeit zu einem „Spurwechsel“ zu schaffen.

      Beschleunigtes Fachkräfteverfahren und Zentralisierung der Ausländerbehörden (Art. 1 Nr. 58 a, Nr. 64 FKEG)

      Die Bündelung von Fachkompetenzen ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Denn in der Tat sind Entscheidungen in der bisherigen Verwaltungspraxis – wie es im aktuellen Referentenentwurf treffend heißt – häufig „intransparent und willkürlich“ (S. 115). Es steht aber durch die Einführung gesonderter Verfahren und Institutionen für migrationswillige Fachkräfte im Gegensatz zu sonstigen MigrantInnen die Etablierung eines Zwei-Klassen-Aufenthaltsrechts zu befürchten. Zügige Verfahren und gebündelte Fachkompetenzen sollten nicht nur Fachkräften, sondern allen MigrantInnen zugute kommen. Es ist nicht einsichtig, warum der Fachkräftezuzug gegenüber humanitären Aufenthalten oder solchen zum Zweck des Familiennachzugs priorisiert werden sollten. Insofern diese Priorisierung auf sozio-ökonomischen Nützlichkeitserwägungen basiert, gibt der RAV zu bedenken, dass auch der kompetente und zügige Abschluss anderer aufenthaltsrechtlicher Verfahren sowohl im individuellen als auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegt. So ist etwa mit nachhaltigen Integrationsbemühungen von Seiten Geflüchteter häufig erst mit Klärung des sie selbst und ggf. auch ihre Familienangehörigen betreffenden Aufenthaltsstatus zu rechnen. Durch die genannte Priorisierung bei weiterhin knappen personellen Ressourcen der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden steht demgegenüber zu befürchten, dass das Problem ohnehin schon überlanger Verfahrensdauern insbesondere im Rahmen des Familiennachzugs weiterhin verschärft wird.

      Beschäftigungserlaubnis für Fachkräfte ohne formale Berufsqualifikation (Art. 35 Nr. 6 FKEG)

      Die im Entwurf vorgesehene neue Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für Personen mit nicht-formaler Berufsqualifikation ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erscheint die zunächst vorgenommene Begrenzung auf IT-Fachkräfte als zu eng und es ist nicht nachvollziehbar, wieso für diese Gruppe zudem „ausreichende deutsche Sprachkenntnisse“ verlangt werden sollen (§ 6 Abs. 1 Beschäftigungsverordnung (E)). Der RAV bedauert zudem, dass von der nach § 6 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung (E) neu einzuführenden Möglichkeit der Ausweisung weiterer Berufsgruppen jenseits der Informations- und Kommunikationstechnologie nach Verlautbarung des BMI zunächst kein Gebrauch gemacht werden soll.

      Reform der Regelungen über das Erlöschen von Aufenthaltstiteln (bislang nicht im FKEG vorgesehen)

      Einer von vielen weiteren problematischen Aspekten des aktuellen deutschen Migrationsrechts, der im vorliegenden Entwurf nicht berücksichtigt wurde, ist das strenge Regime über das Erlöschen von Aufenthaltstiteln (§ 51 AufenthG). Dieses macht Deutschland in Zeiten zirkulärer Migration als Aufenthalts- und Einwanderungsland unattraktiv und wäre dringend in Richtung einer großzügigeren Handhabung zu reformieren. Stellungnahme als PDF]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-593Tue, 18 Dec 2018 11:41:00 +0100Solidarität mit Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız<br />RAV fordert umfassende Aufklärung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaet-mit-rechtsanwaeltin-seda-basay-yildiz-br-rav-fordert-umfassende-aufklaerung-593Pressemitteilung Nr. 7 vom 18. Dezember 2018Unsere RAV-Kollegin, Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, ist aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit immer wieder Ziel schwerwiegender und rassistisch aufgeladener Anfeindungen. Diese Angriffe mündeten im August dieses Jahres in widerlichen Morddrohungen gegenüber ihrer Tochter und haben damit eine neue Dimension erreicht. Frau Başay-Yıldız ist eine engagierte Rechtsanwältin, die sich vorbehaltlos für die Interessen und Rechte ihrer Mandantschaft einsetzt – und damit die Kernaufgabe der Anwaltschaft im Rechtsstaat erfüllt. Die Angriffe richten sich gegen diese Arbeit.

      Wir Anwältinnen und Anwälte im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein erklären uns solidarisch mit unserer Kollegin. Zum wiederholten Mal wird eine Rechtsanwältin im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung Ziel von Hassmails, Anfeindungen und Verleumdungen. Wir nehmen diese konkreten Bedrohungen und Diffamierungen als Ausdruck einer politischen Entwicklung wahr, in der völkisch-aggressives und antidemokratisches Gedankengut wieder hoffähig wird. Beispielhaft sei an dieser Stelle erinnert an die Äußerungen von Alexander Dobrindt zur angeblichen »Anti-Abschiebe-Industrie« der Anwaltschaft.(1)

      In diese gesellschaftliche Entwicklung passt es auch, dass gerade die Kolleginnen und Kollegen, deren Namen keinen ›deutschen‹ Klang haben, zum Objekt besonders heftiger Anfeindungen gemacht werden. »Wir begreifen dies nicht nur als Angriff auf die Anwaltschaft, sondern als Angriff auf die humanistischen, demokratischen Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens«, erklärt Rechtsanwalt Dr. Stolle, Vorsitzender des RAV.

      Als besonders alarmierend werden von uns die Hinweise empfunden, dass in diesem Fall das Drohschreiben unmittelbar aus den Reihen der Polizei gekommen sein könnte. Das Unterzeichnen dieses Drohbriefes mit ›NSU 2.0‹ ist als besonders perfider Versuch einer Einschüchterung zu werten.

      In erschreckender Regelmäßigkeit wird über konkrete Zusammenhänge zwischen Polizei, Sicherheitsbehörden, Militär und rechtsradikalen Strukturen berichtet. Trotzdem werden diese Fälle weiterhin als Einzelfälle und nicht als Teile eines strukturellen Problems behandelt. Dies jedoch wäre notwendig. Denn wenn die Polizei als Teil der exekutiven Gewalt ihre Machtbefugnisse missbraucht und sich als anfällig für nationalsozialistisches und rassistisches Gedankengut erweist, besteht akuter Handlungsbedarf, um die konkreten Gefahren für die Betroffenen abzuwehren.

      Die bisherigen Reaktionen der Ermittlungsbehörden lassen nicht erkennen, dass überhaupt ein Bewusstsein für diese besondere Gefährdungslage besteht. So ist unsere Kollegin nicht etwa von der Polizei über die Ermittlungsergebnisse informiert worden, sondern musste aus der Presse erfahren, dass die Gefährdung möglicherweise unmittelbar von der Frankfurter Polizei selbst ausgeht.

      Als RAV haben wir vielfach auf die besonderen Probleme hingewiesen, die sich ergeben, wenn Polizeikräfte gegen ihre eigenen Kolleg*innen ermitteln. Corpsgeist, Schutzreflexe und eine unzureichende Fehlerkultur innerhalb des Polizeiapparates verhindern regelmäßig eine sachgerechte Aufklärung. Insofern erinnern wir an unsere Forderung, dass zur effektiven Kontrolle und Aufklärung polizeilichen Handelns unabhängige Untersuchungskommissionen einzusetzen sind.(2)

      Es ist in diesem Fall daher unabdingbar, dass die Ermittlungen von einer anderen Polizeibehörde als der Frankfurter Polizei geführt werden.

      Darüber hinaus fordern wir, die Verbreitung und die Ursachen von demokratiefeindlichen Tendenzen und Einstellungen bei den Sicherheitsbehörden wissenschaftlich zu untersuchen, um konkrete Gegenstrategien entwickeln zu können.

      (1) https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/frontal-angriff-auf-den-rechtsstaatbr-alexander-dobrindt-csu-gegen-das-grundrecht-auf-rechtsschutz-563/

      (2) https://www.rav.de/projekte/polizeikontrolle/

      Pressemitteilung als PDF

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      Grundrechte
      news-578Wed, 07 Nov 2018 11:21:00 +0100StN des RAV zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-entwurf-eines-dritten-gesetzes-zur-aenderung-des-asylgesetzes-578Stellungnahme vom 1.11.18
      1.
      Die vorliegende Stellungnahme befasst sich mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes (BT-Drs. 19/4456), welches die Neuregelung des § 73 AsylG und hier insbesondere die Einführung von Mitwirkungspflichten und Sanktionsmechanismen vorsieht.

      Aktuelle Rechtslage

      Die gegenwärtige Rechtslage sieht vor, dass eine fehlerhafte Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter bestimmten Umständen, insbesondere erwähnt das Gesetz hier unrichtige Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen,  zurückgenommen werden kann (§ 73 Abs. 2 AsylG). Ein Widerruf kann erfolgen, wenn eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland erfolgt ist (§ 73 Abs. 1 AsylG).

      Spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag hat die zuständige Behörde nach § 73 Abs. 2a AsylG zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorliegen.

      Entsprechende Regelungen existieren für die Rücknahme und den Widerruf des subsidiären
      Schutzes (§ 73b AsylG) bzw. der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 73c AsylG).

      Mitwirkungspflichten im laufenden Asylverfahren sind in § 15 AsylG umfassend geregelt, § 15a AsylG regelt die Auswertung von Datenträgern und § 16 AsylG die Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität.

      Einigkeit besteht, dass diese Mitwirkungspflicht jedenfalls mit Beginn des Asylverfahrens besteht. Eine gesetzliche Regelung, wann diese Mitwirkungspflicht endet, ob sie etwas mit Ende des Asylverfahrens endet, ist zwar nicht normiert worden. Die Formulierung im Tatbestand des § 16 Abs. 1 S.1 AsylG („Die Identität eines Ausländers, der um Asyl nachsucht…“) sowie Sinn und Zweck der Norm sprechen eher dafür, dass eine Rechtsgrundlage für Personen im laufenden Asylverfahren geschaffen werden sollte. Der Zweck der Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG, die Identität des Asylsuchenden für das Asylverfahren, insbesondere für die Asylanerkennung oder Ablehnung bzw. für aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu sichern und Mehrfachanträge unter jeweils anderen Personenangaben, die Wiedereinreise nach Ablehnung und das Verschweigen eines bereits früheren gestellten Asylantrages, aufzudecken.(1)

      Die im Asylgesetz geregelten Mitwirkungspflichten gelten somit nicht für anerkannte Schutzberechtigte. Für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen setzt der Tatbestand des § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG voraus, dass es sich um einen Ausländer handelt, der um Asyl nachsucht.(2)

      Der Gesetzgeber müsste hier tätig werden, sollte § 16 AsylG auch als Rechtsgrundlage für identitätsfeststellende Maßnahmen für anerkannte Schutzberechtigte dienen und hätte dies dann auf die – ganz wenigen – Fälle zu beschränken, in denen im ursprünglichen Asylverfahren tatsächlich keinerlei Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität erfolgt ist.

      Darüber hinausgehende Mitwirkungspflichten – wie sie der aktuelle Gesetzesentwurf vorsieht - sind nach Anerkennung bzw. Zuerkennung eines Schutzstatus dieser Systematik grundsätzlich fremd.

      Das Unionsrecht sieht Mitwirkungspflichten z.B. in Art. 4 Abs. 1 der QualifikationsRL vor, allerdings in äußerst engen Grenzen.

      Soweit es um die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des Schutzstatus im Unionsrecht geht, ist dies in Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 der QualifikationsRL geregelt. Auch hier ist bereits normiert, dass im Falle einer falschen Darstellung oder des Verschweigens eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen kann (Art. 19 abs. 3 (b) QualifikationsRL. Das Unionsrecht sieht dabei eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten, die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen haben.

      Art. 44 der AsylverfahrensRL sieht – ohne zwischen Rücknahme und Widerruf zu differenzieren – eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei neuen Erkenntnissen vor. Die anlasslose automatisierte und verpflichtende Regelprüfung im deutschen Recht ist dem Europarecht fremd.
      2.
      Asylverfahrenspraxis in den Jahren 2015/2016

      Die schriftlichen Asylverfahren – mit Verzicht auf eine mündliche Anhörung - wurden für Staatsangehörige aus Syrien, Eritrea und religiöse Minderheiten aus dem Irak durchgeführt. Mithin ausschließlich für Schutzsuchende aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von weit über 90 %.

      Das schriftliche Anerkennungsverfahren lief ca. von Ende 2014 bis ca. Ende 2016. Anfang 2016 gab es einen Stichtag, danach wurden aber noch Verfahren als schriftliche abgearbeitet, 2015 und 2016 gab es rund 300.000 schriftliche Anhörungen an Hand von Fragebögen. In wie vielen dieser Fälle dann auch eine Entscheidung ohne mündliche Anhörung stattgefunden hat, ist der Verfasserin nicht bekannt.

      Auch zu Zeiten der schriftlichen Verfahren gab es jederzeit die Möglichkeit des Übergangs vom schriftlichen Verfahren zu mündlichen Anhörungen, wenn etwa Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit bestanden. Von dieser Möglichkeit wurde auch regelmäßig Gebrauch gemacht, ca. in einem Viertel der Fälle. Dies bedeutet, schriftliche Asylverfahren wurden in aller Regel nur dann durchgeführt, wenn etwa im Falle von Syrern Personenstandsurkunden, Führerscheine Militärbücher, mithin also eindeutige Angaben zur Identität, vorlagen.

      Widerrufspraxis bisher

      Überprüfungen haben in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen zu Widerrufen geführt. In den Rücknahme-und Widerrufsverfahren, die im ersten Halbjahr 2018 eingeleitet und entschieden wurden, hatte der überprüfte Schutzstatus vielmehr in 99,3% der Fälle Bestand.3 Auch bei der nachträglichen Überprüfung von Identitätsdokumenten Schutzberechtigter wurden nur 0,5% der eingesandten Dokumente als Fälschung identifiziert.

      Aktuelle Praxis erkennungsdienstlicher Behandlungen für Sachverhalte vor dem 1.1.2015 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

      Nach aktuellen Informationen der Unterzeichnenden vom 1.11.2018 sei es gegenwärtige Weisungslage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass sämtliche erkennungsdienstlichen Behandlungen, die vor dem Stichtag 01.01.2015 stattgefunden haben, wiederholt werden müssten. Eine Rechtsgrundlage bestehe, könne aber auch Nachfrage nicht benannt werden.

      3.
      Vorgeschlagene Rechtsänderung

      Nach § 73 Absatz 3a Satz 2 AsylG– neu erstrecken sich die Mitwirkungspflichten auf die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 15 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nummer 1, 4, 5 und  7 und Absatz 3 AsylG. Nach § 73 Absatz 3a Satz 4 AsylG-neu kann die Mitwirkung per Verwaltungszwang durchgesetzt werden und nach § 73 Absatz 3a Satz 6 AsylG-neu kann eine Nicht-Mitwirkung gewertet werden.

      3.1.
      Europarechtliche Vorgaben

      Entscheidend für die Bewertung dieser Norm ist der vorrangige europäische Rechtsrahmen.

      Wie eingangs ausgeführt, findet sich die entscheidende europarechtliche Regelung für die hier interessierenden Rechtsfragen in Art. 14 und 19 der QualifikationsRL. Für die vorliegend interessierende Konstellation des Widerrufs und der Rücknahme ist Art. 11 Abs. 1 e) und Art. 19 Abs.3 b) und Abs.4 der QualifikationsRL zu beachten.

      Voraussetzung eines Widerrufs nach 11 Abs. 1 e) QualifikationsRL ist ein Wegfall der Umstände, aufgrund deren eine Person einen Schutzstatus erhalten hat, wobei der Nachweis hierzu von den Mitgliedstaaten zu führen ist gemäß 11 Abs. 2 QualifikationsRL.

      Die Aberkennung eines Schutzstatus kann nach Unionsrecht außerdem erfolgen, wenn für die Zuerkennung des Schutzstatus eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente ausschlaggebend war.

      Art. 19 Absatz 4 der QualifikationsRL stellt fest, dass ein entsprechender Nachweis durch die Mitgliedstaaten zu führen ist.  
      Festzuhalten ist somit, dass sowohl für die Konstellation des Widerrufs als auch für die Konstellation der Rücknahme das Unionsrecht die Beweislast auf Seiten der Mitgliedstaaten verortet. Eine Beweislastumkehr wie sie faktisch der Neuregelung des § 73 AsylG zu entnehmen ist, ist nicht europarechtskonform.

      Festzuhalten ist weiter, dass ein Widerruf bzw. eine Rücknahme im Rahmen einer Wertung als faktische Sanktion nicht erfolgter Mitwirkung europarechtswidrig ist.

      3.2.
      Zu erwartende Probleme bei der praktischen Anwendung der Norm:

      § 73 Abs. 3a AsylG-neu normiert zum einen eine Mitwirkungspflicht bei der Aushändigung von Unterlagen und die Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

      Liegen Unterlagen aber nicht vor, können sie auch nicht vorgelegt werden.

      Liegen sie vor, werden aber nicht vorgelegt werden, liegen dennoch nicht die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme vor, denn es ist weder eine Änderung der Sachlage eingetreten noch lag eine Täuschung vor.  Entsprechendes gilt für die Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

      Nicht vorgelegte Unterlagen bzw. die Nicht-Duldung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme können also in keiner denkbaren Konstellation praktisch zu einem Widerruf führen. Eine Wertung zu Lasten des Betroffenen nach § 73 Absatz 3a Satz 6 AsylG-neu, dass auf Grund Nicht-Vorlage oder Nicht-Duldung die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme vorliegen, verstieße gegen Europarecht.

      Praxisrelevant dürfte vor allem aber der Verweis auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylG sein, wonach „erforderliche Angaben“ schriftlich oder mündlich zu erfolgen haben.

      Dies bedeutet faktisch, dass nach bereits erfolgter Zuerkennung eine Anhörung zu den Asylgründen erfolgen kann.

      Sollte der Betroffene zu dieser Anhörung nicht erscheinen oder keine ergänzenden Angaben machen, führt dies nicht zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme. Es liegt nämlich weder ein veränderter Sachverhalt im Vergleich zur ersten Entscheidung vor, noch kam es zu einer Täuschungshandlung oder ähnlichem.

      Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsste dem Betroffenen aber nachgewiesen werden. Die Einführung von Mitwirkungspflichten nach Anerkennung und diese flankierenden Sanktionsmechanismen sollen aber dazu führen, dass durch den Betroffenen selbst Anhaltspunkte für einen möglichen Widerruf oder eine Rücknahme beigebracht werden sollen. „Eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen kann hierbei für das BAMF (…) zusätzliche Erkenntnisse begründen.“(4)

      Dies liefe wie bereits auf eine Beweislastumkehr hinaus und ist daher nicht europarechtskonform.

      Der Normtext ist nicht hinreichend klar und verbindlich und auch vor diesem Hintergrund nicht mit den europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.

      In § 73 Abs. 3 Satz 6 AsylG heißt es: „Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.“

      Es ist vollkommen unklar, welcher Regelungsgehalt dieser Aussage zukommen soll.

      Die gesetzliche Neuregelung verhält sich schließlich auch nicht in ausreichendem Maß zu den erforderlichen Verfahrensgarantien.

      Art. 45 Asylverfahrens-Rl enthält weitgehende Verfahrensgarantien, die im Falle eines Widerrufs oder einer Rücknahme zu beachten sind. So hat eine genaue Aufklärung über die Gründe der Überprüfung sowie ausführliche schriftliche Information der Betroffenen zu erfolgen.

      3.3.
      Angesichts der vorstehenden Ausführungen zur Europarechtswidrigkeit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung, wird nur ergänzend darauf hingewiesen, dass der vorliegende Gesetzesentwurf weder erforderlich, geeignet noch angemessen ist.

      Ziel des vorliegenden Gesetzesentwurfs solle die „Befriedung“ der gesellschaftlichen Debatte sein.

      Die Gesetzesbegründung bezieht sich auf die Zunahme von geäußerten Schutzbegehren in den Jahren 2015 und 2016, mithin einer historischen Sondersituation. Die Begründung legt dar, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfahrensbeschleunigung im Wege der schriftlichen Antragsprüfung entschieden und auf die persönlichen Anhörungen nach § 25 AsylG verzichtet habe. Laut Gesetz habe dieses Verfahren zu einer nicht ausreichenden Prüfung in Hinblick auf die Angaben zu Identität, Staatsangehörigkeit und Fluchtgeschehen geführt. Nur – so insinuiert die Gesetzesbegründung - die vorgeschlagene Gesetzesänderung zu den Widerrufs- und Rücknahmeverfahren könne hier „(…) durch behördliches Handeln entstandene Fehler (…) korrigieren.“

      Der vorliegende Gesetzesentwurf führt daher ein Verfahren ein, in dem ohne Vorliegen objektiver Anhaltspunkte (Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland, Hinweise für eine Täuschungshandlung) ein Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingeleitet und der Erkenntnisgewinn ausschließlich auf Angaben der Betroffenen beruhen soll. Diese sollen mit Hilfe der Einführung von Mitwirkungspflichten nach Anerkennung und diese flankierenden Sanktionsmechanismen erfolgen soll.  „Eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen kann hierbei für das BAMF (…) zusätzliche Erkenntnisse begründen.“(5)

      Unter Bezugnahme auf das zuvor zitierte Zahlenmaterial ist ein umfassender und weitreichender Handlungsbedarf, wie ihn die Gesetzesbegründung annimmt, nicht erkennbar. Hinzukommt, dass bei einem Großteil der Betroffenen – dies gilt etwa für Syrer, die Verfahren zur Familienzusammenführung betreiben – aus anderen Gründen im weiteren Verlauf die Notwendigkeit besteht, Kontakt zu den Herkunftsbehörden aufzunehmen und Dokumente vorzulegen. In keinem dieser Fälle gab es Anzeichen für Identitätstäuschungen.

      Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist auch nicht geeignet. Sie stellt eine Systemänderung dar, die zwar kaum faktische Auswirkungen haben wird, aber einen enormen Verwaltungsaufwand und massive Belastungen für die Betroffenen nach sich ziehen wird.

      Selbst wenn Umstände identifiziert werden sollten, die die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme begründen könnten, muss zunächst geprüft werden, ob diese Umstände auch kausal für die positive Verwaltungsentscheidung waren. Nur dann lägen die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme vor und es käme zu einer solchen. Denn nach altem wie neuem Recht müssen die unrichtige oder die Nichtangabe wesentlicher Tatsachen für die anerkennende Entscheidung ursächlich gewesen sein.

      Der Gesetzgeber sieht zur Umsetzung der Norm Verwaltungszwang und Entscheidung nach Aktenlage vor und greift damit empfindlich in die Rechtspositionen der Betroffenen ein.

      Die Einleitung der Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren bedeutet nicht einfach nur, dass die Betroffenen einen „Brief“ erhalten, sondern ist mit erheblichem Stress und massiver Sorge für die Betroffenen verbunden. Erfahrungen in den Widerrufsverfahren zeigen, welche Ängste diese bei den Betroffenen auslösen. Für diese stellt es sich nämlich so dar, dass ihr Aufenthalt, ihre Berechtigung als solche in Frage gestellt wird. Für Personen mit Fluchterfahrung, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als besonders schutzbedürftig angesehen werden, entsteht eine Perspektive der Unsicherheit und Angst. Viele Betroffene befinden sich noch lange nach Zuerkennung des Schutzstatus in Heilungsverfahren und therapeutischen Behandlungen. Diese stehen einer Konfrontation mit Vergangenem entgegen, diese stellt sich als kontraindiziert und gesundheitsschädlich dar. Hinzukommen weiter auch ganz praktische Fragen wie Verdienstausfall, Urlaubsregelungen etc.

      Die negativen Konsequenzen beziehen sich auch auf die Kinder der Betroffenen und können letztlich auch deren Wohl beeinträchtigen, weil die gesamte Familie in einen permanenten Stress versetzt wird.

      Die Verfahren aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass den Betroffenen die Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde gar nicht klar und auch nicht zu vermitteln ist. Dies beschädigt maßgeblich die gesellschaftliche Partizipation, denn die Betroffenen
      werden auf ihre Vergangenheit zurückgeworfen, anstatt ihre Energien und Ressourcen nach vorne zu richten. Die Rechtssicherheit ist damit empfindlich getroffen.

      Sämtliche der aufgezeigten Konsequenzen sind vor dem Hintergrund eines Verfahrens, das keinen erheblichen Erkenntnisgewinn nach sich ziehen wird, sind gänzlich unangemessen.
      Die Gesetzesregelung wird auch das Bundesamt mit einer erheblichen Arbeitsbelastung versehen, ohne dass dies einen erkennbaren Mehrgewinn hätte. Hinzukommen werden unzählige gerichtliche Verfahren, wenn es denn tatsächlich zu Maßnahmen im Rahmen des Verwaltungszwangs oder der Rücknahme bzw. des Widerrufs kommen sollte.

      4.
      Bewertung

      Der Gesetzesentwurf liefert eine spezifische Interpretation und Erzählung zu der Entwicklung der Zugangszahlen im Bereich Asyl in den Jahren 2015 und 2016. Danach habe es 2015 und 2016 eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung und darauf basierende Fehlentscheidungen in nicht unerheblicher Anzahl gegeben. Diese zwei Grundthesen halten einer Überprüfung in tatsächlicher Hinsicht nicht Stand. Die Neuregelung wird in Hinblick auf die Anzahl tatsächlicher rechtskräftiger Widerrufe und Rücknahmen kaum eine Auswirkung haben. Folge der Neuregelung werden unzählige Verfahrensschleifen und Stress für die Betroffenen sein. Im laufenden Prüfungsverfahren verlängert die Ausländerbehörde Aufenthaltstitel nur für ein Jahr, teilweise werden sogar Fiktionsbescheinigungen erteilt. Diese kurzfristigen Aufenthaltstitel erschweren und behindern maßgeblich die Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnungssuche.

      Die Neuregelung wird in Hinblick auf das proklamierte Ziel ohne maßgebliches Ergebnis bleiben. Im Gegenteil verhindert der Gesetzesentwurf eine Versachlichung der Debatte indem Probleme der Jahre 2015 und 2016 in der Praxis des Bundesamtes für Migration, die es tatsächlich gegeben hat und die es leider bis heute massiv gibt, einseitig als Folge des Fehlverhaltens der damals Schutzsuchenden und heute anerkannten Flüchtlinge bzw. international Schutzberechtigten darstellt werden.

      Das Asylrecht und der Flüchtlingsschutz sind wie das Bundesverfassungsgericht betont in besonderer Weise verfahrensabhängige Rechte. Kategorien der „Großzügigkeit“ und Formulierungen wie „Gastland“, die in der Diskussion um den aktuellen Gesetzesentwurf in der Lesung im Parlament auftauchen, verstellen den Blick auf das Wesentliche.

      Vorliegend geht es um Rechtspositionen der Betroffenen, die nicht zum Gegenstand eines behördlichen Verfahrens gemacht werden dürfen, das auf einer gesetzlichen Regelung beruht, welche maßgeblich auf einer ideologisch geprägten Interpretation der Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 basiert und damit einer willkürlichen Verfahrensgestaltung sehr nahe kommt.

      5.
      Empfehlung

      Der vorgeschlagenen Gesetzesänderung ist nicht zu entsprechen.

      Auch die im Zuge des Gesetzgebungsverfahren eingebrachten weiteren Verschärfungen etwa des Bundesrates zur rückwirkenden erkennungsdienstlichen Erfassung von nach Inkrafttreten des Gesetzes über 14 Jährigen oder wie vom Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorgeschlagen, die  Prüfung der Einleitung eines Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahrens nach fünf statt drei Jahren sind aus den vorstehend genannten Gründen strikt zurückzuweisen.

      Berenice Böhlo
      Berlin, den 1. November 2018

      Fußnoten
      (1) AsylG, Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, § 16 Rd. Nr. 8
      (2) VG Halle, Beschluss vom 13.02.2018 - 7 B 64/18 HAL
      (3) BT-Drs. BT-Drs. 19/3839.
      (4) BT-Drs. 19/4456, S.1.
      (5) BT-Drs. 19/4456, S.1. StN als PDF]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-577Wed, 07 Nov 2018 10:44:00 +0100Einladung zum Berliner Regionaltreffen 5/2018/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-regionaltreffen-5-2018-5778. November 2018 | 19.00 Uhr Thema: Der dritte GeschlechtseintragBis zum 31.12.2018 soll die Legislative Zeit haben, einen positiven dritten Geschlechtseintrag einzurichten oder den staatlich erfassten Geschlechtseintrag komplett abzuschaffen.
      Die mit dem Beschluss einhergehende Hoffnung war groß. Inter*- und Trans*verbände forderten vielfach ein umfassendes Mantelgesetz zum Schutz geschlechtlicher Vielfalt. Mit der Aktion Standesamt wird auf die Notwendigkeit eines selbstbestimmten Eintrages für alle Menschen verwiesen.
      Der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetzesentwurf bleibt derweil weit hinter den Erwartungen zurück. Den Dritten Geschlechtseintrag bekommt nur, wer medizinisch nachgewiesen „intersexuell“ ist. Geschlechtsidentität ist nicht umfasst. Betrifft die gesetzliche Neuerung also nur intergeschlechtliche Menschen? Was sind juristische Konsequenzen? Franziska Brachthäuser hat länger zu dem Thema gearbeitet und war zuletzt für ihre Verwaltungsstation im BMFSFJ, Referat 215 für "Geschlechtliche Vielfalt, Gleichgeschlechtliche Lebensweisen" tätig. Sie wird uns einen Einblick in die Debatte geben und steht uns für Fragen zur Verfügung. Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen. ]]>
      GrundrechteRAV-Historie
      news-571Wed, 31 Oct 2018 16:08:00 +0100Verleihung des Hans-Litten-Preis am 27.10.18 in FF/M durch die VDJ an den Anwaltlichen Notdienst beim G20/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verleihung-des-hans-litten-preis-am-27-10-18-in-ff-m-durch-die-vdj-an-den-anwaltlichen-notdienst-beim-g20-571Stellvertretend für den AND-G20 haben RA'innen Fenna Busmann, Gabriele Heinecke und RAe Matthias Woldmann und Christian Woldmann die Urkunde entgegengenommenDie Preisverleihung des Hans-Litten-Preises wurde durch eine mitreißende Präsentation von Brecht/ Eissler-Liedern durch den Akademischer ArbeiterliederchorFrankfurt eröffnet. Es folgte eine kurze Rede des Bundesvorsitzenden der VDJ Joachim Kerth-Zelter. Die sehr schöne Laudatio zur Verteidigung der freien Advokatur, die auf der VDJ-Homepage nachzulesen sein wird, hielt der Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin, Dr. Marcus Mollnau.  Matthias Wisbar und Gabriele Heinecke (beide RAV-Mitglieder) hielten die Dankesreden, die hier folgend als Download zur Verfügung stehen und in denen die Arbeit des Ermittlungsausschusses und der Roten Hilfe ausdrücklich gewürdigt wird.Erwiderung von RAin Gabriele HeineckeErwiderung von RA Matthias WisbarPM der VDJ]]>OSZE / G20-Gipfel 2017news-575Sun, 30 Sep 2018 17:23:00 +0200Unteilbar - weil Menschenrechte keine Grenzen kennen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/unteilbar-weil-menschenrechte-keine-grenzen-kennen-575Aufruf von RAV, VDJ und Komitee für Grundrechte und Demokratie vom 2.10.18; Kleine Auswahl von Eindrücken (Bilder)
      Hier finden sich ein paar wenige Eindrücke (Fotos in der Mehrzahl von Katrin Voß):
      https://www.rav.de/publikationen/unteilbar-fotos/
      Der RAV war maßgeblich bei der Organisation und Durchführung der großen und beeindruckenden #unteilbar-Demonstration am 13.10.18 beteiligt. Wir danken ausdrücklich allen Mitgliedern, die sich hier wunderbar eingebracht haben!
      Das Bündnis #unteilbar wird weiter arbeiten - momentan wird noch sondiert, wohin es gehen wird. Das Büro mit den zwei Festanstellungen wird mind. bis Jahresende weiter arbeiten und somit werden auch noch weiterhin Spenden benötigt. Alle Infos dazu finden sich auf der Homepage von #unteilbar. ****
      Hier folgend der Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration vom 2.10.18: Am 13. Oktober 2018 werden wir gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Menschen, die u.a. in Initiativen gegen Wohnungsnot, Pflegenotstand und prekarisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, gegen Überwachung und Polizeiwillkür und für die Rechte von Geflüchteten aktiv sind, unter dem Motto ›Solidarität statt Ausgrenzung – Für eine offene und freie Gesellschaft‹ auf die Straße gehen. Als Bürgerrechtsorganisationen rufen wir dazu auf, sich an dieser Demonstration des Bündnisses #unteilbar zu beteiligen.
      Seit einigen Jahrzehnten erleben wir eine staatlich orchestrierte gesellschaftspolitische Wende, die – unabhängig von den jeweiligen Regierungsparteien – auf einen neoliberalen Staatsumbau und dessen Absicherung zielt – trotz Mindestlohn und Fortschritten im Antidiskriminierungsrecht. Das hat auch Folgen für den Rechtsstaat: Europaweit werden sozial- und bürgerrechtliche Standards unterminiert und bekämpft. In der Innen- und Migrationspolitik sehen wir uns einer nicht enden wollenden Welle von Gesetzesverschärfungen gegenüber.
      Diese Veränderungen sind grundlegend und betreffen alle Bereiche.Diese Aufzählung ist weder vollständig noch abschließend. Sie macht aber deutlich, dass das Recht in seiner Funktion als Schutz vor Diskriminierung, Ausgrenzung und staatlichen Eingriffen an Bedeutung verliert und immer offener zu einem Mittel zum Schutz der herrschenden Eigentumsordnung und der Legitimierung staatlichen Handelns wird.

      Das ist alles nicht neu. Neu ist allerdings die Zuspitzung, die diese Entwicklung erfährt. Wir haben es nicht mehr mit einzelnen Gesetzesverschärfungen und Einschränkungen von Grundrechten zu tun. Vielmehr sehen wir uns einem rassistischen und nationalistischen Diskurs, einem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft gegenüber, der Inhumanität und Menschenverachtung sagbar und umsetzbar macht. Dieser Rechtsruck wird begleitet von einer Politik der europäischen Staaten, die zur Verteidigung der eigenen wirtschaftlichen Interessen und zur Abwehr der Folgen einer verheerenden globalen
      Wirtschaftsordnung und des Klimawandels rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien zur Disposition stellt. Dabei wird auch zu dem Mittel des offenen Rechtsbruchs gegriffen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen in Deutschland und Europa verschlechtert werden, während gleichzeitig der Rechtsstaat zu einem Sicherheitsstaat umgebaut wird, ist kein Zufall. Sie ist Folge einer Politik, die auf die Absicherung wirtschaftlicher Interessen und Profite in den Metropolen durch repressive Einschüchterung im Innern, Abschottung nach außen und die globale Infragestellung von Menschenrechten zielt.

      Wo Polizei und Politik aktiv rechtsstaatliche Mindeststandards unterlaufen und dafür auf ein obskures ›Rechtsempfinden der Bevölkerung‹ verweisen und sich der Bundesinnenminister über eine obergerichtlich als rechtswidrig erklärte Abschiebung freut, steht der Rechtsstaat nicht mehr nur auf dem Spiel, sondern ist im Konkreten außer Kraft gesetzt. Das ist bedrohlich. Denn der Rechtsstaat ist kein Selbstzweck. Er soll die Freiheiten der Bürger*innen schützen – vor staatlichem Machtmissbrauch und Behördenwillkür. Stattdessen werden Menschen, die die für sie geltenden Rechte in Anspruch nehmen, und ihre Unterstützer*innen und Rechtsanwält*innen kollektiv unter der Betitelung »Asylindustrie« als Rechtmissbrauchende hingestellt.

      Das Recht als Waffe einzusetzen, um sich gegen Herrschaft und Macht zur Wehr zu setzen – dieser Auftrag ist wichtiger denn je. Wir werden weiter Bürger*innen- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen verteidigen. Wir werden dem stetigen Verlust von Rechtsstaatlichkeit nicht zusehen und weiter für eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts kämpfen. Wir werden uns dabei der im Windschatten dieser Entwicklung alltäglich gewordenen Inhumanität und Menschenverachtung, den rassistischen und nationalistischen Diskursen entgegenstellen.

      Gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Menschen, die u.a. in Initiativen gegen Wohnungsnot, Pflegenotstand und prekarisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, gegen Überwachung und Polizeiwillkür, für die Rechte von Geflüchteten, gegen Rassismus, Antisemitismus, Heteronormativität und sexualisierte Gewalt aktiv sind, werden wir auf die Straße gehen. Ein Bündnis wie #unteilbar, in dem sich die Vielfalt der Zivilgesellschaft vereint und dagegenhält, ist notwendig. Wir denken, dass soziale und politische Rechte einander bedingen. Deswegen sind wir als RAV, VDJ und Komitee für Grundrechte und Demokratie Teil dieses Bündnisses und rufen zur Teilnahme an der Großdemonstration am 13. Oktober 2018 in Berlin auf.

      Für ein gemeinsames Streiten gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und soziale Ungerechtigkeit.
      Für einen Zugang zum Recht für alle.
      Für die Unteilbarkeit der Menschenrechte.

      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Unteilbar - weil Menschenrechte keine Grenzen kennen (PDF)]]>
      GrundrechteBürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-573Tue, 28 Aug 2018 08:11:00 +0200Für eine offene und freie Gesellschaft<br >Solidarität statt Ausgrenzung!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-eine-offene-und-freie-gesellschaft-br-solidaritaet-statt-ausgrenzung-573Pressemitteilung #unteilbar Demonstration am 13. Oktober 2018 – 13:00 Uhr in BerlinBündnis „#unteilbar“ plant Großdemonstration in Berlin gegen Ausgrenzung und RechtsruckDas Bündnis „#unteilbar“ plant am 13. Oktober eine Großdemonstration in Berlin. Die Organisatorinnen und Organisatoren wollen damit für eine offene und solidarische Gesellschaft einstehen.

      Demnach findet aktuell eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung werden laut einer Bündnissprecherin gesellschaftsfähig. Man will den Sozialstaat verteidigen und für Grund- und Freiheitsrechte auf die Straße gehen. Offensiv fordert man das Recht auf Schutz und Asyl und stellt sich gegen eine Abschottung Europas.

      Verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen haben sich zusammengeschlossen. Musikbands wie „Die Ärzte“, die Schauspielerin Julia Jentsch, der Satiriker Jan Böhmermann, die Publizistin Carolin Emcke, der Kabarettist Volker Pispers, die Professorin Dr. Naika Fourotan und der Schriftsteller Saša Staniši? unterstützen das Anliegen von „#unteilbar“.
      Darüber hinaus haben Organisationen wie der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland, Amnesty International - Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., der Paritätische Wohlfahrtsverband, Pro Asyl, der Zentralrat der Muslime sowie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma den Aufruf von „#unteilbar“ unterzeichnet.

      Das Bündnis ist Teil einer europaweiten Bewegung, die am 13. Oktober 2018 in verschiedenen europäischen Städten demonstrieren wird. Gegen Nationalismus und für ein vereintes Europa.

      Im Anhang finden Sie den Aufruf sowie die Auflistung der Erstunterzeichner_innen. Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.

      Wir sind erreichbar unter der 0152/19382517 oder via mail: presse@unteilbar.org

      Sollten Sie zukünftig keine Pressemitteilungen von uns erhalten wollen, geben Sie uns einfach kurz Bescheid.

      Mit freundlichen Grüßen, Nora Berneis

      www.unteilbar.org
      Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende: "Es gibt keine Gegenwart und keine Zukunft ohne die Vergangenheit. Ich bin besorgt, denn ich sehe gegenwärtig Parallelen zur damaligen Zeit. Damit sich so etwas niemals wiederholt, dürfen wir nicht schweigen, sondern müssen mit Mut zusammenstehen gegen Rassismus."

      Carolin Emcke, Autorin und Publizistin: „Verschiedenheit ist kein Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine Voraussetzung für Grundrechte.“

      Benno Fürmann, Schauspieler: "#unteilbar unterstütze ich, weil ich Lust auf ein Miteinander habe! Wir müssen als Gesellschaft gemeinsam darauf achten, dass der Hass und die Angst vor dem Fremden uns nicht teilt. Empathie wird das Entscheidende sein, nicht Hautfarbe!”

      Jutta Weduwen, Geschäftsführerin Aktion Sühnezeichen Friedensdienste: "Ich wünsche mir, dass am 13.10. viele Menschen auf die Straße gehen, um gemeinsam zu zeigen: wir sind viele - für Demokratie, für Solidarität, für Vielfalt! Wir setzen deutliche Zeichen gegen die Politik der Abschottung gegenüber Geflüchteten und Schutzsuchenden, gegen jegliche Form von Rassismus und Antisemitismus, gegen Ausgrenzung, Demokratiefeindlichkeit und Rechtspopulismus. Wir setzen uns für das Recht auf Asyl und ein solidarisches Miteinander in der Migrationsgesellschaft ein.“

      Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands: „Es sind die Verletzlichsten unter uns, gegen die Rechte hetzen. Worauf sie abzielen, ist die Zerstörung unserer offenen, vielfältigen, toleranten Gesellschaft. Das werden wir nicht zulassen. Wir werden uns wehren.“

      Eva Menasse, Schriftstellerin: „In dieser verrückten digitalen Welt bleibt die Straße der Ort, um Wirklichkeit zu zeigen. Wie viele Menschen sind in Zeiten von Fake News, Hetze und Hysterie noch immer unverbrüchlich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein friedliches, vereintes Europa? Jenseits aller Lebensstile und Meinungsverschiedenheiten? Ich glaube und hoffe, eine überwältigende Mehrheit. Diese Mehrheit muss sich endlich zeigen, mit Gesicht und Stimme. Am 13. Oktober.“ Aufruf#unteilbar (PDF)Erstunterzeichner*innenSpendenkonto
      Elektronische Form (copy&paste): DE41370205005459545939
      Papierform: DE41 3702 0500 5459 5459 39
      BIC: BFSWDE33XXX (Sozialbank)
      Inh.: Digitalcourage e.V. ]]>
      Grundrechteunteilbar (doublet)
      news-570Fri, 10 Aug 2018 12:12:00 +0200StN des RAV zum Referentenentwurf zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-referentenentwurf-zur-ergaenzung-der-regelungen-ueber-die-zulaessige-miethoehe-bei-mietbeginn-und-zur-anpassung-der-regelungen-ueber-die-modernisierung-der-mietsache-570Stellungnahme, 10.8.2018Rechtsanwältin Carola Handwerg, Berlin
      Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Berlin
      Rechtsanwalt Henrik Solf, Berlin
      I. Mietpreisbremse

      A. Ausgangslage
      Die Wohnungsfrage rückt immer mehr in den Fokus der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Gerade in den Ballungszentren ist bezahlbarer Wohnraum rar. Der Zuzug in die Zentren erhöht den Druck auf die Wohnungsmärkte. In den letzten Jahrzehnten wurde zu wenig gebaut. Hier hat ein Prozess des Umdenkens zwar eingesetzt. Allerdings darf bezweifelt werden, ob die alleinige Fokussierung auf den Neubau die derzeitigen Probleme am Wohnungsmarkt lösen werden. Denn es fehlt vor allem an bezahlbaren Wohnraum.
      Der Abbau des öffentlichen Sektors der Wohnraumbewirtschaftung, die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Einstieg in den Ausstieg des Sozialwohnungsbaus rächen sich nun. Aktuell setzt gerade die CDU/CSU auf die „heilenden“ Kräfte des Marktes. Private Investoren haben Interesse an einem möglichst hohen Gewinn. Da lohnt sich die Errichtung von preiswerten Wohnraums nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil des neuen Wohnraums in Form von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen entstehen(1). Gefördert wird dies durch das von der großen Koalition eingeführten Baukindergeld, das die Bildung von Immobilieneigentums fördert. Bezahlbarer Wohnraum wird auf diesem Wege dort wo er gebraucht wird kaum entstehen. Wir erleben derzeit die Konsequenzen jahrzehntelanger marktgläubiger Wohnungspolitik. Die vormals gängigen Modelle zur Schaffung und zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums schwächeln.
      1. Sozialbauwohnungen

      Die mit öffentlichen Fördermittel errichteten Sozialwohnungen gehen aus der Bindung und werden preisfrei. Zwar versuchen Bund und Länder, dem durch die Förderung des Baues neues Fördermittel entgegen zu wirken. Aber selbst ehrgeizige Vorhanden werden es noch nicht einmal schaffen, den jetzigen Stand an Sozialbauwohnungen zu halten.
      2. Kommunaler Wohnungsbestand

      Leider zeigen sich aktuell die Folgen des massenhaften Verkaufs kommunaler Wohnungsbestände Anfang der 2000-er Jahre. Mit ihnen haben die Kommunen ein wichtiges wohnungspolitisches Steuerungsinstrument aus der Hand gegeben. Nun sollen private Wohnungsunternehmen letztlich die Wohnungsfrage durch den Wohnungsneubau lösen. Die Kommunen haben immer weniger Wohnungen, die sie denjenigen Bürgern zur Verfügung stellen können, die auf dem freien Wohnungsmarkt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation keine Chance haben, Wohnraum zu erhalten. Zwar haben inzwischen einige Kommunen dieses Problem erkannt und verzichten auf den weiteren Verkauf ihrer Bestände, aber nur eine massive Ausweitung der kommunalen Bestände könnte Druck von den Wohnungsmärkten nehmen. Hier fehlt es nicht nur vielerorts an dem politischen Willen und vielleicht auch an Geld, sondern vor allem an bezahlbaren Grund und Boden.
      3. Wohnungsgemeinnützigkeit
      Gerade in Zeiten großer Wohnungsnot in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, aber auch nach dem zweiten Weltkrieg, spielten gemeinnützige Wohnungsunternehmen eine wichtige Rolle bei der Wohnraumversorgung. Leider hat die Kohlregierung Ende der 1980-er Jahre dieses Modell des steuerbegünstigten gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus abgeschafft und damit einen Teil der sozialen Steuerung des Wohnungsmarkts vernichtet.
      Demgegenüber steht eine immer größere Anzahl von Menschen, die keine bezahlbare Wohnung mehr finden können. Schon jetzt haben in den Ballungszentren zwischen 40 und 50 % der Haushalte einen nur begrenzten Zugang zu dem Wohnungsmarkt. Dies lässt sich daran ablesen, dass diese nach berechtigt wären, aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation einen Wohnberechtigungsschein zu erhalten(2). Diese Personengruppe hat weder Chancen angemessenen Wohnraum zu bezahlbaren Bedingungen zu bekommen noch den Kredit zu erhalten, der sie in die Lage versetzen würde, eigenen Wohnraum zu errichten oder zu erwerben. Da hilft dann auch kein Baukindergeld.(3)
      Vor diesem Hintergrund wird klar, dass ein starker Mieterschutz unerlässlich ist. Leider wird der soziale Mieterschutz vom BGH als Revisionsinstanz für das Mietrecht seit 2001 immer stärker eingeschränkt. Ein korrigierendes Eingreifen des Gesetzgebers wäre seit Jahren dringend erforderlich. Vor diesem Hintergrund wird der Referentenentwurf zu bewerten sein. Interessant an dem Entwurf ist, dass er viele Vorschläge, die die große Koalition noch in der vorherigen Legislaturperiode präsentiert hatte, nicht mehr weiterverfolgt. So wird sowohl der Reformbedarf des Kündigungsschutzes völlig ignoriert und auch vom Reformvorhaben zum Mietspiegel Abstand genommen. Ob die jetzt "abgespeckte" Version ausreichend ist, die Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen, erscheint daher mehr als zweifelhaft.
      Neben einer Reform des Kündigungsrechts, einer Verschärfung der Mietenbremse und der Reform des Modernisierungsrechts bedarf es schließlich auch einer Reform des Miethöherechts. Neben der Kritik an der jetzt geplanten Reform, die wir schlicht für zu schwach halten, enthält unsere Stellungnahme zahlreiche Reformvorschläge und ergänzend dazu Vorschläge für die gesetzliche Umsetzung.
      B. Begrenzung der Wiedervermietungsmiete

      Der Referentenentwurf zur Verbesserung der Mietpreisbremse hat es sich zum Ziel gesetzt, das Instrument zur Dämpfung der Mieten zu verbessern.
      Dies ist allerdings nur zum Teil gelungen. Die sich in der Praxis im Umgang mit der Mietpreisbremse ergebenen Probleme sind vielfältig. Der Referentenentwurf will jedoch nur die Rüge im Sinne des § 556 g BGB vereinfachen und den Vermieter zwingen, die Vormiete offen zu legen, um so den Mieter die Möglichkeit zu geben, seine Rechte besser wahrnehmen zu können. Dies allein reicht aber nicht. Die Offenbarungspflichten müssen erweitert, die Rügeobliegenheit sowie die Ausnahmetatbestände abgeschafft werden.
      Die Mietpreisbremse knüpft zudem an die ortsübliche Vergleichsmiete an. Diese zu ermitteln, erweist sich in der Praxis regelmäßig als streitanfällig. Die Mietspiegel, die lange Jahre relativ sicher die Vergleichsmieten dargestellt haben, sind zunehmenden Angriffen von Großvermietern ausgesetzt und führen zu oft nicht mehr sicher kalkulierenden gerichtlichen Auseinandersetzungen. Eine Verschärfung der Mietpreisbremse bedarf zwingend einer Reform und Stärkung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dazu später unter 4. Sowohl zur Reform der Mietpreisbremse als auch zur Reform der Vergleichsmiete finden Sie in Anlage Gesetzesvorschläge.
      1. Offenbarungspflicht Vormietermiete
      Eine Verbesserung der derzeitigen Rechtslage stellt die Auskunftspflicht bezüglich der Vormiete dar und die Sanktion – nämlich der Verlust des Rechts des Vermieters, zumindest die Vormiete zu verlangen – dar. So kann der Mieter abschätzen, ob sich eine Rüge lohnt. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Offenbarungspflicht nicht auch für die übrigen Ausnahmen gelten soll. Der Streit über vorher durchgeführte einfache oder auch umfangreiche Modernisierungen ist oft sogar wesentlich aufwendiger und mit mehr Unsicherheiten behaftet, als der über die Vormietermiete, die sich recht einfach durch Vorlage eines Vertrages beweisen lässt. Die Offenbarung der Sachverhalte, die eine Ausnahme zur Mietenbremse rechtfertigen, dient auch der Streitvermeidung. Ist der Mieter bei Vertragsschluss über alle Umstände im Bilde, die eine Ausnahme von der Mietpreisbremse rechtfertigen, kann er auch besser eine Entscheidung über die Anmietung treffen. Stellt er fest, dass aufgrund der Ausnahmetatbestände die Miete trotz Mietpreisbremse für ihn nicht tragbar ist, kann eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung treffen.
      Wegen der unvorhersehbaren Probleme mit der Miethöhe kann sich der Mieter derzeit nie sicher sein, ob eine Rüge der Miethöhe zum gewünschten Erfolg führen wird. Schützenswert sind aber auch diejenigen Mieter, die zwar die zulässige Miete, aber nicht die überhöhte Miete zahlen können. Hier muss eine stärkere Sicherheit für die Mietenden hergestellt werden. Wenn man eine Offenbarungspflicht einführt, dann muss sich diese also auf alle Umstände beziehen, die für die Geltendmachung der Mietpreisbremse von Bedeutung sind.
      2. Herabsetzung der Hürden für die Rüge nach § 556 g BGB
      Das derzeitige Rügeverfahren ist zu kompliziert, es schützt nur den unredlichen Vermieter und verbaut den Zugang zum Recht.
      Zunächst ist die Mietpreisbremse ein zivilrechtlicher Ansatz, der derzeit allein zwischen den Vertragsparteien wirkt. Sie setzt insbesondere den informierten und engagiert für seine Rechte eintretenden Mieter voraus. Eines der Haupthindernisse bei der Umsetzung der Mietenbremse ist tatsächlich die in § 556 g Absatz 2 BGB geregelte Rügeobliegenheit des Mieters. Er muss den Vermieter auf die überhöhte Miete hinweisen und kann erst ab diesem Zeitpunkt die überhöhte Miete zurück verlangen. Welcher Neumieter möchte sich aber gerne gleich nach Einzug mit seinem Vermieter anlegen? Wer kennt – ohne rechtliche Beratung – die Anforderungen, die an die Realisierung des Rückforderungsanspruchs zu stellen sind? Dies erkennt der Gesetzesvorschlag zwar an und schraubt die Anforderungen an die Rüge herunter. Notwendig soll nunmehr nur noch die einfache Rüge sein. Durch die vorgesehene Streichung des § 556 g Absatz 2 Satz 2 BGB müsste der Mieter zukünftig nicht mehr die Tatsachen darlegen, auf denen seine Beanstandung beruht. Er soll die Höhe der seines Erachtens höchstzulässigen Wiedervermietungsmiete nicht mehr im Einzelnen darstellen müssen. Dies enthebt ihn von der Pflicht, die Miete genauer ermitteln zu müssen.
      Das grundsätzliche Problem der Rügeobliegenheit löst die Regelung jedoch nicht. Allein die Beanstandung der Miethöhe ist ein „unfreundlicher“ Akt, der Hürden für den Mieter aufstellt. Zudem ist diese Rüge zwingende Voraussetzung, dass der Mieter überhaupt erst mit einer Herabsetzung der Miete rechnen kann. Dies privilegiert den rechtsschutzversicherten, informierten Mieter. Je länger der Mieter mit seiner Rüge wartet, desto besser für den Vermieter. Denn er behält die rechtswidrig überhöhte Miete für den Zeitraum bis zur Rüge. Eine sachliche Rechtfertigung für dieses Geschenk an unredliche Vermieter ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund ist die Rügeobliegenheit schlicht zu streichen. So kann der Mieter ggf. sogar noch nach Ende des Mietverhältnisses überhöhte und noch nicht verjährte Mieten zurückfordern. Der Vermieter, der hiermit rechnen muss, wird sich sehr wohl überlegen, ob er eine Miete verlangt, die die zulässige Miete nach der Mietpreisbremse übersteigt.
      Aus diesem Grunde sollte die gesamte Vorschrift (§ 556 g Absatz 2 – 4 BGB) gestrichen werden. So kann der Mieter ggf. auch rückwirkend bis zum Vertragsbeginn die zu viel gezahlte Miete zurückverlangen.
      3. Effektive Verschärfung der Mietpreisbremse
      Insgesamt wird die Mietpreisbremse aber nicht nur wegen der komplizierten Rügeobliegenheit ihren Ansprüchen nicht gerecht. Einen Gesetzesvorschlag zur Reform der §§ 556 d folgende fügen wir bei.
      Die Mietenbremse wurde 2015 mit dem Versprechen eingeführt, die Wiedervermietungsmieten zu begrenzen. Der Vermieter soll bei Abschluss neuer Mietverträge keine Miete vereinbaren können, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % übersteigt. Es ist notwendig, die Mietenbremse zu reformieren und effektiver zu gestalten. Hierzu sind folgende Änderungen im Gesetz erforderlich:

      a. Zeitliche Entfristung
      Derzeit sind die Regelungen in §§ 556 d ff BGB bis zum 31.12.2020 zeitlich befristet. Diese Befristung soll gestrichen werden.
      § 556 d Absatz 2 BGB bestimmt, dass die Landesregierungen Gebiete ausweisen können, in denen die Mietenbremse gelten soll, sofern die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Verträge und auch Staffelmietvereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten einer solchen Verordnung im jeweiligen Gebiet abgeschlossen worden sind, bleiben uneingeschränkt wirksam (§ 35 Absatz 1 EGBGB) und Erhöhungen, die schon vor Auslaufen der Regelung vereinbart werden, aber erst nach dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Verordnung oder der gesetzlichen Ermächtigung eintreten, sollen wirksam sein (§ 35 EGBB in der Fassung vom 8.2.2016, BGBl. 2016 Teil I S. 1594). Die Verordnung ist nach dem Gesetz befristet für maximal 5 Jahre zu erlassen. Das ist durchaus sinnvoll, damit gegen Ende dieser Zeit evaluiert wird, ob die Verlängerung der Schutzverordnung angemessen ist.
      Hingegen muss aber das Gesetz selbst in der Weise geändert werden, dass die Ermächtigung auch weiter gilt, wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird. Sollte sich tatsächlich der Wohnungsmarkt soweit entspannen, dass die Mietpreisbremse für das einzelne Gebiet oder auch für alle Gebiete nicht mehr nötig ist, dann wäre nur jeweilige Landesverordnung aufzuheben oder sie tritt mit Zeitablauf außer Kraft. Es kann jedoch nicht sein, dass bei erneuter Anspannung von Wohnungsmarktverhältnissen in einzelnen Gebieten immer erst noch wieder auf die Initiative des Bundesgesetzgebers gewartet werden muss. Gerade die Entwicklung der letzten Jahre belegt, dass eine drohende Zuspitzung der Wohnungsmangellage oft von den Experten vor Ort längst belegt war, der Gesetzgeber aber erst mit großer zeitlicher Verzögerung reagierte. So war ein erheblicher Teil der nachteiligen Entwicklung nicht mehr rückgängig zu machen. Die Landesverordnungsgeber können stattdessen deutlich flexibler reagieren.

      b. Streichung der Einschränkungen, § 556 e BGB
      Gegenwärtig kann der Vermieter, der mit dem Vormieter eine höhere Miete als die nach § 556 d Absatz 1 BGB zulässige Miete vereinbart hatte, vom Nachfolgemieter diese überteuerte Vormietermiete verlangen. Dies privilegiert den unredlichen Vermieter und benachteiligt den Vermieter, der sich schon bisher bemühte, im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben. § 556 e Absatz 1 BGB ist daher ersatzlos zu streichen.
      Ebenfalls kann der Vermieter nach der derzeitigen Fassung der Mietpreisbremsenregelung Kosten von Modernisierungsmaßnahmen, die er in den letzten drei Jahren vor der Wiedervermietung durchgeführt hat, fiktiv auf die höchstzulässige Miete entsprechend § 559 BGB aufschlagen. Dies betrifft einerseits den Fall, dass der Vermieter während der Mietzeit des Vormieters Modernisierungsmaßnahmen ausgeführt hat, aber vom Vormieter einen entsprechenden Modernisierungszuschlag nicht verlangt hat. Andererseits wäre die Einschränkung anzuwenden, wenn der Vermieter die erhöhte Miete zwar verlangt, der Vormieter diese aber nicht gezahlt hat. Und Drittens wäre die Einschränkung anzuwenden, wenn der Vermieter die Modernisierung erst durchgeführt hat, nachdem der Vormieter die Wohnung verlassen hat.
      Wir halten insgesamt die Mieterhöhung nach § 559 BGB für systemwidrig. Sie bietet einen fatalen Anreiz, Mieter durch Androhung von Modernisierungsmaßnahmen zum Auszug zu drängen. Da Modernisierungsmaßnahmen definitionsgemäß zu einer besseren Ausstattung der Wohnung führen, wird sich eine relevante Verbesserung auch in der ortsüblichen Vergleichsmiete niederschlagen. Das reicht für den sorgfältig wirtschaftenden Vermieter aus und vermeidet andererseits die beschriebenen Fehlanreize. Daher soll diese Privilegierung in § 556 e Absatz 2 BGB ebenfalls gestrichen werden.

      c. Streichung der Ausnahmen, § 556 f BGB

      Die Mietpreisbremse gilt nach der derzeitigen Regelung nicht für Neubauten und für umfassend modernisierte Bestandsbauten.
      Gerechtfertigt ist allerdings allein die Freistellung der Neubauwohnungen in den ersten zwei Jahren, da die Mieten für Neubauten in dieser Zeit noch nicht in den Mietspiegel einfließen, eine ortsübliche Vergleichsmiete somit nicht feststellbar ist. Nach Ablauf dieser Zeit bildet sich aber die ortsübliche Miete auch für Neubauwohnungen im Mietspiegel ab, der alle zwei Jahre zu aktualisieren ist.
      § 556 f Satz 1 BGB ist daher so zu ergänzen, dass nur die Erstvermietung innerhalb der ersten zwei Jahre von der Mietpreisbremse freigestellt wird.
      Hingegen muss die Freistellung der umfassend modernisierten Bestandswohnungen entfallen. Es gilt wie vorstehend: Eine umfassend sanierte Wohnung hat eine deutlich höhere ortsübliche Vergleichsmiete, hierüber kann der Vermieter, wenn ein relevanter Zusatznutzen geschaffen worden ist, seine Investitionen refinanzieren. Das muss ausreichen. Die Privilegierung umfassend modernisierter Wohnungen bei der Neuvermietung schafft einen zusätzlichen Anreiz, Mieter mit Modernisierungsandrohungen aus ihren Wohnungen zu vertreiben. § 556 f Satz 2 BGB ist daher zu streichen.

      d. Reaktivierung des § 5 WiStrG neben der Mietpreisbremse
      Allerdings wird man dem Anspruch einer Mietendämpfung nur dann gerecht werden können, wenn man die Frage der Mietpreisüberhöhung nicht allein den Vertragsparteien überlässt. Vielmehr muss die Mietpreisüberhöhung für den Vermieter bußgeldbewehrt bleiben und so dem Staat die Möglichkeit geben, unabhängig von dem Willen des einzelnen Mieters gegen Mietpreisüberhöhung vorzugehen. Eine unzulässige Mietpreisüberhöhung muss bußgeldbewehrt und in besonders verwerflichen Fällen strafbar sein.

      aa. Ausgangslage
      Dies ist eigentlich bereits jetzt schon gesetzlich vorgesehen.
      § 291 StGB bestimmt, dass Mietwucher bestraft wird. Wenn die Miete in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht – in der Regel bei Überschreitung der ortsüblichen Miete um mehr als 50 % – und der Vermieter hieran nicht schuldlos ist, macht er sich strafbar. Daneben gibt es die Vorschrift des § 5 WiStrG. Sie bestimmt, dass die Vereinbarung über eine Miethöhe, die 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, dann unwirksam ist, wenn der Vermieter hierbei das geringe Wohnungsangebot und damit die Zwangslage der Mieter ausnutzt.
      Bis zum Beginn dieses Jahrtausends ließen sich die beiden Sanktionsnormen dahingehend unterscheiden, dass die strafrechtliche Norm stärker die individuelle Lage des einzelnen Mieters im Fokus hatte. Wird seine Notlage ausgenutzt und steht die Leistung und die Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis (i.d.R. Miete 50 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete) ist dies strafbar. Demgegenüber hebt das Wirtschaftsstrafgesetz auf die Knappheitssituation am Wohnungsmarkt ab.4 Bis zur Entscheidung des BGH im Jahre 2004 ging man davon aus, dass die § 5 WiStrG als Ordnungswidrigkeitsnorm weniger den einzelnen Mieter, als vielmehr die Wohnungsmarktordnung im Interesse der Allgemeinheit vor sog. Ausreißern auf dem Mietpreissektor schützen sollte.(5)
      Dies hat sich mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004 (Versäumnisurteil vom 28.01. 2004 - VIII ZR 190/03) geändert. Der BGH sieht es für die Erfüllung des § 5 WiStrG nunmehr als Voraussetzung an, dass die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete ursächlich war. Dazu müsse der Mieter darlegen und ggf. beweisen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen ist (BGH a.a.O.). Hierbei sei der Mieter bei der Suche auf das gesamte Stadtgebiet zu verweisen (BGH Urteil vom 13.04. 2005 - VIII ZR 44/04), der Mangel müsse in den qualifizierten Teilmärkten vorliegen (BGH a.a.O.). Diese Auslegung des § 5 WiStrG durch den BGH, weg von der typischen Preisvorschrift, hat in der Praxis aufgrund der enormen Hürden für die Darlegung auf Mieterseite letztlich zu einer Entwertung geführt. Kaum ein Mieter wird in der Lage sein, dies substantiiert vorzutragen. Zumal der BGH das Merkmal des Ausnutzens in § 5 WiStrG als das bewusste Zunutze machen einer für den anderen Teil ungünstigen Lage ausgelegt hat (BGH a.a.O.). Einen Beweis dieser inneren Tatsache kann der Mieter so gut wie nie führen. Mit dieser Rechtsprechung gleicht der § 5 WiStrG immer stärker dem Wuchertatbestand des § 302 StGB und teilt mittlerweile dessen Schattendasein.

      bb. Lösung durch Reform des § 5 WiStrG
      Vor diesem Hintergrund sollte § 5 WiStrG durch die Streichung des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“ reaktiviert werden. An diesem Tatbestandsmerkmal macht der BGH seine restriktive Rechtsprechung fest. Um der Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen, sollte eine Teilgebietsbetrachtung bezüglich des Vorliegens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum durch eine entsprechende Änderung des Gesetzes ermöglicht werden. Diesbezüglich hatte der Hamburger Senat in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzesvorschlag (BR Drs. 176/139) eingebracht. Zusätzlich sollte die bereits seit Jahren bestehende Forderung aufgegriffen werden und klargestellt werden, dass im Falle der Mietpreisüberhöhung nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete und nicht – wie es die derzeitige Rechtsprechung (BGH Rechtsentscheid vom 11.01.1984 - VIII ARZ 13/83) annimmt – die höchste gerade noch zulässige Miete gefordert werden kann.(6) Denn diese Regelung privilegiert den ordnungswidrig Handelnden. Im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums schützt Art. 14 GG jedoch nicht ein Recht des Vermieters auf höchstmögliche Rendite.(7)
      Wenn man die übrigen Teile der Regelung unverändert lässt, garantiert § 5 Absatz 2 Satz 2 WiStrG für den Vermieter einen ausreichenden Schutz. Kann der Vermieter nachweisen, dass die Miete zur Deckung laufenden Aufwendungen für die Mietsache nicht ausreicht, kann die Wesentlichkeitsgrenze des § 5 Absatz 2 Satz 1 WiStrG sanktionslos überschritten werden. Damit sind die Interessen des Vermieters ausreichend gewahrt.
      Die Verbesserung des § 5 WiStrG hätte auch den großen Vorteil, dass man hier keine neuen Wege gehen müsste. § 5 WiStrG war in der bisher gültigen Fassung und unter Berücksichtigung der damaligen Rechtsprechung bereits mehrfach auch verfassungsrechtlich auf dem Prüfstand, ohne dass es hier Beanstandungen gegeben hätte. Die seinerzeitige Initiative des Hamburger Senats hatte einzig und allein das Ziel, die Rechtslage vor den Entscheidungen des BGH aus den Jahren 2004 und 2005 wiederherzustellen. Wenn man den Wohnungsmarkt vor Überhitzung schützen und bezahlbaren Wohnraum auch für ärmere Mieter erhalten will, ist eine effektive Sanktionsnorm notwendig. Um hier Streit über die Miethöhe zu vermeiden, sollte eine Beweisvermutung dahingehend aufgenommen werden, dass von einem Vorliegen eines geringen Wohnungsangebots auszugehen ist, wenn die Wohnung in einer Region gelegen ist, in der die Mietpreisbremse gilt.
      Der nach § 5 WiStrG unredliche Vermieter sollte nur noch die ortsübliche Miete und nicht – wie bisher – die um 20 % überhöhte Miete verlangen können. Bei einem Verstoß gegen § 5 WiStrG muss der Mieter die Möglichkeit haben, die Mieten zurück zu verlangen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Nur diese verschärfte Sanktion kann die effektive Durchsetzung der Norm garantieren.

      cc. Mietpreisbremse und verbesserter § 5 WiStrG

      Auch mit einer reformierten Mietenbremse, wie hier vorgeschlagen, wäre trotzdem § 5 WiStrG erforderlich. Sie begrenzt die Miethöhe in den Fällen, in denen keine Mietenbegrenzung gilt. Das ist insbesondere in den Fällen wichtig, in denen die Mietenbremse grundsätzlich nicht gilt (kein Gebiet mit ausgewiesener Wohnungsnot) oder wenn – wie bei der Indexmiete – die Vergleichsmiete bei Miete.
      Da die Ausnahmen zur Mietenbremse im Übrigen entfallen, ergibt sich dann folgende klare Regelungsstruktur: Der Vermieter darf unter keinen Umständen eine Miete fordern, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % übersteigt. Überschreitet er sogar diese Grenze, gilt jegliche Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete als rechtswidrig, egal ob sie durch eine Wiedervermietung oder durch eine Mieterhöhung erreicht wurde. Die Pflicht zur Herausgabe an den Mieter oder zur Abführung sämtlicher Beträge, die die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigen, vermeidet den bisher durch das Gesetz gegebenen Anreiz, die 20 %-Marge auszureizen.
      4. Reform des Rechts zur Ermittlung der Vergleichsmiete

      Qualifizierten Mietspiegeln droht wegen der Auseinandersetzungen über deren Erstellung ein Bedeutungsverlust. Dem kann durch Festlegung der Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels in einer Satzung oder Rechtsverordnung begegnet werden. Dabei sollte die Vermutungswirkung qualifizierter Mietspiegel gestärkt und der Bedeutung eines Sachverständigengutachtens gleichgestellt werden.
      Die ortsübliche Vergleichsmiete spielt derzeit sowohl bei der Grundmieterhöhung als auch bei der Mietpreisbremse eine wichtige Rolle. Die Miete darf nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. Bei Neuvermietung darf der Vermieter keine Miete verlangen, die mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. In der Praxis wird die ortsübliche Vergleichsmiete über die Mietspiegel abgebildet. Aus diesem Grunde rücken diese in das Zentrum der Auseinandersetzung.

      a. Einbeziehung aller Mieten in die Ermittlung der Vergleichsmiete

      Derzeit werden bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nur die Mieten einbezogen, die in den letzten vier Jahren vereinbart oder verändert worden sind.
      Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich – von der Grundidee her – um die Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es sind daher nicht nur die in jüngerer Zeit neu vereinbarten Mieten zu berücksichtigen, sondern auch die unveränderten Bestandsmieten, die offenbar von diesen Vermietern als auskömmlich und nicht unangemessen angesehen werden. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind Änderungskündigungen ausgeschlossen. Die Vermieter dürfen nicht kündigen, um einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wird ihnen das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappungsgrenze von 15 bzw. 20 % bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen. Das kann nicht die Neuvermietungsmiete sein, denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen würde. Dann hätte man sich dieses Verbot schlicht sparen können.
      Daher ist die ortsübliche Vergleichsmiete nicht nur die bei Neuvermietung erzielbare Miete, sondern die Miete, die für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermieter soll das bekommen, was die anderen Vermieter – im Schnitt – auch an Miete erhalten. In dieser ortsüblichen Vergleichsmiete müssen allerdings auch wirklich alle Mieten enthalten sein, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten.
      Nach aktueller Gesetzeslage sollen hingegen bei der Ermittlung der Vergleichsmiete nur diejenigen Mieten eine Rolle spielen, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Die Mieten, die also schon lange nicht erhöht worden sind, finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Eine inhaltliche Rechtfertigung dafür gibt es jedoch nicht. Diese systemwidrige Beschränkung wird seit Jahren immer wieder von der Mieterseite kritisiert. Das BMJV hatte in der letzten Legislaturperiode einen Vorschlag zur Reform der Vergleichsmiete erarbeitet und empfohlen, den Zeitraum zumindest von 4 auf 10 Jahre zu erhöhen. Konsequent ist es jedoch, alle Mieten einzubeziehen. Dies sollte auch so geregelt werden.

      b. Stärkung des qualifizierten Mietspiegels
      aa. Die Rechtslage
      Die ortsübliche Vergleichsmiete – Orientierung für Mieterhöhung und Mietenbremse – wird in der Praxis entweder durch Sachverständigengutachten oder durch einen Mietspiegel ermittelt. Zwar kann der Vermieter sein Mieterhöhungsverlangen auch mit Vergleichswohnungen oder einer Auskunft aus einer Mietdatenbank begründen. Für den Beweis der ortsüblichen Vergleichsmiete im Prozess ist jedoch entweder ein Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten heranzuziehen.
      Man unterscheidet weiter zwischen einem sog. einfachen und einem qualifizierten Mietspiegel. Während der einfache Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete ist, die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist und alle zwei Jahre an die Marktentwicklung angepasst werden muss, setzt ein qualifizierter Mietspiegel gem. § 558 d BGB zudem voraus, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von den Gemeinden oder von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt wurde.
      Gem. § 558 d Absatz 3 BGB wird vermutet, dass bei Einhaltung des Verfahrens zur Erstellung des qualifizierten Mietspiegels die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Durch diese Vermutungswirkung erlangt der qualifizierte Mietspiegel große praktische Bedeutung, da mit ihm die ortsübliche Vergleichsmiete anwenderfreundlich und rechtsverbindlich ermittelt werden kann. In der Vergangenheit konnte der qualifizierte Mietspiegel so seine streitbefriedende Funktion erfüllen.
      Über 97 % der mit einem Mietspiegel begründeten Mieterhöhungsverlangen wurden bislang außergerichtlich erledigt(8) – eine ansehnliche Quote. Doch kann die Vermutungswirkung angegriffen werden. Auch wenn ein Mietspiegel als qualifizierter Mietspiegel erstellt und seitens der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden ist, obliegt dem Gericht die Überprüfung, ob die Anforderungen des § 558 d Absatz 1 BGB eingehalten wurden, sofern dies von einer Vertragspartei bestritten wurde (BGH Urteil vom 21.11.2012 – VIII ZR 46/12). Dabei muss die Partei, die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in Abrede stellt, im Rahmen des Möglichen substantiierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringen. Gelingt dieser substantiierte Angriff, führt dies zu einer asymmetrischen Beweislastverteilung. Denn nun muss derjenige, der sich auf einen qualifizierten Mietspiegel beruft (in der Regel der Mieter), die Qualifiziertheit vollumfänglich beweisen.
      Dieser Beweis kann faktisch nur durch ein Sachverständigengutachten geführt werden, was zu einer erheblichen Kostensteigerung im gerichtlichen Verfahren führt. Dieses unberechenbare Prozesskostenrisiko verursacht eine große Verunsicherung auf Seiten der Mieter, die daher die gerichtliche Auseinandersetzung über eine unberechtigte Mieterhöhung zunehmend scheuen. Hinzu kommt die fatale Folge, dass die mit viel Aufwand und hohen Kosten für die Gemeinden aufgestellten Mietspiegel ihre Vermutungswirkung verlieren und dann die Vergleichsmieten mittels einfacher Sachverständigengutachten ermittelt werden, die sich oft nur auf einige wenige vergleichbare Wohnungen stützen, teilweise in handwerklich schlechter Qualität erarbeitet und dann zur Ermittlung der Vergleichsmiete herangezogen werden. Ein höchst unbefriedigendes Ergebnis.

      bb. Die Kritik
      Spätestens seit gegen den Widerstand der Wohnungswirtschaft die Mietpreisbremse eingeführt wurde, nehmen die Angriffe vor allem großer Wohnungsunternehmen auf die Mietspiegel zu. Versucht wird, Mietspiegeln die Eigenschaft als qualifizierte Mietspiegel abzusprechen, um auf diese Weise an den Beschränkungen der ortsüblichen Vergleichsmiete vorbei größere Mieterhöhungspotentiale realisieren zu können. Allein die Zahl der veröffentlichten Berliner Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema füllt mittlerweile ganze Bände. Dadurch wird der Berliner Mietspiegel in seiner Bedeutung zunehmend geschwächt, so dass die Gefahr besteht, dass zukünftig für die Begründung von Mieterhöhung auf andere Begründungsmittel zurückgegriffen wird.
      Um die Bedeutung qualifizierter Mietspiegel wieder zu stärken, müssen zum Einen Maßstäbe definiert werden, deren Einhaltung unstrittig zur Eigenschaft „qualifizierter Mietspiegel“ führen. Zum Anderen ist die Bedeutung qualifizierter Mietspiegel hervorzuheben, indem ihre Beweisfunktion gestärkt wird.

      cc. Der Entwurf
      Hier muss eine Reform ansetzen. Dies hat das BMJV mit seinem Vorschlag vom April 2016 auch versucht. Dieser an sich begrüßenswerte Versuch ging allerdings nicht weitgehend genug. Eine wirksame Regelung sollte folgende Elemente enthalten.

      (a) Definition der wissenschaftlichen Grundsätze

      Die wissenschaftlichen Grundsätze waren immer wieder Streitpunkt zwischen Juristen, Statistikern und Verbandsvertretern. Im Sinne eines transparenten Verfahrens und einer praktikablen Entscheidungshilfe für die Prüfung, ob die wissenschaftlichen Grundsätze eingehalten worden sind, bedürfen insbesondere folgende Punkte einer genaueren Definition:
      Größe der Stichprobe: Es werden unterschiedlichste Ansichten zu der Frage vertreten, welche Anzahl an Daten für eine repräsentative Stichprobe erforderlich sind. Die sicherste Methode wäre eine Vollerhebung, die auf Grund des Kostenaufwands in der Praxis ausscheidet. Doch sollte ggf. eine Mindestanzahl an Datensätzen (ggf. im Verhältnis zur Einwohnerzahl) definiert werden. In engem Zusammenhang mit der Repräsentativität der Stichprobe steht auch das Antwortverhalten der befragten Teilnehmer, die zu einem geringen Rücklauf führt und somit ebenfalls Kritik an der Datenerhebung laut werden lässt. Diesem Problem wäre über eine Verpflichtung zur Beantwortung (wie bei den Zensusbefragungen) zu begegnen.
      Diskutiert wird auch, Daten bei Abschluss eines Mietvertrages an eine zentrale Stelle zu melden, um auf diese Weise einen Datenpool zu generieren, aus dem Daten für Erhebungen zu Mietspiegeln gezogen werden könnten
      Extremwertbereinigung: Es gibt verschiedene Verfahren der Extremwertbereinigung (box-plot-Methode, Interquartilsabstand etc.). Erwägenswert wäre, ein oder zwei Methoden zu bestimmen, bei deren Anwendung die Einhaltung der wissenschaftlichen Grundsätze legaldefiniert wird. Bei wissenschaftlichem Fortschritt (etwaige weitere oder feinere Methoden), könnte dieser geprüft und dann ggf. in der Verordnung aufgenommen werden.
      Spanne: Die Spanne bildet den Rahmen für die erhobenen Mietwerte, die die ortsüblichen Mieten darstellen. Die Größe der Spanne kann damit einen spürbaren Effekt auf die im Mietspiegel dargestellten Daten haben. Die Spanne wird nicht gesetzlich definiert, sondern politisch gesetzt. Während die Vermietervertreter eine möglichst große Spanne favorisieren bzw. eine Spanne für entbehrlich halten, sind aus Sicht der Mietervertreter Spannen unabdingbar, um vereinzelt überhöhte Mieten aus der Darstellung der ortsüblichen Vergleichsmieten auszuklammern, da sie mit der Üblichkeit der Miethöhe nichts zu tun haben. Es bedarf somit einer Klarstellung, dass es trotz Extremwertbereinigung einer Spannenbildung bedarf. Darüber hinaus sollte die Spanne definiert werden.(9)
      Mittelwert: Beim Mittelwert werden zwei Methoden diskutiert: Der Median oder das arithmetische Mittel. Der Median ist der Wert, der an der mittleren (zentralen) Stelle steht, wenn man die Werte der Größe nach sortiert. Das arithmetische Mittel ist derjenige Mittelwert, der als Quotient aus der Summe der betrachteten Zahlen und ihrer Anzahl berechnet ist. Im Rahmen der Definition der wissenschaftlichen Grundsätze sollte eine Festlegung auf den Median als Mittelwert erfolgen. Die Definition sollte – wie vom BMJV 2016 vorgeschlagen – über eine Rechtsverordnung geschehen. Die gesetzliche Grundlage und die Rechtsfolgen müssen ins BGB aufgenommen und dort ausgestaltet werden.

      (b) Beweisfragen
      Die ortsübliche Vergleichsmiete kann über einen Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten bewiesen werden. Der qualifizierte Mietspiegel – von den Gemeinden nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt und von der Behörde oder den Verbänden anerkannt – gilt als überlegenes Beweismittel. Es wird vermutet, dass die im so aufgestellten Mietspiegel abgebildeten Mieten die ortsübliche Vergleichsmiete tatsächlich wiedergeben.
      Wie bereits dargestellt, sehen sich gerade in der jüngsten Vergangenheit die Mietspiegel immer wieder juristischen Angriffen ausgesetzt. In Berlin sollen die letzten Mietspiegel nicht qualifiziert sein, da sie nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden sein sollen. Ob nun ein Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt wurde, wird derzeit bei einem qualifizierten Angriff derjenigen Partei, für die die Mietspiegelwerte ungünstig sind (i.d.R. für die Vermieter), im Rahmen einer Beweisaufnahme vom Gericht entschieden, das über die ortsübliche Vergleichsmiete im konkreten Einzelfall zu befinden hat. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze nicht eingehalten sind, verliert der Mietspiegel seine Qualifizierung. Die Vermutung, dass die Mietspiegelwerte die ortsübliche Miete abbilden, entfällt dann. Dies führt dann dazu, dass die Vergleichsmiete entweder über ein teures Sachverständigengutachten ermittelt oder der Mietspiegel als Schätzgrundlage verwandt wird. Ob letzteres die Beurteilung durch den BGH besteht, bleibt abzuwarten. Wenn man sich allerdings überlegt, mit welchen Kosten und mit welchem Aufwand die Mietspiegel erstellt werden und welche Datenmengen darin verarbeitet werden, wird schnell klar, dass allein aufgrund der weitaus breiteren Datengrundlage die im Wege der Mietspiegelerstellung ermittelte ortsübliche Miete weit bessere Ergebnisse abliefern muss, als Sachverständigengutachten, die sich in der Regel auf eine Datengrundlage von Wohnungen im einstelligen Bereich beschränken.
      Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, neben der oben bereits dargestellten Definition der wissenschaftlichen Grundsätze die Beweisregel in Bezug auf den Mietspiegel zu verbessern. Wir schlagen daher vorher, eine gestufte Beweisvermutung einzuführen. Es soll grundsätzlich dabei bleiben, dass ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellter Mietspiegel, der von den Interessenverbänden (Vermieter und Mieter) oder der Behörde anerkannt wurde, die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt. Darüber hinaus sollte gesetzlich vermutet werden, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, wenn die Interessenverbände und die Behörde den Mietspiegel anerkennen.
      Die Beweisvermutung führt gem. § 292 ZPO dazu, dass die unter Beweis gestellte Tatsache (hier also die ortsübliche Vergleichsmiete oder die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze) als bewiesen gilt. Es sei denn, dass der Beweisgegner (i.d.R. der Vermieter) im Einzelfall das Gegenteil beweist. Gerade wenn sowohl Interessenvertreter der Vermieter als auch der Mieter den Mietspiegel anerkennen, kann man davon ausgehen, dass nicht nur die ermittelten Mieten, sondern auch die Aufstellung des Mietspiegels selber ordnungsgemäß erfolgt sind. Ein Gegenbeweis bleibt aber möglich.
      Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, den nach Landesrecht für die Aufstellung der Mietspiegel zuständigen Behörden die Möglichkeit einzuräumen, Mietspiegel als lokale Norm für verbindlich zu erklären. Der Behörde soll möglich sein, den Mietspiegel als Satzung bzw. Rechtsverordnung zu erlassen, sofern nach ihrer Prüfung die Regeln bei der Aufstellung eingehalten wurden und die Interessenverbände zugestimmt haben. In diesem Fall würde das Zivilgericht, das über die ortsübliche Miete zu befinden hat, inzident prüfen, ob der Mietspiegel ordnungsgemäß aufgestellt worden ist. In Bundesländern, die über eine Verordnung nach § 47 VwGO verfügen, könnte zudem eine Normkontrolle angestrengt werden. Die doppelte Beweisvermutung und die Möglichkeit durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden die Mietspiegel für verbindlich zu erklären, sollen für mehr Sicherheit im Streit über die richtige Miethöhe sorgen.
      II. Regelungen zur Modernisierung der Mietsache
      Der Gesetzentwurf nimmt die seit Jahren bestehende Forderung nach einer Senkung der Modernisierungsumlage in § 559 BGB auf. Mieterhöhungen durch Modernisierungsmaßnahmen gibt es bereits seit den 1950-er Jahren. Sie bedurften aufgrund der damals weitgehend geltenden Mietpreisbindung der Zustimmung der Behörden und bewegten sich zwischen 6 und 15 %. Sie sollten zunächst dazu dienen, die Wohnungen, die zum Teil noch Etagentoiletten und keine Bäder aufwiesen, mit einem höheren Wohnkomfort auszustatten. Zutreffend weist die Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfes darauf hin, dass es 1974 zur Einführung des Miethöhegesetzes und damit zunächst zu einer Modernisierungsumlage von 14 % kam, die 1978 auf 11 % gesenkt wurde. Diesen Werten lag 1974 ein durchschnittlicher Zinssatz für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke von 10,44 Prozent zugrunde, der sich 1978 bereits auf 6,39 Prozent abgesenkt hatte. Aus einer Absenkung der Kreditzinsen von ca. 4 % folgte eine Absenkung der Modernisierungsumlage um 3 %.
      Die Begründung des Gesetzesentwurfes weist darauf hin, dass seit 1978 der Umlagesatz konstant geblieben ist, obwohl das Zinsniveau so stark gesunken ist, dass im Januar 2018 der Zinssatz für nicht besicherte Wohnungsbaukredite an private Haushalte nur noch 1,65 % betrug.
      Das Bundesministerium für Justiz hat erkannt, dass die Modernisierungsmieterhöhung dem Vermieter die Möglichkeit bietet, die Mieten ohne eine Begrenzung nach oben zu erhöhen. Der Vergleich mit den dargestellten Zinssätzen für Spareinlagen zeigt, dass sich hier für den Vermieter eine Gelegenheit bietet, eine Rendite zu erwirtschaften, die ihresgleichen sucht. Insbesondere in der Kombination mit der Umwandlung von Häusern in Wohnungseigentum und dem Verkauf dieser Wohnungen steigt diese Rendite in schwindelerregende Höhen. Wir haben in unserer Broschüre "Preistreiber Modernisierung"(10) einige Beispiele angeführt, in denen die Mieten um bis zu 233 % nach Abschluss der Maßnahmen steigen sollte. Es ist nicht verwunderlich, dass es sich hierbei um Häuser handelt, in denen mehr als 90 % der Mieter bereits vor Beendigung der Baumaßnahmen ausgezogen sind.
      Die diesbezüglich von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zum Schutz der Mieter vor Verdrängung aus ihren Wohnungen, insbesondere auch zum Schutz von Familien vor Verdrängung aus ihrem gewohnten Wohnumfeld sind nicht einmal halbherzig zu nennen und werden ihr Ziel daher nicht erreichen.
      1. Absenkung der Modernisierungsumlage
      Wie bereits geschildert, sind die Zinssätze für Hypothekarkredite bzw. Wohnungsbaukredite enorm gesunken, von 10,44 % im Jahr 1974 auf 1,65 % im Januar 2018. Der Logik der Begründung des Gesetzesentwurfs folgend, müsste sich die Modernisierungsumlage von 14 % im Jahr 1974 auf 5 % im Jahr 2018 absenken. Das sieht der Gesetzesentwurf jedoch nicht vor. Geplant ist es, die Modernisierungsumlage gem. § 559 BGB lediglich auf 8 %, und das nur in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt und nur befristet für 5 Jahre abzusenken.
      Die geplante Regelung geht nicht weit genug.
      Sie sichert den Vermietern weiterhin eine Rendite, die weit über dem dargestellten Zinssatz für Spareinlagen von zur Zeit 0,17 % liegt und das einseitig zu Lasten der Mieter. Insbesondere die sog. energetischen Modernisierungsmaßnahmen, wie Fassadendämmung, der Einbau einer neuen Heizanlage oder neuer Fenster, die in der Regel nicht mit einer Wohnwerterhöhung einhergehen, sondern dem Klimaschutz dienen, erfolgen zu Lasten der Mieter. Sie müssen ein Vielfaches der Kosten der eingesparten Energie an Mieterhöhung zahlen. Im Gegensatz dazu sichern sich Vermieter eine satte Rendite, während Mieter, die diese Mehrkosten nicht zahlen können, die Wohnung aufgeben müssen.
      Der Härteeinwand schützt die Mieter hier nur unzureichend. Vielfach verweigern Vermieter mit dem Argument, es handle sich um für sie nicht zu vertretende Maßnahmen, die ihnen die Energieeinsparung vorschreiben, den Mietern die Anerkennung ihres Härteeinwandes und lehnen eine Reduzierung der Mieterhöhung ab. Mieter tragen hier, wenn sie gegen die Ablehnung ihrer Härteeinwände durch die Vermieter vorgehen wollen, dass volle Prozessrisiko. Trotz Geltung der Mietrechtsänderungen seit 2013 hat sich zu dieser Frage keine höchstrichterliche Rechtsprechung herausgebildet. Auch der Gesetzgeber versäumt es mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wieder, hier Klarheit zu schaffen. Die in dem Referentenentwurf von 2016 geplante Abschaffung der Ausnahmetatbestände für den Härteeinwand fehlt in dem nun vorgelegten Gesetzentwurf. Mieter, die die Modernisierungsumlage nicht zahlen können und nach einem mehrmonatigen Rechtsstreit nicht obsiegen, verlieren häufig auf diesem Weg ihre Wohnung, wenn die Summe der nicht gezahlten Modernisierungsumlagen eine Monatsmiete übersteigt und der Vermieter das Mietverhältnis inzwischen fristgerecht gekündigt hat. Eine Abwendungsbefugnis der Mieter nicht nur für fristlose, sondern auch für fristgerechte Kündigungen wegen Zahlungsverzuges sieht auch dieser Gesetzesentwurf weiterhin nicht vor, obwohl dass nicht nur von zahlreichen Interessenverbänden der Mieter sondern auch von mehreren Bundesländern in Bundesratsinitiativen immer wieder gefordert wird.
      Die vorgesehene Beschränkung der Reduzierung der Modernisierungsumlage auf Gebiete mit besonders angespannten Wohnungsmarkt ist gleichfalls abzulehnen. Die Absenkung der Kreditzinsen im Bereich des Wohnungsbaus wirkt ohne Einschränkung bundesweit. Es ist unverständlich, warum Mieter in weniger angespannten Wohnungsmarktlagen mehr zur Rendite ihres Vermieters beitragen sollen als in angespannten Lagen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, wann aus diesen weniger angespannten Lagen, solche mit mehr Anspannung werden. Es dürfte gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG verstoßen, wenn Mieter in weniger angespannten Wohnungsmarktlagen für eine Investition ihres Vermieters eine höhere Mieterhöhung zahlen müssen, als Mieter in angespannten Lagen für die gleiche Investition.
      Keine nachvollziehbare Begründung enthält der Gesetzesentwurf für die Befristung der Absenkung der Modernisierungsumlage auf 5 Jahre. Die Möglichkeit einer Evaluierung der Regelung ist auch ohne eine solche Befristung möglich.

      2. Begrenzung auf 3 €/m² in 6 Jahren
      Wie die vom Arbeitskreis Mietrecht des RAV gesammelten Beispiele zeigen, führen meist schon die energetischen Modernisierungsmaßnahmen wie Fassadendämmung, Fensteraustausch und Heizungsmodernisierung zu Mieterhöhungen zwischen 2 und 4 €/m².(11) Wird darüber hinaus ein Balkon an die Wohnung und ein Fahrstuhl an das Gebäude angebaut, sind das weitere 3 €/m². Insofern ist eine Kappungsgrenze generell zu begrüßen.
      Der Ansatz, eine Kappungsgrenze unabhängig von der Ausgangsmiete festzusetzen, trägt jedoch nicht dazu bei, die Mieter vor einer Verdrängung durch Modernisierungsmaßnahmen zu schützen. Dem könnte nur eine Bindung an die ortsübliche Vergleichsmiete Rechnung tragen. Vermieter sind nicht daran gehindert, Wohnungen oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu vermieten. Selbst wenn sie sich an die Begrenzung durch die sog Mietpreisbremse halten, ist ihnen eine Neuvermietung 10 % oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt. Mieter die vor der Geltung der sog. Mietpreisbremse eine Wohnung angemietet haben oder deren Vermieter das Gesetz nicht einhält, zahlen meist noch eine viel höhere Miete. Für viele stellt diese Miete bereits eine Belastung mit weit mehr als 30 % ihres Haushaltsnettoeinkommens dar. Eine weitere Erhöhung der Miete gem. § 558 BGB ist in diesen Fällen ausgeschlossen, da die Miete bereits über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Daher sollten auch weitere Mieterhöhungen gem. § 559 BGB ausgeschlossen bleiben.
      Der Gesetzesentwurf von 2016 sah einen Zeitraum für die Begrenzung der Mieterhöhung auf 3 €/m² für einen Zeitraum von 8 Jahren vor. Obwohl sich die Bedingungen für Mieter zwischenzeitlich erheblich verschlechtert haben und die Mieten im Durchschnitt weiter gestiegen sind, wird von dem ursprünglichen Entwurf zuungunsten der Mieter abgewichen. Eine Begründung dazu erfolgt nicht.

      3. Vereinfachtes Umlageverfahren

      Wie bereits der Entwurf aus dem Jahr 2016 sieht auch der vorliegende Entwurf die Einführung eines vereinfachten Umlageverfahrens vor. Sie soll bei Modernisierungen bis 10.000 € gelten. Es erfolgt ein pauschaler Abzug von 30 % Instandsetzungskosten. Dem Mieter soll hier kein (sozialer) Härteeinwand zustehen. Zinsvergünstigungen (§ 559 b BGB) müssen nicht berücksichtigt werden. In den nächsten fünf Jahren darf durch den Vermieter keine Mieterhöhung nach § 559 BGB geltend gemacht werden, wenn er die Grenze von Aufwendungen in Höhe von 10.000 € ausgeschöpft hat.
      Die Pauschalisierung des Instandsetzungsanteils ohne Möglichkeit des Nachweises höherer Instandsetzungskosten ist abzulehnen. Wie das in der Gesetzesbegründung aufgeführte Beispiel des Fensteraustausches zeigt, sind Maßnahmen denkbar, bei denen die durch die Modernisierung ersparten Instandsetzungskosten die Modernisierungskosten übersteigen. Das trifft nicht nur auf den Fensteraustausch, sondern häufig auch bei Modernisierung der Heizungsanlage oder der Fassaden zu. Eine Pauschalisierung auf 30 % ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Instandhaltungszustand ist abzulehnen, da es Mieter in Gebäuden und Wohnungen mit langem Instandsetzungsstau benachteiligt und deren Vermieter unangemessen bevorteilt, ja deren unterlassene Instandsetzung sogar belohnt.
      Abzulehnen ist, dass bei dieser Art der Modernisierungsumlage kein Härteeinwand möglich sein soll. Es wird darauf hingewiesen, dass in den Gebieten mit angespannten Wohnungsmarkt der Anteil der Wohnkosten vom Haushaltsnettoeinkommen jedes Jahr steigt. Viele Mieter sind hier bereits an ihrer äußersten Belastungsgrenze angelangt. Das trifft in besonderem Maße auf Rentnerhaushalte zu. Mieter, die Leistungen nach SGB II oder XII erhalten, schöpfen oft die von den Kommunen aufgestellten Angemessenheitskriterien aus und zahlen bereits von ihrem lediglich das Existenzminimum sicherstellenden Regelsatz einen Anteil der Wohnkosten. Eine weitere Belastung mit Mietkosten würde eine weitere Unterschreitung des Existenzminimums bedeuten.
      Während der Gesetzesentwurf von 2016 noch eine Umlage von lediglich 50 % der Kosten nach Abzug der Instandsetzungspauschale vorsah, was eine maximale Erhöhung um 33,33 € pro Monat bedeutet hätte (10.000 € - 3.000 € : 2 x 11 % : 12 Monate), ermöglich das nun vorgesehene vereinfachte Verfahren dem Vermieter eine Umlage von 64,17 €/Monat. (10.000 € - 3.000 € x 11 % :12 Monate)

      4. Schadensersatzregelungen
      Die in der Einführung der § 559 d BGB zu erkennende Absicht des Referentenentwurfes, den Vermieter, dem es weniger um die Modernisierung an sich sondern vielmehr um eine Beendigung des Mietverhältnisses geht, in die Haftung zu nehmen, ist zu begrüßen.
      Bereits seit den 1990-er Jahren ist insbesondere im Zusammenhang mit der Umwandlung von Gebäudeeigentum in Wohnungseigentum zu beobachten, dass diese mit erheblichen Modernisierungsmaßnahmen einhergehen. Häufig sind das neben den energetischen Maßnahmen wie Fassadendämmung, Fensteraustausch und Heizungserneuerung auch kostenintensive Maßnahmen wie Fahrstuhlanbau und Balkonanbau. Nicht selten werden hier in den Modernisierungsankündigungen überhöhte Preise angegeben, die zu Modernisierungsumlagen von 4 bis 5 €/m² in einigen Fällen sogar bis zu 12 €/m² führten. Eher sehr seltener wurden zunächst angekündigte Modernisierungsmaßnahmen später nicht durchgeführt. Daher taugt unseres Erachtens das Regelbeispiel in Absatz 2 der Vorschrift nicht. Ein solches ist nach unserer Erfahrung eher darin zu sehen, dass Modernisierungsumlagen auf der Grundlage von Baukosten angegeben werden, die unangemessen und angesichts der marktüblichen Preise überhöht sind.
      Bereits jetzt ist vielen Mietern z.B. in Fällen des vorgetäuschten Eigenbedarfs ein Schadensersatzanspruch dadurch verwehrt, dass sie sich, weil sie höhere Mietpreise nicht zahlen können, mit Ersatzwohnungen begnügen müssen, die erheblich kleiner, dafür aber nicht teurer sind. Auf diese Art und Weise entsteht ihnen zwar eine Einbuße an Wohnkomfort, aber kein finanzieller Schaden. Der Schaden besteht vielmehr in der Verringerung der Wohnfläche Der ist jedoch i.S.d. § 252 BGB nicht zu beziffern. Daher ist damit zu rechnen, dass Vermieter, die möglichen Schadensersatzansprüche in ihre Kalkulation „einpreisen“ werden. Wohl wissend, dass deren Voraussetzungen in der Durchsetzung nur sehr schwer durch die Mieter zu beweisen sein werden. Neben der Schadenshöhe trifft das vor allem auch auf die Beweispflicht des Mieters hinsichtlich der „Absicht“ des Vermieters zu. Worauf die Begründung des Gesetzesentwurfes richtig hinweist, stellt die Absicht eine innere subjektive Tatsache dar, deren Beweis daher nur sehr schwer und nur anhand von Indizien gelingen wird.
      Daher ist nicht damit zu rechnen, dass diese Vorschrift zu Anwendung kommen wird und Vermieter von dem Ziel, zum Zwecke höherer Rendite Mietverhältnisse zu beenden, abhalten wird.

      5. Was fehlt?

      6. Fazit: Die einzige Alternative ist die Abschaffung des § 559 BGB!

      Wie oben schon ausgeführt, können die Investitionen des Vermieters in seine Immobilie können im Rahmen des Vergleichsmietensystems letztlich vollständig refinanziert werden. Die Mietspiegel weisen zum Teil erhebliche Zuschläge für wohnwertverbessernde Maßnahmen aus, mit denen entsprechende Erhöhungen gerechtfertigt werden können. In Berlin etwa steigt die ortsübliche Vergleichsmiete im Altbau bei Modernisierung, da ein modernes Bad mit Handtuchheizkörper und wandhängendem WC mit in der Wand eingelassenen Spülkasten, ein Aufzug, Wärmschutzverglasung, eine moderne Küchenausstattung, eine gedämmte Fassade und niedrige Energieverbrauchskoeffizienten, sowie ein aufwändig gestaltetes Wohnumfeld wohnwerterhöhende Merkmale darstellen, mit denen der Vermieter die Miete bis an den Oberwert des Mietspiegels erhöhen kann. Allein dies dürfte ausreichen, betroffenen Vermietern eine ausreichende Rendite zu sichern.
      Letztlich aber steht hinter der Auseinandersetzung um Alternativen zum derzeitigen System der Kostenumlage die Frage, wer die Kosten der Energiewende im Wohnungsbestand tragen soll. Derzeit sind die vom Vermieter vorfinanzierten Modernisierungskosten fast ausschließlich von den Mietern zu stemmen. Diese einseitige Belastung widerspricht aber der Vorstellung von der Energiewende als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe. Sollen also die Kosten gerecht verteilt werden, steht der Staat in der Pflicht. So muss die öffentliche Hand energetische Sanierungsmaßnahmen künftig noch in viel stärkerem Maße als bisher durch Förderprogramme unterstützen oder anderweitig subventionieren. Solche Überlegungen setzen jedoch voraus, dass sich der Gesetzgeber seiner sozialen Verantwortung bewusst wird, die Kosten der Energiewende gerecht zu verteilen. Dies gilt aber auch für die Maßnahmen, die lediglich zur Wohnwertverbesserung beitragen.
      III. Reform des Kündigungsrechts

      Leider fehlt im Vergleich zum Entwurf der großen Koalition im Jahre 2016 gänzlich eine Reform des Kündigungsrechts. In der Praxis spielen Kündigungen eine immer größere Rolle. Hier kann man nicht nur recht unliebsame Mieter loswerden. Vielmehr kann man mit einer Neuvermietung in den Ballungszentren höhere Mieten generieren. Hier bedarf es eines verbesserten Schutzes.
      Über Jahrzehnte gab es einen relativ ausgewogenen Kündigungsschutz für Mieter. Mit der Zuständigkeit des BGH in wohnungsmietrechtlichen Revisionssachen ab dem 01.01.2002 hat sich die Sachlage geändert: Der Bundesgerichtshof kann nun auch in Einzelfällen entscheiden. Er kann Berufungsurteile überprüfen, sofern der Beschwerdewert von derzeit 20.000 € überschritten oder das Landgericht als Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Seither gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen, in denen der BGH dem Räumungsverlangen der Vermieter stattgegeben und den notwendigen Kündigungsschutz deutlich eingeschränkt hat.
      1. Schonfristzahlung

      Beispielhaft sei hier auf das Verfahren VIII ZR 6/04 verwiesen. Hier stellte sich dem BGH die Frage, ob die in § 569 Absatz 3 Nr. 2 BGB geregelte sog. Schonfristzahlung nur für die fristlose Kündigung oder auch für die ordentliche Kündigung gilt. Diese Regelung gestattet dem Mieter, durch Nachzahlung aller rückständigen Mieten eine Räumung nach fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzuges abzuwenden.
      Der BGH hat sich mit Hinblick auf die gesetzessystematische Stellung und auch im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes in seinem Urteil vom 16.02.2005 dagegen entschieden, dies auch auf die ordentliche (fristgemäße) Kündigung anzuwenden. Wenn der Vermieter also neben einer fristlosen auch eine fristgerechte Kündigung ausspricht – was heute die Regel ist –, nutzt die Nachzahlung nichts mehr. Der Mieter hat dann nur noch das Recht, die drei- bis neunmonatige Kündigungsfrist abzuwohnen. In der Praxis ist die Schonfristzahlung, die im Übrigen modifiziert seit 1923 galt, abgeschafft. Ob der Mieter nun sofort (da fristlos gekündigt) oder nach drei sechs oder neun Monate ausziehen muss, ist irrelevant. Eine Entscheidung über den Räumungsanspruch des Vermieters erfolgt in der Regel nach vier bis sechs Monaten. Zu dieser Zeit sind zumindest die kürzeren ordentlichen Kündigungsfristen abgelaufen.
      Nun muss man wissen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Schonfristzahlung an anderer Stelle aufgegriffen hat: Er hat Menschen mit geringerem Einkommen oder in prekären sozialen Situationen die Möglichkeit gegeben, die Mietschulden auf Darlehensbasis von den Sozialleistungsbehörden zu erhalten, um damit die Obdachlosigkeit des Mieters zu verhindern. Ein entsprechender Anspruch auf Kostenübernahme wurde in § 22 SGB II aufgenommen. Gleichzeitig wurden die Gerichte verpflichtet, die Sozialleistungsbehörden in jedem einzelnen Fall von einer Räumungsklage zu unterrichten.
      Die Briefe vom Gericht an die Sozialleistungsbehörden gibt es zwar immer noch, allerdings werden seit der Entscheidung des BGH vom 16.02.2005 die rückständigen Mieten nur noch selten übernommen. Denn die Sozialleistungsbehörden machen die Zusage des Vermieters, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird und er auf die Kündigung verzichtet, zur Voraussetzung einer Kostenübernahme. Gerade in den Ballungsgebieten haben Vermieter daran aber regelmäßig nur sehr wenig Interesse. Dies ist ein Beispiel, wie der BGH letztlich den Willen des Gesetzgebers auf den Kopf stellt. Der Gesetzgeber hat es ihm allerdings mit einer unzureichenden und immerhin 30 Jahre lang mit Abänderungen geltenden handwerklich unsauberen Regelung leicht gemacht.
      Hier muss der Gesetzgeber endlich(12) tätig werden und – wie bereits im Vorschlag des BMJV vom 2016 – die Heilungswirkung der Schonfristzahlung auf die fristlose Kündigung ausweiten und die alte Rechtspraxis wiederherstellen.
      2. Schutz vor Kündigungen im Miethöheverfahren

      Genauso verhält es sich mit dem Kündigungsschutz im Miethöheverfahren. Wenn der Mieter sich gegen Mieterhöhungen nach § 559 oder § 560 BGB (Modernisierungsumlage oder Betriebskostenerhöhung) wehrt, dürfen Vermieter wegen der insofern aufgelaufenen streitigen Mietrückstände während eines entsprechenden Rechtsstreits gem. § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB nicht kündigen können. Dieser Schutz soll zwei Monate nach rechtskräftigen Abschluss des entsprechenden Rechtsstreits enden. Gleiches gilt bisher schon für Mieterhöhungen nach §§ 558ff. BGB. Die Instanzgerichte hatten diese Regelung Jahrzehnte dahingehend ausgelegt. Allein der BGH sah es anders (u.a. Urteil vom 18.07.2012 - VIII ZR 1/11). Ähnlich wie bei der Schonfristzahlungsregelung soll der Mieter hier nur vor einer außerordentlichen Kündigung aber nicht vor einer ordentlichen Kündigung geschützt sein. So kann der Mieter schon vor der Klärung, ob einer Mieterhöhung berechtigt ist oder nicht, gekündigt werden. Die Berechtigung der Mieterhöhung kann dann im Räumungsrechtstreit geklärt werden. Damit nimmt man dem Mieter wesentliche Rechte. Ihm ist zu raten, stets der Forderung des Vermieters nachzukommen und die Sache dann später im separaten Verfahren klären zu lassen, um nicht sein Mietverhältnis zu gefährden. Verbraucherschutz ist sicherlich etwas anderes. Hier bedarf es ebenfalls einer Harmonisierung des Kündigungsrechts. Der Schutz muss sowohl für die außerordentliche wie für die ordentliche Kündigung gelten. Auch dies sah der Vorgängergesetzesentwurf von 2016 vor.
      3. Kündigungsrelevanter Mietrückstand
      Der BGH hat auch entschieden, dass der Vermieter bereits bei einem Mietrückstand von weniger als zwei Monatsmieten ordentlich kündigen kann und hat damit ebenfalls einen Meilenstein gesetzt. Bereits das preußische allgemeine Landrecht von 1794 sah den kündigungsrelevanten Mietrückstand bei zwei Monatsmieten.
      Der BGH lässt nun die fristgerechte Kündigung schon bei einem Mietrückstand von einer Monatsmiete plus einem Cent zu (Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12). Auch hier argumentiert er mit der Unterschiedlichkeit von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. In § 543 BGB, der für die außerordentliche Kündigung gilt ist zwar ein Mietrückstand von (regelmäßig) zwei Monatsmieten erforderlich. Für eine ordentliche Kündigung kann weniger reichen. Auch hier bedarf es einer gesetzgeberischen Richtigstellung. Nur ein Mietrückstand von mehr als zwei Monatsmieten soll eine Kündigung nach sich ziehen können. Dies sah der Vorgängergesetzesentwurf von 2016 ebenfalls vor.
      4. Weiterer Reformbedarf

      Im Rahmen des Kündigungsschutzes wichtig, auch die übrigen Auswüchse der Rechtsprechung zu korrigieren.

      a. Eigenbedarfskündigung

      In den letzten Jahren wurde gerade das Recht der Eigenbedarfskündigung erheblich zu Lasten der Mieter erweitert. Es reicht schon, wenn der Vermieter angibt, die Wohnung als Zweitwohnung nutzen zu wollen (LG Berlin WuM 2013, 741) oder angibt, diese für sein Au-Pair-Mädchen zu benötigen (BGH Urteil vom 11.03.2009 – VIII ZR 127/08)(13). Die Interessen der Mieter sind – obwohl auch ihr Recht an der Wohnung Verfassungsrang hat – immer nachrangig. Dies muss dringend geändert werden. Der Personenkreis, für die der Vermieter die Wohnung des Mieters beanspruchen darf, muss auf enge Familienangehörige wie Eltern, Kinder und Geschwister begrenzt werden. Gleichzeitig müssen Interessen der Mieter, die ja keinerlei Verschulden an der Kündigung trifft, mit denen ihrer Vermieter auf eine Stufe gestellt werden. Eine Kündigung sollte es allenfalls dann geben, wenn die Interessen der Vermieter an der Erlangung der Wohnung die der Mieter am Verbleib überwiegen.

      b. Kündigung wegen Vertragsverstößen
      Zunehmend werden Vertragsverstöße selbst dann als Grund für eine Kündigung genommen, wenn deren Inhalt streitig ist. So riskiert der Mieter (BGH Urteil vom 15.04.2015 - VIII ZR 281/13) seine Wohnung, wenn er eine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme nicht duldet und den Handwerkern den Zutritt zur Wohnung verwehrt. Ob der Mieter tatsächlich verpflichtet war, Zutritt zu gewähren oder nicht, wird dann im Rahmen des Räumungsrechtsstreits geklärt. Ein Unding angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten in gerichtlichen Modernisierungsduldungsverfahren. Auch eine „nur“ wegen der angedrohten Kündigung geduldete Modernisierung hat später zwingend die Modernisierungsmieterhöhung zur Folge. Selbst dann, wenn sich später herausstellt, dass die strittige Modernisierungsankündigung fehlerhaft war. Wenn der Mieter bei einer Nichtduldung gleich eine Kündigung riskiert, wird er sich dreimal überlegen, ob er seine Rechte wahrnimmt oder nicht. Daher wäre es z. B. sinnvoll, ebenso wie bei der Mieterhöhung, den Streit über Duldungspflichten als Anlass für eine Kündigung auszuschließen.
      Im Übrigen verweisen wir auf den Gesetzesvorschlag nebst Begründung, den das Netzwerk Mieten und Wohnen erstellt hat.(14) Stellungnahme als PDF Anlagen:
      Reform des Miethöherechts Normen
      Darstellung der Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Eigenbedarf Berlin, 10.08.2018

      (1) Tatsächlich wurden im Jahre 2016 278.000 Wohnungen und im Jahre 2015 248.000 Wohnungen fertig gestellt. Hiervon waren im Jahre 2016 nur 53.000 Mietwohnungen und im Jahre 2015 46.000 Wohnungen. Hiervon sind aber in beiden Jahren nur 40.000 Sozialwohnungen fertig gestellt worden. Dies reicht noch nicht einmal aus, den jährlichen Schwund von 50.000 Sozialwohnungen zu kompensieren.
      https://www.mieterbund.de/presse/pressemeldung-detailansicht/article/40480-deutschland-2017-1-million-wohnungen-fehlen-mieten-steigen-ungebremst.html
      (2) Siehe hierzu http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/mieten-in-sozialwohnungen-kaum-guenstige-angebote-auf-freiem-markt-a-1067873.html
      (3) vgl. Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 2018, S. 18
      (4) u.a. Bohner, Ordnungswidrige Mietpreisüberhöhung, 2. Aufl. S. 7
      (5) Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. III 46
      (6) u.a. Derleder WuM 2013, 383, 386
      (7) instruktiv hierzu Derleder, a.a.O., 391)
      (8) u.a. Emmert in Handbuch des Mietrechts § 12 Rn. 97
      (9) Die Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung enthalten die Aussage, dass eine 2/3-Spanne als „üblich angesehen“ wird (S. 28).
      (10) Erreichbar unter https://bit.ly/2M60SnN
      (11) siehe oben Fußnote 9
      (12) vgl. nur Artz, Von Reformen und Reförmchen NJW 2015, 1573, 1577
      (13) Zur Entwicklung der Rechtsprechung zum Eigenbedarf verweisen wir auf unsere beigefügte Ausarbeitung.
      (14) Anzusteuern unter http://www.netzwerk-mieten-wohnen.de/content/mietrecht-neu-denken]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-565Fri, 29 Jun 2018 10:30:00 +0200Bundesweites Treffen der alternativen Mietervereine/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundesweites-treffen-der-alternativen-mietervereine-565Gemeinsame Pressemitteilung, 29.6.2018Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz zur Änderung des Mietrechts. Neue Regelungen sieht der von Bundesjustizministerin Katarina Barley vorgelegte Referentenentwurf unter anderem bei der Mietpreisbremse und der Modernisierungsmieterhöhung vor. Der Entwurf wurde bereits anderen Ressorts zur Abstimmung zugeleitet. Große Kritik gab es von Seiten der alternativen Mietervereine an der geplanten Änderung des § 559 BGB, die nach Auffassung aller Beteiligten nicht weit genug geht. Insbesondere die Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 Prozent auf 8 Prozent wird angesichts stark gestiegener Baukosten keine Entlastung für Mieterinnen und Mieter bringen. »Die auf 3 €/qm in sechs Jahren gekappte Modernisierungsmieterhöhung bleibt für viele Mieterinnen und Mieter eine nicht leistbare Belastung«, kommentiert Jürgen Lutz vom Verein Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V. Die alternativen Mietervereine halten ihre Forderung nach Abschaffung der Modernisierungsmieterhöhung gemäß § 559 BGB aufrecht. Bei Verbesserung des Ausstattungsstandards einer Wohnung bietet das deutsche Mietrecht auch ohne §559 BGB die Möglichkeit Modernisierungszuschüsse durch Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete modernisierter Wohnungen auf die Miete umzulegen (Mieterhöhung nach §558 BGB). Dieses Vergleichsmietensystem soll Mieterinnen und Mieter vor exorbitanten Mieterhöhungen schützen. »Modernisierungsmieterhöhungen gehen aber in der Praxis weit über diese ortsübliche Vergleichsmiete hinaus und bilden daher eine systemfremde Ausnahme im Vergleichsmietensystem. Das führt zur Verdrängung von Mieterinnen und Mietern«, erläutert Henrik Solf vom RAV.  Die Kosten von Modernisierungen nicht länger den Mieterinnen und Mietern aufzubürden, würde die Mietpreisspirale der größeren Städte und Ballungszentren zumindest dämpfen. Auch die Korrekturen an den Regelungen der Mietpreisbremse im Referentenentwurf sind halbherzig. Vermieter sollen künftig verpflichtet sein, einem Mieter vor Abschluss des Mietvertrages unaufgefordert Auskunft über die zuvor für die Wohnung vereinbarte Miete zu erteilen. Zudem soll es für Mieter künftig einfacher sein, Verstöße gegen die Mietpreisbremse zu rügen. »Die grundlegenden Konstruktionsfehler der Mietpreisbremse werden vom geplanten Mietrechtsanpassungsgesetz nicht korrigiert«, kritisiert Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin vom Verein Mieter helfen Mietern Hamburg. Die bisherigen Ausnahmeregelungen (umfassende Modernisierung, Neubau, Bestandsschutz für überhöhte Vormieten), die zur praktischen Bedeutungslosigkeit der Mietpreisbremse führten, bleiben zudem völlig unberührt. Pressekontakt: Conny Petzold (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V., conny.petzold@mhm-ffm.de, 069-283548) Diese Pressemitteilung wird herausgegeben von/vomPM der alternativen Mietervereine und AK-MietR im RAV als PDF]]>Mietrecht (doublet)news-564Wed, 27 Jun 2018 12:30:00 +0200Nein zum neuen Polizeigesetz NRW!<br >Kein Angriff auf unsere Freiheit und Grundrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nein-zum-neuen-polizeigesetz-nrw-br-kein-angriff-auf-unsere-freiheit-und-grundrechte-564Pressemitteilung Nr. 6 vom 27. Juni 2018Die NRW-Landesregierung plant eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll das Gesetz ohne Diskussion verabschiedet werden. Diese Verschärfung hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und Gewaltenteilung aus. Ein breites Bündnis in NRW ruft zu einer Demonstration gegen diesen Angriff der Landesregierung am 7. Juli auf – so auch der RAV.

      Das neue Polizeigesetz will Menschen auch ohne konkreten Verdacht anhalten und durchsuchen können, bis zu einen Monat in Präventivgewahrsam nehmen oder mit Hausarrest zu belegen. Die Polizei soll Smartphones hacken dürfen, um Kommunikationsdienste wie WhatsApp mitzulesen – nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch in deren sozialem Umfeld. Zudem wird auch die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausgeweitet.

      Kern des neuen Polizeigesetzes ist die Einführung des diffusen Rechtsbegriffes einer ›drohenden Gefahr‹. Durch die ›drohende Gefahr‹, also die bloße Vermutung über eine vermutliche Gefahr, wird die Polizeitätigkeit vorverlagert in einen Bereich, in dem noch nichts droht, schon gar nicht eine ›konkrete Gefahr‹.

      Betroffen von diesen Grundrechtseingriffen sind nach diesen Plänen potentiell Alle. Es reicht schon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Klar ist aber auch: Manche wird es früher und härter treffen als andere – nämlich diejenigen, die bereits besonderes Ziel polizeilicher Eingriffe sind. Der im Polizeigesetz vorgesehene Ausbau ›strategischer Fahndungen‹ wird racial profiling-Kontrollen intensivieren. Auch Wohnungslose, psychisch Kranke, politisch Aktive, Streikende, Fußballfans und viele weitere werden das verstärkt zu spüren bekommen.

      2017 hatte Deutschland die niedrigste Kriminalitätsrate seit einem Vierteljahrhundert. Trotzdem werden derzeit in mehreren Bundesländern die Polizeigesetze verschärft, weil den Landesregierungen der Zeitpunkt günstig erscheint. Vage Terrorängste und ein diffuses Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung werden als Rechtfertigung vorgeschoben. Das ist letztlich der Weg in den Polizei- und Überwachungsstaat!

      Wir sagen deshalb – wie in vielen anderen Bundesländern auch – NEIN zum neuen Polizeigesetz in NRW; NEIN zum massiven Eingriff in die Grundrechte von Millionen von Menschen und NEIN zu massenhafter Überwachung unter dem Deckmäntelchen von Sicherheit und Ordnung!

      Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV, Tel. 030.417 235 55 Pressemitteilung als PDF]]>
      Polizeirecht (doublet)
      news-563Wed, 27 Jun 2018 10:20:00 +0200EU-Gipfel: Breites Bündnis fordert von Bundesregierung, Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa zu übernehmen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/eu-gipfel-breites-buendnis-fordert-von-bundesregierung-verantwortung-fuer-den-fluechtlingsschutz-in-deutschland-und-europa-zu-uebernehmen-563Gemeinsame Pressemitteilung vom 27.06.2018Vor einer massiven Einschränkung des Flüchtlingsschutzes in Europa warnt ein Bündnis von Flüchtlingshilfe-, Menschenrechts- und Wohlfahrtsorganisationen im Vorfeld des EU-Gipfels zur gemeinsamen Asylpolitik. Die 17 Unterzeichnerorganisationen der "Berliner Erklärung zum Flüchtlingsschutz", darunter PRO ASYL, Der Paritätische Gesamtverband, amnesty international und die Seenotrettungsorganisationen SOS Mediterranée und Sea-Watch, appellieren an die deutsche Bundesregierung, Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa zu übernehmen und fordern eine asylpolitische Kurskorrektur.

      Unter der Überschrift "Verfolgte Menschen brauchen Schutz – auch in Europa" sprechen sich die Organisationen in der aktuellen Debatte konsequent gegen die Zurückweisung von schutzsuchenden Menschen an nationalen oder europäischen Grenzen aus. Der Zugang zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren müsse gewährleistet sein. Vorschläge, Schutzsuchende in nordafrikanische Staaten und damit vor Europas Grenzen "aus- bzw. zwischenzulagern" und nur gezielt einige Menschen im Rahmen besonderer Programme aufzunehmen, seien keine akzeptable Lösung. "Das individuelle Recht auf Asyl kann nicht durch die Aufnahme einiger weniger Ausgewählter ersetzt werden", heißt es in der Erklärung.

      Die Organisation eint die große Sorge, "dass die aktuelle deutsche wie europäische Asylpolitik nicht mehr primär dem Schutz der Flüchtlinge als vielmehr dem Schutz der Grenzen dient." Trotz anhaltender Konflikte in Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Südsudan, Myanmar oder Somalia und weltweit steigender Flüchtlingszahlen, fänden schon jetzt immer weniger Flüchtlinge in Europa und Deutschland Schutz. Am Umgang mit Flüchtlingen zeige sich jedoch, wie verlässlich das Versprechen Europas sei, die Menschenrechte einzuhalten, heißt es in der Erklärung. Die Bundesregierung müsse klar Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa übernehmen. Die "solidarische Aufnahme von Schutzsuchenden in der EU statt nationaler Abschottung" seien das Gebot der Stunde.

      Insbesondere angesichts der dramatisch zugespitzten Situation im Mittelmeer warnt das Bündnis vor einer "Erosion der Menschenrechte" und fordert die Europäische Union auf, endlich wirksame Schritte einzuleiten, um Menschen aus Seenot zu retten: "Wir fordern die Rettung von Menschen in Seenot im Mittelmer und ihre Ausschiffung in den nächsten europäischen Hafen." Zivile Seenotrettungsorganisationen dürften nicht an ihrer Arbeit gehindert werden. "Das Recht auf Leben gilt auch auf Hoher See."

      Mitzeichnende Organisationen:

      PM als PDF

      Berliner Erklärung zum Flüchtlingsschutz

      ]]>
      GeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)Europa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-562Sat, 16 Jun 2018 16:27:00 +0200StN zum Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-entwurf-eines-gesetzes-ueber-die-versammlungsfreiheit-im-freistaat-sachsen-562Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, 11.06.2018RA Raik Höfler in Zusammenarbeit mit dem RAV zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen

      0. Vorbemerkung

      Ich bedanke mich für die Gelegenheit zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Freistaat Sachsen Stellung zu nehmen.

      In der Stellungnahme wird nur auf ausgewählte, nach Auffassung des Unterzeichners problematische Regelungen eingegangen.

      Da sich der vorliegende Gesetzentwurf an dem Gesetz zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein vom 18.06.2015 (Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein(1)) orientiert, nimmt die vorliegende Stellungnahme auf die Ausführungen in der Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. vom 07.08.2013 zu dem Gesetzesentwurf der Fraktion der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag zum Entwurf eines Gesetzes zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein(2) Bezug, soweit die Regelungen übereinstimmen.

      I. Allgemeines

      1. Grundrechtlicher Rahmen

      Gem. Art. 8 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.(3) Art. 23 Abs. 1 SächsVerf erweitert dieses Grundrecht auf alle Menschen unabhängig ihrer Nationalität.

      Das Bundesverfassungsgericht befasste sich erstmalig intensiv in dem Beschluss vom 14.05.1985(4) mit dem Grundrecht gem. Art. 8 GG und führt – bis heute maßgebend – aus:

      "Diese Freiheit ist in Art. 8 GG gewährleistet, der Versammlungen und Aufzüge - im Unterschied zu bloßen Ansammlungen oder Volksbelustigungen - als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung schützt. Dieser Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen. Es gehören auch solche mit Demonstrationscharakter dazu, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. [...]

      2. Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugute kommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art. und Inhalt der Veranstaltung und untersagt zugleich staatlichen Zwang, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben. Schon in diesem Sinne gebührt dem Grundrecht in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang; das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers. In ihrer Geltung für politische Veranstaltungen verkörpert die Freiheitsgarantie aber zugleich eine Grundentscheidung, die in ihrer Bedeutung über den Schutz gegen staatliche Eingriffe in die ungehinderte Persönlichkeitsentfaltung hinausreicht. ...

      a) In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die sich bislang mit der Versammlungsfreiheit noch nicht befasst hat, wird die Meinungsfreiheit seit langem zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gezählt. Sie gilt als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist; denn sie erst ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung und den Kampf der Meinungen als Lebenselement dieser Staatsform (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; 12, 113 [125]; 20, 56 [97]; 42, 163 [169]). Wird die Versammlungsfreiheit als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe verstanden, kann für sie nichts grundsätzlich anderes gelten."

      Art. 8 GG ist damit in erster Linie als ein Abwehrrecht gegen den Staat ausgestaltet.(5) Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen einer besonderen Rechtfertigung.
      Gem. Art. 8 Abs. 2 GG, Art. 23 Abs. 2 SächsVerf ist das Grundrecht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes einschränkbar. Einschränkungen für Versammlungen in geschlossenen Räumen sind auf Grund des fehlenden Gesetzesvorbehalts nur als Konkretisierungen der sich aus dem Grundgesetz selbst ergebenden Einschränkungen zulässig.(6)

      Zunächst gehörte das Versammlungsrecht zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit ergaben sich aus dem Gesetz über Versammlungen und Aufzüge aus dem Jahr 1953 in der jeweils geltenden Fassung.

      Zum 01.09.2006 ist die Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder übergegangen.

      Mit Gesetz vom 20.01.2010 wurde in Sachsen das SächsVersG erlassen, welches mit Urteil vom 19.04.2011 seitens des SächsVerfGH(7) aus formalen Gründen für verfassungswidrig erklärt wurde.

      Mit Gesetz vom 25.01.2012 hat der Gesetzgeber das 2. Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen erlassen, welches derzeit – nach einer Novellierung der Normen zu Bild- und Tonaufnahmen im Jahr 2013 – gilt. Dieses Gesetz übernahm das Bundesgesetz weitgehend wortgleich und integrierte lediglich landespolitische Debatten insbesondere rund um den 13. Februar 1945.(8)

      Mit dem nunmehr vorgelegten Gesetzentwurf wird erkennbar der Versuch unternommen die Versammlungsfreiheit zu stärken und veraltete Regelungen an aktuelle Entwicklungen sowohl im Tatsächlichen als auch im Rechtlichen anzupassen.
      2. Zur Struktur des Gesetzes

      Die Struktur des Gesetzentwurfs ist zu begrüßen. Entsprechend allgemeiner Gesetzessystematik werden die allgemeinen, für alle Versammlungen anwendbaren Bestimmungen „vor die Klammer“ gezogen. Hiernach folgen der praktischen Bedeutung entsprechend zunächst die Regelungen zu Versammlungen unter freiem Himmel in Abschnitt 2 und sodann in Abschnitt 3 die Versammlungen in geschlossenen Räumen. Innerhalb der jeweiligen Abschnitte erfolgt eine Gliederung nach dem zeitlichen Ablauf. Abschnitt 4 (Strafvorschriften, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung und Kosten) und Abschnitt 5 (Schlussbestimmungen) gelten sodann wieder für alle Versammlungen.
      II. Zu den einzelnen Normen1. Versammlungsleitung, § 5

      Nach der bisherigen Regelung in § 6 Abs. 1 SächsVersG musste jede Versammlung einen Leiter haben. Diese Norm wurde in dem vorliegenden Entwurf richtigerweise gestrichen.

      Allerdings suggeriert § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 des Entwurfs(9) weiterhin, dass ein Versammlungsleiter stets notwendig ist. Hiervon geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs aus.(10) Bereits in der zitierten Brokdorf-Entscheidung(11) stellte das BVerfG indes fest, dass die Regelung über eine Versammlungsleitung veraltet und mit aktuellen demonstrativen Erscheinungsformen nicht vereinbar ist.

      Zudem erweckt die Norm den falschen Eindruck, dass Versammlungen ohne Leitung nicht zulässig seien.

      Schon im bisherigen Recht und auch nach der Neufassung ist aber von Gesetzes wegen eine Versammlungsleitung nicht stets notwendig.(12) So verfügen Eil- und Spontanversammlungen regelmäßig nicht über einen Leiter und müssen dies auch nicht(13).

      Gleichwohl wird die Tatsache, dass in Eil-/Spontanversammlungen keine Leitung existiert, in der Praxis oftmals als Vorwand dafür benutzt, Versammlungen aufzulösen. Eine andere Problematik besteht darin, dass eine Delegierte oder ein Delegierter, die sich bereit erklären (z.B. für ein Bündnis, eine Initiative oder sonstigen Vorbereitungskreis) als „Ansprechpartner*in“ für Kooperationsgespräche zur Verfügung zu stehen, regelmäßig ungewollt und mit den entsprechenden Haftungsrisiken in die Rolle der Leiterin oder des Leiters gedrängt werden.

      § 5 Abs. 1 ist daher so zu fassen, dass klar wird, dass es auch Versammlungen ohne Leitungen gibt. Denkbar wäre zum Beispiel, Absatz 1 Satz 4 zu streichen und Absatz Satz 1 zu formulieren wie folgt: „Gibt es einen Veranstalter oder eine Veranstalterin der Versammlung, kann dieser oder kann diese die Versammlungsleitung selbst übernehmen oder einer anderen Person übertragen.“

      2. Uniformverbot, § 8

      § 8 Abs. 2 des Entwurfes enthält – wie bereits das Versammlungsgesetz des Bundes in § 3 VersG und § 3 SächsVersG – ein Uniformverbot und ein Verbot von Uniformteilen.(14)

      Weiter ist es nach dem Gesetzesentwurf untersagt „uniformähnliche Kleidungsstücke“ zu tragen. Die bisherige Regelung in § 3 Abs. 1 SächsVersG, wonach (neben dem Verbot von Uniformen und Uniformteilen) das Tragen „gleichartiger Kleidungsstücke“ verboten ist, ist in dem Gesetzesentwurf nicht mehr enthalten. Allerdings ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „uniformähnlichen Kleidungstücke“ gegenüber der bisherigen Regelung kein Gewinn. Dies zumal der Gesetzentwurf eine Reihe weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe benennt, wonach das Verbot dann bestehen soll, wenn infolge des „äußeren Erscheinungsbildes“ oder „durch ein paramilitärisches Auftreten“ „Gewaltbereitschaft vermittelt“ und dadurch auf „Dritte einschüchternd eingewirkt“ wird.

      Die Regelung ist abzulehnen.

      Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt eine Form der Kommunikation mit anderen, das Sich-Versammeln. Es schützt die Betätigungen der Versammlungsbeteiligten sowohl für das Zustandebringen und Durchführen einer Versammlung als auch die mit der Versammlung verbundenen Betätigungen, soweit sie im Rahmen der verfassungsunmittelbaren Gewährleistungsschranken der Friedlichkeit und Waffenlosigkeit bleiben. Geschützt sind auch die im Rahmen einer Versammlung erfolgenden Aktivitäten, die unmittelbar Aufmerksamkeit bei Dritten herbeiführen sollen. Die Versammlungsfreiheit gewährleistet also nicht nur das Sich-Versammeln als solches, sondern auch die im Rahmen einer Versammlung möglichen kollektiven Betätigungen und damit die Demonstrationsfreiheit. Als Freiheitsrecht wird grundsätzlich auch das „Wie“ der Meinungskundgabe geschützt. Einheitliche Kleidung kann selbst eine demonstrative Aussage beinhalten.(15)

      Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu zunächst klargestellt, dass die einschüchternde Massenhaftigkeit einer Versammlung allein unproblematisch ist.(16)

      Auch bei „militanten“ bzw. den Eindruck der Gewaltbereitschaft vermittelnden Versammlungen im Sinne von § 8 Abs. 2 VersG ist somit der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet. Diese Versammlungen sind keineswegs a priori unfriedlich im Sinne von Art. 8 GG. Sofern also eine Versammlung die wesentlichen Merkmale einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG aufweist, mithin auch (noch) friedlich ist, wird in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG durch die Regelung in § 8 Abs. 2 des Gesetzentwurfs dadurch verfassungswidrig eingegriffen, als der „Eindruck der Gewaltbereitschaft“ offensichtlich mit „Unfriedlichkeit“ gleichgesetzt wird. Dies ist mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut in Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar, da dieser ausschließlich die Unfriedlichkeit und Versammlung mit Waffen als nicht mit dem Grundrechtsschutz versehen vorsieht.

      In dem Beschluss vom 27.04.1982(17) führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass das Verbot „gleichartiger Kleidungsstücke“ verfassungsrechtlich (nur dann) nicht zu beanstanden ist, wenn damit Umgehungsformen des öffentlichen Uniformtragens unterbunden werden sollen. Es hat gefordert, dass erkennbar Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppen beispielsweise durch Abzeichen oder Auftreten mit militärischem Gebaren vorliegen müssen. Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass auch das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Verbots jeglicher uniformierter Bekleidung teilt.(18)

      Der Gesetzentwurf richtet sich jedoch nicht allein gegen Umgehungsformen betreffend das Uniformverbot im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, sondern gegen „uniformähnliche Kleidungsstücke“. Neben einem paramilitärischen Auftreten genügt ein äußeres Erscheinungsbild, welches Gewaltbereitschaft vermittelt und mit welchem auf Dritte einschüchternd eingewirkt wird.(19)

      In § 8 Abs. 2 des Entwurfs wird damit eine unklare und unbestimmte Rechtslage geschaffen, die es Versammlungsbehörden und der Polizei gem. § 8 Abs. 3 des Entwurfs mittels Anordnung ermöglicht die „vom Verbot erfassten Gegenstände ... oder Verhaltensweisen“ zu bezeichnen. D.h. die zuständige Behörde erhält die Deutungshoheit, wann welche uniformähnliche Kleidungsstücke wegen des äußeren Erscheinungsbildes auf Dritte einschüchternd wirken und welche Verhaltensweisen ein „paramilitärisches Auftreten“ darstellen. Es kann mithin auf Grund des subjektiven Empfindens der Mitarbeiter*innen der zuständigen Behörde ein Katalog verbotener Gegenstände und Verhaltensweisen erstellt werden, mit welchem vermeintlich auf Dritte einschüchternd eingewirkt wird.

      Die Vorschrift verstößt sowohl gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, wie auch gegen den Gesetzesvorbehalt in Art. 8 Abs. 2 GG, da der Gesetzgeber wesentliche Differenzierungsmerkmale zur Auslegung eines zu unbestimmten Gesetzes nahezu vollständig in die Hände der Behörden gibt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 des Entwurfs bzw. entsprechende Anordnungen der zuständigen Behörde einen Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 24 Abs. 1 Nr. 7 des Entwurfs darstellen soll und nach § 14 Abs. 1 und Abs. 2 des Entwurfs Identitätsfeststellung, Durchsuchung und Sicherstellung der in etwaigen Anordnungen benannter Gegenstände bereits auf dem Weg zu einer Versammlung erfolgen können, ohne das die oder der Betroffene von der Anordnung überhaupt Kenntnis erlangen konnte.
      3. Verbot von „Ersatzversammlungen“, § 12 Abs. 7
        

      Die Regelung in § 12 Abs. 7 des Entwurfs ist zu unbestimmt und nicht erforderlich.

      Handelt es sich um eine mit der aufgelösten identische Versammlung ist sie aufgelöst. Handelt es sich um eine andere Versammlung, unterliegt diese wiederum dem Schutz des Art. 8 GG und kann nur unter den Voraussetzungen des Versammlungsgesetzes aufgelöst werden.
      4. Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit von Personen, § 13 Abs. 1

      § 13 Abs. 1 ermächtigt die Versammlungsbehörde, im Vorfeld einer Versammlung einer Person die Teilnahme oder die Anwesenheit in einer Versammlung zu untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

      Das Versammlungsgesetz des Bundes enthält keine vergleichbare Regelung. Die Notwendigkeit einer derartigen Eingriffsermächtigung bereits vor Beginn der Versammlung gegen einzelne Teilnehmer und Teilnehmerinnen vorzugehen ist auch nicht ersichtlich. Überdies wird die erforderliche Prognoseentscheidung bezogen auf einzelne Personen zwangsläufig von einer noch größeren Unsicherheit geprägt sein als dies bereits für Prognoseentscheidungen bezogen auf die Versammlung als solche der Fall ist. Es steht daher zu befürchten, dass die Regelung dazu führen wird, Personen ohne hinreichende Grundlage das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschneiden.

      Da die Untersagung nach dem Wortlaut der Norm nur unmittelbar vor Beginn der Versammlung erfolgen kann, besteht die Gefahr, dass effektiver Rechtsschutz gegen eine entsprechende Verfügung nicht erreicht werden kann. Wenn beispielsweise auf dem Weg zu einer Versammlung oder direkt am Versammlungsort ein Verbot gem. § 13 Abs. 1 des Entwurfs verfügt wird, ist der oder dem Betroffenen die Teilnahme an der Versammlung faktisch verwehrt. Rechtsschutz kann erst nachträglich im Wege einer Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage erlangt werden.  Das Grundrecht auf Meinungskundgabe im Rahmen einer Versammlung könnte ausgehöhlt werden.

      Die Regelung ist daher abzulehnen.
      5. Durchsuchung und Identitätsfeststellung, § 14

      Nach § 14 Abs. 1 des Entwurfs dürfen Personen und mitgeführte Sachen durchsucht werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Waffen, Uniformen, uniformähnliche Kleidungsstücke, Vermummungsgegenstände oder Schutzausrüstungen mit sich führen. „Tatsächliche Anhaltspunkte“ liegen vor und führen nach dem Legalitätsprinzip zum Einsetzen der Strafverfolgung, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.(20) Die Regelung betrifft damit sogenannte Vorkontrollen. Diese sind bereits nach dem allgemeinen Polizeirecht zulässig.(21) Ein Bedürfnis zur Aufnahme der Norm ist nicht erkennbar.

      Weitergehend ermächtigt § 14 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs zur Durchführungen von Identitätsfeststellungen und weiteren polizei- und ordnungsrechtlichen oder strafprozessualen Maßnahmen auf dem Weg zum Ort der Versammlung, am Ort der Versammlung selbst und im Bereich des Aufzugs, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Verstoß gegen das Uniform- oder Vermummungsverbot vorliegen. Das heißt, Demonstrationsteilnehmer*innen müssen jederzeit auf Grund der „kriminalistischen Erfahrungen“ einzelner Polizeibeamter damit rechnen, dass ihre Personalien festgestellt werden. Dies ist ebenso wie die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen – hierzu sogleich – geeignet, Bürger*innen von ihrer Grundrechtsausübung abzuhalten. Wer vor oder während einer Demonstration jederzeit damit rechnen muss, dass er gegenüber einer staatlichen Institution seine Identität offenlegen muss, ohne zu wissen, ob beispielsweise Anwesenheitslisten betreffend der Teilnahme an einer Versammlung erstellt werden, wird unter Umständen von einer Grundrechtsausübung Abstand nehmen.

      Es wird hiermit zudem ohne Not eine Öffnungsklausel für sämtliche polizeirechtliche und strafprozessuale Maßnahmen geschaffen, welche in der Lage ist, den Schutzbereich des Art. 8 GG und darüber hinaus das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auszuhöhlen. Die bisherige sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen(22) wird aufgehoben.

      § 14 des Entwurfs ist damit abzulehnen.

      Soweit zur Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt wird, mit dieser Norm solle sichergestellt werden, dass die Kontrollen nicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten genutzt werden, so ist dies unverständlich. Bei den in § 14 Abs. 2 des Entwurfs benannten Verstößen gegen §§ 8 oder 16 des Entwurfs handelt es sich gem. § 24Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 des Entwurfs um Ordnungswidrigkeiten.  
      6. Bild- und Tonübertragungen, § 15

      Die Regelungen zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen sowie die entsprechenden Aufzeichnungen begegnen ebenso durchgreifenden Bedenken wie die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen, denn sie tragen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die damit einhergehenden Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung.

      § 15 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 des Entwurfs regeln zunächst allgemein die Befugnis der Polizei, personenbezogene Daten von Versammlungsteilnehmer*innen zu erheben und zu verarbeiten, um von diesen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit (bzw. für die Friedlichkeit der Versammlung) abzuwehren. Satz 2 stellt klar, dass die Maßnahme auch durchgeführt werden darf, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen sind.

      Da dies regelmäßig der Fall sein dürfte, läuft die Regelung im Ergebnis darauf hinaus, dass eine Vielzahl von (unvermeidbar betroffenen) friedlichen Demonstrant*innen eines Aufzugs videografiert und damit als Nicht-Störer in Anspruch genommen werden können, wenn sich eine einzige Person als Störerin im Demonstrationszug befindet. Die Regelung greift daher in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung ein, weil jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer in einer solchen Situation damit rechnen muss, dass sowohl seine Teilnahme als solche, wie auch seine optischen oder akustischen Beiträge übertragen, festgehalten und ausgewertet werden. Ob der Polizei tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass von einer teilnehmenden Person erhebliche Gefahren ausgehen, lässt sich für die nicht störenden Versammlungsteilnehmer*innen in der Regel nicht beurteilen. Tangiert ist aber auch das Recht des Veranstalters/ der Veranstalterin, da von einer Bildübertragung und -aufzeichnung handgreiflich abschreckende Wirkungen auf potentielle Teilnehmer*innen ausgehen.

      Soweit § 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs vorsehen, dass die Aufnahmen offen vorzunehmen sind, so ändert dies an der Eingriffsqualität nichts. Es besteht gleichwohl die Gefahr, dass eine Vielzahl friedlicher Demonstrant*innen auf Grund einer vermeintlichen – in der Praxis oft nur behaupteten -  erheblichen Gefahr videografiert werden. Der offene Einsatz von Videotechnik ist ebenso geeignet, Personen von der Teilnahme an Versammlungen abzuhalten. Die offene Beobachtung durch Kameras – einschließlich Bildübertragung in den Monitorraum – stellt angesichts der mit ihr verbundenen Möglichkeiten sowohl eine neue Qualität als auch eine andere Quantität der Kontrolle dar. Sie ermöglicht beinahe mühelos – zumindest potentiell – eine lückenlose Überwachung „rund um die Uhr“ und bietet zudem zahlreiche besondere technische Möglichkeiten der Bearbeitung (z.B. Vergrößerungen durch „Heranzoomen“, Standbilder, unmittelbarer Übergang zur Aufzeichnung). Überdies weiß der Einzelne im Falle offener Videoüberwachung nicht, ob die Kamera aktuell auf ihn gerichtet ist, ob sein Bild aufgezeichnet wird, wie lange die Bilder ggfls. gespeichert werden und für welche Stellen die Daten zugänglich sind. Gerade die Unsicherheit darüber ob und wie ein bestimmtes Verhalten behördlich registriert wird, kann einen Anpassungsdruck erzeugen und Bürger*innen von der Ausübung ihrer Grundrechte abhalten; wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen notiert und als Information gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird häufig versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.(23)

      Soweit die Versammlungsleitung gem. § 15 Abs. 3 des Entwurfs unverzüglich über die Anfertigung von Aufzeichnungen in Kenntnis zu setzen ist, so ist auch dieses Korrektiv nicht geeignet, den Eingriff in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Geboten wäre zumindest, vor einer derartigen Maßnahme den oder die Veranstalter*in und die Teilnehmer*innen zu informieren und Gelegenheit zu geben, die vermeintliche Gefahrenlage abzuwenden. Erst wenn die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist, kann eine Inanspruchnahme der friedlichen Demonstrant*innen als sog. Nichtstörer*innen überhaupt in Betracht kommen.

      Ebenso wenig sind die Regelungen in § 15 Abs. 4 (Löschungspflichten) und § 15 Abs. 5 (Dokumentationspflichten) geeignet, den Eingriff zu rechtfertigen. Wenn aus Angst vor staatlicher Kontrolle und Überwachung auf die Ausübung von Grundrechten verzichtet wird, laufen nachträgliche Kontrollmöglichkeiten und Löschungsansprüche ins Leere.

      Abzulehnen sind darüber hinaus auch die in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Anfertigung von sog. Übersichtsaufnahmen.

      Übersichtsaufnahmen stellen nach inzwischen wohl allgemeiner Auffassung einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, insbesondere auch weil sie eine Identifizierung von Versammlungsteilnehmer*innen ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufzeichnungen nicht besteht.(24) Die Bezeichnung „Übersichtsaufnahme“ verharmlost daher aus grundrechtlicher Sicht die Eingriffsintensität, denn diese ist – jedenfalls solange keine besonderen technischen Vorkehrungen getroffen werden können – keineswegs anders zu bewerten als andere optische oder akustische Überwachungsmaßnahmen. In Folge dessen lassen sich auch keine geringeren Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen derartiger Eingriffe rechtfertigen.(25)

      Demgegenüber ermächtigt der Entwurf die Polizei zur Anfertigung sog. Übersichtsaufnahmen von Versammlungen und ihrem Umfeld unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Gefahr, wenn dies "wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit" im Einzelfall geboten ist. Diese tatbestandlichen Einschränkungen sind nicht geeignet, die Eingriffe in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der "Größe der Versammlung"(26) und der "Unübersichtlichkeit"(27) überlassen zunächst der Polizei die Entscheidung, ob sog. Übersichtaufnahmen „erforderlich“ sind. Angesichts des erheblichen Eingriffs in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist dies nicht akzeptabel. Rechtsschutz gegen unter Umständen rechtswidrig durchgeführte Übersichtsaufnahmen kann in der Regel erst nachträglich erlangt werden.

      Soweit der Entwurf auch hinsichtlich der Übersichtsaufnahmen eine polizeiliche Informations- und Dokumentationspflicht über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen statuiert, ist dies zwar grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings werden damit die aufgezeigten Bedenken ebenso wenig ausgeräumt wie im Rahmen der Regelung nach § 15 Abs. 1 des Entwurfs. Das Wissen darüber, DASS Übersichtsaufnahmen angefertigt werden, reduziert die Eingriffsqualität und damit die Rechtfertigungspflicht für den Eingriff in Grundrechte nicht. Dokumentationspflichten können dazu dienen nachträglichen Rechtsschutz effektiver wahrnehmen zu können, beseitigen den Eingriff vor Ort indes nicht.

      Soweit dem gegenüber der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin(28) die landesrechtliche Ermächtigung zur Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Berlin als mit der Verfassung von Berlin vereinbar erklärt, so ist dem nicht zu folgen.(29)

      Das Urteil des Berliner VerfGH ist widersprüchlich. Während zunächst zutreffend festgestellt wird, dass die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen geeignet ist, Versammlungsteilnehmer*innen von ihrer Grundrechtsausübung abzuhalten, behauptet das Gericht sodann ohne Beleg(30), dass der Umstand der offenen Überwachung und die Tatsache, dass Versammlungsteilnehmer*innen die Regelungen zur Anfertigung von Übersichtsaufnahmen kennen, zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffs führen. Das Gericht verkennt damit die Schwere des Grundrechtseingriffs.(31)

      Soweit der Berliner VerfGH hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe „Größe und Unübersichtlichkeit“ der Versammlung auf möglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz abstellt, so kann auch dies nicht zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs dienen. Mit nachträglichem Rechtsschutz kann zwar die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilichen Handelns erreicht werden. In der konkreten Situation vor Ort ist diese Möglichkeit indes wenig hilfreich. In der Praxis ist der rechtswidrige Einsatz von Videotechnik leider die Regel.(32) Verfassungsrechtliche Erwägungen sind den Polizeibeamten vor Ort oft gleichgültig. Rechtswidriges Verhalten wird geleugnet(33) oder unter Hinweis auf Befehle fortgesetzt und die Betroffenen auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen. Effektiver Grundrechtsschutz im Sinne der Gewährleistung der Versammlungsfreiheit kann so nicht erreicht werden.
      7. Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot, § 16

      § 16 des Entwurfes normiert in Anlehnung an den Musterentwurf ein sog. Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot. Bereits in Bezug auf das inhaltlich vergleichbare Schutzwaffen- und Vermummungsverbot in § 17a VersG und § 17 SächsVersG ist von Vertreter*innen der Rechtswissenschaft ausdrücklich auf die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift hingewiesen worden.(34)

      Die den bestehenden Normen zu Recht vorgeworfenen Mängel hinsichtlich der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit gelten damit entsprechend auch für die im Entwurf vorgesehene Regelung. Dies gilt nicht nur für das unbestimmte Verbot von Gegenständen, die als "Schutzausrüstung geeignet" und "den Umständen nach" darauf gerichtet sind, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren, sondern insbesondere auch für das Maskierungs- und Vermummungsverbot. Welche Gegenstände "zur Identitätsverschleierung geeignet" und "den Umständen nach" darauf gerichtet sind, die Feststellung der Identität zu verhindern, bleibt völlig im Vagen. Es ist nicht erkennbar, bei welchem Wetter ein Schal, ein Rollkragenpullover oder eine Sonnenbrille als Witterungs- oder Sonnenschutz sozialadäquat ist und wann ein Vermummungsgegenstand.(35)

      Auch erkennt bereits die Begründung des Musterentwurfs ausdrücklich an, dass es legitime Gründe dafür geben kann, aus Furcht vor Sanktionen von Arbeitgeber*innen oder vor staatlicher Erfassung der durch die Teilnahme an einer Versammlung ausgedrückten Haltung anonym bleiben zu wollen.(36) Das Vermummungsverbot steht insoweit im Zusammenhang mit der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen. Wer befürchten muss, nicht anonym an Kundgebungen teilzunehmen steht vor der Wahl sein Grundrecht nicht auszuüben oder identitätsverschleiernde Maßnahmen zu ergreifen.

      Zuzustimmen ist der Begründung des Gesetzentwurfs dahingehend, als dass nach der nunmehrigen Formulierung eine Vermummung zum Schutz vor dem politischen Gegner nicht unter § 16 des Entwurfs fällt(37), sondern nur die Identitätsverschleierung zum Zweck der Strafverfolgung. Da jedoch bereits das Mitsichführen – und nicht das Verwenden in einer konkreten Situation – verboten ist, obliegt es der vor Ort nicht zu widerlegenden Prognose des Polizeivollzugsdienstes, zu welchem Zweck die Gegenstände mitgeführt werden. Die Einschränkung auf eine bestimmte Zweckrichtung ist mithin nicht geeignet, der Norm zur Verfassungsmäßigkeit zu verhelfen.
       
      Zudem übersieht der Gesetzentwurf, dass Maskierungen oft bestimmte versammlungsimmanente Inhalte, etwa durch das Tragen von Masken aus Pappmaché, durch Papiermasken (wie etwa die in Zusammenhang mit der Gruppe Anonymous bekannt gewordene Guy-Fawkes-Masken) oder geschlossene Ganzkörperanzüge aus Papier (etwa bei Anti-AKW-Demonstrationen) verkörpern.(38)

      Versammlungsteilnehmer*innen werden damit weiterhin befürchten müssen, von gefahrenabwehrrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen betroffen zu werden. Die aus „den Umständen“ durch die Polizei abgeleitete Zielrichtung ist nicht geeignet, einer extensiven Anwendung des Maskierungs- und Vermummungsverbots entgegenzuwirken. Das legitime und auch grundrechtlich geschützte Interesse vieler Versammlungsteilnehmer*innen an Anonymität oder Maskerade droht daher letztlich leer zu laufen.

      Hinsichtlich der in § 16 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehenen Anordnungsbefugnis ist auf die Ausführungen zu § 8 Abs. 3 des Entwurfs zu verweisen.

      Das normierte Vermummungsverbot ist damit abzulehnen.(39)
      8. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

      8.1. § 23 Abs. 2 des Entwurfs – Mitführen von Gegenständen nach einer Versammlung
      Die Strafbarkeit des Mitführens von Waffen oder sonstigen Gegenständen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs „im Anschluss an eine Versammlung“ ist weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt.

      8.2. § 24 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs – Aufruf zu vollziehbar verbotenen Versammlungen
      Dieser Tatbestand ist in der jetzigen Fassung zu weit. Nach dem Wortlaut würde auch ein Aufrufen unter den Tatbestand fallen, das stattfindet, während gegen das Verbot noch gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen wird.

      8.3. § 24 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs – Sanktionierung von Blockaden

      Mit der Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs soll die Teilnahme an Blockaden und anderen Aktivitäten, die andere Versammlungen stören, mit einer Geldbuße zu ahnden sein.

      Der Entwurf richtet sich gegen eine Form des zivilen Ungehorsams, der in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert ist und in der Vergangenheit nicht zuletzt auch von vielen Parteien einschließlich der SPD und der Grünen aktiv mitgetragen und mitgestaltet wurde. Er zielt darauf ab, das sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen entwickelte zivilgesellschaftliche Engagement gegen Neo-Nazi-Veranstaltungen zu sanktionieren. Dies obwohl auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1995(40) grundsätzlich das Mittel der (Sitz-)Blockade als Mittel der politischen Meinungs- und Demonstrationsfreiheit anerkannt hat, sofern der Ort, an dem die Blockade stattfindet, symbolisch für das politische Ziel steht.

      Das ist bei Zufahrtswegen und Strecken von Nazi-Versammlungen selbstverständlich der Fall. Wer äußern möchte, dass den Nazis die Straße eben gerade nicht gehört und thematisieren will, dass sie ihre Propaganda und ihre Drohungen nicht dort verbreiten sollen, wo zum Beispiel von ihnen gefährdete Personen wohnen oder gefährdete Einrichtungen residieren, wird genau dort stehen bzw. sitzen und demonstrieren.

      Eine Sanktionierung ist zudem nicht das richtige Mittel, um dem Konflikt zwischen Demonstrationen mit gegensätzlichen Zielrichtungen beizukommen. Hier muss in jedem konkreten Fall von Demonstrationen, die bürgerschaftlichen Widerspruch hervorrufen, auf andere Mittel in der kommunalen Entscheidungsebene oder in der polizeilichen Praxis gesetzt werden.

      Die Vorschrift des Gesetzentwurfs nivelliert die Unterschiede zwischen friedlichem Protest und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Personen mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Es steht daher zu befürchten, dass das polizeiliche Vorgehen gegen den friedlichen Protestierenden härter und repressiver wird.
      Dann ist damit zu rechnen, dass insgesamt die Gefahr der gewalttätigen Auseinandersetzungen steigt. Denn dass mit dem geplanten Gesetz auch denjenigen, die Gewaltfreiheit propagieren, eine Bestrafung angedroht wird, wenn sie auf der Straße sitzen, kann dazu führen, dass die gesetzlichen Grenzen an Akzeptanz verlieren und vermehrt Konflikte mit der staatlichen Gewalt auftreten. 8.4. § 24 Abs. 1 Nr. 7 – Sanktionierung des Verstoßes gegen das Uniformverbot gem. § 8 Abs. 2 des Entwurfs
      Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm ist auch eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen.

      8.5. § 24 Abs. 1 Nr. 8 – Sanktionierung des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot gem. § 16 des Entwurfs
      Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm ist auch diese Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen.

      8.6. § 24 Abs. 1 Nr. 9 – Sanktionierung des Verstoßes gegen die Untersagung der Teilnahme gem. § 13 Abs. 1 des Entwurfs
      Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs. 1 des Entwurfs ist auch diese Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen. Leipzig, den 11.06.2018

      RA Raik Höfler Fußnoten
      (1) Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 2015, S. 135 ff.
      (2) Siehe Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/1564 und http://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Stellungnahmen/130814_StN_RAV_GE_Versammlungsgesetz_in_SH.pdf
      (3) Europarechtskonform gilt dieses Grundrecht für alle EU-Bürger*innen.
      (4) Az.: 1 BvR 233, 341/81 – bekannt als sog. Brokdorf-Entscheidung
      (5) vgl. Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, § 1 Rn 92  
      (6) vgl. Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, Vor § 5 Rn 2  
      (7) vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 19.04.2011, Az.: Vf. 74-II-10
      (8) Aden in Vorgänge 2016, 7, 11
      (9) diese Regelungen entsprechen den bisherigen § 6 Abs. 2 und Abs. 3 SächsVersG
      (10) vgl. Seite 27 und Seite 28 des Entwurfs
      (11) BVerfGE 69, 315, 358
      (12) vgl. zur sog. leiterlosen Versammlung: Kniesel/Poscher in HB d. PolR, 4.Auflage 2007, Kap. J Rn 212 m.w.N.  
      (13) vgl. Elzermann, Kommentar zum SächsVersG, 1.Auflage 2016, § 14 Rn 21
      (14) vgl. zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 3 VersG umfassend und zutreffend: Ott/Wächtler/Heinhold, Kommentar zum VersG, 7.Auflage 2010, § 3 Rn 2 ff. ; Kniesel/Poscher in HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 294
      (15) Kniesel/Poscher in HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 295
      (16) BVerfGE, 69, 315(353)).
      (17) Az.: 1 BvR 1138/81
      (18) Ott/Wächtler/Heinhold, Kommentar zum VersG, 7.Auflage 2010, § 3 Rn 3
      (19) entgegen der Gesetzesbegründung sind damit auch weiterhin zivile Kleidungsstücke potentiell von dem Verbot umfasst
      (20) vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/ Schmitt, Kommentar zur StPO, 57.Auflage 2014, § 152 Rn 4
      (21) vgl. Kniesl/Poscher, HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 37
      (22) vgl. Kniesl/Poscher, HB d. PolR, 5.Auflage 2012, Kap. K Rn 23
      (23) vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10.07.2003, Az.: Vf. 43-II-00 unter Hinweis auf BVerfGE 65, 1 ff.
      (24) BVerfG Beschluss vom 17.2.2009, Az.: 1 BvR 2492/08, Rn 130
      (25) ebenso im Rahmen der vorläufigen teilweisen Außerkraftsetzung des BayVersG: BVerfG Beschluss vom 17.2.2009, Az.: 1 BvR 2492/08, Rn 134
      (26) nach VG Göttingen, Urteil vom 11.12.2013, Az.: 1 A 283/12 soll eine Teilnehmerzahl von 50-60 Personen die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen noch nicht erforderlich machen
      (27) diese soll nach Ullrich/ Weiner/Brüggemann – zitiert nach Elzermann, SächsVersG, § 20 Rn 6 bereits bei einer Teilnehmer von unter 50 möglich sein
      (28) Urteil vom 11.04.2014Az.: 129/13
      (29) Ebenso: Neskovic/Uhlig, NVwZ 2014, 335 ff., dies. NVwZ 2014, 1317 ff., Heinrich, Vorgänge 2014, 83 ff.
      (30) vgl. hierzu: Arzt/Ullrich, Vorgänge 2016, 46 (54)
      (31) Ebenso das Sondervotum des Richters Starostik
      (32) ebenso die Erfahrungen von Arzt/ Ullrich, Vorgänge 2016, 46 (55)
      (33) vgl. beispielsweise den, dem Urteil des VG Leipzig vom 17.06.2016, Az.: 1 K 222/13 zu Grunde liegenden Sachverhalt
      (34) vgl. hierzu ausführlich Ott/Wächtler/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, § 17a Rn 1 ff; differenziert dagegen Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, § 17a Rn 4 ff
      (35) vgl. Kretschmer,, Ein Blick in das Versammlungsstrafrecht, NStZ 2015, 504 (507)
      (36) Arbeitskreis Versammlungsrecht, ME VersG, S. 78
      (37) vgl. hierzu: Elzermann, Kommentar zum SächsVersG, § 17 Rn 16 ff m.w.N.
      (38) vgl. Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Kommentar zum VersG, 16.Auflage 2011, § 17a Rn 7 ; Dürig-Friedl in Versammlungsrecht 2016, § 17a Rn 24
      (39) ebenso: Roos/ Bula, Das Versammlungsrecht in der praktischen Anwendung, 2.Auflage 2009, Rn 503 ff. ; Anden, Vorgänge 2016, 7, 15
      (40) Beschluss vom 10.01.1995, Az.: 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 und nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011, Az.: 1 BvR 388/05 StN als PDF]]>
      Versammlungsfreiheit
      news-559Wed, 13 Jun 2018 15:13:00 +0200Mietpreisbremse verfassungsgemäß!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-verfassungsgemaess-559Pressemitteilung Nr. 5 vom 13.6.2018Die 65. Zivilkammer des Landgerichts Berlin hat die Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse bestätigt und widerspricht damit in ihrem ausführlich begründeten Urteil vom 25. April 2018 (Az. 65 S 238/17) ausdrücklich der 67. Kammer des Berliner Landgerichts, die die Mietpreisbremse mit ihrem Beschluss vom 7. Dezember 2017 (Az. 67 S 218/17) dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hatte, weil sie sie für verfassungswidrig hielt.

      Auch das Vorgehen der 63. Zivilkammer des Landgerichts Berlin, die per Beschluss vom 23.01.2018 (Az. 63 S 156/17) einen Rechtsstreit über die Mietpreisbremse bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aussetzte, hält die 65. Zivilkammer für falsch und erläutert dies ausführlich.

      In ihrem Urteil befand die 65. Zivilkammer zudem, dass die Mietpreisbremse auch für die vorliegende Konstellation des Austausches der Hauptmieter eines Mietvertrags anwendbar sei. Der Austausch der Hauptmieter eines Mietvertrags bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Erhöhung der Miete sei ein unzulässiges Umgehungsgeschäft.
      Konkret ging es darum, dass die Vermieterin die Kündigung der ausziehenden Hauptmieterin einer von mehreren jungen Leuten bewohnten Wohnung zur Bedingung für einen Vertragsabschluss mit den bisherigen Untermietern machte. Nach der Kündigung der Hauptmieterin bestand die Vermieterin jedoch plötzlich darauf, noch in der verbleibenden Mietzeit eine Vertragsänderung zu vereinbaren, laut der die Untermieter zu Hauptmietern werden würden, die bisherige Hauptmieterin aus dem Vertrag ausscheiden und die Miete für die 58m² große Wohnung um über 300,- EUR steigen sollte. Andernfalls wollte sie keinen Vertrag mit den Untermietern abschließen.
      Es ging der Vermieterin also offensichtlich darum, die bei einem neuen Vertragsabschluss anwendbare Mietpreisbremse zu umgehen.

      Das Landgericht sah darin ein unzulässiges Umgehungsgeschäft.

      Rechtsanwalt Max Althoff erklärt dazu für den ›Arbeitskreis Mietrecht‹ im RAV: »Mit dieser Entscheidung bestätigt die 65. Zivilkammer des Landgerichts Berlin unsere Rechtsauffassung in Sachen Mietpreisbremse«.

      Kontakt für weitere Informationen zum Urteil:
      RA Max Althoff, Tel. 030.342 24 42
      althoff@ra-charlottenburg.de
      Zum Hintergrund der Urteile s. RAV-InfoBrief #115
      https://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-115-2018/ein-aktueller-kampf-ums-wohnen/ Mietpreisbremse verfassungsgemäß! (PM als PDF)]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-558Wed, 13 Jun 2018 13:37:00 +0200Einladung zum Berliner RAV-Regionaltreffen 3/2018/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-rav-regionaltreffen-3-2018-558Mittwoch 13.6.2018 um 19 h Das sogenannte „Schmücker-Verfahren“Stadtteilzentrums Familiengarten, Oranienstr. 34 (Hinterhof), 10999 Berlin (U-Bahnhof Kottbusser Tor oder Moritzplatz, M29 Oranienstr./Adalbertstr.)
      (Achtung: diesmal im Familiengarten und nicht wie üblich in der KuB!) Bei diesem 3. Berliner RAV-Regionaltreffen wird es um das sogenannte „Schmücker-Verfahren“ gehen. Dieses Strafverfahren gilt als besonders spektakuläres Beispiel eines Prozesses, der von Anfang an von Geheimdiensten gesteuert worden ist. Es hat die bundesdeutsche Justiz über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren beschäftigt. Nach einem Überblick über dieses Verfahren durch Rechtsanwalt Ulrich v. Klinggräff besteht die Möglichkeit, mit einem der damaligen Verteidiger, Philipp Heinisch, ins Gespräch zu kommen. Wir freuen uns auf zahlreiches Kommen.   Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.]]>
      RAV-Historie
      news-548Tue, 22 May 2018 15:33:00 +0200Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-staerkung-des-rechts-des-angeklagten-auf-anwesenheit-in-der-verhandlung-548Stellungnahme des RAV zum Referentenentwurf, 22.5.18
      Verfasser: Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, Bremen.

      A. Allgemeine Anmerkungen

      Der Entwurf diene „im Wesentlichen [so die allgemeine Begründung – s. dazu u. B. – auf S. 5] der Umsetzung der Richtlinie EU 2016/343“ vom 9.3.2016 über die „Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren“ – bereits der Name des geplanten Gesetzes „zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ lässt erkennen, dass jene Richtlinie im Wesentlichen, oder doch jedenfalls in einem ganz wesentlichen Punkt nicht umgesetzt werden soll: Eine „Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung“ ist nicht beabsichtigt, obwohl Schwerpunkt der gerade auch insoweit durchaus lesenswerten Richtlinie.(1) Dazu heißt es in dem vorliegenden BMJV-Entwurf zunächst lapidar (a.a.O.), da das deutsche Recht „den Vorgaben der Richtlinie weitgehend“ bereits entspreche, seien zur Umsetzung der Richtlinie „nur punktuelle Änderungen erforderlich“; soll wohl heißen: Kein Handlungs- resp. Regelungsbedarf in puncto Unschuldsvermutung – eine ‚steile‘ These!

      Vor dem Hintergrund der „weitgehenden“ normativen Abstinenz des nationalen Strafprozess- und -verfassungsrechts zur Unschuldsvermutung erweist es sich als beklagenswertes Versäumnis, dass die durch die EU-Richtlinie 2016/343 unterbreitete Steilvorlage zur rechtspolitischen Nachbesserung vom BMJV ignoriert wird. Weder das deutsche Grundgesetz noch die deutsche Strafprozessordnung erwähnen die Unschuldsvermutung auch nur. Man mag es als Verneigung gegenüber der überragenden Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) werten, dass allenthalben auf deren Art. 6 Abs. 2 verwiesen wird, wenn es gilt, die Unschuldsvermutung in ihrer ebenso überragenden Bedeutung als Grundpfeiler des Strafverfahrens(rechts) zu benennen und rechtlich zu verorten. Wenn im Übrigen aber lediglich das allgemeine „Rechtsstaatsprinzip“ als Rechtsgrundlage herhalten kann, wird bereits deutlich, dass es damit nicht getan ist – dass es aber auch mit Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht getan ist (ohne dessen Bedeutung schmälern zu wollen), lassen nicht nur die Artt. 47 und 48 der EU-Grundrechte-Charta erkennen (die im deutschen Prozessrecht bisher freilich nicht gelten), sondern gerade auch die vorliegende EU-Richtlinie 2016/343 in ihren Artt. 3 bis 7.

      Soweit es in dem vorliegenden Entwurf (unter A. II. 2. b, a.a.O. S. 10/11) demgegenüber heißt, der Grundsatz der Unschuldsvermutung sei im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert, genieße damit „Verfassungsrang“ und sei „zusätzlich auf der Ebene einfachen Bundesrechts“ kodifiziert, womit ‚nur‘ Art. 6 Abs. 2 EMRK gemeint ist, wird das Manko einmal mehr deutlich. Die Abstinenz des vorgelegten Entwurfs in puncto Unschuldsvermutung ist selbst dann nicht akzeptabel, wenn man der Auffassung folgen will, die in den Artt. 3 bis 7 der EU-Richtlinie 2016/343 verankerten Konkretisierungen und Präzisionen zur Unschuldsvermutung seien im deutschen Recht „weitgehend“ bereits verwirklicht (RefE S. 11 ff.). Denn einerseits gilt dies eben – wie dargelegt – „weitgehend“ nur im Recht in seiner richterlichen Ausgestaltung und gerade nicht im positiven Recht der einschlägigen Gesetze, und andererseits gilt dies eben allenfalls „weitgehend“, aber nicht umfassend: Es kann keine Rede davon sein, im deutschen (nicht nur Strafprozess-) Recht und in der deutschen (nicht nur Straf-) Justiz gebe es keine Probleme mit der Unschuldsvermutung, die nicht der Mühe wert gewesen wären, sie auf Veranlassung der EU-Richtlinie legislativ in Angriff zu nehmen.(2)

      So aber hat man sich darauf beschränkt, die Richtlinie nur „zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ umzusetzen, und das einerseits auch nur punktuell (s.u. B. und C.) und andererseits – einem verbreiteten deutschen Strafprozessverständnis entsprechend – zugleich zur ‚Stärkung‘ der Pflicht des Angeklagten auf Anwesenheit, wobei zuzugestehen ist, dass auch die Richtlinie selbst vor allem Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht, also Abwesenheitsverfahren reglementiert. Die dagegen vorgebrachte Kritik(3) bleibt berechtigt: Eine Richtlinie, die wahrhaftig die „Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ fokussierte, wäre ggf. Anlass gewesen bzw,. hätte Anlass sein müssen, die in der deutschen StPO zahlreich verankerten Möglichkeiten der Abwesenheitsverhandlung auf den Prüfstand zu stellen. Da die Richtlinie letztlich aber vor allem auf eine ‚Stärkung des Rechts der Strafverfolgungsbehörden zu Abwesenheitsverhandlungen‘ hinausläuft, mag man geneigt sein, dem BMJV insoweit keinen Vorwurf zu machen. Gleichwohl bzw. so oder so: eine vertane Chance!

      Auch der Aufforderung der Richtlinie in Erwägung 42, dafür Sorge zu tragen, dass gerade in puncto Anwesenheitsrecht „die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen“ berücksichtigt werden müssen, also von Personen, die „aufgrund ihres Alters, ihrer geistigen oder körperlichen Verfassung oder aufgrund irgendeiner möglichen Behinderung nicht in der Lage sind, einem Strafverfahren zu folgen oder daran teilzunehmen“ (wobei in Erwägung 43 „Kinder“ – im internationalen Sprachgebrauch incl. Jugendliche – noch gesondert Erwähnung finden), widmet der RefE keine Zeile.(4)

      Des Weiteren ist – selbst vor dem Hintergrund ablaufender Wahlperioden und ‚holpriger‘ Wege zur Regierungsbildung – zu kritisieren, dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie bereits am 1.4.2018 abgelaufen war, also noch bevor auch nur ein RefE vorgelegt wurde. In Anbetracht der hyperaktiven bis hektischen Gesetzgebungstätigkeiten gerade des BMJV in den letzten zwei Jahren, das Gesetzesvorhaben bisweilen binnen weniger Monate bis zur Verabschiedung trieb, ist es nicht nachzuvollziehen, dass die seit dem 9.3.2016 vorliegende (und bereits seit Jahren diskutierte, also absehbare) Richtlinie zwei Jahre ‚brach‘ lag: Eine rechtspolitisch bedenkliche Prioritätensetzung.
      Wenn schließlich das beabsichtigte Gesetz (in Art. 1 Nr. 1 und 5 – insoweit ist die Fußnote auf S. 3 unzutreffend – sowie Art. 2 und 3) auch noch dafür herhalten soll, ‚en passant‘ Versäumnisse eines anderen Gesetzgebungsvorhabens (hier: zur elektronischen Akte) zu korrigieren, so schmälert dies den hochtrabenden Anspruch der Umsetzung einer so wichtigen EU-Richtlinie 2016/343 einmal mehr.

      B. Weitere Anmerkungen zur Allgemeinen Entwurfsbegründung

      Im Zentrum des Entwurfs steht § 350 StPO, mit dem ein „vollwertiges Anwesenheitsrecht des Angeklagten auch in der Revisionshauptverhandlung gewährleistet“ werden soll (S. 6 und Art. 1 Nr. 7), was zu einigen Folgeänderungen führt (Nrn. 2, 3, 8). Daneben treten Detailänderungen zur Abwesenheitsverhandlung gem. § 231 Abs. 2 (Nr.  4) bzw. § 329 StPO (Nr. 6).

      Soweit im BMJV im Übrigen in puncto „Anwesenheitsrecht“ (genauer: in puncto „Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht“, also: Abwesenheitsverhandlungen) aufgrund der Richtlinie „kein Anpassungsbedarf“ gesehen wird (S. 6 ff.), so wirft dies einerseits ein entsprechendes Licht auf die gerade auch insoweit zu Recht kritisiert Richtlinie (s.o.), andererseits ist z.B. durchaus fraglich, ob das deutsche Strafprozessrecht den Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie (Recht auf eine neue Verhandlung) durchweg gerecht wird. Auch sonst wäre eine kritischere Bestandsaufnahme der negativ beeindruckenden Liste „weiterer Ausnahmen vom Anwesenheitsrecht“ – auch in rechtsvergleichender Perspektive – angezeigt (die hier zunächst nicht geleistet werden kann).

      Dass – so der vorliegende Entwurf – die Richtlinie „zweitens [Vorgaben] zum Recht des Angeklagten auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung“ enthält (S. 5), ist mindestens missverständlich, wenn nicht irreführend: Die Richtlinie spricht durchweg von „Verdächtigen oder beschuldigten Personen“. In der Erwägung 11 heißt es insoweit explizit, sie gelte „für natürliche Personen …, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in einem Strafverfahren sind. Sie sollte ab dem Zeitpunkt gelten, in dem eine Person verdächtigt oder beschuldigt wird, eine Straftat oder eine mutmaßliche Straftat begangen zu haben, und somit schon bevor diese Peron von den zuständigen Behörden … darüber unterrichtet wird, dass sie Verdächtiger oder beschuldigte Person ist“; sie soll „in allen Abschnitten des Strafverfahren … Anwendung finden“. Dass dies auf den Aspekt der „Unschuldsvermutung“ beschränkt sein sollte, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen, vielmehr heißt es in der Erwägung 33 explizit: „Das Recht von Verdächtigen und beschuldigten Personen, in der Verhandlung anwesend zu sein, beruht auf diesem Recht“, womit das Recht auf ein faires Verfahren gemeint ist. Auch den Artt. 8 und 9 der Richtlinie ist nicht zu entnehmen, dass es nur um „Hauptverhandlungen“ gehen sollte: Vielmehr wird unterschieden zwischen „Verhandlungen“ (Art. 8 Abs. 1) und solchen, „die zu einer Entscheidung über die Schuld oder Unschuld“ führen kann (Abs. 2). Die Fokussierung des RefE auf „Angeklagte“ einerseits und (Haupt-)Verhandlungen andererseits schöpft die Richtlinie auch insoweit nicht aus.

      C. Zu den Einzelregelungen

      Die EU-Richtlinie will das Anwesenheitsrecht des Angeklagten insgesamt (Art. 8 Abs. 1), insb. aber auch dadurch stärken, dass Ausnahmen hiervon, m.a.W. also die Möglichkeiten zur Abwesenheitsverhandlung (Art. 8 Abs. 2) stärker reglementiert und implizit legitimiert werden, indem der Betroffene entweder „rechtzeitig über die Verhandlung und über die Folgen des Nichterscheinens unterrichtet“ (a.a.O. lit. a) oder von einem „bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten“ wird (lit. b). Dem folgt der vorliegende RefE durchaus überzeugend, auch wenn der Spagat zwischen Anwesenheitsrecht und -pflicht letztlich nicht durchweg gelingt bzw. zu ‚Verrenkungen‘ führt (s.u. 2.).

      1. Anwesenheitsrecht in der Revisionshauptverhandlung

      Dass der „Angeklagte, der nicht auf freiem Fuße ist“ (also zumeist in U-Haft bzw. einstweiliger Unterbringung oder in anderer Sache im Straf- bzw. Maßregelvollzug), „keinen Anspruch auf Anwesenheit“ in der Revisionshauptverhandlung hat (§ 350 Abs. 2 S. 2 StPO), ist häufig genug kritisiert worden und offenkundig auch mit der EU-Richtlinie 2016/343 nicht vereinbar; insoweit ist Änderungsbedarf also angezeigt (vgl. auch Beukelmann NJW-Spezial 2018, 312), wenn nicht ohnehin überfällig. Dies gilt ungeachtet dessen, dass Revisionshauptverhandlungen insb. dann so ‚gut‘ wie nie stattfinden, wenn ‚nur‘ der Angeklagte Revision eingelegt hat (arg. § 349 Abs. 2 StPO); aber gerade auch in staatsanwaltlichen Revisionen zum Nachteil des Angeklagten muss dem Inhaftierten die Anwesenheit gestattet sein (und demnach auch durch Vorführung ermöglicht werden), damit er sein Recht auf rechtliches Gehör (§ 351 Abs. 2 S. 1 StPO) und auf das „letzte Wort“ (S. 2) wahrnehmen kann.

      Insoweit ist die geplante Neufassung zunächst einmal dahingehend zu begrüßen, dass § 350 Abs. 2 S. 2 StPO schlicht entfällt – dass im Übrigen daran festgehalten wird, im Revisionsverfahren auch gegen Angeklagte zu verhandeln, die nicht anwesend sind, soll nunmehr durch eine Neufassung dieses Satzes bestärkt werden, wonach die Hauptverhandlung, „wenn nicht die Mitwirkung des Verteidigers notwendig ist, auch durchgeführt werden [kann], wenn weder der Angeklagte noch ein Verteidiger anwesend ist“. Ungeachtet der Frage, wann in einer Revisionshauptverhandlung legitimierweise die Notwendigkeit der Verteidigung überhaupt verneint werden kann (s.u.), irritiert hier weiterhin die abrupte Abkehr vom Dogma der Anwesenheitspflicht (s.u. 2.), so wie es letztlich nur schwer hinnehmbar ist, eine Revisionshauptverhandlung zu Lasten des Angeklagten ohne ihn und seine Verteidigung durchzuführen.

      Dass der bisherige § 350 Abs. 3 StPO infolge der o.g. Streichung des Abs. 2 S. 2 entfallen soll, ist zunächst einmal konsequent. Wenn ein neuer Abs. 1 S. 2 hingegen lediglich in puncto Ladung darauf Bezug nimmt, dass „die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig“ sein kann, so fragt sich, woraus dies dann im Einzelfall folgt resp. ob im Übrigen § 140 StPO vollumfänglich Anwendung finden soll (vgl. auch Beukelmann a.a.O.). Von Letzterem geht jedenfalls – durchaus bemerkenswert – die RefE-Begr. (a.a.O. S. 22) aus: Einerseits wird zu Recht darauf hingewiesen, mit dem geplanten Fortfall des § 350 Abs. 3 StPO verliere die (ohnehin nicht unumstrittene) Auffassung, die Beiordnung aus dem Hauptverfahren ende vor der Revisionshauptverhandlung, ihre Berechtigung; andererseits werde „die Notwendigkeit einer Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung – insbesondere am Maßstab des § 140 Abs. 2 StPO – stets zu prüfen“ sein (a.a.O.). So weit, so gut, nur dass jene Notwendigkeit nicht nur stets zu „prüfen“, sondern in Anbetracht der „Schwierigkeit der Sach- und [insb.] Rechtslage“ im Revisionsverfahren stets zu bejahen sein wird – klarer wäre es, direkt in § 350 StPO für jeden Fall einer Revisionshauptverhandlung die Notwendigkeit der Verteidigung gesetzlich festzuschreiben.(5)

      Die vorgesehenen Änderungen führen – auch insoweit der Richtlinie im Ansatz folgend – zu Folgeänderungen:
      2. Abwesenheitsverhandlung gem. § 231 Abs. 2 StPO

      In Anknüpfung an Art. 8 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie soll § 231 Abs. 2 StPO, der eine Abwesenheitsverhandlung für den Fall, dass der Angeklagte „über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet“, zulässt, dahingehend ergänzt werden, dass der Angeklagte „in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann“.

      Eine solche Ergänzung ist im Grunde zu befürworten; dass es damit getan ist, erscheint aber – insb. bei längerem Zeitablauf zwischen Ladung und dem Zeitpunkt „über die Anklage schon vernommen“ – fraglich, zumal offenbar von der Ladung i.S.d. § 216 Abs. 1 StPO die Rede ist (unklar RefE-Begr. S. 19: „ordnungsgemäße Ladung – sei es zur Hauptverhandlung oder zum Fortsetzungstermin“), weshalb sich übrigens die Frage stellt, warum die Änderung nicht dort, sondern in § 231 Abs. 2 StPO verortet werden soll.

      Gem. Nr. 137 Abs. 1 RiStBV erfolgt die Ladung zur Fortsetzungsverhandlung (um solche Fälle wird es in aller Regel gehen) mündlich am Ende des vorhergehenden Verhandlungstages, bisher unter Hinweis an den Angeklagten auf die Anwesenheitspflicht gem. §§ 230, 231 StPO. Diese Belehrung wäre genau der richtige Ort und Zeitpunkt, den Angeklagten auch auf die Möglichkeit des § 231 Abs. 2 StPO hinzuweisen. Warum diese Belehrung offenbar dennoch in die schriftliche Ladung gem. § 216 Abs. 1 StPO vorverlagert werden soll, versucht der RefE unter Verweis auf eine vermeintliche Gefährdung des Grundsatzes des Anwesenheitspflicht zu rechtfertigen:

      Würde der Angeklagte am Ende eines Verhandlungstages (und nachdem er „über die Anklage schon vernommen“ ist) ordnungsgemäß darauf hingewiesen, das Gericht halte „seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich“, könne er dies dahingehend missverstehen, er brauche nicht mehr zu kommen (RefE-Begr. aaO). Soweit das BMJV insoweit auf BGHSt 46, 81 (= StV 2003, 145 m. krit. Anm. Gollwitzer = JR 2001, 337 m. krit. Anm. Keiser) verweist, greift dies einerseits schon deshalb zu kurz, weil der 3. Strafsenat zur Begründung gerade auch darauf hingewiesen hatte, dass in § 231 Abs. 2 StPO eine solche Belehrung nicht vorgeschrieben sei (sic), und andererseits gab es seinerzeit eben auch die vorliegende EU-Richtlinie noch nicht; die Begründung des BGH überzeugte letztlich nicht mehr (ähnlich Keiser a.a.O.; diff. Gollwitzer a.a.O.) als die Begründung der Gegenansicht durch das OLG Düsseldorf (NJW 1970, 1889 f.).

      Das Ganze ist nicht ehrlich und hält selbst unter den in § 231 Abs. 2 StPO genannten Voraussetzungen (s.o.) an dem Dogma fest, der Angeklagte sei durchgehend zur Anwesenheit verpflichtet – obwohl doch das Gericht ohne ihn weiter verhandeln und demgemäß auch von den Zwangsmaßnahmen gem. §§ 230 Abs. 2, 231 Abs. 1 S. 2 StPO keinen Gebrauch machen dürfte. Der Gesetzgeber soll dazu stehen, dass er hier eine entscheidende Weiche von der Anwesenheitspflicht zum Anwesenheitsrecht gestellt hat – und dies auch in der Art und Weise und dem Zeitpunkt der Belehrung zum Ausdruck bringen! Es ist übrigens auch unschlüssig, den Angeklagten zukünftig in der Ladung gem. § 216 Abs. 1 StPO über die Möglichkeit des § 231 Abs. 2 StPO zu belehren, in der Erwartung – so darf unterstellt werden – er liest und versteht dies, zugleich aber in der Hoffnung – so muss unterstellt werden – er versteht die Belehrung falsch, nämlich dahingehend, er bleibe gleichwohl zur Anwesenheit verpflichtet!?

      3. Abwesenheitsberufungsverhandlung (§ 329 StPO)

      Die Neuregelung der Abwesenheitsverhandlung im Berufungsverfahren durch Gesetz v. 17.7.2015 (wobei § 329 Abs. 7 allerdings auch vorher schon als Abs. 3 wortgleich galt) soll aus Anlass der EU-Richtlinie zu Recht eine Ergänzung bzw. Klarstellung dahingehend erfahren, dass der Angeklagte – wie jetzt bereits üblich (aber nicht vorgeschrieben, insb. auch nicht in § 35a StPO), worauf auch der RefE verweist (a.a.O. S. 20) – über sein Recht auf Wiedereinsetzung nach Zustellung des in seiner Abwesenheit ergangenen Berufungsurteils gem. § 329 Abs. 7 StPO zu belehren ist. Dem ist nichts hinzuzufügen; da es um eine Klarstellung geht, wäre allerdings zu erwägen, zugleich die entsprechende Geltung des § 47 StPO – ähnlich § 356a S. 4 StPO (bzw. S. 5 n.F., s.o.) – zu klären.

      4. Folgeregelungen zur „elektronischen Akte“

      Soweit der Entwurf in §§ 32a Abs. 4 Nr. 3 und 251 Abs. 1 Nr. 4 StPO einerseits sowie in § 110a Abs. 3 S. 1 StVollzG und Art. (gemeint §) 110a Abs. 3 S. 1 OWiG andererseits (hier jew. für die ab 2025 geltende Fassung) Korrekturen bzw. Ergänzungen zum „Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte“ vorsieht, bedarf es vorliegend keiner Anmerkung (abgesehen davon, dass es sicher nicht die letzte einschlägige Korrektur/Ergänzung ist, die in den kommenden Jahren in diesem oder jenem Gesetz angebracht werden muss). Fußnoten
      (1) Dass sie sowohl in der langjährigen Entstehungsphase (vgl. zum sog. „Grünbuch Unschuldsvermutung“ von 2006 Ahlbrecht StV 2016, 261 m.w.N.) als auch in ihrer Endfassung – in Anbetracht ihres Kompromisscharakters (s. auch Wildt AnwBl 2016 M6) letztlich nicht überraschend – nicht frei von durchaus berechtigter Kritik geblieben ist, mag hier dahinstehen (vgl. nur die BRAK-Stellungnahme 24/2014 v. Juni 2014 S. 3 ff., Schünemann StV 2016, 178 ff., Ahlbrecht a.a.O. S. 262 f. und Brodowski ZIS 2017, 18).
      (2) S. nur die von Beukelmann NJW-Spezial 2018, 312 (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) genannten Beispiele, vgl. auch Ahlbrecht StV 2016, 257 ff. m.w.N.; eine eingehendere Diskussion der Ausführungen des RefE auf den S. 11-15 kann hier zunächst nicht geleistet werden.
      (3) Z.B. von Seiten der BRAK (a.a.O.), vorab aber bereits von Seiten des EP-Rechtsausschusses (PE529.831v03-00 v. 8.4.2014): „… bedauerlich, dass die Mindestvorschriften, die mit dieser Richtlinie festgelegt werden sollen, erheblich zu wünschen übrig lassen und in manchen Fällen sogar alles andere als akzeptabel … Auffassung, dass kein Gerichtsurteil in Abwesenheit verhängt werden darf …“, vgl. auch Schünmemann a.a.O. S. 180.
      (4) Wenn sich der RefE auf S. 8 ausgerechnet im Zusammenhang mit § 247 S. 3 StPO auf die Erwägung 42 beruft, so dürfte darin ein gravierendes Missverständnis liegen; ausf. dazu Pollähne, Behindertenrechte im Strafprozess – Faire Verfahren für Menschen mit Behinderungen? in: Aichele (Hg.) Das Menschenrecht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht, 2013, 166 ff.
      (5) Dass sich die Auffassung des ehem. Vors. des 2. Strafsenats (NJW 2014, 3527 m. zust. Anm. Meyer-Mews) gegen die h.M. durchsetzen wird, wonach eine Verteidigung in Revisionshauptverhandlung nur notwendig sei bei „schwerwiegenden Fällen“ und/oder einer „besonders schwierigen“ Rechtslage (a.a.O. m.w.N.), steht bisher dahin. StN als PDF]]>
      Strafprozessrecht (doublet)
      news-547Fri, 11 May 2018 10:09:00 +0200Bayerische Verhältnisse?<br />Eine kritische Betrachtung der geplanten Änderungen im NRW-Polizeigesetz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bayerische-verhaeltnisse-br-eine-kritische-betrachtung-der-geplanten-aenderungen-im-nrw-polizeigesetz-547Informationsveranstaltung am 15.5.18, DüsseldorfReferent: Jasper Prigge, Rechtsanwalt aus Düsseldorf und Mitglied der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, berichtet über die geplanten Gesetzesänderungen, was diese für die Grundrechte aller Bürger*innen bedeuten würden - und was wir jetzt noch tun können, um das zu ändern. Zeit: Dienstag, 15.5.2018, 19:30 h
      Ort: Buchhandlung Bibabuze, Aachener Str. 1 in Düsseldorf Der Eintritt ist frei Veranstalter:
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ, NRW)
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Strafverteidiger Vereinigung-NRW e.V.
      Buchhandlung BiBaBuZe Einladung als PDF]]>
      Polizeirecht (doublet)
      news-535Mon, 07 May 2018 12:59:00 +0200Frontal-Angriff auf den Rechtsstaat<br />Alexander Dobrindt (CSU) gegen das Grundrecht auf Rechtsschutz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/frontal-angriff-auf-den-rechtsstaat-br-alexander-dobrindt-csu-gegen-das-grundrecht-auf-rechtsschutz-535Pressemitteilung Nr. 4 vom 7.5.2018Bild am Sonntag: »Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird«. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, so Dobrindt, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.
      Weder in dem konkreten Fall, noch grundsätzlich geht es bei Asylsuchenden um ›Kriminelle‹, noch handelt es sich bei medizinischer Versorgung und Diagnostik (Stichwort ›Gefälligkeitsgutachten‹) oder bei der Rechtsvertretung von Geflüchteten um eine ›Industrie‹. Für alle mit dem Rechtsstaat in Konflikt befindlichen Personen gilt:

      Die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit von Behördenentscheidungen ist ein zentrales Element des Rechtsstaats und gerade aus diesem Grunde in Art. 19 Abs. 4 GG als Grundrecht jedes Menschen formuliert. Die Aufgabe der Anwaltschaft ist es, den Einzelnen zur Wahrung seiner Grundrechte gegen den Staat zu schützen. Damit wird der Rechtsstaat nicht sabotiert, sondern verteidigt. Fakt ist: Unangekündigte Direktabschiebungen – die Betroffenen werden meist mitten in der Nacht aus den Heimen geholt, ihnen wird sodann über mehrere Stunden ohne richterlichen Beschluss die Freiheit entzogen – bedeuten für den Abzuschiebenden sowie alle übrigen Bewohnerinnen und Bewohner des Heims massive Stresszustände und lösen oft existenzielle Ängste aus. Im Jahr 2017 gab es allein am Flughafen Frankfurt/Main 18 Fälle von Selbstverletzungen oder Suiziden im dortigen Transitgewahrsam.
      Oft steht zum Zeitpunkt der Abschiebung noch gar nicht endgültig fest, ob diese rechtmäßig durchgeführt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn noch Rechtsmittel gegen die Abschiebung anhängig sind oder aber noch eingelegt werden sollen.
      Fakt ist: Dobrindt argumentiert rassistisch. Ohne jeden Skrupel diskreditiert er Geflüchtete zunächst in ideologisch-moralischer Hinsicht, um ihnen sodann das Recht auf Rechte gänzlich abzusprechen. Er legt damit die Axt an einen zentralen rechtsstaatlichen Grundpfeiler, die Rechtsweggarantie, und diffamiert zugleich gezielt die Anwaltschaft in ihrer Arbeit für die Durchsetzung der Rechte von Geflüchteten. Machte man sich seine Terminologie zu eigen, dann wäre Dobrindt beides: ›Gefährder‹ und ›Verfassungsfeind‹; er macht sich zum Vorreiter eines Rechtsverständnisses, das Nicht-Deutsche ausschließen will. »Das, was Dobrindt hier in völkisch-nationalistischer Rhetorik fordert, ist nichts Anderes als staatlich angeordneter Verfassungsbruch. Eine ganze Gruppe von Menschen soll außerhalb des Rechts gestellt werden – Anwältinnen und Anwälte, die die gerichtliche Überprüfung behördlicher Eingriffe betreiben, werden diffamiert – das ist der Aufruf zum Feindrecht«, so die stellvertretende Vorsitzende des RAV, Rechtsanwältin Franziska Nedelmann. »Wir werden diese Menschen selbstverständlich weiterhin vertreten und unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel versuchen, ihre Rechte zu wahren«. Dobrindts Angriffe gegen die Anwaltschaft mögen dem Buhlen um Wähler am rechten Rand geschuldet sein. Sie offenbaren sein vorkonstitutionelles Staatsverständnis jenseits verfassungsrechtlich-demokratischer Standards. Für den RAV liegt die Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens in der Schaffung von Massenunterbringungen, gesellschaftlicher Isolierung, Entrechtlichung von Menschengruppen durch die Einrichtung sog. ›Ankerzentren‹, der Entkernung des Asyl- und Aufenthaltsrechts sowie der verantwortungslosen Hetze von Teilen der Politik. Die engagierte und konsequente Verteidigung der Grundrechte Einzelner, die selbstverständlich auch bei der Frage einer Ausweisung oder Abschiebung Berücksichtigung finden müssen, soll durch gezielte politische Interventionen wie die von Dobrindt diskreditiert und perspektivisch abgeschafft werden. Hiergegen gilt es sich zur Wehr zu setzen. Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV: 030.417 235 55. PM als PDF]]>
      Grundrechte
      news-542Tue, 24 Apr 2018 13:44:00 +0200Drohende Gefahr in Bayern – Demo gegen das PAG am 10. Mai 2018/publikationen/mitteilungen/mitteilung/drohende-gefahr-in-bayern-demo-gegen-das-pag-am-10-mai-2018-542Der RAV ruft als Teil des Bündnisses(1) gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) zur Teilnahme an der Großkundgebung & Demonstration am 10. Mai 2018 in München auf.Aufruf: »Trotz der vehementen Kritik halten CSU und die CSU-Staatsregierung an ihren Plänen fest, wollen die nächsten Änderungen und Verschärfungen nun schnell mit ihrer Mehrheit im Landtag beschließen. Andere Bundesländer planen ähnliche Polizeigesetze nach dem Vorbild Bayerns. Deshalb müssen wir in Bayern ein lautes und wahrnehmbares Zeichen gegen den Überwachungsstaat und eine allmächtige Polizei setzen«.NO -PAG - 10. Mai 2018 ab 13.00 Uhr auf dem Marienplatz in München (1) Mitglieder des Bündnis NoPag Weiteres u.a. auch: Kommentar in der Süddeutschen Zeitung von Prof. Dr. Tobias Singelnstein (Mitglied im RAV): http://www.sueddeutsche.de/politik/gastkommentar-innere-unsicherheit-1.3943397RAV-Aufruf als PDF]]>Polizeirecht (doublet)news-541Tue, 17 Apr 2018 09:48:00 +0200Kein Schlusswort<br />Der NSU-Prozess und der Stand der Aufklärung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-schlusswort-br-der-nsu-prozess-und-der-stand-der-aufklaerung-541Podiumsgespräch, Dienstag 8. Mai 2018 um 19 h, Akademie der Künste, Berlin Mit İmran Ayata, Antonia v.d. Behrens, Sebastian Scharmer, Katrin Röggla, Heike KleffnerPodiumsdiskussion am Dienstag, den 8. Mai 2018 um 19 Uhr
      Im Großen Saal der Akademie der Künste
      Pariser Platz 4
      10117 Berlin

      „Rückhaltlose Aufklärung“ hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angehörigen der Mordopfer und Verletzten der rassistischen Mord­ und Anschlagsserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) versprochen. Zum Abschluss des Prozesses am Oberlandesgericht München gegen fünf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des NSU ziehen der Schriftsteller İmran Ayata und die Nebenklagevertreter*innen Antonia von der Behrens sowie Sebastian Scharmer im Gespräch mit der Schriftstellerin Katrin Röggla und der Journalistin Heike Kleffner eine kritische Bilanz der bisherigen juristischen und parlamentarischen Aufarbeitung im NSU­Komplex.

      Mit einer Einleitung durch Rechtsanwalt und Buchautor Wolfgang Kaleck.

      Teilnehmer*innen:

      İmran Ayata, Schriftsteller, Initiative Freundeskreis #FreeDeniz.
      Antonia von der Behrens, Nebenklagevertreterin eines Sohnes des am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık.
      Sebastian Scharmer, Nebenklagevertreter der Tochter des am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU er mordeten Mehmet Kubaşık.
      Katrin Röggla, Schriftstellerin.
      Heike Kleffner, Journalistin.

      Einleitung durch Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

      Eine Veranstaltung von NSU Watch www.nsu-watch.info und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)

      Plakat und Buchcover(PDF)

      V.i.S.d.P: NSU Watch, c/o apabiz e.V., Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin

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      NSU-Prozess
      news-540Wed, 11 Apr 2018 09:28:00 +0200›Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsam-gegen-verdraengung-und-mietenwahnsinn-540Pressemitteilung Nr. 3 (und Aufruf) 11.4.18Demonstration am Samstag, 14. April in Berlin
      Der ›Arbeitskreis Mietrecht‹ im RAV, eine seit 2013 bestehende Arbeitsgruppe aus Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die ausschließlich die Mieterseite vertritt, ruft gemeinsam mit dem Bundesvorstand des RAV zur Teilnahme an der Demonstration ›Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn‹ auf. [http://mietenwahnsinn.info/] Die Kolleginnen und Kollegen des RAV sowie Befreundete treffen sich um 14:00 Uhr unter dem Banner ›Wohnen ist Menschenrecht‹. Dort stehen auch Kolleginnen und Kollegen für Presse-Interviews zur Verfügung. »Wir erleben in unserer täglichen Arbeit, wie Mieterinnen und Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt werden«, so RAV-Mitglied Carola Handwerg vom ›AK Mietrecht‹. »Verdrängung durch Modernisierungen, Mieterhöhungen, Kündigungen aufgrund kleinster Vertragsverletzungen oder wegen angeblich mangelnder wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten, durch tatsächlichen oder vorgeschobenen Eigenbedarf«. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat jede Bundesregierung sich entweder um die Belange von Mieterinnen und Mieter nicht gekümmert oder aber die Rechte von Mieterinnen und Mietern systematisch abgebaut. Implizites oder gar explizites Ziel ist dabei zugleich gewesen, das ›Mieterland Deutschland‹ – immerhin sind noch 54 Prozent aller Wohnungen Mietwohnungen – im neoliberalen Geist zu diskreditieren. »Wahr ist aber auch: Mieterinnen und Mieter eignen sich Fachwissen an, sie organisieren Hausversammlungen, die Begleitung von Prozessterminen oder die Anwesenheit von Vielen bei Wohnungsbesichtigungen durch Vermieter oder Kaufinteressenten«, so Rechtsanwältin Carola Handwerg. »Sie haben sich wissenschaftliche Expertise angeeignet – von der so genannten energetischen Sanierung über baurechtliche Fragen bis hin zum Umgang mit der Politik«, betont Handwerg, »und dieses enorme Wissen, dass sich Mieterinnen und Mieter in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten aneignen, beeindrucken uns Anwältinnen und Anwälte enorm«. Die im RAV organisierten Anwältinnen und Anwälte wehren sich gemeinsam gegen die nicht enden wollenden Versuche, Mieterinnen und Mieter aus Profitgier aus ihren Wohnungen vertreiben zu wollen – auch deshalb ruft der RAV zur Demonstrationsteilnahme auf. Pressemitteilung als PDF]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-537Fri, 23 Mar 2018 12:51:00 +0100Einladung zum Berliner RAV-Regionaltreffen 2/2018/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-rav-regionaltreffen-2-2018-537Donnerstag, 19.4.18 um 19 h „Strafrecht als Mittel zur politischen Intervention“„Strafrecht als Mittel zur politischen Intervention“
      austauschen. Nicht nur die permanenten Verschärfungen und Erweiterungen des Strafrechts und die Erweiterungen des polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsinstrumentariums stehen seit der Gründung des RAV in ständiger Kritik, sondern auch das Strafrecht an sich. Die Forderung nach „Abschaffung des Strafrechts“ wird bestimmt von nicht wenigen Mitgliedern des RAV geteilt. Trotzdem gehört auch der Einsatz des Strafrechts zum Instrumentarium des RAV und (teilweise) zur Skandalisierung gesellschaftlicher Missstände und Machtverhältnisse. Sei es in der Nebenklage zur Thematisierung rassistischer Motivationen und deren Ignorieren durch die Ermittlungsbehörden, durch Strafanzeigen wegen der Begehung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder rechtswidriger Polizeigewalt, dem Begrüßen der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches oder der Forderung nach einer Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Debatte darum ist so alt wie kontrovers. Wir wollen diese Diskussion auf unserem nächsten Regionaltreffen noch mal auffrischen und uns der Frage widmen, ob und inwieweit das Strafrecht als Instrument politischer Intervention taugt, welche Gefahren (Stichwort: „Legitimierung des staatlichen Strafanspruches“) damit verbunden sind oder ob wir einfach pragmatisch damit umgehen müssen. Tobias Singelnstein wird dazu ein kurzes Input geben. Wir freuen uns auf zahlreiches Kommen.   Wie immer gilt: Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen. ACHTUNG: Alle weiteren Regionaltreffen für 2018 mussten aus Raumgründen um einen Tag (auf Donnerstag) verschoben werden: 02/2018 am 19. April
      03/2018 am 14. Juni
      04/2018 am 20. September
      05/2018 am 8. November Euer Vorbereitungsteam]]>
      RAV-Historie
      news-536Fri, 09 Mar 2018 10:52:00 +0100Bürgerrechtsorganisationen kritisieren Verbot von Newroz-Veranstaltungen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechtsorganisationen-kritisieren-verbot-von-newroz-veranstaltungen-536Pressemitteilung, 9.3.2018
      Der Dachverband kurdischer Vereine in Deutschland NAV-DEM hatte für den 17. März 2018 eine Versammlung zum kurdischen Neujahrsfest Newroz in Hannover angemeldet. Im Rahmen der Newroz-Feier sollte auch die Situation im kurdisch besiedelten Kanton Afrin in Nordsyrien thematisiert werden. Die Stadt Hannover hatte angekündigt, diese Versammlung zu verbieten, weil sie angeblich der Propaganda der PKK diene. NAV-DEM hat daraufhin seine Anmeldung zurückgezogen. Eine von einem Bündnis aus Abgeordneten, linken Gruppen und migrantischen Organisationen danach angemeldete Versammlung, die sich unter anderem gegen das angekündigte Verbot der Newroz-Versammlung richten sollte, soll nun auch von der Stadt Hannover verboten werden. Die Versammlungsbehörde behauptet, es handele sich bei der Bündnisdemo um eine reine Ersatzveranstaltung.

      Die unterzeichnenden Bürgerrechtsorganisationen verurteilen diesen massiven und ungerechtfertigten Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Newroz-Feiern und Newroz-Versammlungen sind zentrale Veranstaltungen für die kurdische Bevölkerung. Sie konnten bisher jedes Jahr stattfinden – auch in Hannover. Die jetzige Verbotspraxis hat nichts mit einer angeblich neuen Erkenntnislage zu tun, sondern ist Ausdruck eines verschärften Vorgehens der Behörden gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland. Damit reagieren die deutschen Behörden auf ständige Forderungen aus der Türkei, gegen die kurdische Bewegung stärker vorzugehen.

      Während deutsche Waffen beim völkerrechtswidrigen Angriff auf Nordsyrien eingesetzt werden, beschränken die deutschen Behörden die dagegen gerichteten Proteste; sie machen sich mit dieser Verletzung von Grundrechten zum verlängerten Arm der Erdo?an-Türkei“, kritisiert Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, die stellvertretende Vorsitzende des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

      Die Unterzeichner rufen zu Protesten gegen die Verbote auf.
      Kontakt über die Geschäftsstelle des RAV:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Tel 030.417 235 55 | Fax 030.417 235 57
      kontakt@rav.dePDF: Bürgerrechtsorganisationen kritisieren Verbot von Newroz-Veranstaltungen]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet)
      news-532Mon, 29 Jan 2018 10:46:00 +0100Einladung zum Berliner RAV-Regionaltreffen 6/2017/publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-berliner-rav-regionaltreffen-6-2017-532Mittwoch, den 07.02.2018 um 19 h „Jahresrückblick und -vorschau“news-531Fri, 12 Jan 2018 19:32:00 +0100RAV verurteilt Öffentlichkeitsfahndung nach den Nürnberger Abschiebeprotesten vom 31. Mai 2017/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-verurteilt-oeffentlichkeitsfahndung-nach-den-nuernberger-abschiebeprotesten-vom-31-mai-2017-531Pressemitteilung Nr. 2 vom 12. Januar 2018Mit einer Pressemitteilung vom 11. Januar 2018 hat die Nürnberger Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit den Protesten von Berufsschülerinnen und -schülern gegen die geplante Abschiebung eines jungen afghanischen Mitschülers von Ende Mai 2017 begonnen. Die damaligen Proteste und das harte Vorgehen der Polizei, die Pfefferspray, Schlagstöcke und Hunde gegen die Jugendlichen eingesetzt hatte, führten bundesweit zu Empörung; auch Oberbürgermeister Maly kritisierte den Polizeieinsatz damals scharf. Insgesamt lösten die Proteste eine Diskussion zur derzeitigen Abschiebepraxis aus. Hintergrund der Fahndung ist ein angeblicher Wurf einer 0,5 l Weichplastikflasche. Dabei soll ein Polizist leicht verletzt worden sein, er blieb allerdings dienstfähig. Auf den veröffentlichten Fotos wird kein Flaschenwurf gezeigt, sondern lediglich drei Bilder einer jungen Frau in einer Menschenmenge. »Eine Öffentlichkeitsfahndung ist ein erheblicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person«, so Rechtsanwalt Yunus Ziyal vom RAV. Eine zeitlich unbegrenzte und irreversible öffentliche Internet-Fahndung stellt eine massive Vorverurteilung dar. »So ein ›digitaler Pranger‹ kann zu drastischen persönlichen Einschnitten führen, ohne dass ein Rechtsverstoß überhaupt geklärt ist«, so Ziyal. Es ist erst wenige Wochen her, dass die Hamburger Polizei unter großer medialer Begleitung eine Öffentlichkeitsfahndung gegen 100 Personen mit Fotos einleitete, die sie bei den Protesten gegen den G20-Gipfel aufgenommen haben will. Insbesondere Hamburger Boulevardmedien hatten die Fahndungsbilder weiterverbreitet und mit teilweise reißerischen Kommentaren (›Krawall-Barbie‹) versehen. Schon im Hamburger Fall kritisierten Juristinnen und Juristen, Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen die Maßnahme und wiesen auf die Prangerwirkung hin. Heribert Prantl schrieb in der Süddeutschen Zeitung: »Es handelt sich um die umfassende Aufforderung an die Bevölkerung, Hilfssheriff zur spielen. Es handelt sich um die Aufforderung, eine Vielzahl von Menschen zu jagen, deren Tat oder Tatbeitrag völlig ungeklärt ist«. Offenkundig will die Staatsschutz-Abteilung der Nürnberger Polizei nun im Windschatten der Hamburger Öffentlichkeitsfahndung die Ausweitung dieser Fahndungsmethode durchsetzen. »Die angeordnete Öffentlichkeitsfahndung steht in keinem Verhältnis zu der damit einhergehenden Persönlichkeitsrechtsverletzung der betroffenen Person. Das Gesetz schreibt für das Veröffentlichen von Bildern Beschuldigter vor, dass das Gewicht der Straftat so groß sein muss, dass der intensive Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angemessen ist. Dies ist hier ganz offensichtlich nicht der Fall, so dass eine eklatante Missachtung der Unschuldsvermutung vorliegt«, so RAV-Anwalt Ziyal. »Wenn nach protestierenden Schülerinnen per Zeitungs- und Internetfoto gefahndet wird, weil sie möglicherweise eine Plastikflasche geworfen hat, dann fehlt dem Verfolgungseifer der Polizei jegliches Gefühl für Verhältnismäßigkeit«, so Ziyal weiter. Offensichtlich unternimmt die Nürnberger Polizei mit ihrem Vorgehen auch den Versuch, ihren damaligen völlig unverhältnismäßigen und eskalierenden Einsatz in Vergessenheit geraten zu lassen. Unter Preisgabe zentraler Beschuldigtenrechte will sie den Spieß nun umdrehen und ihr gewalttätiges Vorgehen gegen Demonstrierende sowie Schülerinnen und Schüler nachträglich rechtfertigen. Nicht zum ersten Mal entsteht so der Eindruck, dass die Polizei gegen vermeintliche Linke jedes Augenmaß verliert. Die Vergangenheit zeigt leider, dass dieses Vorgehen, sobald es einmal gegen bestimmte Beschuldigtengruppen etabliert ist, zum normalen Ermittlungswerkzeug gegen alle Bürgerinnen und Bürger wird. Kontakt: Rechtsanwalt Yunus Ziyal über die RAV-Geschäftsstelle.

      2018-01-12-RAV verurteilt Öffentlichkeitsfahndung in Nürnb.pdf
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      Migration & Asyl (doublet)
      news-530Tue, 09 Jan 2018 19:12:00 +0100„Verfassungsbruch durch Hamburger Senat und Polizei beim G20-Gipfel“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsbruch-durch-hamburger-senat-und-polizei-beim-g20-gipfel-530Pressemitteilung Nr. 1 vom 9. Januar 2018Demonstrierende verklagen die Freie und Hansestadt Hamburg wegen Einschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit im Zuge der Proteste gegen das G20-Treffen im Juli 2017. Hamburger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wollen durch das Verwaltungsgericht Hamburg anhand von Einzelfällen exemplarisch feststellen lassen, dass Versammlungsverbote und Polizeieinsätze gegen Demonstrierende rechtswidrig waren. Der G20-Gipfel war kein »Festival der Demokratie«, wie Innensenator Andy Grote im Vorwege behauptete. Stattdessen wurde der Ausnahmezustand zelebriert, in dem die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger außer Kraft gesetzt wurden. Alles begann mit der Auseinandersetzung um die geplanten Protestcamps, in denen mehrere Tausend Menschen übernachten sollten, um gegen das G20-Treffen zu protestieren. Mehrtägige Veranstaltungen mit mehrtägigem Protestgeschehen benötigen Beherbergung der Demonstrierenden. Die geplanten Protestcamps waren selbst Teil des geplanten friedlichen Protestes. Schon früh stellte der Hamburger Senat klar, dass er solche Camps nicht zulassen würde. Dieses Verbot wurde von der Versammlungsbehörde und der Polizei mit allen Mitteln durchgesetzt, begleitet von einer Strategie der Diffamierung und Kriminalisierung friedlicher Versammlungen. Dabei wurde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vollständig missachtet. Höhepunkt der Rechtsbrüche war dann der Polizeieinsatz gegen das ›Antikapitalistische Camp‹ in Entenwerder unter Verstoß gegen zuvor ergangene Gerichtsentscheidungen. Auch das Camp im Hamburger Volkspark wurde durch Verzögerung, zahllose Auflagen und Schikanen in seiner Durchführung behindert. Letztlich konnte kein Protestcamp in der ursprünglich geplanten Form stattfinden. Das repressive Vorgehen gegen die Camps fand seine Fortführung im polizeilichen Vorgehen gegen eine Vielzahl von Versammlungen, die sich gegen das G20-Treffen richteten. Beispielhaft war der Polizeieinsatz am 7. Juli 2017 an der Straßenkreuzung Sechslingspforte/ Ackermann-/ Ekhofstraße. Gegen friedliche Versammlungsteilnehmende wurde Pfefferspray eingesetzt, sie wurden geschlagen und getreten sowie erheblich verletzt. Betroffene und deren anwaltliche Vertretung werden auf einer Pressekonferenz über ihre Erfahrungen, Einschätzungen und über die Ziele der Klagen vor dem Verwaltungsgericht berichten. Donnerstag, 11. Januar 2018, 11.00 Uhr
      Fabrique im Gängeviertel

      Seminarraum (4. Stock), Zugang Speckstraße, 20355 Hamburg Einladende:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Attac Deutschland e.V. Kontakte:
      Camp Entenwerder: Rechtsanwalt Martin Klingner, 040.4396001
      Camp Altona: Rechtsanwältin Ulrike Donat, 040.39806130
      Polizeieinsatz, 7. Juli 2017: Rechtsanwalt Dieter Magsam, 040.3252220 Pressemitteilung Nr. 1 vom 9. Januar 2018:
      Einladung zur Pressekonferenz am 11. Januar 2018
      Verfassungsbruch durch Hamburger Senat und Polizei beim G20-Gipfel (PDF)
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      OSZE / G20-Gipfel 2017Demonstrationsfreiheit (doublet)
      news-528Wed, 06 Dec 2017 21:26:00 +0100Verteidigt das Demonstrationsrecht! Zu den bundesweiten Durchsuchungen der Polizei Hamburg – SoKo ›Schwarzer Block‹ am 5. Dezember 2017/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verteidigt-das-demonstrationsrecht-zu-den-bundesweiten-durchsuchungen-der-polizei-hamburg-soko-schwarzer-block-am-5-dezember-2017-528Pressemitteilung Nr. 6 vom 6. Dezember 2017Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung […] behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner […] Grundrechte verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl«. Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Mitglied des Bundesvorstands des RAV und während G20-Gipfels Pressesprecherin des Anwaltlichen Notdienstes erklärt dazu: »Wem an dem Erhalt der Demokratie liegt, sollte durch die Erfahrungen während des G20-Gipfels gewarnt sein. Im Juli herrschte in Hamburg polizeilicher Ausnahmezustand mit einer flächendeckenden Aushebelung von Grundrechten für Gipfelgegner. Die Eskalationsstrategie eines Herrn Dudde war provokant, die Folgen bedacht und offenbar gewollt. Die nun erfolgte pauschale Ächtung von Demonstranten als ›Mob‹ ist maßlos. Und der wiederholte Ruf nach dem harten Staat hat bisher nur zu weniger Demokratie, nicht aber Lösungen geführt«. Kontakt: Rechtsanwältin Gabriele Heinecke ist über die Geschäftsstelle (030.417 235 55) zu erreichen.]]>Demonstrationsfreiheit (doublet)OSZE / G20-Gipfel 2017news-525Thu, 30 Nov 2017 13:52:00 +0100Für die Streichung des § 219a StGB – Für das Recht von Frauen, über legale Abtreibungsangebote von Ärzt*innen informiert zu werden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fuer-die-streichung-des-219a-stgb-fuer-das-recht-von-frauen-ueber-legale-abtreibungsangebote-von-aerzt-innen-informiert-zu-werden-525Appell von Juristinnen und JuristenUnterstützer*innen: Jurist*innen die sich dem Appell anschließen wollen : bitte mit Name, Anschrift, Berufsbezeichnung an mail@vdj.de .

      Appell für die Streichung des § 219a StGB_rav_vdj_ilmr.pdf]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-524Thu, 26 Oct 2017 10:13:00 +0200Einladung zum 5. Berliner RAV-Regionaltreffen /publikationen/mitteilungen/mitteilung/einladung-zum-5-berliner-rav-regionaltreffen-524am Mittwoch den 13.12.2017 um 19 Uhr Vortrag und Diskussion: Paradoxien der Zeugenschaft. Jüdische Überlebende in bundesdeutschen NS-Prozessen zum Vernichtungslager Sobibor 1949-1989Ort:

      KuB - Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.

      Oranienstr. 159, Erdgeschoss, 10969 Berlin

      Anfahrt: U8 U-Bahnhof Moritzplatz, Bus M29 Moritzplatz

      Anlässlich des jüngst gescheiterten Auschwitz-Prozesses in Neubrandenburg (siehe etwa: https://www.welt.de/politik/deutschland/article165913979/Neubrandenburger-Auschwitzprozess-macht-Rechtsgeschichte.html)  haben wir die Wissenschaftlerin Dagi Knellessen eingeladen, aus ihren Forschungen zu der juristischen Aufarbeitungsgeschichte der NS-Massenverbrechen nach 1945 zu berichten. Ihr Vortrag behandelt den Umgang mit jüdischen Überlebenden in bundesdeutschen NS-Prozessen zum Vernichtungslager Sobibor in den Jahren 1949-1989. Anschließend kann ausgiebig diskutiert werden.

      Zwischen 1949 und 1989 fanden in der Bundesrepublik fünf NS-Prozesse statt, die ausschließlich die Verbrechen in Sobibor – einem der drei NS-Vernichtungslager der Aktion Reinhard – zum Gegenstand hatten. Circa 50 Jüdinnen und Juden, die das Lager durch den Aufstand der Häftlinge am 14. Oktober 1943 überlebt hatten, traten in diesen Prozessen als Zeugen auf. Da nach 1945 kein Tatort und kaum Täterdokumente existierten und sie die einzigen nicht-tatbeteiligten Zeugen eines spurenlosen NS-Verbrechens waren, rückten sie als Hauptbelastungszeugen gegen die NS-Täter in eine exponierte wie prekäre Position. Im Gesamtbild von vierzig Jahren zeigt sich, dass die jüdischen Zeugen mit einer Justiz konfrontiert waren, die ihnen mit extrem unterschiedlicher, ja konträrer Grundhaltung entgegentrat und sie zunehmend vor paradoxe Anforderungen gestellt waren.

      Dagi Knellessen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Simon-Dubnow-Institut, Leipzig, arbeitet seit 2015 an einem Forschungsprojekt zur Zeugenschaft von jüdischen Überlebenden in bundesdeutschen Sobibor-Verfahren in der Zeit von 1949-1989. Als Mitarbeiterin des Fritz Bauer Instituts, Frankfurt am Main (2000-2005) und als Freie Wissenschaftlerin in Berlin (2005-2015) hat sie sich im Schwerpunkt mit der juristischen Aufarbeitungsgeschichte der NS-Massenverbrechen nach 1945 und der allgemeinen wie juridischen Zeugenschaft von NS-Verfolgten und jüdischen Überlebenden beschäftigt.

      Wie immer gilt:

      Das Regionaltreffen ist offen für alle Interessierten, unabhängig von der Mitgliedschaft im RAV. Es dient als Treffpunkt und Anlaufstelle, zum Austausch über laufende Mandate und Verfahren, anstehende oder vergangene Aktionen und Veranstaltungen, und auch um einfach mitzubekommen was sonst so passiert und wen es noch alles so gibt. Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.

      Wir freuen uns!

      Euer Vorbereitungsteam

      Regionalgruppe Berlin - Einladung 5. Treffen.pdf

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      news-521Thu, 19 Oct 2017 09:06:00 +0200Mietpreisbremse verfassungsgemäß! Gericht bestätigt Anwendbarkeit /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-verfassungsgemaess-gericht-bestaetigt-anwendbarkeit-521Pressemitteilung Nr. 5 vom 18. Oktober 201720171018_PM des RAV zu Mietpreisbremsen-Anwendbarkeit.pdf  ]]>Mietrecht (doublet)news-517Mon, 25 Sep 2017 17:50:00 +0200AED-EDL-Resolution zum katalonischen Referendum am 1. Oktober 2017/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aed-edl-resolution-zum-katalonischen-referendum-am-1-oktober-2017-517Resolution vom 21. September 2017Die europäische Dachorganisation des RAV, die AED-EDL (Avocats Européens Démocrates - European Democratic Lawyers), hat die nachfolgende Resolution zu der besorgniserregenden Situation in Katalonien kurz vor dem für das am 1. Oktober geplante Referendum über die Unabhängigkeit verabschiedet.In den letzten Tagen wurden mehr und mehr Grundfreiheiten außer Kraft gesetzt. Die spanische Zentralregierung hat die para-militärische Guardia Civil eingesetzt. Etliche Durchsuchungen fanden in den letzten Tagen statt, 700 Bürgermeister*innen sind als Beschuldigte vorgeladen worden wegen Ungehorsams und Amtsmissbrauchs; 14 Menschen, darunter hohe Regierungsmitglieder der katalonischen Regierung,  sind festgenommen worden, 1,5 Millionen Wahlplakate und 45000 Briefe an Wahlhelfer wurden beschlagnahmt.Mit der Resolution spricht sich die AED-EDL für die Einhaltung demokratischer Rechte aus.AED-EDL Resolution vom 21.9.2017The Bureau of the Association “AVOCATS EUROPEANS DEMOCRATES” (AED) -created 30 years ago and which has brought together associations and unions of European lawyers committed to the defense of the rights of people- has met in Berlin and notes with concern some of the reactions of the Spanish administrative and judicial authorities against the decision of the political authorities and the citizens of Catalonia to celebrate on the 1st of October a referendum on self-determination approved by a law of the Catalonian Parliament and organized by its government. The reaction of the Spanish government has been to challenge its validity, while the Spanish Constitutional Court suspended the law.Regardless of the debate on the legal validity and the political value that may result from such a referendum, provisionally suspended by a court of constitutional guarantees, and regardless of the debate if the suspension of the referendum automatically means to prevent violently its effective celebration, in these days we are witnessing restrictions on the fundamental rights of the citizenship, often without judicial intervention, such as the freedom of expression, the freedom of information, the right of assembly, the secret and integrity of communications and the right to the natural judge predetermined by the law, going far beyond measures characteristic of a state of emergency.Thus, the public mail service, without judicial authorization, has withheld correspondence for its content; public initiatives to discuss the referendum have been suspended; citizens have been identified and detained for the only reason of publicly defending their political ideas; print material has been seized, together with the red carnations, which were distributed to emphasize the peaceful character of the Catalonian proposal for political change. More than 700 Catalan mayors have been summoned by the Public Prosecutor’s Office, who has opened criminal proceedings against Catalonian Parliamentarians, as well as all the Catalan Government in full. Printing presses haven been registered without previous judicial order and the media has issued coercive police warnings.These are signs of the democratic weakness of the Spanish State and are part of a repressive strategy that denies politics as an instrument of change. The AED considers this corresponds to an undemocratic violation of fundamental rights and demands the Spanish State to reinstate these political and civil rights immediately.Read on: http://www.aeud.org/2017/09/on-the-catalonian-referendum/]]>Repression in Europa (doublet)news-518Thu, 21 Sep 2017 11:41:00 +0200RAV hält Mietpreisbremse für verfassungskonform und übt Kritik an Entscheidung des Landgerichts Berlin /publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-haelt-mietpreisbremse-fuer-verfassungskonform-und-uebt-kritik-an-entscheidung-des-landgerichts-berlin-518Presseerklärung vom 21.09.2017
    3. Die Mietenbremse benachteilige die Vermieter in den betroffenen Regionen. Darüber hinaus stelle sie Vermieter etwa in München wegen des abweichenden Preisgefüges besser als Vermieter in Berlin. Dies ist falsch. Der Gleichheitssatz verlangt, Gleiches gleich zu behandeln und Ungleiches ungleich. Dabei hat der Gesetzgeber alle relevanten Aspekte zu erwägen. Tatsächlich aber hat das Landgericht in seiner Entscheidung allein die Vermieterinteressen berücksichtigt. Dies reicht so aber kaum aus. Der Gesetzgeber wollte Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen. Dieser Aspekt fehlt in dem Beschluss ebenso wie der Umstand, dass auch die Allgemeinheit, insbesondere der Steuerzahler, über die Mietenbremse geschützt werden soll. Schon jetzt gibt die öffentliche Hand über 17 Milliarden für Mietunterstützungen aus. Ungleich ist nicht nur das Mietenniveau in München und Berlin, sondern auch das Einkommensgefüge in beiden Städten. Regionen, in denen die Bevölkerung nicht ausreichend mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen versorgt werden können, unterscheiden sich von Gegenden mit einem entspannten Wohnungsmarkt, diese unterschiedlichen Teilmärkte müssen auch unterschiedlich behandelt werden. Dabei ist die ortsübliche Vergleichsmiete gleicher Maßstab für alle.

    4. Das Landgericht bemängelt zudem, dass die schon vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse vereinbarte höhere Miete weiterhin zulässig sei. Bescheidene Vermieter würden so benachteiligt. Tatsächlich wurde diese Regelung aus Gründen des Vertrauensschutzes aufgenommen. Der Vermieter, der vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse höher vermietet hatte, durfte darauf vertrauen, dass er dies auch in Zukunft tun konnte.

    5. Bei der gesamten Diskussion über die Begrenzung der Mieten ist zu berücksichtigen, dass eine Begrenzung der Mieten in Deutschland Tradition hat. Seit Einführung der Friedensmiete 1917 war die Miethöhe mehr oder weniger durchgehend begrenzt. Bis Anfang der 60-er Jahre – in Westberlin bis Ende der 80-er Jahre – galt sogar noch ein restriktiveres Mietpreisrecht. Die Zulässigkeit derartiger Begrenzungen stand jedoch nie in Frage. Sie trugen wesentlich zur Beseitigung der Wohnungsnot in den 20-er Jahren und nach dem 2. Weltkrieg bei. Seit 1954 gilt in angespannten Wohnungsmärken eine Mietbegrenzung auf 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete – auch für Neubauwohnungen. Diese Regel ist mittlerweile nur deshalb praktisch bedeutungslos, weil der BGH 2004 die Anforderungen derart angezogen hat, dass sich ein preisrechtlicher Verstoß in der Praxis nicht mehr beweisen lässt. Eine Mietpreisbremse ist sinnvoll, die aktuelle geht jedoch nicht weit genug, hierzu verweisen wir auf unser bereits kannten Kritik im Gesetzgebungsverfahren: bit.ly/2yr6vlT Kontakt: Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Mehringdamm 50, 10961 Berlin, Tel: 030-780 96 66 20  Rechtsanwalt Henrik Solf, Marienburger Str. 3, 10407 Berlin, Tel: 030-442 93 86

      20170921 Presseerklärung des RAV zum Hinweisbeschluss des LG Berlin zur Mietenbremse.pdf]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-516Wed, 20 Sep 2017 16:11:00 +0200Türkei: Lasst unsere Kolleg*innen frei!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkei-lasst-unsere-kolleg-innen-frei-516Protestkundgebung vor der Botschaft der Türkei in Berlin, Donnerstag, 21.09.2017, 14 UhrProtestkundgebung vor der Botschaft der Türkei in Berlin
      Donnerstag, 21.09.2017, 14 Uhr
      Tiergartenstraße 19-21
      10785 Berlin Lasst unsere Kolleg*innen frei!!! - weitere 16 Mitglieder der ÇHD (Progressive Lawyers Association) wurden in der Türkei verhaftet: Barkın Timtik, Ebru Timtik, Süleyman Gökten, Ezgi Çakır, Ahmet Mandacı, Yağmur Ereren, Aytaç Ünsal, Didem Baydar, Ünsal, Ayşegül Çağatay, Engin Gökoğlu, Behiç Aşçı, Aycan Çiçek, Şükriye Erden, Özgür Yılmaz, Zehra Özdemir, Naciye Demir Diese 16 Kolleg*innen sind derzeit in Ankara, Istanbul und Diyarbakır inhaftiert.  Wir sind insbesondere sehr besorgt über die Situation der Anwält*innen Barkın Timtik, Engin Gökoglu und Özgür Yılmaz. Wir befürchten, dass sie (erneut) Folter ausgesetzt sind. Der Präsident von ÇHD, Selçuk, und Betül Kozağaçlı wurden nicht verhaftet, aber wir wurden darüber informiert, dass ihre anwaltlichen Tätigkeiten eingeschränkt sowie ihre Telefone und Computer beschlagnahmt wurden. Am frühen Morgen des 12. September fand eine neue Polizeioperation statt, die in der Festnahme von 16 Anwälten gipfelte. Diese Anwälte sind Mitglieder der "Volksrechtskanzlei" (People's Law Office) und haben die Aktivist*innen Nuriye Gülmen und Semih Özakça vertreten, die sich derzeit im Hungerstreik befinden, nachdem sie aus ihrer Lehrtätigkeit entlassen wurden. Ihr Prozess findet/fand am 14. September statt. Wie uns mitgeteilt wurde, beträgt die Zahl der Anwält*innen, die in der Türkei strafrechtlich verfolgt werden, nach dieser letzten Welle von Razzien gegen Anwält*innen 1343. 524 von ihnen wurden seit dem Putschversuch im Juli 2016 verhaftet. Wir fordern die türkische Regierung nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass die 16 oben genannten Anwält*innen unverzüglich freigelassen werden, weil wir davon überzeugt sind, dass sie ausschließlich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Anwält*innen in Gewahrsam genommen wurden. Wir fordern alle erforderlichen Maßnahmen, um die physische und psychische Integrität der Rechtsanwält*innen in der Türkei sowie ihre Möglichkeit zur Ausübung ihrer beruflichen Pflichten ohne Angst vor Repressalien, Behinderung, Einschüchterung oder Belästigung zu gewährleisten. Wir bringen unsere Besorgnis über die Lage in der Türkei zum Ausdruck, wo das Regime von Präsident Erdogan die Anwält*innen schikaniert und sie von den Tribunalen verfolgt, die als Waffe der Repression eingesetzt werden. Die Anwälte scheinen wegen der Ausübung ihrer Pflichten als Verteidiger der Anwälte bereinigt zu sein. Die AED* und alle beteiligten Organisationen möchten abschließend ihre Besorgnis über die Lage der Menschenrechtsverteidiger*innen in der Türkei zum Ausdruck bringen und betont die gebührende Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Wir sind sehr besorgt über die Situation der verfolgten Anwält*innen. Berlin, Madrid, Paris, Amsterdam, Barcelona, 13./21. September 2017. Kontakt:
      Rechtsanwältin Gilda Schönberg Tel: 0177-6919890
      Lasst unsere Kolleg_Innen frei! - Kungebung von Anwält_Innen vor türkischer Botschaft_21.09.17.pdf]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-519Wed, 20 Sep 2017 16:10:00 +0200Türkiye'de tutuklanan, ÇHD üyesi 16 meslektaşımızı serbest bırakın!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkiyede-tutuklanan-chd-ueyesi-16-meslektasimizi-serbest-birakin-519Protestkundgebung vor der Botschaft der Türkei in Berlin, Donnerstag, 21.09.2017, 14 Uhrwww.aeud.orghttps://www.facebook.com/aed.edl1987/]]>Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)news-515Fri, 18 Aug 2017 15:23:00 +020016. September 2017: 30 YEARS OF ACTIVISM/publikationen/mitteilungen/mitteilung/16-september-2017-30-years-of-activism-515Lawyers in Europe and the Crisis of Fundamental Rights // Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Europa und die Krise der Grundrechte30 YEARS OF ACTIVISM" ein, die die Vereinigung der Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte (EDA/ European Democratic Lawyers, AED-EDL) gemeinsam mit dem RAV und in Kooperation mit dem akj-berlin sowie der Vereinigung Berliner Strafverteidiger durchführt. Über eine Weiterverbreitung in Ihren / euren Verteilern freuen wir uns! Die Vereinigung der ›Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälte‹ feiert ihr 30-jähriges Bestehen zur Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte. Diese Föderation europäischer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist weiterhin dem Ziel einer unabhängigen Advokatur verpflichtet – unabhängig von jedweder Macht, sei sie politischer, sozialer oder ökonomischer Natur. Viel hat sich in den vergangenen 30 Jahren seit 1987 verändert. Damals hatte es zunächst den Anschein, als wäre die Europäische Union in der Lage, einen gemeinsamen Raum zu gestalten, der durch die Herausbildung eines demokratischen, modernen und humanen europäischen Rechts charakterisiert sein könnte. 30 Jahre später kommen wir nun zusammen, um diese Veränderungen in Europa ebenso zu diskutieren, wie Strategien zur Verteidigung der Grundrechte und die Perspektiven der Solidarität mit unseren Kolleginnen und Kollegen weltweit.  30 YEARS OF ACTIVISMLawyers in Europe and the Crisis of Fundamental Rights
      Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Europa und die Krise der Grundrechte
      Berlin EDA Conference, 16 September 2017, 10.00am –  6.00pmHumboldt Universität zu Berlin
      Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
      Geschwister-Scholl-Straße 3
      10117 Berlin
      Conference languages are English and French. Simultaneous translation will be provided.
      Konferenzsprachen sind Englisch und Französisch, eine Simultanübersetzung steht zur Verfügung.
      No participation fee / Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenfrei. Registration required / zwecks besserer PlanungAnmeldung bitte bis zum 08.09.17 an die Geschäftsstelle des RAV, E-Mail: kontakt@rav.de Einladung/Invitation "30 YEARS OF ACTIVISM. Lawyers in Europe and the Crisis of Fundamental Rights // Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Europa und die Krise der Grundrechte" (PDF)   Program10.15am Welcome & IntroductionPascale Taelman (France), August Gil Matamala (Catalunya)Welcome: Berenice Böhlo (RAV, Germany)11.00am Keynote SpeechDr. Dana Schmalz (Germany), Researcher Max-Planck-Institute Moderation: Volker Eick (RAV, Germany) 12.30pm Lunch Break1.45pm Panel IFighting for Social Rights and Legal Strategies. Lawyers between austerity policy and social movementsInput: Dr. Carolina Alves Vestena (Germany/Brazil)Participants: Florian Borg (France), Anne Maesschalk (Belgium), Gianluca Vitale (Italy)Moderation: Ilka Quirling (RAV, Germany)3.45pm Coffee Break4.00pm Panel IIDefence of the Defence. International Lawyer SolidarityParticipants: Ceren Uysal (Turkey), NN (Spain, tbc), Phon van den Biesen (The Netherlands)Moderation: NN (RAV, Germany)5.30pm ConclusionRobert Sabata Gripekoven (Catalunya), Harry Ladis (Greece)6.00pm End of Conference8.00pm Informal Get Together / Umtrunk BETAHAUS, Prinzessinnenstraße 19-20, 10969 Berlin]]>
      news-514Thu, 03 Aug 2017 14:26:00 +0200Bericht zur Prozessbeobachtung in Istanbul am 6. Juli 2017/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-zur-prozessbeobachtung-in-istanbul-am-6-juli-2017-514Fortsetzung der Hauptverhandlung gegen 46 Anwält*innen, sog. KCK-AnwaltsverfahrenDas Verfahren Seit Juli 2012 beobachtet eine internationale Delegation von Anwaltsvereinigungen (aus Deutschland: RAV, Vereinigung Berliner Strafverteidiger, DAV, Berliner Anwaltskammer) das Verfahren gegen 46 meist kurdische Anwält*innen, denen aufgrund ihrer anwaltlichen Tätigkeit für Abdullah Öcalan die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (KCK) vorgeworfen wird. Im November 2011 fand eine Türkei-weit angelegte Repressionswelle statt, in dessen Zuge die Kolleg*innen festgenommen wurden. Einige von ihnen befanden sich knapp 2 ½ Jahre in Untersuchungshaft. Das Strafverfahren wird seit nunmehr 5 Jahren gegen die Kolleg*innen geführt, weitere Verfahren gegen die Verteidiger*innen der hier angeklagten Kolleg*innen schlossen sich an, vgl. hierzu letztmaliger Bericht vom 5. Juli 2016 (http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfolgung-von-verteidigerinnen-und-verteidigern-in-der-tuerkei-nimmt-kein-endebr-anwaeltinnen-und-anwaelte-weiter-in-untersuchungshaft-493/ ). Am 6. Juli 2017 wurde der Prozess vor der 19. großen Strafkammer im Istanbuler Gerichtsgebäude Cağlayan fortgesetzt. Die internationale Beobachtungsdelegation bestand aus: 2 Vertretern der Italienischen Anwaltskammer, 3 Kolleg*innen unterschiedlicher Kammern aus Frankreich, 2 Kollg*innen der holländischen Vereinigung „Lawyers for Lawyers“ und 4 Kolleg*innen aus Deutschland (RA’in Gilda Schönberg für die Vereinigung Berliner Strafverteidiger, RA Thomas Schmidt für die EHDL, RA Bilinç Isparta als Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter der Berliner Anwaltskammer und RA’in Franziska Nedelmann für den RAV). Das Çağlayan - Gerichtsgebäude Schon bei der Anfahrt zum Gerichtsgebäude, dem Çağlayan, sind Änderungen zu bemerken: Das Taxi fuhr uns nicht mehr bis vor den Haupteingang des 9-stöckigen Gerichtsgebäudes, sondern wir wurden an der Zufahrtsstraße gebeten auszusteigen. Vor dem Eingang war ein größeres Polizeiaufgebot festzustellen, das sich dort offensichtlich dauerhaft eingerichtet hat: Mehrere Wasserwerfer und unterschiedlichste Einsatzfahrzeuge belegten den Platz. Auch angesichts der Tatsache, dass in der Nacht zuvor in Istanbul die Direktorin der türkischen Amnesty Sektion und neun weitere Menschenrechtsaktivist*innen, darunter auch der deutsche Staatsangehörige Peter Steudtner, mit dem Vorwurf festgenommen worden waren, Mitglieder einer bewaffneten terroristischen Vereinigung zu sein und zugleich Spionage betrieben zu haben, löste dieses Setting deutliches Unbehagen aus. Vor Beginn der Hauptverhandlung hatten wir Gelegenheit, die wöchentlich (!) stattfindende Demonstration der Rechtsanwält*innen im Cağlayan mitzuerleben: Mehr als 50 Kolleg*innen (u.a. der stellvertretende Vorsitzende der Istanbuler Anwaltskammer) versammelten sich im und vor dem Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes, um dort insbesondere für die Freilassung der drei inhaftierten Rechtsanwälte der oppositionellen Tageszeitung Cumhuriyet einzutreten. Es blieb alles friedlich. Allerdings berichtete uns ein Kollege, dass bei einer der letzten derartigen Demonstrationen die Bereitschaftspolizei auf Befehl des Oberstaatsanwalts eingeschritten sei und dabei Kollegen mit Nasen- und Beinbrüchen verletzt worden seien.

      Absurdes Theater: Hauptverhandlung Die Hauptverhandlung selbst war eine skurrile Vorstellung, sie glich dem absurden Theater weitaus mehr als einer Strafverhandlung. Neben der Delegation waren sechs der Angeklagten und ca. 12 Verteidiger*innen anwesend. Die Delegation wurde von dem Vorsitzenden Richter Elitaş (der bis dato noch nicht in diesem Verfahren tätig war) begrüßt. Er wies darauf hin, dass wir zwar als Delegation selbst kein eigenes Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung hätten; da jedoch nach der türkischen Verfassung die Verfahren öffentlich geführt würden, sei es ihm eine „große Ehre“, uns als „liebe Freunde“ und „Kollegen“ willkommen zu heißen. Man schlage ein prozessökonomisches Vorgehen vor, das jedoch keinesfalls die Verteidigungsrechte beschneiden solle. Es sei jedoch so, dass heute die Technik ausgefallen, der eigentlich Vorsitzende Richter im Urlaub sei und auch der zuständige Staatsanwalt heute nicht habe kommen können, insofern sei es auch im Hinblick darauf, dass noch beizuziehende Akten fehlten, sinnvoll sich zu vertagen. Die Verfahrensbeteiligten sollten sich dann darauf einstellen, dass die Plädoyers gehalten werden, da das Gericht die Angelegenheit für entscheidungsreif hielte.

      Wie bitte? Entscheidungsreife? Die Beweisaufnahme hat in diesem Verfahren noch nicht einmal begonnen, was die Verteidigung auch sofort rügte. Auch ist schon seit einigen Verhandlungstagen, insbesondere seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016, die Beiziehung weiterer Akten ein wichtiges Thema. Denn sowohl der ursprünglich in diesem Verfahren tätigte Ermittlungsrichter und spätere Vorsitzende Richter Mehmet Ekinci, als auch der vormals zuständige Staatsanwalt und mehrere Ermittlungsbeamte befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (FETÖ - dt. „Fethullahistische Terrororganisation“)), also der sog. Gülen-Bewegung, vorgeworfen. Zu klären ist, inwieweit auch dieses gesamte Strafverfahren gegen unsere Kolleg*innen Teil der jetzt erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe gegen die damals Verantwortlichen ist. Ganz konkret geht es um die Frage, ob nachweislich Beweismittel gefälscht und Recht gebrochen wurde, um die Haftbefehle und die Anklage gegen die 46 Betroffenen zu rechtfertigen. Mithin eine nicht ganz nebensächliche Frage. Wenn nun das Gericht einerseits mitteilt, man wolle unbedingt die diesbezüglichen Akten beiziehen, gleichzeitig jedoch deutlich macht, dass man das Verfahren in der Sache bereits jetzt für entscheidungsreif hält, dann könnte man aus Verteidigungssicht gerade noch auf die Idee kommen, dass das Gericht ohnehin einen Freispruch in Erwägung zieht. Hier ist das Gegenteil der Fall, strafprozessuale Erwägungen fehl am Platze. Das Gericht lässt sich ganz offensichtlich von politischen Interessen leiten: Man will sich für den heutigen Tag nicht festlegen, sendet aber ein eindeutiges Verurteilungssignal aus, um die betroffene Anwaltschaft weiter einzuschüchtern. Denn die Verteidigung und auch die Angeklagten selbst rügten unverzüglich, dass bei den beigezogenen Akten (gegen Richter, Staatanwalt und Ermittlungsbeamte) gerade die Aktenteile fehlten, die sich mit den hier zu verhandelnden Anklagevorwürfen beschäftigten1. Dieses Detail schien das Gericht offenbar nicht zu interessieren, da es gleichzeitig die Entscheidungsreife der Sache verkündete. Mit gerichtlicher Sachaufklärung hat dies nichts zu tun. Die Hauptverhandlung war nach gut 15 Minuten beendet – fortgesetzt wird am 5. Dezember 2017. Hintergrundgespräche Wir konnten am 4. Juli 2017 mit einem Kollegen aus Istanbul, der in dem sog. ‚KCK-Anwaltsverfahren‘ verteidigt, ein ausführliches Gespräch führen. Dies hat Einblick in erschreckende Entwicklungen gegeben. Untersuchungskommissionen erhalten Entscheidungsbefugnis mit Bindungswirkung Die AKP-Mehrheit hat ein Gesetz verabschiedet, das eine ausdrückliche Durchbrechung der Gewaltenteilung statuiert: Verwaltungsinterne Untersuchungskommissionen, die auch innerhalb der Justiz ermitteln, können ihr Untersuchungsergebnis mit Bindungswirkung für die Staatsanwaltschaft ausstatten. Dies bedeutet, dass die Exekutive direkten Einfluss auf die Erhebung von Anklagen oder aber auf die Einstellung von Ermittlungsverfahren nehmen kann. Auch können Richter*innen nach unliebsamen Entscheidungen unmittelbar versetzt werden. Dies geschieht derzeit regelmäßig.

      Auswirkungen der Massenentlassungen in der Richterschaft Durch die massenhafte Entlassung von politisch unliebsamen Richter*innen ist in der Justiz ein deutlich spürbares Vakuum in der Rechtsanwendung entstanden. Viele der jungen, politisch genehmen neu eingestellten Richter*innen verfügen mitnichten über eine ausreichende Ausbildung, um Verfahren angemessen zu führen. So berichtete der Kollege beispielsweise, dass ein junger Richter auf einen Befangenheitsantrag damit reagierte, die Protokollkraft zu fragen, ob es zur Bearbeitung dieses Vorgangs eine Formblattvorlage gäbe. Inzwischen werden neue Richter*innen auch aus den Reihen der Anwaltschaft rekrutiert. Hierbei werden insbesondere diejenigen angesprochen, die der AKP und MHP nahe stehen.

      Einschränkung der Verteidigungsrechte Auch das Ausmaß der durch Notstandsdekrete verfügten Einschränkungen von Beschuldigten und Verteidigungsrechten (vgl. dazu http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-113-2017/hayir-diyor/) richtet sich ausschließlich nach politischen Interessen. In den Anwaltsbesuchstrakten der Gefängnisse wird entschieden, ob und unter welchen Umständen Anwaltsbesuche stattfinden. Handelt es sich um Untersuchungsgefangene, denen vorgeworfen wird, Mitglieder oder Unterstützer*innen der FETÖ zu sein, wird ein Anwaltsbesuch nur 1 Mal wöchentlich und nur mit Überwachung genehmigt. Auch die inhaftierten Politiker*innen der oppositionellen HDP oder Betroffene des Verfahrens gegen die oppositionelle Tageszeitung ‚Cumhuriyet‘ können lediglich überwachten Anwaltsbesuch empfangen, der teilweise auch in Bild und Ton aufgenommen wird. Allgemein ist es derzeit so, dass der Verteidigung Akteneinsicht erst nach Zulassung der Anklage gewährt wird. Die Möglichkeit der Stellungnahme zur Anklageschrift (bspw. der Antrag auf Nichtzulassung der Anklage) ist bereits im Jahr 2005 gesetzlich abgeschafft worden.

      FETÖ-Verfahren Nach Einschätzung unseres Kollegen befinden sich derzeit ca. 50.000 Personen mit dem Vorwurf, Mitglieder oder Unterstützer der FETÖ zu sein, in Untersuchungshaft oder sind haftverschont. Vermutlich hat ein großer Teil keinerlei Verbindungen zu FETÖ. Viele von ihnen haben keine Verteidiger*innen. Die Kolleg*innen, die in diesen – meist als Massenverfahren geführten – Prozessen verteidigen, begeben sich unmittelbar in die Gefahr, selbst der Mitgliedschaft beschuldigt zu werden. Dies wirkt sich auch bei den verlangten Verteidigungshonoraren aus. Viele beantragen im Falle ihrer Beiordnung als Pflichtverteidiger*innen ihre Entpflichtung, was in der Regel von den Gerichten genehmigt wird. Wiederum andere Kolleg*innen weigern sich auch aus politischen Gründen, Verteidigungen in den Massenverfahren zu übernehmen, da die Gülen-Bewegung durch ihren direkten Einfluss auf die Strafverfolgungsbehörden einen maßgeblichen Anteil an der Kriminalisierung insbesondere der linken oppositionellen Bewegungen in den letzten Jahren habe. Faktisch bedeutet dies, dass ein großer Anteil der Inhaftierten nicht verteidigt ist. Folter/Verschleppungen Es besteht die Befürchtung, dass insbesondere bei den FETÖ-Gefangenen systematische Folter stattfinden könnte und zwar vor allem in Form der sexualisierten Folter. Eine zuverlässige Informationsgewinnung ist seitens der Anwaltschaft und der Menschenrechtsvereine angesichts der erheblichen Repression und der politischen Verflechtungen jedoch ausgesprochen schwierig. Unser Kollege berichtete von einer Ärztin aus der Türkei, die kürzlich in der Schweiz um Asyl nachgesucht hat, nachdem sie bei einem inhaftierten hochrangigen Militär in der Türkei Verletzungen nach sexualisierter Folter festgestellt und attestiert hat. Auch gibt es derzeit Berichte über mindestens 13 Personen, die seit dem Putschversuch im Juli 2016 verschleppt wurden und teilweise bis heute unauffindbar sind (vgl. taz.gazete, 4. Juli 2017 „die Verschwundenen“, https://gazete.taz.de/article/?article=!5426431). Fazit Eine Gewaltenteilung und damit eine unabhängige Justiz existiert nicht mehr. Die Gerichtsverfahren stellen sich vielmehr als Exekutivmaßnahmen im Mantel der Justiz dar. Nicht nur unsere Kolleg*innen sind damit der Willkür der Erdoğan- Regierung hilflos ausgesetzt. Die Bundesregierung hat hierzu- vermutlich auch wegen des sog. Flüchtlingsdeals - lange geschwiegen. Immer noch wird in Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) davon ausgegangen, dass es jedenfalls bis zum Putschversuch am 15.7.2017 rechtmäßige Verfahren gegeben habe und Asylgesuche von Flüchtlingen, die sich wegen angeblicher Vorwürfe vor dem Putsch zu verantworten hatten werden regelmäßig abgelehnt. Die nunmehr 5 Jahre andauernde Beobachtung hat gezeigt, dass bereits seit vielen Jahren der Zustand der türkischen Justiz desolat ist und von fairen Verfahren nicht die Rede sein kann. Rechtsanwältin Franziska Nedelmann (RAV Vorstand) 12.07.2017 1 Zur Information: Das bekannte Ergenekon-Verfahren, das in den Jahren 2007 – 2013 gegen hunderte Angehörige von Militär, Politik, Journalisten und Anwälte geführt und mit hohen Verurteilungen wegen angeblicher Putschvorbereitungen endete, ist im April 2016 vom Berufungsgericht aufgehoben worden. Es seien durch die Strafverfolgungsorgane Beweismittel gefälscht worden, so dass Berufungsgericht zur Begründung. Als Urheber wurde die Gülen-Bewegung genannt. Dem hingegen wurde in einem weiteren ‚KCK-Verfahren‘, das seit Jahren in Diyarbakir gegen hunderte Politiker*innen und andere wegen angeblicher Mitgliedschaft in der KCK geführt wurde (auch von einer Justiz, die von Anhängern der Gülen-Bewegung durchsetzt war), nicht eingestellt, sondern es endete mit zum Teil sehr hohen Haftstrafen.

      PDF Version: Bericht_Prozessbeobachtung_KCK_06_07_17.pdf]]>
      KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)
      news-513Wed, 26 Jul 2017 11:49:00 +0200Ist der Mieterschutz am Ende?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ist-der-mieterschutz-am-ende-513Mietenpolitische Diskussion zur Bundestagswahl. Mittwoch, 06.09.2017, 19:30 Uhr Wohnraum wird immer teurer Für die Aushöhlung des Kündigungs- schutzes sind nicht nur lasche Bundesge- setze, sondern auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der letzten Dekade verantwortlich. Reformvorschlä- ge zur Stärkung von Mieterinnen- und Mieterrechten vor Kündigungen lagen schon zum Beginn der 17. Legislaturperi- ode des Bundestages auf dem Tisch. Verabschiedet wurden sie nicht. Wir fragen in Hinblick auf die Bundestagswahl: Welche mietenpolitische - Agenda haben sich die Parteien zum Kündi- gungsschutz für die kommende Legislaturperiode gesetzt?
      Wo sieht Ihre Partei den größten Handlungsbedarf?
      Und welche Maßnahmen sind durchsetzbar? Mittwoch | 06.09.2017 | 19:30 Uhr Ort:
      Stadtteilzentrum Familiengarten, Aile Bahçesi, Oranienstr. 34, (Innenhof), 10999 Berlin Caren Lay MdB (Die Linke)
      Dr. Klaus Mindrup MdB (SPD)
      Christian Gräff MdA (CDU)
      Katrin Schmidberger MdA (B90/Die Grünen)  
      Veranstalter: Arbeitskreis "Mietrecht neu denken" des Netzwerks Mieten und Wohnen und
      Arbeitskreis Mietrecht im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

      6-9-2017-Ist der Mieterschutz am Ende?.pdf
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      Mietrecht (doublet)
      news-512Fri, 14 Jul 2017 11:55:00 +0200Bilanz der G20-Proteste: ›Feindbild Demonstrant‹(1)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bilanz-der-g20-proteste-feindbild-demonstrant-1-512Pressemitteilung Nr. 3 vom 14. Juli 2017Während der G20-Proteste in der vergangenen Woche haben staatliche Stellen systematisch Grundrechte verletzt und rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt. Eine erste Bilanz offenbart mit einigen Tagen Abstand in der Summe, die weitgehende Missachtung von Bürger*innenrechten bei gleichzeitiger Dominanz repressiven polizeilichen Handelns. Es bedarf daher einer rückhaltlosen und genauen Aufklärung aller Sachverhalte. Wir stellen hierzu fest:


      1. Die legitimen Proteste gegen den G20-Gipfel wurden von der Polizei von Beginn an erheblich eingeschränkt und behindert – im Rahmen des rechtlich Möglichen und weit darüber hinaus: weitreichendes Demonstrationsverbot im Stadtgebiet, Verhinderung von Camps zum Übernachten, massive Schikanen bei An- und Abreise der Demonstrant*innen, gewaltsame Auflösung der Versammlung ›Welcome to Hell‹ unter offensichtlicher Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

      2. Im Rahmen dessen hat sich die Polizei über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt und so faktisch die Gewaltenteilung aufgehoben. Wir müssen von einer weitgehenden Verselbstständigung der Exekutive sprechen.

      3. Anwält*innen wurden bei ihrer Arbeit innerhalb und außerhalb der Gefangenensammelstelle behindert. Sie wurden oftmals nicht zu Beistandsuchenden vorgelassen und sogar körperlich angegriffen. Zeitweise fand eine Gleichsetzung der Anwält*innenschaft mit dem ›Feindbild Demonstrant‹ statt und Anwält*innen wurde unterstellt, Straftaten zu fördern. Ein derartiger Generalverdacht gegen die Anwält*innenschaft ist nicht hinnehmbar.

      4. Die Arbeit von Journalist*innen, die ebenfalls der Kontrolle der Exekutive dient, wurde ganz erheblich behindert. Mehrere Dutzend Journalist*innen verloren ihre Akkreditierung für den Gipfel aufgrund von Geheimdienstinformationen, deren Herkunft nach wie vor ungeklärt ist. Es besteht der Verdacht, dass nicht genehme Journalist*innen von der Berichterstattung ausgeschlossen werden sollten. Parallel dazu wurden während des Protestgeschehens zahllose Berichterstatter*innen von der Polizei unter Druck gesetzt oder gar angegriffen, wie Darstellungen von Betroffenen und Bildaufnahmen belegen.

      5. Während des polizeilichen Vorgehens gegen die G20-Proteste hat es eine Vielzahl rechtswidriger und damit strafbarer Übergriffe von Polizeibeamt*innen auf Protestierende, Journalist*innen und andere Bürger*innen gegeben. Auch hierzu liegen uns viele Berichte von Zeug*innen und Betroffenen sowie Bildaufnahmen vor. Sie belegen das Vorgehen einer sich offensichtlich im rechtsfreien Raum wähnenden Exekutive, das zu einem kaum vorstellbaren Ausmaß rechtswidriger Polizeigewalt geführt hat.

      6. Während der Proteste hat die Polizei ihr Vorgehen teilweise mit nicht haltbaren Sachverhaltsschilderungen und Gefahrenprognosen begründet, die sich vielfach im Nachhinein als falsch herausgestellt haben. Eine Richtigstellung dieser Sachverhalte durch die Polizei steht in den meisten Fällen aus.


      Gleichzeitig ist es unerträglich, wie Politik und Polizei im Nachhinein mit dem Geschehen umgehen: Statt einer offenen und selbstkritischen Aufarbeitung des schon im Grundsatz autoritär-repressiven Vorgehens gegen die Proteste und der Gewaltexzesse mancher Polizeieinheiten, findet reflexartig eine bedingungslose Verteidigung und gar Glorifizierung der Polizeiarbeit statt. Die vollständige Abwesenheit einer Fehlerkultur bestätigt nicht nur die Polizist*innen in ihrem rechtswidrigen und strafbaren Vorgehen. Das nun faktisch bestehende Verbot, Kritik an der Polizei zu üben, die als Exekutivinstanz das Gewaltmonopol ausübt, setzt auch einen zentralen Grundsatz des Rechtsstaats außer Kraft: Wer besondere Befugnisse zum Gewalteinsatz hat, muss durch die Gesellschaft und die anderen Gewalten permanent und intensiv kontrolliert sein. Alles andere ist der Weg in den Obrigkeitsstaat.


      »Die Politik befeuert ein Gesellschaftsbild, mit dem ganze Personengruppen außerhalb der Rechtsordnung gestellt werden, und bestreitet damit die Geltung der Grundrechte für alle. Wir nennen das Feindstrafrecht«, so Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin und Stellvertretende Vorsitzende des RAV.


      Wir fordern eine rückhaltlose Aufklärung des autoritär-repressiven Vorgehens, das die G20-Proteste massiv eingeschränkt hat. Und wir fordern ebenso die Aufklärung der zahllosen Übergriffe der Polizei auf Protestierende, Journalist*innen und Bürger*innen.


      Kontakt: Rechtsanwalt Dr. Peer Stollestolle@dka-kanzlei.de


      Pressemitteilungen Anwaltlicher Notdienst zum G20 in Hamburg:
      https://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/de/presse

      20170714_Pressemitteilung des RAV_Bilanz der G20 Proteste - Feindbild Demonstrant

      (1)

      Der Begriff wurde anlässlich des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm geprägt, vgl. den vom RAV/Legal Team herausgegebenen Sammelband ›Feindbild Demonstrant. Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes‹ (http://www.rav.de/projekte/legal-team-g8-gipfel/). Auch dort kam es zu Polizeigewalt gegenüber Demonstrant*innen.

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      OSZE / G20-Gipfel 2017
      news-511Tue, 04 Jul 2017 11:20:00 +0200Hamburger Polizei greift freie Advokatur an/publikationen/mitteilungen/mitteilung/hamburger-polizei-greift-freie-advokatur-an-511Pressemitteilung, 04.07.17Hamburger Polizei greift freie Advokatur an
      Mitgliedschaft in bürgerrechtlichem Anwältinnen- und Anwälteverein als ›Gefahr‹? Die Hamburger Polizei greift im Rahmen der rechtlichen Auseinandersetzungen um die Proteste gegen den G20-Gipfel die freie Advokatur und damit ein tragendes Prinzip des Rechtsstaates an. In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertritt die Behörde die Auffassung, die Mitgliedschaft von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen im RAV sei Indiz für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.  Die Polizei hat per Allgemeinverfügung in weiten Teilen der Hansestadt Versammlungen untersagt. Vier ehemalige Jura-Studierende aus Hamburg – früher Mitglieder in der Initiative Hamburger aktive Jura-Student_innen (HAJ) – klagen derzeit gegen das von der Hamburger Polizei erlassene Verbot von Demonstrationen am 7./8. Juli 2017.  Gegen diesen Eilantrag geht nun die Polizei mit einem Angriff auf die freie Anwaltschaft vor: Am 3. Juli 2017 hat die Behörde eine schriftliche Gefahrenprognose vorgelegt, bei der sie ausführt, die Antragstellenden und die genannte Studierendengruppe seien mit dem ›Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein‹ (RAV e.V.) verbunden. Außerdem seien die im Verfahren mandatierten Rechtsanwält_innen Mitglieder im RAV. Daher sei davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Personen an Spontanversammlungen teilnehmen werde, so dass auch die Gefahr faktischer Blockaden bestehe.  Zum ›Beleg‹ sind diesem Schriftsatz u.a. die Ankündigung einer Veranstaltung angefügt, auf der – organisiert vom RAV und dem HAJ/KSJ – über den »Kampf gegen die Straflosigkeit von Völkerrechtsverbrechen« informiert wurde, sowie Auszüge aus dem RAV-Anwaltsverzeichnis mit den Daten der die Antragsteller vertretenden Rechtsanwält_innen.  Die freie Anwaltswahl ist ein zentrales rechtsstaatliches Prinzip. Mit ihrer Argumentation unterteilt die Hamburger Polizeiführung Rechtsanwält_innen in ›genehme‹ und ›gefährliche‹. Die Wahl des Anwalts wird so zur Gefahrenprognose herangezogen. Hierdurch werden Grundregeln des Rechtsschutzes außer Kraft gesetzt.  Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV, erklärt dazu: »Das Vorgehen der Hamburger Polizei stellt grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats in Frage. Rechtsanwält_innen und renommierte Anwaltsvereine als Gefahr zu definieren, offenbart ein fehlendes Verständnis von rechtsstaatlichen Grundsätzen und für die Aufgabe und Funktion der Anwaltschaft. Die Argumentation der Hamburger Polizeiführung schließt sich nahtlos an die Missachtung des Gewaltenteilungsprinzips in den vergangenen Tagen an, als sich die Hamburger Polizei über gerichtliche Entscheidungen schlicht hinweggesetzt hat«.  Das Vorgehen der Polizei hat auch deshalb besondere Brisanz, weil unter dem Dach des RAV der Anwaltliche Notdienst während der G20-Proteste organisiert ist. »Der sowieso schon bei polizeilichen Großeinsätzen extrem eingeschränkte Rechtsschutz droht in Hamburg vollends außer Kraft gesetzt zu werden. Es ist zu befürchten, dass die Hamburger Polizeiführung eine Vertretung durch den Anwaltlichen Notdienst in den Gefangenensammelstellen verhindern will«, so Rechtsanwältin Britta Eder aus Hamburg, die einen der Antragsteller vertritt.  Der RAV ruft alle Demokrat_innen auf, sich an den Protesten und für die Stärkung der Bürgerrechte zu beteiligen. Es darf nicht sein, dass die Stadt Hamburg und die Bundesregierung rechtsstaatliche Grundsätze über Bord werfen und einen faktischen Ausnahmezustand schaffen, um ausländische Staats- und Regierungschefs – darunter Vertreter verschiedener autoritärer Regime – zu hofieren.  Kontaktmöglichkeiten
      Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle (Berlin): 030.4467 9216
      Rechtsanwältin Britta Eder (Hamburg): 0176.2216 9938  Aus unserem Selbstverständnis: Der RAV ist eine politische Anwaltsorganisation. Er versteht sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung und arbeitet auf nationaler wie auf internationaler Ebene mit zahlreichen Verbänden sowie mit Gruppen der Neuen Sozialen Bewegungen zusammen. Er nimmt Einfluss auf rechtspolitische Entwicklungen u.a. durch Beteiligungen an der öffentlichen und fachöffentlichen Diskussion, Stellungnahmen gegenüber der Legislative sowie dem Bundesverfassungsgericht oder Unterstützung von Legal Teams bei demonstrativen Großereignissen. Pressemitteilung als PDF]]>
      Freie Advokatur (doublet)OSZE / G20-Gipfel 2017
      news-510Mon, 03 Jul 2017 16:46:00 +0200Anwaltlicher Notdienst zum G20-Gipfel in Hamburg – Pressemitteilungen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-zum-g20-gipfel-in-hamburg-pressemitteilungen-510Zur Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren in der Zeit der zu erwartenden Proteste rund um den G20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 haben Rechtsanwält*innen zusammen mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. Der Notdienst ist in enger Kooperation mit dem Hamburger Ermittlungsausschuss (EA), der Roten Hilfe e.V. und weiteren Antirepressionsgruppen eingerichtet worden.
      170714 PM AND G20 Hamburger Gefangenensammelstelle - Rechte von in Gewahrsam Genommenen und Rechtsanwälten systematisch verletzt

      170709 PM AND G20 Weiterhin erhebliche Behinderungen der anwaltlichen Tätigkeiten in der GeSa Harburg.pdf

      170709 PM AND G20 Festival der Grundrechtsverletzungen.pdf

      170708 PM AND G20 Massive Behinderung anwaltlicher Arbeit durch Polizei und Justiz in Hamburg.pdf

      170708 PM AND G20 Erneute Rechtsbrüche.pdf

      170707 PM AND G20 Körperlicher Angriff auf Anwalt in der GESA.pdf

      170706 PM AND G20 - Fake News.pdf

      170703 PM AND G20 Zugang zum Amtsgericht Neuland verwehrt.pdf170703 PM AND G20 Ärztliche Schweigepflichten Polizei.pdf170702 PM AND G20 Forderung Ablösung Dudde.pdf170628 PM AND G20 Ziviler Ungehorsam.pdfhttps://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/deErmittlungsausschuss Hamburg: +49 - (0)40 – 432 78 778

      Spenden:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Sparkasse Hannover
      IBAN:  DE 53 2505 0180 0000 1263 14
      BIC: SPKHDE2H
      Verwendungszweck: Rechtshilfefond, Anwaltsnotdienst]]>
      OSZE / G20-Gipfel 2017
      news-508Tue, 25 Apr 2017 20:13:00 +0200Kundgebung gegen geplante Strafrechtsverschärfung zum Schutz von Polizist*innen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-gegen-geplante-strafrechtsverschaerfung-zum-schutz-von-polizist-innen-508Pressemitteilung, 25.4.2017Bürgerrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen - rufen für Donnerstag, den 27. April 2017, um 18 Uhr zu einer Kundgebung gegen die geplante Strafrechtsverschärfung für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte vor dem Bundestag (Platz der Republik) auf.  Die geplante Gesetzesänderung sieht für tätliche Angriffe auf Polizist*innen und andere Vollstreckungsbeamte künftig eine Mindeststrafe von 3 Monaten Haft vor. Wir lehnen diese Gesetzesänderung als völlig unverhältnismäßig ab. Der von den Gerichten äußerst weit definierte Begriff des „tätlichen Angriffs“ ist in der Praxis schnell erfüllt. So könnte bereits ein einfaches Schubsen künftig zu einer Haftstrafe führen. Verletzungsfolgen oder -absichten sind hierfür nicht erforderlich. Diese Gesetzesverschärfung ist nicht nur drakonisch und grundlos, sie zeigt auch eine autoritäre Staatsauffassung seitens der Bundesregierung und Regierungsfraktionen. Auch führt sie zur erleichterten Kriminalisierung von Demonstrationsteilnehmer*innen, etwa bei engen Einschließungen oder bei Gerangel an Polizeiketten, und bei Aktionen zivilen Ungehorsams beim Wegtragen.  Zudem verstößt es gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Angriffe auf Vollstreckungsbeamt*innen künftig deutlich stärker sanktioniert werden sollen, als solche, die sich gegen Bürger*innen richten. Eine solche Privilegierung ist grundlos, denn die für alle Bürger*innen geltenden Strafnormen der Nötigung und Körperverletzung schützen auch Polizist*innen und andere Amtsträger*innen. Eine steigende Gewalt gegenüber Polizist*innen – welche die Strafrechtsverschärfung rechtfertigen soll - lässt sich hingegen nicht nachhaltig nachweisen. Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zählt lediglich das polizeiliche Anzeigeverhalten, nicht hingegen rechtskräftig abgeurteilte Straftaten.   Die Strafrechtsverschärfung macht uns insbesondere auch deshalb Sorge, weil sie die Aufklärung rechtswidriger Polizeigewalt weiter erschwert. Seit Jahren weisen Bürgerrechtsorganisationen auf das Problem häufig folgenlos bleibender rechtswidriger Polizeigewalt hin. Die geringe Anzeigequote gegen rechtswidrig agierende Polizist*innen beruht unter anderem darauf, dass Opfer regelmäßig mit einer Gegenanzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überzogen werden. Die Strafrechtsverschärfung für dieses Delikt, trägt nun die Gefahr in sich, dass Opfer von Polizeigewalt künftig noch häufiger von Anzeigen absehen werden.   Für eine aktive Zivilgesellschaft und gelebte Demokratie brauchen wir eine Gesetzeslage, die nicht vor Beteiligung an Versammlungen abschreckt. Vielmehr bedarf es unabhängiger Kontrollinstanzen gegen Polizeigewalt. Anerkennung polizeilicher Arbeit darf nicht durch ein Sonderrecht für die Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols zum Ausdruck kommen.   ·         Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen ·         Humanistische Union e.V. ·         Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. ·         linksjugend ['solid] Brandenburg ·         linksjugend ['solid] Berlin ·         Kampagne „Nein zum Polizeistaat“ ·         Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. ·         SJD - Die Falken, Landesverband Brandenburg ·         Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      Pressemitteilung Kundgebung Polizeischutz (PDF)   Weiterführende Informationen: Gemeinsame* Stellungnahme zum Gesetzentwurf Drs. 18/11161:
      www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-drs-1811161-520/ Kann und soll das Strafrecht Polizist*innen schützen?:
      http://www.grundrechtekomitee.de/node/841  Online-Kampagne zum Unterzeichnen: https://weact.campact.de/petitions/nein-zum-polizeistaat-stoppt-die-anderungen-der-ss113-und-ss114stgb-2?source=twitter-share-email-button&time=1490858106]]>
      news-507Thu, 20 Apr 2017 12:52:00 +0200Kein Ausnahmezustand in Hamburg während des G20-Gipfels!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-ausnahmezustand-in-hamburg-waehrend-des-g20-gipfels-507Presseinformation zum Offenen Brief von fünf BürgerrechtsorganisationenOffener Brief an die Hamburgische Bürgerschaft-G20-Gipfel_BürgerrechtsOrgas (PDF)
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      news-506Sun, 02 Apr 2017 16:42:00 +0200Wieder ein Gipfel der Repression?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wieder-ein-gipfel-der-repression-506Veranstaltung zur Sicherheitsarchitektur beim G20-Gipfel in HamburgReferenten
      Andreas Blechschmidt (Rote Flora, Hamburg)
      Rechtsanwalt Christian Woldmann (RAV, Anwaltlicher Notdienst Hamburg) Zeit und Ort
      Freitag, 28. April 2017, 20.00 Uhr
      Theaterspielraum im Bethanien/Südflügel, Mariannenstraße 2B, Berlin-Kreuzberg
      Anfahrt
      U1/8 Kottbusser Tor
      Bus 140, Haltestelle Adalbertstr./Waldemarstr.
      Bus M29, Haltestelle Oranienstr./Adalbertstr.
      Von der Waldemarstraße aus den Fußweg in das Parkgelände zwischen Spielplatz und Nr. 57 geradewegs auf die Terrasse zu. Aufgang 2 B, Parterre
      (Zugang zum Südflügel s. Graphik im Flyer, pdf) Veranstalter
      Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)]]>
      OSZE / G20-Gipfel 2017Innere Sicherheit (doublet)
      news-504Sun, 26 Mar 2017 08:54:00 +0200Resolution zur Lage in der Türkei<br />Türkiye'nin durumuna yönelik alınan karar/publikationen/mitteilungen/mitteilung/resolution-zur-lage-in-der-tuerkei-br-tuerkiyenin-durumuna-yoenelik-alinan-karar-504Resolution zur Lage in der Türkei, Strafverteidigertag 26.3.2017Türkçe olarak aşağida  ||  Auf türkisch unten  || Turkish see below (PDF) Die hier im folgenden dokumentierte Resolution wurde am Sonntag, den 26.3.2017, vom RAV beim 41.  Strafverteidigertags in Bremen eingebracht und dort ohne Gegenstimmen mit 2 Enthaltungen verabschiedet: Resolution zur Lage in der Türkeiverabschiedet durch das Plenum des 41. Strafverteidigertages am Sonntag, 26. März 2017 Mit dem für den 16. April 2017 geplanten Referendum steuert die AKP-regierte Türkei auf eine Autokratie zu, die allein auf Staatspräsident Erdoğan zugeschnitten ist: An die Stelle der parlamentarischen Demokratie soll nun ein ›Präsidialsystem‹ à la AKP treten, in dem sich die Legislative, Exekutive und Judikative nicht mehr gegenseitig kontrollieren, sondern einem (all)mächtigen Staatspräsidenten unterstehen. Rechtsexperten der Venedig-Kommission des Europarates warnten Ende Februar 2017 ausdrücklich vor der Durchführung des Referendums, zumal angesichts des seit Juli 2016 geltenden Ausnahmezustandes sämtliche Kontrollsysteme fehlten, um einen demokratischen Rahmen für die Abstimmung zu schaffen. In der Türkei herrscht ein Klima der Angst, in den kurdischen Gebieten herrscht Krieg. Regierungspolitiker der AKP bedienen sich öffentlich der Symbolik der rechtsextremen ›Grauen Wölfe‹ und bedrohen, verbieten und verhaften die Vertreter*innen der demokratischen Opposition unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 wurden mehr als 47.000 Personen inhaftiert. Abgeordnete, Bürgermeister*innen, Richter*innen, Staatsanwält*innen, Rechtsanwält*innen, Journalist*innen, Gewerkschafter*innen sitzen zu Tausenden allein wegen ihrer Berufsausübung in Untersuchungshaft. Über 128.000 Menschen wurden entlassen, Medien geschlossen, Vereine – darunter auch diverse Anwaltsvereinigungen – verboten. Die Rechte der Beschuldigten wurden per Notstandsdekret massiv eingeschränkt. Kontakte zur anwaltlichen Vertretung sind für Festgenommene und Gefangene erst nach fünf Tagen möglich und können überwacht werden. Akteneinsicht wird meist nicht gewährt. Offensichtlich rechtswidrige und allein von der gewünschten politischen Diktion geprägte Anklagen und Verurteilungen stehen auf der Tagesordnung. Eine unabhängige Justiz existiert nicht mehr. Derzeit befinden sich ca. 300 Rechtsanwältinnen in Haft, insgesamt wird gegen über 700 Anwält*innen strafrechtlich ermittelt (Stand: 16. Februar 2017 ›Arrested Lawyers Initiative‹). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Strafverteidigertags erklären sich solidarisch mit den inhaftierten und den für die Demokratie und Freiheitsrechte kämpfenden Kolleginnen und Kollegen in der Türkei und fordern


      Auch in Deutschland dürfen sich Exekutive, Legislative und Judikative keinesfalls zum verlängerten Arm dieser rechtsstaatswidrigen Praktiken machen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Strafverteidigertages fordern weiter:


      Resolution zur Lage in der Türkei (PDF) Resolution zur Lage in der Türkei (türkische Fassung, PDF)]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-503Tue, 21 Mar 2017 08:50:00 +0100RAV kritisiert Gesetzentwurf: »Kein Sondergesetz für Polizeibeamte«/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-kritisiert-gesetzentwurf-kein-sondergesetz-fuer-polizeibeamte-503Pressemitteilung, 21.3.2017Stellungnahme scharfe Kritik an dem Gesetzesentwurf und wendet sich zusammen mit weiteren Anwaltsverbänden und Bürgerrechtsorganisationen persönlich an die Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages: »Kein Sondergesetz für Polizeibeamte – Stimmen Sie mit Nein«, heißt es in dem Schreiben. Der RAV kritisiert den geplanten § 114 StGB als überflüssig und gefährlich. »Wenn der Staat den Schutz seiner Beamten höher stellt als den der Bürger, wird das Grundgesetz auf den Kopf gestellt«, so der RAV-Vorsitzende Dr. Peer Stolle. »Das Gesetz ist nicht erforderlich und sieht eine völlig unverhältnismäßige Strafdrohung auch für Bagatellhandlungen vor«.
      Mit der geplanten Norm würde ein folgenloser Schubser gegen einen Polizisten härter bestraft, als ein gezielter Faustschlag gegen einen Menschen ohne Uniform – auch wenn dieser Verletzungen davonträgt. Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzentwurfs weisen zudem darauf hin, dass es eine ›ständige‹ oder ›dramatische‹ Zunahme von Gewalt gegen Polizeikräfte schlicht nicht gibt. »Es handelt sich um bloße Behauptungen der Polizeigewerkschaften. Tatsächlich zeigen die Fallzahlen der PKS das Gegenteil«, so die Stellvertretende RAV-Vorstandsvorsitzende Franziska Nedelmann. Bundesweit gehen die Fallzahlen für ›Widerstand gegen die Staatsgewalt‹ seit 2008 deutlich zurück. Letztendlich geht es bei dem Gesetz ausschließlich darum, Begehrlichkeiten der Polizeigewerkschaften zu befriedigen. Zuvor hatten bereits der Deutsche Richterbund und der Deutsche Anwaltsverein den Gesetzentwurf deutlich kritisiert. Auch der Rechtsausschuss des Bundesrats beurteilt den Entwurf als widersprüchlich und bemängelt seine Unverhältnismäßigkeit. In dem Appell der Bürgerrechtsorganisationen werden die Abgeordneten des Rechtsausschusses aufgefordert, in eine sachliche Debatte einzusteigen und sich ernsthaft mit der Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ sowie den Ursachen für eskalierende Konfliktsituationen bei Polizeieinsätzen zu beschäftigen. Kontakt: Rechtsanwalt Marco Noli, München (Telefon 089.50059130) [Bitte beachten Sie auch die Anlagen zu dieser Pressemitteilung]]]>
      Polizeirecht (doublet)Innere Sicherheit (doublet)
      news-502Tue, 21 Mar 2017 08:25:00 +0100Gemeinsame* Stellungnahme zum Gesetzentwurf Drs. 18/11161/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-drs-18-11161-502Stellungnahme, 20.3.20171. Geplante Neuregelung §§ 113, 114 StGB-E Der Entwurf sieht eine Erhöhung der Mindeststrafe (auf mindestens 3 Monate Freiheitsstrafe) bei »tätlichen Angriffen« gegen Vollstreckungsbeamte vor. Auf den Bezug zu einer Vollstreckungshandlung soll es nicht mehr ankommen. Weitere Berufsgruppen sollen Vollstreckungsbeamten gleichstehen. Eine Unterschreitung der Mindeststrafe in sog. minderschweren Fällen ist nicht vorgesehen. Besonders schwere Fälle, die zu einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe führen, werden dahingehend ausgeweitet, dass bereits das Mitführen eines gefährlichen Gegenstandes ohne Verwendungsabsicht genügen soll. 2. Kritik aus der Justiz und vom Rechtsausschuss des Bundesrats Sämtliche zur Stellungnahme aufgeforderten Berufsverbände der Richter/-innen, Staatsanwälte/-innen und Rechtsanwälte/-innen – namentlich der Deutsche Richterbund,(1) die Neue Richtervereinigung (NRV)(2) und der Deutsche Anwaltsverein (DAV)(3) – sowie zahlreiche Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschafter haben den Gesetzentwurf deutlich kritisiert und als ungeeignet und nicht erforderlich abgelehnt.
      Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat den Entwurf kritisiert und dem Plenum eine Stellungnahme empfohlen, die u.a. die nachfolgenden Probleme adressiert:(4) Die Neuregelung führe zu Wertungswidersprüchen. Die neuen Regeln zum tätlichen Angriff seien unstimmig, weil hierdurch eine Personengruppe privilegiert werde. Ein Regelungsbedürfnis bestehe ohnehin nicht. Aufgrund des Missverhältnisses fordert der Rechtsausschuss die Einführung eines minderschweren Falls. Die Ausweitung des besonders schweren Falls überdehne die Strafbarkeit in unverhältnismäßiger Weise. Es seien praktische Probleme zu befürchten, denn erfahrungsgemäß sei die Abgrenzung eines gefährlichen von einem sonstigen Werkzeug schwierig. Dies gelte ebenfalls für den Nachweis von Vorsatz beim des bloßen Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes, da Widerstandshandlungen oftmals aus einer Affektsituation erwachsen. 3. Sonderstrafrecht zum Schutz von Polizeibeamten/-innen Durch das geplante Gesetz würde der Schutzzweck des Widerstands-Tatbestandes geändert. Der ›tätliche Angriff‹ soll aus dem bisherigen § 113 Abs. 1 StGB (Widerstand) herausgenommen und ein neuer Tatbestand §114 StGB-E (Tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte) geschaffen werden. Es soll nicht mehr auf einen Bezug zu einer Diensthandlung ankommen. Geschütztes Rechtsgut wäre dann nicht mehr die staatliche Vollstreckungsmaßnahme, sondern die individuellen Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit) der handelnden Person.
      Tätliche Angriffe gegen Menschen sind bereits jetzt nach den allgemeinen Strafgesetzen strafbar, sei es als Nötigung (z.B. Schubsen) oder als versuchte oder vollendete Körperverletzung. Laut dem Gesetzentwurf soll nunmehr bei einem Angriff auf die körperliche Unversehrtheit eines Menschen beim Strafrahmen danach unterschieden werden, welcher Berufsgruppe die Person angehört. Eine derartige Sonderbehandlung verstößt gegen Art. 3 GG. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung gibt es nicht.
      Ein ›tätlicher Angriff‹ nach § 114 StGB-E ist eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung. Zur körperlichen Verletzung muss es nicht kommen, auch nicht zu einer Schmerzzufügung. Eine solche braucht auch nicht gewollt sein,(5) ein Anrempeln würde demnach genügen. Das geplante Sonderrecht für Polizeibeamte/-innen würde in der Konsequenz in der strafrechtlichen Praxis dazu führen, dass ein Schubser – ohne jegliche Verletzungsfolge – gegen eine/-n Polizeibeamten/-in mit einer höheren Strafandrohung versehen wäre, als ein Faustschlag ins Gesicht mit Verletzungsfolge gegen eine andere, nicht-polizeiliche Person. Der Schubser gegen den/die Polizeibeamten/-in würde sogar zu mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe führen. Würde sich dabei zufällig noch ein Brotzeitmesser im Rucksack befinden, ohne Absicht dieses einzusetzen, betrüge die Mindeststrafe nach der Neuregelung sechs Monate Freiheitsstrafe. Dieselbe Mindeststrafe übrigens, wie beim sexuellen Missbrauch von Kindern.
      Eine derartige Sonderbehandlung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG). Die eklatanten Wertungswidersprüche, insbesondere der Verzicht auf einen ›minderschweren Fall‹ bei geringer Schuld, widersprechen dem Schuldprinzip und damit auch dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). 4. Reine Symbolpolitik Das geplante Gesetz ist weder geeignet, mehr Schutz durch höhere Strafdrohungen zu erreichen, noch erforderlich. Das vorhandene Strafrecht reicht aus, um die strafwürdigen Verhaltensweisen schuldangemessen zu sanktionieren. Erst 2011 wurde durch eine Gesetzesänderung der Strafrahmen für ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ erhöht, ohne dass in der Folge die Auswirkungen der Verschärfung evaluiert worden wären. Strafbarkeitslücken bestehen nicht. Es handelt sich um reine Symbolpolitik.
      Mit dem Gesetz soll nach verschiedenen Begründungen die »gesellschaftliche Wertschätzung« für Polizeibeamte/-innen erhöht werden.(6) Dabei trägt diese Symbolik (»Signal des Staates«,(7) »Zeichen setzen«) dadurch obrigkeitsstaatliche Züge, dass als Mittel das Strafrecht gewählt wird. Das Strafgesetzbuch ist kein Kurznachrichten-Kanal, auf dem ›Signale‹ gesendet werden. Der Gesetzgeber ist vielmehr nur dann befugt ein Strafgesetz einzuführen, wenn dies zum Schutz eines Rechtsguts tatsächlich erforderlich ist. 5. Gesetzgeberische Unkultur Das Gesetzgebungsverfahren wurde in einem höchst fragwürdigen Tempo durchgeführt – ohne größere sachliche und gesellschaftliche Debatte. Bei der Frage nach Anlass und Grund des Gesetzes verweist die Bundesregierung auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die vier Jahre alt ist. Dort heißt es wörtlich: »Wir verbessern den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkräften bei gewalttätigen Übergriffen«.(8) Von einer Änderung des Strafgesetzbuches ist dort keine Rede. Die SPD lehnte eine Änderung des Strafgesetzbuches zunächst (zu Recht) strikt ab; nun tritt sie im völligen Gegensatz dazu als Verfechterin eines Sonderstrafrechts zum Schutz von Polizeibeamten/-innen auf. Das Gesetz soll nun am Ende der Legislaturperiode – im laufenden Wahlkampf und hektisch kurz vor der Sommerpause – von der großen Koalition und gegen den Widerstand der gesamten Opposition verabschiedet werden.
      Der Referentenentwurf des BMJV stammt vom 23. Dezember 2016, also von kurz vor Weihnachten. Einige Berufsverbände aus der Justiz erhielten (über die Weihnachtsfeiertage) sehr kurze Fristen zur Stellungnahme. Die Stellungnahmen fielen allesamt ablehnend aus (vgl. oben Ziff. 2). Der Referentenentwurf wurde von der Bundesregierung unverändert am 8. Februar 2017 als Gesetzentwurf (Drs. 18/11161) beschlossen und am 14. Februar 2017 vorgelegt. Die 1. Lesung im Bundestag fand bereits am 17. Februar 2017 statt. Obwohl es konkrete Bedenken und Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundesrats gab (vgl. oben Ziff. 2),(9) war der Gesetzentwurf dem Bundesrat im Plenum am 10. März 2017 eine ›Debatte‹ von 4,46 Minuten wert (bestehend aus einem Redebeitrag eines Mitarbeiters des BMJV und der Abstimmung),10 um gegen das Gesetz mehrheitlich »keine Einwände« zu erheben. Der Gesetzentwurf soll nun am 22. März 2017 im Rechtsausschuss des Bundestages behandelt werden. Bereits am 30. März 2017 soll das Gesetz in Zweiter und Dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden. Sozusagen ein ›3-Monats-Gesetz‹. 6. Gesetzesbegründung höchst fragwürdig Ausweislich der Gesetzesbegründung der Bundesregierung soll mit der Verschärfung des Strafgesetzes nicht etwa eine Erhöhung der Sicherheit erreicht, sondern »Anerkennung und Respekt« für gefährliche Einsätze, für Schichtdienst, Arbeit an Wochenenden und für Überstunden von Polizeikräften ausgedrückt werden.(11) Ob die Verschärfung des Strafgesetzes überhaupt zu einer Stärkung des Schutzes führen kann, ist für die Bundesregierung ebenfalls ungewiss. Im Gesetzentwurf selbst heißt es dazu, dass eine »profunde Abschätzung« über Folgen und Wirkungen des Gesetzes »nicht möglich« sei.(12) Es geht also gar nicht darum, Polizeibeamtinnen und -beamte besser zu ›schützen‹, sondern darum, sie – rein symbolisch – zu ›schätzen‹. Der Entwurf wird von der Bundesregierung damit begründet, Polizeibeamte/-innen hätten die Gesetzesverschärfung »verdient«, das sei die Regierung ihnen »schuldig«.(13) Letztendlich geht es bei dem Gesetz ausschließlich darum, die Begehrlichkeiten der Polizeigewerkschaften zu befriedigen. 7. Desinformationskampagne der Polizeigewerkschaften Für eine angeblich ›ständige‹ und ›dramatische‹ Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte/-innen gibt es keine objektiven, belastbaren Belege. Bei der angeblichen ›Zunahme der Gewalt‹ handelt es sich schlicht um eine Behauptung der Polizeigewerkschaften. Vermeintliche ›Berichte‹ zu polizeiinternen Befragungen, die vor allem durch suggestive Fragestellungen auffallen, können zunehmende Gewalt ebenso wenig belegen, wie die tendenziös kommentierten »Lagebilder« der Innenministerien.(14)
      Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist ebenfalls kein zuverlässiges Analyseinstrument, weil sie nur das polizeiliche Anzeigeverhalten wiedergibt. Übertriebene Zahlen sind daher systemimmanent, weil nicht erfasst wird, wenn ein Verfahren eingestellt wurde oder mit einem Freispruch endete und sich der Vorwurf nicht bestätigt hat. Aber nicht einmal aus der PKS ergibt sich die behauptete ›Zunahme‹.(15) Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Fall-Zahlen des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ sind seit 2008 rückläufig. Im Jahr 2013 gab es z.B. bundesweit einen Rückgang der Fallzahlen von 8,5 Prozent und im 5-Jahresvergleich, ebenfalls bundesweit, sogar einen Rückgang von 24 Prozent. Das einzige, was zugenommen hat, ist die Dramatisierung durch die Polizeigewerkschaften. 8. Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte‹ Die Desinformationskampagne der Polizeigewerkschaften zeichnet darüber hinaus das völlig unzutreffende Bild, dass es in hohem Maße völlig anlasslose Angriffe auf Polizeibeamte/-innen gäbe, als würden ständig Bürger/-innen ohne jeglichen Bezug zu einer Vollstreckungsmaßnahme Polizeibeamte/-innen angreifen. Dies ist völlig realitätsfern. Tatsächlich geht in den allermeisten Fällen von Konflikten zwischen Bürger/-innen und der Polizei eine polizeiliche Zwangsmaßnahme (Festnahme, Durchsuchung etc.) voraus, die dann in eine Konfliktsituation mit Eskalationsgeschehen mündet. Die Bürger/-innen sind in den allermeisten Fällen nicht autonom in Kontakt mit der Polizei getreten, sondern werden durch ein Eingreifen der Polizei erst in den Kontakt gebracht. In der Realität handelt es sich hier meist auf beiden Seiten um eine Stresssituation, wobei das Interaktionsgeschehen und wechselseitige Emotionen den Konflikt hochschaukeln.
      Die Bürger/-innen treten dabei nicht einer unbewaffneten schutzlosen Person gegenüber, sondern in der Regel geschützten, bewaffneten und ausgebildeten Polizist/-innen. Neben Schusswaffen führen diese Tonfa-Schlagstock und Pfefferspray mit sich. Sie tragen Einsatzanzüge mit Schutzprotektoren und häufig auch Helme mit Visier.
      Die Deutungshoheit über solche Situationen liegt schon jetzt bei der Polizei. Wann die Schwelle zum Widerstand überschritten ist, entscheiden zunächst allein die – selbst betroffenen – Beamt/-innen, die die Anzeige erstatten. Beim Delikt ›Widerstand‹ liegt die reale Handlung meist im Bagatellbereich, die tatbestandliche Schwelle des § 113 StGB ist relativ schnell erreicht, etwa durch Sperren bei einer Festnahme, Schieben, Arm-Versteifen, Körperdrehung, ›Stemmen gegen die Laufrichtung‹, Muskeln anspannen, Schubsen etc. Die Polizeibeamt/-innen sind in diesen Situationen meist die einzigen Beweismittel, vermeintliches Opfer und Zeuge zugleich. Die sonst in solchen Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen angewendeten Grundsätze, z.B. die besonders kritische Würdigung von Belastungsaussagen beim Fehlen ›neutraler‹ Zeugen, kommen meist nicht zur Anwendung – der Polizeibeamte gilt in den Augen vieler Staatsanwaltschaften und Gerichte als per se objektiv. Diese Deutungsmacht ist vor allem dann problematisch, wenn den Polizeibeamt/-innen ein eigenes Fehlverhalten (z.B. ungerechtfertigte Gewalt gegen Bürger/-innen) vorgeworfen wird. Hier kann das zu der Tendenz führen, eigenes Fehlverhalten zu rechtfertigen oder zu vertuschen und einer Anzeige wegen ›Körperverletzung im Amt‹ durch eine eigene Anzeige wegen ›Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte‹ zuvorzukommen.(16) 9. EmpfehlungenDas Gesetz ist als ungeeignet und verfassungswidrig abzulehnen. Der § 113 StGB (Widerstand) wurde ursprünglich geschaffen, um staatliche Vollstreckungsmaßnahmen und damit das staatliche Gewaltmonopol zu schützen, nicht um den ausführenden ›Staatsdiener‹ zu schützen. Sonst hätte man diesen Tatbestand nicht benötigt, weil der Individualschutz der handelnden Personen durch andere Tatbestände, nämlich Nötigung und Körperverletzung, bereits ausreichend gewährleistet ist. Da der Bürger sich zumeist nicht freiwillig in Konfliktsituationen mit Polizeibeamten und -beamtinnen begibt, wurde dieser besonderen Lage im Rahmen des § 113 StGB Rechnung getragen: durch eine geringere Höchststrafe und erweiterte Irrtumsregeln bei ungerechtfertigten Polizeieinsätzen. Dieses Ziel einer Privilegierung des Bürgers verkehrt der Gesetzentwurf in sein Gegenteil.
      Es gäbe viele sinnvolle Maßnahmen, wollte man Konfliktlagen zwischen Bürger/innen und Polizei vorbeugen und entschärfen. Insbesondere wäre es wichtig, unabhängige Forschung darüber zu fördern, was zur Eskalation in Konfliktsituationen zwischen Polizeibeamten/-innen und Bürgern/-innen führt und sich wirklich ernsthaft und sachlich mit der Rechtswirklichkeit des Delikts ›Widerstand‹ auseinanderzusetzen. Um Respekt zu verbessern, ist martialisches Auftreten polizeilicher Kampfeinheiten und der unverhältnismäßige Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock kontraproduktiv. Zudem sollte überprüft werden, wo die polizeiliche Schulung und Ausbildung für Stress- und Konfliktsituationen, deeskalierendes Verhalten und eine menschenrechtskonforme und bürgerfreundliche Polizeiarbeit verbessert werden können. In allererster Linie wird eine transparente und bürgerfreundliche Polizei Respekt erzeugen. Hierzu gehört auch das Tragen individueller Kennzeichnung, insbesondere bei geschlossenen Einheiten, was auf Bundesebene und in manchen Bundesländern noch immer abgelehnt wird. 20.03.2017 Rechtsanwalt Marco Noli, München / RAV e.V. ________ *Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Humanistische Union e.V.
      Internationale Liga für Menschenrechte
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Stellungnahme vom 20.3.2017 als PDF   1( )Vgl. http://www.drb.de/stellungnahmen/2017/schutz-von-vollstreckungsbeamten.html. Der Deutsche Richterbund ist der größte Berufsverband der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland.
      (2) Vgl. https://www.neuerichter.de/details/artikel/article/grundsaetzliche-stellungnahme-zum-gesetz-zur-aenderung-des-strafgesetzbuches-507.html.
      (3) Vgl. https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-5-17-staerkung-des-schutzes-von-vollstreckungsbeamten-und-rettungskraeften.
      (4) Vgl. http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0101-0200/126-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
      (5) Vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 113 Rn. 27.
      (6) Vgl. MdB Dr. Volker Ullrich, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21951 D.
      (7) Vgl. MdB Dr. Jan-Marco Luczak, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, Zwischenruf, S. 21939 C.
      (8) Vgl. S. 146 des Koalitionsvertrages der 18. Legislaturperiode vom 16.12.2013.
      (9) Vgl. Empfehlungen der Ausschüsse vom 27.02.2017, http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0101-0200/126-1-17.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
      (10) TOP 41 der 954. Sitzung am 10.03.2017.
      (11) Vgl. MdB Dr. Stephan Harbarth, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21941 C.
      (12) Vgl. Ziff. VI.2. der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11161, S. 11.
      (13) Vgl. BMJV Heiko Maas, BT-Debatte, 1. Lesung, Prot. 18/219, S. 21938 B.
      (14) Laut ›Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte 2011‹ aus Bayern sind 40 % der ›Gewalt‹ Beleidigungen, nur 30 % betreffen überhaupt Körperverletzungen, die Mehrheit der Fälle fällt im Privatbereich an, Demonstrationen: 8 %, Fußball: 3 %. Laut ›Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte 2012‹ aus NRW gab es 15 schwerverletzte Beamte (bei 4,1 Mio. Polizeieinsätzen); Gewalt gegen Polizeibeamte kommt in einem von tausend Einsätzen vor.
      (15) Vgl. Singelnstein/Puschke, NJW 2011, 3473.
      (16) In der Polizeiwissenschaft wird für dieses bekannte Phänomen der Begriff ›Widerstandsbeamter‹ verwendet.]]>
      Innere Sicherheit (doublet)Polizeirecht (doublet)
      news-500Tue, 24 Jan 2017 11:38:00 +0100Tag der verfolgten Anwält*innen, 24.1.17/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-verfolgten-anwaelt-innen-24-1-17-500Pressemitteilung, 24.1.17Solidarität mit den Anwält*innen in China

      Seit 2010 werden jedes Jahr am oder um den 24. Januar Proteste vor Botschaften in Solidarität mit Anwältinnen und Anwälten organisiert, die bedroht, angegriffen oder sogar getötet werden, weil sie in Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung Menschenrechte verteidigen.
      Heute werden europaweit und in außereuropäischen Ländern Anwält*innen vor den Botschaften Chinas protestieren. Den Botschafter*innen wird eine Petition zugunsten der chinesischen Anwält*innen überreicht.

      In Berlin ruft der RAV, die Vereinigung Berliner Strafverteidiger, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und die Berliner Rechtsanwaltskammer auf, sich zu versammeln:

      Dienstag, den 24. Januar 2017, 15:00 Uhr
      Botschaft der Volksrepublik China, Brückenstraße 10, 10179 Berlin
      Anwält*innen sind zur Teilnahme in Robe aufgerufen.

      In China werden seit Jahren die Rechte von Beschuldigten und deren Zugang zu anwaltlicher Vertretung immer weiter eingeschränkt. Die Anwält*innen selbst werden durch administrative, legale und nicht-legale Maßnahmen in ihrer freien Berufsausübung behindert. Kolleg*innen, die sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen oder in als politisch sensibel eingestuften Verfahren verteidigen, laufen Gefahr, im Rahmen der jährlich durchgeführten Überprüfungen ihre Zulassung zu verlieren.

      Die Kriminalisierung von Rechtsanwält*innen allein aufgrund der Wahrnehmung der ihnen in ihrem Beruf zukommenden Aufgaben widerspricht jedoch international anerkannten menschenrechtlichen Standards, so etwa auch der Erklärung über das Recht und die Verantwortlichkeit von Individuen, Gruppen und der Zivilgesellschaft zur Förderung und zum Schutz allgemein anerkannter Menschenrechte und Grundfreiheiten. 

      Am 09. Juli 2015 (sogn. "709 Crackdown") begann eine drastische Repressionswelle gegen Menschenrechtsanwält*innen und-aktivist*innen, in deren Verlauf mittlerweile mehr als 300 Menschen verhaftet wurden. Selbst gewählte anwaltliche Verteidigung wurde ihnen verwehrt, einige wurden bereits verurteilt, einige warten seit über einem Jahr in Untersuchungshaft auf die Anklageerhebung. Der Kollege Jiang Tianyong ist seit dem 21.11.2016 verschwunden. Amnesty International beobachtet diesen Fall ebenfalls. 

      Detaillierte Informationen über die allgemeine Situation von Anwält*innen und konkrete Schicksale von Kolleg*innen findet sich in einer Petition, die dem Botschafter übergeben werden soll.

      Ansprechpartner:
      * Hans Gaasbeek, Rechtsanwalt in Haarlem und Direktor der niederländischen Stiftung DAY OF THE ENDANGERED LAWYER
      FON 0031.23.531.8657, MOBIL 0031.65.205.5043, hgaasbeek@gaasbeekengaasbeek.nl

      Der TAG DER BEDROHTEN ANWÄLTIN / TAG DES BEDROHTEN ANWALTS ist eine Initiative von Europäische Demokratische Anwält*innen (EDL), www.aeud.org  | Stiftung DAY OF THE ENDANGERED LAWYER (Niederlande)

      PM als Download

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      Tag des bedrohten AnwaltsRepression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-499Wed, 18 Jan 2017 10:22:00 +0100Mietpreise:<br />Modernisierungskosten sind Preistreiber Nr. 1/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreise-br-modernisierungskosten-sind-preistreiber-nr-1-499Pressemitteilung, 18.01.2017Informationspapier zu dem Preistreiber Nr. 1 im Mietrecht vorgelegt: Den Modernisierungkosten (http://bit.ly/2jvDKA3) Anhand konkreter Fallbeispiele aus Berlin weisen die Mietrechtsanwältinnen und -anwälte Mietpreissteigerungen von 52 bis zu 224 Prozent aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen nach. Der Grund hierfür ist die aktuelle Rechtlage, nach der Mieterinnen und Mieter mit 11 Prozent der vorfinanzierten Modernisierungskosten der Vermieterinnen und Vermieter belastet werden können. Härteeinwände finden nur in Ausnahmefällen Beachtung. Die sichtbare Folge: Alteingesessene Mieterinnen und Mieter werden in vielen Teilen Berlins aus den Innenstadtlagen verdrängt, weil die Mieten ins Unbezahlbare steigen. Der RAV: »Die derzeitige Rechtslage führt dazu, dass die Kosten der Energiewende auf den Rücken der Mieterinnen und Mieter ausgetragen werden. Die Energiewende ist aber eine gesamtstaatliche Aufgabe.« Daher fordert der RAV: »Die Regelung zur Modernisierungsumlage (§ 559 BGB) ist ersatzlos zu streichen. Investitionen von Vermieterinnen und Vermietern werden über die bestehenden Instrumente des Vergleichsmietensystems bereits jetzt ausreichend refinanziert. Die Politik auf Bundes- und Landesebene ist in der Verantwortung, der Verdrängung der Bevölkerung aus ihren Wohnungen und Bezirken einen Riegel vorzuschieben. Die Abschaffung von § 559 BGB ist hierfür ein wichtiger und längst überfälliger Schritt«. PM als Download]]>Mietrecht (doublet)news-497Thu, 12 Jan 2017 11:05:00 +0100Preistreiber Modernisierung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/preistreiber-modernisierung-497Broschüre über die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen für Mieterinnen und MieterMietrechtsbroschüre durch den Arbeitskreis Mietrecht im RAV im November 2016. Aus dem Inhalt: I. Zur Geschichte der Modernierungsumlage im Wohnungsietrecht

      II. Die aktuelle Rechtslage III. KritikDownload der Broschüre als PDF >>>  ]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-496Tue, 06 Dec 2016 12:00:00 +0100Anwaltlicher Notdienst für den OSZE/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-fuer-den-osze-496Pressemitteilung, 5.12.2016presse@anwaltlicher-notdienst-rav.org zur Verfügung.
      www.anwaltlicher-notdienst-rav.org Pressemitteilung als PDF]]>
      OSZE / G20-Gipfel 2017
      news-495Tue, 22 Nov 2016 09:44:00 +0100Was passiert in den Berliner Knästen?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/was-passiert-in-den-berliner-knaesten-49515.12.2016: Podiumsgespräch zur Situation in den Berliner StrafvollzugsanstaltenPodium:
      - Von den aktuellen Skandalen in der JVA-Tegel berichtet Oliver Rast (Gefangenengewerkschaft)
      - Dieter Wurm (Ex-Expilator) spricht über die Situation der Sicherungsverwahrten und den Alltag in der JVA-Tegel
      - Rechtsanwalt Dr. Olaf Heischel ist Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirats.
      Moderation: Fabian Kunow (Helle Panke e. V.) Termin:
      Donnerstag, 15. Dezember 2016, 19:00 bis 21:00 Uhr in Berlin Veranstaltungsort:
      Rosa-Luxemburgstiftung
      Seminarraum 1
      Franz-Mehring-Platz 1
      10243 Berlin Eintritt:
      2,00 Euro; ermäßigt 1,00 Euro Eine Kooperationsveranstaltung von Helle Panke e. V., dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) und der RLS. ]]>
      news-493Sun, 13 Nov 2016 19:18:00 +0100Keine Filmvorführung in November/Dezember/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-filmvorfuehrung-in-november-dezember-493Filmreihe von RAV & NSU-Watch
      Zur Rückschau auf die Reihe in 2016
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      news-494Sun, 13 Nov 2016 10:30:00 +0100Türkische Regierung verbietet Anwaltsvereinigungen und lässt Rechtsanwält*innen festnehmen<br />Die Erdoğan-Türkei ist kein Rechtsstaat – es gibt keine Demokratie/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkische-regierung-verbietet-anwaltsvereinigungen-und-laesst-rechtsanwaelt-innen-festnehmen-br-die-erdogan-tuerkei-ist-kein-rechtsstaat-es-gibt-keine-demokratie-494Gemeinsame Pressemitteilung verschiedener Anwaltsvereinigungen, 13.11.2016; Türkçe olarak aşağidaTürkçe olarak aşağida  ||  Auf türkisch unten  || Turkish see below Am 11. November 2016 hat das türkische Innenministerium im Zuge des Ausnahmezustandes 370 Organisationen und Vereinigungen in der Türkei verboten. Es hat u.a. ein 3-monatiges Betätigungsverbot gegen die fortschrittliche Anwaltsvereinigung ÇHD (Çağdaş Hukukçular Derneği), die Anwaltsvereinigung für die Freiheit ÖHD (Özgürlükçü Hukukçular Derneği) und die mesopotamische Anwaltsvereinigung MHD (Mezopotamya Hukukçular Derneği) verhängt und deren Geschäftsräume versiegeln lassen. Zudem wurden mehrere Rechtsanwält*innen unter massiver Gewaltanwendung festgenommen. Die Regierung beruft sich dabei auf Art. 11 des Ausnahmegesetzes und wirft den Organisationen vor, die nationale Sicherheit zu gefährden. Das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich handelt es sich bei ÇHD, ÖHD und MHD um anwaltliche Vereinigungen, die sich seit Jahrzehnten für die Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten in der Türkei einsetzen. ÇHD und ÖHD sind Mitglieder der ‚Europäischen Vereinigung von Jurist*innen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt' (EJDM/ELDH1). Die ÇHD ist zudem, wie der RAV, Mitglied des Dachverbandes der europäischen demokratischen Anwält*innen (EDA/AED2). Im Jahre 2014 wurde der ÇHD darüber hinaus von der Freiburger Kant-Stiftung der Kant-Weltbürger-Preis3 und von der VDJ der Hans-Litten-Preis4 für ihr Engagement für Menschenrechte und Demokratie verliehen. Sie setzen sich für die Rechte von Minderheiten, die Bekämpfung von Folter und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ein, nicht zuletzt durch erfolgreiche Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die türkische Regierung verletzt mit diesen rechtswidrigen Angriffen auf ÇHD, ÖHD und MHD in schamloser Weise das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit und die Grundprinzipien der freien Advokatur, wie sie von den Vereinten Nationen im Jahr 1990 als "Basic Principles on the Role of Lawyers" verabschiedet worden sind. Wenn Rechtsanwält*innen aus Angst vor Verfolgung nicht für die Interessen ihrer Mandant*innen eintreten können, kann von der Existenz eines Rechtsstaats keine Rede sein. Erdoğan  betreibt die endgültige Zerschlagung der oppositionellen Zivilgesellschaft in der Türkei. Wir verurteilen diese rechtswidrigen Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen auf das Schärfste und fordern die unverzügliche Freilassung aller inhaftierten Rechtsanwält*innen und die unverzügliche Beendigung des Ausnahmezustandes und der damit einhergehenden Repressionen. Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 hat die türkische Regierung systematisch Rechtsstaat und Demokratie abgeschafft. Mit der Entlassung tausender Richter*innen und Staatsanwält*innn, Staatsbediensteten, Lehrer*innen und Akademiker*innen, der Schließung freier Medien und der Verhaftung tausender Menschen – darunter auch Parlamentsabgeordnete - unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung macht die Erdoğan-Regierung eines klar: Es geht nicht um die Sicherung, sondern um die Abschaffung der Demokratie. Rechtstaatliche Verfahren sind nicht mehr möglich. Beschuldigte werden zum Objekt der Verfahren. Dies sei nur beispielhaft anhand einiger Veränderungen dargestellt, die durch die Dekrete der Regierung nach Verhängung des Ausnahmezustands in Bezug auf die Rechte der Verteidigung Gesetzeskraft erhielten:Dort, wo die Bevölkerung durch Massensuspendierungen, Strafverfolgung, Inhaftierung, Folter und Entrechtung eingeschüchtert und mundtot gemacht wird, ist jeder Demokratie die Grundlage entzogen. Dort, wo Rechtsanwält*innen ihre Arbeit nicht ausüben dürfen, ist der Rechtsstaat Vergangenheit. Die Bundesregierung kann vor dieser Entwicklung die Augen nicht verschließen. Unsere Solidarität gilt allen, die in der Türkei für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit eintreten. Kontakt:
      Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, Tel. +49-(0)30-54716772 Pressemitteilung von1 http://www.eldh.eu/de/start/
      2 http://www.aeud.org/
      3 http://www.kantstiftung.de/index.php?page=pressemitteilung-2014
      4 www.vdj.de/aktivitaeten/hans-litten-preis/nachricht/den-hans-litten-preis-der-vdj-2014-erhaelt-rechtsanwalt-selcuk-koza-286acli-praesident-des-chd/
      5 So die Mitteilung der Istanbuler Rechtsanwaltskammer vom 02.08.2016: http://www.istanbulbarosu.org.tr/Detail_EN.asp?CatID=57&SubCatID=1&ID=11671 für die Dekrete bis zum 2.8.2016 Türkische Regierung verbietet Anwaltsvereinigungen und lässt Rechtsanwält*innen festnehmen. Die Erdoğan-Türkei ist kein Rechtsstaat – es gibt keine Demokratie (PDF) ------------------------------------- Basın Bildirisi, 13.11.2016 Türk Hükümeti hukukçu derneklerini yasaklıyor ve hukukçuları tutuklatıyor
      Erdoğan Türkiye'si bir hukuk devleti değildir – burada demokrasi yok
      Türk İçişleri Bakanlığı 11 Kasım 2016 tarihinde olağanüstü hal kapsamında Türkiye'deki 370 örgüt ve derneği yasakladı. Çağdaş Hukukçular Derneği (ÇHD), Özgürlükçü Hukukçular Derneği (ÖHD) ve Mezopotamya Hukukçular Derneği'ne (MHD) de üç aylık faaliyet yasağı koydu ve bürolarını mühürletti. Bunun yanı sıra çok sayıda avukat ağır şiddet kullanılarak tutuklandı. Hükümet bunu olağanüstü hal kanununun 11. maddesiyle gerekçelendiriyor ve bu dernekleri ulusal güvenliği tehdit etmekle suçluyor. Oysaki bunun tam tersi söz konusu: ÇHD, ÖHD ve MHD on yıllardan bu yana Türkiye'de insan ve vatandaş haklarının uygulanması için çaba gösteriyor. ÇHD ve ÖHD „Dünyada Demokrasi ve İnsan Hakları için Avrupa Hukukçular Birliği“nin (EJDM/ELDH(1)) üyeleri. ÇHD bunun yanında RAV (Cumhuriyetçi Avukatlar Derneği) gibi Avrupalı Demokrat Hukukçular Federasyonu'nun (EDA/AED[2]) üyesi. ÇHD ayrıca insan hakları ve demokrasi alanlarındaki çalışmaları nedeniyle 2014 yılında Freiburg Kant Vakfı'ndan „Kant Dünya Vatandaşlığı Ödülü“nü ve VDJ'den (Demokrat Hukukçular Derneği) „Hans Litten Ödülü“nü aldı. Bu dernekler azınlık hakları için uğraş veriyor, Türkiye'de işkence ve insan hakları ihlalleriyle savaşıyorlar.  Avrupa İnsan Hakları Mahkemesi'ne yaptıkları ve başarı kazanan başvurular bu faaliyetlerinde önemli bir rol oynuyor. Türk Hükümeti ÇHD, ÖHD ve MHD'ye yönelik bu hukuka aykırı saldırılarıyla utanmaz bir şekilde dernek özgürlüğüne yönelik temel hakları ve Birleşmiş Milletler'in 1990 yılında kabul ettiği „Avukatların Rolüne Dair Temel Prensipler“de yer aldığı şekliyle özgür avukatlığın temel prensiplerini çiğniyor. Avukatların takibat korkusuyla müvekkillerinin çıkarlarını savunamadıkları durumda bir hukuk devletinin varlığından söz edilemez. Erdoğan Türkiye'deki muhalif sivil toplumu mutlak bir şekilde yok etmeye çalışıyor. Meslektaşlarımıza yönelik bu hukuka aykırı saldırıları en ağır şekilde kınıyor ve tutuklu tüm avukatların derhal serbest bırakılmalarını, olağanüstü halin ve onun kapsamındaki baskı ve engellemelerin derhal sonlandırılmalarını talep ediyoruz. 15 Temmuz 2016'da gerçekleşen darbe girişiminin ardından olağanüstü hal kararının alınmasıyla Türk hükümeti hukuk devleti ve demokrasiyi sistematik bir şekilde ortadan kaldırdı. Binlerce hakim ve savcının, devlet görevlisinin, öğretmen ve akademisyenin görevlerinden alınması, özgür basın organlarının kapatılması ve aralarında meclis üyelerinin de bulunduğu binlerce kişinin tutuklanmasıyla Erdoğan yönetimi terörle savaş kisvesi altında şunu açıkça ortaya koyuyor: Söz konusu olan demokrasinin güvence altına alınması değil ortadan kaldırılması. Hukuki süreçlerin yerine getirilmesi artık mümkün değil. Şüpheliler davanın objesi haline getiriliyorlar. Bu durum, yönetimin olağanüstü hal kararı alınmasının ardından savunma avukatlarının haklarıyla ilgili olarak yayınladığı kararnamelerle kanun geçerliliği kazanan kimi değişikliklerle örneklenebilir:Halkın; toplu açığa alınmalar, soruşturma ve kovuşturmalar, tutuklamalar, işkenceler ve hakların elinden alınması aracılığıyla korkutulup susturulduğu bir yerde demokrasi tüm dayanaklarından yoksun bırakılmıştır. Avukatların görevlerini yerine getirmelerine izin verilmiyorsa hukuk devleti artık geçmişte kalmıştır. Alman Hükümeti bu gelişmeyi görmezden gelemez. Türkiye'de demokrasi, insan hakları ve özgürlük için mücadele veren herkesle dayanışma içindeyiz. Basın bildirisini imzalayanlar:İletişim: Avukat Franziska Nedelmann, Tel. +49-(0)30-54716772 [1]   www.eldh.eu/de/start/
      [2]   www.aeud.org
      [3]   İstanbul Barosu’nun kararnamelerle ilgili 2 Ağustos 2016 tarihli bildirisi: http://www.istanbulbarosu.org.tr/Detail_EN.asp?CatID=57&SubCatID=1&ID=11671  2 Ağustos 2016 tarihine kadar çıkarılmış olan kanun hükmünde kararnameler hakkında Basın Bildirisi (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Freie Advokatur (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-492Tue, 01 Nov 2016 08:39:00 +0100Norddeutschland, der NSU und rechter Terror:<br />Eine Veranstaltung zum NSU-Komplex, Rassismus und Justiz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/norddeutschland-der-nsu-und-rechter-terror-br-eine-veranstaltung-zum-nsu-komplex-rassismus-und-justiz-492Einladung zum Hearing am 4.11.2016Prof. Dr. Rafael Behr (FH der Akademie der Polizei Hamburg)
      Hans-Ernst Böttcher (Präsident i.R. des Landgerichts Lübeck)
      Kemal Dogan (Ramazan Avci Initiative)
      Ayșe Güleç (Initiative 6. April / Tribunal „NSU-Komplex auflösen)
      Gabriele Heinecke (Rechtsanwältin, Hamburg)
      Alexander Hoffmann (Rechtsanwalt, Nebenklagevertreter für Betroffene des NSU-Anschlags in der Keupstraße)
      Caro Keller (NSU Watch)
      Alexander Kienzle (Rechtsanwalt, Nebenklagevertreter der Familie von Halit Yozgat)
      Kirsten Kirstein (Rechtsanwältin, Nebenklagevertreterin der Familie von Süleyman Tașköprü
      Dirk Laabs (Journalist, Autor „Heimatschutz)
      Dr. Vassilis Tsianos (Fachhochschule Kiel) Termin & Ort
      4. November 2016, 14:00 bis 21:00 h
      Gewerkschaftshaus | Besenbinderhof 57a | 20097 Hamburg Das Hearing „Norddeutschland, der NSU und rechter Terror“ rückt am 5. Jahrestag der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eine Region in den Mittelpunkt, die bei allen bisherigen Aufklärungsbemühungen im NSU-Komplex das Schlusslicht bildet. Überlebende, Nebenklagevertreter_innen der Betroffenen, Wissenschaftler_innen und unabhängige Projekte, die Betroffene rechter und rassistischer Gewalt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein unterstützen, diskutieren über Aufklärungsblockaden im NSU-Komplex, die Praxis der Strafverfolgungsbehörden, die Forderungen der Betroffenen und die Konsequenzen des rasanten Anstiegs rassistischer und rechter Gewalt im Alltag. Der Brandanschlag von Mölln, die ungesühnten Morde an zehn Bewohner_innen des Flüchtlingsheims in der Lübecker Hafenstraße 1996 und die Frage nach Unterstützer_innen des NSU-Kerntrios in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern stehen ebenso im Mittelpunkt des Hearings wie die gesellschaftlichen Diskurse, die vor Ort zu einer Entsolidarisierung mit den Betroffenen alltäglicher rechter Gewalt beitragen. „Man kann über den NSU-Komplex, und rechten Terror nicht reden, ohne die in Norddeutschland fest verankerten neonazistischen Netzwerke und institutionellen Rassismus und dessen Auswirkungen zu untersuchen“, sagt Dr. Christian Staffa , Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus“, die das Hearing unterstützt. Veranstalter:
      Evangelische Akademie zu Berlin Unterstützt durch:
      Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus
      Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg
      empower – Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
      LOBBI – Beratung für Betroffene rechter Gewalt Mecklenburg-Vorpommern
      zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e.V. Schleswig-Holstein
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      NSU Watch Das ausführliche Programm des Hearings findet sich hier:
      www.eaberlin.de/seminars/data/2016/kul/vorsicht-ende-des-demokratischen-sektorsKontakt:
      Für den Veranstaltersteht Dr. Christian Staffa für Fragen zur Verfügung
      030.203 55 – 411  |  staffa@eaberlin.deFür den RAV steht Rechtsanwalt Alexander Hoffmann für Fragen zur Verfügung
      0171.3284816  |  info@anwalthoffmann.de PE_Einladung zum Hearing (PDF)]]>
      news-487Sun, 30 Oct 2016 10:47:00 +01004. Berliner Gefangentage<br />"Der Preis der Freiheit" /publikationen/mitteilungen/mitteilung/4-berliner-gefangentage-br-der-preis-der-freiheit-487Tagung 4./5. November 2016Welchen Preis zahlt die Gesellschaft für einen – letztlich ungerechten und wirkungslosen – Strafvollzug?  Welchen Preis zahlen die Menschen, die sich als Verurteilte und als Mitarbeiter*innen in diesem Strafvollzug befinden? Zu Sinn, Bedeutung und Wirksamkeit von Behandlungsmaßnahmen im Vollzug und von Strafvollzug überhaupt diskutieren wir mit führenden führenden Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen.
      Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion sind unter anderem der Vorsitzende Richter am BGH Prof. Dr. Thomas Fischer, RA'in Ria Halbritter (Vorstand Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.) und Dr. Thomas Galli (Autor des Buchs »Die Schwere der Schuld«, in dem er den Strafvollzug als wirksames Mittel zur Resozialisierung in Zweifel zieht. Eine seiner Thesen lautet: Gefängnis ist ein Symbol dafür, dass Schuld auf gesellschaftlicher Ebene juristisch und moralisch ungerecht verteilt ist).

      Darüber hinaus diskuieren wir mit Praktiker*innen aus dem Vollzug, Vollstreckungsrichter*innen und Mitarbeiter*innen von Freien Trägern.
      Kann eine Aussage dazu getroffen werden, ob – wenn überhaupt – Maßnahmen von externen Anbietern besser wirken als vollzugsinterne? Welchen Einfluss hat die Gewährung oder Versagung von Vollzugslockerungen auf die Praxis der vorzeitigen Entlassung? Welche Rolle wird externen Beteiligten, z.B. Rechtsanwält*innen, vom Vollzug beigemessen? Sind sie ein Störfaktor oder an der Behandlung beteiligt? Referent*innen
      Marcus Behrens, Psychologe, Leiter AG Haft Man-O-Meter e.V.
      Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn, FU Berlin
      Prof. Dr. Frieder Dünkel
      Boglarka Fedorko, Projektmanagerin Transgender Europe - TGEU
      VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer
      Caroline Franklin, SenJustV Berlin
      Dr. Thomas Galli, Leiter der JVA Zeithain und Buchautor
      RA´in Lisa Grüter, Dortmund
      RA´in Ria Halbritter, Vorstand Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
      Dr. Olaf Heischel, RA und Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirates
      RA Klaus Lederer, Landesparteivorsitzender DIE LINKE Berlin
      RA Dr. Jan Oelbermann
      Detlef Stark, Teilanstaltsleiter JVA Tegel
      VRiLG Sören Volkens, Berlin
      und die Ehefrau eines Inhaftierten Moderator*innen:
      RA Lawrence Desnizza, Berlin
      RA´in Dr. Annette Linkhorst, Berlin
      RA´in Diana Blum, Berlin
      RA´in Ursula Groos, Berlin
      RA Olaf Söker, Berlin Das genaue Programm findet sich hier im FlyerVeranstalter
      Eine Veranstaltung des Arbeitskreises Strafvollzug der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und des RAV e.V. in Kooperation mit dem akj-berlin (arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der HU zu Berlin) Anmeldung und Kontakt
      Anmeldebogen
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
      Greifswalder Str. 4 | 10405 Berlin
      Telefon: 030.41723555 | Fax: -57
      kontakt@rav.de
      Teilnahmegebühr
      Für beide Tage:
      60 € : Mitglieder (RAV oder Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.)
      90 € : Nichtmitglieder
      Studierende und Referendar*innen können kostenfrei teilnehmen Überweisung bitte nach Rechnungsstellung auf das Konto der RAV
      Postbank Hannover
      IBAN: DE17 2501 0030 0009 0043 01
      BIC: PBNKDEFF

      Bei einer vollständigen Teilnahme an der Tagung wird eine Bescheinigung über 6 Stunden nach § 15 FAO ausgestellt. Dafür werden Teilnehmerlisten ausgelegt/herumgereicht, die an beiden Tagen eigenverantwortlich unterschrieben werden müssen.
      Der Tagungsbeitrag beinhaltet die Teilnahme an allen Veranstaltungen und die Tagungsgetränke.

      Tagungsorte
      Humboldt-Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Unter den Linden 6
      Juristische Fakultät, Bebelplatz 2
      Die Juristische Fakultät befindet sich im Gebäudekomplex Kommode / Altes Palais / Gouverneurshaus (Bebelplatz 2, Unter den Linden 9 und 11) am Bebelplatz gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte.
      S- und u- Bahnhof Friedrichstraße oder Bushaltestelle Staatsoper (Linien 100, 200, TXL)]]>
      news-491Sun, 30 Oct 2016 08:33:00 +0100Stellungnahme zum Referentenentwurf zur<br />2. Mietrechtsnovelle/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-referentenentwurf-zur-br-2-mietrechtsnovelle-491Endlich Mieterrechte wieder stärken!I. Reform der §§ 558ff. BGB, Grundmietenerhöhung, insbesondere Vergleichsmiete Im deutschen Mietrecht spielt bei der Ermittlung der Miethöhe die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete eine große Rolle. Sie begrenzt das Recht das Recht des Vermietenden, die Miete im Bestandsmietverhältnis zu erhöhen. Seit Einführung der „Mietenbremse“ darf die Neuabschlussmiete in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, bei Neuvermietung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht um mehr als 10 % überschreiten. Die ortsübliche Vergleichsmiete hat damit eine zentrale Bedeutung im deutschen Miethöherecht. Mit dem vorliegenden Entwurf soll das geltende Recht an zwei Stellen geändert werden. Es soll die Grundlage für die Ermittlung der Vergleichsmiete selbst vergrößert und die tatsächliche Fläche bei der Berechnung der Vergleichsmiete zu Grunde gelegt werden. Darüber hinaus sind Änderungen bei den Regeln zum Mietspiegel geplant. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nach ihrem Grundverständnis diejenige Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es handelt sich also vor allem um Bestandsmieten und gerade nicht um gerade am Markt erzielbare Neuvermietungsmieten. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind sog. Änderungskündigungen ausgeschlossen: Die Mietverträge dürfen nicht (mehr) mit der Absicht gekündigt werden, einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wurde den Vermietenden das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappung von 15 bzw. 20 % bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete anzuheben. Diese Miete kann selbstverständlich nicht die aktuelle Marktmiete sein. Denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen könnte. Dann wäre dieses Kündigungsverbot jedoch schlicht unnötig. 1. Die Ortsübliche Vergleichsmiete und die Wohnfläche Von daher schließt die ortsübliche Vergleichsmiete nicht nur die bei Neuvermietung erzielbaren Mieten sondern auch die Mieten ein, die im Bestand für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermietende soll das bekommen, was die anderen – im Schnitt – auch an Miete erhalten. Darin enthalten sein müssen alle Mieten, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten. Diese eigentlich sinnvolle Idee ist jedoch derzeit zu Lasten der Mietenden geregelt. Denn bei der Ermittlung der Vergleichsmiete spielen nur die Mieten eine Rolle, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Schon lange nicht mehr veränderte Mieten finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Diese systemwidrige Beschränkung wird seit Jahren kritisiert. Die Kritik wurde nun zumindest zum Teil erhört. In dem Novellierungsvorschlag wird die in § 558 Absatz 2 genannten vier Jahre nun auf acht Jahre verdoppelt. Im Koalitionsvertrag war noch von 10 Jahren die Rede. Dies ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Konsequent und richtiger wäre jedoch die Einbeziehung aller Mieten in die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Weiterhin soll nach dem vorliegenden Novellierungsentwurf künftig bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete die tatsächliche Fläche der Wohnung zu Grunde gelegt werden. Damit wird eine jüngere Änderung der Rechtsprechung des BGH sinnvollerweise nachvollzogen. 2. Der qualifizierte Mietspiegel Geplant sind darüber hinaus gravierende Änderungen bezüglich des qualifizierten Mietspiegels. Die ortsübliche Vergleichsmiete – Orientierung für Mieterhöhung und Mietenbremse – wird in der Praxis entweder durch Sachverständigengutachten oder durch einen Mietspiegel ermittelt. Zwar kann ein Mieterhöhungsverlangen auch mit Vergleichswohnungen oder einer Auskunft aus einer Mietdatenbank begründet werden. Für den Beweis der ortsüblichen Vergleichsmiete in der gerichtlichen Auseinandersetzung ist jedoch entweder ein Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten heranzuziehen. Man unterscheidet weiter zwischen einem sog. einfachen und einem qualifizierten Mietspiegel. Ein qualifizierter Mietspiegel liegt nach aktueller Gesetzeslage gem. § 558d BGB dann vor, wenn er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von den Gemeinden oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt wurde. Der qualifizierte Mietspiegel hat große praktische Bedeutung, denn es wird gesetzlich vermutet, dass die in ihm ausgewiesenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Diese Vermutungswirkung kann zwar angegriffen werden. Eine solche Ansicht muss dann jedoch im gerichtlichen Verfahren im Einzelnen dargelegt und bewiesen werden. Dies ist in der Praxis extrem schwierig. Gerade die Mietspiegel (einfache oder qualifizierte) haben sich in der Vergangenheit als streitbefriedend erwiesen. Über 97 % der mit einem Mietspiegel begründeten Erhöhungsverlangen werden außergerichtlich erledigt – eine ansehnliche Quote (u.a. Emmert in Handbuch des Mietrechts, § 12 Rz. 97). Allerdings setzt dies eben nach derzeitiger Rechtslage voraus, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist. Gerade dies hat sich in der jüngeren Vergangenheit im Hinblick auf steigende Mieten allerdings als Streitpunkt erwiesen. So wurde dem Berliner Mietspiegel 2009 abgesprochen, nach solchen Grundsätzen erstellt worden zu sein (LG Berlin NJW 2015, 3252). Dies hat die fatale Folge, dass die mit viel Aufwand und hohen Kosten für die Gemeinden aufgestellten Mietspiegel ihre Vermutungswirkung verlieren. Die ortsübliche Vergleichsmiete muss dann im gerichtlichen Verfahren mittels eines Sachverständigengutachtens ermittelt werden. Dessen Kosten hat dann die unterlegen Mietvertragspartei zu tragen. Das damit verbundene finanzielle Risiko ist kaum kalkulierbar und kann insbesondere von nicht versicherten Mieter*innen nicht getragen werden. Zudem stützen sich solche Sachverständigengutachten oft auf nur wenige vergleichbare Wohnungen, also eine deutlich geringere Datengrundlage als jeder Mietspiegel. Alles in allem eine höchst unbefriedigende Situation. Hiervon ausgehend versucht der Gesetzgeber, die qualifizierten Mietspiegel zu stärken. Ob das mit dem jetzt vorliegenden Entwurf erreicht werden kann, muss jedoch bezweifelt werden. a. Der qualifizierte Mietspiegel verliert die Vermutungswirkung. Der qualifizierte Mietspiegel soll zukünftig die Wirkung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens haben, auf dessen Grundlage das Gericht die ortsübliche Vergleichsmiete unter entsprechender Anwendung des § 287 ZPO ermittelt. Er wird dann von einer Partei in den Prozess eingeführt. Die andere Partei kann dagegen Einwände erheben, die dann ggf. zur Befragung der an der Erstellung des Mietspiegels beteiligten Personen führt. Wenn der Mietspiegel vom Gericht als nicht genügend erachtet wird, kann sogar gem. § 412 Absatz 1 ZPO ein neues Gutachten eingeholt werden. Hier ist die Gefahr, dass der streitvermeidende Mietspiegel, geschaffen für Massenverfahren, regelmäßig selbst zum Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung wird und damit diese Verfahren weiter in die Länge gezogen werden. Es darf bezweifelt werden, dass ein Sachverständigengutachten als Gegengutachten dem qualifizierten Mietspiegel überlegen sein kann. So steht dem nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel ein breites und repräsentatives Datenmaterial zur Verfügung, wie es für eine private Begutachtung mit finanziell vertretbarem Aufwand niemals zur Verfügung stehen wird. Die Degradierung des qualifizierten Mietspiegels hat aber genau diese Wirkung. Neben der oft schon jetzt streitigen Anwendung des Mietspiegels kommt dann in den mietrechtlichen Auseinandersetzungen noch der Streit über dessen Grundlage hinzu. Dies kann kaum gemeint sein. Hinzu kommt, dass damit in der weiteren Folge die einfachen Mietspiegel an Verbindlichkeit verlieren. Diese sind von Mieter*innen und Vermieter*innen aufgestellte oder anerkannte Übersichten über die ortsübliche Vergleichsmiete. War deren rechtlicher Status bisher schon unsicher, wird nun in der Abgrenzung zum qualifizierten Mietspiegel schnell klar, dass sie in jedem Falle einem Sachverständigengutachten unterlegen sein müssen, denn als ein solches wäre nach dem vorliegenden Entwurf allenfalls der qualifizierte Mietspiegel anzusehen. Das eigentlich streitschlichtende Instrument Mietspiegel wäre im Ergebnis nicht mehr allzu viel wert. Besser wäre es hier, bei der bisherigen Vermutungsregelung des jetzigen 558d BGB zu bleiben. b. Kriterien für den qualifizierten Mietspiegel Da sich in der jüngeren Vergangenheit gerade die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze bei der Erstellung der Mietspiegel Anlass für Streit gegeben haben, bemüht sich der Entwurf hier Präzisierung und Korrektur. Gefordert ist nun der Einsatz wissenschaftlicher Erkenntnisse, wissenschaftlicher Methoden und Informationstechniken unter Berücksichtigung der sozialen und örtlichen Gegebenheiten. Die genauere Definition ist zu begrüßen. Gleiches gilt für die sich anschließende Verordnungsermächtigung, von der aber auch Gebrauch gemacht werden sollte. Ob dies allerdings zwingend vom Bundesministerium erledigen muss, sollte zumindest überdacht werden. Sachnäher wären die Landesregierungen – zumal die Mietspiegel schon jetzt im bundesweiten Vergleich erhebliche Unterschiede aufweisen. Weiter ist vorgesehen, dass bei der Auswahl sachgerechter Methoden und Informationstechniken zur Erstellung der Mietspiegel die voraussichtlich entstehenden Kosten im Verhältnis zu ihren Nutzen berücksichtigt werden können. Dies ist sicherlich eine aus fiskalischer Sicht sinnvolle Regelung. Es muss aber bezweifelt werden, dass das Kostenargument einen qualitativ minderwertig erstellten Mietspiegel wird retten können. Letztlich tangiert auch die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Grundrechte, die niemals mit Hinweis auf zu Höhe staatliche Kosten eingeschränkt werden können. Auf diese Regelung sollte daher verzichtet werden. c. Anerkennung durch öffentliche Verwaltung und Interessenverbände Darüber hinaus soll nach Anerkennung des nach § 558d Absatz 1 BGB-E erstellten Mietspiegels durch die Interessenverbände von Mietenden und Vermietenden sowie durch die zuständige Behörde vermutet wird, dass dieser tatsächlich qualifiziert ist. Dieser Vorschlag stärkt die Beteiligung der Betroffenen und deren Interessenvertretungen und ist daher zu begrüßen. Erkennen nur die Behörde oder die Interessenvertretungen den Mietspiegel an, ist dieser zwar auch qualifiziert, wenn die Voraussetzungen des § 558d Absatz 1 BGB-E vorliegen, dies muss dann – wie derzeit – aber beweisen, wer sich darauf beruft. d. Änderungen bei der Fortschreibung von Mietspiegeln Auch nach dem neuen Recht ist eine Fortschreibung des Mietspiegels alle zwei Jahre möglich. Eine Neuerstellung ist nur alle vier Jahre vorgesehen. Bei der Fortschreibung soll eine Orientierung nicht mehr am Preisindex sondern am Nettokaltmietenindex erfolgen. Das erscheint sinnvoll. II. Modernisierungsrecht1. Nachbesserungen zum Härteeinwand Das zum 1. Mai 2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz hatte umfangreiche Änderungen der Regelungen zur Modernisierung von Mietwohnungen eingeführt. Eine der entscheidenden Änderungen war dabei die Verlagerung des Einwands finanzieller Härte von der Duldungspflicht zur Mieterhöhung und die Einführung einer Frist zur Erhebung dieses Härteeinwands. Ziel dieser Änderungen war es, weitere Anreize für Modernisierungen durch den Vermieter zu schaffen. Außerdem sollte die finanzielle Härte nicht schon in der Auseinandersetzung um die Duldung geklärt werden, sondern erst im Verfahren um die daraus resultierende Mieterhöhung geklärt werden. Diese Gesetzesänderungen haben den Druck gerade auf finanziell schwache Mieter*innen enorm erhöht. Weil die Mieter*innen zuvor nur Maßnahmen dulden mussten, deren Kostenumlage nicht zu einer Verdrängung aufgrund finanzieller Härte führte, wussten sie, dass sich für sie ein Verbleiben in der modernisierten Wohnung lohnt. Sie konnten sich auf die neue Miete einstellen. Vermieter*innen waren in der Regel bereit, Kompromisse bei der Miethöhe nach Modernisierung einzugehen, um das geplante Maßnahmenpaket umzusetzen. Es darf bezweifelt werden, ob die Absicht, die Klagen wegen der Duldungspflicht der Mieter*innen zu reduzieren, erreicht wurde. Gerade wegen der Ungewissheit über die tatsächliche Höhe der Miete nach den Modernisierungen wehren sich Mieter*innen weiterhin gegen die Durchführung umfangreicher Maßnahmen, deren angekündigte Mieterhöhung ihre finanziellen Möglichkeiten überschreiten. Ihnen bleibt oft auch keine Wahl. Denn erkennt der Vermieter nach der Durchführung der Maßnahmen den Härteeinwand nicht an, müssen Mieter*innen die Mieterhöhung (zunächst) unter Vorbehalt zahlen, um nicht in Zahlungsrückstand zu geraten und eine fristlosen oder fristgerechte Kündigung zu erhalten. Ein Verfahren zur Feststellung des Ausschlusses einer Mieterhöhung aufgrund von finanzieller Härte dauert in Berlin in der Regel mehr als sechs Monate, oftmals aber ein bis zwei Jahre. Erst dann steht fest, ob eine erklärte Mieterhöhung aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen von den Mieter*innen zu zahlen oder wegen des Härteeinwandes ausgeschlossen ist. Bis dahin sind dann längst ein bis zwei Monatsmieten Zahlungsrückstand aufgelaufen. Die Kündigung droht. Ein eventuell nachzuzahlender Erhöhungsbetrag übersteigt angesichts dieser Verfahrensdauer oft die finanziellen Möglichkeiten der betroffenen Mieter*innen, die ja aus diesem Grund den finanziellen Härteeinwand erst erhoben haben. Die Ungewissheit darüber, ob ein Härteeinwand vorliegt, wurde in den vergangenen Jahren durch die Rechtsprechung noch weiter verstärkt. Die Frage, welche Wohnungsgröße nach einem Härteeinwand noch angemessen erscheint, oder nach welcher Formel eine finanziellen Härte zu ermitteln ist oder welches der richtige Zeitpunkt zur Ermittlung der finanziellen Härte ist, werden von den Instanzgerichten sehr unterschiedlich beantwortet. Diese Rechtsunsicherheit führt im Ergebnis wieder dazu, dass Mieter*innen auf ihre Rechte verzichten und das Mietverhältnis wegen einer bevorstehenden Modernisierung kündigen. Einige dieser Ungewissheiten will der vorliegende Gesetzesentwurf endlich beseitigen. Einige der Änderungen führen jedoch auch zu einer Verschlechterung der Rechtslage von Mieter*innen im Modernisierungsprozess. a. Verlängerung der Frist Zu den Erleichterungen für Mieter*innen zählt die Verlängerung der Frist zur Geltendmachung des Härteeinwandes um einen Monat. Gleichzeitig werden die Mieter*innen nicht mehr mit dem Einwand der sozialen Härte ausgeschlossen, wenn sie diesen – trotz unwirksamer Modernisierungsankündigung – nicht bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme geltend machen. § 555d Absatz 5 Satz 2 soll daher zu Recht gestrichen werden. Allerdings sollte im Hinblick auf die überragende Bedeutung der sozialen Härte konsequenterweise dann auch § 555d Absatz 4 Satz 2 BGB gestrichen werden. b. Konkretisierung des Härteeinwandes Der Gesetzentwurf sieht diverse Konkretisierung des Härteeinwandes vor. So sollen einige der oben geschilderten Unwägbarkeiten für Mieter*innen beseitigt werden. (1)
      So soll im Regelfall nach § 559 Absatz 4 Satz 2 BGB-E eine finanzielle Härte nun anzunehmen sein, wenn die zukünftige Gesamtmiete nach Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen 40 % des Haushaltsnettoeinkommens übersteigt. In der bisherigen gerichtlichen Praxis wurde dieser Wert flexibel gehandhabt. Dabei wurde zumeist auf die durchschnittliche Belastung der Haushalte in dem Gerichtsbezirk zurückgegriffen. In Einzelfällen konnte eine Abwägung zwischen der Bedeutung der Maßnahme für die Mieter*innen, Nachbar*innen und dem Gemeinwohl auch einen höheren Anteil der Miete rechtfertigen, z.B. bei Haushalten mit mehreren überdurchschnittlichen Einkommen, bei Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit oder energetischen Maßnahmen. Die nun eingeführte Grenze von 40 % des Haushaltsnettoeinkommens wurde jedoch in keinem veröffentlichten Urteil erreicht. U.E. bedarf es einer Absenkung dieser Grenze auf 30 % oder gegebenenfalls einer Staffelung für die unterschiedlichen Einkommens- und Haushaltsgrößen. Es macht einen Unterschied, ob die Miete von einer allein erziehenden Person mit zwei Kindern und einem Monatseinkommen von 2.000 Euro oder von einem kinderlosen Paar mit einem gemeinsamen Monatseinkommen von 6.000 Euro aufgebracht werden muss. Es ist zu befürchten, dass die Festschreibung des Regelfalls von 40 % zu keiner Akzeptanz eines darunterliegenden Anteils durch Gerichte und Vermieter*innen führen wird. Für Mieter*innen mit niedrigem Einkommen wird der Weg durch die Instanzen, um eine Mieterhöhung abzuwenden, finanziell und zeitlich abschreckend wirken, wenn die Aussicht auf einen Erfolg im Sinne eines geringeren Prozentsatzes wegen der Formulierung des Gesetzes eher gering ist. Für Bezieher*innen von Transferleistungen ist diese Formel sowieso nicht anwendbar. Es ist daher zu befürchten, dass sich die Zahl der Transferleistungsempfänger*innen bei einem so hohen Ansatz des Härtefalls vergrößern wird. (2)
      Der Gesetzentwurf sieht zugleich auch eine Erweiterung des zu berücksichtigenden Einkommens von „Mieter*innen“ auf „Mieter*innen und andere zum Haushalt gehörige Personen“ vor. Das dürfte dann nunmehr auch die zur Untermiete wohnende Lebensgefährtin sein, bei der bisher nur die Untermiete als Einnahme berücksichtigt wurde. Faktisch höhlt das den Härteeinwand aus. Nur wer Mieter*in ist, ist Vertragspartner*in und dauerhafter Nutzer*in der Wohnung, während die Haushaltsangehörigen jederzeit wechseln und ausziehen können. Eine Mieterin liefe etwa dann Gefahr, die Wohnung beim Auszug des Partners zu verlieren, wenn bei der Prüfung der finanziellen Härte nach Modernisierung auch dessen Einkommen berücksichtigt wird. (3)
      Bei der Festlegung der prozentualen Höhe der Miete nach Modernisierung im Vergleich zum Haushaltsnettoeinkommen handelt sich nur um eine Orientierung, einen sog. Regelfall. Ungelöst bleiben weitere Probleme, wie der Einfluss der Wohnungsgröße, die Höhe des Anteils der Miete am Einkommen bei Abschluss des Mietvertrages oder die Rolle von Vermögen – etwa wenn daraus der Lebensunterhalt bestritten wird u.a. (4)
      Der vorliegende Entwurf will auch den Zeitpunkt für die Einkommensberechnung regeln. Vorgesehen ist, dass dies der Termin sein soll, an dem die Gründe für die Härteeinwände spätestens vorgebracht werden müssen, soweit die Mieter*innen ausreichend darüber belehrt worden sind. Eine nachträgliche Einkommensverschlechterung wäre also unbeachtlich. Auch das stellt eine Verschlechterung zu der schon jetzt sehr ungünstigen Rechtslage dar. Bislang wird in der Rechtsprechung des Amts- und Landgerichte überwiegend vertreten, dass es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Mieterhöhung ankommen soll. Dafür spricht, dass der Härteeinwand auch nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden kann, wenn sich die Verhältnisse der Mieter*innen verändern, z.B. eine Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Frist eingetreten ist und daher ohne Verschulden nicht rechtzeitig geltend gemacht werden konnte. Nur für den Fall, dass die Mieterhöhung 10 % des angekündigten Betrages übersteigt oder die Maßnahmen nicht ordnungsgemäß gem. § 555c BGB angekündigt wurden, soll der Zeitpunkt der Mieterhöhungserklärung maßgeblich sein. (5)
      Die Aufhebung des Ausschlusses des Härteeinwand bei Maßnahmen, die nur den allgemein üblichen Zustand herstellen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Das ist sinnvoll und überfällig. Unverständlich ist aber, warum nicht auch die Einschränkung gestrichen wurde, dass der Härtefall bei einer vom Vermieter nicht zu vertretenden Maßnahme entfällt. Die Mieter*innen haben für die Verpflichtung des Vermieters zur Durchführungen der Maßnahmen nicht zu vertreten, dies ist das klassische Risiko des Hauseigentümers. Die Einschränkung muss daher ebenfalls komplett gestrichen werden. 2. Modernisierungsumlage Die Modernisierungsumlage soll nach dem Referentenentwurf auf 8 % reduziert, die Erhöhungsmöglichkeit auf 3 Euro pro Quadratmeter in 8 Jahren begrenzt und gleichzeitig ein Wirtschaftlichkeitsgebot eingeführt werden. Neben der normalen Modernisierungsumlage soll zudem eine vereinfachte Umlage für kleinere Maßnahmen (Gesamtvolumen bis zu 10.000 Euro) eingeführt. a. Absenkung der Modernisierungsumlage Die Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 % auf 8 % ist im Ergebnis wenig hilfreich. Die Umlage ist immer noch zu hoch und gehört grundsätzlich abgeschafft. Auch die neue Regelung führt weiterhin zu erheblichen Mietsteigerungen und damit zur Vertreibung der alteingesessenen Mieterschaft. Sie bevorzugt weiterhin einseitig die Vermietenden, denn für diese lohnt sich die Modernisierung weiterhin in erheblichem Maße. Die Belastungen verbleiben allein bei den Mieter*innen – auch wenn es grundsätzlich die Möglichkeit gibt, eine (finanzielle) Härte einzuwenden. Die Modernisierung von Wohnraum wertet die Immobilie erheblich auf. Im Falle eines Verkaufs kann aufgrund der besseren Ausstattung ein höherer Preis erzielt werden. Durch die Verbesserung der Ausstattung steigt gleichzeitig die ortsübliche Vergleichsmiete. Schon über Grundmietenerhöhungen gemäß §§ 558ff. BGB könnten Investitionen in die Wertsteigerung des Objekts refinanziert werden. Aber auch nach der angestrebten neuen Regelung besteht weiterhin die Möglichkeit, 8 % der Baukosten jährlich auf die Miete zu schlagen und so neben Wertsteigerung und Grundmietenerhöhung noch eine volle Refinanzierung zu erhalten. Diese bleibt dann auch über die Zeit der Amortisation hinaus bestehen. Deswegen hilft auch die Begrenzung der Modernisierungsmieterhöhung auf 3 Euro pro Quadratmeter in 8 Jahren kaum. Damit könnten – so die Begründung zum Referentenentwurf – ohnehin die Standardmodernisierungen ohne weiteres abgedeckt werden. Diese Regelung ändert also nichts an der grundsätzlichen Privilegierung der Vermietenden. Zumal eine Mietsteigerung von 3 Euro pro Quadratmeter immer noch erheblich ist und damit zu den ober dargestellten Effekten führt. Es bleibt also dabei, § 559 BGB ist innerhalb der Regelungen des sozialen Mietrechts systemfremd. Dort stellt die ortsübliche Vergleichsmiete das Maß für eine Mieterhöhung dar. Die Modernisierungsumlage zielt nicht auf die Vergleichsmiete für eine mit spezifischen Merkmalen ausgestattete Wohnung, sondern auf die Refinanzierung der Investitionskosten der Modernisierungsmaßnahmen durch die Mieter*innen. Wir verweisen dazu auf unsere umfassende Stellungnahme zum § 559 BGB: „Modernisierungsmieterhöhung Preistreiber Nr. 1 - § 559 abschaffen, jetzt!“. b. Wirtschaftlichkeitsgrundsatz Durch den Satz „Dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.“ soll nun das Wirtschaftlichkeitsgebot für Modernisierungsmieterhöhungen eingeführt werden. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist im Mietrecht in erster Linie aus dem Betriebskostenrecht bekannt und besagt, dass Kosten für bestimmte Arbeiten bzw. Leistungen nicht ungerechtfertigt über dem üblichen Marktpreis liegen dürfen. Es soll das Prinzip „ordentlicher Geschäftsführung“ gelten. Im Betriebskostenrecht soll so verhindert werden, dass gegenüber Mieter*innen Leistungen abgerechnet werden, die auch deutlich günstiger zu haben wären. Im Modernisierungsrecht erscheint die Einführung eines Wirtschaftlichkeitsgebotes aber zweifelhaft. Wenn ein*e Vermieter*in es für attraktiv hält, Edelhölzer für die neuen Fenster zu verwenden oder andere Modernisierungen mit hochwertigen Materialien oder Konstruktionen vorzunehmen, so ist das nicht zwingend unwirtschaftlich. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz erfordert gerade nicht den generellen Verzicht auf bestimmte Anschaffungen (so sind im Betriebskostenrecht auch Terrorversicherungen als auf die Mieterschaft umlegbar angesehen worden). Erwartet wird nur die Orientierung an üblichen Marktpreisen. Luxusmodernisierungen werden also nicht verhindert, solange die entsprechenden Ausgaben nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Leistung stehen. Das dies nicht der Fall sein darf, ist aber bereits heute Rechtslage. Ausdrücklich für die Aufnahme des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit in das Modernisierungsrecht spricht allerdings, dass es der BGH gegen das Schrifttum und die Rechtsprechung der Instanzengerichte bislang ablehnte, dass es bei energetischen Modernisierungen die Mieterhöhung in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosteneinsparungen stehen müssen. Er verwies dabei darauf, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz bislang vom Gesetzgeber nicht ins Gesetz aufgenommen worden sei (BGH Urteil vom 03.03.2004 - VIII ZR 149/03). Insofern könnte der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz dazu führen, dass in Zukunft zumindest eine Verhältnismäßigkeit zwischen den Kosten der energetischen Modernisierung und den dadurch einzusparenden Energiekosten gewahrt wird. Allerdings führte der BGH jedoch bereits in dem benannten Urteil zum Wirtschaftlichkeitsgrundsatz aus:
      „Jedoch wäre auch eine Begrenzung nach wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien Zweifeln unterworfen. So wird die tatsächliche Heizkostenersparnis von Umständen wie der Lage der Wohnung, Lüftungsverhalten und Wärmebedarf der Bewohner, aber auch von äußeren Temperaturbedingungen und insbesondere im Falle ansteigender Energiepreise (...) so stark beeinflusst, dass sich die Modernisierung langfristig auch für den einzelnen Mieter als 'rentabel', jedenfalls aber als nicht unverhältnismäßig darstellen kann." Da der BGH also bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung Zweifel an der Tauglichkeit des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes im Bereich der energetischen Modernisierung äußerte, wäre es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber sich damit im Gesetzestext auseinandersetzte. Sonst stellt sich nach Einführung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes im Modernisierungsrecht womöglich heraus, dass der BGH diesen Grundsatz im Bereich der energetischen Modernisierung für nicht oder nur eingeschränkt anwendbar hält. Leider trifft der Referentenentwurf nicht einmal in seiner Begründung konkretere Aussagen zum Grund der Aufnahme Wirtschaftlichkeitsgebots. Mit der Aufnahme dieses Grundsatzes solle lediglich gewährleistet werden, dass künftig nur noch solche Kosten ansatzfähig sind, „die ein Vermieter vernünftigerweise auch dann veranlasst hätte, wenn er sie (bei Eigennutzung der Wohnung) selbst hätte tragen müssen." Ob diese Überlegung jedoch bereits ausreicht, um zu einer Verhältnismäßigkeit von Modernisierungskosten und Kosteneinsparung bei der Energie zu kommen, ist fraglich. So fallen z. B. positive Umwelteffekte, die mit der Energieeinsparung verbunden sind und gerade auch Zweck dieser Maßnahmen sein sollen, neben etwaigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ins Gewicht. Angesichts dessen ist unsicher, ob es für den Mieter*innenschutz ausreicht, wenn Gerichte abwägen, wie sich Vermietende hypothetisch verhalten würde, wenn sie anstelle des Mieters die Kosten tragen müsste. Eine ausdrückliche Festschreibung der Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit zwischen den Kosten der Modernisierung und den dadurch bedingten Kosteneinsparungen ist daher unbedingt erforderlich (so etwa noch LG Köln ZMR 1998, 562) und sollte auch zusätzlich zum Wirtschaftlichkeitsgrundsatz oder diesen konkretisierend ins Gesetz aufgenommen werden. 3. Vereinfachtes Modernisierungsverfahren Der Entwurf zur 2. Mietrechtsnovelle plant erstmals die Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur Erhöhung der Miete nach Modernisierung. Der Entwurf begründet den Bedarf an einer solchen Regelung in § 559c BGB-E mit der angeblichen Überforderung von Kleinvermietern durch das übliche Erhöhungsverfahren. Der Vermieter soll sich dieses Verfahrens bedienen bedürfen, wenn die Gesamtinvestition 10.0000 Euro nicht überschreitet. Die ersparten und zu berücksichtigenden Instandsetzungskosten werden pauschal auf 50 % der Gesamtinvestition festgesetzt. Damit können tatsächlich maximal Kosten von 5.000 Euro auf die Miete umgelegt werden. Dies entspricht bei einer Kostenumlage von 8 % jährlich 33,33 Euro monatlich. Gleichzeitig soll die Kappungsgrenze aus § 559 Absatz 3a BGB-E – maximal 3,00 Euro/m² in acht Jahren – nicht gelten. Die Modernisierungsmieterhöhungen der letzten fünf Jahre sollen jedoch auf die 10.000 Euro angerechnet werden. Im vereinfachten Erhöhungsverfahren soll ein Härteeinwand des Mieters gemäß § 559 Absatz 4 BGB-E soll ausgeschlossen sein. Grundsätzlich sprechen schon erhebliche Bedenken dagegen, überhaupt an der Mieterhöhung gemäß §§ 559ff. BGB festzuhalten (s.o.). Jedoch ist die Behauptung in der Begründung zum Entwurf, Kleinvermieter seien mit dem Mieterhöhungsverfahren nach § 559 BGB überfordert, schlicht falsch. Sie findet in der mietrechtlichen Praxis keinen Beleg. Tatsächlich enthält § 559c BGB-E nur zwei Vereinfachungen für den Vermieter: die Pauschalisierung ersparter Instandsetzungskosten auf 50 % der Gesamtinvestition und den Verzicht auf die Berücksichtigung des Zinsvorteils zinsverbilligter oder zinsloser Darlehen. Letzteres dürfte angesichts der aktuell extrem niedrigen Kreditzinsen kaum ins Gewicht fallen. Der damit verbundene tatsächliche Vorteil für Vermieter hält sich in Grenzen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH können Mieterhöhungen nach §§ 559ff. BGB schon jetzt den Instandsetzungsanteil als nicht weiter begründete Pauschale ausweisen (BGH Urteil vom 17.12.2014 - VIII ZR 89/13). Ob diese Pauschale korrekt ermittelt wurde, sei eine Frage der materiellen Begründetheit und nötigenfalls im gerichtlichen Verfahren zu klären. Damit ist die vereinfachte Mieterhöhung nach § 559c BGB-E nicht nur wegen der geringen Erhöhungsbeträge lediglich für singuläre Modernisierungen in kleinen Wohnungen mit hohem Instandsetzungsanteil interessant. Es liegt auf der Hand, dass dies kaum Kleinvermieter betreffen wird. Auf dieses Erhöhungsmodell werden wohl eher Betreiber von Appartementanlagen für Studierende zurückgreifen. Diese müssen dann auch die zeitlichen Einschränkungen dieser Erhöhungen kaum fürchten. Diese überschaubaren Vorteile für die Vermieter werden durch unverhältnismäßige Nachteile für die Mieter erkauft. Da gerade die Mieter solcher Kleinstwohnungen regelmäßig nur über ein geringes Einkommen verfügen, wäre der Härteeinwand auch bei solch geringen Beträgen wie hier von besonderer Bedeutung. Zudem wird den betroffenen Mieter*innen der Härteeinwand abgeschnitten, wenn die Vermieter*in vom normalen Verfahren nach § 559 BGB in ein vereinfachtes Verfahren nach § 559c BGB wechselt. III. Kündigungsrecht Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Änderungen zum Kündigungsrecht sind mit einer Ausnahme richtig und überfällig. Es werden drei besonders skandalöse Urteile des BGH korrigiert. Allerdings sollte auch darüber hinaus der Kündigungsschutz wieder gestärkt und die restriktive Rechtsprechung des BGH zur Wohnungskündigung gestärkt werden. Der Abbau des Schutzes vor Kündigungen wegen Zahlungsverzuges ist sicherlich besonders augenfällig. Zudem werden die Möglichkeiten für Eigenbedarfskündigungen immer stärker ausgeweitet. Schließlich sollen mittlerweile selbst kleinere Vertragsverstöße regelmäßig eine Kündigung rechtfertigen. Dies liegt hier weniger an einem gesetzlichen Abbau von Kündigungsrechten, sondern vielmehr an einer zunehmend restriktiven höchstrichterlichen Rechtsprechung, die immer wieder Gesetzeslücken aufzeigt und gesetzgeberische Ungenauigkeiten ausnutzt, um das Kündigungsrecht zu Lasten der Mieter*innen abzuändern. 1. Schutz bei Mieterhöhungen Wenn gegen Mieterhöhungen nach § 559 oder § 560 BGB (Modernisierungsumlage oder Betriebskostenerhöhung) schriftlich Einwände vorgebracht werden, sollen Vermieter*innen wegen der insofern aufgelaufenen streitigen Mietrückstände nun gem. § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB-E nicht mehr kündigen können. Dieser Schutz soll zwei Monate nach rechtskräftigen Abschluss des entsprechenden Rechtsstreits enden. Gleiches gilt bisher schon für Mieterhöhungen nach §§ 558ff. BGB. Die Instanzgerichte hatten die alte Regelung vorher auch im Sinne der neuen Regel verstanden und ausgelegt. Allein der BGH sah es anders (u.a. Urteil vom 18.07.2012 - VIII ZR 1/11), weshalb die Änderung auch dringend nötig und inhaltlich nicht zu beanstanden ist. 2. (Teil-)Harmonisierung fristgerechte und fristlose Kündigung Mit dem vorgelegten Entwurf sollen ferner Schutzrechte für Mieter*innen, die bisher nur für die fristlose Kündigung geregelt sind, auch auf die fristgerechte Kündigung  ausgedehnt werden. Dazu soll eine neuer Absatz 3 in § 573 BGB einfügt werden. Damit soll in folgenden Fällen die alte Rechtspraxis vor Eingreifen des BGH wiederhergestellt werden. a. Schonfristzahlung Die Schonfristzahlung nach § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB soll nach dem Entwurf zur 2. Mietrechtsnovelle auch wieder die ordentliche Kündigung unwirksam machen. Damit stellt das Gesetz die Rechtspraxis vor dem Urteil des BGH vom 16.02.2005 (VIII ZR 6/04) wieder her. Bereits seit 1923 (!) war es Mieter*innen möglich gewesen, eine Kündigung wegen Mietrückstandes zu heilen, indem die ausstehenden Mieten innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist nachgezahlt wurden. Parallel wurde bedürftigen Mieter*innen im Sozialrecht der Anspruch eingeräumt, von den Sozialleistungsbehörden  insoweit eine Kostenübernahme zur Abwendung des Wohnungsverlustes auf Darlehensbasis zu verlangen. Bei Eingang der Räumungsklage bei Gericht muss es die zuständige Behörde auf die Kündigung hinweisen, um den Erhalt der Wohnung über die Nachzahlung der rückständigen Mieten vorzubereiten. Der BGH hat in der oben angesprochenen Entscheidung allerdings bestimmt, dass diese Nachzahlung zwar die fristlose Kündigung, aber nicht die fristgerechte Kündigung unwirksam macht. Damit wurden die Regelung zur Schonfristzahlung und die sozialrechtlichen Hilfen obsolet. Denn inzwischen wird von Vermieterseite faktisch immer fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Daher ist es dringend nötig, dass der Gesetzgeber hier eingreift und die alte Rechtslage wieder herstellt. b. Kündigungsrelevanter Mietrückstand Weiter soll die Höhe des Zahlungsrückstandes, der zur fristgerechten Kündigung berechtigt, an die Beträge zur fristlosen Kündigung angeglichen werden. Damit wäre die Entscheidung des BGH, fristgerechte Kündigung schon bei einem Mietrückstand von einer Monatsmiete plus einem Cent zu erlauben, endlich gegenstandslos (Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12). c. Kündigung wegen Nichtzahlung der Kaution Mit der Aufnahme der Nichtzahlung der Kaution in den Katalog der Kündigungsgründe wird die ordentliche Kündigung auch insofern der außerordentlichen Kündigung angeglichen. Die vorgeschlagenen Regelungen sind sicherlich sinnvoll. Einfacher und zielführender wäre es jedoch, das Nebeneinander von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung wegen Vertragsverstößen zu beenden. Lange Zeit sahen gerade die Untergerichte keinen Unterschied bei den rechtlichen Voraussetzungen dieser beiden Kündigungsmöglichkeiten. Ein solcher Unterschied könnte zwar rechtspolitisch möglicherweise sinnvoll sein, wäre dogmatisch aber nur schwer zu begründen. Wenn ein Vertragsverstoß gravierend genug ist, um das Mietverhältnis sofort zu beenden, dann wird das erst recht durch eine ordentliche Kündigung (§ 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB) möglich sein. Dann wird aber auch klar, dass es auch weniger gravierende Vertragsverstöße geben muss, die nur zu einer ordentlichen Kündigung berechtigten. Denn offenbar gibt es ein Stufenverhältnis zwischen beiden Kündigungsarten. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, ordentliche Kündigungen wegen weniger erheblichen Vertragsverstößen zu begründen. Das „Erst-Recht"-Argument macht dies möglich. Aus diesem Grunde ist  es hier sinnvoller, die ordentliche Kündigung wegen Vertragsverstoßes ganz zu streichen. Vermieter*innen hätten immer noch die Möglichkeit, das Wohnungsmietverhältnis bei gravierenden Vertragsverstößen zu kündigen – aber eben nur in den im  § 543 BGB (ggf. in Verbindung mit § 569 BGB) geregelten Fällen. Gleichzeitig wäre Vermieter*innen daran gehindert, unerhebliche Konflikte mit ihren Mieter*innen über eine Kündigung zu lösen, wie das derzeit häufig der Fall ist. d. Weiterer Reformbedarf Die Reformvorschläge zur Kündigung sind richtig, gehen aber noch nicht weit genug. Jede Reform adelt die Rechtsprechung für die Bereiche, die sie nicht verändert. Deswegen ist es gerade im Rahmen des Kündigungsschutzes wichtig, auch die übrigen Auswüchse der Rechtsprechung zu korrigieren. (1)
      In den letzten Jahren wurde gerade das Recht der Eigenbedarfskündigung erheblich zu Lasten der Mieter*innen erweitert. Es reicht schon, wenn der Vermieter angibt, die Wohnung als Zweitwohnung nutzen zu wollen (LG Berlin WuM 2013, 741) oder angibt, diese für sein Au-Pair-Mädchen zu benötigen (BGH Urteil vom 11.03.2009 – VIII ZR 127/08). Die Interessen der Mieter*innen sind – obwohl auch ihr Recht an der Wohnung Verfassungsrang hat – immer nachrangig. Dies muss dringend geändert werden. Der Personenkreis, für die der Vermieter die Wohnung des Mieters beanspruchen darf, muss auf enge Familienangehörige wie Eltern, Kinder und Geschwister begrenzt werden. Gleichzeitig müssen Interessen der Mieter*innen, die ja keinerlei Verschulden an der Kündigung trifft, mit denen ihrer Vermieter*innen auf eine Stufe gestellt werden. Eine Kündigung sollte es allenfalls dann geben, wenn die Interessen der Vermieter*in an der Erlangung der Wohnung die der Mieter*in am Verbleib überwiegen. (2)
      Zunehmend werden Vertragsverstöße selbst dann als Grund für eine Kündigung genommen, wenn deren Inhalt streitig ist. So riskiert der Mieter (BGH Urteil vom 15.04.2015 - VIII ZR 281/13) seine Wohnung, wenn er eine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme nicht duldet und den Handwerkern den Zutritt zur Wohnung verwehrt. Ob der Mieter tatsächlich verpflichtet war, Zutritt zu gewähren oder nicht, wird dann im Rahmen des Räumungsrechtsstreits geklärt. Ein Unding angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten in gerichtlichen Modernisierungsduldungsverfahren. Auch eine „nur" wegen der angedrohten Kündigung geduldete Modernisierung hat später zwingend die Modernisierungsmieterhöhung zur Folge. Selbst dann, wenn sich später herausstellt, dass die strittige Modernisierungsankündigung fehlerhaft war.  Wenn der Mieter bei einer Nichtduldung gleich eine Kündigung riskiert, wird er sich dreimal überlegen, ob er seine Rechte wahrnimmt oder nicht. Daher wäre es z. B. sinnvoll, ebenso wie bei der Mieterhöhung, den Streit über Duldungspflichten als Anlass für eine Kündigung auszuschließen. AK-Mietrecht im RAV (PDF) Stellungnahme zum Referentenentwurf  zur 2. Mietrechtsnovelle
      (PDF) PowerPointFolien zur RAV-Veranstaltung am 12.10.2016 in Berlin (Zur VA: http://bit.ly/2e0jrnf)
      Zum "Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Novellierung mietrechtlicher Vorschriften":
      https://www.grundeigentum-verlag.de/download/referentenentwurf_mietrechtsnovelle_2.pdf]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-490Sat, 22 Oct 2016 18:00:00 +0200Bündnis gegen das Bayerische Ausgrenzungsgesetz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/buendnis-gegen-das-bayerische-ausgrenzungsgesetz-490StellungnahmeHiergegen hat sich ein breites „Bündnis gegen das Bayerische Ausgrenzungsgesetz“ aus Gewerkschaftern, Ausländer- und Flüchtlingsvereinen, Parteiorganisationen und vielen Individuen formiert. Auch der RAV macht mit. Während das Bundesintegrationsgesetz nichts anderes als ein „Asylpaket IV“ ist, das bestehende Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, des Asylgesetzes und des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Sozialgesetze detailliert ändert – und oft verschärft –, enthält das Bayerische Integrationsgesetz kaum konkrete Regelungen, sondern skizziert ein Gesellschaftsbild nach dem sich die Detailregelungen in anderen Gesetzen zu orientieren haben. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Begriff der „Leitkultur“, die „zu wahren und zu schützen ... Zweck dieses Gesetzes“ ist. Der Begriff ist im Gesetz nicht definiert, sondern als „identitätsbildende Prägung unseres Landes“ umschrieben. So verpflichtet die Präambel einerseits auf das „errungene gesamteuropäische Erbe und das Ziel eines gemeinsamen europäischen Weges“ und betont gleichzeitig: „ganz Bayern ist geformt von gewachsenem Brauchtum, von Sitten und Traditionen“. Hieraus wird nicht nur die Verpflichtung des Einzelnen zur Wahrung des Rechts, sondern auch „zur Loyalität gegenüber Volk“, Verfassung, Staat und Gesetzen abgeleitet. Ausdrücklich ist festgehalten, dass umgekehrt „alle Staatsgewalt an die Stimme des Volkes“ gebunden sei. Damit skizziert die Präambel ein vom individualistischen Grundgesetz abweichendes Gesellschaftsbild: Nicht die Würde des Einzelnen (Art. 1 Abs. 1 GG) und die freie Entfaltung der individuellen Persönlichkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1 GG) sind Grundlage dieses Staatsverständnisses, sondern die Verpflichtung des Einzelnen „zur Loyalität gegenüber Volk, Verfassung, Staat und Gesetzen“ und die „Bindung aller Staatsgewalt an die Stimme des Volkes“. Das Individuum verliert seinen unbedingten Wert und wird zum Teil eines Ganzen, zu einem Teil, der seine besondere Würde dadurch erhält, dass er eben Teil eines Ganzen ist – von der alten und neuen Rechten als „Volksgemeinschaft“ tituliert. Entsprechend formuliert Art. 1 BayIntG nicht nur das Integrationsziel, den Migrantinnen und Migranten Hilfe und Unterstützung für das Leben in dem zunächst fremden und unbekannten Land anzubieten, sondern zugleich die Integrationspflicht „auf die im Rahmen ihres Gastrechts unabdingbare Achtung der Leitkultur“. Der Staat soll Migrantinnen und Migranten durch geeignete Angebote in dem ihnen abverlangten Bemühen, sich mit den der heimischen Bevölkerung vorherrschenden Umgangsformen, Sitten und Gebräuchen vertraut zu machen, unterstützen, etwa in der Vorgabe, nach einem dreijährigen Aufenthalt in Deutschland mindestens Deutsch auf dem Niveau A2 zu beherrschen; auch sind „migrationsbedingte Erwägungen" ausdrücklich als ein zu berücksichtigendes Kriterium bei Ermessensentscheidungen hervorgehoben. Den Trägern von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen ist im Rahmen ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags die Förderung der in Art. 1 genannten Integrationsziele – „unabdingbare Achtung der Leitkultur“ – auferlegt, ebenso der bayerischen Wirtschaft (Art. 9) und Rundfunk und Medien (Art. 1 0). Art. 13 und 14 erweitern nicht nur den Adressatenkreis, weil sie sich an „jedermann“, also auch an Deutsche richten, sondern auch die Zielsetzung.
      Art. 13 ermöglicht den Erlass einer Verpflichtung zur Teilnahme an einem „Grundkurs über die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung". Betroffen sind alle, die durch „demonstrative Regelverstöße, Verunglimpfen oder sonst durch nach außen gerichtetes Verhalten beharrlich zum Ausdruck" bringen, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung und einzelne genannte Verfassungswerte oder das staatliche Gewaltmonopol ablehnen. Ebenso kann die bußgeldbewehrte Teilnahmeverpflichtung gegenüber demjenigen ausgesprochen werden kann, der durch wiederholte schwerwiegende Regelverstöße oder sonst durch ein offenkundig rechtswidriges Verhalten erkennen lässt, dass ihm die Rechts- und Werteordnung in ihren Grundsätzen unbekannt oder gleichgültig ist". Die hierfür zuständigen Sicherheitsbehörden werden zur Meinungsund Sittenpolizei, die die Gegner umerzieht.
      Art. 14 sanktioniert mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € die Aufforderung zur Missachtung der verfassungsmäßigen Ordnung in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften (Nr. 1) und die Postulierung einer damit nicht zu vereinbarenden anderen Rechtsordnung, die Unterwerfung anderer Personen unter eine solche Rechtsordnung (Nr. 2) oder den Versuch, eine solche Ordnung oder aus ihr abgeleitete Einzelakte zu vollziehen oder zu vollstrecken (Nr. 3). Die Norm richtet sich nach der Begründung gegen die Tätigkeit einer sog. Scharia-Polizei und Scharia-Gerichten. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist verletzt. Im Schulrecht wird der Grundsatz aufgestellt, „Schulrecht folgt dem Asylrecht" (Begründung zu Art. 17a), weshalb von der Schulpflicht diejenigen ausgenommen werden, die in einer besonderen Aufnahmeeinrichtung im Sinne von § 30a AsylG leben. Da die reguläre Aufenthaltspflicht in diesen Einrichtungen regelmäßig sechs Monate beträgt und für manche – unter anderem Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten – unbegrenzt anhält, liegt hierin eine eklatante Verletzung des Kindeswohls. Flüchtlingsunterkünfte werden als gefahrgeneigte Orte definiert, in denen die Polizei ohne Anlass Personenkontrollen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 2c PAG) und Hausdurchsuchungen (Art. 23 Abs. 3 Nr. 3 PAG) vornehmen darf. Gemeinden und Landkreise werden ermächtigt, die Zulassung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bibliotheken etc. von einer vorherigen Belehrung und dem ausdrücklichen Anerkenntnis der bestehenden Vorschriften abhängig zu machen (Art. 21 Abs. 5 S. 2 GO; Art. 15 Abs. 5 S. 2 LKrO). Für den Fall, dass die CSU ihr Vorhaben umsetzt, wird eine Verfassungsbeschwerde erwogen. Was heute Bayern plant, könnte schon morgen im ganzen Bundesgebiet auf der Agenda stehen. Hubert Heinhold, RA
      München Stellungnahme als PDF Weitere Informationen hier]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-489Tue, 18 Oct 2016 13:53:00 +0200Münchner Kommunistenverfahren: Verdacht auf Weiterleitung von Verteidigerpost an türkische Behörden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/muenchner-kommunistenverfahren-verdacht-auf-weiterleitung-von-verteidigerpost-an-tuerkische-behoerden-489Pressemitteilung, 18.10.2016Bürgerrechtsorganisationen fordern die Gewährleistung des absoluten Schutzes von Verteidigerpost. In dem derzeit vor dem OLG München stattfindenden Strafverfahren gegen zehn kurdisch- und türkischstämmige Angeklagte, denen gem. § 129 b StGB die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, weil sie Mitglieder der TKP/ML (Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten) sein sollen, ist der Schutz der Verteidigerkommunikation und damit das Mandatsgeheimnis nicht gewährleistet.
      Wie die Verteidigung jetzt aufgedeckt hat, ist Verteidigerpost zur Fertigung von Übersetzungen für den Kontrollrichter in die Türkei versandt worden. Dies stellt einen gravierenden und nicht akzeptablen Eingriff in die fundamentalen Rechte von Verteidigung und Angeklagten dar. Zum Hintergrund: Die Verteidigung in sogenannten „Terrorismus-Verfahren“ unterliegt ohnehin schon gravierenden Einschränkungen. Gem. § 148 Abs. 2 StPO soll bei Beschuldigten, gegen die – wie hier – der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer (ausländischen) terroristischen Vereinigung gem. §§ 129a, 129b StGB erhoben wird, die Kontrolle der Verteidigerpost durch einen Kontrollrichter angeordnet werden. Verteidiger und ihre Mandanten sind dann bei Gesprächen nicht nur durch eine Glasscheibe getrennt. Darüber hinaus wird auch sämtlicher Schriftverkehr zwischen Beschuldigten und Verteidiger durch einen sogenannten Kontrollrichter gelesen und kontrolliert, d. h. die grundsätzlich absolut geschützte schriftliche Kommunikation zwischen Verteidigung und Mandanten wird einer ständigen inhaltlichen Kontrolle unterzogen. Diese, nach unserer Ansicht schon grundsätzlich nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbarende Einschränkung von Verteidigungsrechten ist erst recht nicht hinzunehmen, wenn durch die Anordnung eines Kontrollrichters die Verschwiegenheit und Vertraulichkeit derjenigen, die mit der Kontrolle der Post beauftragt werden, nicht gewährleistet wird. Dies ist offensichtlich in dem Münchener Kommunistenverfahren der Fall:
      Wie durch Nachforschungen der Verteidigung bekannt wurde, ist die in der Regel türkischsprachige Verteidigerpost durch den Kontrollrichter an Übersetzungsbüros weitergeleitet worden, ohne dass in jedem Fall die Vertraulichkeit und Verschwiegenheit der beauftragten Übersetzer sichergestellt worden ist. So wurden mit der Übersetzung u. a. unvereidigte, also nicht zur Verschwiegenheit verpflichtete, Dolmetscher beauftragt. Teilweise sollen in den Übersetzungsbüros auch Kopien der Schriftstücke aufbewahrt worden sein. Besonders erschreckend ist der Umstand, dass offensichtlich von den beauftragten Dolmetscherbüros die Post in die Türkei an dortige (besonders billige) Übersetzungsbüros weitergeleitet worden ist. Damit besteht die Gefahr, dass dem türkischen Staat und seinen Sicherheitsbehörden der Zugriff auf streng vertrauliche Verteidigerunterlagen in einem politisch hochbrisanten Verfahren in der Bundesrepublik ermöglicht wird. Eine Weiterleitung an deutsche Strafverfolgungsbehörden ist dann auch nicht mehr ausgeschlossen Wir sehen daher die Gefahr, dass die Durchführung eines fairen Verfahrens nicht (mehr) gewährleistet ist. Diese Praxis zeigt, dass die Gefahren, die mit der Anordnung eines Kontrollrichters für die Rechte von Verteidigern und Angeklagten verbunden sind, sehr hoch sind. Die Möglichkeit der Anordnung eines Kontrollrichters ist ein Relikt aus den Zeiten der RAF-Prozesse, als Verteidigern immer wieder vorgeworfen wurde, ihre Rechte für die Kommunikation zwischen den Inhaftierten und der RAF zu missbrauchen;¸ dieses Relikt sollte nach unserer Auffassung aus der Strafprozessordnung gestrichen werden. Kontakt
      Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Mitglied im Vorstand des RAV
      Immanuelkirchstraße 3-4 | 10405 Berlin
      Tel +49 (0)30 44679216 |  stolle@dka-kanzlei.de Pressemitteilung (PDF)]]>
      news-486Tue, 27 Sep 2016 09:02:00 +0200Endlich Mieterrechte wieder stärken!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/endlich-mieterrechte-wieder-staerken-486Veranstaltung am 12.10.2016 in Berlina) Absenkung der Modernisierungsumlage von 11% auf 8%
      b) Novellierung des Härteeinwandes
      c) Einführung eines vereinfachten Modernisierungsmieterhöhungsverfahrens mit einer Höhenbegrenzung 2. Wiederherstellung des vom Bundesgerichtshof stark beschnittenen Kündigungsschutzes bei Zahlungsverzug 3. Änderungen zu den Regelungen zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete
      a) Neukonzipierung des Mietspiegels
      b) Änderungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu Gunsten der Mieter Dieser Entwurf steckt jedoch seit Monaten fest und wird nicht mehr weiterverfolgt. bit.ly/2cHOTqI

      Aus Sicht des RAV enthält der Gesetzesentwurf einige gute Ansätze zur Lösung zumindest einiger drängender Missstände. Allerdings wird ein Teil der geplanten Regelungen das Ziel, Mieter zu schützen, wieder einmal verfehlen. Der Entwurf enthält sogar Vorschläge, die dieses gesetzgeberische Ziel in ihr Gegenteil verkehren, zur Verunsicherung von Mietern und Vermietern beitragen und Mieterrechte sogar abbauen werden. Wir werden den Gesetzesentwurf vorstellen und einer kritischen Bestandsaufnahme unterziehen Termin        Mittwoch den 12. Oktober 2016, um 19:30 Uhr | Eintritt frei
      Ort               Familiengarten-Stadtteilzentrum des Kotti e.V. | Oranienstraße 34
                           Hinterhof | 10999 Berlin Veranstalter
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) | AK-Mietrecht
      Greifswalderstr. 4 | 10405 Berlin | www.rav.deEinladung (pdf)]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-485Tue, 13 Sep 2016 17:32:00 +0200CETA & TTIP STOPPEN!<br />Für einen gerechten Welthandel!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ceta-ttip-stoppen-br-fuer-einen-gerechten-welthandel-485Dezentrale Demonstrationen am 17. September 2016 http://ttip-demo.de/home/ In Berlin wird es wieder einen Jurist*innenblock geben, der sich um 11:45 h am Haus des Lehrers (Ecke Otto-Braun-Str/ Karl-Marx-Allee) trifft. Zu erkennen an dem hellblauen RAV-Transparent „Offene Grenzen statt grenzenloser Profite“ und dem gemeinsamen Transparent von Juristenorganisationen „Juristinnen und Juristen fordern: Nein zu CETA, TTIP und TISA!“]]>Globale Gerechtigkeit (doublet)news-484Fri, 09 Sep 2016 16:02:00 +0200Keine Filmveranstaltung am 15.9.16/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-filmveranstaltung-am-15-9-16-484Filmreihe von RAV und NSU-Watch›No Fire Zone - The Killing Fields of Sri Lanka am 15.9.2016 in Berlin muss leider aus Krankheitsgründen ausfallen. Nächster Termin zum Vormerken: 20.10.2016 mit Holiday Camp von Thorsten Winsel, US/DE 2002 um 19:30h in der B-Lage. Das gesamte Programm findet sich hier]]>news-483Fri, 19 Aug 2016 11:03:00 +0200Wege zu bezahlbarem Wohnen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wege-zu-bezahlbarem-wohnen-4832. Mieten & Wohnen Konferenz, 16./17.9.16 in Berlinhttp://www.netzwerk-mieten-wohnen.de/content/einladung-zur-2-konferenz-des-netzwerks-mieten-wohnen-wege-zu-bezahlbarem-wohnen Der RAV ist Mitglied des Netzwerkes.]]>Mietrecht (doublet)news-480Wed, 17 Aug 2016 14:19:00 +0200Abgedämmt und dann verdrängt .../publikationen/mitteilungen/mitteilung/abgedaemmt-und-dann-verdraengt-480Veranstaltung am 21.9.16 in Berlin, Helle PankeVerdrängung von MieterInnen durch Energetische Modernisierung am Beispiel Pankow Im Jahr 2013 wurde bei der Mietrechtsreform unter der schwarz-gelben Bundesregierung die Energetische Sanierung als Modernisierungsmaßnahme im § 559 BGB eingeführt.
      Die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen im Wohnraum können und werden in den meisten Fallen zu 11% pro Jahr auf die MieterInnen umgelegt. Diese Modernisierungsumlage ist in § 559 BGB geregelt. Eine Modernisierungsmieterhöhung kann der Vermieter verlangen bei baulichen Veränderungen in der Wohnung, die den Wohnwert (z. B. einen Balkon) erhöhen oder eine nachhaltige Energieeinsparung bewirken. Ob sich die Energieeinsparung für die MieterInnen rechnet, ist egal. Auch nach der Finanzierung der Baumaßnahme kann der Vermieter die höhere Miete weiter kassieren.
      Ein Rechenbeispiel: Modernisierungskosten = 1000 Euro. 1000 Euro x 11:100:12=9,17 Euro pro Monat. Nach 10 Jahren also 9,17x12x10 hat der Vermieter 1100,40 Euro eingenommen und den Wert seiner Immobilie auf Kosten des Mieters erhöht. Bei einer Erhöhung des Wohnwerts hat der Mieter noch etwas direkt davon, bei einer energetischen Sanierung in der Regel nicht, da die Baukosten oft die Energieeinsparungen bei weitem übertreffen.
      Die energetische Sanierung kommt vor allem bei noch günstigen Mietwohnungen zum Einsatz. Sie ist zu einem Werkzeug geworden, um BestandsmieterInnen aus ihren Mietwohnungen zu verdrängen. Das führt auch zu einem generellen Anstieg des Mietspiegels.
      Noch gibt es aufgrund der Kürze der Zeit keine allgemeinen Zahlen, wie viele MieterInnen nach energetischer Sanierung ihre Wohnungen verlassen mussten, weil sie sich die neue Miete nicht mehr leisten konnten.

      Stadtsoziologe Christoph Schiebe hat die "Verdrängung von Bestandsmieter*innen durch Modernisierungsumlage" in Pankow untersucht. Er wird von seiner Forschungsarbeit berichten und zu welchen Ergebnissen er gekommen ist. Rechtsanwältin Carola Handwerg gehört dem AK Mietrecht im „Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.“ (RAV) an. Der RAV fordert die Streichung des § 559 BGB, welche die Modernisierungsumlage regelt. Moderation: Fabian Kunow Diese Abendveranstaltung ist eine Kooperation von Helle Panke e. V. - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) Kosten: 2,00 Euro; ermäßigt 1,00 Euro Veranstaltungsort:
      Helle Panke
      Kopenhagener Str. 9
      10437 Berlin ---
      "Verdrängung von Bestandsmieter*innen durch Modernisierungsumlage"
      Abstract Gentrifizierung bestimmt als sozialräumlicher Prozess die stadtpolitischen und akademischen Debatten. Bislang sind die Aufwertung von Altbauten und der Austausch der Bewohner*innen durch Menschen mit höherem Einkommen als Folge von energetischen Modernisierungen nahezu unerforscht. Als klimapolitische Antwort auf die globale Erwärmung ist die Dämmung und energetische Aufrüstung von Mietshäusern durch die elfprozentige Umlage auf Mieter*innen in der Kritik, die Verdrängung von Bestandsmieter*innen und die Neuvermietung zu forcieren. Basierend auf Daten von über 250 Mietparteien in Pankow und 12 Interviews mit betroffenen Mieter*innen konnte nun erstmals umfänglich analysiert werden, dass die energetische Modernisierung von Altbauten ein hohes Verdrängungspotenzial birgt. Im Zentrum der Forschungsarbeit steht die Frage, welche Faktoren im Modernisierungsprozess zur Verdrängung von Bestandsmieter*innen führen. Am Beispiel eines Pankower Altbaus wird der Zerfall der Hausgemeinschaft über einen Zeitraum von zwei Jahren nachgezeichnet. Die Veranstaltung adressiert die Frage, inwiefern die energetische Modernisierung der Gentrifizierung in Altbauquartieren zuträglich ist. Über den Autor Christoph Schiebe, geboren 1991, begann im Jahr 2011 ein Bachelorstudim in Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein stadtsoziologischer Fokus liegt in der Analyse von Gentrifizierung, Segregation und urbanen Politiken. Zur Analyse von Wohnungslosigkeit und Verdrängung im post-sowjetischen Europa studierte er ein Semester an der ELTE Universität in Budapest. Es folgte ein Bachelorstudium der Stadt- und Regionalplanung an der Technischen Universität Berlin mit akademischen Schwerpunkt im Wohnungswesen, Sozialplanung und Städtebau. Seit 2015 ist er Student im Master Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und studiert aktuell am Graduate Center der City University in New York, wo er an einem Doktorandenprogramm in Politikwissenschaften dank eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdiensts teilnimmt. Er forscht momentan zu Gentrifizierung, Ethnizität und die Finanzialisierung von Wohnen in New York und Berlin.]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-481Wed, 03 Aug 2016 13:14:00 +0200Kein Deal mit der Türkei über Menschenrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-deal-mit-der-tuerkei-u-ber-menschenrechte-481Gemeinsame Presseerklärung von Jurist*innen- und Bürgerrechtsorganisationen vom 03.08.2016- sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die willkürlichen und politisch motivierten Verhaftungen, Entlassungen oder Suspendierungen sofort aufgehoben werden;
      - vom Präsidenten der Türkei und seiner Regierung mit Nachdruck zu verlangen, dass der Rechtsstaat und die Demokratie in der Türkei umgehend wieder hergestellt werden;
      - die Konsultationsgespräche mit Vertreter*innen des türkischen Geheimdienstes auszusetzen;
      - die Wiederherstellung der richterlichen Unabhängigkeit und der freien Berufsausübung von Rechtsanwält*innen, Staatsanwält*innen und die Freiheit der Medien in der Türkei einzufordern. Sie erklären dazu: Das Vorgehen der türkischen Staatsführung in den vergangenen zwei Wochen nach dem versuchten Militärputsch stellt eine massive Verletzung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen dar: Mit der Entlassung von über 70.000 Staatsbediensteten, unter ihnen tausende Richter*innen und Staatsanwält*innen, von denen über 2000 festgenommen wurden, setzt sich in rasantem Tempo eine Entwicklung fort, die wir bereits seit Jahren beobachten: Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung werden politisch missliebige, oder die eigene Machtposition gefährdende Gruppen, Rechtsanwält*innen, Journalist*innen, Akademiker*innen, Politiker*innen und Gewerkschafter*innen und nun auch Richter*innen, Staatsanwält*innen und Lehrer*innen strafrechtlich verfolgt und ihrer Ämter enthoben. Festgenommene werden öffentlich zur Schau gestellt, teilweise mit deutlichen Folterspuren, eine Lynchjustiz wird gebilligt und über die Wiedereinführung der Todesstrafe wird ernsthaft nachgedacht. Anwält*innen erhalten keinen Zugang zu den Gefängnissen und ihren Mandant*innen.1 Als das türkische Verfassungsgericht Ende Februar 2016 die angeordnete Untersuchungshaft gegen zwei Journalisten aufhob, die die staatliche Unterstützung militanter Islamisten in Syrien öffentlich gemacht hatten, drohte der türkische Präsident Erdoğan bereits den Richter*innen: „Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich der Entscheidung nicht, ich respektiere sie auch nicht“2. Dieser Drohung hat er jetzt Taten folgen lassen. Die Entlassungen von fast einem Viertel der gesamten Richterschaft – die offenbar bereits vor dem Putschversuch des 15. Juli 2016 vorbereitet wurden – hebt die Unabhängigkeit der Justiz auf. Die Gewaltenteilung ist mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nun auch rechtlich nicht mehr gewährleistet. Die Türkei als demokratischer Rechtsstaat existiert seit dem 16. Juli 2016 nicht einmal mehr als potemkinsches Dorf. Am 21. Juli 2016 verkündete die türkische Regierung, nicht mehr an die EMRK gebunden zu sein3. Dass die Türkei - die sich faktisch schon unter formaler Anerkennung der EMRK systematisch über die Garantien der Menschenrechtskonvention hinwegsetzte - diese nunmehr suspendiert, lässt das Schlimmste befürchten. Es zeigt aber vor allem, dass die türkische Regierung den türkischen Staat auch nicht als eine die Menschenwürde achtende Grundordnung versteht. Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen vielmehr den seit Jahren von der AKP offensiv betriebenen Umbau der Türkei nach einem Programm, welches auf religiöse Intoleranz und die gewaltsame Durchsetzung ihrer Interessen gründet. Wir als Jurist*innen- und Bürgerrechtsorganisationen versuchen, unter den gegebenen Umständen die Zusammenarbeit mit unseren demokratischen und fortschrittlichen Schwesterorganisationen in der Türkei fortzusetzen; und wir werden uns weiterhin uneingeschränkt für die Unabhängigkeit der Justiz und der Anwaltschaft in der Türkei einsetzen. ------- Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, Bundesfachausschuss Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Ver.di, Humanistische Union, IALANA, Internationale Liga für Menschenrechte, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Neue Richtervereinigung e.V., Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Darüber hinaus fordern RAV, VDJ, Internationale Liga für Menschenrechte, IALANA, Komitee für Grundrechte und Demokratie und Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen: - anzuerkennen, dass es sich bei der Türkei nicht um einen sicheren Drittstaat für Flüchtlinge handelt,
      - darauf hinzuwirken, den „Flüchtlingsdeal“ der EU mit der Türkei vor diesem Hintergrund aufzukündigen,
      - von Verfolgung bedrohten Gruppen in der Türkei in Deutschland Schutz zu gewähren,
      - die Konsultationsgespräche mit Vertretern des türkischen Geheimdienstes und den polizeilichen Datenaustausch mit der Türkei auszusetzen und
      - die Unabhängigkeit von Justiz, Anwaltschaft und Rechtspflege in der Türkei offen einzufordern. Fußnoten:
      (1) http://www.amnesty.de/2016/7/18/tuerkei-nach-dem-putsch-menschenrechte-ernsthaft-gefahr?destination=startseite
      (2) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei-lange-haftstrafen-fuer-regierungskritike-journalisten-14219395.html
      (3) SZ, Nach Putschversuch Türkei will Europäische Menschenrechtskonvention teilweise aussetzen: http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-putschversuch-festnahmen-in-der-tuerkei-zehntausende-entlassungen-inhaftierte- ohne-rechte-1.3085149 Gemeinsame Presseerklärung (PDF)
      Weitergehende Forderungen (PDF)RAV-Redebeitrag (PDF) zur Kundgebung am 3.8.16 vor dem BundeskanzleramtNRV-Redebeitrag (PDF)zur Kundgebung am 3.8.16 vor dem BundeskanzleramtASJ-Redebeitrag (PDF) zur Kundgebung am 3.8.16 vor dem Bundeskanzleramt]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-479Tue, 02 Aug 2016 13:00:00 +0200Menschenrechtsverletzungen in der Türkei: Gemeinsame Kundgebung von Richter*innen, Anwält*innen, Staatsanwält*innen und Bürgerrechtler*innen vor dem Bundeskanzleramt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtsverletzungen-in-der-tuerkei-gemeinsame-kundgebung-von-richter-innen-anwaelt-innen-staatsanwaelt-innen-und-buergerrechtler-innen-vor-dem-bundeskanzleramt-479Presse-EinladungDatum: 03.08.2016
      Uhrzeit: 14 - 15:30 Uhr
      Ort: Bundeskanzleramt - Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin Anlässlich der Kundgebung werden Erklärungen verlesen, die die aktuelle Situation der verschiedenen verfolgten, suspendierten und verhafteten (Berufs-)Gruppen wie Rechtsanwält*innen, Richter*innen, Staatsanwält*innen, Journalist*innen, Akademiker*innen und Gewerkschafter*innen verdeutlichen. Interviewpartner aus den jeweiligen Berufsgruppen werden Ihnen zum Gespräch zur Verfügung stehen. Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei darf es keinen Deal mit der türkischen Regierung über Menschenrechte – auch nicht mit den Menschenrechten von Flüchtlingen – geben. Die zehn Organisationen fordern die Bundesregierung in einer gemeinsamen Erklärung u.a. dazu auf:Kontakt:
      Ursula Groos - Geschäftsführerin des Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
      Haus der Demokratie und Menschenrechte - Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin Menschenrechtsverletzungen in der Türkei PDF Version]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-478Tue, 05 Jul 2016 16:06:00 +0200Report<br />KCK-trial against 46 lawyers, 28th of june 2016/publikationen/mitteilungen/mitteilung/report-br-kck-trial-against-46-lawyers-28th-of-june-2016-478Gemeinsame Erklärung der Internationalen Prozessbeobachtungsdelegation vom 28.06.2016Report/ KCK-trial against 46 lawyers, 28th of june 2016
      19. chamber of ›ağir ceza mahkemesi‹

      During a 90 minutes session the lawyers claimed the following applications: The court accepted the first two demands. Conclusions: One of the most important principles of criminal procedure is the right of the accused to have an independant judge that remains the same during all the procedure from the hearing to the judgment. Today again the court ignored this principle and refused to repeat the proof recording. This court wants to decide the case without having taken any evidence itself. There were though two encouring aspects for the local collegues:
      The court accepted its obligation to wait for the constitutional decision and to take it into account for the final judgement.
      The courts decided to accept the inclusion of the files of the procedures against judges and procurators. This is very important and could be read even as a positive step concerning the transparency of this trial. It should be remarked that the prosecutor was not ready to hold his final speech. This might be interpreted in a way that the court wanted to avoid a final decision today. We remain vigilant and mobilized. Istanbul, 2016-6-28 Conseil national des Barreaux (France)
      Observatoire International des Avocat en danger (OIAD, France)
      Conférence de bâtonniers du Grand Ouest (France)
      Défense sans frontières - avocats solidaires DSF-AS (France)
      Institut de droit de l'homme de Grenoble (IDH, France)
      Institut de droit de l'homme de Montepellier (France)
      Lawyers for lawyers (NL)
      European Lawyer Association for Democracy and Human Rights (ELDM - Barbara Spinelli, Bologna, Italia)
      DAV (Deutscher Anwaltverein, Deutschland)
      RAV (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Deutschland)
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. (Deutschland)
      Weitere Hintergrundinformationen:
      Prozessbeobachtungsberichte vom 22. und 28.6.2016  durcht RAV und Vereinigung Berliner Strafverteidiger]]>
      KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-477Tue, 05 Jul 2016 15:23:00 +0200Strafverfolgung von Verteidigerinnen und Verteidigern in der Türkei nimmt kein Ende<br />Anwältinnen und Anwälte weiter in Untersuchungshaft/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfolgung-von-verteidigerinnen-und-verteidigern-in-der-tuerkei-nimmt-kein-ende-br-anwaeltinnen-und-anwaelte-weiter-in-untersuchungshaft-477Prozessbeobachtungen in der Türkei, Juni 20161. Verhaftungswelle 2011 (sog. ›KCK-Anwaltsverfahren‹) Die Kolleginnen und Kollegen sind im November 2011 festgenommen worden und befanden sich teilweise über 2 ½ Jahre in Untersuchungshaft. Das Verfahren dauert an. Allen Angeklagten wird vorgeworfen, im Rahmen ihrer Haftbesuche bei Abdullah Öcalan, der sich seit 1999 in Isolationshaft auf der Insel Imralı befindet, Kommunikationsstrukturen zwischen Öcalan und der KCK aufgebaut und unterhalten zu haben. Dass dieser Vorwurf unhaltbar ist, belegt bereits der Umstand, dass sämtliche Haftbesuche der Verteidiger*innen bei Öcalan vollständig überwacht und die Verteidiger*innen stets mehrfach durchsucht wurden. Mit einer derartigen Massenverhaftung wird 2011 ein spürbares Loch in die Reihe der engagierten – und gerade auch in den kurdischen Gebieten der Türkei tätigen – Rechtsanwält*innen gerissen. Dies führte gerade bei jungen Kolleginnen und Kollegen dazu, dass sie – oft direkt aus der Uni kommend – ins kalte Wasser der Verteidigung in politischen Verfahren springen mussten. In dieser Zeit gründete sich die Anwaltsvereinigung ÖHD (›Özgürlükçü Hukukçular Derneği‹ – Juristenvereinigung für die Freiheit), um die Arbeit und die Interessen der beteiligten Anwaltschaft vertreten zu können. 2. Verhaftungswelle 2013 (CHD-Verfahren) Im Januar 2013 gab es eine weitere Verhaftungswelle, bei der nochmals 9 Kolleg*innen inhaftiert wurden. Auch hier wird den Anwält*innen vorgeworfen, sich im Rahmen ihrer Verteidigungstätigkeit mitgliedschaftlich in einer terroristischen Vereinigung zu betätigen. Bei den Festgenommenen handelt es sich ausschließlich um Mitglieder des Fortschrittlichen Anwaltsvereins (ÇHD), der sich unter anderem in der Verteidigung für die Kolleg*innen im sog. ›KCK-Anwaltsverfahren‹ sehr engagiert hatte. Auch dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, sondern wird im Oktober 2016 in Istanbul fortgesetzt. Die Kolleg*innen befinden sich inzwischen nicht mehr in Untersuchungshaft. Ermordung des kurdischen Rechtsanwalts Tahir Elçi im November 2015 Am 28. November 2015 wurde der kurdische Rechtsanwalt Tahir Elçi in Diyarbakır auf offener Straße erschossen, als er mit anderen Anwält*innen zusammen eine Pressekonferenz abhielt. Elçi war Vorsitzender der Rechtsanwaltskammer in Diyarbakır und hatte in diesem Rahmen nicht nur die Verteidigung im ›KCK-Anwaltsverfahren‹ unterstützt, sondern sich sein Leben lang beruflich für die Durchsetzung der Rechte der Kurd*innen engagiert. Wer für seinen Tod verantwortlich ist, ist bis heute nicht geklärt. Zügige und umfassende Ermittlungen und vor allem Beweissicherungen sind von den Ermittlungsbehörden nicht durchgeführt worden. 3. Verhaftungswelle (ÖHD-TUAD-Verfahren) Eine weitere groß angelegte Aktion der türkischen Sicherheitsbehörden fand am 16. März 2016 statt: Neun kurdische Rechtsanwält*innen der Anwaltsvereinigung für die Freiheit ‹ÖHD‹ wurden festgenommen sowie weitere drei Anwälte und 39 Privatpersonen beschuldigt, sich mitgliedschaftlich für die PKK zu betätigen. Alle betroffenen Anwält*innen sind in der Verteidigung der Kolleg*innen im KCK-Anwaltsverfahren tätig. Ayşe Acinikli, Rechtsanwältin, und Ramazan Demir, Rechtsanwalt, befinden sich nach wie vor in Untersuchungshaft(3). Im April 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen insgesamt 50 Personen. Ihnen wird Mitgliedschaft und teilweise auch Propaganda für die PKK vorgeworfen. Worum geht es? Die Anwält*innen des ÖHD haben in Zusammenarbeit mit dem ›Verein der Familien der Gefangenen‹ TUAD (Tutuklu Aileleri Derneği) versucht, die medizinische Versorgung der Gefangenen sicherzustellen und einen Zugang zu den Gefangenen zu ermöglichen, um deren Interessen vertreten zu können. Dies ist angesichts der Inhaftierungspraxis in der Türkei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da die Gefangenen nicht etwa in der Nähe ihres Wohnortes ihre Haftstrafen antreten, sondern teilweise in hunderten von Kilometern entfernten Hochsicherheitsgefängnissen einsitzen. Da die Familien der Gefangenen oft kaum über finanzielle Mittel verfügen, müssen Besuche häufig über Anwält*innen vor Ort organisiert werden. Die Betreuung der überwiegend kurdischen Gefangenen wird den Angeklagten nun zum Vorwurf gemacht: Sie hätten sich durch ihre Unterstützung der Gefangenen gleichzeitig mitgliedschaftlich in der PKK betätigt. Prozessauftakt am 22. Juni 2016 – Verhandlung hinter verschlossenen Türen Zum Verfahrensauftakt hatte sich eine internationale Beobachtungsdelegation eingefunden, die aus ca. 40 Rechtsanwält*innen bestand, die insbesondere die Anwaltskammern aus Frankreich, Italien, Österreich und berufsständische Vereinigungen aus den Niederlanden (Lawyers for Lawyers), Schweden (International Commission of Jurists), Europa (European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights) und Deutschland (Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V. und Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V.) vertraten. Auch der ÇHD, der ÖHD und einige Rechtsanwaltskammern aus der Türkei entsandten Vertreter*innen zum Verfahren. Ausgesprochen befremdlich war es für die internationale Delegation, dass gerade die Rechtsanwaltskammer Istanbul dem Verfahren nicht nur fern blieb, sondern es der Verteidigung sogar untersagte, auf Kurdisch verfasste Aufrufe zur Prozessbeobachtung in den Räumen der Anwaltskammer aufzuhängen. Wir legen das als deutliches Zeichen dafür aus, dass die fehlende Solidarität mit den kurdischen Kolleg*innen nationalistisch begründet ist. Der Verhandlungssaal war Dank der erheblichen Unterstützung durch die Familien der Angeklagten und der kurdischen Kolleg*innen bis auf den letzten Platz gefüllt.(4) Die insgesamt acht inhaftierten Angeklagten (von ihnen zwei Anwält*innen) wurden vorgeführt, weitere zwei Angeklagte wurden per Videokonferenz zugeschaltet. Es waren nicht alle Angeklagten erschienen, weil von vornherein klar war, dass es an diesem Verhandlungstag ausschließlich um die Haftfragen gehen würde. Mit Beginn der Verhandlung wurde auf Anweisung des Vorsitzenden die Tür zum Saal von innen verschlossen. Als dies durch die Verteidigung unter Hinweis auf den Öffentlichkeitsgrundsatz gerügt wurde und der Saalwachtmeister sich anschickte, wieder aufzuschließen, befahl ihm der Vorsitzende unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen, dies zu unterlassen. Dies stellt eine grundlegende Verletzung der türkischen StPO dar. Da ein inländischer Rechtsschutz offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben würde, kündigte die Verteidigung auch gleich die Beschwerde beim EGMR an, das einzige Gericht, das derzeit noch den Versuch unternimmt, die Judikative und die Exekutive in der Türkei zur Einhaltung ihrer eigenen Rechtsordnung zu zwingen. Von der Verteidigung wurden die wesentlichen Rechtsmängel dieses Verfahrens benannt und beantragt, das Verfahren einzustellen sowie die Inhaftierten unverzüglich zu entlassen. Folgende Punkte waren dabei maßgeblich: 1) Kriminalisierung anwaltlicher Tätigkeit
      Den angeklagten Rechtsanwält*innen des ÖHD wird vorgeworfen, sie hätten in ihrer beruflichen Eigenschaft Kontakt mit den Gefangenen aufgenommen und diese zum Aufbau einer Kommunikationsstruktur mit der PKK ausgenutzt. Beweise dafür, dass Informationen an die PKK geflossen sind, finden sich in der Akte allerdings nicht. Stattdessen finden sich hier Anträge und Beschwerden, die die Kolleg*innen im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen in den kurdischen Gebieten gestellt haben. So enthält die Akte auch die Entscheidung des EGMR, in der die Türkei unter Hinweis auf ihre eigene Verfassung angewiesen wurde, die medizinische Versorgung der im Januar 2016 in Cizre eingeschlossenen Menschen zu gewährleisten.
      Die Verbreitung dieser Entscheidung via Twitter durch einen der Angeklagten wird in der Anklage als Herabwürdigung der Türkei und als Propaganda für die PKK gewertet.
      Eine Verfolgungsermächtigung, die strafprozessual eine wesentliche Voraussetzung für die Einleitung von Strafverfahren gegen Anwalt*innen in der Türkei ist, wurde seitens der Ermittlungsbehörden vom türkischen Justizministerium gar nicht erst eingeholt. 2) Kriminalisierung der menschenrechtlichen Arbeit des Vereins TUAD
      Der ›Verein der Familien der Gefangenen‹ (TUAD) wurde 2003 zur Unterstützung der Gefangenen und ihrer Familien gegründet. Hier organisieren sich die betroffenen Familien selbst, um die grundlegende Unterstützung ihrer Angehörigen in den Gefängnissen zu ermöglichen. Es geht vorwiegend um die unzureichende medizinische Versorgung der Gefangenen. So werden schwere Krankheiten seitens der Gefängnisärzte gar nicht erst diagnostiziert, um eine Behandlung zu verhindern. Auch hat sich die gesundheitliche Situation der Gefangenen mit den neuen Sicherheitsgesetzen, die den Wärtern den Gebrauch von Gas und Knüppel erlauben, erheblich verschlechtert. Den angeklagten kurdischen Mitgliedern des Vereins wird ohne jeglichen Nachweis vorgeworfen, durch die Organisation rechtlicher und humanitärer Hilfe und die Veröffentlichung der Menschenrechtsverletzungen gegenüber den kurdischen Gefangenen als Arm der PKK zu agieren. 3) Rechtswidrige Erhebung von Beweisen
      Von den Ermittlungsbehörden wurden Überwachungskameras in den für die Verteidiger*innen vorgesehenen Sprechzellen der Gefängnisse und in den Vereinsräumen von TUAD installiert und für das Verfahren ausgewertet. Das hier von der Verteidigung im Rahmen des Einstellungsantrags geltend gemachte Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot wurde vom Gericht ohne Begründung abgelehnt. Die Ausführungen der Verteidigung, dass die Vertraulichkeit des Gesprächs zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine rechtsstaatliche Notwendigkeit darstellt, fanden kein Gehör. 4) Politisches Verfahren
      Vor allem die Angeklagten machten Ausführungen zum ausschließlich politischen Charakter dieses Verfahrens. Sie stellten die Notwendigkeit ihrer eigenen Arbeit – ob anwaltlich oder humanitär – dar und nutzten die (hier eingeschränkte) Öffentlichkeit der Verhandlung, um auf die massiven Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen und in den kurdischen Gebieten hinzuweisen:
      Auf die Anklagebank gehören die, die in Cizre und den anderen Orten gemordet haben, nicht wir. Aber da Sie uns (Rechtsanwält*innen; Anm. der Unterzeichner) nicht vernichten können, greifen Sie uns immer härter und aggressiver an‹, so Rechtsanwältin Ay?e Acinikli vor Gericht. ›Die Staatsanwaltschaft interessiert sich nicht für diese Menschenrechtsverletzungen, diese Morde. Die Staatsanwaltschaft interessiert sich nur dafür, dass wir diese als solche benennen. Gleichzeitig weiß die Staatsanwaltschaft, dass kein Mensch sie für diese rechtswidrige Anklageschrift zur Rechenschaft ziehen wird in diesem Rechtssystem, das keinen Boden mehr hat. Niemand kontrolliert die Staatsanwaltschaft. Und Sie lassen diese Anklage auch noch zu. Wir sind stolz darauf, dass wir all das gemacht haben, was in der Anklage zusammengetragen wurde, wir haben uns immer verfassungsgemäß verhalten‹, führte Rechtsanwalt Ramazan Demir weiter aus. Zu dem Vorwurf, er habe durch seine Arbeit dem Ansehen der Türkei geschadet: ›Das Ansehen des Staates kann nur dann beschädigt werden, wenn es überhaupt noch ein Ansehen gibt.‹ Nach fünfstündiger Verhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft unter Hinweis darauf, dass die bisherige Untersuchungshaft ihren Zweck erfüllt habe, die Aufhebung der 8 noch bestehenden Haftbefehle.
      Das Gericht zog sich eine halbe Stunde zur Beratung zurück und verkündete dann – ohne ein Wort der Begründung – die Aufhebung der Haftbefehle gegen zwei Mitglieder des TUAD. Die Haftbefehle gegen die beiden inhaftierten Rechtsanwält*innen wurden nicht aufgehoben. Warum und vor allem auf welcher Grundlage die weiteren 6 Inhaftierten Angeklagten in Haft bleiben müssen, war auch für die Verteidigung, die fest mit der Freilassung aller gerechnet hatte, vollkommen unklar. Das Verfahren soll am 7. September 2016 fortgesetzt werden. 28. Juni 2016: Fortsetzung im KCK-Anwaltsverfahren
      (14. Hauptverhandlungstag vor der 19. Kammer des Gerichts für schwere Straftaten, Istanbul) Auf den ersten Blick erschien dieser Hauptverhandlungstag, an dem eine internationale Delegation von Anwaltsorganisationen aus Schweden, Frankreich, Holland, Italien und Deutschland teilnahm, wie ein schlechtes Beispiel von Verfahrensverschleppung durch die Kammer. Die Staatsanwaltschaft wurde angefragt, ob die Bereitschaft zum Plädoyer bestünde, woraufhin diese lapidar mitteilte, in Anbetracht des Prozessumfangs nicht vorbereitet zu sein (!).
      Die Prozesserklärungen der Anwält*innen der Angeklagten beinhalteten bereits vorgetragene, aber bisher zu Unrecht abgelehnte bzw. nicht berücksichtigte Anträge. Es wurden seitens der Verteidigung folgende drei Anträge gestellt: 1. Das Gericht solle weitere Schritte zurückstellen, bis das Verfassungsgericht in dem Parallelverfahren gegen Journalist*innen darüber entscheidet, ob die Grundsätze des gesetzlichen Richters und der Unmittelbarkeit verletzt sind, wenn eine Gerichtsbesetzung verändert wird, ohne dass der Prozess von vorne beginnt. Hier verwiesen die Anwält*innen darauf, dass das Verfassungsgericht bereits entschieden habe und das schriftliche Urteil in Kürze erwartet werde. 2. Neubeginn der Beweisaufnahme, da zum einen die Umstrukturierung der Gerichte dies erforderlich mache, zum anderen sowieso bisher keine wirkliche Beweisaufnahme stattgefunden habe. 3. Beiziehung konkret mit Aktenzeichen benannter Akten der Verfahren gegen mehrere Staatsanwälte und Richter wegen Amtsmissbrauchs und Beweismanipulation; darunter insbesondere auch gegen Mehmet Ekinci, der der Vorsitzende Richter des ursprünglichen Spruchkörpers war und gleichzeitig unter Verstoß gegen zwingendes Prozessrecht auch als Ermittlungsrichter in diesem Verfahren agierte. Die Beiziehung werde ergeben, dass diese Funktionsträger in ihrer beruflichen Tätigkeit unrechtmäßig Beweise produzierten oder erlangten. Entsprechend könnten die durch sie in diesem Verfahren vorgebrachten Beweismittel nicht gegen die Angeklagten verwandt werden. Das Gericht gab den Anträgen 1 und 3 statt. Dies bedeutet eine Bewegung im Verfahren. Entsprechend war die anwaltliche Vertretung der Angeklagten erleichtert und erfreut über das Ergebnis. Aus welchem Grund sich die Staatsanwaltschaft regelrecht ‹weigerte‹ zu plädieren und warum erstmals Anträgen der Verteidigung nachgegangen wurde, blieb allerdings unklar. Ganz offensichtlich wollte man in der derzeitigen politischen Situation kein Urteil fällen. Das Gericht setzte den Fortsetzungstermin auf den 14.11.2016 9.30 Uhr fest. Fazit Seit Jahren zeigt sich eine massive Zuspitzung des Angriffs auf die freie Advokatur in der Türkei. Ein Angriff auf die Anwaltschaft ist immer ein direkter Angriff auf den Rechtsstaat. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung soll die Anwaltschaft in der Türkei von der Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgabe, nämlich der Verteidigung der Rechte des Einzelnen gegen den Staat, abgehalten werden. Dabei zeigt sich die Justiz zunehmend als willfährige Vollstreckerin der rechtsstaatswidrigen Politik Erdoğans. Mit der Macht des Faktischen, also mit der rechtswidrigen Verfolgung und Inhaftierung von Rechtsanwält*innen soll dieser Pfeiler der Demokratie eingeschüchtert und ausgeschaltet werden. Hierbei lässt die Justiz der Exekutive weitestgehend freie Hand. Denn auch weite Teile der Justiz stehen unter dem direkten politischen Einfluss der Regierung. Mit der Reform des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte, der mit der Ernennung, Versetzung und Suspendierung von Richter*innen und Staatsanwält*innen betraut ist, hat Erdoğans AKP die politische Oberhand über die Justiz erlangt. Allein im Juni 2016 wurden rund 8.700 Versetzungen politisch unliebsamer Richter*innen und Staatsanwält*innen vorgenommen. Ein aktueller Gesetzesentwurf der AKP sieht zudem die vollständige Auswechslung der Richterschaft an den Obersten Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichten vor. Die Türkei hat sich damit bereits vom Grundsatz der Gewaltenteilung verabschiedet. Unsere Kolleginnen und Kollegen bedürfen dringend einer internationalen und aktiven Unterstützung.
      Der Angriff auf sie ist ein Angriff auf die freie Advokatur, den wir nicht schweigend zulassen dürfen.
      Die Delegation verurteilt diese rechtswidrigen Verfahren und Inhaftierungen aufs Schärfste und fordert die unverzügliche Freilassung der Inhaftierten. Berlin, den 4. Juli 2016 (1) Ramazan Demir, Ayşe Acinikli, İrfan Arasan, Hüseyin Boğatekin, Şefik Çelik, Adem Çalışci, Tamer Doğan, Mustafa Rüzgar, Ayşe Başar, Sinan Zincir, Raziye Öztürk und Ruşen Mahmutoğlu
      (2) vgl. dazu im Überblick: Infobrief #109, 2014, http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-109-2014/wir-spielen-gerechtigkeit-1/
      (3) Nach den ersten Festnahmen am 16.03.2016 wurden alle betroffenen Rechtsanwält*innen nach wenigen Tagen freigelassen. Gegen die genannten zwei Kolleg*innen erging jedoch erneut Haftbefehl; sie stellten sich am 6. April 2016 und sind seitdem durchgängig in Untersuchungshaft.
      (4) Vor dem Saal waren noch zahlreiche weitere Zuschauer, die keinen Einlass mehr fanden. s.a.: Gemeinsame Erklärung der Internationalen Prozessbeobachtungsdelegation vom 28.06.2016 Berichte und Erklärung als PDF]]>
      KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-475Fri, 17 Jun 2016 11:50:00 +0200Der türkische Staat ist kein geeignetes Schutzobjekt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-tuerkische-staat-ist-kein-geeignetes-schutzobjekt-475Pressemitteilung, 16.6.16 „Der türkische Staat ist kein geeignetes Schutzobjekt“ Am 17. Juni 2016 beginnt vor dem Oberlandesgericht München der größte Staatsschutzprozess in Deutschland seit Ende der 1980er Jahre. Angeklagt sind zehn türkische und kurdische Kommunist_innen, denen vorgeworfen wird, das sogenannte Auslandskomitee der maoistischen TKP/ML (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) gebildet zu haben. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b StGB vorgeworfen, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren Haft vorsieht.
      Die 1972 in der Türkei gegründete TKP/ML ist laut Angaben des Verfassungsschutzes in Deutschland nur politisch aktiv. Laut der Anklageschrift soll sie dort auch eine bewaffnete Organisation – die TIKKO – unterhalten, der diverse Anschläge, unter anderem gegen Angehörige der Polizei und des türkischen Militärs, vorgeworfen werden. Sie ist weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten verboten und auf keiner der nationalen und internationalen Terror-Listen - außer in der Türkei - als Organisation aufgeführt.
      Wie auch beim § 129 a StGB (Mitgliedschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung) bedarf es beim § 129b StGB nicht der Begehung konkreter Straftaten, um deswegen angeklagt zu werden. Eine mitgliedschaftliche Betätigung für die Organisation reicht aus. Auch den hier Angeklagten wird keine konkrete Straftat vorgeworfen. Für die strafrechtliche Verfolgung einer ausländischen Organisation gemäß § 129b StGB bedarf es einer sogenannten Verfolgungsermächtigung, die durch das Bundesministerium für Justiz erteilt wird – ähnlich wie es beim Verfahren gegen Jan Böhmermann der Fall war. Nach der Gesetzesbegründung sollen bei der Entscheidung, ob eine Verfolgungsermächtigung erteilt wird oder nicht, die außenpolitischen Interessen Deutschlands berücksichtigt werden. Das Ministerium soll dabei weiter in Betracht ziehen, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet und insgesamt als verwerflich anzusehen sind. Nach unserer Ansicht ist der türkische Staat in seiner derzeitigen Verfassung keine die Würde des Menschen achtende staatliche Ordnung. Es ist bekannt, dass die Republik Türkei seit mehreren Jahren in vielfältiger Art und Weise die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt, u. a. durch die Lieferung von Waffen, durch unentgeltliche Behandlung verletzter IS-Kämpfer, durch Zurverfügungstellen türkischen Staatsgebietes für Angriffe des IS auf die kurdischen Gebiete in Syrien sowie durch bis in das Jahr 2016 andauernde Geschäftsbeziehungen. Diese Unterstützung stellt einen Verstoß gegen Völkerrecht dar, u. a. gegen bindende Resolutionen des UN-Sicherheitsrates.  Gleichzeitig hat der türkische Staat im letzten Jahr die Angriffe gegen kurdische Städte und Dörfer intensiviert, die zu immensen Zerstörungen und zu vielen Hunderten von Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt haben. Journalisten, die kritisch berichten, werden zu langjährigen  Haftstrafen verurteilt, wie auch andere Kritiker_innen, denen Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan vorgeworfen wird. Vor einigen Wochen wurde die Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten des türkischen Parlamentes aufgehoben, wodurch vor allem die Parlamentarier der prokurdischen und linken Partei HDP betroffen sind, die nun mit einer Strafverfolgung zu rechnen haben. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Grundlagen für eine Verfolgung von türkischen und kurdischen Organisationen in Deutschland als nicht gegeben an. Während in Deutschland fast täglich von Nazis und Rassist_innen Anschläge auf unbewohnte und bewohnte Flüchtlingsunterkünfte, die in den meisten Fällen unaufgeklärt bleiben, verübt werden, führt die Bundesanwaltschaft mit einem enormen Aufwand ein Verfahren gegen die zehn Angeklagten. Gleichzeitig werden derzeit so viele Verfahren gegen Kurden geführt, denen vorgeworfen wird, Kader der PKK zu sein, wie schon seit Jahren nicht mehr.
      Die deutsche Strafjustiz macht sich damit zum Erfüllungsgehilfen von Erdogan und der AKP. Solange der türkische Staat permanent und systematisch nationales und internationales Recht bricht und die Menschenrechte mit Füßen tritt ist die türkische Staatsräson kein Schutzobjekt des deutschen Strafrechts. Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle | kontakt@rav.de Der türkische Staat ist kein geeignetes Schutzobjekt; PM als PDF]]>
      news-474Tue, 07 Jun 2016 07:49:00 +0200WELCOME TO STAY/publikationen/mitteilungen/mitteilung/welcome-to-stay-474Zusammenkunft der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität, der Migration und des Antirassismus10.-12. Juni in Leipzig

      Summit of the welcome, migration, solidarity and anti-racist movements
      Rassemblement des mouvements issus de l‘accueil, de la migration, de la solidarité et de l‘antiracisme

      Die wenigen Monate seit dem „summer of migration“ haben unsere Gesellschaft verändert. Die Kraft der Migration hat Grenzen überwunden. Nun werden die Mauern um die Festung Europa wieder geschlossen, das Sterben an den Außengrenzen geht weiter. Rassistische Gewalt und rechte Wahlerfolge erreichen erschreckende Ausmaße. Aber gleichzeitig gibt es unzählige Erfahrungen der Begegnung, der Solidarität und des gemeinsamen Widerstands.

      Vor diesem Hintergrund laden wir ein zu einer Zusammenkunft unserer Bewegungen, zu drei Tagen des Austauschs und der Diskussion. Wir wünschen uns, dass Menschen aus den vielen Willkommensinitiativen, Solidaritätsgruppen, Selbstorganisationen von Geflüchteten, aus den antirassistischen und antifaschistischen Gruppen und Netzwerken und aus den zivilgesellschaftlichen Organisationen nach Leipzig kommen.

      Für alle weiteren Informationen rund um die Tagung verweisen wir hiermit auf die Seite von Welcome2Stay
      und wünschen allen ein gutes und weiterführendes Treffen.

      Die Zeitung zur Tagung als Download

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      GeflüchtetenlagerMigration & Asyl (doublet)
      news-453Wed, 11 May 2016 11:12:00 +0200›Miners shot down‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/miners-shot-down-453Filmvorführung, 19.5.2016›Miners shot down‹ von Rehad Desai (Dokumentarfilm, ZA 2014, 86 min),

      19. Mai 2016 um 19:30 in der "B-Lage", Mareschstr. 1, Berlin-Neukölln zeigen.
      Anfahrt: S41/42 Sonnenallee; U7 Neukölln/Karl-Marx-Str.; Bus M41 Mareschstr. August 2012: Am siebten Tag eines Minenarbeiterstreiks eskaliert die Polizeigewalt zum „Massaker von Marikana“: 34 Arbeiter sterben, viele mehr werden verletzt. Rehad Desai begleitete den Streik von Tag eins und stellt Filmaufzeichnungen der Vorfälle, Interviews mit Streikführern und Rechtsanwälten sowie Aufnahmen der anschließenden Untersuchungskommission gegenüber. Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=pkK_T_vz7cY Die komplette Filmreihe von RAV & NSU-Watch kann hier aufgerufen werden.
      Oder als Flyer (PDF) hier. Der Eintritt ist frei, über Spenden freuen wir uns. Die Filmabende sollen der Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen dienen und einen zwanglosen politischen Austausch – jenseits üblicher Podiumsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Arbeitstreffen – unter unseren Mitgliedern, FreundInnen und Interessierten anregen. ]]>
      news-451Wed, 20 Apr 2016 10:27:00 +0200BKA-Gesetz verfassungswidrig/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bka-gesetz-verfassungswidrig-451Pressemitteilung, Berlin 20.4.2016 Gegen diese Vorschriften aus dem Jahre 2008 wenden sich neben vielen anderen auch die früheren oder amtierenden RAV-Vorstände und Rechtsanwälte Andrea Würdinger (Berlin), Wolf Dieter Reinhardt (Hamburg) und Martin Lemke (Hamburg) mit Verfassungsbeschwerden. Sie rügen unter anderem, dass die mit der seinerzeitigen Gesetzesnovelle weitreichende und sachlich nicht notwendige Eingriffe in die Vertraulichkeit des anwaltlichen Mandats möglich gemacht wurden und damit Hand an die freie Advokatur als verfassungsrechtlich unverfügbarer Grundfeste des Rechtsstaats gelegt wurde. Sie wandten sich ferner gegen eine Vielzahl von Eingriffsbefugnissen, die nicht durch trennscharfe und streng an den Erfordernissen der Bekämpfung konkreter Gefahren für hochrangige Rechtsgüter orientierte Regeln begrenzt wurden. Das heute verkündete Urteil erklärt die im Jahre 2008 mit großem politischen Aufwand und gegen vehemente Kritik aus der Zivilgesellschaft erlassenen Vorschriften in weiten Teilen für verfassungswidrig. Dazu erklärt der RAV-Vorsitzende Rechtsanwalt Martin Heiming (Heidelberg): „Jetzt steht fest, dass der Gesetzgeber sehenden Auges die besonderen Befugnisse des BKA bei der präventiven Terrorismusbekämpfung außerhalb der Verfassung angesiedelt hat. Das Urteil vom heutigen Tage war vorhersehbar und reiht sich ein in eine Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen die exzessive Sicherheitsgesetzgebung der letzten Jahre korrigiert werden musste.“  Die Beschwerdeführer aus den Reihen des RAV-Vorstands erwarten nun, dass auch ihre Verfassungsbeschwerden (Geschäftszeichen: 1 BvR 1141/09) in Kürze Erfolg haben wird. Eine Zusammenfassung der wesentlichen verfassungsrechtlichen Beanstandungen finden Sie unter folgendem Link: http://www.rav.de/projekte/bka-gesetz/PM als PDF]]>Verfassungsbeschwerde BKA-Gesetznews-450Wed, 13 Apr 2016 12:14:00 +0200Bericht der Delegation nach Diyarbakır/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-der-delegation-nach-diyarbakir-45021 to 24 January 2016I. IntroductionIn the course of these meetings, the delegation received reports and testimonies about the dramatic situation inside but also outside the curfew zones. II. Preliminary Remarks and Limitations of the Fact-Finding MissionHowever, the delegation strongly underscores that basic fundamental human rights are non-disposable and indivisible rights to which both civilians and fighters are entitled.
      III. Personal Observations by the Members of the Delegation and Testimonies and Reports Received by Witnesses and Interlocutors The delegation had no access to the area under curfew. However, the lawyers could walk on the main street that separates Sur’s curfew area from the special security area. They could also see helicopters and fighter jets over Sur, as well as armoured vehicles, including a tank, at the entrance of the curfew zone. They could see the metal fence that prevents citizens living in Sur leaving the area and people from outside entering.
      Moreover, from outside the curfew area they could hear machine guns and artillery inside the curfew zone.
      Human rights defenders and centres of documentation can only gather information through telephone contact with people inside the area or from reports of people who have left the respective towns or districts. In addition, (social) media contributes to the collection of information. Only for the (short) periods when the curfew is lifted outsiders can access the area. Independent investigations and comprehensive documentations are impossible. 1. The Curfew Imposed on Various Districts in Diyarbakır 2. Police and Military ViolenceThe so-called Turkish security forces are responsible for large-scale house destruction in the Sur district of Diyarbakır and the Cizre and Silopi districts of Şırnak, the İdil district of Şırnak, Nusaybin district of Mardin and Yüksekova district of Hakkari. In many cases, houses were destroyed by the military because it knew or suspected Kurdish resistance forces were inside.Between 16 August 2015 and 10 January 2016, numerous military operations were undertaken in urban and rural areas across Kurdistan; Şemdinli town, Lice town and the Dersım province in particular. The use of artillery caused fires in rural parts of these towns, burning down thousands of acres of forestland and destroying many gardens and village houses (Ecological Damage Report prepared by Union of South Eastern Region Municipalities (GABB)). Between 12 September 2015 and 10 January 2016, in the rural areas of 11 provinces, the security forces bombarded and destroyed 13 cemeteries, home to PKK members who lost their lives at various points in the protracted war on Kurdistan. Mosques and djemevi (religious places) attached to the cemeteries have also been destroyed on the pretext that they served as arsenal storage sites for the PKK. Each time local people stood, watching, as human shields to prevent the destruction. UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) has included the Sur District of Diyarbakır in its list of World Heritage sites. Helicopter bombs and heavy artillery are now destroying the city walls, houses, mosques and churches bearing thousands of years of history. Kurşunlu Mosque has been bombarded by an airstrike, Paşa Hammam burned down and Surp Giragos Armenian Church and Armenian Catholic Church heavily damaged.  3. Credibility of Witnesses  Since all interlocutors whom the delegation met confirmed the reports and testimonies about the curfews, its characteristics and its impact on the civilians, they had no doubt about the credibility of the witnesses. In addition, reports of journalists and photographs from the curfew areas showed the same situation.  IV. Legal Conclusions Related to the Curfews
      1. The Imposition of the Curfews under Turkish Law The respective governors/deputy governors ordered curfews based on Article 11 (c) of the provincial Administration Law No. 5442.(19)
      The governor shall have the duty, inter alias, to secure peace and security, personal immunity, safety of private property, public well-being and the authority of preventive law enforcement.
      A curfew is not specifically mentioned in this article. However, even if curfews were a legitimate way to secure peace, security and public order, the length and means through which they are implemented need to be proportionate and must not affect basic fundamental rights, such as the right to life, access to medical services, food and drinkable water. This applies for both fighters and civilians.
      Thus, the long-lasting curfews, like 24/7 in Diyarbakır for more than two months where everybody in the area is cut off from basic needs, are unlawful. In addition, the means that special police forces and the military use for securing peace and security are weapons of war. In densely populated areas the use of helicopter bombs, heavy artillery, shells, howitzers, mines, mortars, machine guns, tear gas, snipers, airstrikes, tanks and thousands of combat troops necessarily affects the civilian population and is therefore unlawful. The delegation notes that Turkish law explicitly allows for imposing “a limited full curfew” but only if a state of emergency is declared. Turkish law states as follows: Article 11 of ACT NO. 2935 STATE OF EMERGENCY LAW
      Measures to be taken in the Case of Violence
      Whenever a state of emergency is declared in accordance with Article 3 (1)(b) to protect general security, security and public order and to prevent the spread of acts of violence, in addition to the measures taken in accordance with Article 9, the following measures may be taken:a) Imposition of a limited or full curfew;Article 3/l of Act 1402 Martial Lawl) to impose restrictions on the movement of people; to impose curfews; and, as and when necessary, to introduce appropriate civil defence measures. The delegation submits for consideration that the Council of Ministers did not declare a state of emergency and martial law. Therefore, the imposed curfews have no legal basis. Further, the curfew restricts or/and suspends fundamental basic rights and freedoms. The Constitution allows for such restriction only through law and in times of war, mobilization, martial law, or state of emergency. The Constitution of the Republic of Turkey provides: Article 13 of the Constitution of the Republic of Turkey
      II. Restriction of Fundamental Rights and Freedoms
      Fundamental rights and freedoms may be restricted only by law and in conformity with the reasons mentioned in the relevant articles of the Constitution without infringing upon their essence. These restrictions shall not be in conflict with the letter and spirit of the Constitution and the requirements of the democratic order of the society and the secular Republic and the principle of proportionality. Article 15 of the Constitution of the Republic of Turkey
      I. Suspension of the Exercise of Fundamental Rights and Freedoms
      In times of war, mobilization, martial law, or state of emergency, the exercise of fundamental rights and freedoms can be partially or entirely suspended, or measures may be taken, to the extent required by the exigencies of the situation, which derogate the guarantees embodied in the Constitution, provided that obligations under international law are not violated.
      Even under the circumstances indicated in the first paragraph, the individual’s right to life, and the integrity of his or her material and spiritual entity shall be inviolable except where death occurs through lawful act of warfare; no one may be compelled to reveal his or her religion, conscience, thought or opinion, nor be accused on account of them; offences and penalties may not be made retroactive, nor may anyone be held guilty until so proven by a court judgment.
      The delegation observes that the restrictions and suspension of basic fundamental rights and freedoms in the curfew zones and the neighbouring security zones have no legal basis and are not in accordance with the provisions of the Constitution, which is higher in rank than the Law on Provisional Administration, which the governors used as legal basis.
      Therefore, the rights violations caused through the declaration and implementation of curfews are unconstitutional.
      However, even if the imposed curfews are a legitimate measure that governors may take to secure security and public order, they lack proportionality by length and means of implementation and violate the fundamental rights of the population. They violate the Constitution, which allows for restrictions and suspension of fundamental rights and freedoms only in times of war, mobilization, martial law or state of emergency. Conclusion The curfews have no legal basis. Even if the curfews were/are legal as a measure to secure security and public order, they disproportionally affect the (civilian) population by length (24/7) over 53(20) days and are therefore unlawful.
      The characteristics (manner of enforcement, prevention of medical care, lack of sufficient and clean water, lack of electric energy) of the curfews’ making are absolutely disproportionate.
      The destruction of houses by the military to “neutralize” suspected fighters is not authorized by any law.
      2. Relevant Articles of the European Convention on Human Rights (ECHR) and of Turkish Law Concerning the Impact of the Curfew and the Violence of the Military and the PoliceArticle 2 ECHR Right to Life1. Everyone’s right to life shall be protected by law. No one shall be deprived of his life intentionally save in the execution of a sentence of a court following his conviction of a crime for which this penalty is provided by law.2. Deprivation of life shall not be regarded as inflicted in contravention of this Article when it results from the use of force, which is no more than absolutely necessary:
      (a) in defence of any person from unlawful violence;
      (b) in order to effect a lawful arrest or to prevent the escape of a person lawfully detained;
      (c) in action lawfully taken for the purpose of quelling a riot or insurrection. 
      Article 2 of the ECHR, which safeguards the right to life and sets out the circumstances when deprivation of life may be justified, ranks as one of the most fundamental provisions in the Convention, from which no derogation is permitted. Together with Article 3 (which prohibits torture and inhuman and degrading treatment or punishment), it also enshrines one of the basic values of the democratic societies making up the Council of Europe.(21)
      A state has to refrain from intentional and unlawful taking of lives and is only allowed to use lethal force if it is “absolutely necessary”. If lethal force is used, it has to be proportional.
      As a positive obligation, a state has to protect the lives of those within its jurisdiction. As a procedural obligation, a state has to investigate violations properly, including cases involving state agents or bodies, to ensure their accountability for deaths occurring under their responsibility.  Article 17 of the Turkish Constitution on Personal Inviolability, Corporeal and Spiritual Existence of the Individual  Everyone has the right to life and the right to protect and improve his/her corporeal and spiritual existence.
      The corporeal integrity of the individual shall not be violated except under medical necessity and in cases prescribed by law; and shall not be subjected to scientific or medical experiments without his/her consent. No one shall be subjected to torture or mal-treatment; no one shall be subjected to penalties or treatment incompatible with human dignity.
        Article 17 of the Turkish Constitution guarantees the right to life and protects the physical and mental wellbeing.  There is strong evidence that Article 2 of the ECHR and Article 17 of the Turkish Constitution have been violated by the following acts:
      (a) Killing of civilians and of unarmed fighters
      The delegation received information from the interviewees and human rights organizations that the special police forces and the military conducted a special offensive in the areas under curfew. The state forces use heavy weapons of war, killing and injuring people who were present in these zones.(23)  Since 11 December 2015, the form of the curfews and the size of the area they cover has changed. The government and state officials have issued more aggressive statements. An increasing number of military and special police forces are deployed and demonstrate the intenseness of the offensive.
      According to witness statements(24), out of 310 civilians killed in the curfew areas between 11 December 2015 and 18 March 2016, at least 180 lost their lives while they were within the boundaries of their homes. Fifty-three were killed due to open fire or being hit by a missile and 18 lost their lives due to the stress of curfews on their health. Moreover, 137 were in Cizre District, and 35 of these occurred from firearms.  (b) Preventing the access of health services
      According to the limited information that TIHV (Türkiye İnsan Hakları Vakfı) could obtain from the press and online videos, at least 76 civilians have lost their lives since 11 December 2015 through not being able to reach to ambulances and hospitals because the security forces prevented doctors and nurses entering the area. Within the last weeks, the European Court of Human Rights approved at least three decisions on interim measures for wounded Hüseyin Paksoy (16), Serhat Altun (23), Orhan Tunç in Cizre, Cihan Karaman and Helin Öncü. However, three of them lost their lives. The interim measures ordered by the ECtHR were not implemented by the Turkish state. Medical personnel protest in front of the town hall every day in Diyarbakir because they are not allowed to provide medical services in the curfew areas.  (c) Preventing access to food and drinking water
      The delegation received information that people living in the curfew areas have no access to food and often not to drinking water. Shops are closed. Business is turned down. Blocking access to food and drinking water endangers people, makes them sick and vulnerable and puts their lives at risk.  (d) Destruction of electricity supplies and power cuts
      The delegation took note that in the curfew zones electricity is limited and prevents people from heating their homes during the cold winter, which puts also their lives at risk.  Article 8 ECHR Right to Respect for Private and Family Life  1. Everyone has the right to respect for his private and family life, his home and his correspondence.
      2. There shall be no interference by a public authority with the exercise of this right except such as is in accordance with the law and is necessary in a democratic society in the interests of national security, public safety or the economic well-being of the country, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, or for the protection of the rights and freedoms of others.
      On 30 September 2011, the ECtHR issued a judgment in the case of Girard vs France(25) and recognized a new right under Article 8 – the right to bury one’s relatives.
      This judgment deals with: returning the body to relatives, organizing and attending a funeral, and treatment of samples taken from the body for investigation purposes.  The Turkish Constitution protects the privacy of private and family life.  Article 20 Turkish ConstitutionEveryone has the right to demand respect for his/her private and family life. Privacy of private or family life shall not be violated.  Article 20 of the Turkish Constitution is similar to Article 8 of the ECHR. It is suggested that this article also encompasses the right to bury family members and relatives.
      There is strong evidence that the Turkish government violated Article 8 of the ECHR and Article 20 of the Turkish Constitution by changing the respective regulation26 and burying corpses without the attendance of the dead person’s relatives.  There have been many reports from Sur and other curfew areas that families were prevented from burying their children and other relatives, whose corpses lay on the street for many days. The delegation met families, mainly women, who went on hunger strike to obtain permission to bury their children.
      A local lawyer reported that the corpse of 56 year-old Taybet Inan, who was shot by a sniper, lay in the street for seven days because her family could not collect the body.  Article 10 ECHR Freedom of Expression 1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers. This Article shall not prevent States from requiring the licensing of broadcasting, television or cinema enterprises.
      2. The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, may be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and impartiality of the judiciary.
        Article 26 of the Turkish Constitution Freedom of Expression and Dissemination of ThoughtEveryone has the right to express and disseminate his/her thoughts and opinions by speech, in writing or in pictures or through other media, individually or collectively. This freedom includes the liberty of receiving or imparting information or ideas without interference by official authorities. This provision shall not preclude subjecting transmission by radio, television, cinema, or similar means to a system of licensing.  Both the Turkish Constitution and the ECHR protect the right to and freedom of expression. In particular, Turkey has a long record of violations of the freedom of expression. There are several spectacular cases of violations of Article 10 ECHR and Article 26 of the Turkish Constitution, which concern the curfews and brutal violence used by the army and the police. Shortly before he was murdered, the President of the Diyarbakır Bar Association, Tahir Elçi, became a victim of this oppression of any opposition to the government. He was accused of praising PKK, because he said in an interview with CNN Türk “The PKK is not a terrorist organization. Rather, it is an armed political organization that has great local support.” For letting him say this, the TV station was fined TL 700,000 (approximately € 211,000).
      Tahir Elçi was later arrested for these remarks but was released the next day, awaiting trial. However, he was placed under judicial supervision and banned from travelling overseas after being referred to court for his arrest on charges of spreading terrorist propaganda. The indictment, prepared by the Bakırköy Public Prosecutor's Office and sent to the Bakırköy Second High Criminal Court, sought a prison sentence of between one-and-a-half and seven-and-a-half years.  Another spectacular violation occurred after the statement signed by over 1,400 academics and researchers from Turkey and abroad titled “We will not be a party to this crime”. 1,128 academics from 89 universities in Turkey, later joined by hundreds of additional signatories, and over 355 academics and researchers from abroad including figures such as Noam Chomsky, Judith Butler, Etienne Balibar and David Harvey signed a text calling on state of Turkey to end state violence and prepare negotiation conditions.(27)
      The Istanbul prosecutors launched an investigation, with Turkish academics facing accusations ranging from “terrorist propaganda” and “inciting people to hatred, violence and breaking the law” to “insulting Turkish institutions and the Turkish Republic,” the official Anatolia news agency(28) said. After having made a statement at a press conference on 10 March 2016, four academics were arrested under the accusation of "making the propaganda of terrorist organization". During the press conference, they talked about the recent situation of harassment against academics and insisted that they stand behind the petition. The prosecutor submitted the indictment to the court and the first trial will be held on 22 April 2016.
      Turkish prosecutors in Istanbul have taken up the case, with all Turkish signatories of the petition under investigation. If convicted, they face between one and five years in prison. According to a report prepared by academics Kerem Altıparmak and Yaman Akdeniz, who are best known for filing a petition with the Constitutional Court in March 2014 against government bans on YouTube and Twitter, some academics are facing arbitrary investigations in their universities for their acts, which are not a crime according to Turkish laws.  In an earlier case in 2014, Yaman Akdeniz, a professor of law at ?stanbul Bilgi University, and Kerem Altıparmak, an assistant professor at Ankara University's faculty of political sciences, challenged a decision by the Ankara Criminal Court of First Instance in May 2008 that ordered a ban on YouTube for videos insulting the memory of Mustafa Kemal Atatürk, the founder of the Turkish Republic.
      The ECtHR ruled on 1 December 2015 that the decision by the Turkish authorities to block access to YouTube was in violation of Article 10 of the European Convention on Human Rights (ECHR), which enshrines the right to freedom of expression.  Article 11 ECHR Freedom of Assembly and Association  1. Everyone has the right to freedom of peaceful assembly and to freedom of association with others, including the right to form and to join trade unions for the protection of his interests.
      2. No restrictions shall be placed on the exercise of these rights other than such as are prescribed by law and are necessary in a democratic society in the interests of national security or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals or for the protection of the rights and freedoms of others. This Article shall not prevent the imposition of lawful restrictions on the exercise of these rights by members of the armed forces, of the police or of the administration of the State.
        Article 34 Turkish Constitution Everyone has the right to hold unarmed and peaceful meetings and demonstration marches without prior permission.  The Turkish government also has a long record of violations of the freedom of assembly. The violent attacks on demonstrators on Taksim in 2013 are not forgotten.  There is strong evidence that the Turkish government violated Article 11 ECHR and Article 34 of the Turkish Constitution.  Since the curfews started in Diyarbakır and Sirnac, protests have been violently oppressed and sometimes become very dangerous for participants.(29) In general, demonstrators risk being teargassed.(30) In December 2015, the police killed two demonstrators in Diyarbakır. In February 2016, state forces killed a 16-year-old boy who was demonstrating against the curfew in Diyarbakır.(31)
      The delegation received information that peaceful gatherings and protests against curfews were either prohibited or, if they took place, attacked by state forces. In addition, eight people (six close to Sur district, one in Nusaybin and one in Silvan) were killed by the arbitrary shooting of security forces during peaceful protests against the curfews in streets and squares close to curfew zones, yet where no operation was ongoing or any curfews were declared.(32)  Right to Free Movement  Article 2 of Protocol no. 4 added to the European Convention of Human Rights (which Turkey signed on 19 October 1992, but never ratified) states as follows: Freedom of movement
      1. Everyone lawfully within the territory of a State shall, within that territory, have the right to liberty of movement and freedom to choose his residence. 2. Everyone shall be free to leave any country, including his own. 3. No restrictions shall be placed on the exercise of these rights other than such as are in accordance with law and are necessary in a democratic society in the interests of national security or public safety, for the maintenance of public order, for the prevention of crime, for the protection of health or morals, or for the protection of the rights and freedoms of others. 4. The rights set forth in paragraph 1 may also be subject, in particular areas, to restrictions imposed in accordance with law and justified by the public interest in a democratic society. In addition, Article 23 of the Turkish Constitution provides as follows:
      Article 23 Freedom of Residence and Movement
      Everyone has the freedom of residence and movement. Freedom of residence may be restricted by law for the purpose of preventing crimes, promoting social and economic development, achieving sound and orderly urbanization, and protecting public property. Freedom of movement may be restricted by law for the purpose of investigation and prosecution of an offence, and prevention of crimes. (As amended on October 3, 2001; Act No. 4709, and as amended on September 12, 2010; Act No. 5982) A citizen’s freedom to leave the country may be restricted only by the decision of a judge based on a criminal investigation or prosecution. Citizens shall not be deported, or deprived of their right of entry into the homeland.  There is consistent evidence that these articles have been systematically violated. The human rights organizations with whom the delegation met reported that people residing in the areas under curfew have suffered heavy restrictions of their right to free movement since the beginning of the curfew: The delegation observed, most of the time, that people are unable to even leave their houses and circulate freely within the area under curfew. Movement can take place only in rare and specific moments when the curfew is lifted and, even then, people have no guarantee of being able to return to their houses. Curfew is often re-imposed without sufficient notice. When people miss the information and are still in the streets once the curfew is imposed again or they do not reach their houses or shelter on time, they are killed or at risk of being killed.
      In general, violations of curfew and prohibition of free movement expose people to the risk of being shot and/or arrested.
      Ability to freely exit and re-enter the curfew area is also heavily restricted: this only possible in the rare moments when the curfew is lifted and the military authorities have the power to decide whether a person demanding to leave receives permission. Re-entering might prove impossible once a resident has left the area. In general, the delegation notes that access to the areas under curfew is more heavily prevented than leaving them. This might be part of the governmental plan to “clean”, demolish and rebuild the areas.(33) It is estimated that around 22,000 people have been able to leave the Sur district in Diyarbakir, abandoning their families, houses, property and businesses, to seek refuge outside the areas under curfew.
      Severe restrictions to the right of free movement are also imposed on the residents of the so-called buffer areas (districts neighbouring those under curfew, declared as security zones): exit from and entrance to those areas is subject to document control. The military may refuse entry, exit and transit, depending on the security situation.
      The right to free movement of the population living outside the areas under curfew is also restricted. The military may close the curfew zones’ neighbouring areas with fences, armoured cars and tanks and make them inaccessible for the entire population.
      The described restrictions on the right to free movement lack any sort of adequate justification under paragraph 2 and 4 of Article 2 of Protocol 4 to the ECHR or under article 23 of the Turkish Constitution of which the latter requires that any restriction on the freedom of movement is provided for by law.
      A curfew is a measure that limits the freedom of movement of the population or of some groups at a certain time of the day and for a limited period.(34) In light of such definition, a curfew amounts to a restriction of the right to free movement, as those allowed by Article 2 of Protocol 4 to the ECHR and by Article 23 of the Turkish Constitution. The European Court of Human Rights has often ruled that the length and severity of the restriction are relevant factors in deciding whether a restriction on freedom of movement is legitimate (see, e.g., Austin and Others vs the United Kingdom, 15 March 2012, Applications nos. 39692/09, 40713/09 and 41008/09, case no 39692/09). The measures imposed by the Turkish government on the population residing in the areas under “curfew” are of such duration in time and constitute such a severe limitation of the right to free movement, which is actually made void. They are not restrictions to the right of free movement, but amount to a deprivation of that right. Such restrictions are not lawful under the European Convention of Human Rights and its added protocols nor under the Turkish Constitution.  Right to Housing Although not explicitly included in the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR) of 1950, the right to housing is enshrined in numerous concrete legal norms, which are relevant in the fight against homelessness and housing exclusion:  Article 2: right to life
      Article 3: prohibition of torture or inhuman or degrading…treatment
      Article 8: right to respect for private and family life
      Article 1 Protocol 1: protection of property
        Article 35 Turkish Constitution Right to Property
      Everyone has the right to own and inherit property.  Article 57 Turkish Constitution Right to Housing
      The State shall take measures to meet the need for housing within the framework of a plan that takes into account the characteristics of cities and environmental conditions, and also support community housing projects.  Many international treaties recognize the right to housing explicitly. The most important is certainly Article 25 of the Universal Declaration of Human Rights: it recognizes the right to housing as part of the right to an adequate standard of living.
      It states that: “Everyone has the right to a standard of living adequate for the health and well-being of himself and of his family, including food, clothing, housing, medical care and necessary social services, and the right to security in the event of unemployment, sickness, disability, widowhood, old age or other lack of livelihood in circumstances beyond his control”.
      The right to housing is not explicitly mentioned in the European Convention for Human Rights, but it is framed by the case law of the ECtHR, from two different rights of the ECHR: Article 8 protecting the right to private and family life, and Article 1 Protocol 1, protecting the right to property.
      At its most basic, Article 8 includes a right to have one’s home protected from attacks by the state and its agents. Thus, in the case of Akdivar and Others vs Turkey (1 April 1998, Case No 99/1995/605/693) about inhabitants of a village suspected to be a PKK base, the court found it established that the security forces were responsible for the burning of the applicants’ houses and the loss of their homes, which forced them to abandon the village and move elsewhere. As there was no doubt that the deliberate burning of their homes and contents constituted a serious interference with the right to respect for their family lives and homes under Article 8 and no justification for these interferences was offered by the government, the court concluded that there had been a violation of Article 8.
      In the curfew areas, the residents are deprived of their right to housing. The delegation received many reports of destructions of houses. Photographs and descriptions from victims demonstrate that massive, widespread and systematic destructions of buildings took place and continue to take place through bombing and the use of bulldozers. The destroyed houses were the living places of civilians. The areas look like a battlefield of an intensive war.
      As mentioned above(35), the demolishing of houses and the “cleaning” of the areas under curfew are part of the governmental plan to destroy the areas.
      The delegation concludes that the deliberate and unjustified destruction of houses of civilians form a violation of Article 8 of the ECHR and Article 1 Protocol 1 to the ECHR and Article 35 and 57 of the Turkish Constitution. Right to EducationArticle 2 of the First Protocol of 20 March 1952 to the European Convention on Human Rights states as follows:
      No person shall be denied the right to education. In the exercise of any functions which it assumes in relation to education and to teaching, the State shall respect the right of parents to ensure such education and teaching in conformity with their own religious and philosophical convictions”.
      The wider meaning of education has been recognized in Article 1(a) of UNESCO's 1974 ‘Recommendation concerning Education’. The article states that education implies “the entire process of social life by means of which individuals and social groups learn to develop consciously within, and for the benefit of, the national and international communities, the whole of their personal capabilities, attitudes, aptitudes and knowledge.
      The delegation notes that the European Court of Human Rights has defined education in its case law in a narrow sense as "teaching or instructions... in particular to the transmission of knowledge and to intellectual development" and in a wider sense as "the whole process whereby, in any society, adults endeavour to transmit their beliefs, culture and other values to the young.”(36)  Article 42 Turkish Constitution Right and Duty of EducationNo one shall be deprived of the right of education. The scope of the right to education shall be defined and regulated by law. Education shall be conducted along the lines of the principles and reforms of Atatürk, based on contemporary scientific and educational principles, under the supervision and control of the State. Educational institutions contravening these principles shall not be established.
      The freedom of education does not relieve the individual from loyalty to the Constitution.
      Primary education is compulsory for all citizens of both sexes and is free of charge in state schools.
      The principles governing the functioning of private primary and secondary schools shall be regulated by law in keeping with the standards set for the state schools. 
      In the curfew areas, schools and any other institutions and bodies of transmission of intellectual and spiritual knowledge and development are closed and thus the population is prevented from attending. In addition, even if they were open, the population in the curfew areas is often not allowed to leave their houses during daytime.
      Thus, the delegation concludes that the implementation of the curfew forms the violation of the right to education, Article 2 of the First Protocol to the European Convention of Human Rights and of Article 42 of the Turkish Constitution. 3. Crimes as a Result of Violent Acts Committed by the Police or/and the Army  The listed violations may amount to the following crimes:
      - Article 77 of the Turkish Penal Code: Offences against humanity
      (1) Execution of any one of the following acts systematically under a plan against a sector of a community for political, philosophical, racial or religious reasons creates the legal consequence of offenses against humanity.
                 a) Voluntary manslaughter
                 b) To act with the intension of giving injury to another person
                 c) Torturing, infliction of severe suffering, or forcing a person to live as a slave
                 d) To restrict freedom
                 (…)
                 f) Sexual harassment, child molestation
                 (…)  The violations caused by the curfews are directed against the civilian and mainly Kurdish population in the east and south-east of Turkey for political reasons.
      The concept of ‘systematic’ may be defined as thoroughly organized and following a regular pattern on the basis of a common policy involving substantial public or private resources. There is no requirement that this policy must be adopted formally as the policy of a state. There must, however, be some kind of preconceived plan or policy.(37) However, it has been clarified that the existence of a policy or plan may be evidentially relevant, in that it may be useful in establishing that the attack was directed against a civilian population and was widespread or systematic, but that the existence of such a plan is not a separate legal element of the crime.(38)  The delegation submits that there is strong evidence that the Turkish authorities who order(ed) and implement(ed) the curfews may have committed offences against humanity pursuant to Article 77 of the Turkish Penal Code.
      Further, the committed crimes amount to a collective punishment(39) against all inhabitants of the areas under curfew and the security zones. Civilians are to be protected under all circumstances.  The delegation concludes that further investigations must be conducted to hold those accountable for the crimes committed. V. Demands 
      Fußnoten
      (1) See ‘Turkish Kurds go home to war-ravaged city of Diyarbakır as curfew lifted’, by Norma Costello, 19 March 2016, at http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/turkish-kurds-go-home-to-war-ravaged-city-of-diyarbakir-as-curfew-lifted-a6941941.html.
      (2) See the fact sheet of the Human Rights Foundation of Turkey (TIHV) at http://en.tihv.org.tr/fact-sheet-on-declared-curfews-between-august-16th-2015-and-march-18th-2016-and-civilians-who-lost-their-lives/.
      (3) Quoted by Seyhmus Cakan in the article ‘Clashes in southeast Turkey kill seven, new curfews declared’, 14 December 2015, at http://uk.reuters.com/article/uk-turkey-kurds-idUKKBN0TX18O20151214.
      (4) Ibid.
      (5) See Reuters articles: ‘25 killed; Erdoǧan vows to annihilate Kurd militants’, 18 December 2015, at http://www.arabnews.com/middle-east/news/852031 and ‘Erdoǧan vows to eliminate Islamic State and PKK’, 19 December 2015, at http://www.reuters.com/video/2015/12/20/erdogan-vows-to-eliminate-islamic-state?videoId=366748701.
      (6) Article by Serkan Demirtaş ‘Turkey to make defense at ECHR over curfews in southeast’, 9 January 2016, at http://www.hurriyetdailynews.com/turkey-to-make-defense-at-echr-over-curfews-in-southeast-.aspx?PageID=238&NID=93614&NewsCatID=510.
      (7) See for example the case of 16 year-old Rozem Cukur (Sarya), who was killed in January 2016 when she entered the street without knowing the curfew had been re-imposed. The delegation met with the mother of Sarya who said she been told about the death by the media.
      (8) See the article: ‘Police intervention in Protests against Curfews’, 21 December 2015, at http://bianet.org/english/human-rights/170365-police-intervention-in-protests-against-curfews.
      (9) It is unclear whether she was stripped naked before being killed or after.
      (10) See the Report of the Bar Association Diyarbakir (fn 9) at pp. 36-40.
      (11) ECHR 054 (2016), dated 5 February 2016 at http://www.humanrightseurope.org/2016/02/court-response-to-curfew-measures-in-south-eastern-turkey/.
      (12) See Orhan Kamil Cengiz, ‘Curfew questions’, in: Today’s Zaman, 7 January 2016 at http://www.todayszaman.com/columnist/orhan-kemal-cengi-z/curfew-questions_409049.html.
      (13) For example: Öncü vs Turkey, Application no. 4817, 21 January 2016.
      (14) See http://www.humanrightseurope.org/2016/02/court-response-to-curfew-measures-in-south-eastern-turkey/.
      (15) See Press Release of the Constitutional Court, dated 29 January 2016, at http://www.constitutionalcourt.gov.tr/inlinepages/press/PressReleasesofJudgments/detail/21.html#.
      (16) See at http://www.hurriyetdailynews.com/109-women-killed-in-southeast-in-2015-rights-group.aspx?pageID=238&nID=94846&NewsCatID=339
      (17) See: http://www.globalresearch.ca/west-largely-silent-about-erdogans-war-on-kurds/5499214 and the report of the Bar Association Diyarbakir at pp. 6, 12-13 in: ‘Curfew in Cizre- A Survey report’ at http://www.diyarbakirbarosu.org.tr/filemanager/cizre%20raporu%20ingilizce%20%281%29.pdf.
      (18) See the report of the Free Women’s Congress, Report on the Conflict Process, Political Situation, and women in Kurdistan, dated 18 January 2016.
      (19) See for example the announcement of the Governor in Şırnak on 4 September 2015, in ‘Curfew in Cizre- A Survey report’ by the Bar Association Diyarbakir, at p. 30, http://www.diyarbakirbarosu.org.tr/filemanager/cizre%20raporu%20ingilizce%20%281%29.pdf.
      (20) Calculated until the end of the delegation, i.e., 24 January 2016.
      (21) Makaratzis v. Greece, judgment of the Grand Chamber of 20 December2004, § 56.
      (22) In the case of armed fighters, state forces have the obligation to apply the necessity principle and may use lethal force only if it is proportional.
      (23)vAccording to the information of TIHV Documentation Centre, from the first curfew on 16 August 2015 until 18 March 2016, at least 310 civilians have been killed, 29 of whom had been over the age of 60, with 72 children and 62 women, at http://en.tihv.org.tr/fact-sheet-on-declared-curfews-between-august-16th-2015-and-march-18th-2016-and-civilians-who-lost-their-lives/.
      The total number of people killed is unknown. The Turkish state claims that over 600 ‘terrorists’ have been killed.
      (24) Ibid.
      (25) Girard v. France, requête no 22590/04 (in French) at http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=001-105388.
      (26) See in detail at p. 6 of this report.
      (27) The full statement can be found at http://bianet.org/english/human-rights/170978-academics-we-will-not-be-a-party-to-this-crime.
      (28) See article in The Guardian: http://www.theguardian.com/world/2016/jan/14/turkish-prosecutors-investigate-academics-criticised-erdogan-petition.
      (29) See article at http://www.theguardian.com/world/2015/dec/14/seven-people-killed-in-turkey-amid-protests-against-curfews.
      (30) See article at https://www.rt.com/news/326411-turkey-cannon-protest-diyarbakir/.
      (31) See article dated 9 February 2016 at http://kurdishquestion.com/index.php/kurdistan/north-kurdistan/16-year-old-kurdish-boy-killed-by-state-forces-in-diyarbakir/1440-16-year-old-kurdish-boy-killed-by-state-forces-in-diyarbakir.html.
      (32) See fact sheet of the Turkish Human Rights Foundation (TIHV), dated 6 February 2016, at http://en.tihv.org.tr/recent-fact-sheet-on-curfews-in-turkey-between-the-dates-16-august-2015-5-february-2016/.
      (33) See the articles “The destruction of Sur: is this historic district a target for gentrification?” at http://www.theguardian.com/cities/2016/feb/09/destruction-sur-turkey-historic-district-gentrification-kurdish and ”Erdogan’s plan for the Kurds: Destroy, Rebuild Pacify” at http://www.telesurtv.net/english/opinion/Erdogans-Plan-for-the-Kurds-Destroy-Rebuild-Pacify-20160303-0031.html.
      (34) See legal definition at http://legal-dictionary.thefreedictionary.com/curfew.
      (35) See footnote 33 at p.22 of this report.
      (36) Beiter, Klaus Dieter (2005). The Protection of the Right to Education by International Law. The Hague: Martinus Nijhoff. p. 19.
      (37) Akayesu, (Trial Chamber), 2 September 1998, para. 580.
      (38) Semanza, (Trial Chamber), 15 May 2003, para. 329.
      (39) See Press Release of Amnesty International, dated 21 January 2016, at https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/01/turkey-onslaught-on-kurdish-areas-putting-tens-of-thousands-of-lives-at-risk/  Bericht als PDF]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-449Tue, 05 Apr 2016 14:25:00 +0200›Die Angst wegschmeissen‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-angst-wegschmeissen-449Filmvorführung, 14.4.2016›Die Angst wegschmeissen‹ von Bruno Schellhagen (IT/DE 2015, 80 min), den wir am 14. April 2016 um 19:30 in der "B-Lage", Mareschstr. 1, Berlin-Neukölln zeigen.
      Anfahrt: S41/42 Sonnenallee; U7 Neukölln/Karl-Marx-Str.; Bus M41 Mareschstr. Bruno Schellhagen (Regie) aus Berlin und Kendra Briken (Soziologin) aus Glasgow, werden anwesend sein und  für Gespräche im Anschluss der Filmvorführung zur Verfügung stehen. "Seit 2008 ist Norditalien Schauplatz ungewöhnlicher Ereignisse. Unternehmen, Politik und Medien nutzen den Kriseneinbruch, um die ohnehin schon bröckelnden Arbeiter_innenrechte weiter auszuhöhlen; auf der anderen Seite formiert sich jedoch gerade am untersten Ende der Lohnskala ein lebendiger und schlagkräftiger Widerstand.
      Ausgerechnet den prekären und größtenteils migrantischen Arbeiter_innen in der Logistikbranche gelingt es, sich durch solidarische und effektive Organisierung aus ihrer Isolation und ihren erniedrigenden Arbeitsverhältnissen herauszukämpfen. Ein Kampf, der nicht nur ihre Arbeitsbedingungen, sondern ihr ganzes Leben verändert." Trailer: http://de.labournet.tv/die-angst-wegschmeissen-trailer Die komplette Filmreihe von RAV & NSU-Watch kann hier aufgerufen werden.
      Oder als Flyer (PDF) hier. Der Eintritt ist frei, über Spenden freuen wir uns.]]>
      news-448Mon, 21 Mar 2016 06:41:00 +0100RA Hakan Bakırcıoğlu, Nebenklagevertreter der Familie von Hrant Dink im Gespräch/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ra-hakan-bakircioglu-nebenklagevertreter-der-familie-von-hrant-dink-im-gespraech-448Fachgespräch am 7.4.2016 in BerlinEinladung zum Fachgespräch am 7. April 2016 um 19:30 h in Berlin* mit Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoğlu, Nebenklagevertreter der Familie von Hrant Dink, dem am 19. Februar 2007 in Istanbul ermordeten armenischenstämmigen Journalisten Acht Jahre hat es gedauert, bis schließlich im Dezember 2015 sechsundzwanzig Polizeibeamte angeklagt worden sind, Hrant Dink nicht geschützt zu haben, obwohl den Sicherheitsbehörden die Mordpläne gegen ihn bekannt waren. Der juristische Vorwurf lautet: Mord durch Unterlassen.
      Der Istanbuler Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoğlu wird im Gespräch mit der Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren, Rechtsanwältin Antonia von der Behrens (RAV), berichten, wie es möglich war, dass aus dem fanatisch-nationalistischen „Einzeltäter“ über die Jahre ein Netz von Mitwissern in den Sicherheitsbehörden nachgewiesen werden konnte. Nur durch akribische Arbeit, die die Strukturen und Arbeitsweisen der vor und nach dem Mord mit Hrant Dinks Fall befassten Behörden aufdeckte, konnte es gelingen, die offizielle Einzeltäter-Version zu widerlegen und nachzuweisen, dass die Behörden durch Unterdrücken, Vernichten und Fälschen von Dokumenten ihre Beteiligung versuchten zu verschleiern. Die Hauptverhandlung gegen die 26 Polizeibeamten wird am 19. April 2016 in Istanbul beginnen. Hintergrund Hrant Dink, der armenischstämmige Istanbuler Journalist, wurde am 19. Februar 2007 ermordet. Bereits einen Tag nach seinem Tod war der Täter „ermittelt“: Ogün Samast, ein damals jugendlicher Nationalist aus der Schwarzmeerstadt Trabzon. Er hatte Dink vor dem Redaktionsgebäude der Zeitung Agos aufgelauert und ihn aus nationalistischen und rassistischen Motiven erschossen.
      Die Familie Dink, ihre Anwälte und kritische Teile der Öffentlichkeit äußerten Zweifel an der Einzeltäterthese: Die Tat war zu gut geplant gewesen und der Täter von den Polizeibeamten für seine Tat gefeiert worden. Dem Mord vorausgegangen war eine beispiellose Hetzkampagne gegen Hrant Dink, in der er von den Medien als „Feind der Türken“ beschimpft und von der Justiz mit Strafverfahren überzogen worden war. Eines seiner „Vergehen“ war, das Grundverständnis der türkischen Republik mit der Feststellung angegriffen zu haben, die Stieftochter von Atatürk sei Armenierin – und keine Türkin - gewesen.
      Während der Haupttäter Samast und seine unmittelbaren Helfer zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, kämpften die Anwälte der Familie Dink dafür, die Mitwisserschaft und Planung des Mordes durch die Sicherheitsbehörden aufzuklären. Hinweise auf diese Verstrickung waren ein Polizeiinformant, der sich als agent provocateur betätigte, weitere V-Leute im Umfeld des Täters und das Vernichten und Fälschen von Dokumenten durch die Sicherheitsbehörden.
      Im Dezember 2015 errangen die Familie und ihre Anwälte einen großen Erfolg: 26 zum Teil hochrangige Polizeibeamte wurden von der Staatsanwaltschaft Istanbul angeklagt. Sie hätten von der Planung des Mordes gewusst und hätten Hrant Dink nicht geschützt.
      Die Hauptverhandlung in dem Strafverfahren gegen diese 26 Polizeibeamten wird am 19. April 2016 in Istanbul beginnen. Auf der Anklagbank werden unter anderem der Präsident des polizeilichen Nachrichtendienstes und die ehemaligen Polizeipräsidenten von Istanbul und Trabzon sitzen. Die Anklage gegen so viele hochrangige Polizisten wegen Mordes durch Unterlassen an einer Privatperson ist ein einmaliger Vorgang in der Türkei. Dies war nur möglich, weil die Familie Dink und ihre Anwälte jahrelang mit erheblichen Einsatz und akribischer Arbeit für die Aufklärung gekämpft haben und Teile der Öffentlichkeit und kritische Journalisten hinter ihnen standen. Der Istanbuler Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoğlu vertritt die Familie Dink seit Beginn des Verfahrens und hat über all die Jahre die Aufklärung und das Verfahren gegen die Polizeibeamten vorangetrieben. Er wird über den Stand des Verfahrens berichten, darüber, wie es möglich war, Beweise für die Mitwisserschaft der angeklagten Polizeibeamten zusammenzutragen und welche Rolle ein agent provocateur, ein Polizeispitzel, gespielt hat. Ebenfalls wird er darüber sprechen, welche Leerstellen es in der Aufklärung gibt, dass zum Beispiel bis heute nicht bekannt ist, ob und ggf. welche Organisation hinter den Taten steht.
      Die Erfahrungen aus dem Hrant Dink Verfahren weisen auch über die türkischen Verhältnisse hinaus. Sie werfen die Frage auf, was die Bedingungen für die Aufklärung von Verbrechen mit staatlicher Verstrickung sind. Das Fachgespräch richtet sich an Jurist*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und die interessierte Öffentlichkeit.
      Die in türkischer Sprache erfolgenden Beiträge werden konsekutiv ins Deutsche übersetzt. Veranstalter
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      amnesty international (ai) *Ort
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Robert-Havemann-Saal
      Greifswalder Str. 4
      10405 Berlin Zeit
      7. April 2016 um 19.30 Uhr Einladung (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-443Fri, 18 Mar 2016 07:04:00 +0100Brief an den türkischen Justizminister/publikationen/mitteilungen/mitteilung/brief-an-den-tuerkischen-justizminister-443Berlin, 17. März 2016Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Freie Advokatur (doublet)KCK-Verfahren (Rechtsanwält*innen) Türkei (doublet)news-445Tue, 01 Mar 2016 05:42:00 +0100§ 559 BGB abschaffen jetzt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/559-bgb-abschaffen-jetzt-445Positionspapier Mietrecht, Feb. 2016§ 559 BGB abschaffen jetzt!§ 559 BGB ist systemfremd Im Mietrecht stellt die ortsübliche Vergleichsmiete den Maßstab für die Möglichkeit einer Mieterhöhung dar.  Die Modernisierungsumlage in § 559 BGB ist im Mietrecht systemfremd, da sie nicht auf die Vergleichsmiete für eine mit spezifischen Merkmalen ausgestattete Wohnung abzielt, sondern auf die Investitionskosten einer Modernisierungsmaßnahme.  Der Vermieter kann mit der Modernisierung zudem den ursprünglich vereinbarten Vertragsgegenstand verändern. Diese Änderung kann sich der Vermieter auch noch bezahlen lassen. Diese Benachteiligung ist auch nicht durch die Gebrauchsvorteile aufgehoben, die der Mieter hierdurch erhält. Denn diese sind aufgezwungen, an Gestaltung und Durchführung ist er nicht beteiligt. Er muss danach nur zahlen. Der Anreiz für den Vermieter, eine kostenintensive Modernisierung durchzuführen, kann so hoch sein, dass die Frage der  Notwendigkeit gar nicht gestellt wird.
      Hohe Mieterhöhung – geringe Leistung

      Die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen können und werden in den meisten Fällen zu 11 Prozent pro Jahr auf die Mieter umgelegt. Dabei stehen oft Leistungen des Mieters und Gegenleistungen des Vermieters in einem krassen Gegensatz zu einander. Damit zahlen allein Mieterinnen und Mieter die Aufwertung - und das auf ewig, denn die Mieterhöhung erfolgt zeitlich unbegrenzt. Bleibt noch Spielraum, kann der Vermieter zudem die Miete bis zur Vergleichsmiete anheben. Zudem wirkt jede Modernisierung für das Gebäude selbst wertsteigernd. Damit nützt die Modernisierung letztendlich fast ausschließlich dem Vermieter, denn die Gebrauchsvorteile stehen häufig in keinem Verhältnis zur Mieterhöhung. Gerade bei einer energetischen Gebäudesanierung übersteigt die Mietsteigerung über die Mieterhöhung nach § 559 BGB die Einsparung der Heizenergie um ein Vielfaches. Unsere am Ende dieses Positionspapieres aufgeführten Beispiele zeigen dies eindrücklich.
      Die Absenkung der Modernisierungsumlagen, wie im Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vorgesehen, verringert das Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen zu Gunsten der Mieterschaft nur unzureichend.
      Eine möglicherweise erforderliche energetische Gebäudesanierung geht so ausschließlich zu Lasten der Mieterinnen und Mieter, die diese letztlich allein finanzieren und darüber hinaus dem Vermieter zu einem üppigen Gewinn verhelfen.
      Energiewende mit § 559 BGB: Ineffizient und ungerecht

      Die Modernisierungsumlage ist nur an die Baukosten gekoppelt. Je höher diese sind, desto mehr kann der Vermieter die Miete nachher erhöhen. § 559 BGB setzt damit gar keinen Anreiz, effiziente Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen, da Energieersparnis und Kosten in keinem Verhältnis zueinander stehen müssen. Eine Einsparung von Heizenergie im einstelligen Prozentbereich reicht aus, um die gesamten Kosten der sehr teuren Maßnahmen auf den Mieter umzulegen. Kann er beim Badezimmer oder Balkon noch Gebrauchsvorteile für sich sehen, für die er dann zahlt, ist dies bei der energetischen Sanierung oft nicht mehr der Fall. Für die Erreichung der politischen Ziele der Energiewende ist §559 BGB daher ein ineffizientes Instrument.
      Ein selbstnutzender Eigentümer würde vergleichbare Investitionsentscheidungen zudem ganz anders bewerten und Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen. Vermieter können jedoch die Kostenseite auf die Mieter abwälzen und daher ineffiziente Modernisierungen durchführen. Die Kosten der Energiewende im Gebäudebereich sind damit ungleich zu Lasten der Mieter verteilt.
      Dies ist nicht gerecht und fördert nicht die Akzeptanz der Energiewende in der Mieterschaft, die in Deutschland immer noch die Mehrheit der Bevölkerung ausmacht. Daran ändert auch die Einführung eines Wirtschaftlichkeitsgebotes nichts, wie sie im Eckpunktepapier skizziert ist. Die aus dem Betriebskostenrecht bekannte Regelung verhindert lediglich, dass der Vermieter eine von ihm auszuwählende Leistung zu teuer einkauft. Wichtiger wäre es aber in diesem Falle, die Art der Modernisierungsmaßnahme selbst einer Kontrolle in Bezug auf Kosten und Nutzen zu unterziehen, um die Umlage auf die eingesparten Energiekosten zu begrenzen.
      Modernisierung als Mietpreistreiber

      Vielerorts werden Modernisierungen dafür eingesetzt, Mieten massiv in die Höhe zu treiben und noch billigen Wohnraum dem Markt zu entziehen. Denn im Gegensatz zu der regelmäßigen Grundmietenerhöhung ist bei der Mieterhöhung nach Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen bisher keine Begrenzung vorgesehen.
      Die Modernisierungsmieterhöhung wird dabei nicht nur so lange gezahlt bis die Modernisierungskosten amortisiert sind, sondern die Modernisierungsumlage wird dauerhaft auf die Miete aufgeschlagen. Der Vermieter hat –  je nach Finanzierungskosten – die Baukosten über die Mieterhöhung nach § 559 BGB nach ca. 10 bis 12 Jahren drin. Danach macht er reinen Gewinn. Nach gut 20 Jahren hat er sich die Baukosten vom Mieter dann schon zweimal zahlen lassen.
      Die im Eckpunktepapier vorgeschlagene Regelung, dass die Miete in einem Zeitraum von acht Jahren und nicht mehr als 50%, maximal 4 €/m² steigen dürfe, hilft hier nicht, da weiterhin sehr hohe Mieterhöhungen bei Modernisierungen erlaubt wären, die sich viele Mieter nicht leisten können.
      Für die ausziehenden Mieter gibt es dabei kaum Alternativen, da bekanntlich die Neubauten, die gerade von der Wohnungswirtschaft als alleiniges Allheilmittel gepriesen werden, für einen erschwinglichen Preis nicht vermietet werden können. Als unterstes Mietniveau bei Neubauten werden Mieten von mehr als 8,00 Euro nettokalt gehandelt. Soviel zahlt kein Jobcenter. Aber auch für viele Normalverdiener ist so ein Preis nicht tragbar.
      Härteeinwand schützt Mieter unzureichend

      Befürworter des § 559 BGB verweisen gerne auf den Härteeinwand im Mietrecht, der für einen ausreichenden Mieterschutz sorgen würde. Dieser schützt den Mieter jedoch nur höchst unzureichend.
      Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll derjenige, der die Modernisierungsumlage nicht zahlen kann, einen Härteeinwand darlegen. Es gibt zunächst keine klaren Vorgaben, ab wann der Mieter diesen Einwand erfolgreich erheben kann. Es kommt – so BGH – immer auf den konkreten Einzelfall an. So wird ihm trotz Härteeinwand nichts anderes übrig bleiben, als zunächst erst einmal die nach § 559 BGB erhöhte Miete zu zahlen, will er nicht den Verlust der Wohnung riskieren. Sammelt sich nämlich wegen der nicht gezahlten Mieterhöhung ein Mietrückstand an, der eine Monatsmiete übersteigt, kann der Vermieter kündigen. Dann wird die Berechtigung des Härteeinwandes letztlich im Räumungsverfahren geklärt. Für den Mieter keine erbauliche Perspektive. Dem Mieter nutzt dann auch ein schnelles vorsorgliches Ausgleichen des Mietkontos nichts, denn diese Zahlung hat auf die ordentliche Kündigung keinen Einfluss. Kann der Mieter aufgrund seiner sozialen Situation die höhere Miete nicht zahlen, muss er darauf hoffen, dass der Vermieter seinen Härtegrund anerkennt. Andernfalls hat er nicht nur den Prozess, sondern auch die Wohnung verloren.
      Verschärft wird dies derzeit noch dadurch, dass sich nach geltender Rechtslage derjenige Mieter auf eine soziale Härte nicht berufen kann, dessen Wohnung nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt werden soll. Wohnt der Mieter billig mit Kohleofen, kann er sich gegen den Heizungseinbau und die damit verbundene Mieterhöhung selbst dann nicht wehren, wenn er es nicht zahlen kann. Mögen derzeit nur die Zentralheizung oder der erstmaligen Badeinbau sicher allgemein üblich sein, beginnen die Gerichte zum Teil schon, den Einbau von Isolierglasfenstern oder den Anbau eines Balkons als allgemein üblich anzusehen. Nach und nach werden Maßnahmen, die früher noch als aufwendig und luxuriös gegolten haben, zu allgemein üblichen und führen damit zur Verdrängung der alt eingesessenen Mieterschaft. Dieses Problem hat das BMJ gesehen und plant die Einschränkung des Härteeinwandes abzuschaffen. Dies wird ausdrücklich begrüßt.
      Allerdings gibt es noch eine zweite  Einschränkung des Härteeinwandes: Der Vermieter kann die Mieterhöhungen trotz sozialer Härte auch dann durchsetzen, wenn er zur Modernisierungsmaßnahme vom Staat verpflichtet wurde. Kann sich der Mieter auf die Härte aus den vorgenannten Gründen nicht berufen, muss er ausziehen. Auch diese Einschränkung muss abgeschafft werden.
      Im Ergebnis müssen wir feststellen, dass die Verbesserungen bei der Härtefallregelung die geschilderten Grundprobleme des § 559 BGB in der Breite nicht beheben können.

      Wohngeld und Kosten der Unterkunft helfen nicht

      Auch staatliche Leistungen können Mieterhöhungen durch freifinanzierte Modernisierungen nicht auffangen. Das Jobcenter zahlt den Mietern nur eine angemessene Miete. Diese orientieren sich in der Regel an den Vergleichsmieten in einfacher Wohnlage und liegen beispielsweise in Berlin für eine Person bei ca. 420,00 € warm. Damit kann man eine modernisierte Wohnung nicht mehr zahlen. Einige Städte zahlen Zuschläge für wärmegedämmte Wohnungen, da im Gegenzug Heizkosten erspart werden. Diese Zuschläge sind aber in den meisten Fällen zu gering, um die tatsächlichen Mieterhöhungen abzufedern.
      Das Wohngeld ist so gering bemessen und steht zudem nur einem sehr kleinen Personenkreis zur Verfügung, so dass hier keine Linderung zu erwarten ist. Modernisierungen ermöglichen höhere Vergleichsmiete

      Eine Modernisierung wertet nicht nur das Gebäude selber auf, sondern erhöht die Vergleichsmiete und schafft damit dem Vermieter die Möglichkeit, die Nettokaltmiete zu erhöhen. Eine Modernisierungsumlage wie sie § 559 BGB vorsieht, ist daher gar nicht notwendig. Positionspapier als PDF
      Unterzeichner/innen
      Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e. V.
      Brückstraße 58, 44787 Bochum
      Tel: 0234/961140
      E-Mail: info@mvbo.de

      Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.
      Kampstr. 4, 44137 Dortmund
      Tel: 0231/55765636
      E-Mail: tobias.scholz@mieterverein-dortmund.de

      Mieter/innen-Schutzverein Münster und Umgebung e.V.
      Achtermannstr. 10, 48143 Münster
      Tel: 0251/511759
      E-Mail: msv@muenster.de

      Mieter helfen Mietern, Hamburger Mieterverein e.V.
      Bartelsstraße 30, 20357 Hamburg
      Tel: 040/4313940
      E-Mail: info@mhmhamburg.de

      Mieter helfen Mietern Bremen e.V.
      Doventorsteinweg 45, 28195 Bremen
      Tel: 0421/1653789
      E-Mail: mhm-bremen@freenet.de

      Mieter helfen Mietern, Nürnberger MieterInnengemeinschaft e.V.
      Kirchenweg 61, 90419 Nürnberg
      Tel: 0911/397077
      E-Mail: mhm.nbg@web.de

      Mietergemeinschaft Essen e.V.
      Herwarthstr. 42, 45138 Essen
      Tel: 0201/7491920
      E-Mail: info@mietergemeinschaft.com

      Der Mieterladen e.V.
      Elisenstr. 45, 30451 Hannover
      Tel: 0511/456226
      E-Mail: info@mieterladen.eu

      Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V.
      Große Friedberger Str. 16, 60313 Frankfurt am Main
      Tel: 069/283548
      E-Mail: post@mhm-ffm.de

      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) e.V.
      Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
      Tel: 030/41723555
      E-Mail: kontakt@rav.de]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-444Wed, 24 Feb 2016 13:16:00 +0100StN zum GE zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (Drucksache 18/7537)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-ge-zur-erleichterten-ausweisung-von-straffaelligen-auslaendern-und-zum-erweiterten-ausschluss-der-fluechtlingsanerkennung-bei-straffaelligen-asylbewerbern-drucksache-18-7537-444Stellungnahme zur Anhörung 22.2.2016I.Zu A. Und B. Problem, Ziel und Lösung Problem sei der Aufenthalt von Schutz suchenden oder sich aus anderen Gründen in Deutschland aufhaltenden Ausländern, die Straftaten von erheblichem Ausmaß begehen, weil dies den gesellschaftlichen Frieden und die Akzeptanz für die Aufnahme von Schutzbedürftigen sowie für die legale Zuwanderung gefährden könne.
      Dem will der Gesetzesentwurf mit einer Verschärfung der Ausweisungsbestimmungen und einer Erweiterung der Ausschlusstatbestände bei der Flüchtlingsanerkennung begegnen.
      Aus Sicht des RAV werden weder die beabsichtigen Änderungen im Ausweisungsrecht noch die Erweiterung der Ausschlusstatbestände bei der Flüchtlingsanerkennung zur Problemlösung beitragen können. Straffällig gewordene Migranten können theoretisch zwar ausgewiesen werden können und Schutzsuchenden die Flüchtlingsanerkennung versagt werden, diese Maßnahmen werden aber in aller Regel nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führen.
      Denn Migranten, die hier aufgrund von Verfolgungstatbeständen des § 60 Abs. 1 AufenthG um Schutz nachsuchen, dürfen in aller Regel aufgrund der Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK auch dann nicht abgeschoben werden, wenn sie ausgewiesen wurden oder ihnen die Flüchtlingsanerkennung versagt wurde.
      Damit dürfte das Gesetz genau das Gegenteil dessen erreichen, was ausweislich der Gesetzesbegründung sein Ziel ist. Es werden wieder Personengruppen geschaffen, die hier auf lange Sicht aufhältlich sein werden, ohne dass ihnen die Integration, für die ein Aufenthaltstitel der erste Schritt ist, ermöglicht wird. Dass dies dem gesellschaftlichen Frieden und der Akzeptanz für die Aufnahme von Schutzbedürftigen sowie für die legale Zuwanderung dienen kann, erschließt sich uns nicht. Eher ist zu befürchten, dass durch die Neuregelung in erster Linie langjährig hier lebende Migranten, sog. faktische Inländer betroffen werden. II.Zum Entwurf im Einzelnen1.) Verschärfung des Ausweisungsrechts Hier ist zunächst aus Sicht der Rechtspraktiker vorab zu bemerken, dass das Ausweisungsrecht durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenhaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 umfassend reformiert wurde. Diese Reform trat am 01. Januar 2016 in Kraft. Aus Sicht des RAV dürfte bereits diese Reform zu einer Erleichterung von Ausweisungen durch die Ausländerbehörden führen. Für eine weitere Verschärfung gibt es daher keinen Bedarf. a) Nr. 1 Einführung der „rechtstreuen Verhaltens“ als Abwägungskriterium in § 53 Abs.2 Ein „rechtstreues Verhalten“ kann nicht zu einem Ausweisungsinteresse führen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist auf der Tatbestandsseite denklogisch immer mit einem vorangegangenen nicht rechtstreuen Verhalten des Betroffenen verbunden. Dies zeigt der Katalog der in § 54 AufenthG aufgeführten Ausweisungsinteressen. Das Kriterium des rechtstreuen Verhaltens wird daher bereits jetzt im Rahmen des Ausweisungsinteresses ausreichend berücksichtigt. Die Aufnahme in § 53 Abs. 2 ist daher unnötig und wird im Rahmen der Güterabwägung zu einer doppelten negativen Bewertung des Ausweisungsinteresses gegenüber dem Bleibeinteresse führen. Der Begriff ist zu weit gefasst und unbestimmt. Offensichtlich sollen ausweislich der Gesetzesbegründung nicht nur strafrechtliche Verurteilungen, sondern ganz allgemein straf- oder ordnungsrechtlich relevantes Verhalten negativ auswirken können. Da hierunter bereits sogar fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeiten fallen können, sehen wir hier einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. b) § 54 Abs. 1 (Änderung § 54 Abs.1 Nr.1 und neuer § 54 Abs.  1 Nr. 1a AufenthG) Die Mindestgrenze der Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von „mehr als“ 2 Jahren in § 54 Abs. 1 Nr. 1 schloss die Begründung eines besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresses bei Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe nach dieser Vorschrift aus.  Nunmehr soll nach § 54 Abs.1 bereits eine Verurteilung von „mindestens“ 2 Jahren ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründen. Aus unserer Sicht ist die erleichterte Aufnahme von BewährungsstrafenBei bestimmten, in § 54 Abs. 1 Nr. 1a des Entwurfs aufgeführten Straftaten soll künftig bereits die Verurteilung zu einer Freiheits-  oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründen. Bei erstmaliger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren ist die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung nicht selten. Hier gilt also das oben zur Aufnahme von Verurteilungen zu einer Bewährungsstrafe entsprechend.
      Hinzu kommt, dass die besondere Qualifizierung bestimmter Straftatbestände und Begehungsweisen bedenklich erscheinen. Im Rahmen der qualifizierten Tatbestände ist hier insbesondere die Aufnahme der Straftaten gegen das Eigentum und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu  nennen, im Rahmen der Begehungsweisen die Aufnahmen „mit List“ und der „serienmäßigen Begehung von Straftaten gegen das Eigentum“.
      Die erleichterte Aufnahme der Verurteilung wegen Straftaten gegen das Eigentum bzw. des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in den Katalog der ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründenden Tatbestände ist aus unserer Sicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren.
      Für die Begehungsweisen „mit List“ und „serienmäßige Begehung von Straftaten gegen das Eigentum“ fehlen Legaldefinitionen; nach der strafrechtlichen Judikatur ist „List“ nicht zwingend mit einem positiven Tun verbunden, sogar eine Straftat durch Unterlassen kann „mit List“ begangen worden sein. Auch hier dürfte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt sein. Gleiches gilt für die „serienmäßige Begehung von Straftaten gegen das Eigentum“. Mangels eines entsprechenden Tatbestands wird es keine Verurteilungen wegen serienmäßiger Begehung bspw. eines Diebstahls geben. Wie viele Einzelfälle zur Annahme einer „serienmäßigen Begehung“ vorliegen müssen, ist vollkommen unklar. Da in diesen Fällen weder Gewalt und List vorliegen müssen, verstößt auch die Tatbestandsalternative gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. c) § 54 Abs.2 Nr. 1a Zur Problematik der erweiterten Berücksichtigung auch von Verurteilungen zu einer Bewährungsstrafe und der Einführung bestimmter Straftatbestände und bestimmter Begehungsweisen sei auf die obigen Ausführungen zum besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresse verwiesen. Beim neuen § 54 Abs. 2 Nr. 1a ist zudem besonders problematisch, dassBedeutete schon Aufnahme der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, als schwer wiegendes Ausweisungsinteresse in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im derzeit geltendem Recht eine erhebliche Verschärfung gegenüber der bis 31.12.2015 bestehenden Rechtslage („Ist-Ausweisung“ nach § 53 Abs. 2 Nr.2 a.F. bei Verurteilung wegen bestimmter Straftatbestände zu einer Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren und „Regelausweisung“ nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 a.F.  bei Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren jeweils ohne Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung), ist die nunmehr vorgesehene Änderung  eine völlige Abkehr von dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden Erziehungsgedanken und schon deshalb gänzlich abzulehnen.
      2.) Ausweitung der Regelungen zum Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung und zur Erweiterung der Möglichkeit der Abschiebung politisch Verfolgter in den Verfolgerstaat Die Einführung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG sowie die korrespondierenden Änderungen im AsylG verstoßen gegen höherrangiges Recht. Sie sind europa- und völkerrechtswidrig (Art. 33 Abs. 2 GK, Art. 21 RL 2011/95 EU, Art. 3 EMRK). Soweit mit dem neuen § 60 Abs. 8 Satz 3 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch die Abschiebung Asylberechtigter ermöglicht wird, ist auch ein Verstoß gegen Art. 16a Abs.1 GG, und damit eine Verfassungswidrigkeit gegeben. § 60 Abs.1 AufenthG setzt die Vorgaben des in Artt. 33 Abs. 1 GK, 21 Abs. 1 RL 2011/95 EU geregelten Zurückweisungsverbots politisch Verfolgter (Refoulement-Verbot) um. Ausnahmen von diesem Verbot sind in Artt. 33 Abs.2 GK, 14 Abs. 4, 21 Abs. 2 RL 2011/95 EU geregelt. Hiernach muss der Flüchtling aus schwerwiegenden bzw. stichhaltigen Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen sein, in dem er sich befindet, oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates darstellen, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde. Diese Ausnahmen sind nach allgemeiner Auffassung sehr restriktiv auszulegen.
      Dem ist der Gesetzgeber in § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG insoweit nachgekommen als er für den Ausschluss der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG eine Mindeststrafe von 3 Jahren festgesetzt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. Januar 2013, 10 C 17.12, den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift ebenfalls ausdrücklich betont und hervorgehoben, dass der Ausnahmetatbestand nur vorliegt, wenn zum einen eine Verurteilung zur einer mindestens dreijährigen (Einzel-)Freiheitsstrafe und zudem die Feststellung einer Gefahr für die Allgemeinheit gegeben ist. Das Gericht geht dabei ausführlich auf die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 2 GK und des § 60 Abs.8 Satz 1 AufenthG ein. Hiernach sind gerade Fälle, in denen das Gericht im Bereich der unteren und mittleren Kriminalität geblieben ist, selbst wenn die Verurteilung wegen eines mit hoher Strafdrohung bewehrten Vergehens oder eines Verbrechens erfolgte, nicht von dem Ausnahmetatbestand erfasst.. Mit der im Änderungsentwurf beabsichtigten Herabsetzung der Mindeststrafe, der damit verbundenen Einbeziehung von Bewährungsstrafen und der Gesamtstrafenbildung in den Ausnahmetatbestand wird die untere Grenze für die Möglichkeit eines Ausschlusses von der Flüchtlingsanerkennung in einen Bereich verschoben, der bereits die durch eine Mehrzahl von Taten der mittleren Kriminalität ausgelösten Gefahren erfasst und sich damit gerade nicht auf Fälle besonders schwerer Vergehen bzw. Verbrechen beschränkt. Bedenken ergeben sich auch durch die Aufnahme von Straftaten gegen das Eigentum und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte als besonders schwere Vergehen im Sinne der Ausnahmetatbestände. Beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kommt hinzu, dass das in § 113 StGB geschützte Rechtsgut in erster Linie die „Autorität staatlicher Vollstreckungsakte“ und nicht die Allgemeinheit ist. Berlin, 22. Februar 2016 Andreas Günzler StN als PDF Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Drucksache 18/7537)]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-442Wed, 17 Feb 2016 11:05:00 +0100Berliner Erklärung<br />Faire Asylverfahren statt Ausverkauf rechtsstaatlicher Prinzipien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/berliner-erklaerung-br-faire-asylverfahren-statt-ausverkauf-rechtsstaatlicher-prinzipien-442Berliner ErklärungDieser Gesetzesentwurf stellt einen traurigen Höhepunkt in einer verheerenden Rechtsentwicklung dar und ist endgültig nicht mehr rechtsstaatlich zu verantworten. Fundamentaler Angriff auf die Rechtskultur, massive Entrechtung unserer Mandantinnen und Mandanten Das Asylpaket I vom Herbst letzten Jahres und das nun zur Verabschiedung anstehende Asylpaket II sind ein fundamentaler Angriff auf die Rechtskultur dieses Landes. Anhörungsrechte im parlamentarischen Verfahren werden bis zur Unkenntlichkeit verkürzt. Eine sachliche Auseinandersetzung und Diskussion wird unmöglich. Bereits Ende Februar soll das Gesetz verabschiedet werden.
      Weder das Asylpaket I noch das Asylpaket II führen zu einer Beschleunigung der Asylverfahren, ihrem angeblichen Hauptzweck. Dabei wäre eine Beschleunigung des Asylverfahrens dringend notwendig. Beide Asylpakete beschränken sich im Wesentlichen auf Symbolpolitik. Eine Symbolpolitik, die allerdings verheerende Auswirkungen hat. Das Asylpaket I hatte Ende 2015 die gerade erst Anfang 2015 erheblich gelockerte Residenzpflicht wieder massiv ausgeweitet. Es folgte die Wiedereinführung des Sachleistungsprinzips. Bereits in den 1990iger Jahren wurde versucht, über Leistungskürzungen und Sachleistung statt Geldleistung Flüchtlinge zur Rückkehr zu nötigen. Das sogenannte „Aushungern“ funktionierte schon damals nicht und ist absolut unwürdig! Es fliehen Menschen vor lebensbedrohlichen Lagen, sie gehen nicht in diese Situationen zurück, weil man an ihren Leistungen spart. Die teilweise Wiedereinführung der Residenzpflicht und die Kürzungen von Sozialleistungen werden zu unzähligen Rechtsstreitigkeiten führen, von denen wir dachten, dass sie endgültig der Vergangenheit angehören würden. Künftig werden wir jede einzelne Verlassenserlaubnis, jede einzelne Windel und auch jeden Arztbesuch unserer Mandanten per Gericht durchsetzen müssen. Der aktuelle Gesetzesentwurf verstößt sehenden Auges gegen verbindliche internationale Verträge und gegen höherrangiges europäisches Recht und führt zu massiver Entrechtung unserer Mandantinnen und Mandanten.
      Noch zum 01.08.2015 in Kraft getretene Verbesserungen wie z.B. im Familiennachzug, nämlich die überfällige Angleichung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten an den Familiennachzug zu Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, werden nun nicht nur rückgängig gemacht, sondern noch massiv verschärft. Die wesentlichen Inhalte des Gesetzes sind: 1. "beschleunigte Asylverfahren". Für dieses neu eingeführte Verfahren ist eine Prüfungs- Rechtsmittel- und gerichtliche Entscheidungsfrist von jeweils nur einer Woche vorgesehen. Die Anhörungen sollen direkt in der Aufnahmeeinrichtung stattfinden.
      Anwaltliche Vertretung wird auf Grund der Kürze der Fristen und vor allem der praktischen Unmöglichkeit die Aufnahmeeinrichtung überhaupt zu verlassen und Anwälte zu kontaktieren, in der Regel nicht gegeben sein. Zugleich werden die Gruppen, die von diesem beschleunigten Verfahren betroffen sind, willkürlich ausgeweitet und betreffen potentiell jeden Flüchtling, egal ob er aus Syrien, Eritrea oder Somalia kommt.
      Das BVerfG hat festgestellt, dass das Asylrecht in besonderer Weise ein verfahrensabhängiges Recht ist. Ein entsprechend dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz gestaltetes beschleunigtes Asylverfahren nimmt den Betroffenen ihr Recht auf ein faires und unabhängiges Verfahren und ist zu streichen. 2. „Abschiebung trotz erheblicher Gesundheitsgefahren“. Fachärztliche Atteste, die Mandanten vorlegen und die nachvollziehbar anhand gerichtlich vorgegebener Kriterien schwerste Gesundheitsgefährdungen belegen, sollen per Gesetz unbeachtlich sein u.a. mit der Begründung, sie seien „zu spät“ vorgelegt worden.
      Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat 2015 festgestellt, dass mindestens die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland psychisch krank ist. Meistens leiden sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (40 bis 50 Prozent) oder unter einer Depression (50 Prozent). Beide Erkrankungen kommen häufig gemeinsam vor. Flüchtlinge, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Auch bei Flüchtlingskindern in Deutschland sind Erkrankungen aufgrund traumatischer Erlebnisse besonders häufig. Jedes fünfte von ihnen ist an einer PTBS erkrankt.(1) In ihrer Stellungnahme stellt die Bundespsychotherapeutenkammer fest: „Die geplanten Regelungen diskriminieren gezielt psychisch kranke Menschen.“(2)
      Flüchtlinge stehen vor vielen Hürden, bis es ihnen gelingt, die richtigen Ärzte/Therapeuten gefunden und das Sozialamt von einer Kostenübernahme überzeugt zu haben. Dies gilt insbesondere, als sie in den „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ oft isoliert sind und keinen raschen Zugang zu Informationen haben. Anerkannte Therapieeinrichtungen für Flüchtlinge verfügen oft über Wartezeiten von mehreren Monaten. Zusätzliche Fristen im Gesetz einzubauen, ist vor diesem Hintergrund perfide.
      Die Berücksichtigung von krankheitsbedingten Gefahren und der Gefahr des Suizids sowie die Verpflichtung des Schutzes von Leib und Leben auch der Geflüchteten folgt unmittelbar aus der Verfassung (Art 2 Abs. 2 GG). Dieses Schutzgebot darf nicht durch unhaltbare Verfahrensregeln ausgehöhlt werden.
      Die Regelung ist zu streichen; lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen sind stets in fairen Verfahren zu berücksichtigen. 3. „Aussetzung Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre“. Dies entbehrt jeglichen sachlichen Grundes, ist unmenschlich und offensichtlich rechtswidrig. Menschen, die nachweislich wegen Lebensgefahr nicht in ihre Heimat zurück können, wird das Leben mit ihrer Kernfamilie verweigert. Da der Bundesregierung bekannt ist, dass Schutzberechtigten der Nachzug der Familie nicht dauerhaft verweigert werden kann, soll der Nachzug für zwei Jahre „ausgesetzt“ werden. Dies allein hat desintegrierende Wirkung. Es ist nicht nachvollziehbar, dass politisch über die soziale Sprengkraft diskutiert wird, die angeblich von alleinstehenden Flüchtlingen ausgehen soll und man gleichzeitig diesen Personen die Möglichkeit, mit der Kernfamilie zusammen zu leben, erst geben will, wenn sie zwei Jahre allein gelebt haben. Begründet wird dies mit der Begrenzung des Zuzugs. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass es sich hier um reine Symbolpolitik handelt, die für die Betroffenen katastrophale Auswirkungen hat und direkt zu mehr Klagen bei den Verwaltungsgerichten führen wird. 1708 Afghanen hat das Bundesamt 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, 325 haben den subsidiären Schutz erhalten. 14.510 Iraker erhielten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, 289 den subsidiären Schutzstatus. Insgesamt stehen 137.136 Personen mit Flüchtlingseigenschaft 1707 Personen mit subsidiärem Schutzstatus gegenüber.(3) Die Regelung stellt nicht nur keine Asylverfahrensbeschleunigung dar, sie ist integrationspolitischer Unsinn und ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Art. 6 des Grundgesetzes, Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der UN-Kinderrechtskonvention. Darüber hinaus ist auf folgendes hinzuweisen: Die mit einer gemeinsamen Presseerklärung des BMI und des BMJV vom 12.01.2016 angekündigte Ausweitung der Ausweisungsmöglichkeiten durch fast uferlose Ausdehnung des Ausweisungsinteresses ist unverhältnismäßig, zur Gefahrenabwehr nicht notwendig und wird in der Praxis verheerende integrationspolitisch absolut unerwünschte und kontraproduktive Ergebnisse haben. Der Bundesregierung ist bekannt, dass im Bereich des Flüchtlingsrechtes die Ausweisung eben nicht zur Abschiebung führt, wenn im Herkunftsstaat die Gefahr von menschenrechtswidriger Behandlung, von Folter oder Gefahren für Leib und Leben bestehen. Die Absicht, Frauen und Männer gut vor sexuellen Übergriffen zu schützen, begrüßen wir. Mit dieser Begründung das Ausweisungsrecht zu verschärfen, ist ineffektiv, integrationspolitisch verfehlt und populistisch.
      Insgesamt ist der Gesetzesentwurf ein entschieden abzulehnender Versuch, immer mehr Sondervorschriften, Sonderbehandlungen und auch Rechtsausschlüsse für willkürlich gewählte Flüchtlingsgruppen zu etablieren.
      Der Ausschuss Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltsvereins hat ausführlich die bestehenden Umsetzungsdefizite in Hinblick auf geltendes europäisches Recht in Deutschland dokumentiert.(4) Wir fordern die Bundesregierung auf,die Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie, der Europäischen Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie internationaler Menschenrechtsabkommen einzuhalten und umzusetzen. Dies bedeutet insbesondere: Wir haben uns als Anwältinnen und Anwälte schon im Dezember 2015 veranlasst gesehen, eine Kundgebung vor der SPD Zentrale am Oberanger in München abzuhalten. Wir haben für unsere Aktion breite Unterstützung erhalten, insbesondere von verschiedenen Therapeuten- und Ärzteorganisationen, IPPNW, Refugio München e.V., Pro Asyl u.a. Nunmehr werden in der Zeit vom 15.02 bis 18.02.2016 Protestkundgebungen gegen das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz von Anwältinnen und Anwälten u.a. in Hamburg, Köln, München, Bremen und Berlin stattfinden. Erklärung als PDFUnterzeichner*innen Rechtsanwalt Thomas Moritz
      Rechtsanwältin Annette Jansen
      Rechtsanwältin Magdalena Holtkötter
      Rechtsanwältin Julia Kraft
      Rechtsanwältin Imeke der Weldige
      Rechtsanwältin Berenice Böhlo
      Rechtsanwalt a.D. Conrad Zimmer
      Rechtsanwältin Franziska Nedelmann
      Rechtsanwältin Barbara Wessel
      Rechtsanwältin Dr. Kati Lang
      Rechtsanwältin Silke Studzinsky
      Rechtsanwältin Inken Stern
      Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried
      Rechtsanwalt Federico Traine
      Rechtsanwalt Felix Isensee
      Rechtsanwältin Gisela Seidler
      Rechtsanwältin Dr. Dominique Schimmel
      Rechtsanwalt Markus Prottung
      Rechtsanwältin Anne Kling
      Rechtsanwalt Bilal Alkatout
      Rechtsanwalt Dr. Eckart Wähner
      Rechtsanwalt Andreas Günzler
      Rechtsanwalt Lukas Theune
      Rechtsanwältin Marie Ellersiek
      Rechtsanwalt Philipp Rusche
      Rechtsanwältin Christina Herrig
      Rechtsanwältin Barbara Dubick
      Rechtsanwalt Oliver Wolf
      Rechtsanwalt Peter Fahlbusch
      Rechtsanwalt Ulrich Lerche
      Rechtsanwalt Ünal Zeran
      Rechtsanwalt Christoph von Planta
      Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff
      Rechtsanwalt Paulo Dias
      Rechtsanwältin Beate Böhler
      Rechtsanwältin Sylvia Pfaff-Hofmann
      Rechtsanwältin Felicitas Köhler
      Rechtsanwältin Regina Götz
      Rechtsanwältin Undine Weyers
      Rechtsanwältin Tonja Salomon
      Rechtsanwalt Reinhard Jäger
      Rechtsanwältin Nizaqete Bislimi
      Rechtsanwalt Reiner Hartdorf
      Rechtsanwältin Sonia Garbers
      Rechtsanwalt Dr. Mark Swatek
      Rechtsanwältin Lena Stehle
      Rechtsanwalt Harald Schandl
      Rechtsanwältin Katrin Albers
      Rechtsanwalt Mahmoud Achour
      ass. -jur  Jutta Hermanns
      Rechtsanwalt Gunther Christ
      Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf
      Rechtsanwalt Rüdiger Jung
      Rechtsanwältin Caroline von Wedel-Parlow
      Rechtsanwältin Anna Münzner
      Rechtsanwältin Annette Fölster
      Rechtsanwältin Christina Clemm
      Rechtsanwältin Ilka Quirling
      Rechtsanwältin Amparo Pardo Ayala
      Rechtsanwältin Anya Lean
      Rechtsanwältin Inga Schulz
      Rechtsanwältin Ingvild Geyer-Stadie
      Rechtsanwältin Katharina Fröbel
      Rechtsanwältin Ulrike Birzer
      Rechtsanwalt Ralph Monneck
      Rechtsanwältin Johanna Künne
      Rechtsanwältin Canan Balcin
      Rechtsanwalt Dieter Hummel
      Rechtsanwalt Sebastian Scharmer
      Rechtsanwältin Stephanie Dufner
      Rechtsanwältin Laura Aulmann
      Rechtsanwalt Johannes Schulz-Schottler
      Rechtsanwältin Simone Rapp
      Rechtsanwalt Björn Cziersky-Reis
      Rechtsanwalt Daniel Schmidt-Blümel
      Rechtsanwalt Ralf Fischer
      Rechtsanwalt Steven Jefferys
      Rechtsanwalt Dr. Sven-U. Burkhardt
      Rechtsanwalt Florian Haas
      Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert
      Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser
      Rechtsanwalt Christian Zimmer
      Rechtsanwältin Martina Zünkler
      Rechtsanwältin Dr. Esther Weizsäcker
      Rechtsanwalt Mersad Smajic
      Rechtsanwalt Dr. Karsten Seifert
      Rechtsanwältin Susanne Lange
      Rechtsanwältin Esther Kleideiter
      Rechtsanwältin Susanne Schröder
      Rechtsanwältin Wiebke Wildvang
      Rechtsanwalt Lutz Weber
      Rechtsanwalt Volker Gerloff
      Rechtsanwältin Nadine Arndt
      Rechtsanwalt Franz Fertmann
      Rechtsanwalt Florian van Bracht
      Rechtsanwältin Silke Hoffmann
      Rechtsanwältin Franziska Drohsel
      Rechtsanwalt Max Stanko
      Rechtsanwältin Franziska Minne
      Rechtsanwältin Gilda Schönberg
      Rechtsanwalt Heinz Paul
      Rechtsanwalt Marin Lemke
      Rechtsanwältin Eva Steffen
      Rechtsanwalt a.D. Klaus Walliczek
      Rechtsanwältin Berthe Obermanns
      Rechtsanwältin Frauke Roßmann
      Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski
      Rechtsanwältin Sigrun Krause
      Rechtsanwalt Sven Sommerfeldt
      Rechtsanwalt Thomas Krautzig
      Rechtsanwältin Csilla Iványi
      Rechtsanwalt Michael De Saavedra-Mai
      Rechtsanwalt Max Althoff
      Rechtsanwältin Franziska Dams
      Rechtsanwältin Ronska Verena Grimm
      Rechtsanwältin Stephanie Otrakci
      Rechtsanwalt Dr. Jonathan Burmeister
      Rechtsanwalt Yunus Ziyal
      Rechtsanwalt Alexander Wagner
      Rechtsanwalt Gunther Specht
      Rechtsanwalt Reinhold Waber
      Rechtsanwalt Arne Timmermann
      Rechtsanwältin Anke Thiesing-Rieck
      Rechtsanwältin Anette Schmidt
      Rechtsanwältin Katrin Inga Kirstein
      Rechtsanwältin Petra Dervishaj
      Rechtsanwältin Marion Pein
      Rechtsanwalt Bernd Vetter
      Rechtsanwältin Ursula Groos
      Rechtsanwalt Mirco Beth
      Rechtsanwältin Stephanie Karlos
      Rechtsanwältin Tina Wienecke
      Rechtsanwältin Kirsten Striegler
      Rechtsanwältin Fenna Busmann
      Rechtsanwalt Udo Sürer
      Rechtsanwältin Claudia Reichel
      Rechtsanwältin Anne-Kathrin Krug
      Rechtsanwältin Anna Vahjen
      Rechtsanwalt Florian Riechey
      Rechtsanwältin Ursula Mende
      Rechtsanwältin Eva Dworschak
      Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann
      Rechtsanwalt Dr. Olaf Heischel
      Rechtsanwalt Einar Aufurth
      Rechtsanwalt Nils Spörkel
      Rechtsanwältin Oda Jentsch
      Abogado Inigo Valdenebro
      Rechtsanwältin Kerstin Müller
      Rechtsanwalt Sven Hasse
      Rechtsanwalt Jens Hoffmann
      Rechtsanwalt Thorsten Müller
      Rechtsanwalt H. Eberhard Schultz
      Rechtsanwalt Claus Förster
      Rechtsanwalt und Notar Joachim Musch
      Rechtsanwalt Klaus Schank
      Rechtsanwalt Daniel Werner
      Rechtsanwalt Steffen Ahrens
      Rechtsanwalt Gerd Flint
      Rechtsanwalt Karsten Lüthke
      Rechtsanwalt Rolf Stahmann
      Dieter Krause, ver.di Rechtssekretär i.R.
      Rechtsanwalt Michael Sack
      Rechtsanwalt Heiko Habbe
      Rechtsanwältin Anna Magdalena Busl
      Rechtsanwalt Joachim Schröder
      Rechtsanwalt Dr. Sven-U. Burkhardt
      Dipl.Psych. Michaela M. Müller
      Ernst-Ludwig Iskenius, Arzt, ehem. Ärztl. Leiter d. Behandlungszentrum Refugio
      Sabine Will, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie
      Anna-Sophia Grün, Psychologin, Psychotherapeutin in Ausbildung
      Rechtsanwältin Petra Haubner
      Rechtsanwalt Hannes Honecker
      Rechtsanwalt Joachim Krempin
      Medical Support Outside the System (MSOS)
      Berliner Arbeitskreis Gesundheit und Menschenrechte

      Rechtsanwältin Birgit Landgraf
      Rechtsanwältin Maria Kalin
      Dr. med. Elisabeth Heyn, Ärztin (Allgemeinmedizin)
      Dipl.-Psych. Candida Klinzing
      Rechtsanwältin Dr. Kirsten Jansen
      Rechtsanwalt Ole Weidmann, Berlin
      Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, Dresden
      Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, Jena
      Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen
      Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, Göttingen
      Rechtsanwalt Maik Elster, Jena
      Rechtsanwalt Thomas Jennissen
      Annelie Jaschinski, Ass.Jur., Rechtsschutzsekretärin DGB Rechtsschutz GmbH
      Dr.med. Patrick Ingiliz
      INTER HOMINES, Empowerment und Therapie mit politisch Verfolgten e.V.
      Rechtsanwältin Insa Graefe
      Medibüro Berlin, Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen
      Rechtsanwalt Benjamin Hersch
      Rechtsanwältin Ko Watari
      Rechtsanwalt Eberhard Kunz
      Rechtsanwältin Sunna Keles
      STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative
      Rechtsanwalt Ahmed Abed
      Rechtsanwältin Ilka Feyerabend
      Rechtsanwältin Yasmin Abraham
      Dr. Günter Rexilius, Psychol. Psychotherapeut
      Claudius Loga, Facharzt für Allgemeinmedizin
      Dipl.-Psych. Adriane Wachholz-Abiodun, Psychologische Psychotherapeutin
      Prof. Dr. Jörg Arnold, Rechtsanwalt
      Stefan Gräbner, Rechtsanwalt
      Dr. Dilip D. Maitra, Rechtsanwalt
      Stephanie Hujo, Rechtsanwältin
      Dorine Bourger, Psychologische Psychotherapeutin
      Dr. Dilip D. Maitra, Rechtsanwalt
      GLAD e.V. Organisationen * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      www.rav.de
      * Neue Richtervereinigung (NRV)
      www.neuerichter.de/startseite.html
      * Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)
      www.ippnw.de
      * arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der HU zu Berlin (akj-berlin)
      http://akj.rewi.hu-berlin.de/
      * Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.  (VDJ)
      www.vdj.de/vdj/
      * XENION, Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
      www.xenion.org  Berlin, 17. Februar 2016 Fußnoten (1)  http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/mindestens-d.html
      (2)  http://www.bptk.de/uploads/media/20160203_2016-02-01_STN_BPtK_Einfuehrung_beschleunigter_Asylverfahren.pdf
      (3)  https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/201512-statistik-anlage-asyl-geschaeftsbericht.pdf?__blob=publicationFile
      (4)  http://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-48-15-initiativstellungnahme-zur-umsetzung-der-verfahrensrichtlinie]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-441Wed, 17 Feb 2016 10:13:00 +0100Faire Asylverfahren statt Ausverkauf rechtsstaatlicher Prinzipien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/faire-asylverfahren-statt-ausverkauf-rechtsstaatlicher-prinzipien-441Pressemitteilung, 17.02.2016Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte protestieren gegen die geplante weitere rechtswidrige Asylrechtsverschärfung Am Donnerstag, den 18.02.2016 um 13.00 Uhr werden in der Kirchstraße 7 vor dem Verwaltungsgericht Berlin Anwältinnen und Anwälte sowie Vertreter anderer Berufsgruppen gegen die Annahme des sogenannten „Asylpakets" protestieren. Wir werden an diesem Ort anwaltlicher Tätigkeit eine Kundgebung abhalten, die unser Entsetzen und unsere Verweigerung ausdrückt, das euphemistisch bezeichnete „Asylpaket" stillschweigend entgegenzunehmen. Gleichzeitig laden wir alle Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichts Berlin ein, an der Kundgebung teilzunehmen. Deutschlandweit werden zur gleichen Zeit weitere Proteste der genannten Berufsgruppen stattfinden. Auch ist bereits ein Protestschreiben von weit über 100 Anwältinnen und Anwälten, Vereinigungen von Rechtsanwält*innen, Richter*innen und Mediziner*innen unterzeichnet und an die Fraktionen des Bundestages übersandt worden (vgl. Anhang. Erklärung der Berliner Rechtsanwält*innen). Am Freitag, den 19.02.2016 wird der Bundestag mit der ersten Lesung zur Verabschiedung weiterer ungerechtfertigter und sachfremd begründeter Gesetze beginnen. In den zum Teil verfassungswidrigen Gesetzesvorhaben werden  international gesicherte Rechte von akut Geflüchteten und deren Familienangehörigen beschnitten. Auch  seit Jahrzehnten in Deutschland aufhältige Menschen sind betroffen. Rechtsstaatliche Mindeststandards werden über Bord geworfen. Der Zugang zu Rechtsschutz soll abgeschnitten bis verweigert werden. Es wird dadurch eine Handlungsfähigkeit vorgetäuscht, die durch die geplanten Gesetze eher vereitelt als ermöglicht wird. Europarechtliche Normen und internationale Abkommen werden ignoriert. Das Wohl der Geflüchteten hat die Regierung dabei nicht im Auge. Das Ziel des Gesetzes ist eine beschleunigte Abschiebung von Geflüchteten, denen der Weg zu einem fairen Verfahren im Einzelfall und einem angemessenem Rechtsschutz abgeschnitten werden soll. Dabei sieht das Gesetz auch die Abschiebung lebensbedrohlich Erkrankter vor. Internationale und europarechtlich gesicherte medizinische wie juristische Standards werden damit missachtet. „Wenn Geflüchtete aufgrund der erfolgten und geplanten Gesetzesverschärfungen nicht den ihnen zustehenden Schutz in Europa erhalten, ist dies nicht nur ein Versagen des Rechtsstaats, sondern eine staatlich geförderte, akute Gefährdung von Menschenleben“, so Rechtsanwältin Berenice Böhlo. Wir fordern die Fraktionen des Bundestages auf, gegen die geplanten Gesetzesverschärfungen zu stimmen. Für Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwältinnen Imeke de Weldige und Berenice Böhlo in Berlin unter der jew. Kanzleinummer (de Weldige 030.259357-60 | Böhlo 030.259357-70) oder die Geschäftsstelle des RAV unter 030.417235-55 zur Verfügung. Pressemitteilung als PDFBerliner Erklärung als PDF]]>Migration & Asyl (doublet)news-440Tue, 16 Feb 2016 12:01:00 +0100Asylpaket II: Annahme verweigert!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/asylpaket-ii-annahme-verweigert-440Aufruf zur Kundgebungam Donnerstag, den 18.02.2016 um 13.00 Uhr
      vor dem Verwaltungsgericht in der Kirchstraße die Annahme des sogenannten „Asylpakets“ zu verweigern. Wir werden unser Entsetzen und unsere Verweigerung, das euphemistisch bezeichnete „Asylpaket“ stillschweigend entgegenzunehmen, zum Ausdruck bringen. Deutschlandweit werden zur gleichen Zeit weitere Proteste der genannten Berufsgruppen stattfinden. Am Freitag, den 19.02.2016 wird der Bundestag mit der ersten Lesung zur Verabschiedung weiterer ungerechtfertigter und sachfremd begründeter Gesetze beginnen. In den zum Teil verfassungswidrigen Gesetzesvorhaben werden international gesicherte Rechte von akut Geflüchteten und deren Familienangehörigen beschnitten. Auch seit Jahrzehnten in Deutschland aufhältige Menschen sind betroffen. Rechtsstaatliche Mindeststandards werden über Bord geworfen. Der Zugang zu Rechtsschutz soll abgeschnitten bis verweigert werden. Es wird eine Handlungsfähigkeit vorgetäuscht, die durch die geplanten Gesetze eher vereitelt als ermöglicht wird. Europarechtliche Normen und internationale Abkommen werden ignoriert. Das Wohl der Geflüchteten hat die Regierung dabei nicht im Blick. Das Ziel des Gesetzes ist eine beschleunigte Abschiebung von Geflüchteten, denen der Weg zu einem fairen Verfahren im Einzelfall und einem angemessenem Rechtsschutz abgeschnitten werden soll. Dabei sieht das Gesetz auch die Abschiebung lebensbedrohlich Erkrankter vor. Internationale und europarechtlich gesicherte medizinische wie juristische Standards werden missachtet. Das Gesetz stellt einen Angriff auf den Rechtsstaat dar. Es betrifft nicht nur die Geflüchteten. Es geht alle etwas an. Kommt zahlreich! Gern in Robe.
      Kundgebung: Vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Kirchstraße 7), 18.02.2016 13.OO Uhr ! Es wird bundesweite Protestaktionen von Anwält*innen, Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen geben. Anwaltliche Protestaktionen finden an folgenden Orten statt: - Köln, 18.02.2016 um 12 Uhr Kundgebung vor der SPD Zentrale, Magnusstraße 18;
      - München, 18.02.2016 von 13.00 Uhr bis ca. 14.00 Uhr Kundgebung vor der SPD, Oberanger 38;
      - Hamburg, 18.02.2016 um 13:00 Uhr Kundgebung am Rathausvorplatz mit anschließender Pressekonferenz;
      - Berlin, 18.02.2016 um 13:00 Uhr Kundgebung am Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstr. 7;
      - Bremen, 18.02.2016 um 11:30 Uhr vor dem Parteibüro der SPD in der Obernstr. 39 ********************* Weitere Stellungnahmen: Stellungnahme und Presseerklärung der Bundesärztekammer zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" [PDF]:
      http://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/baek-aerzten-ausreichend-zeit-fuer-untersuchung-von-asylbegehrenden-geben/  Stellungnahmen und Aufruf zum Protest von PRO ASYL: Den Aufruf "Asylpaket II stoppen - Keine Einschränkung von fairen Asylverfahren" findet Ihr hier:
      https://www.proasyl.de/de/home/asylpaket-ii-stoppen/ Stellungnahme des Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge:
      http://www.b-umf.de/images/20160202_Stellungnahme_des_Bundesfachverband_unbegleitete_minderj%C3%A4hrige_Fl%C3%BCchtlinge_zum_Entwurf_eines_Gesetzes_zur_Einf%C3%BChrung_beschleunigter_Asylverfahren.pdf Offener Brief von 218 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus ganz Deutschland an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas:
      http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/tl_files/Downloads/Offener%20Brief%20an%20Heiko%20Maas_Asylpaket%20II.pdf Stellungnahme der Bundespsychotherapeutenkammer:
      http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/psychisch-kr-14.html Stellungnahmen des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR):
      http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuell/news/meldung/article/pressemitteilung-zentrale-regelungen-im-asylpaket-ii-sind-menschenrechtswidrig-institut-legt-stel/http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuell/news/meldung/article/pressemitteilung-institut-lehnt-einordnung-von-algerien-marokko-und-tunesien-als-sichere-herkunfts/ Stellungnahme Deutscher Anwaltsverein:
      http://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-4-16-zum-gesetzentwurf-der-bundesregierung-zur-einfuehrung-beschleunigter-asylverfahren-33981 Gemeinsame Stellungnahme von Caritas und Diakonie zur Klassifizierung von Marokko, Algerien und Tunesien als "sichere Herkunftsstaaten":
      http://www.caritas.de/fuerprofis/presse/pressemeldungen/caritas-kritisiert-ausweitung-sicherer-hhttp://www.diakonie.de/entwurf-eines-gesetzes-zur-bestimmung-sicherer-herkunftslaender-16893.html Die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. positioniert sich zu den Paradoxien des Asylpaket II anhand der Quantenmechanik:
      http://www.ggua.de/Einzelansicht.40+M5e9c04c6657.0.html Stellungnahme des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein:
      http://www.frsh.de/artikel/zustimmung-zum-asylpaket-ii-und-gesetzentwurf-sicherer-maghreb-verweigern/]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-438Fri, 22 Jan 2016 09:00:00 +0100European Lawyers Delegation visits Diyarbakir/publikationen/mitteilungen/mitteilung/european-lawyers-delegation-visits-diyarbakir-438Pressemitteilung von ELDH und EDL, 20.1.2016http://www.aeud.org/) und European Democratic Lawyers (http://www.eldh.eu/). Ein Mitglied des RAV ist Teil der Delegation von Anwältinnen und Anwälten nach Diyarbakır. **** A delegation of European lawyers will visit Diyarbakir from 21st to 24th January 2016. The 13 participants come from Belgium, Germany, Italy, and Austria. Two European lawyers’ organisations are supporting this initiative, the European Association of Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH) and the European Democratic Lawyers (EDL) and also the “Unione delle Camere Penali Italiane” ELDH and EDL are gravely concerned about the deterioration of human rights in the region which has escalated since the Turkish government stopped the peace negotiations with the Kurdish Workers Party PKK. For many weeks now a curfew has been imposed upon several towns in the region of Diyarbakir and ??rnak and upon a great part of the centre of Diyarbakir. The Turkish government boasts that it has killed several hundred PKK fighters. It fails to mention the civilians who have also died, in particular due to the use of heavy weapons by the Turkish army inside densely populated areas of several towns. On 28th November 2015 the President of the Diyarbakir Bar Association was killed on the street when he gave a press conference asking for a peaceful solution of the conflict. In press releases ELDH and EDL condemned the murder of Tahir Elçi and demanded an international independent investigation into the circumstances. The former judge of the European Court of Human Rights (ECtHR), Riza Türmen, who is now a CHP Member of Parliament, stated that the long-term military curfew constitutes a violation of state responsibility. Several victims of the curfew have complained to the ECtHR demanding an end to the military operations and the lifting of the curfew. Nevertheless the court ruled on 13th January 2016 that the evidence at its disposal was not sufficient for it to order interim measures. However the court asked the applicants to keep it informed of any further developments. Lastly, given the gravity of the situation, the Court indicated to the Government “to take any necessary steps to ensure that physically vulnerable individuals can have access to treatment if they so request”. The European lawyers visiting Diyarbakir are going to investigate
      The members of the delegation will talk to representatives of HDP, the Diyarbakir Bar Association, the Diyarbakir Chamber of Medicine, the Human Rights Association of Diyarbakir, a women’s association, the family of Tahir Elçi, the families of victims. They will also talk to a lawyer who represents victims of the curfew in Diyarbakir before the European Court of Human Rights. After their visit the lawyers will publish a report. For more information, contact
      Thomas Schmidt (lawyer), ELDH Secretary General
      Platanenstrasse 13, 40233 Düsseldorf
      thomas.schmidt@eldh.eu , 0049 – 172 – 68 10 888 Pressemitteilung als PDF]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-437Fri, 22 Jan 2016 02:55:00 +0100Verteidigung, statt Ausverkauf der Menschenrechte<br />Schutz für Geflüchtete und Stärkung der Zivilgesellschaft in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verteidigung-statt-ausverkauf-der-menschenrechte-br-schutz-fuer-gefluechtete-und-staerkung-der-zivilgesellschaft-in-der-tuerkei-437Pressemitteilung, 22.1.2016Gegen eine Abschottungspolitik Hand in Hand mit der Erdoǧan-Türkei Verurteilte die Bundesregierung 2013 die Türkei noch aufs Schärfste wegen der Menschenrechtsverletzungen während der ›Gezi-Proteste‹, wird die Türkei nun zum begehrten Partner für die Ausgrenzung von Schutzsuchenden. Neben einer Zahlung von 3 Milliarden Euro für eine angeblich angemessene Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten in der Türkei, soll großzügige Unterstützung bei der Verriegelung der europäischen Außengrenzen geleistet werden. Dabei weiß die Bundesregierung:  
      Indem die Bundesregierung hiervor die Augen verschließt, macht sie sich für diese gezielten Menschenrechtsverletzungen mit verantwortlich. Gegen die Anerkennung der Türkei als ›sicheres Herkunftsland‹ Aber nicht nur das. Die Bundesregierung stellt Erdoǧan auch in Aussicht, die Türkei zukünftig als sog. ›sicheres Herkunftsland‹ bestimmen zu wollen. Dies würde bedeuten, dass etwa auch kurdische Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in der Türkei faktisch keine Möglichkeit auf eine Asylanerkennung in Deutschland mehr hätten. So entledigt sich Deutschland nicht nur der Verantwortung für die syrischen Flüchtlinge, sondern schließt gleich weitere verfolgte Gruppen vom Zugang zum Asyl in Deutschland aus. Dabei weiß die Bundesregierung: »Für ein Land wie Deutschland, das sich international damit rühmt, eine humane Flüchtlingspolitik betreiben zu wollen, verbietet sich ein solch schmutziger Deal auf Kosten der Menschenrechte«, so Rechtsanwältin Wessel vom RAV. Wir fordern eine glaubwürdige und nachhaltige Politik. Dies ist nur gewährleistet, wenn die Bundesregierung die globalen Menschenrechte achtet und sich an grundgesetzlich verankerte Rechte und Wertentscheidungen hält. Wir fordern die Bundesregierung auf,Bei Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwältinnen Wessel und Nedelmann über die Geschäftsstelle des RAV zur Verfügung. Tel. +49 (0)3 41723555 (1) Amnesty International, „Europe´s Gatekeeper. Unlawful detention and deportation of refugees from Turkey“, Bericht vom 16. Dezember 2015, einzusehen unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur44/3022/2015/en/ (2) Demokratisches Türkeiforum unter Bezugnahme auf die Türkische Menschenrechtsstiftung THIV, Bericht vom 08.01.16, einzusehen unter: http://www.tuerkeiforum.net/Todesopfer_bei_Ausgangssperren_zwischen_dem_25._Dezember_2015_und_dem_8._Januar_2016 (3) Jahresbericht 2015 des IHD, einzusehen unter: http://en.ihd.org.tr/index.php/2016/01/11/assessment-of-year-2015-for-turkey-peace-and-democracy-manifesto/ und Bericht des dem. Türkeiforums aus Januar 16, einzusehen unter: http://www.tuerkeiforum.net/Meldungen_im_Januar_2016#Initiativen_zur_Beendigung_der_Gewalt   Die Pressemitteilung als PDF]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-436Tue, 19 Jan 2016 12:09:00 +0100Tag der bedrohten Anwältin<br />Tag des bedrohten Anwalts<br />22. Januar 2016/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-bedrohten-anwaeltin-br-tag-des-bedrohten-anwalts-br-22-januar-2016-436Pressemitteilung, 19.1.2016Solidarität mit den Anwältinnen und Anwälten, Richterinnen und Richtern sowie anderen juristischen Berufen in Honduras Seit 2010 werden jedes Jahr am oder um den 24. Januar Proteste vor Botschaften in Solidarität mit Anwältinnen und Anwälten organisiert, die bedroht, angegriffen oder sogar getötet werden, weil sie in Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung Menschenrechte verteidigen oder arme Menschen, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter oder Bäuerinnen und Bauern vertreten. Am 22. Januar 2016 werden europaweit und in außereuropäischen Ländern Anwältinnen und Anwälte und Mitglieder anderer juristischer Berufe vor den Botschaften Honduras protestieren. Den Botschaftern wird eine Petition zugunsten der honduranischen Anwälte und anderer juristischer Berufe überreicht. Freitag, den 22. Januar 2016, 14:00 Uhr
      Botschaft der Republik Honduras
      Cuxhavener Straße 14
      10555 Berlin

      Anwältinnen und Anwälte sind zur Teilnahme in Robe aufgerufen. Mit den Protesten soll auf die andauernde Welle von Gewaltverbrechen gegen Anwältinnen und Anwälte sowie Vertreter anderer juristischer Berufe in Honduras aufmerksam gemacht werden. Deren Lage in Honduras ist verzweifelt. Allein zwischen 2010 und 2015 hat die Inter-Amerikanische Menschenrechtskommission (IAHRC) 91 Morde an Anwältinnen und Anwälten registriert. 91 Morde an Anwältinnen und Anwälten Die Gewalt betrifft jedoch nicht nur Anwältinnen und Anwälte sowie andere juristische Berufe. Große Teile der honduranischen Bevölkerungen leiden unter gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die das gesamte öffentliche Leben in Honduras belasten. Die Hauptgründe für diese massive Gewalt sind Armut, Arbeitslosigkeit, Drogenhandel, Frauenfeindlichkeit und schwere Defizite bei der Aufklärung und Verfolgung dieser Verbrechen. Die Gewaltverbrechen werden nicht nur von Banden verübt, wie die honduranische Regierung erklärt, sondern gehen auch von einflussreichen Personen im Staatsapparat und bei den Sicherheitskräften aus oder werden von diesen gedeckt. Anwältinnen und Anwälte, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter, die mit solchen Gewaltdelikten befasst sind, gehen ein hohes Risiko ein, selber Opfer von Gewalttaten zu werden. Korruption innerhalb von Staatsanwaltschaft und Justiz Neben organisatorischen Mängeln bei der Strafverfolgung und der Einschüchterung von allen Verfahrensbeteiligten ist auch weit verbreitete Korruption innerhalb von Staatsanwaltschaft und Justiz für die weitverbreitete Straflosigkeit verantwortlich. Die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter wird nicht garantiert. Stattdessen erfolgen Eingriffe in die Rechtsprechung. Restriktive Gesetze machen es den Gerichten schwer, ihre Unabhängigkeit zu bewahren und die Funktionsfähigkeit des Rechts zu gewährleisten. Richterinnen und Richter, die gegen den Staatsstreich von 2009 protestierten, wurden illegal entlassen, so der Inter-Amerikanische Menschenrechtsgerichtshof Ende 2015. Gerade die Eingriffe in den Justizapparat haben das gesamte Justizwesen weiter geschwächt. Diese Lage wurde von verschiedenen UN-Einrichtungen bestätigt: in Sonderberichten, durch die Mechanismen der Menschenrechtsverträge und durch den Menschenrechtsrat. Laut dem ›Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung‹ (UNDOC) hatte Honduras in 2013 die höchste Mordrate der Welt. Auch Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) bestätigen das. HRW kommentiert: »Honduras leidet unter ungezügelten Verbrechen und Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen. [...] Richter sind Einschüchterungen und politischer Einmischung ausgesetzt«. Todesdrohungen und Morde an Richtern und Staatsanwälten Die IAHRC erhielt zudem Berichte über die Ermordung und Einschüchterung von Richterinnen und Richtern in Honduras, darunter über die Ermordung der Strafrichterin Mireya Efigenia Mendoza Pena, die auch Stellvertretende Sekretärin der ›Vereinigung der Richter für Demokratie‹ war, einer Organisation, die Richterinnen und Richter in Honduras verteidigt. Nach öffentlich zugänglichen Informationen haben 2014 wenigstens 20 Richterinnen und Richter Todesdrohungen erhalten, so die Vereinigung. Wenigstens drei Richter wurden in den letzten zwei Jahren ermordet. Der UN-Sonderberichterstatter zur Situation von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern hat Berichte erhalten, wonach Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – insbesondere wenn sie für Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen zuständig sind – Todesdrohungen erhalten haben oder ermordet wurden. Staatsanwaltschaften und Gerichte, die mit Verbrechen befasst waren, in die Sicherheitskräfte verstrickt waren, standen unter politischem Druck durch hochrangige Staatsbedienstete und sogar aus dem Büro des Generalstaatsanwalts. Professor Bill Bowring, Rechtsanwalt und Präsident der ›Europäischen Vereinigung von Jurist*innen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt‹ (EJDM), sowie internationaler Sekretär der ›Haldane Society of Socialist Lawyers‹ erklärte: »Rechtsanwälten, Staatsanwälten und Richtern in Honduras muss es möglich sein, ihre gesetzlichen Verpflichtungen ohne Einschüchterung ausüben zu können. Der nötige Schutz muss staatlicherseits gewährleistet werden, insbesondere wenn aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ihr Leben gefährdet ist«.  Die Anwältin Florence de la Pradelle, Koordinatorin der Kommission ›Verteidigung der Verteidigung der Europäischen Demokratischen Anwält*innen‹ (EDA) sagte: »Ich unterstütze die Initiative, die Öffentlichkeit auf den Verfall der Menschenrechte im honduranischen Staat aufmerksam zu machen und hierbei insbesondere die Angriffe gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie gegen  Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger«. Ansprechpartner:Der TAG DER BEDROHTEN ANWÄLTIN / TAG DES BEDROHTEN ANWALTS ist eine Initiative von Europäische Demokratische Anwält*innen (EDL), www.aeud.org  | Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM), www.ejdm.eu | Stiftung DAY OF THE ENDANGERED LAWYER (Niederlande) Die Initiative wird unterstützt durch Honduran Association of Judges for Democracy | Colegio de Abogados de Honduras (CAH) | Die Fachgruppe Internationales der Neuen Richtervereinigung (NRV) | Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) | The European Bar Human Rights Institute (IDHAE) | Die niederländische Organisation LAWYERS FOR LAWYERS | Die Internationale Vereinigung Demokratischer Jurist*innen (IVDJ) | International Association of People's Lawyers (IAPL) | Die Union Internationale des Avocats (UIA) Pressemitteilung als DownloadDía del Abogado Amenazado - 22 de enero de 2016. En solidaridad con los abogados hondureños, jueces y otros profesionales del derecho. Petición (es)Day of the Endangered Lawyer – 22nd January 2016. In solidarity with Honduran lawyers, judges and other law professionals. Petition (eng)Bericht über Honduras zum TAG DER BEDROHTEN ANWÄLTIN / DES BEDROHTEN ANWALTS Report of THE ASSOCIATION OF JUDGES FOR DEMOCRACY (ASOCIACION DE JUECES POR LA DEMOCRACIA - AJD) HONDURAS, 2014]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Freie Advokatur (doublet)
      news-435Sat, 12 Dec 2015 06:53:00 +0100Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ 2016/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmreihe-von-rav-und-nsu-watch-2016-435›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ ›Der Marsch‹Do. 14. Januar 2016, 19:30 Uhr
      Ort: Narr-Bar*
      David Wheatley, UK 1990, 93 min
      Hauptpersonen sind eine Entwicklungskommissarin der Europäischen Gemeinschaft und der Nordafrikaner Isa El-Mahdi, der einen Marsch von Flüchtlingen aus afrikanischen Flüchtlingslagern nach Europa organisiert. Dort werden sie auf schwer bewaffnete europäische Soldaten stoßen – der Jubel der Geflüchteten verhallt auf der Stelle.
      Gast: tbc. ::::::::::::::::: ›The Land BetweenDo. 25. Februar 2016, 20:00 Uhr
      Ort: B-Lage*
      erstmalig mit warmer Verpflegung vorab (ab 19 h gegen Spende)David Fedele, AUS 2014, 78 min
      Eindringliche Einblicke in das versteckte und disparate Leben von Migrantinnen und Migranten in den Bergregionen des nördlichen Marokko. Für die meisten besteht ihr Traum darin, Europa mit einem Sprung über die hoch militarisierte Barriere nach Melilla, der spanischen Enklave an der afrikanischen Küste zu erreichen. ::::::::::::::::: ›SIMURG‹ ----> DIE FILMVORFÜHRUNG MUSS LEIDER AUSFALLEN <----
      Ort: Narr-Bar
      Ruhi Karadag, TK 2012, 109 min
      Der Dokumentarflm begleitet sechs ehemalige politische Häftlinge, die sich 1996 an einem Hungerstreik gegen die Einführung der Typ-F Isolationszellen in der Türkei beteiligten. Der Widerstand der Gefangenen gegen die Pläne der Regierung wurde 2002 durch das sogenannte Todesfasten fortgesetzt und kostete 122 Menschenleben.
      ::::::::::::::::: ›Die Angst wegschmeissen‹Do. 14. April 2016, 19:30 Uhr
      Ort: B-Lage
      Bruno Schellhagen, IT/DE 2015, 80 min
      Seit 2008 ist Norditalien Schauplatz ungewöhnlicher Ereignisse. Unternehmen, Politik und Medien nutzen den Kriseneinbruch, um die ohnehin schon bröckelnden Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern weiter auszuhöhlen. Doch am untersten Ende der Lohnskala formiert sich ein lebendiger und schlagkräftiger Widerstand.
      Gäste: Bruno Schellhagen (Regie), Berlin/Kendra Briken (Soziologin), Glasgow. ::::::::::::::::: ›Miners Shot Down‹Do. 19. Mai 2016, 19:30 Uhr
      Ort: B-Lage
      Rehad Desai, ZA 2014, 52 min
      Am 16. August 2012 wurden 34 Bergleute einer Platin-Mine in Marikana bei Rustenburg von der Polizei Schnellfeuergewehren bei einem ›wilden‹ Streik erschossen und 78 Streikende verletzt. Der Film dokumentiert den Streik und rekonstruiert den Kampf gegen das Unternehmen Lonmin, die vom ANC geführte Regierung und ihre eigene Gewerkschaft.
      Gast: tbc. ::::::::::::::::: ›The Truth Lies in Rostock‹Do. 2., 9., 16., 23. oder 30. Juni 2016, 19:30 Uhr
      Ort: about blank, tbc
      Mark Saunders, DE/UK 1993, 78 min
      Die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992 gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus waren die bisher massivsten rassistisch motivierten Angriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte.
      Gäste: tbc. ::::::::::::::::: ----> DIE FILMVORFÜHRUNG MUSS LEIDER AUSFALLEN <----›No Fire Zone – the killing fields of sri lanka‹Do. 15. September 2016, 19:30 Uhr
      Ort: Narr-Bar
      Callum Macrae, LK/UK 2013, 93 min
      Der Dokumentarfilm beschreibt die Periode von September 2008 bis zum Bürgerkriegsende 2009, in der vermutlich mehr als 40.000 Tamilinnen und Tamilen durch Bomben, Granaten und extralegale Hinrichtungen des Sri Lankanischen Militärs umgebracht wurden. Der Film basiert u.a. auf mit Videokamera und Smartphone gefertigten Aufnahmen der Opfer sowie der Täter – und ist daher sehr brutal.
      Gast: tbc. ::::::::::::::::: ›Holiday Camp‹Do. 20. Oktober 2016, 19:30 Uhr
      Ort: B-Lage
      Thorsten Winsel, AUS/DE 2002, 48 min
      Der Film beschreibt den Ausbruchsversuch aus dem australischen Flüchtlingsgefängnis ›Woomera‹ Ostern 2002 – nach Monaten des Protests und Hungerstreiks. 53 Inhaftierten gelingt, unterstützt von Hunderten entsetzter Australier, die Flucht. Untersucht wird die australische Migrationspolitik vor dem Hintergrund von 200 Jahren Kolonialismus, der Enteignung der Ureinwohner, Genozid und der Einkerkerung von Geflüchteten. Gast: Thorsten Winsel (Regisseur), Berlin. ::::::::::::::::: ›RevisionDo. 17. November 2016, 19:30 Uhr
      Ort: Narr-Bar
      Merle Körger/Philip Scheffner, DE 2012, 110 min
      Am 29. Juni 1992 wurden in einem Getreidefeld in Mecklenburg-Vorpommern zwei tote rumänische Staatsbürger gefunden, die beim Versuch, die EU-Grenze zu überschreiten, von Jägern erschossen wurden. Diese gaben an, die Zwei mit Wildschweinen verwechselt zu haben. In dem Prozess 1996 wurden alle Beteiligten frei gesprochen.
      Gäste: Merle Körger & Philip Scheffner (beide: Regie), Berlin. ::::::::::::::::: ›Nacht Grenze MorgenDo. 8. Dezember 2016, 19:30 Uhr
      Ort: B-Lage
      Tuna Kaptan/Felicitas Sonvilla, DE 2013, 30 min
      Zwei junge Männer, der eine Syrer, der andere Palästinenser, schleusen Flüchtlinge auf europäischen Boden. Während die Grenze zur Türkei noch löchrig ist, rüsten die Griechen auf, mit deutscher Unterstützung. Wärmebilder, Zäune, Patrouillen. Warten im Hotel. Warten auf die Nacht. Die Jungs packen, brechen auf. Manchmal schaffen sie es, mal auch nicht.
      Gast: tbc. **************** Veranstaltungsorte* Die B-Lage befindet sich in der Mareschstraße 1 in Berlin-Neukölln (S41/42 Sonnenallee/U7 Karl-Marx-Straße).
      Die Narr-Bar befindet sich in der Böckhstraße 24 in Berlin-Kreuzberg (U8 Schönleinstraße). Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten werden. Filmreihe als PDF]]>
      news-434Wed, 09 Dec 2015 08:36:00 +0100Mord an Rechtsanwalt Tahir Elçi in Diyarbakır<br />Protestkundgebung vor türkischer Botschaft am 10. Dezember/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mord-an-rechtsanwalt-tahir-elci-in-diyarbakir-br-protestkundgebung-vor-tuerkischer-botschaft-am-10-dezember-434Pressemitteilung vom 9.12.15RAV ruft auf zur Protestkundgebung Die Rechtsanwaltskammer von Diyarbakır (Diyarbakır Barosu) weist darauf hin, dass zurzeit alle vorliegenden Erkenntnisse auf die Polizei als Täter deuten. Die Einrichtung einer Untersuchungskommission hat die Regierung in Ankara am 30. November abgelehnt. Die Diyarbakır Barosu fordert daher unter anderemDiese Forderungen unserer Kolleginnen und Kollegen unterstützen wir mit Nachdruck!
      Botschaft der Republik TürkeiTiergartenstraße 19-21, 10785 BerlinDonnerstag, 10. Dezember 2015 um 12.30 Uhr
      Aufruf gemeinsam mit:
      Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK-Berlin)
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
      Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (ELDH)
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) Die Erklärung, die anläßlich dieser Protestaktion vor der Türkischen Botschaft verlesen wurde findet sich hier (Pressemitteilung vom 9.12.15 als PDF)]]>
      Freie Advokatur (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-433Sat, 05 Dec 2015 16:48:00 +0100Massiver staatlicher Rechtsbruch am LAGeSo<br />Anwältinnen und Anwälte stellen Strafantrag gegen Czaja und Allert/publikationen/mitteilungen/mitteilung/massiver-staatlicher-rechtsbruch-am-lageso-br-anwaeltinnen-und-anwaelte-stellen-strafantrag-gegen-czaja-und-allert-433Gemeinsame Pressemitteilung von RAV und VDJ, 7.12.2015Chaotische, undurchschaubare Strukturen am LAGeSo Diese Zustände liegen in der Verantwortung von Sozialsenator Czaja und dem Präsidenten des LAGeSo, Allert – und sie sind hausgemacht. RAV und VDJ unterstützen daher das Anliegen der Kolleginnen und Kollegen, mit der Strafanzeige die politisch und bürokratisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Zugleich fordern RAV und VDJ, dass die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten nicht von der vorherigen Registrierung abhängig gemacht werden darf, wenn diese nicht reibungslos durchgeführt wird. »Zustände wie in Berlin sind bundesweit einzigartig. In keinem anderen Bundesland versagen Politik und Verwaltung so systematisch wie hier«, so Rechtsanwältin Christina Clemm, Vorstandsmitglied im RAV. Verletzungen und Erkrankungen, Hunger und Obdachlosigkeit von Geflüchteten werden in Berlin zum Regelfall. Schwere Verletzungen und Erkrankungen Geflüchteter »Sozialsenator Czaja nimmt schwere Verletzungen und Erkrankungen von Geflüchteten bewusst in Kauf. Unvorstellbar, was geschehen würde, wenn es das einzigartige Engagement der Initiative ›Moabit hilft‹ nicht gäbe«, betont RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff. RAV und VDJ unterstützen die Kolleginnen und Kollegen und erwarten, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die Vorfälle aufklärt und die Schuldigen zur Verantwortung zieht. Informationen zum Hintergrund der Strafanzeigen gegen Sozialsenator Czaja und LAGeSo-Präsidenten Allert geben sowohl Rechtsanwältin Christina Clemm unter 030 622 01748 als auch Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff unter 030 252 93336. Die Pressemitteilung als PDF]]>Migration & Asyl (doublet)news-432Mon, 30 Nov 2015 15:55:00 +0100Wir trauern um unseren Kollegen<br />Tahir Elçi<br />erschossen am 28. November 2015 in Diyarbakır/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-trauern-um-unseren-kollegen-br-tahir-elci-br-erschossen-am-28-november-2015-in-diyarbakir-432We, the undersigned, lawyers organizations from all over the world would like to pay our condolences to his family and colleagues with whom he worked on human rights issues and pay tribute to his determined work to protect the rights of others and promote respect for the rule of law. Am 10.12.2015 ist - auch anläßlich des Tag der Menschenrechte - diese Anzeige in der TAZ erschienen. Am 2.12.2015 ist diese Traueranzeige in den türkischen Tageszeitungen Gündem und Cumhuriyet erschienen.  Der englische Text entspricht dem Inhalt dieser Anzeige. Am 28.11.2015 hat der RAV gemeinsam mit der Berliner Strafverteidigervereinigung eine Solidaritätserklärung nach Diyarbakır geschickt. Diese findet sich hier.


      ]]>
      news-430Tue, 10 Nov 2015 07:48:00 +010010.11.2015 | 11:00 Uhr | Pressegespräch vor dem LAGeSo/publikationen/mitteilungen/mitteilung/10-11-2015-11-00-uhr-pressegespraech-vor-dem-lageso-430PK, 10.11.15RAin Anya Lean, RAV
      Julius Becker, RAV
      Markus Steiger, Bündnis für bedingungsloses Bleiberecht
      NN, Moabit hilft e.V.]]>
      news-429Mon, 09 Nov 2015 17:45:00 +0100Katastrophale Zustände vor dem Berliner LAGeSo/publikationen/mitteilungen/mitteilung/katastrophale-zustaende-vor-dem-berliner-lageso-429Pressemitteilung vom 9.11.2015rechtsberatunglageso.blogsport.eu/ oder rechtsberatung@riseup.net Pressemitteilung als PDF Ein Pressegespräch wird am 10.11.15 um 11 Uhr vor dem LAGeSo durchgeführt - herzliche Einladung!]]>Migration & Asyl (doublet)news-428Thu, 15 Oct 2015 07:46:00 +0200Die Würde des Menschen gilt für Alle<br />Nein zur erneuten Asylrechtsverschärfung!<br />Nicht in unserem Namen! /publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-wuerde-des-menschen-gilt-fuer-alle-br-nein-zur-erneuten-asylrechtsverschaerfung-br-nicht-in-unserem-namen-428Protestaktion vor dem Bundestag- Verlängerung der Zwangsunterbringung in Erstaufnahmelagern bis zu 6 Monaten bei gleichzeitigem Arbeitsverbot für alle.
      - Flüchtlinge aus "sicheren Herkunftsländern" sollen für die gesamte Dauer des Verfahrens in diesen Lagern leben müssen und auch als "Geduldete" nicht arbeiten dürfen.
      - Absenkung von Sozialleistungen für Ausreisepflichtige unter das vom Verfassungsgericht definierte menschenwürdige Existenzminimum.
      - Generelle Stärkung des sogenannten „Sachleistungsprinzips“
      - Einstufung von Staaten wie bspw. des Kosovo, in dem fünftausend KFOR-Soldaten stationiert sind, als sicheres Herkunftsland um, ohne gründliche Prüfung der politischen Umstände, Menschen aus den Ländern des Balkans schnell in eine gefährliche Zukunft Abschieben zu können.
      - Erschwerter Zugang zu Härtefallkommissionen und die gesetzliche Vorgabe zur Abschiebung ohne Ankündigung Dies ist bereits die zweite Asylrechtsverschärfung dieses Jahres. Stand bei der letzten Verschärfung im Juli die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge durch die Ausweitung von Haftmöglichkeiten und Einreisesperren im Vordergrund, geht es jetzt darum, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ein solches Vorgehen ist schäbig und steht im Gegensatz zu den Prinzipen einer solidarischen Gesellschaft, wie wir sie wollen. Die Würde des Menschen ist nicht einschränkbar! Dies wird nicht der letzte Angriff auf das Grundrecht auf Asyl bleiben. Weitere einschneidende Maßnahmen, wie die Einführung von Asyl-Schnellverfahren direkt an den Grenzen, befinden sich bereits in der Vorbereitung. Begleitet wird das ganze durch eine Diskussion über „gute“ und „schlechte“ Geflüchtete: für die Guten Integration, für die Schlechten Haft und Abschiebung. Genau hier finden Nazis und Pegida Anschlussmöglichkeiten. Mit Willkommenskultur hat das alles nichts zu tun. Im Gegenteil: Es steht dem Engagement von vielen Menschen in den letzten Wochen und Monaten diametral gegenüber! Wir fordern die Abgeordneten dazu auf, sich dieser verlogenen Doppelmoral zu verweigern und dieser rassistischen Gesetzgebung nicht zuzustimmen. Am 15.10.2015, von 9.30 bis 11.30 findet unser Protest auf der Wiese vor dem Bundestag statt. Lasst uns dort zeigen, dass diese dramatische Verschärfung des politischen Drucks auf Flüchtlinge und Menschen in Not nicht ohne Widerspruch bleiben wird! Lasst und gemeinsam auf Schildern, Pappen und Plakaten den Verantwortlichen vor Augen führen, dass diese Politik nicht in unserem Namen geschieht! „Asylrechtsverschärfung? – nicht in meinem Namen!“ - „Angriffe auf die Existenz von Flüchtlingen? - Nicht in meinem Namen!“ „Unverantwortliche Ausweitung der 'Sicheren Herkunftsländer'? - Nicht in meinem Namen!“ „Menschenwürde nicht mehr für alle? - Nicht in meinem Namen! Bringt eigene Schilder und Pappen mit oder malt diese vor Ort! #nicht_in_meinem_namen !  Um 17 Uhr findet eine weitere Demonstration gegen die Asylrechtsverschärfung statt: https://www.facebook.com/events/893049840776471/ ++++++++++ english version ++++++++++ Call for participation in english: Human dignity applies to everybody – No to restrictions to the right of asylum!
      Not in our name! On October 15th 2015 the German parliament is to adopt the “Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz” (law to expedite asylum proceedings). One day later this law is to pass the Federal Assembly and come into force on November 1st. This will result in a massive deterioration of living conditions for refugees in Germany:  - Forced placement of refugees from the western balkans in reception camps until they are deported.Prolongation of forced placement in reception camps for up to six months and simultaneous prohibition of work for everybody whose application for asylum was rejected and who is only permitted to remain until being deported.
      - People obligated to leave only receive social benefits that are reduced to way under the subsistence minimum that is in line with human dignity as defined by the constitutional court.
      - General intensification of the “principle of benefit in kind” (Sachleistungsprinzip).
      - Classification of countries, like for example the Kosovo, where 5000 KFOR-soldiers are stationed, as safe countries of origin, so that people from the Balkan states can be deported faster, without thorough assessment of the political circumstances.
      - Impeded access to Hardship Commissions and the statutory condition for deportation without notice.This is already the second restriction to the right of asylum in this year.

      The last restriction in July limited the freedom of movement of refugees by extending the grounds for imprisonment and establishing entry bans, now the aim is to make their lives as miserable as possible.These methods are despicable and are a contradiction of the principles of the solidary society we envision. Human dignity cannot be restricted! This won’t be the last attack on the basic right to asylum. Further drastic measures, like the implementation of accelerated asylum procedures directly at the border, are already in planning. All this is accompanied by a discussion about “good” and “bad” refugees: Integration for the “good ones”, imprisonment and deportation for the “bad ones”. And this is where Nazis and Pegida can connect. This has nothing to do with “Willkommenskultur” (welcome culture). On the contrary: It is diametrically opposed to the dedicated commitment of many people in the last weeks and months. We urge the members of parliament to reject these dishonest double standards and vote against this racist legislation. On October 15th from 9:30 to 11:30 am we will show our protest on the lawn in front of the Parliament (Bundestag). Let’s show them that this dramatic political pressure on refugees and people in need will not remain without objection! Let us together, on signs, posters and banners, show the people responsible that these politics are not in our name! “Restriction to the right of asylum? Not in my name!” “Attacks on the livelihood of refugees? Not in my name!” “Irresponsible extension of “safe countries of origin”? Not in my name!” “Human dignity not for everybody anymore? Not in my name!”Bring your own signs and banners or paint them on site. At 5 PM there is another demonstration against the restrictions to the right of asylum: https://www.facebook.com/events/893049840776471/Aufruf unterstützt von/ This call is supported by: Karsten Melang, Flüchtlingsrat Thüringen
      Udine Zachlot, Flüchtlingsrat Thüringen
      Christine Hoffmann, Pax Christi
      Heike Behrens, Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
      Christoph Kleine, Interventionistische Linke
      Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Tom Strohschneider, Tageszeitung, Neues Deutschland
      Jan Duschek, Bundesjugendsekretär ver.di
      Romin Khan, Referent für Migrationspolitik ver.di
      Ali Al Dailami, Mitglied Parteivorstand DIE LINKE
      Mürvet Ötztürk, MdL Hessen,
      Erdogan Kaya, Vorsitzende des Bundesmigrationsausschusses ver.di
      Colin Turner, Freiwillige HelferInnen München
      Ernes Erko Kalač, Flüchlingsbeauftragter des Zentralrats der Muslime in Deutschland
      Peer Stolle, Republikanischer Anwältinnen– und Anwälte Verein e.V. (RAV)
      Prof. Dr. Klaus J. Bade, Migrationsforscher Berlin
      Jürgen Hölzinger, Menschenrechtsausschuss der Ärztekammer Berlin
      Heiko Kauffmann, Mitbegründer von PRO ASYL, Aachener Friedenspreis-Träger 2001
      Claire Deery, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Niedersachsen e.V.
      Volker Maria Hügel, Vorstandsmitglied der bundes-weiten AG für Flüchtlinge PRO ASYL
      Prof. Dr. Albert Scherr, Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Jonas Berhe, Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD)
      Sabine Will, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutin
      Iddo Beth-Hallahmi, Salaam-Shalom Initiative Berlin
      Shermin Langhoff, Indendantin des Maxim Gorki Theaters Berlin
      Ludwig Haugk, Chefdramaturg des Maxim Gorki Theaters Berlin
      Christian Jakob, Journalist
      Andrea Iman Reimann, Deutschsprachiger Muslimkreis Berlin]]>
      news-414Fri, 04 Sep 2015 11:24:00 +0200Aufruf zur Demonstration<br />NEIN zu TTIP, CETA und TISA/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufruf-zur-demonstration-br-nein-zu-ttip-ceta-und-tisa-414Pressemitteilung vom 1.9.15Dieses Verfahren ist undemokratisch. In CETA und TTIP sind außerstaatliche Schiedsgerichte vorgesehen, die verbindlich über Ansprüche von Investoren über Schadensersatzansprüche gegen Staaten entscheiden. Schiedsgerichte sind nicht an das Grundgesetz oder europäisches Recht gebunden, ihre Entscheidungen sind selbst dann verbindlich, wenn sie gegen das Grundgesetz oder europäisches Recht verstoßen (Beispiel Mikula vs. Rumänien). Die Gefahr von Schadensersatzansprüchen gefährdet die Entscheidungsfreiheit des demokratischen gewählten Gesetzgebers. Schiedsgerichte dienen einzig den Interessen der Investoren und können nur von ihnen in Anspruch genommen werden. Organisationen wie Gewerkschaften oder Umweltverbände haben weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene die Möglichkeit von Investoren die Einhaltung von sozialen und arbeitsrechtlichen Schutznormen, von Bestimmungen des Gesundheitsschutzes oder des Umweltschutzes zu erzwingen und für eingetretene Schäden für die betroffenen Bürger Ersatzleistungen vor nationalen oder internationalen Gerichten oder Schiedsgerichten durchzusetzen. Die ausgleichende Funktion des Rechts im sozialen Rechtsstaat wird reduziert auf einen reinen Investorenschutz. Die "Freihandels- und Investitionsschutzabkommen" und die in ihnen enthaltenen marktbezogenen Regulierungsbegrenzungen gelten zeitlich unbegrenzt und können nur einvernehmlich (was kaum möglich sein wird) gekündigt werden. Der demokratische Prozess muss für die Zukunft offenbleiben, damit bei anderen Mehrheiten andere Entscheidungen getroffen werden können (BVerfG-Urteil vom 12.9.2012 zu ESM). Die praktische Unumkehrbarkeit der geplanten Abkommen ist ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Wir fordern deshalbDiesen Forderungen sollten wir durch eine breite Teilnahme an der Großdemonstration am Samstag, dem 10. Oktober 2015 um 12:00 Uhr am Berliner Hauptbahnhof Nachdruck verleihen. Aufruf/PM als PDF hier]]>news-417Fri, 28 Aug 2015 14:42:00 +0200Filmvorführung ›Wadim‹ am 17.9.2015 in Berlin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-wadim-am-17-9-2015-in-berlin-417Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹›WADIM‹ Dokumentarfilm von Carsten Rau und Hauke Wendler Filmvorführung in Anwesenheit des Rechtsanwalts Markus Prottung aus Hamburg, der die Familie seinerzeit anwaltlich vertreten und begleitet hat. RA Prottung wird im Anschluss an die Filmvorführung für Fragen zur Verfügung stehen. Donnerstag 17.9.15 | 19:30 h
      Mosaik-Raum* | Oranienstr. 34 | Berlin-Kreuzberg
      Eintritt frei.
      Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. Der 90-minütige Dokumentarfilm 'WADIM' setzt das Mosaik eines kurzen Lebens zusammen, das für 87.000 andere Menschen steht, die heute mit einer Duldung in Deutschland leben. Über Fotos und Videos aus dem Familienbesitz sowie über Interviews mit Wadims Eltern, Freunden, seiner Jugendliebe und anderen Zeitzeugen zeigt er, wie Wadims Familie zerbricht und sich der Junge verändert: Von einem fröhlichen Kind, das ein Gymnasium besucht und Fagott spielt, hin zu einem Getriebenen, der sein Zuhause verliert, in einem lettischen Obdachlosenheim landet und am Ende den eigenen Sorgen und Ängsten nicht mehr standhält.
      Der Film zeigt eindringlich, wie Menschen kämpfen müssen, um in diesem Land einen Platz für sich zu finden. Ein halbes Jahr lang begleiten die Autoren Wadims Eltern, die in teils beklemmender Offenheit von ihren Hoffnungen, Träumen und ihrem Scheitern berichten. Dabei hinterfragt der Dokumentarfilm 'WADIM' auch das starre Gerüst von Aufenthaltsrecht und Bürokratie, in dem der Einzelne nichts zählt. Er stößt beim Zuschauer Gedanken an, die angesichts der Integrationsdebatte in Deutschland hochaktuell sind: Wo gehört ein Mensch hin? Was ist Heimat? Und darf man sie jemandem per Gesetz wegnehmen? Trailer: http://www.wadim-der-film.de/trailer.html *Mosaik-Raum, Oranienstr. 34, Berlin-Kreuzberg
      (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem "Familiengarten")
      U1/U8 Kottbusser Tor, Bus 29 Die Filmabende sollen der Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen dienen und einen zwanglosen politischen Austausch – jenseits üblicher Podiumsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Arbeitstreffen – unter unseren Mitgliedern, FreundInnen und Interessierten anregen. Rückblick auf die bisherige Filmreihe, die in 2016 weitergeführt werden wird.]]>
      Migration & Asyl (doublet)
      news-416Wed, 26 Aug 2015 09:39:00 +0200Zeltstadt Dresden: Das Land muss seinen Pflichten nachkommen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zeltstadt-dresden-das-land-muss-seinen-pflichten-nachkommen-416Gemeinsame Presseerklärung, 30.07.15Gemeinsame Presseerklärung von Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, dem Kulturbüro Sachsen e.V., RAA Sachsen e.V., des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), des Netzwerks Asyl, Migration und Flucht (NAMF), Medinetz Dresden und der Initiative „Wilkommen in Löbtau“ vom 30.07.2015Zeltstadt Dresden: Das Land muss seinen Pflichten nachkommen Die steigenden Zahlen von Geflüchteten sind seit langem Realität und bedürfen umfassender Konzepte. Davon ist beim Thema Asyl in Sachsen- zu Lasten der Geflüchteten - nichts erkennbar. Rechtsanwältin Dr. Kati Lang vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) erklärt: „Der Freistaat Sachsen verletzt mit der Unterbringung von Flüchtlingen, in dem in Dresden errichteten Zeltlager Grund- und Menschenrechte. Die Gewährleistung von medizinischer Versorgung, menschenwürdiger Unterbringung, Schutz gegen rassistische Angriffe sowie hygienischen Standards ist staatliche Pflicht. Mit der Errichtung eines solchen Zeltlagers handeln die verantwortlichen Behörden entgegen dem geltenden Recht. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Standards wie der unverzüglichen Registrierung der Asylanträge, menschenwürdiger Unterbringung und Versorgung muss unverzüglich hergestellt werden.“ „Geflüchtete in diesem gesellschaftlichen Klima in Zelten unterzubringen, macht sie in höchstem Maße angreifbar für rassistische Gewalt. Zudem halten wir diese Form der Unterbringung von zum Teil traumatisierten Menschen für inakzeptabel.“ kritisiert Kathrin Bastet von Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen. Das „Medinetz Dresden“ kritisiert: „Die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge in der Zeltstadt ist unzureichend. Das Dresdner Rote Kreuz ist sehr engagiert, eine ärztliche Versorgung durch das DRK ist jedoch nicht möglich. Engagierte Dresdner ÄrztInnen versuchen diese durch das Innenministerium verantwortete Versorgungslücke durch freiwillige Arbeit im Zeltlager aufzufangen. Diese Notlösungen können eine regelmäßige, fachlich kompetente ärztliche Versorgung nicht ersetzen. Unbedingt notwendig ist hier die Einrichtung einer regelmäßigen, zunächst täglich stattfindenden allgemeinärztlichen und pädiatrischen Sprechstunde in der auch kompetente DolmetscherInnen zur Verfügung stehen. Innenminister Ulbig muss sich dringend um funktionierende Strukturen kümmern!“ Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen e.V. fordert: „Es braucht durch die politisch Verantwortlichen eine verbindliche, klar terminierte und öffentlich kommunizierte Information darüber, bis wann das als Erstaufnahmeeinrichtung fungierende Zeltlager aufrechterhalten wird. Diese Interimslösung kann und darf kein dauerhafter Zustand für die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Sachsen sein.“ Stefan Stein vom „Netzwerk Asyl Migration Flucht Dresden“ (NAMF) sagt: „Der Freistaat darf sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen und sich bei der ausreichenden Versorgung der Geflüchteten auf die Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft verlassen. Diese erkennbar große Hilfsbereitschaft ist zweifelsohne eine positive Entwicklung- kann aber nicht die planerischen Versäumnisse, schlechte Kommunikation und Ignoranz der politisch Verantwortlichen, insbesondere des Sächsischen Innenministeriums, auffangen.“ Frederik Kuschewski von der Initiative „Willkommen in Löbtau“ betont: „Es muss grundsätzlich gewährleistet werden, dass nicht-staatliche Hilfs-und Beratungsangebote freien Zugang zu den Geflüchteten haben und diese professionell über ihre Rechte im Asylverfahren informiert werden.“ Robert Kusche, Geschäftsführer des Bereichs Opferberatung des RAA Sachsen e.V. hat wiederholt betont: „Flüchtlinge bedürfen des besonderen Schutzes durch den Staat. Insbesondere, weil es in Sachsen ein nicht unerhebliches Potential an Menschen gibt, die vor rassistisch motivierter Gewalt, Brandstiftung und Hetze nicht zurückschrecken. Ereignisse der letzten Monate machen dies erschreckend deutlich.“]]>news-415Tue, 18 Aug 2015 08:27:00 +0200StN_RefE_Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-refe-unterbringung-in-einem-psychiatrischen-krankenhaus-gem-63-stgb-415Stellungnahme vom 27.7.15A. Einleitung Die Unterbringung gem. § 63 StGB ist seit längerem dringend reformbedürftig, sowohl in der justiziellen und forensisch-psychiatrischen Praxis (in puncto Anordnung, Vollstreckung und Vollzug) als auch hinsichtlich der dafür erforderlichen Rechtsgrundlagen. Der Verfasser dieser Stellungnahme hat die Entwicklung des psychiatrischen Maßregelvollzuges in einem erst kürzlich erschienen Beitrag für die „Neue Kriminalpolitik“ (1/2015 S. 25-47) nachgezeichnet: Darin wird der Reformstau beschrieben und die „Forensische Psychiatrie“ als Behandlungsfall charakterisiert; außerdem werden die überfälligen Reformforderungen im Lichte der aktuellen Reformvorschläge diskutiert (aaO S. 36 ff.), wobei insb. auch auf das Eckpunktepapier des BMJ vom Juli 2013 und den Abschlussbericht der Bund-Länder-AG vom Dezember 2014 eingegangen wird. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hierauf vollinhaltlich Bezug genommen (hier als PDF) und im Folgenden ausschließlich auf Details der geplanten Einzelregelungen (s.u. B. zum StGB und C. zur StPO)(1) sowie auf den Entwurf zu § 67 Abs. 6 StGB-neu (der in den bisherigen Entwürfen noch nicht enthalten war) eingegangen (s.u. D.). B. zu den StGB-Einzelregelungen (§§ 63, 67d)I. zur Neufassung des § 63 StGB1. § 63 S. 1 StGB nF Der Versuch, bereits die Anordnungsvoraussetzungen einzugrenzen, ist grundsätzlich zu begrüßen, der Vorschlag geht jedoch nicht weit genug. Die drohenden Taten, die die unbefristete (und deshalb potenziell lebenslange) Freiheitsentziehung in der forensischen Psychiatrie legitimieren sollen, auf solche zu reduzieren, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird", bleibt in zweierlei Hinsicht hinter dem Ziel zurück, die Zahl der Unterbringungsanordnungen deutlich zu reduzieren. Einerseits ist die hiermit konstruierte (wenn auch bereits dem geltenden Recht immanente) "Gefahr der Gefährdung" zu kritisieren: Als Maßnahme der Gefahrenabwehr kann eine solche freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung ihre Legitimation allenfalls daraus ableiten, zu erwartende Taten zu verhindern, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt" werden. Werden potenzielle ‚Opfer‘ lediglich "gefährdet", ohne dass bereits die Gefahr besteht, sie würden seelisch oder körperlich auch "erheblich geschädigt", so kann der Schutz vor einer solchen Gefährdung das mit der Freiheitsentziehung durch den Betroffenen erbrachte Sonderopfer nicht aufwiegen. Eine solche „Gefahr der Gefährdung“ ist auch kriminalprognostisch derart vage, dass sie nicht geeignet erscheint, die forensisch-psychiatrische Freiheitsentziehung zu legitimieren. Andererseits ist die Gefahr, dass „wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird", auch dann keine hinreichende Legitimation, wenn „schwerer" wirtschaftlicher Schaden droht. Es ist kein Zufall, dass sich der für § 63 StGB-E vorgeschlagene Maßstab (s.o.) von dem des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB für die Sicherungsverwahrung abhebt, der auf einen „Hang zu erheblichen Straftaten" abstellt, „namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt" werden. Einmal abgesehen von sonstigen Probleme in der Gleichstellung der gem. § 63 StGB einer- und § 66 StGB andererseits Untergebrachten (s. auch u. II. 2.), ist der genannte Unterschied aber weder nachvollziehbar noch legitimierbar und birgt die Gefahr der Diskriminierung (s.u. 3 a). 2. § 63 S. 2 nF Das Problem, dass eine tatbestandliche Reduzierung auf der Ebene der „zu erwartenden Taten" nicht ausreicht, um Unterbringungsanordnungen zu verhindern, die sich im Hinblick auf die „begangenen Tat(en)" als unverhältnismäßig erweisen, wurde erkannt, aber nur halbherzig gelöst: Dass eine Anordnung bei Taten, die im Hinblick auf den neuen S. 1 (s.o.) zukünftig nicht mehr als erheblich gelten, zulässig sein soll, „wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird", verschiebt das Verhältnismäßigkeitsproblem auf die Prognoseebene, wo es – wie die Erfahrung zeigt – nicht gut aufgehoben ist. Zwar wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet, so dass die Unterbringungsanordnung in den genannten Fällen die Ausnahme sein soll, was zunächst einmal zu begrüßen ist, es besteht jedoch auch weiterhin die Gefahr, dass es im Hinblick auf die Anlasstat(en) zu unverhältnismäßigen Unterbringungsanordnungen kommt, denen man mit § 62 StGB alleine nur schwer beikommen wird. In Anbetracht der notorischen kriminalprognostischen Unsicherheiten ist das Gebot der Stunde, solange an unbefristeten kriminalrechtlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr festgehalten wird, die Stärkung materieller Rechtssicherheit, u.a. durch Verschärfung der Anordnungsvoraussetzungen (dazu Pollähne in: Pollähne/Rode (Hg.), Probleme unbefristeter Freiheitsentziehungen, 2010, 98 ff. sowie ders., Kriminalprognostik, 2011, 299 ff.): Hat der Betroffene m.a.W. keine „erheblichen" rechtswidrigen Taten begangen, hat die Unterbringung zu unterbleiben. 3. was fehlt?! a) Die Unterbringung gem. § 63 StGB ist – zumal mit der Bezugnahme auf die §§ 20, 21 StGB – im Hinblick insb. auf die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) grundsätzlich infrage zu stellen. Das liegt nicht nur an der Unbestimmtheit der §§ 20, 21 StGB (ausf. dazu Schiemann, in: Pollähne/Lange-Joest (Hg.), Verbrechen, Rechtfertigungen, Wahnsysteme, 2014, 101 ff. m.w.N.), sondern auch an der in ihnen angelegten Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, zu denen die meisten der Betroffenen i.S.d. UN-BRK zu rechnen sind. Außerdem ist in § 63 StGB die Gefahr angelegt, Freiheitsentziehungen zu begründen, die mit Art. 14 UN-BRK nicht vereinbar sind (ausf. dazu Tolmein in: Pollähne/ Lange-Joest (Hg.), Forensische Psychiatrie – selbst ein Behandlungsfall? 2015, 79 ff. m.w.N., vgl. auch Pollähne in Aichele (Hg.) Das Menschenrecht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht, 2013, 173 und 193). Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich der RefE zu dieser Problematik noch nicht einmal ansatzweise äußert. b) Systemimmanent ist zu kritisieren, dass der RefE daran festhält, die Unterbringung (bei Vorliegen der jew. Voraussetzungen) ausschließlich „in einem psychiatrischen Krankenhaus" vorzusehen: Einerseits wären durchaus andere Institutionen des psycho-sozialen Versorgungssystems denkbar, um dem angestrebten Zweck – nicht zuletzt i.S.d. Subsidiaritätsprinzips – gerecht zu werden; andererseits hätte es nahegelegen, die neuen Diskussionen um den Ausbau der sozialtherapeutischen Anstalt (ehedem. § 65 StGB) resp. deren Renaissance als Maßregel aufzugreifen, wie dies in § 63 Abs. 2 StGB i.d.F. von 1969 bereits einmal vorgesehen war. c) Nach der Ersetzung des ehem. § 42e StGB aF durch § 63 wurde längere Zeit die Auffassung vertreten, die Geltung des Subsidiaritätsprinzips bereits auf der Anordnungsebene (ehedem hervorgehoben durch das Kriterium der „Erforderlichkeit") sei durch den seinerzeit neuen § 67b StGB (s.u. III. 2.) suspendiert worden; eine Auffassung, die bereits damals verfassungsrechtlich nicht haltbar war. In Rechtsprechung und Literatur ist die Geltung des Subsidiaritätsprinzips auf der Anordnungsebene allerdings nachwievor umstritten, so dass eine legislative Klarstellung (des verfassungsrechtlich Selbstverständlichen) dringend angezeigt erscheint. Da das Missverständnis auch durch § 62 StGB mitbegründet wird, könnte sich eine Klarstellung des Umfangs der im Maßregelrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzipien (insb. Geeignetheit und Erforderlichkeit, und nicht ‚nur‘ Verhältnismäßigkeit i.e.S.) anbieten. Will man an Unterschieden zwischen einzelnen Maßregeln festhalten, böte sich eine Ergänzung in § 63 StGB an, die das Kriterium der Erforderlichkeit der (freiheitsentziehenden) Unterbringung wieder explizit zum Ausdruck bringt (so wie dies auch in § 126a Abs. 1 StPO der Fall ist). II. zur Neufassung des § 67d 1. § 67d Abs. 2 nF In § 67d Abs. 2 S. 1 StGB das Wörtchen „erheblichen" einzufügen, bedarf keiner weiteren Anmerkung, handelt es sich doch im Hinblick auf die völlig einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass allenfalls weitere „erhebliche rechtswidrige Taten“ die Fortdauer der Unterbringung (ebenso wie ihre Anordnung) rechtfertigen können, nur um eine redaktionelle Klarstellung.  Mindestens so wichtig wäre hingegen die Klarstellung gewesen, dass sich jene Erheblichkeit an der Neufassung des § 63 S. 1 StGB-E zu orientieren hat (ungeachtet der Neuregelung in Abs. 6, s.u.). 2. § 67d Abs. 6 nF Für das Reformvorhaben, unverhältnismäßigen Freiheitsentziehungen in der forensischen Psychiatrie gem. § 63 StGB vorzubeugen, erlangt diese Neuregelung eine Schlüsselrolle – für (zu) viele Betroffene im wahrsten Sinne des Wortes! Auch hier gilt (wie bei § 63 StGB-E, s.o. I.) jedoch: Das Vorhaben ist im Ansatz zu begrüßen, bleibt aber auf halber Strecke stehen. Zu fordern wäre eine absolute Befristung der Maßregel, die diesen Namen verdient, der RefE bietet demgegenüber nur eine relative Befristung, und die auch nur „in der Regel": - Dauere die Unterbringung sechs Jahre, sei ihre Fortdauer „in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden." Damit fällt der RefE – ohne nachvollziehbaren Grund – erheblich hinter die Vorschläge des Eckpunktepapiers von 2013 zurück, das eine Staffelung von 4 bzw. 8 Jahren vorsah. Um die Brisanz zu erkennen, muss die Regelung umgekehrt gelesen werden: Obwohl nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder (auch 'nur') in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden, könnte er in Ausnahmefällen länger als sechs Jahre (bis max. 10 Jahre, s.u.) untergebracht werden. - Sind sogar zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, soll die für die Sicherungsverwahrung in § 67d Abs. 3 S. 1 StGB vorgesehene Regel „entsprechend" gelten: Danach wäre auch die Unterbringung nach § 63 StGB für „erledigt" zu erklären, „wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche [rechtswidrige Taten] begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". Darin liegt einerseits eine zu begrüßende kriminalprognostische Beweislastumkehr; andererseits ist die Zehnjahresgrenze hier ebenso problematisch wie bei der Sicherungsverwahrung. III. was noch fehlt!1. § 67 Abs. 4 (bzw. 6 nF) StGB Von den zahlreichen Anrechnungsproblemen beim Nebeneinander von Strafe und Maßregel aus einem Verfahren(2) (zu verfahrensfremden Strafen s.u. D.) wird eines durch die geplante Neufassung des § 67d Abs. 6 StGB (s.o. II. 2.) eher noch verschärft, was der RefE offenbar übersehen hat: Wird eine Maßregel nach §§ 63, 21 StGB infolge Unverhältnismäßigkeit für erledigt erklärt, bleibt von der Begleitstrafe gem. § 67 Abs. 4 StGB ein Strafdrittel über, dessen Vollstreckung in der Regel mangels günstige Prognose nicht gem. § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Betroffene muss deshalb nach Beendigung einer unverhältnismäßig langen Freiheitsentziehung noch ein (mehr oder weniger langes, je nach Urteil) Strafdrittel verbüßen.(3) Ihn auf das Gnadenrecht zu verweisen, sollte eines Rechtsstaats unwürdig sein. Da es eine ‚Erledigung‘ der Strafe aus Gründen der (hier: erst recht) Unverhältnismäßigkeit von Gesetzes wegen nicht gibt, ist der Gesetzgeber gefordert, dieser Absurdität ein Ende zu bereiten! 2. § 67b StGB Für die Verhinderung potenziell unverhältnismäßiger Freiheitsentziehungen in der forensischen Psychiatrie gem. § 63 StGB spielt § 67b StGB – jenseits der verstärkten Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bereits auf der Anordnungsebene (s.o. I. 3. c) – eine wesentliche Rolle, die es legislativ(4) zu stärken gilt: Einerseits verstärkt die Forderung „besonderer Umstände" (ähnlich § 56 Abs. 2 StGB) die Wahrnehmung der Vorschrift als Ausnahme-Regelung, was nicht sachgerecht ist: Wenn „die Erwartung [zu] rechtfertigen“ ist, dass der „Zweck der Maßregel" (Besserung und Sicherung) auch durch deren Anordnung mit gleichzeitiger Aussetzung zur Bewährung „erreicht werden kann", dann bedarf es keiner „besonderen Umstände", um dieses Vorgehen zu legitimieren. Andererseits ist das Festklammern an der Zweijahresgrenze (§ 67b Abs. 1 S. 2 in Anlehnung an § 56 Abs. 2 StGB) im Hinblick auf ggf. verhängte Begleitstrafen sachwidrig, abgesehen von der darin liegenden Diskriminierung derer, die gem. § 63 StGB i.V.m. § 21 StGB untergebracht wurden im Vergleich mit denjenigen, deren Unterbringung i.V.m. § 20 StGB erfolgte. Selbstverständlich kann sich die Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregel des § 63 StGB auch bei längeren Begleitstrafen als nicht erforderlich und deshalb als unverhältnismäßig erweisen: Sollte die Gefahr bestehen, dass sich der Verurteilte in Anbetracht längerer Begleitstrafen der Vollstreckung entzieht, wären schon die tatbestandlichen  Voraussetzungen der Aussetzung nicht gegeben; der Konflikt mit den §§ 56, 57 StGB (die freilich ihrerseits reformbedürftig sind, gerade auch im Hinblick auf die Zweijahresgrenzen) könnte durch eine Anrechnungsregelung ausgeräumt werden. 3. § 67e StGB Dass die noch im Eckpunktepapier 2013 vorgesehene wichtige Neuregelung der Überprüfungsfristen in § 67e StGB (im Sinne ihrer gestaffelten Verkürzung) vollständig entfallen ist, befremdet. Zur Verhinderung übermäßig langer Unterbringungszeiten braucht es – im Rahmen des Konzepts prozeduraler Rechtssicherheit (BVerfGE 109, 130 und 117, 71) – kürzerer Prüfungszeiträume, als es die derzeitigen lediglich jährlichen Überprüfungen gewährleisten. Man versetze sich einmal in die Situation eines Untergebrachten, der am Ende der StVK-Anhörung vom Vorsitzenden hört, man sehe sich dann in einem Jahr wieder: Gerade in der forensischen Psychiatrie sollte man sich nicht damit beruhigen, der Untergebrachte könne ja jederzeit einen Antrag auf Überprüfung stellen. C. zu den StPO-Einzelregelungen (§ 463)
      I. zu § 463 Abs. 4 StPO nF
      1. § 463 Abs. 4 S. 1 StPO nF
      Eine „Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist", bevor die StVK über die Fortdauer der Vollstreckung entscheidet, ist bereits jetzt eine pure Selbstverständlichkeit und bedürfte eigentlich keiner Vergesetzlichung. Dass es sich dabei immer um eine „gutachterliche Stellungnahme" handelt, erscheint fraglich: Soweit der Regelungsvorschlag als Appell zu begreifen ist, diese Stellungnahmen fachlich aufzuwerten, wäre dies zu begrüßen, auch wenn dem Missverständnis vorzubeugen ist, jene Stellungnahmen mit (echten) Gutachten zu verwechseln. In diesem Zusammenhang ist die Schweigepflicht gem. § 203 StGB ein ungelöstes Problem (vgl. nur Waider und Tolmein in: Pollähne/Rode (Hg.) Schweigepflicht und Datenschutz, 2010, 99 ff. und 123 ff.), das die psychiatrische und justizielle Praxis vor ebenso schwierige Entscheidungen stellt, wie den Betroffenen selbst und seine Verteidigung. Hier besteht legislativer Klärungsbedarf. 2. § 463 Abs. 4 S. 2 bis 5 StPO nF Im Rahmen eines Konzepts prozeduraler Rechtssicherheit erhalten externe Begutachtungen eine zentrale Rolle (vgl. BVerfG aaO). Insoweit ist zu begrüßen, dass solche Gutachten nicht erst – wie bisher – nach fünf Jahren, sondern bereits nach jeweils drei Jahren (wie bereits jetzt in Teilen des Landes-Maßregelvollzugsrechts) und „ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren [sogar] nach jeweils zwei Jahren" eingeholt werden sollen. Es darf jedoch (ohne dass auf Anhieb ersichtlich wäre, wie dies legislativ 'einzufangen' ist) nicht übersehen werden, dass externe Gutachten kein 'Allheilmittel' zur Eindämmung unverhältnismäßiger Freiheitsentziehungen in der forensischen Psychiatrie sind und dass sie sich in nicht wenigen Fällen gar als kontraproduktiv erweisen: Umso mehr negative externe Gutachten der Untergebrachte ansammelt, um so unwahrscheinlicher, dass er jemals auf Bewährung entlassen wird; stattdessen muss er auf Unverhältnismäßigkeit hoffen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die in § 463 Abs. 4 S. 3 StPO-E vorgesehene Klarstellung, wonach der externe Gutachter auch nicht „das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben" darf, über das Ziel hinausgeschossen: Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen es nicht nur sachgerecht sondern auch den Interessen des Betroffenen förderlich wäre, den oder die letzte Gutachter/in nach drei Jahren erneut zu beauftragen; dem Untergebrachten dann einen neuen Sachverständigen aufzuzwingen, ist abwegig. Ähnliches gilt für den – ebenfalls 'gut gemeinten' – neuen Satz 4, demzufolge der Sachverständige, „der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, … auch nicht in dem Verfahren beauftragt gewesen sein [darf], in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist." Es gibt durchaus Einweisungsgutachten, die deutlich zurückhaltender sind, als die nachfolgenden „sachverständigen" Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung. Weshalb jener Gutachter – allemal mit (anwaltlich beratener) Zustimmung des Untergebrachten – nicht erneut dazu gehört werden sollte, ob er sich z.B. das, was sich seit dem Urteil im Maßregelvollzug tat, so vorgestellt hat, erschließt sich nicht. Mit der Begutachtung sollen – so der Entwurf in Satz 5 – nur „ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen." Das ist ein hehres Ziel und mehr kann in einer Strafprozess-Ordnung wohl auch nicht geregelt werden. Worin die „forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung" besteht und wie sie zertifiziert wird, um der Justiziabilität offen zu stehen, muss wohl andernorts geregelt und gewährleistet werden. Die Veränderungen der gutachterlichen Landschaft verdienen allerdings verstärkt Beachtung: Immer häufiger werden von den Gerichten z.B. niedergelassene Gutachter hinzugezogen, deren klinische und therapeutische Erfahrung mehr und mehr verblasst; sie befinden über Diagnosen, Prognosen und Behandlungsaussichten weitgehend vom Schreibtisch aus. Ungeachtet dessen sei angemerkt, dass nicht 'nur' die psychologischen Sachverständigen auch über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen sollten, sondern umgekehrt die ärztlichen Sachverständigen auch über – um im Duktus zu bleiben – „forensisch-psychologische" Sachkunde und Erfahrung. Darüber hinaus wird sowohl die forensisch-psychiatrische wie -psychologische Sachkunde und Erfahrung nicht ohne kriminologisches Zusatzwissen auskommen: Die geplante gesetzliche Fassung betont – gerade auch in kriminalprognostischer Hinsicht – zu einseitig die medizinische Dimension. 3. § 463 Abs. 4 S. 8 StPO nF Die Änderung in dem neuen Satz 8 (ehedem Satz 5) dient lediglich der Klarstellung, dass bei der „Überprüfung der Unterbringung, bei der nach S. 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll", eine Verteidigung notwendig ist. Dem Missverständnis, dass es zukünftig nicht mehr um „das Verfahren" geht, sondern 'nur' noch um „die Überprüfung", wird durch das Wörtchen „soll" nur unzureichend entgegengewirkt: Es muss klar sein, dass die Beiordnung bereits für das Verfahren der Auswahl des Gutachters notwendig ist; mehr noch: Bereits die Entscheidung, ob von der in der soll-Vorschrift angelegten Ausnahmeoption (Verzicht auf externe Begutachtung) Gebrauch gemacht wird, bedarf der Mitwirkung eines Verteidigers. II. zu § 463 Abs. 6 nF Die Änderung in Satz 1 ist lediglich redaktioneller Natur (Einbeziehung des neuen § 67 Abs. 6 StGB); und dass der Verurteilte „in den Fällen des § 67d Abs. 6 StGB … mündlich zu hören“ ist (Satz 2 nF), sollte schon bisher selbstverständlich gewesen sein, die Klarstellung kann aber nicht schaden. III. was fehlt !? 1. Einige Vollstreckungsgerichte halten daran fest, dass nicht bei jeder Überprüfung der § 63-Unterbringung gem. § 67e StGB ein Fall notwendiger Verteidigung analog § 140 Abs. 2 StPO gegeben sei: Der Gesetzgeber ist dringend aufgefordert, dies klarzustellen. 2. Beschwerden der StA gegen freiheitsentziehungsbeendende StVK-Entscheidungen haben von Gesetzes wegen – also automatisch – aufschiebende Wirkung (§§ 454 Abs. 3 S. 2 sowie 462 Abs. 3 S. 2 StPO); § 307 StPO gilt insoweit nicht. Mit Art. 104 Abs. 2 GG ist dies nicht in Einklang zu bringen, ermöglicht es doch dem Exekutivorgan StA die Möglichkeit, gegen das Gericht die Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen.(5) Dies muss dringend korrigiert werden. D. zu Neureglung des StGB § 67 Abs. 6 Die in § 67 Abs. 6 StGB (etwas unsystematisch platzierte) Neuregelung dient der Umsetzung der Härtefall-Entscheidung des BVerfG (E 130, 372) zur Anrechnung des Maßregelvollzugs auf sog. verfahrensfremde Strafen (und gilt insoweit sowohl für Unterbringungen nach § 63 StGB als auch nach § 64 StGB). Das ist zunächst einmal grundsätzlich zu begrüßen. Bei der Frage, ob die Nichtanrechnung (und damit ggf. der vollständige Vollzug jener Strafe) eine „unbillige Härte" wäre, sollen „insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren" Berücksichtigung finden. Damit orientiert sich der RefE sehr eng am BVerfG, in puncto „Verhalten im Vollstreckungsverfahren" zu eng wegen des damit verbundenen disziplinarischen Einschlags. Die Anrechnung soll ausgeschlossen werden, wenn „die der verfahrensfremden Strafe zugrundeliegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist". Abgesehen davon, dass dies in der Praxis nur äußerst selten vorkommt, versteht sich keineswegs von selbst, dass in jenen Fällen keine „unbillige Härte" gegeben sein kann. Berlin, den 27. Juli 2015 Fußnoten (1) Zu § 13 EGStPO ist eine eingehendere Stellungnahme nicht veranlasst: Dass die Neuregelungen (nach gewissen Übergangsfristen) auch für sog. Altfälle gelten müssen, versteht sich selbst. (2) Da die Unterbringung nach § 64 StGB nicht explizit Gegenstand dieses RefE ist, sei die Kritik an der durch das 23. StrÄndG 1986 eingeführten sog. „limitierten“ Vikariierung in § 67 Abs. 4 StGB (exempl. NK-StGB/Pollähne, § 67 Rn. 7 m.w.N.) nur in Erinnerung gerufen. (3) Vgl. LG Leipzig R&P 2012, 55 einerseits und BVerfG StV 2013, 217 andererseits. (4) Für einen Ausbau der forensischen Ambulanzen auch insoweit: Hahn in: Pollähne/Lange-Joest (Hg.) Forensische Psychiatrie – selbst ein Behandlungsfall? 2015, 125 ff. (5) Ausf. dazu der Beitrag des Verf.: „Wider die aufschiebende Wirkung staatsanwaltschaftlicher Beschwerden gegen StVK-Entscheidungen“ (zum Abdruck in R&P 2015 angenommen). Stellungnahme als PDF]]>
      news-413Thu, 09 Jul 2015 08:51:00 +0200Gesetzesänderungsentwurf_Öffentliche Sicherheit und Ordnung_Sachsen-Anhalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesaenderungsentwurf-oeffentliche-sicherheit-und-ordnung-sachsen-anhalt-413Stellungnahme vom 12.6.15Präventive Telefonüberwachung Zu kritisieren ist in Bezug auf diese Änderungen zunächst, dass entgegen den bereits mit der Stellungnahme des RAV zum Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen Anhalt (Drucks. 6/1253) anlässlich der Anhörung im Ausschuss für Inneres und Sport am 12. Dezember 2012 erhobenen Bedenken auch die Einführung des präventivpolizeilichen Abhörens und Aufzeichnens von Telekommunikationsinhalten und -umständen nur in Bezug auf die so genannten Nicht-Störer eingeschränkt wird. Aus der Erfahrung der im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist dem entgegen aber weiterhin zu betonen, dass neben den strafprozessualen Befugnissen kein weiterer Bedarf an entsprechenden Eingriffsgrundlagen besteht. Die polizeiliche Erhebung von telekommunikativen Inhalts- und Verbindungsdaten, auch per IMSI-Catcher, sowie die entsprechenden Auskunftsansprüche gegenüber Diensteanbietern, auch bezüglich online gespeicherter Kommunikationsinhalte wie E-Mails  stellen eine massive Vorverlagerung von Eingriffsbefugnissen zu Lasten des Grundrechts auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) dar, für die keine Notwendigkeit dargelegt ist. Erst recht gilt das für auch in der neuen Fassung des § 17 b Abs. 3 Nr. 2 SOG LSA im jetzigen Gesetzentwurf die weiterhin mögliche Betroffenheit einer eine Vielzahl von Nicht-Störern betrifft, zum Beispiel Personen, die für solche angenommenen „Störer“ Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder deren Anschluss sogar ohne ihr Wissen von solchen „Störern“ benutzt wird. Aus Sicht des RAV mangelt es hier an der Erforderlichkeit einer präventiv-polizeilichen Regelung neben den Kompetenzen, die die Strafprozessordnung einräumt. Unzureichende Vorkehrungen sieht der neue Gesetzentwurf auch dafür vor, dass der Richtervorbehalt ausreichend Beachtung findet. Körperliche Untersuchung von Personen bei angenommener Infektionsgefahr Dasselbe gilt für die Neuregelung der körperliche Untersuchung von Personen bei angenommener Infektionsgefahr, wo nun ebenfalls ein Richtervorbehalt gelten soll. Es bleibt jedoch zu kritisieren, dass die Vorgaben des Gesetzes, wann eine Untersuchung angeordnet werden darf, von nur juristisch und nicht medizinisch ausgebildeten Personen gar nicht adäquat überprüft werden können. Dass Fehleinschätzungen aufgrund mangelnder Fachkenntnis durchaus realistisch sind, zeigte sich bei der Anhörung im Ausschuss für Inneres und Sport am 12. Dezember 2012 als ein polizeilicher Vertreter äußerte, dass nach einem Transport einer HIV-positiven Person grundsätzlich der Dienstwagen desinfiziert werden müsse, um eine Infektion zu vermeiden. Es wird – wie bereits in der Stellungnahme zum letzten Änderungsgesetz angeregt, eine eine Vorgabe mit aufzunehmen, dass der Arzt oder die Ärztin, der/die mit der Durchführung betraut wird, zunächst überprüfen muss, ob nach dem Vortrag der anordnenden Stelle im konkreten Fall aus medizinischer Sicht überhaupt die Gefahr einer Übertragung besteht, und die Untersuchung nur dann durchführen darf, wenn er/sie das schriftlich bestätigt. Videoaufzeichnung bei polizeilichen Kontrollen Auch in Bezug auf die im Wortlaut an die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts angepasste Regelung zur Erlaubnis, polizeiliche Kontrollen zu filmen (§ 16 Abs. 3 SOG LSA), bleibt festzuhalten, dass aus anwaltlicher Sicht kein Erfordernis für eine entsprechende Regelung besteht, denn eine gesteigerte Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten – die der ursprüngliche Gesetzentwurf zur Begründung anführte – ist empirisch nicht belegt. Hinzu kommt, dass – wie bereits zum früheren Gesetzentwurf ausgeführt zweifelhaft ist, ob diese Maßnahme überhaupt der Eigensicherung dienen kann, da der Einsatz einer Kamera während Kontrollen ein eigenes Konfliktpotential mit sich bringt. Berlin, 12. Juni 2015 Stellungnahme als PDF]]>news-407Wed, 10 Jun 2015 15:17:00 +0200Filmvorführung ›Judgment in Hungary‹ am 18.6. in Berlin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-judgment-in-hungary-am-18-6-in-berlin-407Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹›JUDGMENT IN HUNGARY‹ E. Hajdú | HU/NL | 2013 |108 min. | OmeU Donnerstag 18.6.15 | 19:30 h
      Mosaik-Raum* | Oranienstr. 34 | Berlin-Kreuzberg
      Regisseurin und Produzent werden anwesend sein.
      Eintritt frei.
      Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. 2008 und 2009 überfielen Neo-Faschisten in Ungarn mehrere Roma-Dörfer. Sechs Menschen starben, darunter ein fünfjähriges Kind. Gegen vier Verdächtige wurde Anklage erhoben. Der Film dokumentiert den Prozess, der zweieinhalb Jahre dauerte. Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=BGDt6HRZYtk *Mosaik-Raum, Oranienstr. 34, Berlin-Kreuzberg
      (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem "Familiengarten")
      U1/U8 Kottbusser Tor, Bus 29 Die Filmabende sollen der Auseinandersetzung mit diesen Themen dienen und einen zwanglosen politischen Austausch – jenseits üblicher Podiumsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen oder Arbeitstreffen – unter unseren Mitgliedern, FreundInnen und Interessierten anregen. In Zusammenarbeit mit dem ›Mosaik-Raum‹ und der ›Narr-Bar‹ wollen wir mit der Reihe zudem für die – ebenfalls von RAV und NSU Watch mitorganisierte – Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ mobilisieren, diese finden jeweils am nachfolgenden Freitag in Berlin statt.

      Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹  (hier als PDF) *** Dazu: 19.6.15 um 19:30 h in der Jüdischen Akademie, Berlin
      ›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe
      Urteil in Ungarn | Podiumsdiskussion
      Mit Esther Hajdú, Regisseurin,
      Magdalena Marsovszky, Kulturwissenschaftlerin
      Carsten Ilius, Rechtsanwalt, Berlin http://test.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/urteil-in-ungarn-416/]]>
      Insight NSU
      news-411Wed, 10 Jun 2015 15:17:00 +0200Mit schweren Geschützen gegen die Istanbuler Gezi-Proteste /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mit-schweren-geschuetzen-gegen-die-istanbuler-gezi-proteste-411Das Strafverfahren gegen den Fußballfanclub Çarşı wegen PutschversuchsDonnerstag, 18. Juni 2015 um 19.30 Uhr Werkstatt der Kulturen
      Wissmannstraße 32
      12049 Berlin
      In Istanbul wird am 26. Juni 2015 nach nur drei Prozesstagen eines der wichtigsten Verfahren wegen der Gezi- Proteste im Jahr 2013 zu Ende gehen. Angeklagt als „terroristische Gruppierung“ ist Çarşı, eine seit 1983 bestehende Gruppe von Anhängern des Istanbuler Fußballvereins Beşiktaş. Den 35 Angeklagten wird u.a. vorgeworfen, während der Gezi- Prostest einen Putschversuch unternommen zu haben. Es drohen Strafen von bis zu 49 Jahren. Tatsächlich ist Çarşı seit Jahren auch außerhalb des Fußballstadions gesellschaftlich aktiv gewesen, zum Beispiel bei dem Erdbeben in Van oder dem Grubenunglück in Soma, bei Aktionen gegen Atomkraft oder Kinderarbeit – so dann auch bei den Protesten im Jahr 2013, die am Taksim-Platz ihren Ausgang nahmen. Unter der Vielzahl von Strafverfahren gegen die Gezi-Demonstraten, wiegen die Vorwürfe gegen Çarşı am schwersten und erscheinen offensichtlich als politisch motiviert. Weder die Ermittlungen, noch die Anklage oder das Verfahren genügten bisher rechtstaatlichen Grundsätzen. Allerdings erscheint nach der letzten Verhandlung ein Freispruch möglich, ob dies auch nach den Parlamentswahlen in der Türkei am 7. Juni 2015 noch so sein wird, ist jedoch fraglich. Von den Gezi-Protesten und insbesondere dem Verfahren gegen Çarşı wird einer der Verteidiger der Angeklagten, Avukat Inan Kaya aus Istanbul, sowie Rechtsanwältin Anna Luczak , die den Prozess in Istanbul beobachtet hat, berichten. Die Generalsekretärin von Amnesty International, Selmin Çalışkan, wird in die Veranstaltung einführen. Eine Veranstaltung von RAV und AI Einladung (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-403Wed, 10 Jun 2015 15:14:00 +0200Urteil in Ungarn/publikationen/mitteilungen/mitteilung/urteil-in-ungarn-403›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe; 19.6.2015 in BerlinZusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und NSU Watch entwickelte der RAV eine Veranstaltungsreihe zum strukturellen Rassismus in Europa vor dem Hintergrund des NSU-Prozesses in München (vgl. dazu unten den Hintergrund).

      Fünfte Veranstaltung:

      19. Juni 2015, 19.30 Uhr
      Jüdische Akademie Berlin
      Lindenstr. 9-14
      10969 Berlin
      (U1 /U8 Hallesches Tor, Bus M29 und M41)

      Urteil in Ungarn

      Mit
      Eszter Hajdú, Regisseurin
      Magdalena Marsovszky, Kulturwissenschaftlerin
      Carsten Ilius, Rechtsanwalt

      Moderation: Volker Eick (RAV)

      In den Jahren 2008 und 2009 überfallen Rechtsextremisten im Norden Ungarns mehrere Roma-Dörfer. Sie ermordeten sechs Menschen, darunter ein fünfjähriges Kind. Mit Prozessbeginn gegen vier Neofaschisten im Jahr 2010 wird deutlich, wie weit der Rassismus gegen Roma in der ungarischen Gesellschaft verbreitet ist und wie selbst ermittelnde Beamte mit den Tätern sympathisierten. Deutlich wird auch, Polizei und Militärgeheimdienst sind involviert. Eszter Hajdú hat den zweieinhalbjährigen Prozess in einem Dokumentarfilm verarbeitet. Der Film wird in Auszügen gezeigt, anschließend diskutieren Eszter Hajdú, die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky sowie der Rechtsanwalt und Nebenklagevertreter im NSU-Prozess Carsten Ilius über Parallelen und Unterschiede beider Verfahren. Eine Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹, organisiert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), von NSU Watch und der Rosa Luxemburg-Stiftung. Kofinanziert von der Heinrich Böll- und Holtfort-Stiftung.
      Englischsprachige Veranstaltung mit Simultanübersetzung. Eintritt frei. Anmeldung unterTel. 030.25993488 oderreservierung@jmberlin.de Urteil in Ungarn (Flyer PDF) ***
      Dazu: In der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ zeigen wir bereits einen Tag vorher, am 18. Juni 2015 um 19:30 Uhr, den Film ›Judgment in Hungary‹ im Mosaikraum in voller Länge (Regisseurin und Produzent werden anwesend sein). Eintritt frei. Der Mosaik­Raum befndet sich in der Oranienstraße 34 (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem ›Familiengarten‹) in Berlin­Kreuzberg (U1/U8 Kottbusser Tor). Filmreihe (PDF) :::: ›Insight NSU‹
      Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
      Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). :::: Rückblick: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/ Die zweite Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Daniel Holder fand am 23.1.2015 in Berlin statt
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-391/ Die dritte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoǧlu fand am 19.3.2015 Berlin statt
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mord-in-istanbul-wegen-beleidigung-des-tuerkentums-398/page1/ Die vierte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Thanasis Kampagiannis fand am 24.4.2015 Berlin statt
      test.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-395/ ]]>
      Insight NSU
      news-412Wed, 10 Jun 2015 15:11:00 +02002. Menschenrechtssalon – Es sind Kinder!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/2-menschenrechtssalon-es-sind-kinder-412Veranstaltung in Hamburg, 24.6.15Unsere Gäste:
      Immo Rekow, Amtsvormund
      Viola Horvathova, Sozialarbeiterin bei der Rom und Cinti Union e.V., Hamburg
      Niels Espenhorst, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), Autor der UNICEF-Studie zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland
      Cornelia Reher, Therapeutische Leitung Flüchtlingskinderambulanz des UKE
      Simone Schachtschneider, Koordinatorin für die IV-Klassen an der Stadtteilschule am Hafen
      Rolf Becker, Schauspieler, Herausgeber des Buches „Integration durch Bildung“ Moderation: Michail Paweletz, Fernsehjournalist Wir laden Sie herzlich am 24.6.2015 um 18.30 Uhr
      ins Museum für Völkerkunde | Rothenbaumchaussee 63 | 20148 Hamburg ein.
      Im Anschluss haben Sie Gelegenheit zum Austausch. Musik: Rolf Thomsen
      Wein und Snacks: Weingut Schlick und Restaurant Christos Anmeldung:
      bis zum 12.6.2015 per E-Mail an info@fluchtpunkt-hamburg.de Auf Nachfrage können Sie einen Nachweis für diese Fortbildungsveranstaltung erhalten. Kooperationspartner:
      IDA EHRE Kulturverein e.V.
      Diakonisches Werk Hamburg-West/Südholstein
      Museum für Völkerkunde
      RAV – Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V. Einladung (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)Migration & Asyl (doublet)
      news-410Thu, 04 Jun 2015 08:00:00 +0200Geschichte wiederholt sich immer zweimal, als Tragödie und als Farce<br />2007 Heiligendamm - 2015 Schloss Elmau/publikationen/mitteilungen/mitteilung/geschichte-wiederholt-sich-immer-zweimal-als-tragoedie-und-als-farce-br-2007-heiligendamm-2015-schloss-elmau-410Pressemitteilung vom 3.6.15»Von den ca. 1.600 Ermittlungsverfahren, die wegen der Proteste im Juni 2007 eingeleitet worden waren, waren am 15.11.2007 bereits 1.086 eingestellt. Von 176 Verfahren, die bis Ende Mai 2008 gerichtsanhängig waren, führten 84 Fälle zu einem Urteil: eine Urteilsrate von rund fünf Prozent«. »Von den gut 1.000 Freiheitsentziehungen im Juni 2007 waren 586 Gegenstand gerichtlicher Überprüfungsverfahren. Lediglich 158 von der Polizei gestellte Anträge auf Gewahrsamsverlängerung wurden angenommen. Gegen 102 genehmigte Gewahrsamsverlängerungen wurde Beschwerde eingelegt, in 45 Fällen wurden die Gefangenen danach entlassen, lediglich 15mal ein Gewahrsam bestätigt«.iEin Fazit aus Heiligendamm: Menschenrechtsverstöße Kaum ein Ermittlungsverfahren führte zu einer Anklage, gerichtlich überprüfte Ingewahrsamnahmen führten zu Freilassungen, Schadensersatzklagen hatten Erfolg. »Die Polizei sollte aus solchen Statistiken lernen«, so Verina Speckin, Rechtsanwältin und Mitglied des RAV und Legal Teams in Elmau, »sonst ist es wieder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der, wie in seiner Heiligendamm-Entscheidung von 2011, im Nachhinein Menschenrechtsverstöße der Polizei feststellt«. Der Gerichtshof hatte vier Jahre nach Heiligendamm geurteilt, dass G8-Freiheitsentziehungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen – und Berlin zu Geldstrafen verurteilt.ii Die Stimmungsmache etwa des DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt spricht gegen jeden Lernprozess: Man werde gegen gewaltbereite Personen »konsequent und mit niedriger Einschreitschwelle vorgehen«, lässt der sich zitieren.iii »Mein Eindruck ist, ein Ereignis wie der G7-Gipfel wird gern genutzt, um Bürgerrechte einzuschränken«, so Speckin. »Dabei muss sich der Rechtsstaat gerade in diesen besonderen Situationen als Rechtsstaat bewähren«. Kontakt: RAV-Geschäftsstelle 030-417 235 55; kontakt@rav.de Fußnoten:
      i Vgl. Prozessbeobachtungsgruppe Rostock, http://rotehilfegreifswald.blogsport.de/2008/06/05/g8-auswertung-der-bisherigen-g8-verfahren-durch-die-prozessbeobachtungsgruppe-rostock/ sowie die Zahlen in Neue Justiz, 12/07: 529ff. ii 2007 mussten zwei junge Männern sechs Tage im Gefängnis verbringen, weil die Polizei zwei Transparente (›Freedom for all Prisoners‹/Freiheit für alle Gefangenen und ›Free all now‹/Befreit alle jetzt) als Aufforderung zur Gefangenenbefreiung bewertete, vgl. EGMR, 01.12.2011 (8080/08, 8577/08), http://www.bmj.de/SharedDocs/EGMR/DE/20110201_8080_08_8577_08.html. iii VGl. http://web.de/magazine/politik/g7-gipfel/g7-gipfel-schloss-elmau-schlimmste-befuerchten-30674156. Pressemitteilung vom 3.6.2015 als PDF]]>
      news-409Sun, 24 May 2015 09:10:00 +0200Modernisierungsmieterhöhung Preistreiber Nr. 1<br />§ 559 abschaffen, jetzt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/modernisierungsmieterhoehung-preistreiber-nr-1-br-559-abschaffen-jetzt-409Veranstaltung, 15.6.1515. Juni 2015, 20.00 Uhr.
      Familiengarten, Oranienstraße 34, Hinterhaus, 10999 Berlin
      (U1/U8 Kottbusser Tor, Bus M29) Energetische Gebäudesanierung, altersgerechtes Wohnen, Fußbodenheizung, schicke Bäder...
      In den letzten Jahren wird der Gebäudebestand in begehrten Zentren immer aufwändiger und häufiger saniert. Energie soll eingespart, dem demographischen Wandel durch entsprechende Sanierung begegnet und die Nachfrage solventer Kaufinteressierter nach hochwertigem Wohnraum befriedigt werden. Einiges davon kann sinnvoll und notwendig sein, führt jedoch häufig zur Verdrängung der jetzigen Mieter. Die Kosten dieser Modernisierungen werden zu 11 Prozent pro Jahr auf die Mieter umgelegt. Damit zahlen vor allem Mieterinnen und Mieter die Aufwertung und das auf ewig, denn die Mieterhöhung erfolgt zeitlich unbegrenzt. Bleibt noch Spielraum, kann der Vermieter zudem die Miete bis zur Vergleichsmiete anheben. Damit nützt die Modernisierung letztendlich fast ausschließlich dem Vermieter, denn die Gebrauchsvorteile stehen häufig in keinem Verhältnis zur Mieterhöhung, vor allem mit Blick auf das Verhältnis von Einkommen zur neuen Miethöhe. Insbesondere für die energetische Modernisierung ist bekannt, dass sich die Mieterhöhung durch die erzielbare Energieeinsparung regelmäßig nicht auffangen lässt. Modernisieren, um zu vertreiben Tatsächlich werden Modernisierungen inzwischen gezielt dazu einsetzt, die Bestandsmieten in die Höhe zu schrauben und so Bestandsmieter aus ihren Wohnungen und damit meist auch aus ihren Kiezen zu vertreiben. Zudem schaffen derartige Investitionen keine einzige neue Wohnung, sondern vernichten dringend benötigten günstigen Wohnraum. Mieterhöhungen nach Modernisierung sind in § 559 BGB geregelt. Danach kann der Vermieter gegen den Willen der Mieterinnen und Mieter den Vertrag ändern, was heute in der Regel für die meisten Mieterinnen und Mieter die Beendigung des Mietvertrages bedeutet. Wir fordern daher, diese Vorschrift abzuschaffen. Die Mieterhöhungsmöglichkeiten im Rahmen des Vergleichsmietensystems reichen aus, um dem Vermieter eine angemessen Rendite für die von ihm vermieteten Immobilien zu ermöglichen. Energiewende und eine alternde Gesellschaft sind gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, für die nicht ausschließlich Mieterinnen und Mieter zahlen dürfen, nur weil sie Wohnungen gemietet haben. Im Rahmen der Veranstaltung wollen wir die Auswirkungen der modernisierungsbedingten Mieterhöhungen auf den Wohnungsmarkt anhand der historischen Entwicklung der diesbezüglichen rechtlichen Vorschriften erläutern und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
      Ebenfalls werden wir an die aktuelle Kampagne zum Mietenvolksentscheid anknüpfen, insbesondere, wie die Kampagnenziele im Einklang stehen mit unserer Forderung nach einer Abschaffung des § 559 BGB. Flyer (PDF)Einladung/PM kurz (PDF)]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-404Sun, 24 May 2015 07:50:00 +0200Filmvorführung ›Mietrebellen‹ am 28.5.2015 in Berlin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-mietrebellen-am-28-5-2015-in-berlin-404Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹
      MIETREBELLEN – Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt Dokumentarfilm von Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers
      D 2014 | 78 min. | OmeU Donnerstag 28.6.15 | 19:30 h
      Narr Bar | Böckhstr. 24 | Berlin-Kreuzberg

      (U8 Schönleinstr.) Matthias Coers und mindestens ein Mitglied des Arbeitskreises Mietrecht im RAV wird anwesend sein.
      Eintritt frei.
      Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. BERLIN  In den letzten Jahren hat sich die Hauptstadt rasant verändert. Wohnungen, die lange als unattraktiv galten, werden von Anlegern als sichere Geldanlagen genutzt. Massenhafte Umwandlungen in Eigentumswohnungen und Mietsteigerungen in bisher unbekanntem Ausmaß werden alltäglich. Die sichtbaren Mieterproteste in der schillernden Metropole Berlin sind eine Reaktion auf die zunehmend mangelhafte Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum.  Der Film ist ein Kaleidoskop der Mieterkämpfe in Berlin gegen die Verdrängung aus den nachbarschaftlichen Lebenszusammenhängen. Eine Besetzung des Berliner Rathauses, das Camp am Kottbusser Tor, der organisierte Widerstand gegen Zwangsräumungen und der Kampf von Rentnern um ihre altersgerechten Wohnungen und eine Freizeitstätte symbolisieren den neuen Aufbruch der urbanen Protestbewegung. Der Trailer zum Film:
      http://youtu.be/skL40QXMd1A Ein kurzer Infotrailer zum Film:
      http://youtu.be/Rygcs6XvreM Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ hier: (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-408Sun, 24 May 2015 07:46:00 +0200Warten auf Godot<br />Oder eher auf Erdoǧan?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/warten-auf-godot-br-oder-eher-auf-erdo-an-40811. Hauptverhandlungstag im KCK-Verfahren am 6. Mai 2015Eines dieser Massenverfahren richtet sich gegen 46 AnwältInnen sowie vier Nichtjuristen, die mit einem der Anwaltsbüros in Verbindung stehen. Den KollegInnen wird formal der Verstoß gegen Art. 314 Abs. 1 und Abs. 2 tStGB vor­geworfen, also die Mitgliedschaft bzw. Führungsposition in einer militärisch bewaffneten Organisation. Tatsächlich ist Gegenstand des Vorwurfs ihre originäre anwaltliche Tätigkeit, insbesondere im Rahmen der Verteidigung und Haftbetreuung von Abdullah Öcalan, den fast alle in der Haft besucht hatten. Das Verfahren basiert auf koordinierten Razzien gegen Anwaltsbüros in der gesamten Türkei und einer Massenfestnahme von 36 Anwältinnen und Anwälten am 22. November 2011. *** Rechtsanwältin Gül Pinar (DAV), Mitglied der Prozessbeobachtungsgruppe, berichtet vom 11. Verhandlungstag im KCK-Anwälte-Verfahren in Istanbul. Wir danken für ihren Bericht, den wir hier veröffentlichen dürfen: Warten auf Godot
      Oder eher auf Erdoǧan?
      Der in Istanbul gegen 41 Kollegen und Kolleginnen geführte Strafverfahren, besser bekannt unter dem Namen KCK-Prozess, wurde am 6.05.2015 nach 6-monatiger Verhandlungspause heute für zwei Stunden weitergeführt. Der Gang des heutigen Prozesstages ist ohne die Kenntnis der politischen Situation in der Türkei nicht nachvollziehbar. Heute konnten wir quasi Augenzeugen von dem werden, was es bedeutet, wenn die Justiz ihre Unabhängigkeit verloren hat. Zur Erinnerung: die Kollegen waren am 22. November 2011 verhaftet worden, die Hauptverhandlung begann am 16. Juli 2012. Am 6. März 2014 wurde per Gesetzesänderung die Zuständigkeit von Sonderkammern für politische Verfahren und somit die Kammer, die zum Zeitpunkt der Anklageerhebung zuständig war, abgeschafft. Das führte nicht zur Einstellung des Verfahrens, sondern zur Verweisung an eine ordentliche Strafkammer. Allerdings wurden die Kollegen mit der Abschaffung der Sondergerichte von der Haft verschont. Seit dem hat es mit dem heutigen Tag zwei Verhandlungstermine gegeben. Hauptziel der Verteidigung ist an den beiden Verhandlungstagen Folgendes: a) Sofortige Freispruch! Laut § 5271 TR Strafprozessordnung kann ein sofortiger Freispruch ohne Beweisaufnahme beantragt werden, wenn eine Bestrafung offensichtlich nicht angebracht oder wünschenswert ist oder der Fall an sich von Gesetzeswegen abgelehnt werden muss. b) Die Vorlage des Falles zum Verfassungsgericht Die Sondergerichte wurden im Rahmen der Änderung der Anti-Terrorgesetzgebung verabschiedet. Dabei sah die Änderung, die Abschaffung der Sondergerichtsbarkeit vor. Allerdings besagt Nr. 6526 der TK-Strafprozessordnung, dass das dann neu zuständig Gericht ab dem Punkt des Verfahrens weitermachen darf, an dem das letzte Gericht aufgehört hat, also ohne Wiederholung der Beweisaufnahme. Das widerspricht sogar der übrigen Strafprozessordnung, die auch Regelungen über die Dauerhafte Anwesenheit gleicher Gerichtspersonen enthält. Geschweige der Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters, der auch im türkischen Recht verankert ist. c) Überprüfung der vermeintlichen Beweise der Anklage auf die Gesetzesmäßigkeit ihrer Erhebung Sondergerichte, Sonderdezernate der Staatsanwaltschaft und Sonderabteilungen der Polizei wurden abgeschafft, weil Ihnen illegale Ermittlungsmethoden vorgeworfen wurden. Dies, weil diese Beamten Ermittlungen in Korruptionsfällen geführt haben. Gegen etliche Polizeibeamte der Sonderabteilung wurden Ermittlungsverfahren wegen Beweismanipulation eingeleitet. Einige dieser Beamte waren auch Ermittler in dem Verfahren gegen unsere Kollegen. Am heutigen Verhandlungstag sollte es also auch um die Überprüfung von erhobenen Beweisen gehen, deren Erhebungspersonen unter dem öffentlichen Verdacht der Beweismanipulation stehen. Das Gericht hatte zwischen den Verhandlungstagen bereits schriftlich die Vorlage des Falles zum Verfassungsgericht wegen „mangelnder Ernsthaftigkeit“ des Antrages abgelehnt. Heute sollte es wieder darum gehen, die obigen Punkte zu forcieren. Und wurde praktisch nicht verhandelt. Der Verteidigung wurde Gelegenheit gegeben, Gegenvorstellung zur Entscheidung des Gerichtes vorzutragen. Das Gericht nahm die Erklärungen höflich entgegen und verkündete, man werde jetzt wieder unterbrechen und am 22. Oktober 2015 wieder verhandeln. Die Vertagung wurde nicht begründet. Über die Vertagung waren nur wir - die internationalen Beobachter - überrascht. Die türkischen Kollegen hatten damit gerechnet, denn in der letzten Woche wurden in der Türkei zwei Richter verhaftet, gegen zwei weitere Richter und vier Staatsanwälte ergingen Haftbefehle. Der Vorwurf lautet Landesverrat und Mitgliedschaft in einer staatsgefährdenden Organisation. Richter Metin Özcelik und Mustafa Baser hatten eine Haftentlassung der wegen Korruption ermittelnden und deswegen verhafteten 60 Polizeibeamten beschlossen. Noch am Tag der Verkündung der Beschlüsse wurden Haftbefehle erlassen. Metin Özcelik wurde im Justizpalast verhaftet. Mustafa Baser wurde bislang nicht in seiner Wohnung aufgefunden. Gestern wurden der ehemalige Generalstaatsanwalt von Adana und drei weitere Staatsanwälte verhaftet. Ihnen wird Landesverrat und Mitgliedschaft in einer staatsgefährdenden Organisation vorgeworfen. Die Juristen hatten es gewagt, illegale Waffentransporte nach Syrien zu stoppen. Bei dieser gesellschaftlichen Situation, heißt es wohl für alle Beteiligten, abwarten, einfrieren, bloß nichts entscheiden, was nicht genehm sein könnte. Die Justiz kapituliert, steckt den Kopf in den Sand und wartet. Worauf denn nur?]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-402Wed, 25 Mar 2015 15:14:00 +0100Filmvorführung ›The Cleaners‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-the-cleaners-402Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹The Cleaners
      Donnerstag 23.4.15 | 19:30 h
      Mosaik-Raum* | Oranienstr. 34 | 10999 Berlin-Kreuzberg

      (U1/U8 Kottbusser Tor) Der Regisseur Konstantinos Georgousis wird anwesend sein.
      Eintritt frei.
      Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. UK, 2012, 36 min.
      Einen Monat lang begleitet der Regisseur Mitglieder der griechischen rechtsextremen Partei ›Goldene Morgenröte‹ im Wahlkampf in einem Athener Stadtteil. Er legt dabei ernüchternd und schockierend offen, wie diese Funktionäre denken, agieren und welche Unterstützung sie aus der Athener Bevölkerung erhalten. *Mosaik-Raum, Oranienstr. 34, Berlin-Kreuzberg (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem "Familiengarten") Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹
      hier: (PDF) --- Dazu: 24.4.15 in der Urania, Berlin
      ›Insight NSU‹
      Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland
      Mit Thanasis Kampagiannis, Rechtsanwalt, Athen
      und Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt, Kiel
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-395/ Flyer (PDF)]]>
      news-388Tue, 10 Mar 2015 17:04:00 +0100MY RIGHT IS YOUR RIGHT!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/my-right-is-your-right-388Aufruf zur Großdemonstration, 21.3.15
      Kontakt: info@myrightisyourright.de
      www.myrightisyourright.de
      www.facebook.com/MyRightIsYourRight
      Unterzeichner*innen:
      *andere zustände ermöglichen
      African Refugees Union
      AfricAvenir International
      afrique-europe-interact
      AK "Marginalisierte-gestern und heute“
      AK UniWatch
      akademie der autodidakten
      Aktionsbündnis gegen Dublin (Berlin)
      Aktionsgruppe M-Straße
      Allmende Berlin e.V. - Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur
      Antirassistische Initiative e.V.
      Ballhaus Naunynstrasse
      Barnimer Kampagne "Light me Amadeu", Eberswalde
      BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für MigrantInnen und Flüchtlinge
      Berlin Postkolonial
      Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
      Berliner VVN-BdA e.V.
      Bewohner_innen der Ohlauer-Schule
      Blockupy Plattform Berlin
      borderline europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
      Bündnis gegen Rassismus
      Bündnis Neukölln – Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt
      Corasol (Contre le Racisme Show Solidarity)
      Dan Thy Nguyen (Freier Regisseur, Schauspieler und Sänger)
      Deutsches Theater
      FelS - Für eine linke Strömung (organisiert in der iL - Interventionistische Linke)
      Flüchtlingsrat Berlin
      Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V.
      Frauenkreise Berlin
      GEW Berlin
      GLADT e.V.
      glokal e.V.
      GRIPS Theater
      HAU Hebbel am Ufer
      Initiativkreis Olympia Verhindern!
      Interkulturelle Frauenzentrum S.U.S.I.
      International Women Space
      JugendtheaterBüro Berlin
      Kampagne "Zusammen handeln! Gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung!"
      KommMit – für Migranten und Flüchtlinge e.V.
      korientation – Netzwerk für asiatisch-deutsche Perspektiven
      KuB Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V.
      KuDePo e.V.
      KulTür auf!
      LaCasa (Hellersdorf)
      Lesbenberatung Berlin
      LesMigraS
      Lucía Muriel (Diplompsychologin)
      Maxim Gorki Theater
      Medibüro Berlin
      MEPa e.V. – Migration, Entwicklung und Partizipation
      Migrationsrat Berlin-Brandenburg
      moveGLOBAL e.V.
      NaturFreunde Berlin
      Netzwerk gegen antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit (NARI)
      NIO – Nachbarschaftsinitiative Ohlauer
      Noya Berlin
      Radikale Linke Berlin
      ReachOut
      Refugee Club Impulse
      Refugee Schulstreik Berlin
      Refugee Strike Berlin
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Salaam-Schalom Initiative
      SAVVY Contemporary
      Sharon Dodua Otoo (Mutter, Aktivistin, Autorin und Herausgeberin)
      SissiFM – Feministisches Stadtmagazin
      Studio Я
      Suite42
      Theater an der Parkaue
      Theater Expedition Metropolis Theater Strahl
      Total Plural e.V.
      ver.di, Bezirk Berlin
      Verband für interkulturelle Arbeit (VIA), Regionalverband Berlin/Brandenburg e.V.
      wildwasser selbsthilfe & beratung
      Women in Exile
      xart splitta e.V.
      XENION e.V. Demonstrationsaufruf dt. (PDF) ------------------------------------------------- english MY RIGHT IS YOUR RIGHT! Large Demonstration for the Global Day against Racism 21. March 2015 | 1:00 pm | Spreewaldplatz, Berlin-Kreuzberg We are calling on everyone on the Global Day Against Racism: We want to raise our voices against racism, Antiromaism, Islamophobia, anti-Semitism, and against the inhumane asylum policies of Germany and Europe. While German enterprises like Heckler & Koch are exporting weapons to regions of crisis, people are dying in the Mediterranean while attempting to flee armed conflicts and war. While European governments are deciding on economic agreements outside of the EU that propel exploitation and poverty, people are being denied immigration into Europe. The new walls in and around Europe signify a continuation of European colonialism. Via racial profiling, police, authorities and institutions are continuing within the EU what the border patrol agency Frontex does at the external borders. The outrage over such inhumane policies is what we want to bring collectively and loudly to the streets on 21. March 2015 for the Global Day Against Racism. For more than two years now refugees and supporters in Berlin have been publicly and visibly fighting against the institutional racism in Germany and Europe. We stand in solidarity with the self-organized refugee protests in Berlin. The demands of the refugees are the complete abolition of the Residenzpflicht and residence restrictions, an end to placing people in Lagers as well as all deportations. The right of abode, education, work possibilities, and the right to live where one desires belong to everyone! End the politically supported social isolation of refugees! The German government is now planning a massive intensification of the right of residence with a law that would restructure the right of abode (Bleiberecht) and when the right of residence terminates: Among other things, the amount of detention pending deportation will be massively expanded, and the right of abode settlement will be thrown out of the window with the instruments of suspending people’s rights of residence and canceling return trips to Germany. This law will presumably be passed in Summer 2015. Instead of tightening and intensifying these laws, we demand immediate amendments: These include accommodation, places to live, the services of ALG and healthcare for all refugees. We demand unrestricted access to the work market. Refugees, who, for example, have found a room or bed in a WG or another place should have their accommodation costs reimbursed to them by the national bureau of social health (LaGeSo). Children and youth should be immediately allowed enrollment in kindergartens and schools. The right to work without having to wait to see if any other EU citizen can be substituted for the job must be implemented. LaGeSo must therefore be responsible for providing refugees with BVG tickets in Berlin so that they can move throughout the city. Racial profiling in public and particularly during local and regional traveling by the national police, Berlin police, the Deutsche Bahn and BVG staff must cease immediately. My Right Is Your Right! is a campaign comprised of creative artists, activists, lawyers, refugees, church officials, unionists, clubs, neighborhood initiatives, and individuals. What connects us all is the wish for a stronger political intervention in Berliner refugee policies, which is only possible with a union of various forces. Our campaign wants to establish space for empowerment in order to heighten the visibility of the struggle against various forms of discrimination because refugees are especially often subject to manifold discrimination. We want to collectively initiate a political change. That is why we are taking to the streets on March 21st! Come to the demonstration on March 21st! Contact: info@myrightisyourright.de
      www.myrightisyourright.de
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      Deutsches Theater
      FelS - Für eine linke Strömung (organisiert in der iL - Interventionistische Linke)
      Flüchtlingsrat Berlin
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      news-389Sat, 07 Mar 2015 17:17:00 +0100Kampagne_My Right Is Your Right!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kampagne-my-right-is-your-right-389Pressekonferenz am 18.3.15presse@myrightisyourright.de
      www.myrightisyourright.de
      facebook.com/MyRightIsYourRight
      Refugee Office, Waldemarstr. 46, 10999 Berlin Die Kampagne besteht aus:
      African Refugees Union | AfricAvenir International | akademie der autodidakten | Ballhaus Naunynstrasse | Berlin Postkolonial | Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag | Berliner VVN-BdA e.V. | Bewohner_innen der Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) | borderline europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V. | Bündnis gegen Rassismus | Deutsches Theater | Expedition Metropolis e.V. | Flüchtlingsrat Berlin | GLADT e.V. | GRIPS Theater | International Women Space | JugendtheaterBüro Berlin | KuB Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. | KulTür auf! | Lesbenberatung Berlin | LesMigraS | Maxim Gorki Theater | Migrationsrat Berlin-Brandenburg | NIO - Nachbarschaftsinitiative Ohlauer | ReachOut | Refugee Club Impulse | Refugee Strike Berlin | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Studio Я | Suite42 | Theater an der Parkaue | ver.di, Bezirk Berlin | Women in Exile | XENION e.V. und viele mehr Kampagne/Bündnis Your Right is My Right! My Right is Your Right! (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)Migration & Asyl (doublet)
      news-383Mon, 02 Mar 2015 17:03:00 +0100Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-383›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe24. April 2015, 19.30 Uhr
      Urania
      An der Urania 17
      10787 Berlin Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland Mit
      Thanasis Kampagiannis, Rechtsanwalt, Athen
      und
      Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt, Kiel Derzeit bereitet die griechische Justiz ein Verfahren gegen die neofaschistische Partei ›Chrysi Avgi‹ (Goldene Morgenröte) vor. Insgesamt 70 Parteimitgliedern wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben, um mit Überfällen, Schutzgelderpressungen und Morden ihre politischen Ziele zu erreichen. Offensichtlich gab es auch in Griechenland eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und Neofaschisten. Mit dem Athener Rechtsanwalt und Nebenklagevertreter Thanasis Kampagiannis diskutiert der Kieler Rechtsanwalt und NSU-Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann (RAV) über das Verfahren in München und den Prozess in Athen. Moderation: Annika Eckel (Koordinierungsstelle Lichtenberg).

      Eine Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹, organisiert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), von NSU Watch, und der Rosa Luxemburg-Stiftung. Kofinanziert von der Heinrich Böll- und Holtfort-Stiftung.
      Englischsprachige Veranstaltung mit Simultanübersetzung.
      Eintritt frei bei Anmeldung unter veranstaltung@rav.de
      Bei Nichtanmeldung muss leider ein Eintritt von 6 Euro erhoben werden. *** ›Insight NSU‹
      Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
      Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). :::: Rück- und Ausblick: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
      www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/ Die zweite Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Daniel Holder fand am 23.1.2015 in Berlin statt
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-391/ Die dritte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Hakan Bakırcıoǧlu wird am 19.3.2015 um 19:30 Uhr im Thyatrom, Alte Jakobstraße 12 in Berlin stattfinden:
      Mord in Istanbul wegen ›Beleidigung des Türkentums‹?
      ]]>
      Insight NSU
      news-384Tue, 17 Feb 2015 15:00:00 +0100Filmvorführung_Can't be silent/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-cant-be-silent-384Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹
      Can't be silent
      Donnerstag 26.2.15 | 19:30
      Narr Bar | Böckhstr. 24 | 10967 Berlin-Kreuzberg

      (U8 Schönleinstr.) Die Regisseurin Julia Oelkers wird anwesend sein.
      Der Eintritt ist frei.
      Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs. D, 2013, 87 min.
      Als „Strom und Wasser“ sind Musiker mit Weltklasseformat auf Tour. Heinz Ratz und die Refugees versuchen sich von ihren verordneten Plätzen zu lösen – durch die so simple wie machtvolle Geste, die eigene Stimme zu erheben.
      http://youtu.be/HoWG_ucoOOA Weitere Filme und Termine aus der Reihe ›Zwischen Migration & Rassismus, Protest & Widerstand‹ hier: (PDF)

       ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-387Tue, 17 Feb 2015 08:28:00 +0100Mord in Istanbul wegen «Beleidigung des Türkentums»?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mord-in-istanbul-wegen-beleidigung-des-tuerkentums-387›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe19. März 2015, 19.30 Uhr
      Tiyatrom
      Alte Jakobstr. 12
      10179 Berlin

      Mord in Istanbul wegen «Beleidigung des Türkentums»?

      Mit
      Hakan Bakırcıoǧlu, Rechtsanwalt, Istanbul
      und
      Carsten Ilius, Rechtsanwalt, Berlin Hrant Dink war ein armenischstämmiger türkischer Journalist, der am 19. Januar 2007 von türkischen Faschisten ermordet wurde. Er war Gründer und Herausgeber der zweisprachigen armenischen Wochenzeitung «Agos». Für seine Forderung nach einem offenen gesellschaftlichen Umgang mit dem Völkermord an den Armenier_innen im Jahr 1915 wurde er seit langem von nationalistischen Kreisen bedroht und mit Strafverfahren wegen «Beleidigung des Türkentums» überzogen. Der Mordprozess dauert an. Zugleich haben die Anwälte der Familie Dink Strafantrag gegen führende Polizei- und Geheimdienstoffiziere wegen Unterstützung bzw. Duldung des Mordes gestellt.

      Hakan Bakırcıoǧlu wird über das Strafverfahren sowie die Rolle staatlicher Sicherheits- und Geheimdienstbehörden bei dem Mord berichten. Er ist Rechtsanwalt in Istanbul und vertritt im Verfahren gegen die Mörder Dinks dessen Familie. Vor seinem Besuch in Berlin wird er den NSU-Prozess in München besuchen und diesen im Hinblick auf die staatliche Verwicklung in beiden Fällen kommentieren.

      Carsten Ilius, Rechtsanwalt von Elif Kubaşık, der Witwe des am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, wird Vergleiche zum NSU-Prozess ziehen.

      Moderation: Özge Pinar Sarp, NSU-Watch.

      Eine Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹, organisiert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), von NSU Watch und der Rosa Luxemburg-Stiftung.
      Gefördert von Heinrich-Böll-Stiftung, Holtfort-Stiftung und Türkischer Bund Berlin Eintritt frei  Die komplette Veranstaltung als Filmdokumentation HIER ::::::::::: Hrant Dink Ermeni kökenli bir Türk gazeteciydi, 19 Ocak 2007 tarihinde Türk faşistleri tarafından öldürüldü. İki dilde yayınlanan haftalık Ermeni gazetesi «Agos»un kurucusu ve yayıncısıydı. Ermenilerin 1915 senesinde katledilmesinin toplumda açık açık konuşulduğu bir biçim talep ettiği için uzun bir süreden beri ulusalcı çevreler tarafından tehdit edilmekteydi ve «Türklüğü aşağılamış» olmaktan dolayı kendisine dava açılmıştı. Cinayet davası hâlâ sürmekte. Aynı zamanda Dink ailesinin avukatları üst düzey polis ve istihbarat çalışanlarına cinayeti destelemek ve bazı şeylere müsamaha göstermek nedeniyle suç duyurusunda bulundular. Avukat Hakan Bakırcıoğlu, söz konusu ceza davası ve devletin güvenlik birimleri ile istihbarat kurumlarının cinayetteki rolü hakkında bilgi verecek.

      BAKIRCIOĞLU İstanbul’da çalışan bir avukattır ve cinayetleri işleyen katillere karşı açılan bu davada Dink  ilesini temsil etmektedir. Bakırcıoğlu, Berlin’deki ziyaretinden önce Münih’teki NSU davasına izleyici olarak katılacak ve her iki davada da devletin işin içine karıştığı boyutları yorumlayacaktır.

      CARSTEN ILIUS, 4 Nisan 2006 yılında Dortmund’da NSU tarafından öldürülen Mehmet Kubaşık’ın dul kalan eşinin avukatıdır; söz konusu cinayet ile NSU davası arasındaki benzerlikleri gösterecektir.

      NSU-watch’tan ÖZGE PINAR Sarp bu toplantının sunumunu üstlenecektir. *** Mord in Istanbul wegen «Beleidigung des Türkentums»?_Flyer (PDF)›Insight NSU‹
      Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
      Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). :::: Rück- und Ausblick: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/ Die zweite Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Daniel Holder fand am 23.1.2015 in Berlin statt
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-391/ Die vierte Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Rechtsanwalt Thanasis Kampagiannis, Rechtsanwalt in Athen und Axel Hoffmann, Rechtsanwalt in Kiel wird am 24.4.2015 in der Urania in Berlin stattfinden:
      Militante Neonazis in Deutschland und Griechenland
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/militante-neonazis-in-deutschland-und-griechenland-395/
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      Insight NSU
      news-386Tue, 10 Feb 2015 14:46:00 +0100Daimler Bremen schüchtert Beschäftigte ein<br />RAV und VDJ fordern Rücknahme der Abmahnungen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/daimler-bremen-schuechtert-beschaeftigte-ein-br-rav-und-vdj-fordern-ruecknahme-der-abmahnungen-386Pressemitteilung, 10.2.15PDF]]>news-385Tue, 27 Jan 2015 12:07:00 +0100StN_Gesetzentwurf zur Abschaffung von Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenz- und "Gefahrengebieten"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-gesetzentwurf-zur-abschaffung-von-anhalte-und-sichtkontrollen-in-grenz-und-gefahrengebieten-385Stellungnahme, 23.1.2015I. § 180 Abs. 3 LVwG: Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Die in § 180 Abs. 3 LVwG vorgesehenen Kontrollen betreffen allesamt Personen, die durch ihr Verhalten keinerlei Anlass für solche Maßnahmen gegeben haben. Gleichzeitig erlaubt die Norm einen recht intensiven Eingriff in Grundrechte dieser Personen. Schon die Anhaltung und – von der Durchsuchung nur schwer abgrenzbare(2) – Inaugenscheinnahme von Fahrzeugen an sich ist ein recht intensiver Eingriff, darüber hinaus ist über § 202 Nr. 2, Abs. 2 LVwG, § 206 Nr. 1 LVwG jedenfalls in den Fällen, in denen deren Notwendigkeit zur Fremd- oder Eigensicherung begründet werden kann, die Befugnis zur vollständigen Durchsuchung der Person und ihrer Sachen und ggf. sogar zu ihrer Verbringung auf die Dienststelle eröffnet.(3) Gleichzeitig lässt § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG die Ausweisung von Orten als „Gefahrgebiete“ über einen ganz erheblichen Zeitraum zu.(4) 1. § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG Daraus folgen insbesondere für § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG bestimmte verfassungsrechtliche Anforderungen, die diese Norm allesamt nicht erfüllt. Auf diese Anforderungen ist nicht nur in der Gesetzesbegründung, sondern auch in den Stellungnahmen in der 16. Legislaturperiode(5) sowie den bisher vorliegenden Stellungnahmen in diesem Gesetzgebungsverfahren(6) vielfach eingegangen worden, deswegen seien sie an dieser Stelle nur noch einmal kurz angerissen: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (hier: der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.e.S.) verlangt „dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen darf.“(7) Dies gilt insbesondere bei Eingriffen, die nicht durch das Verhalten der betroffenen Person begründet sind, umso mehr, wenn sie eine große Streubreite besitzen,(8) und noch einmal umso mehr, wenn es sich um ohnehin schon intensive Eingriffe handelt.(9) Denn: „Der Freiheitsanspruch des Einzelnen verlangt, dass er von polizeilichen Maßnahmen verschont bleibt, die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsguts oder eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind. […] Ebenso wie im Rechtsstaat nicht jedermann als potentieller Verbrecher behandelt werden darf […], darf im Polizeirecht die Unterscheidung zwischen Störern und Nichtstörern nicht nivelliert werden […].“(10) Daher sind intensive verdachtslose Eingriffe mit großer Streubreite – auch wenn sie dem Schutz hochrangiger Verfassungsgüter dienen – „nur dann angemessen, wenn der Gesetzgeber rechtsstaatliche Anforderungen dadurch wahrt, dass er den Eingriff erst von der Schwelle einer hinreichend konkreten Gefahr für die bedrohten Rechtsgüter an vorsieht.“(11) Diesem Erfordernis wird § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG, der letztlich nur eine schriftliche Anordnung der Maßnahme basierend auf „Tatsachen, insbesondere dokumentierte[n] polizeiliche[n] Lageerkenntnisse[n]“ voraussetzt, von vornherein nicht gerecht. Eingriffsbefugnisse, die gar nicht an das Verhalten der Person anknüpfen, sondern eine sog. Ortshaftung vorsehen, sind zudem verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn sie eine eindeutige örtliche oder zeitliche Begrenzung aufweisen.(12) § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG enthält keine Bestimmung der möglichen örtlichen Ausdehnung eines Gefahrengebietes, in der Praxis haben Gebiete etwa eine ganze kreisfreie Stadt, einen ganzen Landkreis oder jeweils die südlichen Teile von zwei Landkreisen umfasst.(13) In zeitlicher Hinsicht verlangt die Norm alle 28 Tage Verlängerungsentscheidungen, nach 84 Tagen durch das Gericht – eine ernsthafte zeitliche Beschränkung stellt dies ebenfalls nicht dar, wie insbesondere das fast fünf Jahre geltende Gefahrengebiet im gesamten Stadtgebiet Neumünsters(14) zeigt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert weiter, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme selbst regelt und nicht allein der Exekutive überlässt: „Will der Gesetzgeber eine derartig intensive verhaltensunabhängige Eingriffsmöglichkeit mit einem weiten, grundsätzlich unbeschränkten Ortsbezug für den öffentlichen Raum schaffen, so muss dies an ein rechtsstaatliches Verfahren geknüpft werden, das die Ausweisung von Gefahrengebieten in nachvollziehbarer und transparenter Weise dokumentiert und klare prozedurale Handlungsvorgaben für die ausweisende Stelle setzt. Nur so lässt sich auch aus Sicht der betroffenen Personen eine für sie nachvollziehbare Inanspruchnahme bei der anlasslosen Identitätsfeststellung herstellen.Dies gilt zunächst für die konkreten Publizitätsanforderungen der als Gefahrengebiet ausgewiesenen Örtlichkeiten und die zeitliche Geltung der Beschränkungen, aber auch für die nähere Rechtsform, in der die Polizei in die Rechte Betroffener in einem derartigen Gebiet eingreifen darf. Ferner gilt dies für die Anordnungszuständigkeit der Maßnahmen sowie für das begleitende Monitoring, die Dokumentation der Lageerkenntnisse und die Anforderungen an die spätere Aufhebung eines ausgewiesenen Gebietes. Verwaltungsvorschriften, die den Ablauf und die verfahrensmäßigen Vorgaben für die Ausweisung eines Gefahrengebietes allein dienstintern regeln, reichen jedenfalls für derartige grundrechtsrelevante Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen für eine unbegrenzte Anzahl Betroffener nicht aus.“(15) § 180 Abs. 3 LVwG dagegen fordert allein eine schriftliche Anordnung auf Basis von „Tatsachen, insbesondere dokumentierte[n] polizeiliche[n] Lageerkenntnisse[n],“ und überlässt alles weitere der Praxis der Exekutive. Weiter erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass jedenfalls eine rudimentäre Verknüpfung durchzuführender Einzelmaßnahmen mit den Gefahren erfolgt, die bekämpft werden sollen: „So darf von Kontrollen in Gefahrengebieten nicht jede beliebige Person erfasst werden, die sich im öffentlichen Raum bewegt, sondern die Kontrolle soll sich vorab an einer lageabhängigen Zielgruppe orientieren […]. Ausdrücklich soll hier der polizeiliche Fokus auf gewaltbereite Personengruppen beschränkt werden […]. Danach muss eine Ausweisung von Gefahrengebieten bereits vorab eine relevante Gruppe von Zielpersonen benennen, die aufgrund der Ausweisung des Gefahrengebietes in den Fokus polizeilicher Maßnahmen zu nehmen sind.“(16) Auch eine solche Eingrenzung setzt § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG nicht voraus. Hinzu kommt ein Transparenzgebot: Gerade weil Kontrollen im Gefahrengebiet jede Person ohne Rücksichtnahme auf ihr konkretes Verhalten treffen kann, müssen die von Gefahrengebieten betroffenen Personen wenigstens vorab über die Einrichtung solcher Gebiete informiert werden, damit sie ihr Verhalten wenigstens insoweit daran ausrichten können – sei es, indem sie das Gefahrengebiet nicht betreten, sei es auch nur dadurch, dass sie bestimmte Gegenstände, deren Entdeckung im Rahmen einer Inaugenscheinnahme ihnen z.B. peinlich wäre, nicht mit sich führen.(17) (Eine solche Informationspflicht würde im übrigen auch verdeutlichen, dass es tatsächlich um die Verhinderung zu befürchtender Straftaten und nicht um die Aufklärung begangener Straftaten geht – denn nur für letztere ist eine Geheimhaltung erforderlich). All dies gilt erst recht bei „örtlich und zeitlich wesentlich erweiterten Ausweisungen.“(18) Ein solches Transparenzgebot folgt im Übrigen auch aus der grundgesetzlichen Rechtsschutzgarantie – diese fordert, dass z.B. eine Person, die in einem Gefahrengebiet wohnt, sich bereits gegen dessen Einrichtung wehren kann und nicht erst gegen konkrete, auf die Existenz des Gefahrengebietes gestützte Maßnahmen. Dies ist aber nachvollziehbarerweise nur möglich, wenn die Person von der Existenz des Gefahrengebietes Kenntnis hat.(19) Im Gegensatz zu diesen Anforderungen fordert § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG keinerlei Veröffentlichung der Ausweisungsentscheidung. Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten mag, wenn der Anlass für die Einrichtung eines Gefahrengebietes allgemeinbekannt ist, mag im Einzelnen strittig sein.(20) Aus der bisherigen Praxis zur Einrichtung von Gefahrengebieten ergibt sich aber, dass selbst diese Voraussetzung in den allerwenigsten Fällen erfüllt wäre.(21) § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG entspricht damit nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an nicht verhaltensgebundene polizeirechtliche Grundrechtseingriffe. Daran ändert auch das Erfordernis einer gerichtlichen Anordnung der Verlängerung über 84 Tage hinaus nichts – dies schon deshalb, weil den Gerichten ebenso wie der Polizei keinerlei konkrete Maßstäbe für ihre Verlängerungsentscheidung an die Hand gegeben werden.
      2. Hinsichtlich des § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG zu Anhalte- und Sichtkontrollen im Grenzgebiet – das im Übrigen große Teile des Landgebiets von Schleswig-Holstein erfasst – ist zudem sehr fraglich, ob diese Norm mit europarechtlichen Vorgaben zur Abschaffung von Grenzkontrollen in Einklang steht. Art. 67 Abs. 2 des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährt Freizügigkeit im gesamten Gemeinschaftsgebiet: die Europäische Union „stellt sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden.“ Das Nähere regelt die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), die insoweit 2006 das Schengener Durchführungsübereinkommen ersetzt hat. Ihr Art. 20 bestimmt als Grundsatz: „Die Binnengrenzen dürfen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden.“ Art. 21 bestimmt – abschließend –, welche Kontrollen im Grenzgebiet zulässig bleiben. Als Ausnahmevorschrift ist er eng auszulegen.22 Einschlägig ist hier allein lit. a, wonach zulässig bleibt „die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen      i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
      ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
      iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
            iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden.“ Zur Auslegung dieser Norm hat der EuGH im Sommer 2010 im Zusammenhang mit Art. 78-2 der französischen Strafprozessordnung (Code de Procédure Pénale, CPP) Stellung genommen. Art. 78-2 CPP lässt in einem Korridor 20 km diesseits der Grenze sowie in einem separat definierten ähnlichen Korridor an Bahnhöfen, in Zügen, auf Autobahnen usw. Identitätsfeststellungen zu, „um die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf den Besitz, das Mitführen und das Vorzeigen von Urkunden und Bescheinigungen zu überprüfen.“(23) Der EuGH stellte zwar fest, dass Identitätsfeststellungen nach dieser Norm nicht dasselbe Ziel hätten wie Grenzübertrittskontrollen(24) und dass auch die bloße Tatsache, dass die Kontrollen in Grenznähe stattfänden, nicht automatisch zur Feststellung einer gleichen Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen führe  (wobei allerdings die gesonderte Regelung für die Reichweite in Zügen usw. ein Indiz für eine solche gleiche Wirkung darstellte).(25) Nichtsdestotrotz erklärte der Gerichtshof die Norm für europarechtswidrig: denn eine Norm, die die Befugnis zur Kontrolle im Grenzgebiet und unabhängig vom Verhalten von Personen aufstelle, müsse „den erforderlichen Rahmen für die diesen Behörden eingeräumte Befugnis vorgeben, um insbesondere das Ermessen zu lenken, über das sie bei der tatsächlichen Handhabung der Befugnis verfügen. Dieser Rahmen muss gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, wie insbesondere aus den in Art. 21 Buchst. a Satz 2 der Verordnung Nr. 562/2006 genannten Umständen hervorgeht.“ Da Art. 78-2 CCP diese Voraussetzungen nicht erfüllte, war er mit Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 21 der Verordnung 562/2006 nicht vereinbar.(26) Ob nun § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG den durch den Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen genügt, ist sehr zweifelhaft: Einziges Tatbestandsmerkmal neben der geographischen Vorgabe ist der Zweck der „vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität von erheblicher Bedeutung“; weitere Vorgaben, gerade auch für die Ermessensausübung, macht die Norm nicht. Als „erforderlicher Rahmen“ i.S. des EuGH-Urteils dürfte dies nicht ausreichen. Die Norm dürfte daher europarechtswidrig sein.(27)
      II. § 180 Abs. 3 LVwG: Rechtspolitische Kritik In rechtspolitischer Hinsicht ist zunächst einmal jede Reform kritisch zu sehen, die sich von dem gefahrenabwehrrechtlichen Grundsatz entfernt, wonach grundrechtseinschränkende Maßnahmen zum einen eine möglichst konkrete Gefahr für ein Rechtsgut voraussetzen und zum anderen an das Verhalten der betreffenden Person anknüpfen müssen, entfernt. Nicht jede gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme, die gerade noch verfassungskonform ist, ist deswegen auch eine zu unterstützende Maßnahme. An der allgemeinen Stoßrichtung der Reform in der 16. Legislaturperiode, die sich in vielerlei Hinsicht von solchen klassischen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen entfernt hat, ohne dass irgend ein Grund hierfür erkennbar gewesen wäre, ist bereits damals erhebliche Kritik geübt worden, an die hier noch einmal erinnert werden soll.(28) Insofern ist es zu begrüßen, wenn zumindest ein Teil der damals beschlossenen Gesetzesverschärfungen zurückgenommen wird. Hinzu kommt, dass natürlich eine Norm, die selbst keinerlei einschränkende Tatbestandsvoraussetzungen enthält, in der Praxis nicht unterschiedslos und im Sinne einer echten Stichprobe auf alle Menschen angewandt werden wird.(29) Vielmehr müssen die BeamtInnen vor Ort eine Vorauswahl treffen, welche Menschen sie einer konkreten Kontrolle unterziehen – ohne dass ihnen das Gesetz oder die Einrichtungsanordnung insoweit eine Hilfestellung geben. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass die Norm in diskriminierender Art und Weise angewandt werden – und zwar ohne dass den einzelnen BeamtInnen insoweit eine rassistische Einstellung vorzuwerfen wäre. Aus diesem Grund empfiehlt ja auch die European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) des Europarates den Staaten, „[d]as Erfordernis vernünftig begründeten Verdachts einzuführen, dem zufolge die mit Kontrolle, Überwachung und Ermittlungen zusammenhängenden Befugnisse der Polizei nur auf Grund von Verdachtsmomente wahrgenommen werden dürfen, die auf objektiven Kriterien beruhen.“(30) Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte ist bei einer Betrachtung von § 22 Abs. 1a BPolG, der ebenfalls verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet betrifft, zu dem Schluss gekommen, dass die voraussetzungslose Ausgestaltung der Norm in der Praxis zu diskriminierenden Kontrollen anhand von Kriterien wie der Hautfarbe führt.(31) Auch das DIMR empfiehlt dem Gesetzgeber, „sämtliche Gesetzesbestimmungen, die entsprechende oder ähnliche Ermächtigungen enthalten, nach denen die Polizei ohne konkreten Anlass Personenkontrollen zum Zweck der Migrationskontrolle vornehmen kann, einer grund- und menschenrechtlichen Überprüfung [zu] unterziehen.“(32) Dies gilt auch für andere Normen mit gleicher Normstruktur – wie eben auch § 180 Abs. 3 LVwG –, auch wenn diese nicht explizit der Migrationskontrolle dienen.
      III. § 181 LVwG Auch an die Eingriffsbefugnis des § 181 Abs. 1 S. 2, Nr. 1 lit. a LVwG sind die oben (I.) dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen anzustellen, betrifft doch auch diese Norm sowohl von ihrem Wortlaut als auch in der Praxis (auch) Personen, die durch ihr Verhalten keinerlei Anlass für die Maßnahme gegeben haben.(33) Dies gilt umso mehr, als zwar die Norm selbst nur die Befugnis zur Identitätsfeststellung einräumt, die Ermächtigung zur Identitätsfeststellung aber ohne weitere Voraussetzungen auch die zur Durchsuchung der Person und der mitgeführten Sachen nach sich zieht (§ 202 Abs. 1 Nr. 3 und § 206 Nr. 1 LVwG). Vor diesem Hintergrund ist die im Gesetzesentwurf vorgesehene Formulierung, die eine Anwendung auf Orte möglicher Bagatellstraftaten (etwa: des Besitzes kleiner Mengen von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum) ausschließt, als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausdrücklich zu begrüßen.
      IV. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf Der RAV teilt aus den vorgenannten Gründen die Auffassung des Entwurfs, dass die Befugnis zu Anhalte- und Sichtkontrollen gem. § 180 Abs. 3 LVwG insgesamt abgeschafft werden sollte und die Befugnis zur Identitätsfeststellung nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 lit. a LVwG auf einen entsprechenden Verdacht von Straftaten erheblicher Bedeutung beschränkt werden sollte. Als Alternative zu einer Streichung des § 180 Abs. 3 LVwG dürfte es auch möglich sein, die Norm durch Beschränkung ihres Anwendungsbereichs und durch Einführung präziser Vorgaben zu Anordnungsvoraussetzungen, Form, Begründung und Veröffentlichung der Anordnungsentscheidung usw. dergestalt zu reformieren, dass sie insgesamt als noch verfassungs- und europarechtskonform anzusehen wäre. Angesichts der Tatsache, dass die Norm aber nicht nur aus verfassungs- und europarechtlichen, sondern auch aus rechtspolitischen Gründen grundlegend zu kritisieren ist (s.o. II.), spricht sich der RAV eindeutig für ihre ersatzlose Streichung aus. Berlin/Kiel, 23. Januar 2015 (1) Vgl. die Stellungnahmen des Schleswig-Holsteinischen Anwalt- und Notarverbandes, Umdruck 16/484, S. 5, des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz, Umdruck 16/745, S. 6 f., von RA Dr. Burkhard Hirsch, Umdruck 16/819, S. 3-4, des Deutschen Anwaltvereins, Umdruck 16/826, S. 2, der Schleswig-Holsteinischen Strafverteidigervereinigung, Umdruck 16/831, S. 2 f., des Verbandes der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter Schleswig-Holstein e.V., Umdruck 16/833, S. 3, der Neuen Richtervereinigung, Umdruck 16/862, S. 2 sowie des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Umdruck 16/973, S. 2 sowie das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, Umdruck 16/1530, S. 10 ff.
      (2) Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012, 5 K 1236/11, Rn. 164 ff.
      (3) Solche Folgemaßnahmen sind bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung, insb. anhand des Verhältnismäßigkeitsgebots, mit in den Blick zu nehmen, vgl. Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.10.1999, LVerfG 2/98, S. 20 f.
      (4) So wurde etwa das gesamte Stadtgebiet von Neumünster über einen Zeitraum von knapp 5 Jahren als Gefahrengebiet behandelt, vgl. Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Breyer, Drs. 18/1895, Anl. 1.
      (5) S.o. Fn. 1.
      (6)Vgl. die Stellungnahmen des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Umdruck 18/3834, S. 2, von RA Dr. Burkhard Hirsch, Umdruck 18/3842, S. 3-5, sowie – etwas abgeschwächt – von der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung, Fachbereich Polizei, Umdruck 18/3893, S. 4-6.
      (7) BVerfG, Urteil vom 04.04.2006, 1 BvR 518/02, Rn. 105.
      (8) Ebda., Rn. 134 ff.
      (9) Vgl. ebda, Rn. 111.
      (10) LVerfG Mecklenburg-Vorpommern (Fn. 3), S. 22.
      (11) BVerfG (Fn. 7), Rn. 142.
      (12) LVerfG Mecklenburg-Vorpommern (Fn. 3), S. 23.
      (13) Antwort der Landesregierung (Fn. 4), Anl. 1.
      (14) Ebda.
      (15) Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (DSB HH), Datenschutzrechtliche Bewertung des polizeilichen Gefahrengebiets im Bezirk Altona vom 4.-13.1.2014, 02.04.2014, S. 11.
      (16) Ebda, S. 13.
      (17) Ebda, S. 10.
      (18) Ebda, S. 11.
      (19) Ebda, S. 11.
      (20) Vgl. einerseits ebda, S. 10; andererseits VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012, 5 K 1236/11, Rn. 94.
      (21) Vgl. Antwort der Landesregierung (Fn. 4), Anl. 1.
      (22) EuGH, verb. Rs. C-188/10 und C-189/10, Melki u. Abdeli, Stellungnahme des Generalanwaltes J. Mazák vom 07.06.2010, Rn. 42.
      (23) EuGH, verb. Rs. C-188/10 und C-189/10, Melki u. Abdeli, Urteil vom 22.06.2010, Rn. 15.
      (24) Ebda, Rn. 71.
      (25) Ebda, Rn. 72.
      (26) Ebda, Rn. 74. Ähnlich auch die Stellungnahme des Generalanwaltes (Fn. 22), Rn. 51-55.
      (27) Dass sich ähnliche Kontrollbefugnisse wie aus § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG auch aus § 2 BPolG ergeben (vgl. die Stellungnahme von RA Dr. Burkhard Hirsch, Umdruck 18/3842), steht dem nicht entgegen – denn der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber kann natürlich nur für die Einhaltung europarechtlicher Vorgaben durch seine eigene Gesetze verantwortlich gemacht werden, für diese aber unabhängig davon, ob möglicherweise auch der Bundesgesetzgeber europarechtliche Vorgaben nicht beachtet hat.
      (28) Vgl.  nur die Stellungnahmen des Schleswig-Holsteinischen Anwalt- und Notarverbandes, Umdruck 16/484, S. 3-4, der der Neuen Richtervereinigung, Umdruck 16/862, sowie der Schleswig-Holsteinischen Strafverteidigervereinigung, Umdruck 16/831, S. 2 f.
      (29) So ja auch ausdrücklich die Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei, Umdruck 18/3895, S. 2.
      (30) ECRI, Allgemeine politische Empfehlung Nr. 11 – Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit, Rn. 3.
      (31) Deutsches Institut für Menschenrechte, „Racial Profiling“ – Menschenrechtswidrige Personenkontrollen nach § 22 Abs. 1 a Bundespolizeigesetz – Empfehlungen an den Gesetzgeber, Gerichte und Polizei, 2013.
      (32) Ebda, S. 33.
      (33) Vgl. Antwort der Landesregierung (Fn. 4), Anl. 2, wonach u.a. BesucherInnen einer Kampfsportveranstaltung oder Personen, die schlicht in der Nähe des Ortes einer Brandstiftung aufhältig waren, kontrolliert wurden.

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      Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung von Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenz- und „Gefahrengebieten“ (PDF)  ]]>
      news-382Wed, 14 Jan 2015 17:41:00 +0100Filmvorführung_Hidden Agenda/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmvorfuehrung-hidden-agenda-382Filmreihe von RAV und ›NSU Watch‹ Mittwoch 21.1.15 um 19:30 im Mosaik-Raum

      HIDDEN AGENDA von Ken Loach, UK, 1990, 108 min.

      Ein amerikanischer Anwalt wird im nordirischen Bürgerkrieg ermordet. Alles deutet auf unsaubere Machenschaften in der britischen Regierung hin.

      Der Mosaik-Raum befindet sich in der Oranienstraße 34 (Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl, über dem ›Familiengarten‹) in Berlin-Kreuzberg (U1/U8 Kottbusser Tor). Der Eintritt ist frei.

      Im Anschluss gibt es die Möglichkeit eines inoffiziellen Zusammenseins und Austauschs.

      Wir bitten auch zu beachten, dass zwei Tage später, am 23.1.15 die 2. Veranstaltung aus der Reihe "Insight NSU" stattfindet:
      ›Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen‹ mit Daniel Holder http://bit.ly/1IwVVIN (verkürzter Link)
      Auch dazu laden wir herzlich ein. Filmreihe (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-381Wed, 14 Jan 2015 17:33:00 +0100Tag der verfolgten Anwältin / des verfolgten Anwalts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-der-verfolgten-anwaeltin-des-verfolgten-anwalts-381Aufruf zur Kundgebung am 23.1.15Der RAV ruft auf zur Teilnahme an der Kundgebung anlässlich des Tages des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin

      am Freitag, den 23.01.2014 um 14 Uhr
      vor der Botschaft der Republik der Philippinen, Uhlandstraße 97 in Berlin
      und
      vor dem Honorarkonsulat in der Gildehofstraße 2 in 45127 Essen

      Im Rahmen der Kundgebung wollen wir eine gemeinsame Petition (siehe Anhang) von europäischen Anwaltsorganisationen verlesen und an die Botschafterin der Philippinen übergeben. Der RAV ist Mitglied der EDA.

      Alle Anwältinnen und Anwälte werden gebeten, in Robe zu erscheinen.

      Seit einigen Jahren rufen Anwaltsvereine in Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin zu begehen. An jedem 24. Januar eines Jahres wird in vielen europäischen Städten (*s. unten) zeitgleich mit Protestkundgebungen vor den jeweiligen Botschaften auf Kolleg_innen aufmerksam gemacht, die bei der Ausübung ihres Berufes besonders gefährdet sind oder dabei behindert werden. Nachdem in den Jahren zuvor auf die Situation von Rechtsanwält_innen im Iran, in der Türkei, im Baskenland und in Kolumbien aufmerksam gemacht worden ist, soll in diesem Jahr die Situation der philippinischen Kolleg_innen Mittelpunkt stehen.

      41 Anwält*innen wurden seit 2001 getötet. 9 von ihnen waren direkt mit Angelegenheiten von Menschenrechtsverletzungen betraut. Darüber hinaus wurden 57 Anwält*innen bedroht, belästigt, eingeschüchtert, überwacht, diffamiert oder auf andere Weise angegriffen. 18 Richter*innen wurden seit 2001 ermordet. Soweit die Täter bekannt sind, handelte es sich in 65 % der Fälle um Militärangehörige und in 20 % um Polizisten. In mehr als der Hälfte der Fälle sind die Täter der Angriffe bis heute nicht bekannt.

      Unter den Anwält*innen, die in der jüngsten Zeit getötet wurden befinden sich: Rudolfo Felicio, Noel D. Archival, John Mark Espera, Ian Vela Cruz, Jubian Achas, Sulpicio Landicho, Lazaro Gayo, Christobal Fernandez.

      (s.a. Basic Report on the human rights lawyers under continuing threat in the Philippines http://bit.ly/1yjaTha)

      Für die bedrohten Anwält*innen und ihre Familien, für die Opfer von Mordanschlägen und anderen Angriffen kann es nicht hingenommen werden, dass der Staat nicht seiner rechtsstaatlichen, menschenrechtlichen und ethischen Verpflichtung nachkommt und alle notwendigen Schritte unternimmt.

      Der RAV fordert u.a. gemeinsam mit EDA, ELDH, IDHAE, CCBE dem VDJ und der RAK-Berlin

      Wir fordern weiterhin eine internationale unabhängige Untersuchung der oben aufgezählten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen mit dem Ziel, die dafür Verantwortlichen gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen.

      ***

      Der Tag des verfolgten Anwalts ist ein Projekt, das 2010 von der Kommission ›Verteidigung der Verteidigung‹ der EDA (AED–EDL) gestartet wurde. Ziel ist, an dem Jahrestag internationale Aufmerksamkeit für die weltweiten Bedrohungen, Verfolgungen und Tötungen von Anwältinnen und Anwälten zu erreichen. Anwältinnen und Anwälte werden auf Grund ihrer Berufsausübung verfolgt. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam mit der ELDH geführt. Die Teilnahme weiterer Anwältinnen und Anwälte sowie Menschenrechtsorganisationen ist willkommen. 

      Wir freuen uns auf Ihr zahlreiches Kommen und über Ihre Unterstützung!

      Petition (PDF)
      Basic Text, Hintergrundinfos (PDF)

      * In folgenden Städten wird es am 23.1.15 zu Kundgebungen oder anderen Protestveranstaltungen kommen (Stand 22.1.15):

      Austria: Vienna
      Belgium: Brussels
      England: London
      France: Paris, Montpellier
      Germany: Berlin, Essen
      Greece: Athens
      Italy: Rome, Milano
      The Netherlands: Amsterdam, The Hague
      The Philippines: Manila
      Spain: Barcelona, Bilbao, Madrid
      Switzerland: Bern
      Turkey: Adana, Alanya, Ankara, Antalya, Bursa, İzmir, Istanbul

      ]]>
      Tag des bedrohten AnwaltsFreie Advokatur (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-380Wed, 03 Dec 2014 11:52:00 +0100EU-Initiative ›Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte‹/publikationen/mitteilungen/mitteilung/eu-initiative-kennzeichnungspflicht-fuer-polizeikraefte-380UnterstützungsaufrufKolleginnen und Kollegen,
      Befreundete sowie Genossinnen und Genossen, gemeinsam mit allen Mitgliedsorganisationen der EDA (Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte) haben wir in den vergangenen Wochen Fakten zum Stand der Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte in Europa zusammengetragen. Auf dieser Grundlage haben wir unter der Adresse http://www.police-identification-europe.org/ diese Daten in sieben Sprachen zusammengetragen sowie eine entsprechende Petition an die Organe der Europäischen Union (EU) verfasst – und bitten Euch hiermit um zweierlei: (a) Bitte zeichnet die Petition online
      und
      (b) verbreitet sie entsprechend weiter. Auch wenn es nicht das Ziel der Petitionskampagne ist, auch nur annähernd einen repräsentativen Kreis im Unterschriftenkreis zu verfassen, meinen wir doch, dass es gut, wichtig und richtig ist, die Kampagne möglichst breit zu tragen (English version below). Wir sammeln die Unterschriften europaweit bis Ende Februar 2015 und werden dann entsprechend die auf der Website genannten Gremien der EU anschreiben und zum Handeln auffordern. Mit Dank und solidarischen Grüßen, im Namen der EDA, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, im November 2014 *** ENGLISH version Please, support the EU initiative ›Police Identification for all Police Forces within the EU‹ Dear Madam, dear Sir,
      Colleagues, friends and comrades, Together with all member organizations of EDA (European Democratic Lawyers) we collected facts about the obligations for police forces within the European Union (EU) to wear identification labels during duty. Based on those findings we created the website http://www.police-identification-europe.org/ in seven languages and wrote a respective petition to be rendered to the respective political EU entities – and we are asking you to support us on two matters: (a) Please, sign the petition online
      and
      (b) Disseminate the details of the initiative, respectively. Even though it is not the aim of the petition campaign to reach each and everybody, or to be representative, we nevertheless believe, it would be good, important and proper to support the campaign as broadly as possible. We started to collect online signatures last week all over Europe, and will do so until the end of February 2015. We will, then, contact the respective EU entities, pass our demands and call for immediate action. Thanking you in solidarity, on behalf of EDA, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, November 2014]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-379Sat, 29 Nov 2014 08:51:00 +0100Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-komplex-im-lichte-nordirischer-erfahrungen-379›Insight NSU‹ Veranstaltungsreihe23. Januar 2015, 19.30 Uhr
      Taz-Café
      Rudi-Dutschke-Str. 23
      10969 Berlin Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen Mit
      Daniel Holder, stellvertretender Direktor des «Commitee on the Administration of Justice» Belfast
      und
      Dr. Peer Stolle, Nebenklagevertreter der Familie des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubaşık Moderation: Prof. Juliane Karakayali Während des Nordirlandkonflikts haben Polizei und Geheimdienste immer wieder Informanten in paramilitärische Gruppen eingeschleust und deren Verwicklung in schwere Straftaten – auch Mord – gesteuert, erleichtert oder toleriert. Seit dem Karfreitagsabkommen ist die Zusammenarbeit von Sicherheitskräften und protestantischen Paramilitärs immer wieder Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Daniel Holder ist stellvertretender Direktor des «Commitee on the Administration of Justice» (CAJ) in Belfast, das sich dafür einsetzt, dass die Regierung ihrer Verantwortung für die Umsetzung internationaler Menschenrechte in Nordirland nachkommt. Daniel Holder wird zwei Tage den NSU-Prozess in München beobachten und anschließend in Berlin vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Nordirland das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden und Neonazis im Fall des NSU-Komplexes kommentieren. Einladungskarte >> (PDF) Die komplette Veranstaltung als Filmdokumentation findet sich HIER *** ›Insight NSU‹
      Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe ›Insight NSU‹ will diese Lücke schließen.
      Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei). Soundcloud :::: Die erste Veranstaltung in der Reihe ›Insight NSU‹ mit Liz Fekete fand am 14.11.2014 in Berlin statt
      www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-386/    ]]>
      Insight NSU
      news-378Fri, 28 Nov 2014 07:02:00 +0100Die Mietenbremse der Großen Koalition ist kein effektives Mittel zur Bekämpfung der Mietenexplosion/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-mietenbremse-der-grossen-koalition-ist-kein-effektives-mittel-zur-bekaempfung-der-mietenexplosion-378Pressemitteilung vom 28.11.14
    6. die deutschlandweite ausnahmslose Einführung einer Mietenbremse;
    7. Die ausführliche Stellungnahme des Arbeitskreises finden Sie unter
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-im-mietrechtsnovellierungsgesetz-389/Kontakt
      RAV-Geschäftsstelle Tel. 030.417 235-55 PM_Mietenbremse der Großen Koalition ist kein effektives Mittel zur Bekämpfung der Mietenexplosion (PDF)]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-377Wed, 26 Nov 2014 12:10:00 +0100Mietpreisbremse im Mietrechtsnovellierungsgesetz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mietpreisbremse-im-mietrechtsnovellierungsgesetz-377Aktualisierte Stellungnahme, 26.11.2014Mietpreisbremse im Mietrechtsnovellierungsgesetz A. Einleitung Der Grundgedanke, den Mietpreisanstieg durch eine Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung auf 10% über der Vergleichsmiete zu entschleunigen, ist zu begrüßen. Dies wäre ein Instrument (von mehreren), um dem gegenwärtigen Trend entgegen zu wirken, dass immer mehr Mieter einen immer größeren Anteil ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete ausgeben müssen, darunter viele Empfänger von Leitungen nach SGB II oder XII, die einen Teil ihres Regelsatzes für die Kosten der Unterkunft aufwenden müssen. Diese Entwicklung führt zu einer weiteren Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung.
      Die Rechtspraxis hat mit einer Mietpreisbegrenzung bei Wiedervermietung im Übrigen bereits Erfahrungen machen können. Von 1917 bis Mitte der 60 Jahre galten im Deutschen Reich und später in der Bundesrepublik Regelungen zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete, in Westberlin sogar bis 1987. Es handelt sich also durchaus um ein bewährtes Instrument, um einer Verarmung großer Teile der Mieterschaft entgegen zu wirken. In den neuen Ländern war die Miethöhe bei Neuvermietung bis 1997 beschränkt. Der vorliegende Entwurf wird diesem Anspruch jedoch nicht gerecht.
      Ein erstes Hemmnis ist die zeitlich begrenzte Geltung des Gesetzes bis zum 31.12.2020. Ist der Zeitraum ohnehin zu kurz bemessen, wird er durch den erforderlichen Erlass von Rechtsverordnungen durch die Bundesländer noch weiter verkürzt werden. Die vielen gesetzlichen Ausnahmen stellen die Wirksamkeit des Gesetzes in Frage. Auch die Anforderungen an die Mieter, ihre durch die Mietenbremse erworbenen Rechte durchzusetzen, sind erheblich. Letztlich nützt die Mietenbremse den Personen nichts, die Transferleistungen erhalten oder über ein geringes Einkommen verfügen, denn diese können sich eine Wohnung, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, nicht leisten, da ihnen eine  Miete in dieser Höhe  als Kosten der Unterkunft durch das Amt nicht erstattet wird.  Die geplanten Regelungen verkennen die Wichtigkeit des Mietspiegels für die Rechtspraxis. Bereits in der jüngeren Vergangenheit sieht sich dieser immer stärkeren Angriffen auf seine Gültigkeit ausgesetzt. Aus Sicht der Mietrechtspraxis ist diese Entwicklung extrem bedauerliche, da der Mietspiegel als praktisches Instrument zur Ermittlung der Vergleichsmiete unerlässlich ist und tendenziell gestärkt statt geschwächt werden sollte. Um den Schutz der Mieter gerade in Ballungszentren vor einer Mietpreisüberhöhung sicher zu gewähren, muss § 5 WiStG revitalisiert werden. Diese Vorschrift verbietet es dem Vermieter in Gebieten mit einer Mangellage eine Miete zu verlangen, die 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
      B. Eingangsstatement1. Bedingungen für ein Inkrafttreten der Mietpreisbremse hemmen die schnelle Umsetzung – deutschlandweite Einführung erforderlich Die Mietenbremse gilt nicht automatisch. Vielmehr müssen die Länder die Gebiete festlegen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Diese Regionalisierung steht in einer Reihe von Mieterschutzvorschriften, mit denen man versucht, den unterschiedlichen Bedingungen auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt gerecht zu werden. Allerdings wurden die Voraussetzungen für das Erlass der Rechtsverordnung im Vergleich zum Referentenentwurf erheblich verschärft, die Anforderungen sind sehr viel strenger als bei den Ermächtigungsnormen im Rahmen der Kappungsgrenzenverordnung und der Verordnung nach § 577 a BGB. So wird von den Landesregierungen wird eine Begründung für die Festlegung der entsprechenden Gebiete verlangt. Außerdem kann eine Ausweisung nur erfolgen, wenn gleichzeitig für diese Gebiete Konzepte zur Bekämpfung der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt vorgelegt werden. Dies läuft praktisch darauf hinaus, dass die Einführung der Mietenbremse von einer staatlichen Wohnungsbauförderung in diesen Gebieten abhängt. Der finanzielle und organisatorische Aufwand für die entsprechenden Kommunen wird einer schnellen Umsetzung der Mietenbremse im Wege stehen. Da das Gesetz zeitlich auch noch auf sechs Jahre begrenzt wird, wird aus der Mietenbremse ein Mietenbremschen. Schon der Erlass der Kappungsgrenzenverordnung (Reduzierung der Mieterhöhung von 20 % auf 15 %) hat in den Flächenländern über ein Jahr gedauert und das obwohl es der Verordnungsgeber mit der Ausweisung noch recht einfach hatte. Der RAV ist der Meinung, dass die Mietenbremse deutschlandweit eingeführt werden muss. Die unterschiedlichen Bedingungen auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt werden trotzdem Beachtung finden. Faktisch wird sich die Mietenbremse nur in den Gebieten auswirken, in denen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum gefährdet ist. In den Gebieten, in denen der Wohnungsmarkt entspannt ist, wird sich eine Wiedervermietungsmiete über Grenze des Mietenspiegels ohnehin nicht erzielen lassen. Eine deutschlandweite Geltung würde im Übrigen erheblich mehr Rechtssicherheit schaffen. Sollte man aber eine Regionalisierung einführen, ist es aus Sicht der Rechtspraxis wenigstens erforderlich sich an den bekannten Ermächtigungsgrundlagen zu orientieren, um jedenfalls auf eine gefestigte Rechtsprechung zurückgreifen zu können. Die jetzigen verschärften Anforderungen an die Rechtsverordnung macht hingegen deutlich, dass der Gesetzgeber die Geltung der Mietenbremse in deutlich weniger Gebieten wünscht als bei der reduzierten Kappungsgrenze.  2. Die Mietenbremse nützt den ärmeren Mietern wenig – Kappung auf Vormietermiete statt Vergleichsmiete Die Grenze für die bei der Wiedervermietung vereinbarte Miete wird bei 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete gezogen. Dies ist aber gerade für ärmere Mieter zu viel. Menschen, die von Transferleistungen leben, erhalten vom Amt nur solche Wohnungen finanziert, deren Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt. Bei Wiedervermietung von Wohnungen, die aufgrund ihrer „alten Mietverträge“ noch sehr billig waren, weit unter der Vergleichsmiete lagen und damit gerade auch für ärmere Mieter bezahlbar waren, werden erheblich teurer. Um das zu verhindern, sollte man die Mieten bei Wiedervermietung auf 15 % über der Vormietermiete kappen. 3. Der qualifizierte Mietspiegel muss gestärkt werden Die Mietenbremse knüpft an die Vergleichsmiete an. Diese wird gerade in den Ballungszentren und in den großen Gemeinden, die am stärksten von der Wohnungsnot betroffen sind, in den qualifizierten Mietspiegeln abgebildet. Die über die Mietspiegel ermittelten Mieten dürfen bei Wiedervermietung nicht um mehr als 10 % überschritten werden. Die qualifizierten Mietspiegel erhalten - wissenschaftlich aufgestellt – gerade durch die Aushandlung zwischen Vermieter – Mieterverbänden und der zuständigen Kommune eine hohe Legitimität. Dennoch wurden in den letzten Jahren wiederholt Mietspiegel dadurch gekippt, dass die wissenschaftliche Aufstellung angezweifelt wurde; mit der Folge, dass die Vergleichsmiete dann durch einen Sachverständigen ermittelt wird, der nur ein kleinen Bruchteil der Daten zur Verfügung hat, die Grundlage des angegriffenen Mietspiegels waren. Ohne einen Mietspiegel lässt sich mit vertretbarem Aufwand die Vergleichsmiete nicht ermitteln, die Mietenbremse würde insofern ins Leere laufen. Von daher muss der qualifizierte Mietspiegel gestärkt werden. Die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze, nach denen der Mietspiegel aufgestellt werden soll, müssen durch formale einfach überprüfbare Richtlinien ersetzt werden, deren Einhaltung leicht überprüft werden kann. Zugleich sollte der Mietspiegel die Qualität einer öffentlichen Urkunde erhalten, der ihn als Beweismittel weniger angreifbar macht. 4. Die vielen Ausnahmen zur Mietenbremse entwerten den gewünschten Mieterschutz Die Mietenbremse soll für den gesamten nach dem 01.10.2014 errichteten Neubau nicht gelten und beschränkt damit die Geltung der Regelung erheblich. Mag man bei der Neuvermietung noch auf die fehlende Anknüpfungspunkte für die Überprüfung der Mietpreisüberhöhung verweisen, geht dies nicht für die Wiedervermietung. Denn hier gibt es bereits Daten, die die Ermittlung einer Vergleichsmiete ermöglichen. Außerdem kann der Vermieter, der vor der Wiedervermietung die Wohnung modernisiert hat, den potentiellen Modernisierungszuschlag zur Vergleichsmiete vor der Modernisierung hinzuziehen und die Wohnung dann 10% über der insoweit ermittelten  Miete  auf dem Wohnungsmarkt anbieten. Damit zeigt der Gesetzgeber den Vermietern galant auf, wie sie die Mietenbremse umgehen können. Wer die optimale Rendite erzielen möchte, wird die Wohnung vor Weitervermietung zunächst erst einmal modernisieren, um eine bessere Rendite zu erzielen und damit nicht nur legal die Mietenbremse umgehen, sondern auch dringend benötigten Wohnraum für die Zeit der Baumaßnahmen nicht auf dem Markt anbieten. Wenn der Vermieter sich dann sogar für eine umfassende Modernisierung entscheidet, kann er die Mietenbremse ganz umgehen. In diesem Falle gelten nämlich die Regelungen zur Begrenzung der Miethöhe überhaupt nicht. . Die tatsächlichen Aufwendungen für die Modernisierung wird der einziehende Mieter zudem kaum überprüfen könne, erst recht nicht die Frage ersparter Instandsetzungsaufwendungen. Während der Bestandsmieter sich auf eine soziale Härte gegenüber einer Mieterhöhung gem. § 559 BGB berufen kann, ist das dem neuen Mieter verwehrt. Daher wird diese Reglung die ortsüblichen Vergleichsmieten weiter steigen lassen. Außerdem wird der gierige Vermieter privilegiert. Hat er bereits von dem Vormieter eine überhöhte Miete verlangt, kann er diese – ohne Abschläge – selbst dann weiter verlangen, wenn diese die Grenze von 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigt. 5. Es wird für den Mieter nicht einfach, seine Rechte auf die Mietenbremse geltend zu machen Erstaunlicherweise hat sich der Gesetzgeber einige Gedanken darum gemacht, wie der vorschriftswidrig handelnde Vermieter vor Rückerstattungsansprüchen des Mieters geschützt werden kann: Der Mieter kann die wegen Verstoß des Vermieters gegen die Mietbremse zu viel gezahlten Mietanteile erst für Zeiträume zurückverlangen, ab denen der Mieter gegenüber dem Vermieter eine Rüge (mit Angaben der Gründe) ausgesprochen hat. Um Rückforderungsansprüche geltend zu machen, muss er ggf. zunächst Auskunftsansprüche gegen seinen Vermieter geltend machen, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Diese qualifizierte Rüge ist nicht nur sehr streitträchtig, da hier abzuwarten ist, welche Anforderungen die Gerichte an den Vortrag der Mieter stellen. Diese formalen Hürden führen zudem dazu, den juristisch nicht vorgebildeten Mieter von der Ausübung seiner Rechte abzuhalten. Der Gesetzgeber bricht damit mit der Rechtssystematik des grundsätzlich verbraucherfreundlich ausgestalteten Wohnraummietrechts. Hiernach bedarf der Mieter beispielsweise keiner besonderen Erklärungen, um sein Minderungsrecht auszuüben, für den Wohnraummietprozess benötigt der Mieter in der ersten Instanz nie einen Anwalt. 6. Reaktivierung des § 5 WiStG Über Jahrzehnte ermöglichte in Wohnlagen mit einer Unterversorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen die preisrechtliche Vorschrift aus dem Wirtschaftsstrafrecht eine effektive Kontrolle der Miethöhe und den Schutz der Mieter vor überhöhten Mietzinsforderungen. Hiernach muss der Vermieter mit einem Bußgeld rechnen, wenn er von dem Mieter eine Miete verlangt, die 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Der Mieter hat das Recht, die Miete zurück verlangen, die diese sog. Wesentlichkeitsgrenze überschritt. Leider wurde die inzwischen 60 Jahre alte Vorschrift in den letzten 15 Jahren durch den Bundesgerichtshof in seiner Gültigkeit erheblich beschränkt und die Anforderungen an den Mieter zur Darlegung der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt und seiner Ausnutzung durch den Vermieter derartig hochgeschraubt, dass diese Vorschrift in der Praxis kaum mehr eine Rolle spielt. Dies gilt es zu ändern und durch das Streichen des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“ in § 5 II WiStG, die Vorschrift wieder für eine Preiskontrolle zu aktivieren. Diese Idee hatte der Hamburger Senat vor zwei Jahren bereits in den Bundesrat eingebracht, ohne dass hierfür Mehrheiten gefunden werden konnten. Die Reaktivierung tut Not und zwar nicht nur für den Fall, dass die Mietenbremse so verabschiedet wird, wie sie derzeit von der Bundesregierung geplant ist. In diesem Falle würde sie insbesondere die Härten, die durch die Ausnahmeregelungen (z.B. Modernisierung) hervorgerufen werden, glätten. Aber auch bei einer lückenlosen bundesweiten Geltung der Mietenbremse ist § 5 WiStG unerlässlich. Sie schützt den Mieter bei bestehenden Mietverhältnissen vor unangemessenen Modernisierungsmieterhöhungen. Außerdem ermöglicht die Bußgeldvorschrift Ermittlungen der Miethöhe durch die zuständigen Behörden gerade auch in den Gegenden, in denen es keinen Mietspiegel gibt.
      C. GutachtenI. Grundsatz1.    Einleitung Der Versuch, die Mietsteigerung über eine Mietenbremse zu begrenzen, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Gerade in Ballungszentren steigen die Mieten exorbitant an. Angemessener Wohnraum zu bezahlbaren Bedingungen ist besonders in den begehrten (Innenstadt)Lagen für Menschen mit mittlerem Einkommen kaum noch vorhanden. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wirkt sich nicht nur negativ auf die Attraktivität der betroffenen Städte als Wohn- und Wirtschaftsstandort aus; er macht sich infolge steigender Unterkunftskosten für die Transferleistungsempfänger auch unmittelbar in den städtischen Haushalten bemerkbar. Schon derzeit liegen die Mittel, die für Wohngeld und Kosten der Unterkunft aus öffentlichen Haushalten bereitgestellt und ausgegeben werden, bei 15,5 Milliarden Euro pro Jahr (Positionspapier des Deutschen Städtetages zur Bekämpfung von Wohnraummangel und steigenden Mieten in den Städten, 2014). Zudem kommt es durch die allgemeine Mietpreisentwicklung zu Verdrängungseffekten und damit zu einer räumlichen Konzentration von einkommensschwachen Haushalten in bestimmten Wohnlagen. Dies kann subjektiv zu einem Erleben von Ausgrenzung führen. Objektiv führt es nicht nur zu einer Verschärfung der sozialen Situation, sondern wirkt sich auch nachteilig auf andere Bereiche, insbesondere auf den Arbeitsmarkt, aber auch den Verkehr aus. Derzeit werden mehr als die Hälfte (54%) der 36 Millionen bewohnten Wohnungen in der Bundesrepublik gemietet. Dabei liegt die Mietquote in den Ballungszentren zum Teil wesentlich höher (z.B. in Berlin bei etwa 85 %, in Hamburg bei 77%). Im Jahr 2011 gaben die Haushalte durchschnittlich knapp ein Viertel ihres Nettoeinkommens für die Miete aus. In vielen Ballungszentren ist es jedoch deutlich mehr. Für eine Wohnung im unteren Preissegment zahlen nach einer Modellrechnung arme Familien in Frankfurt am Main durchschnittlich 52% ihres Haushaltseinkommens. Wohnen ist damit das teuerste Konsumgut. In der Tendenz gilt dabei: Je niedriger das Einkommen, desto höher die relative Einkommensbelastung. So ist zum Beispiel in Hessen die Wohnkostenbelastung von Geringverdienern (weniger als 1.000 Euro/Monat) rund doppelt so hoch wie beim hessischen Durchschnittsverdiener und mehr als dreimal so hoch wie bei den sogenannten Hochverdienern (4.000 bis 5.000 Euro/Monat). Die Unterschiede bestätigen sich in der Betrachtung von Familien: Alleinerziehende wendeten 2011 38,7% ihres Einkommens für das Wohnen auf, armutsgefährdete Alleinerziehende 52,3%. Bei Familien (2 Erwachsene und 2 Kinder) machte der Anteil für die Wohnkosten im Jahr 2011 24,4% des verfügbaren Einkommens aus, bei armen Familien lag der Anteil fast 20 Prozentpunkte höher bei 42,9%. Die Belastung mit Wohnkosten ist in manchen Regionen so groß, dass nach Abzug der Mietleistung das verbleibende Einkommen unter dem SGB II-Regelsatz (ohne Leistung für die Kosten der Unterkunft) liegt (Zahlen und Daten aus einer bundesweiten Analyse im Auftrag der Bertelsmann Stiftung „Wohnungsangebot für arme Familien in Großstädten). Bemerkenswert ist aber insofern, dass die steigende Belastung durch Wohnkosten längst „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist und längst nicht mehr nur armutsgefährdete Haushalte betrifft. Auch für Durchschnittsverdiener (Haushalte bis hin zu einem Einkommen von 3.600,00 €) hat sich der Anteil der Ausgaben für den Bereich Wohnen deutlich erhöht (Studie Pestel, Wohnungsbau in Deutschland).Insgesamt haben sich beim Wohnen auch die kalten und warmen Betriebskosten erheblich erhöht. Fast jeder fünfte Haushalt ist finanziell stark durch Wohnkosten belastet (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2013). Die Ursachen für die steigenden Mieten liegen an den Engpässen auf dem Wohnungsmarkt, bedingt durch den rückläufigen Wohnungsbau der letzten Jahre und die gleichzeitig steigende Zahl von Haushalten, sowie an der Binnenwanderung innerhalb der BRD, zunächst in die Wachstumsregionen, und von dort in das Umland, wo es noch bezahlbaren Wohnraum gibt. Untersuchungen zeigen, dass die Verteilung bezahlbarer Wohnungen auf ein Stadtgebiet – insbesondere in den Ballungszentren –regional sehr unterschiedlich ausfällt. In München etwa ist für ärmere Familien geeigneter bezahlbarer Wohnraum auf sehr wenige Wohnquartiere begrenzt. Dies führt zu objektiver Konzentration einkommensarmer Haushalte mit allen nachteiligen sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Festzuhalten bleibt, dass geeigneter und bezahlbarer Wohnraum für Gering- und Durchschnittsverdiener in bestimmten Wohnlagen kaum noch zu erlangen ist. Die geplante Mietenbremse schafft keinen neuen Wohnraum! Das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum muss – neben einer Mietpreisbremse – weiter engagiert von der Politik angegangen werden. Dessen ungeachtet wird die Mietpreisbremse – durch ihre Koppelung an den Mietenspiegel mit einem Zuschlag von 10% – denjenigen Menschen nichts nützen, die voll oder zum Teil Transferleistungen in Form von Arbeitslosengeld II (ALG II) bzw. Grundsicherung erhalten. Dennoch muss es – neben anderen Maßnahmen – eine Mietpreisbremse geben, um den weiteren Anstieg der Wiedervermietungsmieten einzudämmen. Entscheidend ist, dass die mit dem vorgelegten Referentenentwurf vorgeschlagene Mietpreisbremse, unzureichend ist und auf Grund zu vieler Ausnahmen einen weiteren Anstieg der Wiedervermietungsmieten nicht wird verhindern können. Hierauf wird noch an späterer Stelle eingegangen. Eine wirkungsvolle Mietenbegrenzung ist notwendig. Jeder Mensch ist auf Wohnraum angewiesen. Offensichtlich konnten und können jedoch die Marktmechanismen eine Versorgung der gesamten Bevölkerung mit Wohnraum zu sozial vertretbaren Mieten nicht gewährleisten. Sie dürfen bei lebenswichtigen und nur begrenzt vorhandenen Gütern schlicht kein Maßstab sein! Hier allein auf Marktmechanismen zu setzen, greift zu kurz. Die Nachfrage nach einem lebenswichtigen Gut ist zwingend immer groß , so dass das derjenige, der über das zugleich nur limitiert vorhandene Angebot verfügt, gerade wegen dessen Begrenztheit und Unentbehrlichkeit beliebige Preise fordern kann, jedenfalls in den Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Schon jetzt subventioniert der Staat über Transferleistungen den Wohnungsmarkt. Gerade die Kommunen pumpen über die Kosten der Unterkunft hohe Summen an Steuergeldern in die Geldbeutel der Eigentümer und Vermieter. Schon jetzt werden rund 19 Mrd. Euro jährlich an Unterkunftskosten vom Staat entrichtet, der Hauptteil fällt hier auf die Kosten der Unterkunft, 2010 waren dies immerhin 13,8 Milliarden Euro, die im Rahmen von Arbeitslosengeld II vom Staat gezahlt worden sind (Studie Pestel, Wohnungsbau in Deutschland, 2012 ). Neben dieser hohen Subjektförderung fällt die Objektförderung, also insbesondere die Förderungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus kaum mehr ins Gewicht. Gerade der direkt oder indirekt vom Staat zur Verfügung gestellte Wohnraum nimmt immer mehr ab. Der rapide Rückgang des Sozialwohnungsbestandes trägt maßgeblich zur schwierigen Versorgungslage im preiswerten Marktsektor bei. Der Bestand an Sozialwohnungen reduzierte sich von rund 3 Millionen WE Anfang der 1990er Jahre auf aktuell nur noch rund 1,5 Millionen, was einem Anteil von etwa 6,4% am gesamten Mietwohnungsbestand entspricht. Die ehemaligen Sozialmieter konkurrieren nun ebenfalls um billigen Wohnraum. Den gibt es viel zu wenig. Hier muss der Staat daher stärker regulieren. 2.    Verfassungsrechtliche Vorgaben der Begrenzung von Wiedervermietungsmieten Vielfach wird kritisiert, dass eine Begrenzung der Miethöhe verfassungswidrig wäre. Die Rechte der Vermieter würden hierdurch über Gebühr hinaus unverhältnismäßig einschränkt. Da dies im Rahmen der Diskussion schon jetzt eine große Rolle spielt, lohnt es sich zunächst einen Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu werfen, die in diesem Zusammenhang relevant sind. Grundsätzlich bestehen nämlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Begrenzung von Wiedervermietungsmieten durch den Gesetzgeber. Durch eine solche Begrenzung wird zwar der Handlungsspielraum der Eigentümer und Vermieter beschnitten und in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG eingegriffen. Das geschieht jedoch im Hinblick auf den oben ausgeführten exorbitanten Anstieg der Mieten unter gebotener Rücksichtnahme auf die Mieterseite und entspricht damit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben zur Rechtfertigung von Einschränkungen des Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt nämlich, dass der Großteil der Bevölkerung zur Deckung seines Wohnbedarfs nicht auf Eigentum zurückgreifen kann, sondern gezwungen ist, Wohnraum zu mieten (BVerfGE 89, 1). Bereits 1974 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass im Rahmen einer Grundmietenerhöhung die Begrenzung des Mietzinses auf die „ortsübliche Vergleichsmiete“ keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das Gericht erkennt, dass der Gesetzgeber bei der Erfüllung des ihm in Art. 14 Abs.1 Satz 2 GG erteilten Auftrages, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, vor der Aufgabe steht, das Sozialmodell zu verwirklichen. Dessen normative Elemente ergeben sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und andererseits aus der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 Abs. 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 23. April 1974 – 1 BvR 6/74). Insofern ist verfassungsrechtlich schon vorausgesetzt, dass sich zwar das Privateigentum im Sinne der Verfassung in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand auszeichnet, sein Gebrauch aber ebenso dem Wohle der Allgemeinheit dienen muss, also „sozialgebunden“ ist. Erforderlich ist hierbei, dass das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht (BVerfGE 37, 132). Folglich erfährt dann die Gemeinwohlbindung des Eigentums zwar Abstufungen, das Grundeigentum ist aber prinzipiell in einem weit stärken Maß sozialgebunden, als dies bei anderen Vermögensgütern der Fall ist (BVerfGE 21, 73). Infolgedessen ist das Eigentum an Mietwohnungen noch mit einer besonderen Rücksichtspflicht verbunden, weil andere „Rechtsgenossen“ auf die Nutzung dieses Eigentumsobjektes in besonderem Maße angewiesen sind (BVerwG, NJW 1983, 2893-2895). Dies bekommt somit noch größere Bedeutung in mit ausreichendem Wohnraum unterversorgten Gebieten (BVerwGE 71, 291) und verliert letztlich seine Geltung nur dann, wenn es einen Kreis von Personen, der nach seinen Einkunftsverhältnissen in besonderem Maß auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen ist, in einem den Eingriff gestattenden Umfang nicht mehr gäbe. Etwa wenn dieser Kreis so klein geworden oder nicht mehr schutzwürdig ist, dass er die seinem Schutz korrespondierende Bindung des Grundeigentums nicht mehr rechtfertigte (BVerwG, NJW-RR 1986, 1139). Zu beachten ist weiterhin, dass das Bundesverfassungsgericht das Recht des Mieters an seiner Wohnung als Eigentumsgrundrecht i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 1GG anerkannt hat. Er begründet dies insbesondere damit, dass die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz sei und der Einzelne auf den ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfGE 89, 1). Es muss daher bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete nach den Kriterien des Gerichts den beiden Eigentumsgrundrechten der Mietvertragsparteien, auch der Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung Rechnung getragen und damit die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden (vgl. dazu auch Derleder, WuM 2013, 383). Nach den aufgezeigten Grundsätzen ist mithin auch eine Koppelung der Mietenbremse an die ortsübliche Vergleichsmiete möglich. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist ausreichend in § 558 BGB definiert, ist seit inzwischen 40 Jahren gesetzlich geregelt und war selbst wiederholt Gegenstand verfassungsrechtlicher Überprüfung, ohne dass es von dieser Seite zu durchgreifenden Beanstandungen gekommen wäre. Die Regelung sichert dem Vermieter ohnehin einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellen wird. Dass sie zugleich die Ausnutzung von Mangellagen auf dem Wohnungsmarkt verhindert und Preisspitzen abschneidet, kann schon deshalb nicht beanstandet werden, weil eine solche Nutzung des Eigentums im Hinblick auf die ausgeführte soziale Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (BVerfGE 37, 132). Wenn aber die Begrenzung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete die Rechte des Vermieters nicht verletzt, bestehen erst recht keine Bedenken gegen die Begrenzung einer Wiedervermietungsmiete auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete. In diesem Zusammenhang muss aber auch bedacht werden, dass bei der derzeitigen Regelung in § 558 Abs. 2 BGB – der Regelung über die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete – ein Teil der Bestandsmieten überhaupt keinen Eingang in die Ermittlung der Vergleichsmieten finden, solange nur die Mieten erfasst werden, die in den letzten vier Jahren vereinbart oder verändert wurden. Gerade die längeren Mietverhältnisse mit niedrigen Mieten fallen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vornherein heraus. Dieses Problem ist der Koalition offenbar bekannt. Im Koalitionsvertrag findet sich hier die Absichtserklärung diese zeitliche Begrenzung zu verändern, wohl aufzuheben. Dies muss zugleich mit Einführung der Mietenbremse geschehen. 3. Qualifizierter Mietspiegel In diesem Zusammenhang muss auch mit Besorgnis zur Kenntnis genommen werden, dass gerade die in den Ballungszentren in der Regel vorhandenen qualifizierten Mietspiegel in das Zentrum der Auseinandersetzung rücken werden. Bei den zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Überschreitung der Mietenbremse geht es um die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. In den Ballungszentren, vor allem aber in den Großstädten gibt es – mit Ausnahme von Bremen – qualifizierte Mietspiegel. Durch die Vermutung des ordnungsgemäßen Abbildes der Vergleichsmiete in diesen Mietspiegeln wird erreicht, dass die ortsübliche Vergleichsmiete in der Regel ohne kostenaufwändige Sachverständigengutachten bestimmt werden kann. Über 98% der Normierungsverfahren werden ohne Streit zu Ende gebracht. Auch dies ist ein Verdienst der Regelung zum qualifizierten Mietspiegel. Qualifiziert sind in der Regel die Mietspiegel, die nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter oder Mieter anerkannt worden sind. Die Vermieterseite wird zukünftig verstärkt diese Mietspiegel angreifen und versuchen, die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB zu erschüttern. Gerade Vermietern mit einem großen Wohnungsbestand und damit vielen Vergleichsdaten haben so gute Chancen, Zweifel daran zu säen, dass die jeweiligen Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt wurden. Mietern stehen dagegen solche Erkenntnisquellen regelmäßig nicht zur Verfügung. Der BGH hat nun in zwei Fällen für Berlin entschieden, dass der vom Vermieter vorgetragene Einwand, der konkrete qualifizierte Mietspiegel bilde die Vergleichsmiete nicht ab, nicht nur auf der Ebene der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung im Sinne des § 292 ZPO sondern auch gegen den qualifizierten Mietspiegel selber vorgebracht werden kann (BGH GE 2013, 1645 ff; BGH NJW 2013, 775). Ergibt sich im Rahmen einer Beweisaufnahme dann, dass der Mietspiegel nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, handelt es sich lediglich um einen einfachen Mietspiegel im Sinne des § 558 c BGB, der als Begründungsmittel herangezogen werden kann. Er hat lediglich Indizwirkung hinsichtlich der ortsüblichen Vergleichsmiete, mehr aber auch nicht. Erachtet das mit dem Rückforderungsanspruch konfrontierte Gericht den Angriff auf den qualifizierten Mietspiegel als ausreichend, wird über die ordnungsgemäße Erstellung des Mietspiegels ein kostspieliges Gutachten erstellt, das der Mieter nach allgemeinen Beweislastregeln zunächst vorfinanzieren muss (instruktiv Börstinghaus, Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, Vortrag Mietgerichtstag 2014). Hier kann man von einem i.d.R. fünfstelligen Betrag ausgehen, der – wegen der Begrenzung der Versicherungssumme – selbst den rechtsschutzversicherten Mieter vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen dürfte (Der Höchstbetrag der DMB-Rechtsschutzversicherung beträgt 15.000,00 €). Wenn das Gutachten dann zum Ergebnis kommt, der Mietspiegel sei aufgrund eines Fehlers nicht qualifiziert, bedarf es eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete. Dass dieses Sachverständigengutachten die ortsübliche Vergleichsmiete wesentlich schlechter wiedergibt als der qualifizierte Mietspiegel, liegt auf der Hand. Werden doch gerade in den Großstädten die Mietspiegel in mühevoller Kleinarbeit erstellt und in aufwändigen tagenden Gremien der Interessenverbände gemeinsam mit der Gemeinde abgestimmt. Dem gegenüber reicht für ein Sachverständigengutachten über die Miethöhe oft eine Auseinandersetzung mit 4 Vergleichswohnungen. Das Verfahren ist teuer und natürlich hinsichtlich seines Ausgangs unsicher. Ist unklar, ob der qualifizierte Mietspiegel überhaupt Bestand hat, wird allein dies zur Hürde, die den Mieter vor der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen abhalten kann. Dies würde den Sinn der Regelung entwerten. Hier gilt es, die qualifizierten Mietspiegel zu stärken und eine Überprüfung im Zivilverfahren zumindest dann einzuschränken, wenn ein Mietspiegel sowohl von der Gemeinde als auch von beiden Interessenverbänden (also Vermieter und Mieter) anerkannt wurde. Nach derzeitiger Rechtslage reicht die Anerkennung der Gemeinde oder der Interessenvertretung. Die Anerkennung von Staat und Interessenvertretung verleiht dem Mietspiegel eine besondere Legitimität. Es wäre in diesem Zusammenhang zu erwägen, ob durch eine einfachgesetzliche Regelung in § 558d BGB nicht die Regelungen über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden im Sinne von § 418 ZPO auf diese Mietspiegel entsprechend Anwendung finden sollten, zumindest dann, wenn der aufgestellte Mietspiegel durch einen unabhängigen Gutachter ein entsprechendes Qualitätssiegel erhält. In diesem Zusammenhang sollte erwogen werden, das auslegungsbedürftige Kriterium „anerkannte wissenschaftliche Grundsätze“ eingeschränkt zu definieren und einheitliche Richtlinien für die Erstellung der qualifizierten Mietspiegel zu schaffen. Die Aufstellung des Mietspiegels selbst ist schlichtes Verwaltungshandeln. Der Mietspiegel begründet keine Rechtsbeziehungen zu der sie ggf. mit aufstellenden Gemeinde, die ihn auf dem Verwaltungsgerichtsweg anfechtbar machen würde (OVG Münster WuM 2006, 623 für den qualifizierten Mietspiegel unter Berufung auf das BVerwG NJW 1996, 2046 für den einfachen Mietspiegel). 4. Was bewirkt die Mietenbremse? Es ist jedoch fraglich, ob die Koppelung der Wiedervermietungsbegrenzung an die ortsübliche Vergleichsmiete bezahlbaren Wohnraum erhält. Der Gesetzgeber will in § 556 e Abs. 1 EntMietNovG einen Bestandsschutz für überhöhte mit dem Vormieter vereinbarte Mieten regeln, so dass der bisher schon überteuerte Wohnraum auch weiterhin nicht zu angemessenen Preisen zu haben sein wird. Der vormals preiswerte Wohnraum, der unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete lag, kann bei der Wiedervermietung ohne Kappung auf ein Mietniveau von 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. Es greift daher die Mietenbremse nur bei der Wiedervermietung von Wohnraum, dessen Mietzins schon vorher nahe der Vergleichsmiete lag. Solche Mieterhöhungen führen letztlich zu einer weiteren Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zumal bislang die Mietverhältnisse, in denen es in den letzten vier Jahren vor der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete keine Mieterhöhung gab, bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete außer Betracht bleiben. Mietenbremse und angemessener Wohnraum in Sinne von § 22 SGB II Schwerer wiegt in diesem Zusammenhang, dass die Mietenbremse durch die Koppelung an die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich 10% keinem Mieter nützt, der von ALG II oder Grundsicherung ganz oder zum Teil lebt. Denn die angemessenen Wohnkosten, die von dem Jobcenter oder den Sozialämtern übernommen werden, liegen in der Regel höchstens bei der ortsüblichen Vergleichsmiete, in der Regel aber darunter. Da immer weniger Sozialwohnungen gebaut, aber dafür immer mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung entlassen werden, wird man für die auf diese Transferleistungen angewiesenen Personengruppen, die am stärksten von der Wohnungsnot betroffen sind, durch die vorliegende Regelung keinen bezahlbaren Wohnraum erhalten können. In Berlin orientieren sich die zu übernehmenden Wohnkosten an den einfachen Wohnlagen des Mietspiegel, differenzieren allerdings nicht nach Ausstattung der Wohnungen, sondern differenzieren hier nach Anzahl der in den Wohnungen lebenden Personen und können allein deshalb den Mietern, die auf Transferleistungen angewiesen sind, nicht helfen. Denn auch wenn er oder sie in einfacher Wohnlage eine Wohnung gefunden hat, werden die 10% Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht vom Leistungsträger übernommen. Sollte man die Mietenbremse an die ortsübliche Vergleichsmiete koppeln wollen, müsste zumindest insofern § 22 SGB II geändert werden, damit auch die Menschen von der Regelung profitieren, die auf öffentliche Leistungen zu ihren Wohnkosten angewiesen sind. 5. Koppelung der Wiedervermietungsmiete an die Miete des Vormieters Vor diesem Hintergrund kann eine effektive Mietenbremse nur über eine Koppelung an die zuletzt gezahlte Miete gelingen. Nur so lässt sich erreichen, dass bezahlbarer Wohnraum auch nach einem Wohnungswechsel erhalten bleibt. Zusätzlich sollte die Wiedervermietungsmiete an die Vergleichsmiete gekoppelt werden, um zu erreichen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nur moderat steigt. Sinnvoll ist hier tatsächlich die Begrenzung auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete, wie dies der Gesetzesvorschlag vorsieht. Die Kappungsgrenze für die Wiedervermietung sollte bei 15% über der letzten Miete liegen, orientiert an der jetzigen Regelung im Rahmen des § 558 Abs. 3 BGB. Eine derartige Kappung gab es bereits in der Zeit zwischen 1988 und 1994 in West-Berlin im Gesetz zur Verbesserung der Wohnlage. Damals betrug die Kappungsgrenze 10% bei Wiedervermietungen und galt für den Übergang vom schwarzen zum weißen Kreis. Im Zusammenspiel mit § 5 WiStrG hat es eine Mietenexplosion trotz bestehender Wohnungsnot verhindert und offenbar dazu beigetragen, dass sich der Wohnungsmarkt zumindest in Berlin in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre soweit entspannt hatte, dass das OVG Berlin Anfang der 2000-er Jahre eine Mangellage auf dem Wohnungsmarkt verneint hat (OVG Berlin GE 2002, 1128). Diese Regelung war damals nicht Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Dieser hätte sie allerdings unter Berücksichtigung der oben dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätze ohne Zweifel standgehalten. Die vormalige Regelung der Preisbindung (u.a. AMVOB) in Berlin war wiederholt Gegenstand einer höchstrichterlichen Kontrolle, ohne dass es dort zu Beanstandungen gekommen wäre (u.a. BVerwG GE 88, 685 m. w. N.). Auch ansonsten gab es jenseits der klassischen Preisbindung eine Regelung zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete. Das Mietenüberleitungsgesetz, das ebenfalls in den 90-er Jahren den Übergang von der Preisbindung bei Wohnraum im Beitrittsgebiet in das Vergleichsmietensystem nach dem Miethöhegesetz (MHG) regelte, koppelte die Wiedervermietungsmiete an die Vergleichsmiete. Die Regelung war von 1995 bis zum 30. Juni 1997 in Kraft und beschränkte die Wiedervermietungsmiete auf 15% über der zulässigen Vergleichsmiete. Allerdings wurde hier auch die konkrete Ausstattung bei der Ermittlung berücksichtigt. Die Miete konnte bei Wiedervermietung nicht erhöht werden, wenn die Wohnung über keinen ausreichenden Standard verfügte. Obwohl der Ausstattungsstand im Beitrittsgebiet schlecht und die Mieten niedrig waren, hat diese Regelung weder Wohnraum vernichtet, noch die Wohnungsnot verschärft.

      II. Verordnungsermächtigung und Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt Die Mietenbremse gilt mit Inkrafttreten nicht automatisch sondern bedarf zur Umsetzung entsprechender Rechtsverordnungen der Länder. Diese müssen festlegen, in welchen Gemeinden oder Gemeindeteilen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen besonders gefährdet ist. Hierzu gibt ihnen der Entwurf nun bis zum 31.12.2020 Zeit und schafft damit von vornherein eine generelle zeitliche Begrenzung für die Mietenbremse. Insofern wurde – offenbar auf Druck der Immobilienlobby– die Mietenbremse verwässert. Dieser Vorschlag spiegelt die Uneinigkeit der Koalitionspartner bezüglich dieses Gesetzesvorhabens wider und konterkariert die Zielsetzung des Gesetzesvorhabens. Wenn man mit der Gesetzesbegründung von der absolut richtigen Annahme ausgeht, dass eine Mietenbremse den Mietenanstieg abmildern und bezahlbaren Wohnraum erhalten soll, dann kann dies nur langfristig dämpfend wirken. Wenn man von diesem Weg überzeugt ist, dann kann man ihn nicht nach Zielerreichung verlassen. Dies gilt umso mehr als die Regelung sowie so nur regional begrenzt gelten soll. Tritt eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ein, dann würden entsprechende Verordnungen vom Landesgesetzgeber nicht mehr erlassen werden können oder automatisch außer Kraft treten. Warum dann aber die gesamte Idee einer Begrenzung der Wiedervermietungsmieten sich letztlich dadurch als falsches Instrument erweisen sollte, ist jedoch schwer zu erklären. Eine zeitlich begrenzte Geltung der Mietenbremse ist abzulehnen. Die Reglungen über die Mietenbremse sollen allerdings sowieso nicht flächendeckend gelten. Vielmehr sollen sie nur in den Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten gelten. Dies sind gem. § 556 d Abs. 2 EntMietNovG Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und dies von der Landesregierung bestimmt ist. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete für die Dauer von fünf Jahren festzulegen. Die entsprechende Ermächtigung ist bereits vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 38, 348, 357 ff zur Zweckentfremdungsverbotsverordnung) als verfassungsrechtlich ausreichend bestimmt und als mit Artikel 14 GG vereinbar angesehen worden. Die Regelung entspricht den Regelungen zur Begrenzung der Mieterhöhung in Sinne des § 558 Abs. 3 BGB sowie der zur Verlängerung der Sperrzeit. Im Vergleich zum Referentenentwurf wurden allerdings die Anforderungen an die Aufstellung der Rechtsverordnungen verschärft. Zum einen wird von dem Verordnungsgeber verlangt, dass er die Verordnung begründet und insbesondere die Tatsachen darlegt, auf die er die Annahme des angespannten Wohnungsmarktes stützt. Weiterhin muss er in der Begründung darlegen, welche Maßnahmen er ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen. Die formelle Begründungspflicht verwundert, da der Verordnungsgeber sowieso durch die Ermächtigung gezwungen wird, die Mangellage zu ermitteln. Dies ist nach der Kappungsgrenzenverordnung und nach den VOen nach § 577a BGB nicht anders, eine gerichtliche Kontrolle war dennoch gegeben. Die zu den vorgenannten Ermächtigungsgrundlagen ergangene Rechtsprechung kann genutzt werden, die Auslegung ist damit berechenbar. Die Verschärfung gegenüber dem Referentenentwurf und die gegenüber den vorgenannten Ermächtigungsnormen gestiegenen Anforderungen impliziert, dass entweder weniger Gebiete ausgewiesen werden sollen, in denen die Mietenbremse gilt oder dass den Landesverordnungsgebern bei der Feststellung der Mangellage schlicht misstraut wird. In jedem Fall werden die Hürden zur Aufstellung entsprechender Rechtsverordnungen erheblich angehoben. Gerade im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung könnte sich die Mietenbremse allein deswegen erledigen, weil die Umsetzung schlicht zu aufwendig und teuer wird. Die besondere Regelung einer Begründungspflicht ist aber auch gänzlich überflüssig. Über das Zitiergebot in Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 GG und die in ihm enthaltenen Ansätze eines Begründungszwanges hinaus treffen den Verordnungsgeber ganz allgemein den unterschiedlichsten Zwecken (u.a. Selbstkontrolle, Rechtsschutz) dienende Begründungspflichten. Sie ergeben sich aus diversen verfassungsrechtlichen Normen (z.B. Artikel 19 Abs. 4 Satz 1, 20 Absatz 3 GG) (Lücke/Mann in Sachs GG Art 80 Rz. 30). Wenn allerdings schon aufgrund allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsätze eine Begründungspflicht besteht, fragt es sich, aus welchem Grunde dann dies noch einmal explizit in der Ermächtigungsgrundlage benannt werden muss. Außerdem werden gegenüber Kappungsgrenzen VO und § 577a VO erhöhte Anforderungen an die Ermittlung von Datenmaterial gestellt. Zumindest muss man bei einer historischen Auslegung (Veränderungen des Kabinettsentwurfes gegenüber dem Referentenentwurf) genau davon ausgehen. Allerdings benötigte man schon jetzt für den Erlass der vorgenannten Verordnungen Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Mangelgebiete. Im Gegensatz zu den Stadtstaaten, in denen regelmäßig mehr Zahlenmaterial zur Verfügung steht, haben schon jetzt die Flächenstaaten Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ein gutes Jahr benötigt, um eine Kappungsgrenzen VO zu erlassen. Mit der Verschärfung der Voraussetzungen für die VO wird es weniger Gebiete geben, in denen diese gilt und es wird länger dauern, bis diese überhaupt erlassen werden. Dies umso mehr, als dass Land bzw. Kommunen gezwungen werden, Maßnahmen zur Verringerung der Wohnungsknappheit zu ergreifen. Ohne derartige insbesondere Wohnungsbauprogramme – denn nur dies kann damit gemeint sein – kann in einem Gebiet keine Mietenbremse erlassen werden. Ob sich eine Kommune oder ein Land derartige Programme leisten will oder kann, steht auf einem anderen Blatt. Damit wird die Rechtsänderung – im Gegensatz zu den Angaben in der Gesetzesbegründung – allerdings ganz erhebliche Auswirkungen im Haushalt haben, worauf Blank richtigerweise weist (WuM 2014, 641, 646). Die Einführung der Mietenbremse sollte nicht auf diese Weise blockiert werden. Zu einer regionalen Begrenzung der Anwendbarkeit der Neuregelung gibt es mehrere Kritikpunkte: Eine flächendeckende bundeseinheitliche Regelung ist daher schon aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geboten. Daneben verhindert eine flächendeckende Regelung von vorneherein, dass das Mietenniveau in derzeit noch entspannten Teilen des bundesweiten Wohnungsmarktes genauso anzieht, wie das in den letzten Jahren in den Ballungszentren geschehen ist. Die regionale Begrenzung der Regelung wird teilweise mit dem Verfassungsrecht, Artikel 14 GG, begründet. Entgegen der Annahme, eine Regelung zur Neuvermietungsbegrenzung in Gebieten mit einem Überangebot an Wohnungen könnte verfassungswidrig sein, ist eine flächendeckende Regelung jedoch mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 1986 in Bezug auf die damalige Mietpreisbindung für Altbauwohnungen in Berlin entschieden, dass es an einem öffentlichen Interesse für die Sozialbindung des Eigentums und damit einhergehende Einschränkungen des Vermieters erst dann fehle, wenn es einen Kreis von Personen, der nach seinen Einkunftsverhältnissen in besonderem Maße auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen ist, in einem den Eingriff gestattenden Umfang nicht mehr gäbe, insbesondere dieser Kreis so klein geworden oder nicht mehr schutzwürdig wäre, dass er die seinen Schutz korrespondierende Bindung des Grundeigentums nicht mehr rechtfertigte (BVerwG, Urteil v. 14.02.1986, Az.: 8 C 9/84). Hiervon kann auch in Wohnungsmärkten, die nicht notwendigerweise die Kriterien eines angespannten Wohnungsmarktes erfüllen, keine Rede sein. Auch der BGH 1979, und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht 1988, kamen zu dem Ergebnis, dass es auf die Frage, ob der Wohnungsmarkt in Berlin in der fraglichen Zeit insgesamt ausgeglichen war, oder ob die Nachfrage nach Altbauwohnungen das Angebot übersteige, nicht ankomme (BGH, Urteil v. 15.02.1979, III ZR 167/77, BVerwG, Urteil v. 15.01.1988, 8 C 40/85). Zwar würde eine bundeseinheitliche Regelung auch in Gebieten ohne Mangellage die – in derartigen Gebieten ohnehin nur theoretisch bestehende – Preisfreiheit von Eigentümern und Vermietern beschränken. Dieser Eingriff ist wegen des besonderen sozialen Bezuges von Mietwohnungen verfassungsrechtlich jedoch gerechtfertigt, siehe hierzu oben. Artikel 14 garantiert nicht, die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentum ziehen zu können, sondern eine am örtlichen Markt orientierte Miete, die regelmäßig die Wirtschaftlichkeit der Wohnung sicherstellt. Von diesen Grundsätzen ausgehend muss eine Preisbindung, wenn sie in Gebieten mit Wohnungsmangel verfassungsrechtlich zulässig ist, erst Recht in Gebieten ohne Mangellage zulässig sein, dies aus zwei Gründen: Zum Einen wird es hier nur in seltenen Fällen zu einer tatsächlichen Anwendung der Regelung und damit Kappung der Wiedervermietungsmiete kommen. In einem weitgehend ausgeglichenen Wohnungsmarkt dürfte eine Erhöhung der Miete bei Wiedervermietung um mehr als 10% nur sehr selten überhaupt vom Vermieter durchsetzbar sein. Zum Anderen würde die Regelung auch in den seltenen (Einzel)fällen, in denen sie griffe, da doch eine höhere als um 10% erhöhte Miete verlangt werden kann, zu keiner Verletzung von Artikel 14 GG führen. Denn eine um mehr als 10% erhöhte Wiedervermietungsmiete dürfte auf einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt schon weit mehr als ein überdurchschnittlicher Gewinn sein. Artikel 14 GG garantiert dem Vermieter nicht, den maximalen Ertrag aus der Immobilie zu erzielen, sondern schützt eine am örtlichen Markt orientierte Mieterzielung. Eine um mehr als 10% erhöhte Wiedervermietungsmiete ist auf einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt objektiv deutlich mehr als eine am Markt orientierte Miete. Der Eingriff in die Preisfreiheit des Vermieters wäre mithin auch in diesem Fall gerechtfertigt. Tatsächlich dürfte eine entsprechende Regelung in Gebieten ohne Mangellage jedoch kaum zur Anwendung kommen, entsprechend kann sie auch keinen Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 14 GG der dort vermietenden Eigentümer und Vermieter sein. Eine Preisbindung ist also auch in Gebieten ohne Mangellage mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Geschützt ist ein Vermieter vor dauerhaften Verlusten oder einem Substanzverlust. Was bei Leerstand zu dauerhaften Verlusten des Vermieters führen kann, ist jedoch nicht die gesetzliche Regelung, sondern die Lage auf dem Wohnungsmarkt selbst. Fazit: Die Mietenbremse muss flächendeckend gelten!
      III. Beschränkung Die Mietenbremse wird eingeschränkt durch § 556e BGB, wenn entweder der Vormieter bereits mehr gezahlt hatte, als diese die Mietenbremse zulässt, oder wenn der Vermieter in den letzten drei Jahren vor der Anmietung modernisiert hatte. 1. Vorvertragsmiete Übersteigt die letzte Miete die Grenze der Mietenbremse, kann der Vermieter diese Miete verlangen, § 556e Abs. 1 BGB. (a) Diese Regelung soll dem Vermieter eine Art Vertrauensschutz geben, belohnt allerdings vor allem den gierigen Vermieter. Derjenige Vermieter, der bereits bisher Mieten über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt hat, darf diese weiter fordern. Dies erscheint weder sachgerecht noch notwendig. Das BVerfG hat doch mehrfach klar gemacht, dass Artikel 14 GG dem Vermieter keine höchstmögliche Rendite sichern soll. Der gierige Vermieter kann eben gerade keinen grundrechtlichen Schutz für sich beanspruchen. Wenn man die Marktmiete mehr an die ortsübliche Vergleichsmiete heranführen möchte, muss man dies konsequent auch bei einer Überhöhung des Mietzinses bereits bei der Vormietermiete machen. Die mangelnde Schutzwürdigkeit wird auch deutlich im Hinblick auf § 5 WiStrG, so wie er bis zur Rechtsprechungsänderung vor 10 Jahren ausgelegt wurde. Die die Wesentlichkeitsgrenze überschreitende Miete wurde in jedem Fall gekappt, egal, ob die Miete neu vereinbart, jahrelang gezahlt oder weit über der Vergleichsmiete lag. Mit der neuen Regelung werden – auch im Hinblick auf die geplante Streichung von § 5 WiStrG – überhöhte Mieten legalisiert. Es soll die Absicht des Gesetzgebers nicht verkannt werden, dass über die Mieterhöhungsregelungen und der Koppelung einer Grundmietenerhöhung an die Vergleichsmiete auf Dauer eine Angleichung dieser Mieten an den Mietspiegel schlicht dadurch erreicht wird, dass der Vermieter diese neu vereinbarte Miete nicht erhöhen darf. Erforderlich oder gar kurzfristig effektiv ist dies allerdings nicht. (b) Zudem ist diese Regelung stark missbrauchsanfällig. Die Regelung kann durch kollusives Zusammenwirken von Vermieter und Mieter aber auch durch legales Verhalten des Vermieters umgangen werden. Dem wird nur unzureichend in § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB begegnet. Hiernach bleiben Vereinbarungen nach § 557 BGB im letzten Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses bei der Ermittlung der Vormiete unberücksichtigt. Hier hat der Gesetzgeber Absprachen im Blick, mit denen sich der Vormieter am Ende des Mietverhältnisses eine Erhöhung der Miete im Hinblick auf eine Wiedervermietung durch den Verzicht des Vermieters auf die Durchführung von Schönheitsreparaturen erkaufen will. Abgesehen davon, dass die Beweislast hier beim Mieter liegen dürfte, lässt sich dies ohne weiteres umgehen. Es werden hier nur Vereinbarungen aber nicht einseitige Mieterhöhungen nach § 558 und § 559 BGB erfasst, die eigentlich unbegründet waren, denen der Mieter jedoch zugestimmt hat.
      Wenn man den BGH richtig versteht, führt zwar eine unwirksame Mieterhöhungserklärung nach § 558 BGB zu einer Vertragsänderung im Sinne von § 557 BGB (NZM 2005, 736). Ob der BGH diese, zu etwaigen Rückforderungsansprüchen des Vermieters entwickelte Rechtsprechung auf die Fälle der Mietenbremse anwenden wird, bleibt fraglich. Möglicherweise wird er auf das kollusive Zusammenwirken des Vormieters mit dem Vermieter abstellen und die Vereinbarung des § 557 BGB nur für die Fälle einer Vereinbarung mit dem Ziel der Umgehung der Mietenbremse annehmen. Möglich erscheint allerdings es auch über folgende Argumentation das Verbot der Umgehung der Mietenbremse in diesen Fällen zu begrenzen: Der Gesetzgeber will dem Vermieter die letzte Miete garantieren. Er nimmt dabei ausdrücklich in Kauf, dass der Vermieter diese entgegen den gesetzlichen Regelungen über die Vergleichsmiete erhöht hat, denn andernfalls hätte er genau hier eine Grenze gezogen und keine Beschränkung im Sinne des § 556e Abs. 1 BGB geregelt. Dies kann so wohl nicht gemeint sein. Diese „Lücke“ muss in jedem Fall geschlossen werden. (d) In keinem Falle sind Vereinbarungen nach § 555f BGB erfasst. Über eine Modernisierungsvereinbarung kann die Mietenbremse unschwer vom Vermieter umgangen werden. Sofern die Sachverhalte nicht über § 556 e Abs. 2 oder § 556 f Nr. 2 BGB gelöst werden, besteht die Gefahr einer Miethöhevereinbarung im Wege des § 555f BGB. Der Vermieter lässt sich für eine Modernisierungsmaßnahme eine höhere Miete versprechen, als ihm nach § 559 BGB eigentlich zusteht. Im Gegenzug erhält der Mieter andere Vorteile, z.B. eine Untermietgenehmigung oder den Erlass von Schönheitsreparaturen. Wenn derartige Vereinbarungen in die Form des neuen 555f BGB gekleidet sind, werden sie nicht vor der Einschränkung erfasst und können so zur Umgehung der Mietpreisbremse genutzt werden. 2. Vorherige Modernisierung In der Gesetzesbegründung wird zu § 556e BGB ausgeführt, dass der Vermieter nach dieser Vorschrift weitestgehend so gestellt wird, als würde er die Modernisierung und die nachfolgende Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis vornehmen, auch wenn sie tatsächlich bereits vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführt wurde. Diese Herangehensweise schafft eine Ausnahme von der Idee des Schutzes der Mieter in angespannten Wohnungsmarktlagen. Sie stellt damit den gesamten Zweck des Gesetzes in Frage. Bereits jetzt sagt der Vorsitzende des Vereins Haus und Grund, Rechtsanwalt Carsten Brückner, dass den Vermietern gar nichts weiter übrig bleibe, als Wohnungen zu modernisieren, wenn sie eine Miete über der ortsüblichen Vergleichsmiete erreichen wollen. Modernisierung dient schon jetzt häufig nicht mehr dazu, den Wohnwert einer Wohnung für den Mieter zu steigern bzw. auf einen ortsüblichen und modernen Standard zu bringen. Sie ist ein Mittel zur Verdrängung von Bestandsmietern aus angespannten Wohnungsmarktlagen, die aufgrund der Länge des Mietverhältnisses noch günstige Mietpreise zahlen und daher nicht geneigt sind, ihre Wohnungen aufzugeben und umzuziehen. Modernisierung wird damit zu einem Mittel, die ortsübliche Vergleichsmiete zu steigern. Eine Notwendigkeit, diese Ausnahme von der Bindung der Wiedervermietungsmiete an die ortsübliche Vergleichsmiete zuzulassen, gibt es nicht. In den meisten Ballungsgebieten gibt es inzwischen qualifizierte Mietspiegel, die mit einer Preisspanne zwischen Ober- und Unterwert die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden. In Berlin finden sich dabei bereits Merkmale in allen fünf Merkmalgruppen, die eine hochwertig sanierte Wohnung ausmachen – so etwa das wandhängende WC, der Handtuchheizkörper, die Badewanne und von ihr getrennte zusätzliche Dusche, die Einbauküche mit Cerankochfeld, Isolierglasfenster, die zusätzliche Wärmedämmung, die barrierearme Wohnungsgestaltung, Aufzüge und das aufwändig gestaltete Wohnumfeld. Weist eine Wohnung diese Merkmale auf, so kann der Oberwert des Mietspiegels verlangt werden, der in der Regel mehr als 3 €/m² von dem Unterwert abweicht. Die Mietspiegel haben die Merkmale und ihre Wertigkeit bei der Abbildung der ortsüblichen Vergleichsmieten berücksichtigt. Dabei ist insbesondere bei den Sondermerkmalen erfasst worden, um wie viel höher die Miete einer Wohnung ist, die diese Merkmale aufweist. Dadurch, dass überproportional viele Wiedervermietungsmieten in die Datenerfassung zur Erstellung des Mietspiegels einfließen, bildet der Mietspiegel bereits ab, wie viel den Wohnungssuchenden eine Wohnung wert ist, die so umfassend modernisiert wurde. Erlaubt man nun dem Vermieter in besonders angespannten Wohnungsmarktlagen, nicht nur die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern eine gem. § 559 BGB erhöhte Miete zu verlangen, läuft dies dem Gesetzeszweck zuwider, den weiteren Anstieg der Mieten in solchen Gebiete gerade zu verhindern. Bereits jetzt werden in sehr nachgefragten Wohngegenden Wohnungen modernisiert, um höhere Mieten zu erreichen. Dadurch werden weit über den ortsüblichen Standard hinausgehende Ausstattungsmerkmale geschaffen, die sich der durchschnittliche Mieter nicht leisten kann. Dazu gehören z.B. die Anbringung eines zweiten Balkons, der Anbau eines Fahrstuhls an Häuser mit nicht mehr als vier Obergeschossen oder die Installation einer Wohnraumbelüftungsanlage. Ohne die Anwendung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit ist der Vermieter frei in der Auswahl aufwändiger Ausstattungen. So führt der Balkonanbau nicht selten zu einer Mieterhöhung weit über 100 €. Auch ein Fahrstuhlanbau hat regelmäßig eine Mieterhöhung in dieser Größenordnung unabhängig von der Wohnungsgröße zur Folge. Bei der Wärmedämmung ergeben sich Mieterhöhungen zwischen 0,30 €/m² und 2 €/m², ohne dass dem Mieter die Möglichkeit gegeben wird, den Einwand der Wirtschaftlichkeit, wie er aus dem Betriebskostenrecht bekannt ist zu erheben. Auch eine Begrenzung der Mieterhöhung bei energetischen Maßnahmen in einem Verhältnis zur tatsächlich erfolgten Energieeinsparung erfolgt weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung. Das führt in nicht wenigen Fällen dazu, dass die Mieterhöhung das 6 bis 10fache über der durch die Energieeinsparung ersparten Kosten liegt. Zwar kennt die ENEV in § 25 die Möglichkeit des Eigentümers eines Hauses, eine Ausnahmegenehmigung bei einem solchen Mietverhältnis zu beantragen, dem Mieter wird ein solches Recht jedoch nicht eingeräumt. Der (Bestands-)Mieter kann sich nur auf den Einwand der sozialen Härte berufen, soweit nicht lediglich ein ortsüblicher Ausstattungsmaßstab hergestellt wird. Diese Beschränkung ist ein Relikt aus der Vorgängervorschrift § 554 BGB. Sie sollte verhindern, dass der Mieter mit einem Härteeinwand die gesamte Modernisierungsmaßnahme stoppen konnte. Mit der Novellierung des Mietrechts im Jahre 2013 wurde aber gerade diese Möglichkeit dem Mieter genommen. Unabhängig von der sozialen Härte kann gebaut werden, erst im Rahmen der Mieterhöhung wird dies geprüft. Warum der Mieter nun dann aber auch für die allgemein üblichen Maßnahmen mehr aufbringen soll, als er kann, bleibt unklar. Vielmehr führt dies direkt in die Vertreibung aus der Wohnung. Der Einwand der sozialen Härte greift erst nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen. Es gibt keinen Weg für den Mieter, bereits bei Ankündigung der Maßnahmen festzustellen, wie hoch die Miete nach Abschluss der Baumaßnahmen sein wird. Will der diese Ungewissheit nicht hinnehmen, einschließlich des Risikos, evtl. nicht reduzierte Mieterhöhungsbeträge nachzahlen zu müssen, sucht er sich auch angesichts der oft lang andauernden, mit Schmutz- und Lärmbelästigung einhergehenden Baumaßnahmen bereits im Vorfeld eine neue Wohnung. Der neue (Nach)Mieter wird gegen die nach § 556e gebildete zulässige Miete allerdings nicht den Einwand der sozialen Härte erheben können. Für viele Vermieter wird das in besonders nachgefragten Wohngegenden ein Anreiz sein, Bestandsmieter vor der Sanierung „loszuwerden“, um einem evtl. Härteeinwand sicher aus dem Weg zu gehen. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Ohne die längst fällige Evaluierung und Überarbeitung der §§ 555 b bis d BGB im o.g. Sinn wird der neue § 556 e BGB zum Einfallstor zur Umgehung der Mietpreisbremse. Letztendlich gibt es für den neu einziehenden Mieter keine Möglichkeit, den Erhöhungsbetrag gem. § 559 BGB, der auf die ortsübliche Miete vor Modernisierung hinzugerechnet werden darf, zu überprüfen. So wird er kaum in der Lage sein, den durch die Modernisierungsmaßnahmen ersparten Instandsetzungsbedarf aufzuklären. Etwa ersparte Instandsetzungskosten an alten Fenstern, die durch neue Fenster ersetzt worden und längst auf dem Müll gelandet sind, lassen sich nicht ermitteln und werden regelmäßig von Eigentümern nicht vorher fachkundig geschätzt. Gleiches trifft auf Sanitäranlagen und Fassaden zu. Auch hierdurch wird einer Überhöhung des Umlagebetrages Tür und Tor geöffnet.
      IV. Ausnahmen Über die Beschränkung hinaus soll die Mietenbremse für den Neubau und umfassende Modernisierungen überhaupt nicht gelten. Damit würde ein bedeutender Teil des Wohnraums überhaupt nicht erfasst. 1. Neubau Es fehlen im Bundesgebiet aktuell 100.000 Wohnungen laut einer aktuellen Studie des Pestel Instituts Hannover. Andere sprechen sogar von bis zu 2,5 Millionen fehlenden Wohnungen. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass es zu wenige Wohnungen gibt und neu gebaut werden muss. Wenn diese neuen Wohnungen alle preisfrei gebaut werden können, ist nicht zu erwarten, dass diese den Menschen zur Verfügung gestellt werden können, die diese benötigen. Schon jetzt legen die Erstbezugsmieten über 8,00 Euro in Berlin, in anderen Städten noch weit drüber. In Berlin liegt diese Miete weit über der durchschnittlichen Vergleichsmiete. Gerade Mieter mit geringerem Einkommen, die es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben, fallen als Zielgruppe heraus, von den Mietern, die auf Transferleistungen angewiesen sind ganz zu schweigen. Von daher ist es nötig, auch die Neuvermietungsmieten nach oben hin zu begrenzen. Es empfiehlt sich hier die jüngsten zu ermittelnden Vergleichsmieten heranzuziehen und zur Vergleichbarkeit einen Zuschlag in Höhe des Verbraucherpreisindexes im Verhältnis des letzten Datenbestandes zur Bezugsfertigkeit zu errechnen. Die Neuvermietungsmiete sollte auf 10 % über diesem Wert festgeschrieben sein. Gleichzeitig sollte auch hier eine dem § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG vergleichbare Regelung mit aufgenommen werden, die es garantiert, dass der Vermieter vor Verlusten geschützt wird. Auch gegen eine solche gesetzliche Deckelung des Mietpreisanstiegs bei Neuvermietungen bestehen nach oben dargestellten Kriterien (s.o. I.2.) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Entscheidet ist nämlich, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG ein jeweiliger bestimmter Zweck, die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Angemessenheit des Eingriffs vorausgesetzt sind. Dies ist auch hier der Fall. Der legitime Zweck, staatlicherseits zu intervenieren, ist im Hinblick auf die zurückbleibende Einkommensentwicklung der Bevölkerung und der exorbitanten Steigerung der Mietpreise evident. Wie schon dargestellt, ist eine solche Beschränkung des Mietpreisanstiegs auch geeignet, da sie zur Erreichung des Zwecks einer Begrenzung des Mietenanstiegs dienlich, wenn nicht sogar notwendig ist. Die Erforderlichkeit setzt wiederum voraus, dass kein milderes Mittel gleicher Eignung für die Erreichung des Zwecks zur Verfügung steht, was nach bisheriger Ausführung offensichtlich nicht der Fall ist. Hinsichtlich der Angemessenheit ist letztlich also eine Güterabwägung zwischen den beeinträchtigten Grundrechten und dem durch den Eingriff verfolgten legitimen Zweck (BVerfGE 58, 137) erforderlich. Dabei darf kein beteiligtes Verfassungsgut gänzlich verdrängt werden, wenn es zu einem gerechten Ausgleich kommen soll. Einseitig bevorzugt ist die Mieterseite aber solange nicht, wie der Bezug auf die aktuelle Marktlage erhalten bleibt und die Wirtschaftlichkeit des Eigentums nicht grundlegend gefährdet wird. Die Bestandsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG für das Eigentum des Vermieters wird insofern nicht in Frage gestellt, denn verfassungsrechtlich wird nicht gewährleistet, einen höchstmöglichen Profit aus dem Eigentumsobjekt zu erzielen. Vor Verlusten wäre der Vermieter eines Neubaus auch mit der vorgeschlagenen Regelung, gerade durch die entsprechenden Zuschläge und einer Regelung, entsprechend des § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG, geschützt. Gegenüber dem Referentenentwurf wurde der seit dem 01.10.2014 erstmalig genutzte und vermietete Neubaubau komplett aus der Geltung herausgenommen. Für diese Wohnungen gilt die Mietenbremse also auch nicht bei einer späteren Wiedervermietung. Konnte man die Ausnahme für die Neuvermietungen im Hinblick auf eine fehlende Vergleichsmiete noch verstehen, verwässert die Herausnahme aller Neubauten aus der gesamten Regelung die Mietenbremse weiter und entlastet die Mieter in Gebieten, in denen Wohnungsknappheit herrscht und Neubau dringend benötigt wird, die Mieter nicht. 2. Umfassende vorherige Modernisierung In § 556 f BGB wird darüber hinaus bestimmt, dass die §§ 556d und 556e nicht anzuwenden sind auf die Wiedervermietung umfassend modernisierter Wohnungen. Dazu heißt es in der Begründung: „Nach umfassenden Modernisierungen gilt die Mietpreisbegrenzung für die unmittelbar anschließende Vermietung nicht. Die so verbesserte Wohnung steht also regelungstechnisch einem Neubau gleich. Umfassend im Sinne von Nummer 2 ist eine Modernisierung, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint.“ In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG soll dass der Fall sein, wenn die Investition etwa einem Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands erreicht. Geht man wie der BBU und das Land Berlin von Neubaukosten in Höhe von mindestens 2.000 €/m² aus, wäre eine Wiedervermietung dann nicht mehr von § 556 BGB erfasst, wenn die Modernisierungskosten ca. 700 €/m² umfassen, also eine Mieterhöhung gem. § 559 BGB von 6,40 €/m² rechtfertigen würden. Daher wird der Druck auf die Bestandsmieter, die in Wohnungen wohnen, die „nur“ zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet sind und die Angebotsmiete deutlich unterschreiten, wachsen. Vermieter, die an die Wiedervermietungsmieten der letzten drei Jahre anknüpfen wollen, modernisieren bereits jetzt, um die Mieten über das Niveau des Mietspiegels anzuheben oder aber Bestandsmieter loszuwerden und so selbst von den hohen Wiedervermietungsmieten zu profitieren. Das ist insbesondere an der zweiten Sanierungswelle im Berliner Altbezirk Prenzlauer Berg nach der gerade erst 10 bis 15 Jahre zurückliegenden ersten Welle abzusehen. Daran wird sich auch nach der geplanten Gesetzesänderung nichts ändern. Die Vermieter werden geradezu ermuntert, Geld zu investieren, um Mieten oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu erreichen. Zusammen mit der enormen Zuwachsrate bei den Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen in den Innenstädten der begehrten Wohnquartiere wird diese Praxis den Wohnungsmarkt nicht entspannen. Auf die Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte nimmt diese Regelung sowieso keine Rücksicht. Dass sich die Verordnungen der Länder und Kommunen zu den Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II an den Mittelwerten der einfachen Wohnlagen orientieren, diese aber selten in den begehrten Innenstadtlagen zu finden sind, wird zu weiterer Segregation führen. Wer jetzt nach einer bezahlbare Wohnung in der Innenstadt sucht, wird weiterhin unter dem Druck späterer Modernisierungen stehen. Diese drohen die Bestandsmiete auf ein unbezahlbares Maß zu erhöhen und erzwingen spätestens dann den Wegzug der betroffenen einkommensschwachen Mieter. Gebraucht wird daher zeitgleich mit der Mietpreisbremse eine neue Regelung zu Mieterhöhungen durch Modernisierung, die eine Instrumentalisierung zur Verdrängung wirksam ausschließt. Anderenfalls wird es auf diesem Wege zu einer massiven Umgehung der geplanten Gesetzesänderungen führen. V. Mieterrechte Im neuen § 556 g sind die Rechte der Mieter geregelt. Sie sollen gewährleisten, dass der Mieter die Miethöhe überprüfen und die überhöhte Miete zurückverlangen kann. Der Mieter hat einen umfassenden Auskunftsanspruch gegenüber dem Vermieter. Er kann die überhöhte Miete aber erst ab dem Zeitpunkt zurück verlangen, in dem er die Miethöhe qualifiziert gerügt hat. 1. Auskunftsansprüche Der Mieter hat einen Auskunftsanspruch im Sinne des § 556g Abs. 1 BGB in Bezug auf alle Tatsachen, die für die Beurteilung der zulässigen Miete erforderlich sind. Dieser Anspruch bezieht sich jedoch nicht auf allgemein zugängliche Tatsachen, wie den Mietspiegel. Bei dem Auskunftsanspruch geht es einerseits um die Baualtersklasse, um die Ausstattung der Heizungsanlage, aber vor allem bei den Ausnahme und Einschränkungstatbeständen u.a. um die Kosten der Modernisierung, oder die Vormietermiete. Über die Auskunftsansprüche soll auch die naturgemäß schlechte Beweissituation verbessert werden. Es ist davon auszugehen, dass der Vermieter sich für den Fall schadenersatzpflichtig macht, in dem er die geforderten Auskünfte nicht erteilt. Ab Verzug könnte der Mieter wohl die Rückforderung geltend machen. Sinnvoll wäre hier die ausdrückliche Regelung eines Belegeinsichtsrechtes. Der Ort der Belegeinsicht sollte geregelt und dem Mieter das Recht eingeräumt werden, sich Kopien der Unterlagen zuschicken zu lassen. Im Gegensatz zu den laufenden Betriebskostenabrechnungen ist die Überprüfung der Miethöhe ein einmaliger Vorgang. Die Hürde, den Vermieter aufsuchen zu müssen, führt bei den Betriebskostenabrechnungen oft dazu, dass diese eben nicht kontrolliert werden. Eine derartige Hürde widerspräche der gesetzgeberischen Intention der Verlangsamung des Mietpreisanstieges in den Metropolen. 2. Rügepflicht Der Gesetzgeber hat allerdings eine Rügepflicht des Mieters zur Voraussetzung einer Rückforderung der überhöhten Miete gemacht: Der Mieter kann erst ab dem Zeitpunkt zurückverlangen, in dem er dem Vermieter eine qualifizierte Rüge hinsichtlich der Miethöhe erhoben hat. Die Anforderungen an diese Rüge sind noch unklar. Keinesfalls ausreichend ist eine standardisierte Beanstandung. Vielmehr muss sich die Beanstandung mit der Miethöhe auseinandersetzen. Eine Auskunftseinholung wird wohl nicht verlangt. Wohl aber eine Auseinandersetzung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete zumindest anhand des Mietspiegels. Teilt der Vermieter Modernisierungskosten oder Vormieter mit, muss sich der Mieter auch hiermit auseinandersetzen. Hiervon wird dann letztlich abhängen, wie hoch im Einzelfall die Anforderungen an die Rüge sind. Diese Rüge wird der Mieter wohl ohne anwaltliche Hilfe kaum bewerkstelligen können. Dies widerspricht der gesetzgeberischen Tradition, die Regelungen des Wohnraummietrechts einfach zu gestalten. Durch die erstinstanzliche Zuweisung von Mietstreitigkeiten zum Amtsgericht hat der Gesetzgeber eigentlich klargemacht, dass der Mietprozess ein Parteiprozess sein soll, für den der wirtschaftlich regelmäßig schwächere Mieter auch ohne Anwalt gegen seinen Vermieter vor Gericht streiten kann. Diesem Gedanken widerspricht die Regelung zur qualifizierten Rüge. Zudem greift der Rückforderungsanspruch nach diesem Modell nie zu Beginn des Mietverhältnisses. Bevor der Mieter die qualifizierte Rüge erhoben hat, hat er regelmäßig bereits die ersten Mieten gezahlt. Hier nützt ihm auch der Ausschluss von § 814 und § 817 BGB nichts. Wenn der Mieter die Miethöhe rügt, kann der Vermieter nicht davon ausgehen, dass der Mieter für die überhöhte Miete keinen Rückforderungsanspruch geltend machen wird. In dieser Fallkonstellation wäre es also so oder so fraglich, ob die vorgenannten Vorschriften Gültigkeit erlangen können. Die Rüge ist auch überflüssig. Diese Regelungen bauen unnötig Hürden auf. Die §§ 812 ff BGB reichen völlig aus, um auch die Interessen des Vermieters zu schützen. Der Mieter, der in Kenntnis seiner fehlenden Zahlungspflicht dennoch zahlt, verdient keinen Schutz. Dies ist in §§ 814 und 817 BGB ausreichend geregelt. Diese Einschränkung ist aber auch ausreichend. Die qualifizierte Rüge nützt in dieser Fallkonstellation keinem. Die Rüge führt letztlich nicht zur Korrektur der Miete, sollte sie sich überhaupt auf ausreichende Tatsachen stützen können. Wenn der Mieter seinen Anspruch auf Rückforderung geltend macht, bedarf es sowieso der Darlegung der Tatsachen, die seinen Anspruch stützen. Ohne eine entsprechende Ermittlung wird er nicht obsiegen. Dass nun aber die Zeit dieser Ermittlungen dann bei der Rückforderung außer Betracht bleiben soll, erscheint nicht sachgerecht. Schließlich privilegiert diese Regelung den unredlichen Vermieter, der auf die späte Rüge seines Mieters spekuliert.
      VI. Staffelmiete, Indexmiete und Übergangsvorschrift Folgerichtig sind die Regelung zur Staffel und Indexmiete. Diese Regeln sind nicht zu beanstanden.
      VII. Notwendige „Reaktivierung“ des § 5 WiStrG Zu begrüßen ist, dass von der ursprünglich geplanten Streichung des § 5 WiStrG Abstand genommen wurde. Die Mietenbremse sollte ursprünglich kombiniert werden mit der Streichung von § 5 WiStrG. Dies wurde damit begründet, dass die Vorschrift im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung des BGH seit langem eine untergeordnete Rolle bei der Mietenbegrenzung spielt. Dies ist richtig, tatsächlich hat die Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren die Anforderungen gerade an den Vortrag des sich auf diese Vorschrift berufenen Mieter immer weiter verschärft. Die Mietenbremse soll kombiniert werden mit der Streichung von § 5 WiStrG Dies wird damit begründet, dass die Vorschrift im Hinblick auf die restriktive Rechtsprechung des BGH seit langem eine untergeordnete Rolle bei der Mietenbegrenzung spielt. Dies ist richtig, tatsächlich hat die Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren die Anforderungen gerade an den Vortrag des sich auf diese Vorschrift berufenen Mieter immer weiter verschärft. Vor dieser Änderung der Rechtsprechung war § 5 WiStrG jedoch durchaus ein effektives Mittel zur Begrenzung überhöhter Mieten, zumal es eben nicht nur zivilrechtlich, sondern auch über die Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit eine Möglichkeit für die Ordnungsbehörden bot, einzugreifen. Statt die Vorschrift zu streichen, wäre es sinnvoll, die Vorschrift zu reaktivieren, wie dies bereits über die Bundesratsinitiative des Hamburger Senats aus dem Jahre 2013 angetragen wurde. Die Streichung der wichtigsten preisrechtlichen Vorschrift für das Wohnraummietrecht ist auch das falsche Signal. Preisrechtliche Vorschriften gibt es in nahezu allen Bereichen vertraglicher Rechtsbeziehungen. Gerade in dem besonders schutzwürdigen Verhältnis Mieter–Vermieter vor dem Hintergrund der sozialen Bedeutung des Wohnraums ist ein preisrechtlicher Schutz erforderlich. 1. Historische Entwicklung und Rechtsprechung des BGH 2004/2005 Die Regelung existiert bereits seit 1954, mithin seit 60 Jahren. Der Schutz vor Mietpreisüberhöhung spielte vor allem in den Ballungszentren in den 80-er und 90-er Jahren eine große Rolle. Zu Zeiten, als die Wohnungsämter noch besser ausgestattet waren und bevor der BGH mit der Änderung seiner Rechtsprechung die Anwendbarkeit stark eingeschränkt hatte, war sie ein effektives Kontrollinstrument und diente der Verhinderung der Mietenexplosion und der Sicherung von bezahlbarem Wohnraum. Ein Verbot der Mietpreisüberhöhung ist im deutschen Recht für den nicht preisgebundenen Wohnraum in § 291 StGB und in § 5 WiStrG geregelt. Bis zum Beginn dieses Jahrtausend ließen sich die beiden Sanktionsnormen dahingehend unterscheiden, dass die strafrechtliche Norm stärker die individuelle Lage des einzelnen Mieters im Focus hatte. Wird seine Notlage ausgenutzt und steht die Leistung und die Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis (i.d.R. Miete 50% über der ortsüblichen Vergleichsmiete) ist dies strafbar. Demgegenüber hebt das Wirtschaftstrafgesetz auf die Knappheitssituation am Wohnungsmarkt ab (u.a. Bohner, Ordnungswidrige Mietpreisüberhöhung, 2. Aufl. S. 7). Bis zur Entscheidung des BGH im Jahre 2004 war klar, dass die OWi-Norm weniger den einzelnen Mieter, als vielmehr die Wohnungsmarktordnung im Interesse der Allgemeinheit vor sog. Ausreißern auf dem Mietpreissektor schützen sollte (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. III 46). Dies hat sich mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004 (NZM 2004, 381) geändert. Der BGH sieht es für die Erfüllung des § 5 WiStrG nunmehr als Voraussetzung an, dass die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete ursächlich war. Dazu müsse der Mieter darlegen und ggf. beweisen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen ist (BGH aaO.). Hierbei sei der Mieter bei der Suche auf das gesamte Stadtgebiet zu verweisen (BGH NZM 2005, 534), der Mangel müsse in den qualifizierten Teilmärkten vorliegen (BGH aaO.). Diese Auslegung des § 5 WiStrG durch den BGH, weg von der typischen Preisvorschrift, hat in der Praxis aufgrund der enormen Hürden für die Darlegung auf Mieterseite letztlich zu einer Entwertung geführt. Kaum ein Mieter wird in der Lage sein, dies substanziiert vorzutragen, zumal der BGH das Merkmal des Ausnutzens in § 5 WiStrG als das bewusste Zunutzemachen einer für den anderen Teil ungünstigen Lage ausgelegt hat (BGH aaO.). Diesen Beweis kann der Mieter so gut wie nie führen. Mit dieser Rechtsprechung gleicht der § 5 WiStrG immer stärker dem Wuchertatbestand und führt letztlich dessen Schattendasein. Diese Entscheidung des BGH reiht sich ein in eine Reihe mieterfeindlicher Auslegungen von Mietrechtsvorschriften, beispielhaft zu nennen ist hier die die Nichtanwendung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung (BGH NZM 2005, 234). 2. Folgen dieser Rechtsprechung In Ansehung dieser Rechtsprechung aber den § 5 WiStrG gänzlich abzuschaffen, ist der falsche Weg. Damit gäbe es für den preisfreien Wohnraum nur noch den Schutz über § 291 StGB und über § 138 BGB. Außerdem spielt selbst heute noch § 5 WiStrG in Regionen mit besonders eklatanter Wohnungsknappheit eine Rolle. Beispielsweise werden in Frankfurt am Main noch Verfahren bei den Wohnungsämtern zu § 5 WiStrG geführt. Diese bewegen sich immerhin jährlich im zweistelligen Bereich. Gerade über die Sanktionsdrohung in § 5 WiStrG wird die gesellschaftliche Missbilligung einer Mietpreisüberhöhung herausgestellt. Die Streichung würde dieses Verhalten legalisieren und stünde damit genau im Gegensatz zu der mit der Gesetzesinitiative zur Mietenbremse verfolgten Intention. 3. Mietenbremse und Abschaffung von § 5 WiStrG Durch die Abschaffung würde man zudem Mietern in besonderen Fallkonstellationen ihren Schutz nehmen. Das betrifft durchaus einen großen Teil der Mietverhältnisse. Damit würde die Verbesserung des Mieterschutzes, den die Gesetzesinitiative zum Ziel hat, weitgehend entwertet. 4. Reaktivierung des § 5 WiStrG Besser ist eine Reaktivierung des § 5 WiStrG durch die Streichung des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“. An diesem Tatbestandsmerkmal macht der BGH seine restriktive Rechtsprechung fest. Um der Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen sollte eine Teilgebietsbetrachtung bezüglich des Vorliegens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum durch eine entsprechende Änderung des Gesetzes ermöglicht werden. Diesbezüglich hatte der Hamburger Senat in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzesvorschlag (BR Drs. 176/139) eingebracht. Zusätzlich sollte die bereits seit Jahren bestehende Forderung aufgegriffen werden und klargestellt werden, dass im Falle der Mietpreisüberhöhung nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete und nicht – wie es die derzeitige Rechtsprechung (BGH WuM 84, 68) annimmt – die höchste gerade noch zulässige Miete gefordert werden kann (u.a. Derleder, WuM 2013, 383, 386). Denn diese Regelung privilegiert den ordnungswidrig Handelnden. Im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums schützt Artikel 14 GG nicht ein Recht des Vermieters auf höchstmögliche Rendite (instruktiv hierzu Derleder, WuM 2013, 383, 391). Wenn man die Regelung im Übrigen so belässt, garantiert § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG für den Vermieter einen ausreichenden Schutz. Kann der Vermieter nachweisen, dass die Miete zur Deckung laufenden Aufwendungen für die Mietsache nicht ausreicht, kann die Wesentlichkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 1 WiStrG sanktionslos überschritten werden. Damit sind die Interessen des Vermieters ausreichend gewahrt. Die Verbesserung des § 5 WiStrG hätte auch den großen Vorteil, dass man hier keine neue Wege gehen müsste. § 5 WiStrG war in der im letzten Jahrtausend gültigen Fassung und unter Berücksichtigung der damaligen Rechtsprechung bereits mehrfach auch verfassungsrechtlich auf dem Prüfstand, ohne dass es hier Beanstandungen gegeben hätte. Die seinerzeitige Initiative des Hamburger Senats hatte einzig und allein das Ziel, die Rechtslage vor den Entscheidungen des BGH 2004 und 2005 wiederherzustellen. Wenn man den Wohnungsmarkt vor Überhitzung schützen und bezahlbaren Wohnraum auch für ärmere Mieter erhalten will, gibt es zu diesem Weg keine Alternative. 5. Mietenbremse und verbesserter § 5 WiStrG Wenn man die Mietenbremse mit einem reformierten § 5 WiStrG kombiniert, hätte man folgenden abgestuften Schutz vor einer Mietpreisüberhöhung. Das Gesetz könnte wie folgt gefasst werden: „(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die bei Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen in einer Gemeinde oder in einem Teil der Gemeinde die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Entgelte sind dann nicht unangemessen hoch, wenn sie zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.“ Die Begrenzung der Miete auf die Vergleichsmiete bei Verstoß gegen § 5 WiStrG muss bei der Vertragsstrafe als zusätzliche Vorschrift eingeführt werden. Berlin, 26. November 2014 AK Mietrecht im RAV und für ihn
      Rechtsanwalt Andreas Günzler
      Rechtsanwältin Carola Handwerg
      Rechtsanwalt Benjamin Hersch
      Rechtsanwältin Dr. Lisa Moos
      Rechtsanwalt Benjamin Raabe
      Rechtsanwalt Henrik Solf Stellungnahme als PDF  ]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-376Tue, 18 Nov 2014 17:39:00 +0100Bericht Prozessbeobachtung KCK- (Anwalts-)Verfahren vom 13.11.2014 in Istanbul/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-prozessbeobachtung-kck-anwalts-verfahren-vom-13-11-2014-in-istanbul-376DokumentationAz.: 2014/235
      10. Hauptverhandlungstag Hintergrund für die Prozessbeobachtung November 2014: Im März 2014 trat eine (weitere) Gesetzesänderung in Kraft(1). Im Rekordtempo hatte Erdoğan, nachdem die Justiz auch ihn und einige seiner Minister wegen Korruptionsfällen ins Visier genommen hatte, ein neues Gesetz verabschieden lassen, mit dem die Sonderkammern für Staatsschutzsachen gem. Art. 10 des türkischen Antiterrorgesetzes vollends abgeschafft worden waren. Schwebende Verfahren (wie auch das hiesige) wurden anderen, ordentlichen Kammern für schwere Straftaten übergeben und die an den Sondergerichten beschäftigen Richter und Staatsanwälte binnen zehn Tagen durch den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) an für sie angemessene Kammern versetzt. Die nunmehr zuständige, neue 19. (ordentliche) Strafkammer des „Gerichts für schwere Straftaten“ in Istanbul muss jetzt also ein Verfahren fortführen, in dem seit Juli 2012 neun Hauptverhandlungstage unter Maßgabe des Antiterrorgesetzes stattgefunden haben. Im März 2014 hatte die 19. Strafkammer die letzten zehn, bis dahin noch in Untersuchungshaft befindlichen Rechtsanwälte aus der Haft entlassen. Interessant war jetzt insbesondere die Frage, wie Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung mit dieser neuen Situation rechtlich umgehen werden. Bekannt war uns bereits im Vorfeld, dass die Verteidigung in dem parallel laufenden KCK (Journalisten-)Verfahren bei Gericht beantragt hatte, das Gericht möge das Gesetz aus März 2014 (Nr. 6526) dem Verfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen. Das Gericht ist diesem Antrag/dieser Anregung gefolgt, so dass nach Auskunft der Kolleginnen und Kollegen dort damit zu rechnen sei, dass sich das Verfassungsgericht innerhalb der nächsten 5 Monate zu den Fragen, ob die nunmehr zuständigen, ordentlichen Gerichte die alten Verfahren einfach fortführen können und ob die Verfahren unter dem Anti-Terror-Gesetz nicht ohnehin per se rechtswidrig gewesen sind, äußern werde. Prozessbericht im Einzelnen: Angesetzt als Hauptverhandlungstermine waren der 13. und 14. November 2014. Die Hauptverhandlung fand am 13.11.2014 im Justizgebäudegebäude Çağlayan in Istanbul statt (Ladung zu 9:30 Uhr; Beginn ca. 10:15 Uhr). Die Internationale Beobachtungsdelegation bestand aus ca. 45 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, u.a. aus den Niederlanden, Österreich, Frankreich, England, Spanien, Italien, den USA und Deutschland. Einige der Delegationsmitglieder hatten bereits an den Tagen zuvor das Verfahren gegen den Fortschrittlichen Anwaltsverein (CHD) beobachtet. Der RAV hatte dem Gericht bereits zuvor die Beobachtung schriftlich angekündigt. Es waren für den RAV anwesend: Anne-Kathrin Krug, Benjamin Hersch, Barbara Wessel und Franziska Nedelmann. Als Übersetzerin war Elif Amberg dabei. Außerdem die Kollegin Gilda Schönberg für die Strafverteidigervereinigung Berlin und die Kollegin Gül Pinar für den DAV. Am Verhandlungstag selbst wurde dem Gericht eine Liste aller Anwältinnen und Anwälte und der Organisationen der Internationalen Beobachtungsdelegation übergeben. Darüber hinaus wurde das Verfahren am 13.11.2014 von 3 Mitgliedern der Istanbuler Anwaltskammer beobachtet. Die Delegation konnte – wie die Verteidigung – Gerichtsgebäude und Saal ohne besondere Sicherheitskontrollen betreten und nahm – angesichts ihrer Größe – nicht im Zuschauerraum Platz, sondern in dem abgetrennten Bereich für die Angeklagten, in dem  für ca. 60 Personen Platz ist. Die Strafkammer besteht aus drei Berufsrichtern, die alle zuvor mit diesem Verfahren nicht befasst waren. Der Vertreter der StA war allerdings– laut Aussage eines englischen Kollegen aus der Delegation – bereits zuvor schon einmal als Sitzungsvertreter im Verfahren gewesen. Von den angeklagten Kolleginnen und Kollegen (46) waren ca. 20 anwesend. In der Türkei besteht  keine Pflicht zum Erscheinen der Angeklagten. Von den anwesenden angeklagten Kolleginnen und Kollegen wurden zunächst erneut die Personalien aufgenommen. Es kam zu einer kurzen Diskussion darüber, ob – wie gewünscht – auch diese Angaben in kurdischer Sprache erfolgen können. Der Vorsitzende bat dann jedoch – wie es das Gesetz vorsieht – einen Dolmetscher, die Angaben aus dem Kurdischen zu übersetzen. Auch wurden alle angeklagten Kolleginnen und Kollegen gefragt, ob sie sich zur Sache einlassen wollen, was jeweils unter Hinweis darauf, dass die Verteidigung zunächst Anträge stellen werde, verneint wird.
      Dieses Verhalten des Gerichts war insofern überraschend, sollte es doch nach dem Gesetz das Verfahren weiterführen und nicht neu beginnen… Ein angeklagter Kollege gab an, dass er einen Dolmetscher für Zazaki (kurdischer Dialekt) brauche. Die Ladung eines Dolmetschers wurde beantragt (aber erst für seine spätere Einlassung). Ein anderer angeklagter Kollege ließ protokollieren, dass seine Angaben zur Sache an einem vorherigen Verhandlungstag falsch protokolliert worden seien. Er habe ausdrücklich gesagt, dass er sich auf seine Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden NICHT beziehen wolle. Diese Korrektur wurde protokolliert. Ohne, dass es durch den Vorsitzenden eine Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensgeschehens gegeben hätte, wurde die Beweisaufnahme fortgesetzt. A. Anträge der Verteidigung 1) RA Ercan Kanar Antrag, die Angeklagten freizusprechen. Begründung nahm ca. 1 Stunde in Anspruch (Antrag ist auch schriftlich vorhanden, wir werden versuchen, ihn zu bekommen).
      Im Wesentlichen fasste der Kollege die wesentlichen Verfahrensmängel im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung zusammen und legte den weiteren Schwerpunkt auf die Begründung, warum dieses Verfahren ein politisches ist, dass hier die originäre anwaltliche Tätigkeit kriminalisiert werde und damit auch eine Verletzung der UN –Grundprinzipien der „Role of Lawyers“ vorliege („stärkster Angriff auf die Verteidigung in der türkischen Geschichte“). Das Gericht hat über diesen Antrag nicht unmittelbar entschieden, sondern führte aus, dass es eine Entscheidung erst treffen werde, wenn es die Plädoyers gehört habe. 2) RA’in Several Balıkaya Antrag, die Zustimmung des Justizministeriums zum Ermittlungs- und Gerichtsverfahren einzuholen. Begründung: Zur Führung des Verfahrens gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bedarf es der Zustimmung des Justizministeriums. Ohne diese Zustimmung sei das gesamte Verfahren rechtswidrig. Die Angeklagten sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die angeklagten Taten sind Handlungen im Rahmen ihrer Berufsausübung. Daher ist die Zustimmung bereits vor den Ermittlungen einzuholen. Hauptbeweismittel der Anklage sind die Besuche der Kolleginnen und Kollegen bei Öcalan im Gefängnis auf Imrali und die Tatsache, dass alle Angeklagten ihre Besuchsanträge auf Anweisung der StA über eine bestimmte Rechtsanwaltskanzlei (das Asrın Hukuk Bürosu) gestellt hatten. Dies war aber zuvor genau eine Forderung der STA gewesen.  Nun wird in der Anklage aus diesem Umstand der Vorwurf gestrickt, das Büro habe den Führungskreis des KCK gestellt. Anwaltliche Tätigkeit werde damit zur Straftat umfunktioniert. Die bisherige Beweisaufnahme habe ergeben,
      - dass es seit 2007 zwischen dem Asrın Hukuk Bürosu, der Staatsanwaltschaft und dem Vollstreckungsgericht ein offizielles Faxsystem gegeben hat (also keine konspirativ-kriminelle Vernetzung),
      - dass eine Vertraulichkeit der Anwaltsgespräche mit Öcalan nicht gewährleistet war,
      - dass alle Anwaltsgespräche mit Öcalan auf Video und Tonband aufgezeichnet, die Anwälte vor- und nachher durchsucht  und auch ihre Notizen kopiert wurden,
      - dass der Vollstreckungsrichter die Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen der Anwaltsgespräche an die Ermittlungsbehörden für rechtmäßig erklärt hat. Nach den (inzwischen abgeschafften) Sondergesetzen wäre bei Ermittlungen gegen die Kolleginnen und Kollegen die Zustimmung des Justizministeriums erforderlich gewesen.
      Diese liegt nicht vor, ist nie eingeholt worden. Derzeit sei nur ein Spezialgesetz anwendbar, das Anwaltsgesetz. Danach sei spätestens vor der ersten Vernehmung eines Anwalts oder einer Anwältin als Beschuldigte die Zustimmung des Justizministeriums einzuholen.
      Es gebe auch bereits eine Entscheidung des Kassationsgerichts, das eine Verurteilung eines Rechtsanwalts mangels Zustimmung des Justizministeriums aufgehoben hat (Entscheidung wird zitiert). Auch die türkische Verfassung garantiere in Art. 36 den Schutz der Verteidigung. Genau, wie in den Internationalen Verträgen. Wir waren verwundert, warum die Kollegin nicht die Einstellung durch Urteil wegen eines gravierenden Verfahrensmangels beantragte… ein anderer Verteidiger wies das Gericht dann jedoch darauf hin, dass - wenn es diesen Antrag auf Einholung der Zustimmung des Justizministeriums ablehnen wolle – als logische Folge das Verfahren durch Urteil einstellen müsse. Über diesen Antrag hat das Gericht nicht unmittelbar entschieden (wie von der Verteidigung gewünscht). 3) RA Bahri Bayram Belen Antrag auf Vorlage beim Verfassungsgericht mit Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung D.h. Antrag (Anregung) an das Gericht, es möge dem Verfassungsgericht das Gesetz, mit dem die Abschaffung der Sondergerichte 2014 begründet wurde, wegen Verfassungswidrigkeit zur Entscheidung vorlegen,
      a) weil es dieses Gesetz selbst für verfassungswidrig halte oder
      b) weil ein Verfahrensbeteiligter (also die Verteidigung) ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorgetragen habe. Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ergebe sich aus 2 Punkten:
      a) kein gesetzlicher Richter,
      b) Verstoß gegen den Unmittelbarkeits- und Mündlichkeitsgrundsatz. Als Begründung werden lange (1 ½ Stunden) Ausführungen gemacht. Wesentlich ist der Umstand, dass mit der Abschaffung der Sondergerichte gleichzeitig geregelt wurde, dass das neu zuständige (ordentliche) Gericht das alte Verfahren einfach fortführen solle (also Wechsel der Richter, aber Fortführung der Beweisaufnahme). Politisch sei im Rahmen der Gesetzesänderung (Abschaffung der Sondergerichte, Sonderermittlungsbehörden, Sonderzuständigkeiten) erklärt worden (AKP), dass diese Sonderregelungen abgeschafft werden müssten, weil sämtliche Verfahren, die im Rahmen dieser Regelungen stattgefunden hätten, rechtswidrig gewesen seien (Beweise gefälscht worden seien etc.; es ging dabei natürlich um die Verfahren, die gegen die Mitglieder der AKP-Regierung seit Dezember 2013 geführt wurden). B. Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Staatsanwalt erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Anträgen.
      Er äußerte sich wie folgt:
      - Dem Angeklagten, der einen Dolmetscher für Zazaki benötige, sei dieser für seine Einlassung zur Seite zu stellen, vorher könne nicht fortgesetzt werden.
      - Ein weiterer Angeklagter werde noch gesucht, daher könne derzeit ebenfalls nicht fortgesetzt werden.
      - Die Anträge der Verteidigung zu 1) bis 3) sind abzulehnen (ohne Begründung). C. Beschlüsse des Gerichts Gericht verkündete nach ca. 10-minütiger Unterbrechung folgende Beschlüsse:
      1) Dem Antrag, einen Zazaki-Dolmetscher zu laden, wird stattgegeben.
      2) Der flüchtige Angeklagte wird weiterhin gesucht.
      3) Der Antrag der Verteidigung 2) wird abgelehnt (ohne Begründung).
      4) Der Antrag zu 3) wird abgelehnt, es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
      5) Alle noch gegen die Angeklagten bestehen Auflagen (Ausreiseverbote/Verbote, in Staatsschutzsachen zu verteidigen etc. – soweit sie noch vorlagen) werden aufgehoben.
      6) Alle bei den Angeklagten beschlagnahmten Handys und sonstige technische Geräte sind an diese herauszugeben.
      7) HV wird unterbrochen, HVT vom 14.11.14 aufgehoben und am 6./7. Mai 2015 fortgesetzt.
      8) Zum Antrag der Verteidigung zu 1) (Freispruch) wird keine Entscheidung getroffen. Ende der HV ca. 16:05 Uhr Fazit: Das Gericht selbst hat sich bisher nicht in die Karten schauen lassen.
      Zwar ist es als positives Zeichen zu bewerten, dass alle noch bestehenden Auflagen gegen die angeklagten Kolleginnen und Kollegen aufgehoben wurden.
      Gleichzeitig hat es sich zur Frage der Verfassungswidrigkeit nicht geäußert. Vielmehr ist unser Eindruck, dass es die Fortsetzung der Hauptverhandlung nur deshalb auf den 6./7. Mai 2015 festgesetzt hat, um tatsächlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in einem anderen Verfahren abzuwarten.
      Denn es gab ansonsten keinen vernünftigen Grund, den weiteren Hauptverhandlungstag am 14.11.2014 aufzuheben. Fußnote:
      (1)     Das Gesetz wurde in der Großen Nationalversammlung der Türkei (TBMM) am 21. Februar 2014 verabschiedet. Nachdem Staatspräsident Abdullah Gül am 6. März 2014 zugestimmt hatte, wurde es am gleichen Tag im Amtsblatt veröffentlicht. "TERÖRLE MÜCADELE KANUNU VE CEZA MUHAKEMESİ KANUNUİLE BAZI KANUNLARDA DEĞİŞİKLİK YAPILMASINADAİR KANUN" ("Änderungen am Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus, der Strafprozessordnung und einigen Gesetzen") Prozessbericht (PDF)]]>
      news-375Wed, 05 Nov 2014 09:44:00 +0100Zur Situation von RechtsanwältInnen in Kolumbien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zur-situation-von-rechtsanwaeltinnen-in-kolumbien-375Podiumsdisskussion; ErfahrungsaustauschRechtsanwaltskammer Berlin
      Littenstraße 9, 10179 Berlin, 4.OG Die besorgniserregende Situation der kolumbianischen Rechtsanwält_innen ist in diesem Jahr bereits anlässlich des „Tag des verfolgten Anwalts“ am 24. Januar thematisiert worden. In Kolumbien werden immer noch Rechtsanwält_innen aufgrund ihrer Berufsausübung bedroht, festgenommen, attackiert oder sogar ermordet. Zwischen 1991 und 2012 sind in Kolumbien über 400 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ermordet worden. In den ersten 8 Monaten im Jahr 2013 verloren alleine im Valle del Cauca, einer Region im Westen von Kolumbien, 11 Kolleg_innen ihr Leben. Bei den betroffenen Kolleg_innen handelt es sich oftmals um Menschenrechtsverteidiger_innen, die die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverbrechen anprangern und sich für die Verfolgung und Aufklärung solcher Taten einsetzen sowie die Opfer von Menschenrechtsverletzungen bei der Durchsetzung von Wiedergutmachungsansprüchen vertreten. Um die kolumbianischen Kolleg_innen zu unterstützen, fand im August 2014 in Kolumbien die 4. Internationale Karawane der Jurist_innen statt, einer Delegation aus 70 Jurist_innen aus 12 verschiedenen Ländern. Auf der gemeinsamen Veranstaltung von RAK und RAV werden der kolumbianische Rechtsanwalt Luis Guillermo Pérez Casas und die kolumbianische Rechtsanwältin Viviana Rodríguez Peña aus ihrem beruflichen Alltag in Kolumbien und ihren Schwierigkeiten bei der Berufsausübung berichten. Rechtsanwältin Katharina Gamm aus Berlin wird die Ergebnisse des vorläufigen Berichts der diesjährigen Karawane vorstellen.Die Veranstaltung soll dem Erfahrungsaustausch zwischen Rechtsanwält_innen dienen und Raum für Überlegungen zur gegenseitigen Unterstützung bieten. Luis Guillermo Pérez Casas ist kolumbianischer Anwalt mit Spezialisierung im Bereich Menschenrechte und Strafrecht. Er ist Präsident des Anwaltskollektivs José Alvear Restrepo (Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo, CAJAR, www.colectivodeabogados.org). CAJAR, seit 25 Jahren im Einsatz für die Menschenrechte in Kolumbien, kämpft gegen die Straflosigkeit von internationalen Verbrechen, insbesondere solchen, die durch staatliche Akteure begangen wurden. Aufgrund seiner Anwaltstätigkeit ist Luis Guillermo Peréz Casas permanenten Bedrohungen ausgesetzt. Wegen dieser Verfolgungssituation lebte Luis Guillermo Pérez Casas fast zehn Jahre im Exil in Belgien, von dem er vor vier Jahren zurückkehrte. Viviana Rodríguez Peña ist kolumbianische Anwältin und seit mehreren Jahren für die NGO Sisma Mujer tätig. Die Frauenrechtsorganisation Sisma Mujer (www.sismamujer.org) setzt sich seit 15 Jahren für die Rechte der Frauen in Kolumbien ein. Im Rahmen ihrer Tätigkeit vertritt Viviana Rodriguez Peña Überlebende sexualisierter Gewalt und unterstützt sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Darüber hinaus analysiert sie die aktuelle Situation von Straflosigkeit geschlechtsspezifischer Gewalt im Rahmen der patriarchalen Gesellschaftsstrukturen innerhalb Kolumbiens, insbesondere im Kontext des Konflikts. Katharina Gamm ist Rechtsanwältin in Berlin und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV. In diesem Jahr hat sie als Mitglied der  IV. Internationale Karawane der Jurist_innen mit Unterstützung des RAV und der RAK Berlin Kolumbien besucht (http://www.colombiancaravana.org.uk/). Bernd Häusler, Rechtsanwalt in Berlin und Menschenrechtsbeauftragter der Rechtsanwaltskammer Berlin wird die Begrüßung, die Einleitung in das Thema sowie die Moderation des Abends übernehmen. Die Veranstaltung wird mit Hilfe von Dolmetscher_innen übersetzt. Einladung (PDF)]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-374Wed, 05 Nov 2014 07:49:00 +0100Why the NSU Case Matters: Structural Racism in Europe/publikationen/mitteilungen/mitteilung/why-the-nsu-case-matters-structural-racism-in-europe-374>Insight NSU< Veranstaltungsreihe
      Die erste Veranstaltung findet am Freitag, dem 14. November 2014 statt. Achtung! Es handelt sich um eine Vormittagsveranstaltung, 10:00 Uhr!

      Eingeladen ist aus Großbritannien Liz Fekete, Executive Director des Institute for Race Relations (IRR). Sie spricht zu der Frage "Why the NSU Case Matters: Structural Racism in Europe" - die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Ebenfalls eingeladen ist u.a. unser RAV-Mitglied Antonia von der Behrens, die als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren tätig ist und darüber berichten wird.
      Details: 14. November 2014, 10:00 Uhr
      Humboldt Universität zu Berlin
      Institut für Sozialwissenschaften
      Universitätsstrasse 3b
      10117 Berlin Einladungssflyer (PDF)

      «Insight NSU»
      Die Diskussion über den strukturellen Rassismus der Polizeibehörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und die verhängnisvolle Beziehung zwischen Geheimdiensten und neonazistischen Strukturen durch sogenannte V-Leute ist bislang nur am Rande und vorwiegend aus deutscher Perspektive geführt worden. Die Veranstaltungsreihe «Insight NSU» will diese Lücke schließen.
      Die Reihe beginnt am 14. November 2014 mit Liz Fekete vom Londoner Institute of Race Relations (IRR). Fortgesetzt wird sie ab Januar 2015 mit Gästen aus Griechenland (u.a. zum Prozess gegen führende Funktionäre der faschistischen Partei Chrysi Avgi/Goldene Morgenröte), Nordirland (u.a. zur Rolle des britischen Sicherheits- und Militärapparats und protestantischen Paramilitärs im nordirischen Bürgerkrieg), Ungarn (u.a. zum Prozess gegen Neofaschisten wegen der Morde an sechs Roma) und der Türkei (u.a. zum Prozess gegen die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink und die Rolle der Polizei).

      Liz Fekete
      Why the NSU Case Matters: Structural Racism in Europe

      Across the EU, there is a crisis in governance, and politicians are increasingly seen as unaccountable elites removed from the fears of ordinary people in a rapidly changing and less secure globalised world. It is the far-right and anti-immigration movements that are beneftting from this crisis, argues Liz Fekete in a talk which will also focus on the growth of an un-democratic and unaccountable Security State. Taking the fght to establish the truth in the NSU case as the model for all future citizen campaigns across Europe, she will argue that only a concerted struggle against all forms of racism (popular, institutional, State) and fascist terror can guarantee Europe‘s democratic future. Before coming to Berlin, Liz Fekete, Executive Director of the IRR and head of its European Research Programme, will visit the trial in Munich for a second time.
      With Prof. Dr. Gökce Yurdakul, Head of Department Diversity and Social Confict; Antonia von der Behrens, Lawyer for the Co-Plaintiffs; Liz Fekete, Executive Director of the IRR
      Moderation: Dr. Birgit zur Nieden, Assistant Professor at the Department Diversity and Social Confict, Humboldt-Universität zu Berlin (s.a. Liz Fekete: Rechte Gewalt in Europa, Das Konzept der Anti-Extremismus schwächt den antifaschistischen Widerstand; Standpunkte 17/2014 der Rosa-Luxemburg-Stiftung) Soundcloud ************* Die nächste Veranstaltung in der Reihe "Insight NSU" findet am 23.1.2015 um 19:30 im Taz-Café, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin statt:"Der NSU-Komplex im Lichte nordirischer Erfahrungen".
      Diskussion mit Daniel Holder, Belfast Während des Nordirlandkonflikts haben Polizei und Geheimdienste immer wieder Informanten in paramilitärische Gruppen eingeschleust und deren Verwicklung in schwere Straftaten – auch Mord – gesteuert, erleichtert oder toleriert. Seit dem Karfreitagsabkommen ist die Zusammenarbeit von Sicherheitskräften und protestantischen Paramilitärs immer wieder Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Daniel Holder ist stellvertretender Direktor des «Commitee on the Administration of Justice» (CAJ) in Belfast, das sich dafür einsetzt, dass die Regierung ihrer Verantwortung für die Umsetzung internationaler Menschenrechte in Nordirland nachkommt. Daniel Holder wird zwei Tage den NSU-Prozess in München beobachten und anschließend in Berlin vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Nordirland das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden und Neonazis im Fall des NSU-Komplexes kommentieren. Moderation: Prof. Juliane Karakayali Flyer 23.1.2015 (PDF)  ]]>
      Insight NSU
      news-373Wed, 22 Oct 2014 13:20:00 +0200Referentenentwurf des BMJV eines Gesetzes zur Verbesserung der internationalen Rechtshilfe bei der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Sanktionen und bei der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-des-bmjv-eines-gesetzes-zur-verbesserung-der-internationalen-rechtshilfe-bei-der-vollstreckung-von-freiheitsentziehenden-sanktionen-und-bei-der-ueberwachung-von-bewaehrungsmassnahmen-373Gemeinsame Stellungnahme von Strafverteidigervereinigungen und RAV vom 21.10.14Rechtsanwalt Carl W. Heydenreich, Bonn
      Vorstand Strafverteidigervereinigung NRW (1) Überwachungsanordnung - Die Rahmenbeschlüsse nennen eine Umsetzungsfrist bis längstens 05. Dezember 2011 (Vollstreckung Freiheitsstrafen und Bewährungsüberwachung) bzw. 01. Dezember 2012 (Überwachungsanordnung)
      (2) So u.a. beim Rahmenbeschluss über den EU-Haftbefehl (2002/584/JI) im Achten Teil, §§ 78 ff., und über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (2005/214/JI) in Abschnitt 2 des Neunten Teils, §§ 86 ff. IRG
      (3) Auslieferung und Durchlieferung (8.Teil), Vollstreckungshilfe (9. Teil) und sonstige Rechtshilfe (10. Teil)
      (4) So bei der Überwachungsanordnung oder der Europäischen Ermittlungsanordnung
      (5) Beides Änderungen, die sicherlich begrüßenswert sind, ohne dass hierauf weiter unten nähereinzugehen sein wäre
      (6) aber auch §§ 84b Abs.2, 84g Abs. 4 IRGE
      (7) unter dem Blickwinkel der EMRK
      (8) wie auch die Überwachungsanordnung grundsätzlich solche des Verdächtigen
      (9) die in vielen anderen EU-Staaten, so den Niederlanden, längst erfolgt ist
      (10) so in § 84a Abs. 1 Nr. 3a IRGE
      (11) unter Verstoß gegen die Gliederung der Stellungnahme wird unter inhaltlichen Gesichtspunkten bereits an dieser Stelle hierzu Stellung genommen
      (12) zu dieser Problematik und dazu, dass die Vorschrift nicht weit genug reicht, weiter unten
      (13) und nicht nur den
      (14) die zwangsläufige Folge, jeweils Fälle notwendiger Beistandsleistung anzunehmen, realisiert der Referentenentwurf nicht
      (15) Darauf, dass der Verweis auf § 54a IRGE in § 84g Abs. 4 IRGE ersatzlos zu streichen ist, wurde bereits hingewiesen.
      (16) ohne hier auf §§ 84g Abs. 4, 54a IRGE einzugehen
      (17) Es erscheint bezeichnend, dass diese Problemstellung gänzlich vernachlässigt wird, wohingegen die gegenseitige Anerkennung bei der Vollstreckung von Geldstrafen oder Geldbußen bereits lange detaillierte Regelung erfahren hat. StN als PDF]]>
      news-359Mon, 22 Sep 2014 09:06:00 +0200Senatorin Kolat schafft Klarheit/publikationen/mitteilungen/mitteilung/senatorin-kolat-schafft-klarheit-359Pressemitteilung, 22.9.2014›Einigungspapier‹ wurde vom gesamten Senat verabschiedet
      Ausländerbehörde muss die Zusagen umsetzen Zahlreiche im RAV organisierte Kolleginnen und Kollegen vertreten die protestierenden Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Gerhart-Hauptmann-Schule. Sie haben dabei die Feststellung machen müssen, dass gerade diese Mandanten seitens der Berliner Ausländerbehörde schlechter behandelt werden, als dies bei Flüchtlingen in Berlin ohnehin schon der Fall ist. Und das trotz des ›Einigungspapiers‹, das explizit eine »umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren« und «Unterstützung« der Flüchtlinge vorsieht. Der RAV hat mit Presseerklärung vom 14.08.2014 darauf hingewiesen, dass »in keinem Fall ernsthaft einzelfallbezogen geprüft wurde. Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp«. Mit dieser rigiden Haltung der Ausländerbehörde werden die Verfahren so einfach beendet, die Flüchtlinge von einem Tag auf den anderen in die Obdachlosigkeit getrieben. In dem schon zynisch zu nennenden Verhalten des Innensenators wird das besonders deutlich: Er fühlt sich an das ›Einigungspapier‹ nicht gebunden, behauptet aber gleichzeitig, die Ausländerbehörde habe es angemessen umgesetzt. Antwortschreiben der Senatorin Kolat
      Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Der RAV hat daraufhin in einem Schreiben an die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen um Aufklärung dieser Vorgänge gebeten. Weiter wollte der RAV wissen, ob die Senatorin das ›Einigungspapier‹ mit  Rechtsbindungswillen unterschrieben hat. Die Senatorin Kolat antwortete dem RAV mit Schreiben vom 11. September 2014, dass sie damit beauftragt war, »für den Senat über Gespräche mit den Flüchtlingen eine Einigung zu erzielen« und weiter: »Jedes Wort im Einigungspapier wurde in Chefgesprächen zwischen Herrn Senator Henkel und mir abgestimmt«. Sie teilt zudem mit, es »besteht kein Zweifel daran, dass das Papier Rechtswirkung entfaltet«. Das Papier sei auch »im Senat ausführlich vorgestellt« worden, und es wurde im Senat zudem »Einvernehmen mit dem Einigungspapier festgestellt«. Für den Vorstand des RAV ist mithin klar, dass die Ausländerbehörde und Innensenator Henkel in klarem Widerspruch zu der erzielten Vereinbarung handeln. Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied Franziska Nedelmann erklärt hierzu, »anders kann das auch gar nicht sein, denn der Regierende Bürgermeister Wowereit, Innensenator Henkel und Senatorin Kolat haben das ›Einigungspapier‹ am 18. April 2014 gemeinsam der Öffentlichkeit als ihren Erfolg vorgestellt. Die Flüchtlinge haben ihrerseits alle Vorgaben erfüllt und die Besetzungen von Oranienplatz und Hauptmann-Schule eingestellt. Das Handeln der Ausländerbehörde widerspricht der Vereinbarung und den Aussagen der Senatorin eklatant. Der RAV-Vorstand fordert daher vom Berliner Senat, unmittelbar dafür Sorge zu tragen, dass die Verfahren in rechtskonformer Weise und im Geiste des ›Einigungspapiers‹ geführt werden. Für die bereits beendeten Verfahren bedarf es einer Wiederaufnahme«. Der RAV-Vorstandsvorsitzende und Rechtsanwalt Martin Heiming: »Mit ihrem Schreiben macht die Senatorin zugleich deutlich, dass es im öffentlichen Interesse liegt, eine Lösung für die Flüchtlinge nicht irgendwo, sondern in Berlin zu finden. Das Verhalten der Ausländerbehörde und des Innensenats ist unerträglich. Der Regierende Bürgermeister ist noch im Amt und muss hier sofort seine Richtlinienkompetenz einsetzen«. Der RAV fordert den Berliner Senat auf: Der Senat muss sofort einen Beschluss für die Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Hauptmann-Schule fassen, der folgende Mindestregelungen enthält:
      * Wiederaufnahme aller bereits als beendet erklärten Verfahren
      * Erteilung einer humanitären Duldung für alle bis zum rechtskräftigen Abschluss der Antragsverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
      * Berücksichtigung der im Einigungspapier enthaltenen Unterstützungszusagen im Rahmen der behördlichen Ermessenausübung.
      *  Das Aufenthaltsgesetz beinhaltet verschiedene Möglichkeiten, den Rechtsstatus der Personen zu Gunsten der Betroffenen zu regeln. Wir fordern, diese strikt anzuwenden. Zudem fordert der RAV: *  Die Aufhebung der Residenzpflicht bundesweit.
      *  Die Unterbringung aller Flüchtlinge und Asylbegehrenden in Wohnungen und nicht in Sammelunterkünften.
      *  Den umgehenden Zugang zu Deutschkursen, Arbeitsmarkt und Bildungseinrichtungen.
      *  Das Engagement des Berliner Senats bei der Bundesregierung für die umgehende Änderung des Europäischen Flüchtlings- und Asylrechts, besonders Dublin III, sowie die Entwicklung menschenrechtskonformer Verträge und Gesetze, die das Massensterben von Flüchtlingen beenden. Kontakt
      RAV-Geschäftsstelle Tel. 030.417 235-55 PM_Senatorin Kolat schafft Klarheit (PDF)]]>
      Migration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-357Mon, 01 Sep 2014 16:24:00 +0200Internationale Karawane der Juristen in Kolumbien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationale-karawane-der-juristen-in-kolumbien-357Pressemitteilung, 1.9.2014Mehr als 400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ermordet Vom 23. bis 31. August besuchte die IV. Internationale Karawane der Juristen (IV Caravana Internacional de Juristas) Kolumbien. Die Karawane bestand aus 70 Rechtsanwält_innen, Richter_innen und Jurist_innen aus 12 verschiedenen Ländern. Sie ist in sieben verschiedene Regionen in Kolumbien gereist, um sich mit Rechtsanwält_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen, Richtern_innen und verschiedenen staatlichen Institutionen zu Treffen. Anliegen der Delegation ist es, auf die schwierige Lage von Rechtsanwält_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen in Kolumbien aufmerksam zu machen. Sie werden aufgrund ihrer Berufsausübung stigmatisiert, mit dem Tode bedroht oder sogar ermordet. Zwischen 1991 und 2012 sind in Kolumbien über 400 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ermordet worden. Rechtsanwältin Katharina Gamm nahm als Repräsentantin des RAV und der Rechtsanwaltskammer Berlin an der der Karawane in der Regionalgruppe Medellin teil. Sie erklärt dazu: „Es ist bewundernswert mit welchem Engagement unsere Kolleginnen und Kollegen sich für ihre Mandantschaft einsetzen, trotz der Gefahr, der sie sich täglich ausgesetzt sehen. Ein Rechtsanwalt berichtete uns, wie er bei einem Mandantengespräch in einem Café bedroht wurde. Der kolumbianische Staat muss endlich die Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen gewährleisten.“ Ohne das Engagement von Menschenrechtsanwält_innen haben weite Teile der armen sowie der indigenen, enteigneten Bevölkerung keinen Zugang zum Recht. Opfer der Paramilitärs und von sexualisierter Gewalt bleiben schutzlos, die Täter gehen straffrei aus. Der RAV wird die Situation der Kolleg_innen in Kolumbien verfolgen und weiter darüber berichten. Am Samstag präsentierte die Karawane ihren Abschlussbericht in der Universität Incca in Bogotá. Rechtsanwältin Katharina Gamm steht für Rückfragen zur Verfügung. Kontaktaufnahme bitte über die RAV-Geschäftsstelle. PM: Internationale Karawane der Juristen in Kolumbien (PDF)]]>Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-356Tue, 26 Aug 2014 14:58:00 +0200Freiheit statt Angst 2014/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-statt-angst-2014-356Aufruf zur Demonstration am 30.8.2014Stoppt den Überwachungswahn!
      Die  grenzenlose Überwachung ist Realität. Die Snowden-Enthüllungen belegen:  Geheimdienste und Unternehmen treten unsere Rechte mit Füßen und sind dabei an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Sie dringen in die letzten und intimsten Winkel unserer Privatsphäre vor. Mit Verlaub, es reicht! Wer überwacht wird, ist nicht frei!
      Neue Überwachungsgesetze und Kontrolltechnologien zerstören unsere Freiheit und Selbstbestimmung. Demokratie lebt durch angstfreie Meinungsäußerung  und überwachungsfreie Rückzugsräume. Diese zu verteidigen liegt in der Verantwortung von uns allen! Aufstehen statt Aussitzen!
      Derweil übt sich unsere Bundesregierung in stoischer Untätigkeit. Sie ist im Begriff unsere Grundrechte aufzugeben, aber so leicht lassen wir Merkel und Co. mit ihrer Strategie des Aussitzens nicht davon kommen. Deshalb stehen  wir gemeinsam auf, um die grenzenlose Überwachung endlich zu beenden! Wir  wollen eine freie, demokratische und offene Gesellschaft. Wir wollen Solidarität statt Misstrauen. Wir wollen freie Gedanken statt Selbstzensur. Wir wollen mehr Mut und Engagement statt Ohnmacht und Resignation. Wir brauchen Freiheit statt Angst. Wir brauchen Euch! Ablauf:
      14:00 Uhr Kundgebung startet mit Musik und Redebeiträgen
      15:30 Uhr Demonstrationszug durch das Regierungsviertel
      17:30 Uhr Abschlusskundgebung mit Musik und Redebeiträgen Redner*innen:
      Annegret Falter (Whistleblower Netzwerk), Astrid Goltz (Humanistische Union), Jacob Appelbaum (IT-Sicherheitsexperte), Katharina Nocun (Campact), Matthias Spielkamp (Reporter ohne Grenzen), Peter Schaar (Bundesdatenschutzbeauftragter a.D.), Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte), Sebastian Schweda (Amnesty International), Wieland Dietrich (Freie Ärzteschaft) Das Bündnis, dem sich der RAV angeschlossen hat, findet sich hier . Alle Infos unter https://freiheitstattangst.de/]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)Überwachung
      news-354Thu, 14 Aug 2014 12:24:00 +0200Henkel und Kolat verdrehen die Wirklichkeit/publikationen/mitteilungen/mitteilung/henkel-und-kolat-verdrehen-die-wirklichkeit-354Pressemitteilung, 14.8.2014Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp Seit zwei Tagen geht es durch die Presse: Sozialsenatorin Kolat (SPD) lobt den Umgang des Landes Berlin mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz und erklärt: »Das ist ein ganz außergewöhnliches Verfahren, das Berlin hier praktiziert«.(1) Innensenator Henkel (CDU) bemängelt, die Flüchtlinge würden die »vereinbarten Regeln« nicht beachten.(2) Tatsächlich halten sich weder Senat noch Ausländerbehörde an Zusagen aus dem sogenannten ›Einigungspapier Oranienplatz‹ vom 18. März 2014. In keinem Fall wurde bisher ernsthaft einzelfallbezogen geprüft. Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp. Offensichtlich wird das ›Einigungspapier‹ von der Innenverwaltung und der Ausländerbehörde Berlin als bloße, rechtlich vollkommen unverbindliche Erklärung eingestuft. In einem Schreiben der Innenverwaltung vom 8. Juli 2014 heißt es, man wolle »nochmals« darauf hinweisen: »dass kein Abschiebestopp gem. § 60 a AufenthG durch den Senat für Inneres und Sport angeordnet wurde. Des Weiteren wurden keinerlei Zusicherungen gemacht, Duldungen in Berlin zu erteilen oder Anträgen auf Umverteilung zuzustimmen«. Festzustellen ist: Die Thematik der Flüchtlinge vom Oranienplatz berührt vielfältige Rechtsfragen. Innensenator Henkel verleugnet dies, spricht aber in der Öffentlichkeit, ebenso wie die Integrationssenatorin Kolat, vom ›Oranienplatzverfahren‹ und erzeugt damit bewusst den Anschein eines rechtlichen Verfahrens. Gleichzeitig nimmt die Ausländerbehörde Berlin die jeweils restriktivste Rechtsauslegung vor. Faktisch findet ein – rechtlich mögliches und gebotenes – Ausüben von Ermessensspielräumen in keinem Fall statt. An dem ›Verfahren‹ haben auch die Kirchen sehr deutliche Kritik geübt (http://www.rbb-online.de/politik/thema/streit-um-fluechtlingsheime/beitraege/diakonie-und-caritas-schreiben-brandbrief-zur-fluechtlingspolitik-an-senat.html).
      Ebenso haben maßgebliche Mitglieder des Landesbeirats das Vorgehen kritisiert (http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wollen-sie-fluechtlinge-schuetzen-oder-wollen-sie-es-nicht-364/).
      Auch der Flüchtlingsrat hat massive Kritik geäußert (http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe2.php?post_id=684).
      In einem Rechtsgutachten wurden die rechtlichen Verbindlichkeiten für den Senat, die sich aus dem Einigungspapier ergeben, klar aufgezeigt (unter: rav.de, http://bit.ly/1q3RFdt). Tatsächlich gibt es keinerlei Willen, eine Lösung für die Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Gerhart-Hauptmann-Schule zu finden. Es gibt kein ›Oranienplatzverfahren‹! Dies alles wegzureden, wie es insbesondere auch Senatorin Kolat jetzt tut, ist unlauter und beschämend. Die Ausländerbehörde Berlin erklärt sich in allen Fällen für nicht zuständig. Dies ist Senatorin Kolat und auch Senator Henkel bekannt. Der Rat von Senatorin Kolat an die Flüchtlinge, »einen Antrag auf humanitären Aufenthalt zu stellen«,(3) ist vor diesem Hintergrund mehr als zynisch. Das Vorsprechen der Flüchtlinge vom Oranienplatz bereitet allein die Ablehnung ihrer Anträge oder deren Abschiebung vor. Eine Beratung kann so nicht erfolgen. Senatorin Kolat sucht jetzt offensichtlich – nach langem Schweigen – den Schulterschluss zu Innensenator Henkel. Es ist offensichtlich, dass die Betroffenen nur Spielball der Politik sind und es nie ein Interesse an einer Lösung gab. Die Ausländerbehörde beteiligt sich an diesem Spiel. Sie erweckt den Eindruck, es gäbe ein Verfahren auf Grundlage eines Papiers, das sie selbst in ihrer Praxis für null und nichtig erklärt. Wenn es kein Verfahren gibt, gebietet es der politische Anstand, hierüber zumindest die Flüchtlinge und die Öffentlichkeit nicht zu täuschen. Wir fordern die Innenverwaltung auf,Wir fordern den Senat auf, sofort einen Beschluss für die Flüchtlinge vom Oranienplatz zu fassen, der folgende Mindestregelungen enthält:Kontakt:
      RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwältin Berenice Böhlo über 030.417235-55 oder 030.446792-31 (1) Vgl. taz vom 13. August 2014, S. 21.
      (2) Vgl. http://www.rbb-online.de/politik/thema/streit-um-fluechtlingsheime/beitraege/henkel-zieht-bilanz-zu-oranienplatz-fluechtlingen.html.
      (3 ) Vgl. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/kolat-raet-o-platz-fluechtlingen-zu-antrag-auf--humanitaeren-aufenthalt-,10809148,28099788.html. Pressemitteilung (PDF):
      Es gibt keine einzige Umverteilung nach Berlin, keine einzige Aufenthaltserlaubnis, keinen Abschiebestopp.
      Henkel und Kolat verdrehen die Wirklichkeit]]>
      news-353Tue, 22 Jul 2014 16:55:00 +0200Gesetz zur Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetz-zur-umsetzung-der-empfehlungen-des-nsu-untersuchungsausschusses-des-deutschen-bundestages-353Stellungnahme vom 21.7.2014 zumStellungnahme (PDF)]]>news-352Tue, 22 Jul 2014 10:19:00 +0200Wollen Sie Flüchtlinge schützen – oder wollen Sie es nicht?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wollen-sie-fluechtlinge-schuetzen-oder-wollen-sie-es-nicht-352GEMEINSAMER OFFENER BRIEF, 22.7.2014sehr geehrte Frau Senatorin Kolat,
      sehr geehrter Herr Senator Henkel,
      sehr geehrter Herr Mazanke, Das „Einigungspapier Oranienplatz“, das nach langen Verhandlungen zwischen der Senatorin Kolat im Auftrag des Berliner Senats und Delegierten der Flüchtlinge erarbeitet wurde, ist am 18. März 2014 als „friedliche Lösung“ des Flüchtlingsprotests präsentiert worden. Doch was für eine Lösung wird hier für wen präsentiert? Die Flüchtlinge, die seit Oktober 2012 in Berlin für ihre Rechte demonstriert haben, räumten am 8. April 2014 freiwillig ihr Protestcamp am Oranienplatz. Ein Großteil der Flüchtlinge aus der Gerhart-Hauptmann-Schule zog unter massiver Polizeipräsenz Ende Juni 2014 aus der Schule aus. Die Orte des Protestes sind damit aufgegeben worden. Das ist eine Lösung: allerdings ausschließlich eine ordnungspolitische für den Berliner Senat. Eine Lösung für die Flüchtlinge, die das „Einigungspapier Oranienplatz“ betrifft, ist dagegen nicht in Sicht. Wer sind diese Flüchtlinge? Wir sprechen von über 500 Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten, die teilweise lebensgefährliche Fluchtwege hinter sich haben, um Europa zu erreichen, die massive Gewalt erlebt haben, die in ihrer großen Mehrheit aufgrund dieser Erfahrungen an schweren Traumatisierungen leiden. Und wir sprechen über Menschen, die seit fast zwei Jahren immer wieder versuchen, auf diese unhaltbaren menschenunwürdigen Zustände hinzuweisen. Während Sie, Frau Senatorin Kolat, in dem Einigungspapier formulierten, dass für die Teilnehmer/innen der „Vereinbarung Oranienplatz“ „auf Antrag eine umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten erfolgt“, „die Ausländerbehörde die Antragstellerinnen und Antragsteller beratend unterstützt“ und „die Flüchtlinge […] Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven“ erhalten, lehnen Sie, Herr Senator Henkel, jegliche Zuständigkeit für diese Menschen ab. Aus dem „Einigungspapier“ ergäbe sich keinerlei Verpflichtung zur umfassenden Einzelfallprüfung. Diese ablehnende Haltung des Innensenats setzen Sie, Herr Mazanke, entgegen den Vorgaben aus dem „Einigungspapier“ durch die momentane Praxis gegen die Flüchtlinge gewendet um: Die Anträge auf Aufenthaltserlaubnis können zwar bei der Berliner Ausländerbehörde gestellt werden, werden in Berlin aber entweder NICHT bearbeitet, oder es findet eine Würdigung der einzelnen Schicksale durch die Berliner Ausländerbehörde im Einzelfall NICHT statt. Vielmehr bekommen die Flüchtlinge teilweise schon bei ihrer ersten Vorsprache die Ablehnung ihrer Anträge in die Hand gedrückt. Selbst die Umverteilungsanträge nach Berlin werden aufgrund Ihrer pauschal verweigerten Zustimmung abgelehnt. Das Hauptanliegen der Flüchtlinge und deren Gründe, die Vereinbarung zu schließen, werden damit ignoriert. Das ist ein falsches Spiel auf dem Rücken der Betroffenen, bei dem ausschließlich der Innensenat und die Berliner Ausländerbehörde die restriktiven Spielregeln bestimmen. Die Betroffenen sind so dazu gebracht worden, den Oranienplatz und die Schule zu räumen und sich registrieren zu lassen. Sie sind damit in Vorleistung gegangen. Die versprochene Gegenleistung allerdings wird verweigert. Das ist das Gegenteil einer „Senatspolitik der ausgestreckten Hand“, und es ist vor allem kein „politischer und humanitärer Erfolg für Menschen, die viel Leid erlebt haben“, wie Sie, Herr Regierender Bürgermeister, in Ihrer Regierungserklärung vom 10. April 2014 das „Einigungspapier Oranienplatz“ bezeichnet haben. Sie, Frau Senatorin Kolat, haben in dem „Einigungspapier“ außerdem erklärt, Sie unterstützten „die Flüchtlinge, ihre politischen Forderungen in die Gremien im Land Berlin, auf die Bundesebene und nach Europa zu tragen“ und die Umsetzung des „Einigungspapiers“ begleiten zu wollen. Wo ist Ihre Stimme geblieben? Sie, Herr Bürgermeister Wowereit, haben in Ihrer zitierten Regierungserklärung erklärt, dass es „die Aufgabe von Innenverwaltung und Ausländerbehörde [ist], diese Prüfverfahren konstruktiv zu begleiten. […]. Niemand hat den Flüchtlingen Zusagen über das Ergebnis dieser Verfahren gemacht und hätte es auch nicht machen können. Sehr wohl aber Vertrauenszusagen: dass nicht pauschal geurteilt wird, sondern jedes einzelne Schicksal einzeln betrachtet wird. […]. Für diese sorgfältige Prüfung mit humanitärem Blick gibt es nun die nötige Zeit.“ Das Gegenteil aber passiert nun. Wo ist Ihre Stimme geblieben? Sie schulden den Betroffenen eine Erklärung. Wir möchten dringend mit Ihnen in einen Austausch treten über die Umsetzung des Papiers, über eine mögliche Lösung für die Menschen. Um den von Ihnen und Ihrer Kollegin, Senatorin Kolat, gegebenen Zusagen die dringend notwendigen Umsetzungen folgen zu lassen, müssen Sie von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und „Vertrauenszusagen“ damit praktisch werden lassen. Dazu suchen wir mit Ihnen das Gespräch. Das Gutachten von Prof. Dr. Fischer-Lescano, das von der Integrationsbeauftragten in Auftrag gegeben wurde, bietet dafür eine hilfreiche Grundlage. Mit freundlichen Grüßen Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. | Greifswalder Str. 4 | 10405 Berlin | Tel 030.417 235 55 | Fax 030.417 235 57 | www.rav.de | kontakt@rav.deKomitee für Grundrechte und Demokratie e.V. | Köln  | www.grundrechtekomitee.de | Pro Asyl e.V. | Frankfurt/M. | www.proasyl.de | VDJ. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Krefeld | www.vdj.de | Flüchtlingsrat Berlin e.V. | Berlin | www.fluechtlingsrat-berlin.de | Yonas Endrias, Ibrahim Kanalan, Natascha Kelly (Mitglieder im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen) | Berlin | www.berlin.de/lb/intmig/beirat | Migrationsrat Berlin Brandenburg e.V. | Berlin | www.migrationsrat.de| Reach Out. Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus und Rassismus | Berlin | www.reachout.deAnsprechpartnerInnen über RAV-Geschäftsstelle (030. 4172 3555): Berenice Böhlo (Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied im RAV) und Ibrahim Kanalan (Volljurist und Mitglied im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen)  Gemeinsamer Offener Brief (PDF)]]>
      Migration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-351Thu, 03 Jul 2014 16:11:00 +0200Eine Bewegung lässt sich nicht räumen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/eine-bewegung-laesst-sich-nicht-raeumen-351Aufruf zur Demonstration am 5.7.14 um 14h in BerlinBleiberecht für alle! Seit eineinhalb Jahren wird die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg von Geflüchteten aus verschiedenen Ländern bewohnt. Am 24. Juni 2014 hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nun begonnen, das Gebäude zu räumen. Mit 900 teilweise schwer bewaffneten und gepanzerten Polizist_innen wurden die Bewohner_innen zu »einem freiwilligen Umzug« gezwungen. Ein Teil wurde in Unterkünfte am Rande der Stadt verfrachtet. Diejenigen, die zu dem Zeitpunkt des Zwangsumzugs gerade nicht in der Schule waren, sind nun obdachlos und werden von den Ersatzunterkünften abgewiesen. Doch damit nicht genug: Nachdem sich etwa 40 Bewohner_innen aufs Dach der Schule flüchteten und in ihrer Verzweiflung damit drohten, sich im Fall einer Räumung hinunter zu stürzen, hat die Polizei mehrere Straßenzüge rund um die Schule abgeriegelt. Friedlicher Protest wurde mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen und Geflüchtete teilweise über Stunden in Gewahrsam gehalten. Jede_r, der in den abgesperrten Bereich will, muss sich ausweisen, Anwohner_innen werden von Beamt_innen zu ihren Häusern eskortiert. In der Schule selbst werden die Besetzer_innen von der Polizei provoziert – die Strategie scheint zu sein: Psychoterror, bis das Räumungskommando kommt. Die Besatzungsstrategie der Polizei ist ein Skandal. Dank der tagelangen Präsenz von Aktivist_innen vom Oranienplatz und aus der Schule, von zahlreichen solidarischen Berliner_innen und Anwohner_innen konnte mittlerweile internationale Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt werden. Die protestierenden Geflüchteten der Schule in der Ohlauer Straße sind Teil einer politischen Bewegung mit klaren Forderungen. Residenzpflicht, die systematische Nicht-Anerkennung von Fluchtgründen und die Zwangsunterbringung in oft völlig isoliert liegenden Unterkünften machen das Leben für die oft schon in ihrem Herkunftsland traumatisierten Geflüchteten in Deutschland zur Hölle – und das über viele Jahre, oft Jahrzehnte. Wie zuvor die Besetzung des Oranienplatzes war die Aneignung der Schule 2012 kein Selbstzweck. Ziel war es, Orte zu schaffen, an denen Geflüchtete ihren politischen Kampf und ihre Forderungen nach einer menschenwürdigen Behandlung durch den deutschen Staat in die Öffentlichkeit tragen können. Bei der Räumung des Flüchtlings-Camps am Oranienplatz hat der Berliner Senat sein Wort gebrochen. Den Geflüchteten waren die Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge durch das Land Berlin, eine Duldung für sechs Monate, Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildungsprogrammen versprochen worden, wenn sie im Gegenzug den Platz „freiwillig“ verlassen. Diese Zusagen wurden nicht umgesetzt, mehr als zehn Betroffene haben mittlerweile Abschiebebescheide erhalten. Die Betroffenen in der Schule haben aus den Erfahrungen der vermeintlichen „Vereinbarung“ am Oranienplatz gelernt, weder Bezirks- noch Senatsangeboten zu trauen. Sie wissen: Was nach einem „freiwilligen Umzug“ übrig bleibt, sind Vereinzelung, Isolation und Abschiebung! In der Auseinandersetzung um den Oranienplatz und die Gerhart-Hauptmann-Schule wird die gewalttätige Durchsetzung der Festung Europa mitten in Berlin sichtbar. Eine Weltwirtschaftsordnung, die von Exportweltmeister Deutschland maßgeblich mitbestimmt wird, schafft die Konflikte, die an den Außengrenzen der EU und zur Not auch hier nun mit polizeilichen Mitteln gelöst werden sollen. Es ist an der Zeit, die Flüchtlings- und Migrationspolitik auf Bundes-, aber auch auf lokaler und Länderebene zu verändern. Der Berliner Senat könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Er hat alle notwendigen Mittel für eine demokratische, humanitäre Lösung des aktuellen Konflikts in der Hand. Wir fordern den Berliner Senat auf, die bestehenden aufenthaltsrechtlichen Spielräume zugunsten der Betroffenen zu nutzen. § 23 des Aufenthaltsgesetzes sieht vor, dass der Senat aus „humanitären Gründen“ anordnen kann, »dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird«. Wir fordern das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg auf, sich nicht einfach über die Selbstorganisierung von Geflüchteten hinwegzusetzen und Konflikte nicht mittels Polizeigewalt von oben zu »lösen«. Wir unterstützen die Forderungen der GeflüchtetenEine Bewegung lässt sich nicht räumen (Aufruf PDF)]]>Migration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-350Tue, 01 Jul 2014 12:47:00 +0200Der Senat muss seine Zusagen gegenüber den Flüchtlingen einhalten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-senat-muss-seine-zusagen-gegenueber-den-fluechtlingen-einhalten-350Pressekonferenz am 2.7.2014Einladung zur PRESSEKONFERENZ des RAV
      Mittwoch, 2. Juli 2014 um 10 Uhr im Gorki-Theater
      Studio Я, Hinter dem Gießhaus 2, 10117 BerlinPressemappe (PDF)Eindrücke (JPG1)
      Eindrücke (JPG2) Der Senat muss seine Zusagen gegenüber den Flüchtlingen einhalten Der Berliner Senat hat am 18.03.2014 das „Einigungspapier Oranienplatz“ präsentiert. Darin werden die Ziele und der Protest der Flüchtlinge als notwendig und richtig anerkannt. Von allen Seiten der politisch Verantwortlichen wurde diese sogenannte Einigung begrüßt. Der Senat hat sich in den letzten Tagen dahingehend geäußert, dass nun die Flüchtlinge in der Schule in das „Einigungspapier“ einbezogen werden sollen. Eine verbindliche Erklärung gibt es hierzu, soweit ersichtlich, noch nicht. Zudem zeigen die bisherigen Erfahrungen mit der Umsetzung des „Einigungspapiers“ durch die Ausländerbehörde, dass die Innenverwaltung dem Einigungspapier keinerlei rechtliche Bedeutung zumisst und auch den dort verkündeten Abschiebestopp nicht einhalten will. Danach wird Berlin in keinem Fall eine Zuständigkeit anerkennen. Ein von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Auftrag gegebenes Gutachten zur rechtlichen Situation der Flüchtlinge vom Oranienplatz von Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Dr. Matthias Lehnert (beide Universität Bremen) bestätigt aber ausdrücklich den rechtsverbindlichen Charakter des „Einigungspapiers“ vom 18.03.2014. Hierüber und über die aktuelle Situation der Flüchtlinge wird diese Pressekonferenz informieren. Teilnehmerinnen und Teilnehmer:Berenice Böhlo, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied im RAV
      Dietrich Koch, Leiter von Xenion (Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.), Verfasser fachpsychologischer Stellungnahmen für Teilnehmer der Oranienplatz-Vereinbarung
      Şhermin Langhoff, Intendantin des Gorki-Theater
      Dr. Matthias Lehnert, Mitverfasser des Rechtsgutachtens im Auftrag der Migrationsbeauftragten
      Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin
      Peter Storck/Silke Radosh-Hinder, Heilig-Kreuz-Kirche, Vertretung für die Evangelische Kirche, die die Umsetzung des Einigungspapiers begleitet Berlin, 1.7.2014 Einladung zur Pressekonferenz (PDF)]]>
      Migration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-349Tue, 24 Jun 2014 14:09:00 +0200Nach Wortbruch Räumung.<br />RAV und VDJ fordern sofortiges Ende der gewaltsamen Räumung der Hauptmann-Schule!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nach-wortbruch-raeumung-br-rav-und-vdj-fordern-sofortiges-ende-der-gewaltsamen-raeumung-der-hauptmann-schule-349Pressemitteilung, 24.6.14, 14:02 h»Im Falle der Räumung drohen weitere Traumatisierungen. Den Bewohnerinnen und Bewohnern muss sofort ein echtes und faires Angebot unterbreitet werden.« Der VDJ-Vorsitzende Dieter Hummel erklärt, »eine gewaltsame Räumung kann keine Lösung sein. Die Menschen in der Schule brauchen eine echte Perspektive.« RAV und VDJ fordern: Keine gewaltsame Räumung! Keine Spaltung der Flüchtlinge durch Räumungsdrohung!PM_Nach Wortbruch Räumung (PDF)]]>news-348Tue, 24 Jun 2014 10:51:00 +0200Wortbruch gegenüber den Flüchtlingen vom Oranienplatz!<br />Auch eine Minimalzusage ist eine Zusage/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wortbruch-gegenueber-den-fluechtlingen-vom-oranienplatz-br-auch-eine-minimalzusage-ist-eine-zusage-348Pressemitteilung, 24.6.2014Somit ist festzuhalten, der Senat hat das Zustandekommen einer angeblichen „Einigung“ falsch dargestellt. Dennoch gilt: Mit dem „Einigungspapier“ hat der Senat zugleich die Legitimität und Berechtigung des Protests sowie der Forderungen der Flüchtlinge anerkannt. Darüber hinaus hat der Senat mit dem „Einigungspapier“ folgende rechtsverbindliche Zusagen gemacht:Tatsächlich stellt sich die Situation wie folgt dar:Die Supportteams waren in den ersten drei Monaten ausschließlich damit beschäftigt, im Rahmen ungeklärter Fragen die Unterbringung, Versorgung, Registrierung und Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge zu regeln. Verantwortlich waren Streitigkeiten innerhalb der unterschiedlichen Senatsverwaltungen, maßgeblich hat die Innenverwaltung blockiert. Die Innenverwaltung verweigert eine verbindliche Erklärung zur Zuständigkeit des Landes Berlin. Sie hat bisher keine einzige der zugesagten Umverteilungen vorgenommen. Der Berliner Innensenat betrachtet die Leute als illegal, und die Integrationsbeauftragte stellt lediglich sogenannte „Oranienplatzkarten“ aus, auf deren Rückseite vermerkt ist: „Diese Karte entfaltet keinerlei rechtliche Ansprüche“. Ein Abschiebeschutz wird nicht gewährt. Dementsprechend sind Flüchtlinge akut von Abschiebungen bedroht. Erst seit dem 11.06.2014 besteht überhaupt die Möglichkeit, zur Antragstellung in der Ausländerbehörde vorzusprechen. Seither erfolgen Vorladungen verbunden mit der Drohung, dass im Falle des Nichterscheinens das Recht auf Unterbringung und Versorgung verloren gehe. Humanitäre Gründe werden ebenso ignoriert wie psychotherapeutische Stellungnahmen zu traumatisierten Flüchtlingen. Die Innenverwaltung unterläuft so systematisch die Ziele der Vereinbarung. Vermittlungen in Deutschkurse, Praktika, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Ausgabe von Krankenscheinen sind entgegen dem „Einigungspapier“ bisher nur höchst unzureichend bis gar nicht erfolgt. Somit ist festzuhalten, der Senat macht Zusagen, seine Innenverwaltung setzt sie nicht um: Klaus Wowereit hatte in seiner Regierungserklärung „Flüchtlingspolitik in Berlin“ vom 10.04.2014 von einem „fairen“ Verfahren im Umgang mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz gesprochen.(2) Die Innenverwaltung handelt entgegengesetzt und begeht somit Wortbruch. Politisch heißt das, dass dem Berliner Innensenat das Schicksal der Flüchtlinge vollkommen gleichgültig ist. „Hinhaltetaktik und Abschiebung durch die Hintertür zeigen die Skrupellosigkeit der Innenverwaltung. Die Betroffenen werden im juristischen Niemandsland gehalten. Sie geraten in eine unzumutbare Situation, weil sie nicht wissen, ob sie nicht in den nächsten Stunden festgenommen und abgeschoben werden“, so Rechtsanwältin Böhlo, Vorstandsmitglied im RAV. Der RAV fordert: 1. Rechtlich verbindliche Bescheinigungen der Ausländerbehörde und Aushändigung an die Betroffenen mit folgendem Inhalt: Abschiebeschutz von mindestens 6 Monaten, der für die Dauer der anhängigen Verfahren entsprechend verlängert wird, die Bescheinigungsinhaber dürfen sich in Berlin aufhalten. 2. Beides hat das Land Berlin auch verbindlich gegenüber den Innenressorts der anderen Bundesländer zu erklären und durchzusetzen.  3. Unterbringung, Auszahlung von Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung sind zu gewähren. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales ist anzuweisen, allen Betroffenen entsprechende Bescheide und Krankenscheine auszuhändigen, um so Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. 4. Den Flüchtlingen vom Oranienplatz ist eine aufenthaltsrechtliche Perspektive zu eröffnen. 5. Keine Zwangsräumung der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule. Hier ist den Bewohnern ein tatsächliches Angebot zu unterbreiten, das auch eine echte aufenthaltsrechtliche Perspektive beinhaltet. Wir halten fest, bei diesen Punkten handelt es sich um Minimalforderungen. Die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik ist gescheitert. Bei dem Versuch, Schutz vor Verfolgung in Europa zu finden, kommen jedes Jahr mehrere tausend Menschen ums Leben. Der Protest der Flüchtlinge, wie er sich am Oranienplatz, in der Gehart-Hauptmann-Schule und an anderen Orten zeigt, ist berechtigt. Es hat eine grundlegende Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik zu erfolgen, die Flüchtlingen den sicheren Zugang nach Europa gewährleistet, ihre Freizügigkeit schützt und ihre sozialen und politischen Rechte umsetzt. Pressemitteilung_Wortbruch gegenüber den Flüchtlingen vom Oranienplatz (PDF)Kontakt und weitere Informationen:
      Rechtsanwältin Berenice  Böhlo: 030-446792-24 Ein von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zur rechtlichen Situation der Flüchtlinge vom Oranienplatz von Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Matthias Lehnert (Universität Bremen) bestätigt ausdrücklich den rechtsverbindlichen Charakter des „Einigungspapiers“ vom 18.03.2014.
      Gutachten Rechtliche Situation der Flüchtlinge vom Oranienplatz (PDF) Der Sozialrechtsexperte Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin kommt eindeutig zu dem Schluss, dass aus der faktischen Duldung auch sozialrechtliche Ansprüche folgen. Diese Erklärung kann hier
      http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Krankenscheine_Lampedusa.pdf
      eingesehen werden -- (1) Vgl. 19.03.14: Schein-Einigung für den Oranienplatz soll Räumung ermöglichen, http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=675. (2)Vgl. 10.04.14: „Flüchtlingspolitik in Berlin: Augenmaß, Menschlichkeit und klare Regeln“. Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zur Flüchtlingspolitik, http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2014/pressemitteilung.103226.php.    ]]>
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      news-347Fri, 06 Jun 2014 13:29:00 +0200Ist die Mietenbremse der Großen Koalition ein effektives Mittel zur Bekämpfung der Mietenexplosion?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ist-die-mietenbremse-der-grossen-koalition-ein-effektives-mittel-zur-bekaempfung-der-mietenexplosion-347Veranstaltungshinweis 23.6.14 in BerlinMosaik-Raum, Oranienstraße 34, 10999 Berlin-Kreuzberg
      Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl (über dem 'Familiengarten') Die Bundesregierung hat im März dieses Jahres einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Mietrechts vorgelegt. Kernstück ist die sog. Mietenbremse. Die Miete soll bei Wiedervermietung auf 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt sein. So hatte es bereits im Koalitionsvertrag gestanden. Aber würde das Gesetz in der jetzigen Form tatsächlich bezahlbaren Wohnraum erhalten und den Mietenanstieg bremsen? Bedenken sind angebracht, denn das Gesetz enthält viele Beschränkungen und Ausnahmen. Es soll nur zum Teil für Wohnraum zur Anwendung kommen, der in den letzten drei Jahren modernisiert wurde. Bei umfangreicher Modernisierung wird es überhaupt nicht gelten, und die VermieterInnen, die schon jetzt mehr als die Vergleichsmiete von ihren MieterInnen verlangt haben, werden dies auch zukünftig tun dürfen. Gleichzeitig werden für die MieterInnen erhebliche formale Hürden aufgebaut, ihr Recht überhaupt einfordern zu können. Zudem erhält eine Begrenzung des Entgeltes auf 10 % über der Vergleichsmiete keinen bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache Mieterinnen und Mieter. Die JobCenter übernehmen regelmäßig nur Mieten für Wohnungen, die nicht teurer sind als vergleichbare Unterkünfte in einfachen Wohnlagen. Eine Überschreitung von 10 % der Vergleichsmiete wird vom JobCenter nicht bezahlt. Schließlich soll es ein folgenschweres Geschenk an die Vermieterseite geben: Geplant ist die Abschaffung von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Hiernach ist es derzeit noch verboten, unter Ausnutzung der Notlage am Wohnungsmarkt von Mieterinnen und Mietern mehr als 20 % der Vergleichsmiete zu verlangen. Die 60 Jahre lang bußgeldbewährte Sanktionierung von Mietpreisüberhöhungen soll nun legalisiert werden. Eine sanktionierte generelle Begrenzung der Miethöhe wird es bei den zahlreichen Ausnahmen, die die Mietenbremse vorsieht, zukünftig nicht mehr geben. Ob dieser Nachteil durch die von der Bundesregierung geplante Mietenbremse letztlich aufgewogen wird, ist mehr als fraglich. Der Arbeitskreis Mietrecht im RAV hat den Gesetzesentwurf kritisch gewürdigt und stellt diesen zusammen mit Änderungsvorschlägen vor: Montag, 23. Juni 2014, 19.30 Uhr
      Mosaik-Raum, Oranienstraße 34, 10999 Berlin-Kreuzberg

      Hinterhof rechts, 1. OG mit dem Fahrstuhl (über dem 'Familiengarten') Die Stellungnahme des Arbeitskreises finden Sie auf der Internetseite des RAV unter http://bit.ly/1hQxZBFEinladung (PDF) zur Veranstaltung am 23.6.14 in Berlin]]>
      news-346Tue, 03 Jun 2014 10:32:00 +0200Präsentation des Grundrechte-Reports 2014/publikationen/mitteilungen/mitteilung/praesentation-des-grundrechte-reports-2014-346Pressemitteilung 3.6.2014heidi.borhau@fischerverlage.de). Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Sven Lüders unter Telefon 01520 183 1627 bzw. E-Mail lueders@humanistische-union.de oder Elke Steven unter Telefon 0177 762 1303 bzw. E-Mail info@grundrechtekomitee.de. Pressemitteilung (PDF)]]>news-345Wed, 28 May 2014 09:49:00 +0200Interdisziplinäre Fachseminare zum Istanbul-Protokoll/publikationen/mitteilungen/mitteilung/interdisziplinaere-fachseminare-zum-istanbul-protokoll-345Fortbildungshinweis
      Seminartermine
      Berlin: 28. - 29. Juni 2014
      Düsseldorf: 5. - 6. Juli 2014
      München: 26. - 27. Juli 2014 Weitere Infos zum Programm, den ReferentInnen und zur Anmeldung unter: http://www.mfh-bochum.de oder
      Programm (PDF)
      Flyer (PDF)]]>
      news-343Wed, 30 Apr 2014 12:29:00 +0200Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zum-gesetzentwurf-der-bundesregierung-die-laender-bosnien-herzegowina-serbien-und-mazedonien-zu-sicheren-herkunftslaendern-zu-erklaeren-343Appell gegen Gesetzesentwurf– zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären – Solange das asylabwehrende, rigide Visaregime gegenüber den Staaten des vormaligen Jugoslawiens bestand – bis in die Jahre 2009/2010 –, konnten überhaupt nur wenige Flüchtlinge aus diesen Staaten um Asyl und Schutz in Deutschland nachsuchen. Sie kamen erst gar nicht über die Grenzen. Mit der Aufhebung der Visumpflicht hat sich dieses geändert. Da man jedoch diskriminierten und verarmten Roma, die nun die Gelegenheit nutzen, ihrem Elend zu entfliehen, in Deutschland keinen Schutz gewähren will, sollen die Staaten Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien kurzerhand zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden. Nach der Regierungslogik: Der Staat, aus dem viele Roma nach Deutschland migrieren, kann nur ein sicherer Herkunftsstaat sein, denn dann ist es einfacher, Roma dorthin abzuschieben. Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen lehnen die vorgeschlagene Gesetzesänderung ab, da sie den Schutzanspruch insbesondere von Roma-Flüchtlingen aus den Staaten des vormaligen Jugoslawiens menschenrechtswidrig untergräbt. Den Schutzsuchenden soll damit auferlegt werden, die generelle staatliche Vermutung zu widerlegen, dass ihr Asylgesuch „offensichtlich unbegründet“ sei, weil sie aus einem vermeintlich „sicheren Herkunftsstaat“ kommen. Die damit einhergehende Beschleunigung des Asyl- und Abschiebeverfahrens geht allein zu ihren Lasten. Faktisch wird ihnen damit die Möglichkeit einer gründlichen Prüfung des Einzelfalls genommen, die bislang in zahlreichen Fällen zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland geführt hat, obwohl bereits in der gegenwärtigen Asylpraxis Ablehnungen im Schnellverfahren üblich sind. Zudem werden mit dem Gesetzentwurf die vielfachen existenzbedrohenden Diskriminierungen und die gewalttätigen Übergriffe, denen viele Roma in den o.g. Ländern ausgesetzt sind, sowie ihre soziale Verelendung von vornherein als nicht schutzrelevant eingestuft. Die Bundesregierung gibt die Zahl derjenigen, die im Jahr 2013 aus diesen künftig zu sicheren Herkunftsstaaten transformierten Ländern Asyl-, Flüchtlings- oder subsidiären Schutz erhalten haben, mit 60 Fällen an. Hinzu kommen weitere 82 Gerichtsentscheidungen im Jahr 2013, mit denen Flüchtlingen ebenfalls ein Schutzanspruch zugesprochen wurde. Mehrere Bundesländer haben die Abschiebungen insbesondere von Roma in Länder des vormaligen Jugoslawiens zumindest über die Wintermonate ausgesetzt, weil sie von existenzbedrohlichen Gefährdungen und höchst unsicheren Rückkehrbedingungen ausgingen. Nach der regierungsamtlichen Logik bleiben diese Sachverhalte jedoch ohne Bedeutung. Betroffen von der geplanten Gesetzesänderung sind auch viele Kinder, denen in ihren Herkunftsländern schulische Bildung verweigert wird. Für sie ist eine Zukunft ohne berufliche Arbeit in den Elendsquartieren der Roma-Siedlungen vorgezeichnet. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt allein darauf ab, die unerwünschten Roma möglichst rasch wieder in ihre Herkunftsstaaten abzuschieben, in denen sie systematisch diskriminiert und in vielen sozialen Belangen massiv benachteiligt und ausgegrenzt werden. Entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung, sich für die Roma-Minderheiten einzusetzen, bleibt die existenzbedrohende Lage von Roma in Südosteuropa ohne Konsequenz. Aus menschenrechtlicher Sicht und aus tatsächlicher Übernahme von Verantwortung für den Völkermord an den Sinti und Roma ist der Gesetzesentwurf abzulehnen. Die Worte von Bundeskanzlerin Merkel zur Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma dürfen nicht folgenlos bleiben. Sie erklärte: „Menschlichkeit – das bedeutet Anteilnahme, die Fähigkeit und die Bereitschaft, auch mit den Augen des anderen zu sehen. Sie bedeutet hinzusehen und nicht wegzusehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Davon lebt jegliche Zivilisation, Kultur und Demokratie. (…) Doch reden wir nicht drumherum: Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung, unter Ablehnung. (…) Sinti und Roma müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Deshalb ist es eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben. (…)“ Der Gesetzentwurf widerspricht diesem Bekenntnis der Bundeskanzlerin eklatant. Die Bundesregierung will nicht hinsehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Statt für die Rechte der Roma jenseits aller Staatsgrenzen zu streiten, werden sie dorthin zurückgeschickt, von wo sie geflohen sind und wo sie unter Ausgrenzung und Ablehnung leiden. Köln, den 30. April 2014 Der vom  Komitee für Grundrechte und Demokratieinitiierte Appell wird von nachfolgenden Bürgerrechtsorganisationen, Rechtsanwaltsvereinen, Flüchtlingsräten, Sinti- und Roma-Verbänden, Fachanwältinnen und Fachanwälte sowie zahlreichen öffentlichen Personen unterzeichnet. Rechtsanwaltsvereine: Deutscher Anwaltverein e.V., Berlin (DAV)
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Berlin (RAV)
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., Krefeld (VDJ) Bürgerrechtsorganisationen: Humanistische Union e.V., Berlin
      Internationale Liga für Menschenrechte, Berlin
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
      PRO ASYL – Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V., Frankfurt a.M. Flüchtlingshilfenetzwerke und -organisationen: Aktion 3.Welt Saar
      Arbeitskreis Flüchtlinge und Asyl der IPPNW
      AK Roma-Unterstützer_innen Hamburg
      Courage gegen Rassismus e.V., Frankfurt a. M.
      Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, Freiburg
      Initiative | SCHLÜSSELMENSCH e.V., Freiburg
      Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, Berlin (JRS) Sinti- und Roma-Organisationen: Chachipe e.V.
      BundesRomaVerband, Göttingen (BRV)
      Rom e.V., Köln
      Zentralrat Deutscher Sinti und Roma e.V., Heidelberg Flüchtlingsräte: Bayerischer Flüchtlingsrat e.V.
      Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      Flüchtlingsinitiative Bremen e.V.
      Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
      Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
      Flüchtlingsrat NRW e.V.
      Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V Fachanwältinnen und Fachanwälte: Rechtsanwältin Eva Steffen, Aachen
      Rechtsanwältin Sigrid H. Töpfer, Hamburg Weitere Organisationen: Hamburgs aktive Jurastudent_innen (HAJ)
      Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. Einzelpersonen: Prof. Dr. Klaus J. Bade, Osnabrück
      rof. Dr. Micha Brumlik, Frankfurt a. M.
      Prof. Dr. Andreas Buro, Grävenwiesbach
      Klaudia Dolk, Ev. Flüchtlingsberatung, Düsseldorf
      Dr. Ernst-Ludwig Iskenius (IPPNW), Wittstock
      Jürgen Kiefer | Verein für Sozialpsychiatrie gem. e.V., Saarlouis
      Daniel Lede Abal, MdL
      Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin
      Dr. Gisela Penteker, IPPNW
      Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin, Berlin
      Prof. Dr. Albert Scherr, Freiburg
      Prof. Dr. Nausikaa Schirilla, Freiburg
      Irmtraud-Rose Stenzel, Waldkirch im Breisgau
      Christoph Tometten, Berlin
      Dr. Waltraut Wirtgen, IPPNW, München Appell gegen Gesetzesentwurf_Keine sicheren Herkunftsländer (PDF)]]>
      news-342Fri, 11 Apr 2014 13:28:00 +0200StN zum GE zur Stärkung des Rechts auf Vertretung durch einen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-ge-zur-staerkung-des-rechts-auf-vertretung-durch-einen-verteidiger-in-der-berufungshauptverhandlung-342Stellungnahme vom 10.4.2014
    8. Das Recht, sich „durch einen Verteidiger … verteidigen zu lassen“, einerseits; die dem deutschen Strafprozessrecht (jedenfalls bisher) fremde Regel, sich – von Ausnahmen abgesehen – von einem Verteidiger „vertreten“ zu lassen, andererseits.
    9. Der RefE hat im Wesentlichen einen akzeptablen Weg gefunden, diesen unterschiedlichen und z.T. widersprüchlichen, wenn nicht unvereinbaren Anforderungen gerecht zu werden: Der Vorschlag zur Neufassung des § 329 StPO erweist sich sowohl als konventionskonform als auch vereinbar mit geltendem Verfassungsrecht und anerkannten Strafprozessmaximen. Die Verteidigungsinteressen des Angeklagten werden ebenso gewahrt wie seine Autonomie – in Grenzen (s.u.) – anerkannt. Der Teufel steckt eher im Detail (2.); außerdem harren einige Folgeprobleme der (womöglich gar nicht durch den Gesetzgeber zu leistenden) Lösung (3.): 2. Begrüßenswert ist, dass nunmehr als Regel anerkannt werden soll, dass die Berufungsverhandlung in Abwesenheit des (rechtsmittelführenden) Angeklagten durchgeführt wird, wenn dieser sich durch einen – entsprechend explizit bevollmächtigten – anwesenden Verteidiger vertreten lässt. In Anbetracht der Reichweite einer Vertretung des Mandanten (s.u. 3.) ist es richtig, eine „schriftliche Vertretungsvollmacht“ zu fordern (§ 329 Abs. 2 S. 1 StPO-RefE). Die geplante Neufassung des § 329 Abs. 1 StPO erscheint einerseits sinnvoll, andererseits unnötig kompliziert (betr. S. 2). Bedenklich erscheint, die Berufung bei Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers wegen ungenügender Entschuldigung des abwesenden Angeklagten zu verwerfen, wenn der Verteidiger ihn „nicht weiter vertritt“ (S. 2 Ziff. 1 Alt. 2). Es erscheint nur schwer vorstellbar, dass der Verteidiger durch einseitige Aufkündigung der Vertretung die Rechtskraft des gegen den Mandanten ergangenen erstinstanzlichen Urteils herbeiführen können soll. Auseinandersetzungen im Rahmen der Wiedereinsetzung (§§ 44 ff. StPO) sind vorprogrammiert; dazu schweigt sich der RefE – von dem in § 329 Abs. 6 StPO-RefE vorgesehenen allg. Verweis auf die §§ 44, 45 StPO abgesehen (RefE S. 52) – aus. Der Verweis darauf, dies müsse sich der „vertretene“ Angeklagte (wohl i.S.d. § 85 Abs. 2 ZPO) zurechnen lassen, überzeugt nicht – wirft aber freilich ein Licht darauf, dass Detailprobleme der Vertretung im Strafprozessrecht noch der Lösung harren (s.u. 3.). Der Hinweis, die Verwerfung rechtfertige sich auch in diesem Fall daraus, dass der Angeklagte „seiner trotz Vertretungsmöglichkeit grundsätzlich fortbestehenden Pflicht zum Erscheinen ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist“ (RefE S. 46), überzeugt in zweierlei Hinsicht nicht: Erstens passt es gerade nicht zum Geist der Neuregelung i.S.d. Art. 6 EMRK, dass weiterhin von einer „grundsätzlich fortbestehenden Pflicht zum Erscheinen“ ausgegangen wird, was sich auch mit der geplanten Neuregelung des § 329 Abs. 2 StPO-RefE (s.u.) nicht vereinbaren lässt. Zweitens fehlt der Angeklagte gerade nicht „ohne genügende Entschuldigung“, wenn er einen Verteidiger mit Vertretungsvollmacht beauftragt, statt seiner zu erscheinen. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Entwurf davon ausgeht, dem Angeklagte sei es ja „unbenommen, nunmehr selbst zu erscheinen“ (a.a.O.), zumal das Gericht nicht verpflichtet sein soll, ihn darüber zu informieren, dass der Verteidiger die Vertretung nicht (mehr) wahrnimmt. Die o.g. Regel der Abwesenheitsverhandlung bei Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers wird durch die neue Regel relativiert, dass die Hauptverhandlung nur dann ohne den rechtsmittelführenden Angeklagten stattfindet, wenn nicht „besondere Gründe die Anwesenheit des Angeklagten erfordern“ (§ 329 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO-RefE). Damit wird zwar klargestellt, dass das Gericht nicht stattdessen auf die Verwerfung der Berufung ausweichen darf – welche „besonderen Gründe“ jedoch die Anwesenheit des Angeklagten dermaßen „erfordern“ sollen, dass seine Autonomie gem. Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK zurückzutreten hat, bleibt ausweislich des Wortlauts zunächst unklar. Die Begründung (RefE S. 48/49) lässt allerdings erahnen, dass die Praxis eher selten auf die Anwesenheit des Angeklagten verzichten wird (zumal die Verhandlung/Verurteilung ohne den Angeklagten eher revisibel sein dürfte, als das Bestehen auf seiner Anwesenheit). Damit bliebe von der o.g. Autonomie allerdings nicht viel übrig. Zwar hat auch der EGMR die „legitime Forderung“ anerkannt, auf die Anwesenheit des Angeklagten nicht zu verzichten, wenn die Alternative der Berufungsverwerfung ausscheidet: Dass damit von dem Recht, sich nicht ‚nur‘ verteidigen, sondern auch „vertreten“ zu lassen, ggf. nicht viel übrig bleibt, dürfte letztlich aber auch nicht im Sinne des EGMR sein (sieht man einmal davon ab, dass diese recht weitgehende Auslegung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK nicht unumstritten ist). Dass das Gericht schließlich die Vorführung oder Verhaftung des (trotzalledem) anwesenheitspflichten Angeklagten nur anordnen darf, soweit dies „zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist“ (§ 329 Abs. 3 StPO-RefE), ist zwar als – gegenüber der bisherigen Rechtslage – stärkere Ausprägung  des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu begrüßen, lässt aber die Frage offen, was geschehen soll, wenn dies nicht „geboten“ ist: Die Formulierung erweist sich als missverständlich, erweckt sie doch (entgegen der Begründung, S. 51) den Eindruck, trotz der „besonderen Gründe“ (s.o.) sei eine Hauptverhandlung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit doch ohne den Angeklagten zulässig. In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachvollziehbar, warum hier die Ermessensregelung des § 236 StPO nicht gelten soll. 3. Die Reichweite der durch den RefE gestärkten Vertretungsvollmacht bleibt letztlich ebenso ungeklärt wie so manches damit ggf. verknüpfte Folgeproblem. Zunächst einmal dürften an die „schriftliche Vertretungsvollmacht“ (insoweit im Sprachgebrauch nur geringfügig vom bisherigen § 234 StPO abweichend) zukünftig höhere Anforderungen zu stellen sein, als dies bisher zu § 234 StPO gängige Auffassung war. Soweit der RefE klarstellt: „Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Vollmacht aufgrund einer mündlichen Ermächtigung durch den Angeklagten von dem zu bevollmächtigten Verteidiger selbst unterzeichnet wird“ (S. 42), so wäre es hilfreich, diese Klarstellung auch im Gesetzestext zu verankern. Die Stärkung der Vertretungsmöglichkeit in der Strafverteidigung birgt Risiken sowohl auf Seiten des Mandanten (Zurechnung i.S.d. § 85 Abs. 2 ZPO) als auch auf Seiten des Verteidigers (Regress/Strafbarkeitsrisiko). Zumindest die Reichweite der Bindung (vgl. § 85 Abs. 1 ZPO) ist ungeklärt und so wie für den Zivilprozess entwickelt sicher nicht 1:1 auf den Strafprozess übertragbar. Inwieweit auch hier der Gesetzgeber gefordert ist, Rechtssicherheit zu schaffen, bedarf der Klärung.  Berlin, den 10. April 2014 Stellungnahme als PDF]]>
      news-341Wed, 02 Apr 2014 13:57:00 +0200Fritz Bauer - oder Auschwitz vor Gericht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fritz-bauer-oder-auschwitz-vor-gericht-341Lesung9. April 2014 um 19 Uhr
      im Hörsaal ESA H im Hauptgebäude der Universität Hamburg
      aus seiner neuen Biografie "Fritz Bauer - oder Auschwitz vor Gericht". Fritz Bauer zwang die Deutschen zum Hinsehen: Inmitten einer Justiz, die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war, setzte er den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess durch. Er kooperierte mit dem israelischen Geheimdienst, um Adolf Eichmann vor Gericht zu bringen. Aber wer war der kämpferische Einzelgänger wirklich? Ronen Steinke erzählt das Leben eines großen Juristen und Humanisten, dessen persönliche Geschichte zum Politikum wurde. Die Veranstalter würden sich freuen, im Anschluss mit den Anwesenden über Themen wie die Aufarbeitung der (Nicht-) Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen, die spezifische Rolle von Juristinnen und Juristen dabei sowie Zivilcourage und Eigenverantwortung ins Gespräch zu kommen. Flyer zur Veranstaltung_PDFVeranstalter
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Humanistische Union, Landesverband Hamburg
      Kritische Jurastudierende Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an
      Rechtsanwalt Jens Peter Hjort, Tel. 040.650 666 90
      kanzlei@arbeitsrechtsanwaelte-hamburg.de oder
      Kritische Jurastudierende
      kritische.jurastudierende@gmail.com]]>
      news-336Fri, 21 Mar 2014 11:34:00 +0100Nach 28 Monaten: Anwältinnen und Anwälte in der Türkei aus U-Haft entlassen –<br />Ende des KCK-Verfahrens nicht absehbar/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nach-28-monaten-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-aus-u-haft-entlassen-br-ende-des-kck-verfahrens-nicht-absehbar-336Gem. Pressemitteilung, 21.3.2014Pressemitteilung: Nach 28 Monaten: Anwältinnen und Anwälte in der Türkei aus U-Haft entlassen – Ende des KCK-Verfahrens nicht absehbar (PDF)]]>Menschenrechte/Türkei (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-331Fri, 17 Jan 2014 18:10:00 +0100Tag des verfolgten Anwalts am 24. Januar 2014/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-am-24-januar-2014-331Aufruf zur TeilnahmeKundgebung
      vor der Kolumbianischen Botschaft, Taubenstraße 23, 10117 Berlin
      14:00h-15:00h
      anlässlich des Tages des verfolgten Anwalts.

      Im Rahmen der Kundgebung wollen wir eine gemeinsame Petition von europäischen Anwaltsorganisationen an den Botschafter Kolumbiens verlesen und übergeben. Der RAV ist Mitglied in diesen Organisationen.

      Alle Anwältinnen und Anwälte werden gebeten, in Robe zu erscheinen.

      Seit einigen Jahren rufen Anwaltsvereine in Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts/der verfolgten Anwältin zu begehen. An jedem 24. Januar eines Jahres wird in vielen europäischen Städten zeitgleich mit Protestkundgebungen vor den jeweiligen Botschaften auf Kolleg_innen aufmerksam gemacht, die bei der Ausübung ihres Berufes besonders gefährdet sind oder dabei behindert werden. Nachdem in den Jahren zuvor auf die Situation von Rechtsanwält_innen im Iran, in der Türkei und im Baskenland aufmerksam gemacht worden ist, soll in diesem Jahr die Situation der Kolleg_innen in Kolumbien im Mittelpunkt stehen.

      Day of the endangered lawyer 2014

      Kolumbien ist für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ein extrem gefährliches Land. Nach den Angaben der Colombian Caravan UK (http://www.colombiancaravana.org.uk/) sind zwischen 1991 und 2012 über 400 Rechtsanwält_innen in Kolumbien ermordet worden. In den ersten acht Monaten im Jahr 2013 verloren alleine im Valle del Cauca, einer Region im Westen Kolumbiens, elf Kolleg_innen ihr Leben. Immer wieder kommt es zu Morddrohungen, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und Festnahmen von kolumbianischen Rechtsanwält_innen.

      Bei den betroffenen Kolleg_innen handelt es sich oftmals um Menschenrechtsverteidiger_innen. Ihre Arbeit besteht zum einen darin, die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverbrechen anzuprangern und sich für die Verfolgung und Aufklärung solcher Taten einzusetzen. Zum anderen werden Opfer bei der Durchsetzung von Wiedergutmachungsansprüchen vertreten. Hierbei handelt es sich oftmals um indigene und afrokolumbianische Bevölkerungsteile aus den ländlichen Gebieten und den Armenvierteln, die besonders unter dem bewaffneten Konflikt leiden. Besonders betroffen von Bedrohungen waren in letzter Zeit Kolleg_innen, die Mandant_innen juristisch bei deren Vorhaben vertreten, auf ihnen gehörendes Land zurückzukehren, von dem sie illegal vertrieben wurden. Die Arbeit dieser Kolleg_innen ist für den Zugang zum Recht und die Durchsetzung des Rechts unverzichtbar.

      Ein Großteil der Drohungen gegen Anwält_innen wird durch illegale paramilitärische Gruppen ausgesprochen. Immer wieder werden Menschenrechtsverteidiger_innen aber auch durch staatliche Stellen stigmatisiert. Diese Drohungen gegen Rechtsanwält_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen sind aufgrund der vielen Morde sehr ernst zu nehmen.

      Menschenrechtsverteidiger_innen in Kolumbien fordern daher von den staatlichen Autoritäten, dass:

      - ihre Arbeit öffentlich unterstützt wird

      - anerkannt wird, dass der Zugang für Opfer zu den Gerichten zu den Grundvoraussetzungen eines demokratischen Staates gehört.

      Der momentane Friedensprozess mit der Guerilla-Gruppe FARC ist ein positives Signal, dass es Kolumbien gelingen kann, den bewaffneten Konflikt zu beenden.

      Ein dauerhafter Frieden setzt die Beachtung der Forderungen der Opfer nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Reparation voraus. Dafür engagieren sich Anwält_innen in Kolumbien unter Lebensgefahr.

      Der RAV fordert u.a. gemeinsam mit der EDA, ELDH und IDHAE

      Plakat_Freie unabhängige Berufsausübung für Anwältinnen und Anwälte (PDF)

      ***

      Der Tag des verfolgten Anwalts ist ein Projekt, das 2010 von der Kommission ›Verteidigung der Verteidigung‹ der EDA (AED–EDL) gestartet wurde. Ziel ist, an dem Jahrestag internationale Aufmerksamkeit für die weltweiten Bedrohungen, Verfolgungen und Tötungen von Anwältinnen und Anwälten zu erreichen. Anwältinnen und Anwälte werden auf Grund ihrer Berufsausübung verfolgt. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam mit der ELDH geführt. Die Teilnahme weiterer Anwältinnen und Anwälte sowie Menschenrechtsorganisationen ist willkommen. 

      Basictext Situation Columbian lawyers (PDF)

      Petition (PDF)

      ]]>
      Tag des bedrohten Anwalts
      news-330Wed, 08 Jan 2014 18:54:00 +0100»Wir spielen Gerechtigkeit« (Oya Aydin, Strafverteidigerin)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wir-spielen-gerechtigkeit-oya-aydin-strafverteidigerin-330Bericht vom 9. Verhandlungstag im sog. KCK-VerfahrenRepublikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. Bericht vom 9. Verhandlungstag (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-329Thu, 26 Dec 2013 09:19:00 +0100Strafverteidigung wird in der Türkei weiter kriminalisiert/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverteidigung-wird-in-der-tuerkei-weiter-kriminalisiert-329Gemeinsame* Pressemitteilung, 26.12.13Strafverteidigung wird in der Türkei weiter kriminalisiert (PDF) *  
      Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte www.eldh.eu
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. www.rav.de
      Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen www.vdj.de]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-328Fri, 20 Dec 2013 12:44:00 +0100Der Kampf gegen Rassismus<br />Internationale Menschenrechtsinstrumente nutzen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-kampf-gegen-rassismus-br-internationale-menschenrechtsinstrumente-nutzen-328Veranstaltung, 11.1.2014 in BerlinZeit: 11. 01. 2014 von 10:30 Uhr bis 17:30 Uhr. Der Schutz vor Diskriminierung ist Strukturmerkmal der Menschenrechte. Doch die Menschenrechtsidee adressiert nicht nur eine formale (gesetzliche) Gleichberechtigung, sondern auch einen diskriminierungsfreien Zugang zur Durchsetzung dieser Rechte. Nur wenn Menschen die Verletzung ihrer Rechte bei der richtigen Stelle geltend machen können, werden sie als Rechtssubjekte ernst genommen. Hierdurch setzen nicht selten Diskussionsprozesse ein, die zu einer wechselseitigen Entwicklung und Veränderung auf gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene beitragen können. Unsere Veranstaltung richtet sich an Aktivist_innen, die in ihrer täglichen Arbeit Menschen (strategisch) bei der Durchsetzung ihrer Rechte begleiten und unterstützen. Für sie besteht die Herausforderung oft darin, die Einhaltung menschenrechtlicher Standards einzufordern, auch dann, wenn nationalstaatliche Gesetzgebung bzw. deren Anwendung eben diese verletzt und dabei Betroffene als Rechtsträger_innen infrage gestellt werden. Wir werden zwei internationale Menschenrechtsorgane vorstellen, die sich dem Kampf gegen Rassismus verschrieben haben und auf die sich Aktivist_innen in ihrer Arbeit auf verschiedene Weise beziehen können: den UN-Ausschuss gegen Rassismus (CERD) und die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI). Eingangs stellen wir in zwei Inputreferaten den Auftrag, die Arbeitsweise und die Entscheidungen beider Institutionen vor. Im Anschluss diskutieren wir in drei Workshops anhand unserer Erfahrungen aus der Praxis, welche Möglichkeiten sich hieraus für unser antirassistisches Engagement ergeben. Die Tagesveranstaltung wird dokumentiert. Bei Bedarf ist eine Flüsterübersetzung der Workshops und des Abschlusspanels in englischer Sprache möglich. Finanziert u.a. aus Mitteln der "Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin". Mitveranstalter ist das Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung. Veranstalter_innen:
      www.rav.de
      www.isdonline.de
      www.kop-berlin.deFlyer (PDF)Programm: 10.30 - 13.00 Uhr
      Einführungsreferat mit Diskussion
      Der Antirassismusausschuss der Vereinten Nationen - zahnloser Tiger oder möglicher Verbündeter im alltäglichen Kampf gegen Rassismus?
      Jutta Hermanns, Rechtsanwältin, RAV e.V. Pause Einführungsreferat mit Diskussion
      Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz - Standards und Verfahren für die antirassistische Praxis Johanna Mohrfeldt, KOP 13.00-14.00
      Mittagspause 14.00-16.00
      Workshop 1*: Empowermentarbeit auf Basis der VN-Antirassismuskonvention
      Joshua Kwesi Aikins, ISD e.V. Workshop 2*: Menschrechtskonventionen – ein starkes Instrument für politische und berufliche Aktivist_innen
      Emine Demir und J.K. Langford, Aktivistinnen und Pädagoginnen menschenrechtspolitischer Kontexte in Berlin Workshop 3*: Beschämt und empört zu sein ist nicht genug – Argumentations- und Aktionstraining gegen Rassismus im Alltag
      Jutta Hermanns, Rechtsanwältin, RAV e.V. 16-17.30 Uhr
      Abschlusspanel Programm (PDF) *WORKSHOP 1 Empowermentarbeit auf Basis der VN-Antirassismuskonvention Die Rassismusdebatte in Deutschland hat wieder einmal an Intensität zugenommen, wird aber nach wie vor meist ohne Menschenrechtsbezug geführt – und das, obwohl Deutschland die VN- Antirassismuskonvention mit ihrer umfassenden Rassismusdefinition und den sich daraus ergebenden Schutzvorgaben bereits 1969 ratifiziert hat. Rassismus wird in der VN-Antirassismuskonvention vor allem anhand diskriminierender Effekte definiert, was Alltags- und institutionellen Rassismus menschenrechtlich erfassbar macht. Der Fokus auf Effekte ermöglicht zum einen eine umfassende Problemanalyse in Bezug auf Rassismus in Deutschland; des Weiteren eine menschenrechtsbasierte Empowermentarbeit für von Rassismus Betroffene. Die Potentiale eines solchen Ansatzes werden im Workshop aufgezeigt. Besondere Berücksichtigung finden dabei UN-Parallelberichte, die von zivil-gesellschaftlichen Akteur_innen eingereicht werden.
      (Joshua Kwesi Aikins, ISD e.V.) *WORKSHOP 2 Menschrechtskonventionen – ein starkes Instrument für politische und berufliche Aktivist_innen Menschenrechtskonventionen bieten starke Instrumentarien für politische/berufliche Aktivist_innen bei Mobilisierungen und Kampagnen und in der politischen Bildung gegen rassistische Gewalt und Diskriminierungen. In diesem Workshop werden wir mit dem Beispiel der UN- Kinderrechtskonvention (KRK) arbeiten. Wir schauen, inwiefern deutsche Umstände und Gesetze die KRK nicht erfüllen und/oder sogar widersprechen. Im Workshop werden wir der Frage nachgehen, inwiefern dieses Instrumentarium Interventionsmöglichkeiten bietet, ob durch juristische Beschwerde oder politische und/oder berufliche Mobilisierung. Anhand des Beispiels der KRK in Bezug auf  Kinder of Color bzw. Kinder ohne gesicherten Aufenthaltsstatus ist es möglich eine breite Struktur von Verstößen aufzuzeichnen. Diese reichen zum Beispiel von Abschiebung bis zu fehlender medizinischer Versorgung, vom Zugang zu Schulplätzen bis zu Inhalten in Schulbüchern und in der Ausbildung von Lehrer_innen und Pädagog_innen. (Emine Demir und J.K. Langford, Aktivistinnen und Pädagoginnen in menschenrechtspolitischen Kontexten Berlin) *WORKSHOP 3 Beschämt und empört zu sein ist nicht genug – Argumentations- und Aktionstraining gegen Rassismus im Alltag Angelehnt an die Vorgaben und die staatlichen Verpflichtungen aus der VN-Antirassimuskonvention der Vereinten Nationen sowie die zahlreichen Empfehlungen des Antirassismus-Ausschusses, der die Einhaltung der Konvention überwacht, soll trainiert werden, Situationen im Alltag zu erkennen, die mit den Mechanismen der Konvention skandalisiert und deren rassistische Diskriminierungen und Angriffe auch rechtlich angegangen werden können: Keine Kinder von Geflüchteten auf dem Spielplatz der Nachbarn erwünscht? Polizeiwarnungen vor Trickdiebstahl unter ausschließlicher Verwendung von „Fotos“ nicht weißer Menschen? Lebensmittelgutscheine und Residenzpflicht für Flüchtlinge? Identitätskontrollen auf Bahnhöfen und in Zügen nur anhand der Hautfarbe (Racial Profiling)?  Wir diskutieren Fragen, wie eine direkte Intervention aussehen kann, wie Betroffene sich an den VN-Antirassismusausschuss wenden und was Aktivist_innen und "Zeug_innen" zur Unterstützung anschließender Schritte der Rechtsverfolgung tun können.  Wir sprechen auch darüber, welche Argumente wir Einwänden, die sich auf Grundrechte stützen (wie z.B. der Meinungsäußerungsfreiheit, der Kunstfreiheit oder dem Recht auf Eigentum etc.) rechtlich und argumentativ entgegengesetzten können. Dies sind nur einige der Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen wollen. In dem Workshop soll es um die Stärkung des ganz praktischen antirassistischen Alltagshandelns gehen.
      (Jutta Hermanns, Rechtsanwältin, RAV e.V.) Workshops (PDF)                        ]]>
      news-327Wed, 18 Dec 2013 08:16:00 +0100Großverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei: Urteile ohne Beweisaufnahme erwartet/publikationen/mitteilungen/mitteilung/grossverfahren-gegen-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-urteile-ohne-beweisaufnahme-erwartet-327Pressemitteilung, 16.12.13Unterzeichnende Organisationen: Deutscher Anwaltverein (DAV), altemeier@anwaltverein.de
      Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM),
      thomas.schmidt@ejdm.eu, 0211 – 444 001
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), gs@rav.de
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V., schoenberg@m40-recht.de
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), thomas@schmidt@ejdm.de PM_Großverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei: Urteile ohne Beweisaufnahme erwartet (PDF)   Nächste Gelegenheiten für Prozessbeobachtungen]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-326Wed, 18 Dec 2013 06:59:00 +0100Neue Verfahren gegen die Bundespolizei zu „racial profiling“ in Zügen und Bahnhöfen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/neue-verfahren-gegen-die-bundespolizei-zu-racial-profiling-in-zuegen-und-bahnhoefen-326Pressemitteilung vom 18.12.13äußerer Merkmale wie der Hautfarbe und anderer Zuschreibungen, wird die deutsche Justiz weiterhin beschäftigen. Erst im Oktober 2012 hatte des Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland Pfalz mit einer Entscheidung europaweit für Aufsehen gesorgt, nach der die Kontrolle eines Studenten einzig wegen seiner „Hautfarbe“ nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist. Nun sind vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Köln zwei neue Verfahren gegen die Bundespolizei anhängig – auch hier war wieder die „Hautfarbe“ der Kläger der Grund für die Kontrollen. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart behandelt die Klage eines 28-jährigen Angestellten eines Bundesunternehmens aus Berlin. Er wurde am 19.11.2013 in der ersten Klasse eines ICE zwischen Baden-Baden und Offenburg  als einziger Fahrgast im Waggon ohne erkennbaren Anlass offensichtlich wegen seiner „Hautfarbe“ kontrolliert. Drei Bundespolizisten notierten seine Personalien und glichen sie mit polizeilichen Datenbanken ab. Als Grund wurde dem Kläger nur mitgeteilt, dass sich der ICE im Grenzgebiet bewege. Das Verwaltungsgericht Köln muss sich dagegen mit der Klage eines 38 Jahre alten Heilpraktikers aus Witten beschäftigen. Während er am 12.11.2013 im Hauptbahnhof Bochum auf seine Lebensgefährtin wartete, wurde er ebenfalls einzig wegen seiner "Hautfarbe" von zwei Bundespolizisten kontrolliert. Zur Begründung hieß es seitens der Beamten lediglich, man suche nach Menschen aus Nordafrika und Syrien. Die gesetzliche Grundlage für solche „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen findet sich in § 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG). Hiernach können die Beamtinnen und Beamten zur Verhinderung illegaler Einreise aufgrund von „Lageerkenntnissen und grenzpolizeilicher Erfahrung“ ohne Vorliegen einer Gefahr selbst entscheiden, wen sie kontrollieren. Obwohl es das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 3 verbietet, Menschen wegen der Herkunft oder der Hautfarbe zu diskriminieren, geraten regelmäßig Menschen in die Kontrollen, die in den Augen der Bundespolizistinnen und -polizisten „nicht deutsch“ aussehen.  „Das Bundespolizeigesetz selbst schafft die Voraussetzungen für den sich in den deutschen Bahnhöfen und Zügen immer wiederholenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wir streben deshalb nun auch die gerichtliche Klärung der Frage an, ob § 22 Abs. 1a BPolG mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist“, erklärt Rechtsanwalt Sven Adam, der die beiden Kläger juristisch vertritt. „Wir werden daher den Gerichten im Laufe der Verfahren auch die unmittelbare Vorlage der Sache zum Bundesverfassungsgericht vorschlagen.“, so Adam weiter.  Die Verfahren werden von Selbstorganisationen wie der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund), der Internationalen Liga für Menschenrechte e.V., der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), dem Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), dem arbeitskreis kritischer juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin), dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. und der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) begleitet und unterstützt. Für Rückfragen steht Rechtsanwalt Sven Adam zur Verfügung: anwaltskanzlei sven adam
      lange geismarstraße 55
      37073 göttingen
      tel.: (0551) 4 88 31 69
      fax: (0551) 4 88 31 79
      kontakt@anwaltskanzlei-adam.de
      http://www.anwaltskanzlei-adam.de Hintergrundinformationen zu dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht
      Rheinland Pfalz aus dem Jahr 2012 finden Sie hier:
      http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?sonderseiten-vg-koblenz-presseinformationen PM: Neue Verfahren gegen die Bundespolizei zu „racial profiling“ in Zügen und Bahnhöfen (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-325Wed, 11 Dec 2013 16:08:00 +0100StN des RAV zum Gesetzesentwurf zum Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-des-rav-zum-gesetzesentwurf-zum-thueringer-justizvollzugsgesetzbuch-325Stellungnahme, 11.12.13(PDF)          ]]>news-323Sat, 16 Nov 2013 08:55:00 +0100Erklärung der Hamburger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu der politischen Forderung der Gruppe Lampedusa in Hamburg/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erklaerung-der-hamburger-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-zu-der-politischen-forderung-der-gruppe-lampedusa-in-hamburg-323Erklärung vom 15.11.13RA Manfred Alex, RAin Gül Aydin, RAin Maren Ballwanz, RA Masoud Behraznia, RA Mirco  Beth, RA Andreas Beuth, RAin Katharina F.  Boehm, RA Thomas Breckner, RAin Heike Brodersen, RAin Catrin Brosowski, RA Peer-Olaf Buck (Büdelsdorf), RA Tim Burkert, RA Sebastian Busch, RA Arne Dahm, RAin Lena Damman, RA Georg Debler, RAin Petra Dervishaj, RAin Ulrike  Donat, RA Antonio  Durán Muñoz, RAin Britta Eder, RAin Ursula Erhardt, RA Carsten Gericke, RA Manfred Getzmann, RAin Dorothea Goergens, RA Dirk Gosau, RA Taylan Günes, RAin Ursula Hein, RA Gabriele Heinecke, RAin Annika Hirsch, RAin Ilka Hoffmann, RA Enno Jäger, RA Jonny Jalass, RAin Ines Jendrny, RA Reinher Karl, RA Martin Klingner, RA Eckhard Klitzing, RA Ronny Koch, RA Dr. Dirk  Legler, RA Michael Leipold, RA Martin Lemke, RA Yu Lin, RAin Britta Lüers, RAin  Gabriela Lünsmann, RA Klaus Maßmann, RA Micheal Meyer, RAin Tabea Meyer, RA Marc Meyer, RA Nils Meyer-Abich, RAin Lisa Moos, RAin Karen Mücher, RA Mark Nerlinger, RAin Anke Niehaus, RA Gerrit Onken, RAin Marion Pein, RA Stefan  Piehl, RA Klaus Piening, RAin Gül Pina, RAin  Eva Proppe, RA Friedrich-Wilhem Reineke, RA Wolf Dieter Reinhard, RA Florian Riechey, RA Andreas Rischar, RA Dr. Ralf Ritter, RA Nils  Rotermund, RA Johannes Rothehueser, RA Albert Rühling, RA Johannes Santen, RA Steffen Sauter , RAin Anette Schmidt, RA Hendrik Schulze, RA Klaus Seidensticker, RAin Christine Siegrot, RA Michael Spielhoff, RA Arne Städe, RA Gunnar  Stark, RA Sebastian Sudrow, RAin Cornelia Theel, RA Arne Timmermann, RA Bilsat Top, RAin Sigrid Töpfer, RA Wolfram Velten, RA Bernd Vetter, RA Dr. Bernd Wagner, RA Jens Waßmann, RA Cornelius J. Weimar, RAin Ursula Wens, RA Rainer Willhoeft, RA Matthias Wisbar, RAin Ingrid Witte-Rohde, RA Ulrich Wittmann, RAin Nil Yükova, RAin Constanze Zander-Böhm Erklärung der Hamburger Rechtsanwält_innen (PDF)]]>news-322Fri, 15 Nov 2013 15:39:00 +0100Politische Strafverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/politische-strafverfahren-gegen-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-322Einladung zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen, 2.12.13 in Berlin und 3.12.2013 in DüsseldorfAbendveranstaltungen am 2.12.13 in Berlin und am 3.12.13 in Düsseldorf Drei Massenverfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei sind in die internationale Kritik geraten. Anwaltsorganisationen aus der ganzen Welt entsenden Prozessbeobachter, so auch die einladenden Vereine. Die Unabhängigkeit der Anwaltschaft in der Türkei ist bedroht. Am 19. Dezember 2013 wird das sog. KÇK-Verfahren gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in Silivri bei Istanbul fortgeführt. Die Schlussanträge sind angekündigt, obwohl eine Beweis-aufnahme bisher nicht stattgefunden hat. Den Anwältinnen und Anwälten drohen Haftstrafen von bis zu 22 Jahren. Vorgeworfen wird ihnen die Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaft Kurdistans (KÇK). Ihnen wird von der Regierung unterstellt, nicht lediglich ihre anwaltlichen Pflichten wahrgenommen zu haben, sondern die Interessen und Anliegen ihrer Mandanten zu teilen. Die angeklagten Anwältinnen und Anwälte waren an der Verteidigung von Abdullah Öcalan beteiligt oder hatten andere inhaftierte Mandanten besucht. Von den 36 im November 2011 in Untersuchungshaft genommenen Kolleginnen und Kollegen befinden sich 15 weiterhin in Haft. Im sog. ÇHD-Verfahren sind weitere 22 Anwältinnen und Anwälte angeklagt. Auch Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Alle sind Mitglieder der Zeitgenössischen Juristenvereinigung (ÇHD), einer Mitgliedsorganisation der EJDM, die sich für die Menschenrechte einsetzt. Ein drittes Verfahren richtet sich gegen die 10 Mitglieder des Vorstands der Istanbuler Rechtsanwaltskammer, darunter deren Präsident. Diese hatten sich in einem Strafverfahren für die Rechte der dort tätigen Verteidiger eingesetzt und müssen sich nun wegen des Versuchs „die Justiz zu beeinflussen“ vor Gericht verantworten. Wir laden ein zu Abendveranstaltungen am 2.12.13 in Berlin und am 3.12.13 in Düsseldorf:BERLINBild vom 2.12.13 (Quelle: DAV, Andreas Burkhardt) Montag, den 02. Dezember 2013 um 19:00 Uhr
      DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin
      (S-/U-Bahnhof Alexanderplatz, S-/U-Bahnhof Jannowitzbrücke,U-Bahnhof Klosterstraße) Die Veranstaltung wird simultan übersetzt.
      Der Eintritt ist kostenlos.
      Für eine bessere Planung wären wir für eine Anmeldung zu dieser Berliner Veranstaltung bis zum 25. November 2013 dankbar: Mitwirkende:
      Hüseyin Boğatekin ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt mehrere Anwältinnen und Anwälte sowie Journalistinnen und Journalisten im KÇK-Verfahren. Im Juni 2013 wurden er und ca. 70 weitere Anwältinnen und Anwälte vorübergehend festgenommen, als sie im Çağlayan-Gericht in Istanbul friedlich gegen das gewalttätige Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Taksim-Platzes demonstriert hatten. Ramazan Demirist als Strafverteidiger in Istanbul tätig. Zurzeit verteidigt er mehrere seiner Kolleginnen und Kollegen im KÇK-Verfahren. Dafür wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Wegen seines Vortrags vor Gericht wird ihm vorgeworfen „die Würde einer Stelle der öffentlichen Verwaltung verletzt“ zu haben. Ramazan Demir ist Ansprechpartner für die ausländischen Prozessbeobachterinnen und Prozessbeobachter im KÇK-Verfahren. Gül Pinar ist Rechtsanwältin in Hamburg. Sie wuchs in Istanbul auf und kam mit 16 Jahren nach Deutschland. Hier studierte sie Jura als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung und fing nach dem zweiten Staatsexamen 1998 sofort an, als Anwältin zu arbeiten. Seit 2000 ist sie Fachanwältin für Strafrecht. Aktuell ist sie u.a. als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren in München tätig. Gül Pinar ist Mitglied des DAV-Ausschusses Strafrecht und beobachtet seit Mitte 2012 die Verhandlungen im KÇK-Verfahren für den DAV. Gilda Schönberg arbeitet als Rechtsanwältin in Berlin und ist zugleich Fachanwältin für Strafrecht. Sie ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und beobachtet für diese das KÇK-Verfahren gegen Anwältinnen und Anwälte in der Türkei. Veranstalter:
      Deutscher Anwaltverein (DAV)
      Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM)
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) Einladung zur Informations- und Diskussionsveranstaltung in Berlin (PDF)DÜSSELDORF Dienstag, den 03. Dezember 2013 um 19:00 h
      Heinrich-Heine-Institut, Bilker Straße 12-14, 40213 Düsseldorf Die Veranstaltung wird konsekutiv übersetzt.
      Der Eintritt ist kostenlos.
      Für eine bessere Planung wären wir für eine Anmeldung zu dieser Düsseldorfer Veranstaltung bis zum 25. November 2013 dankbar: Programm:
      1. Begrüßung, Rechtsanwalt Axel Nagler, Essen
      2. Allgemeine Darstellung der politischen Prozesse gegen AnwältInnen in der Türkei, Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Düsseldorf
      3. Der KÇK AnwältInnen Prozess, Rechtsanwalt Ramazan Demir, Istanbul
      4. Der Prozess gegen AnwältInnen, die gegen das brutale Vorgehen der Polizei gegen DemonstrantInnen protestiert haben, Rechtsanwalt Hüseyin Boǧatekin, Istanbul
      5. Der KÇK AnwältInnen Prozess aus Sicht einer Beobachterin, Rechtsanwältin Gilda Schönberg, Berlin
      6. Fragen, Diskussion
      Moderation: Rechtsanwalt Axel Nagler, Essen Mitwirkende:
      Hüseyin Boǧatekin ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt mehrere Anwältinnen und Anwälte sowie Journalistinnen und Journalisten im KÇK-Verfahren. Im Juni 2013 wurden er und ca. 70 weitere Anwältinnen und Anwälte vorübergehend festgenommen, als sie im Ça?layan-Gericht in Istanbul friedlich gegen das gewalttätige Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Taksim-Platzes demonstriert hatten. Ramazan Demir ist als Strafverteidiger in Istanbul tätig. Zurzeit verteidigt er mehrere seiner Kolleginnen und Kollegen im KÇK-Verfahren. Dafür wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Wegen seines Vortrags vor Gericht wird ihm vorgeworfen „die Würde einer Stelle der öffentlichen Verwaltung verletzt“ zu haben. Ramazan Demir ist Ansprechpartner für die ausländischen Prozessbeobachterinnen und Prozessbeobachter im KÇK-Verfahren. Axel Nagler ist Rechtsanwalt und Notar in Essen und Vorstandsmitglied der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. Thomas Schmidt ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und Generalsekretär der Europäischen Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (ELDH/EJDM) sowie Mitglied im Vorstand der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). Er hat an mehreren Terminen des KÇK Verfahrens gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei als Beobachter teilgenommen. Gilda Schönberg arbeitet als Rechtsanwältin in Berlin und ist zugleich Fachanwältin für Strafrecht. Sie ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und beobachtet für diese das KÇK-Verfahren gegen die Anwältinnen und Anwälte in der Türkei. Veranstalter:
      Strafverteidigervereinigung NRW
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
      Düsseldorfer Anwaltverein
      Rechtsanwaltskammer Düsseldorf
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ)
      Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (ELDH/EJDM) Einladung zur Informations- und Diskussionsveranstaltung in Düsseldorf (PDF)]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-321Wed, 23 Oct 2013 15:21:00 +0200Strafanzeige gegen Strafrichterin in Eisenhüttenstadt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-gegen-strafrichterin-in-eisenhuettenstadt-321Gemeinsame Pressemitteilung von VDJ und RAV, 23.10.13Weitere Informationen: Report Mainz:
      http://www.swr.de/report/justiz-gnadenlos/-/id=233454/nid=233454/did=11478690/1pr3i56/index.html Süddeutsche Zeitung:
      http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingspolitik-in-deutschland-zynischer-geht-es-kaum-1.1774063 Berliner Morgenpost:
      http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article118050595/Umstrittene-Abschiebehaft-Fluechtlinge-treten-in-Hungerstreik.html RAV:
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/justiz-darf-nicht-kritisiert-werden-br-landgericht-ffo-schuetzt-entgleisungen-am-amtsgericht-eisenhuettenstadt-306/page1/ VDJ:
      http://www.vdj.de/index.php?id=38,508,0,0,1,0Für Nachfragen:
      Rechtsanwalt Volker Gerloff:
      http://www.aufenthaltundsoziales.de/ Pressemitteilung: Strafanzeige gegen Strafrichterin in Eisenhüttenstadt (PDF)]]>
      news-320Wed, 16 Oct 2013 09:24:00 +0200LSG Berlin-Brandenburg will Menschenwürde nur für Deutsche/publikationen/mitteilungen/mitteilung/lsg-berlin-brandenburg-will-menschenwuerde-nur-fuer-deutsche-320Pressemitteilung, 14.10.13Zum Urteil des LSG NRW vom 11.10.2013:
      http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLSG/11_10_2013/index.php Anhängige Revisionen beim BSG:
      14. Senat - B 14 AS 16/13 R – zur grundsätzlichen Frage der Rechtswidrigkeit des Leistungsausschlusses für EU-Bürger (hier: Litauische Staatsangehörige) 4. Senat - B 4 AS 9/13 R – zur Frage der Anwendbarkeit des Europäischen Fürsorgeabkommens PM_Menschenwürde nur für Deutsche (PDF)]]>
      news-319Tue, 15 Oct 2013 08:59:00 +0200Wie viel Aufklärung ist erwünscht?<br />Der NSU-Komplex und die Konsequenzen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wie-viel-aufklaerung-ist-erwuenscht-br-der-nsu-komplex-und-die-konsequenzen-319Informations- & Diskussionsveranstaltung am 28.10.2013 in BerlinDabei war der Weg des NSU von Anfang an von »V-Männer« des Inlandsgeheimdienstes geprägt. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) und der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) laden ein zur Informations- & Diskussionsveranstaltung am 28.10.2013 um 19:00
      Familiengarten Kreuzberg, Oranienstr. 34 (Hinterhof), 10999 Berlin
      Die Referentin und der Referent werden über die bisherigen Versuche, den NSU-Komplex aufzuklären, eingehen: insbesondere auf die Ergebnisse und offenen Fragen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag und den Prozess vor dem OLG München gegen Beate Zschäpe und andere. Kann sich die Hoffnung der Opfer erfüllen, vor Gericht die nötige Aufklärung zu erzwingen, trotz der systematischen Vertuschungen die in allen Behörden vorgenommen wurden? Referentin/Referent: Heike Kleffner ist Journalistin und schreibt seit vielen Jahren zum Thema Rechte Gewalt. Sie begleitete als Referentin der Linksfraktion die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages Peer Stolle ist Strafverteidiger und einer der 62 Nebenklägervertreter_innen im NSU-Prozess Moderation: Ahmed Abed, Rechtsanwalt in Berlin, VDJ Eine Veranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Veranstaltungswochen „InterKreuzHain 2013“ (www.interkreuzhain.de) Einladung (PDF)  ]]>
      news-318Mon, 30 Sep 2013 23:34:00 +0200Schon wieder - Verfassungsschutz erneut im Fokus/publikationen/mitteilungen/mitteilung/schon-wieder-verfassungsschutz-erneut-im-fokus-318Pressemitteilung, 30.9.13Diese Gruppen sind bekanntlich durch die Verfassung besonders geschützt. Diesen Schutz müssen gerade diejenigen Kolleginnen und Kollegen beanspruchen können, die sich engagiert mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen auseinandersetzen. Es geht daher nicht an, dass der Rechtsanwalt, der eine kritische Journalistin im Rechtsstreit mit dem Verfassungsschutz vertritt, seinerseits von demselben Dienst beobachtet wird. Der RAV-Vorsitzende Rechtsanwalt Martin Heiming stellt zu der Beobachtung seines Berufskollegen in Niedersachsen fest: "Dass der frühere niedersächsische Innenminister Schünemann solch ein Vermächtnis hinterlassen hat, kann einen leider nicht wundern. Und es passt erneut in das inzwischen sattsam bekannte Tätigkeitsprofil des Verfassungsschutzes, dass er wieder einmal nicht die Rechtsextremen im Visier hat, sondern diejenigen, die sich ihrerseits gegen neofaschistische Strukturen engagieren.“ Der RAV fordert die Niedersächsische Landesregierung auf, den betroffenen Rechtsanwalt umfassend zu informieren, die gespeicherten Daten und Akten dafür zur Verfügung zu halten und ihre weitere Nutzung durch den Verfassungsschutz zu unterbinden. Die Datenbestände des Verfassungsschutzes werden außerdem daraufhin zu prüfen sein, ob weitere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betroffen sind. Berlin, 30.09.2013 Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an:
      RA Martin Heiming, Tel. 06221-337511, ra.heiming@gmx.de
      RA Sönke Hilbrans, Tel. 030 -44679224, hilbrans@diefirma.net Pressemitteilung: Schon wieder - Verfassungsschutz erneut im Fokus (PDF)]]>
      news-317Wed, 18 Sep 2013 12:28:00 +0200Prozess ohne Verhandlung<br />Fortsetzung des Großverfahrens gegen 46 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozess-ohne-verhandlung-br-fortsetzung-des-grossverfahrens-gegen-46-rechtsanwaelte-und-rechtsanwaeltinnen-in-der-tuerkei-317Pressemitteilung, 18.9.13ı besucht und wurden im November 2011 festgenommen. Obwohl der Prozess bereits im Juli 2012 begann, kam es erst gestern zum Abschluss der Einlassungen der angeklagten Anwältinnen und Anwälte. Grund dafür ist, dass lediglich alle drei Monate ein Hauptverhandlungstag stattfindet. Dies ungeachtet der Tatsache, dass sich nach wie vor 15 Kolleginnen und Kollegen seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft befinden. Die Delegation erwartete heute – wie die Verteidigung auch – entsprechend der Strafprozessordnung die Eröffnung der Beweisaufnahme. So beantragte die Verteidigung die Vernehmung von Zeugen und warf der Staatsanwaltschaft vor, bereits durch die Einleitung der Ermittlungen ihr Amt missbraucht zu haben: "Schon früher gab es Eingriffe in die Menschenrechte, nun gibt es auch direkte Angriffe auf die anwaltliche Berufsausübung", erklärte Rechtsanwalt Tahir Elçin, Präsident der Rechtsanwaltskammer Diyarbakır. Die Kammer lehnte jedoch alle Beweisanträge ab, unterbrach die Verhandlung bis zum 19. Dezember 2013 und forderte die Staatsanwaltschaft auf, sich bis dahin auf das Abschlussplädoyer vorzubereiten. Die Verteidigung geht nach diesem Prozessverhalten der Kammer davon aus, dass eine Verurteilung ohne die Erhebung jeglicher Beweise erfolgen soll. Denn gleichzeitig beschloss das Gericht die Haftfortdauer der 15 noch inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. "Dieses Verfahren ist eine Farce; damit ist selbst der Anschein eines rechtsstaatlichen Verfahrens zunichte gemacht. Es ist damit zu rechnen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen ohne jeglichen Schuldnachweis verurteilt werden. Das schafft ein Klima der Angst, das die Anwaltschaft – und ihre Aufgabe in der Gesellschaft - über dieses Verfahren hinaus ernsthaft bedroht", so Gilda Schönberg, Rechtsanwältin aus Berlin. Die beobachtenden Vereinigungen fordern die unverzügliche Freilassung der Kolleginnen und Kollegen und die Beendigung der willkürlichen Verfolgung der Anwaltschaft. *
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)  Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. PM_ Prozess ohne Verhandlung (PDF)]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-313Wed, 04 Sep 2013 09:57:00 +0200Wahlprüfsteine - alternative Mietrechtsreform jetzt!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wahlpruefsteine-alternative-mietrechtsreform-jetzt-313Informationsveranstaltung mit anschließender Diskussion; 11.9. in BerlinWahlprüfsteine) Abgeordnete der Parteien sind bereits explizit dazu eingeladen worden. Die Themen:Zeit und Ort
      11.9.2013 um 19.00 Uhr
      GLS-Sprachenzentrum, Kastanienallee 82, 10435 Berlin
      U-Bahnhof Eberswalder Straße U2 oder Tram M1, M12, 13 Der Eintritt ist frei Veranstalter
      Arbeitsgemeinschaft Alternative Mietervereine, gemeinsam mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), der Berliner MieterGemeinschaft (Bezirksgruppen City West - Tiergarten, Steglitz, Schöneberg und Charlottenburg - und Prenzlauer Berg) sowie Anwältinnen und Anwälte, die im Wohnraummietrecht auf Mieterseite tätig sind. Einladung; Presseinfo: Veranstaltung am 11.9.13_Alternative Mietrechtsreform jetzt! (PDF)Wahlprüfsteine: Fragen an die Parteien (PDF)]]>
      news-306Thu, 22 Aug 2013 07:53:00 +0200Der Fehler liegt im System: Nebenklagevertreter im NSU Prozess kritisieren den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages als inkonsequent/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-fehler-liegt-im-system-nebenklagevertreter-im-nsu-prozess-kritisieren-den-abschlussbericht-des-untersuchungsausschusses-des-bundestages-als-inkonsequent-306Pressemitteilung, 23.8.13Institutioneller Rassismus  Unabhängig von der persönlichen Einstellung und den Absichten der Beamten, folgen die Ermittlungsbehörden einer inneren Logik, Normen und Werten, deren rassistische Konsequenzen sich unter anderem in den Ermittlungen zur Mord- und Anschlagsserie des NSU wiederfinden.  Hochgelobt für das parteiübergreifende Engagement der Obleute, schafft es nun zu Zeiten des Wahlkampfs gerade der Untersuchungsausschuss nicht, das Problem so zu bezeichnen, wie es sich uns präsentiert. Wir sind RechtsanwältInnen und NebenklagevertreterInnen im so genannten NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Wir haben die Akten gelesen. Wir haben Zeuginnen und Zeugen gehört. Wir haben aber vor allen Dingen von unseren Mandantinnen und Mandanten erfahren, wie sie nach den Taten jahrelang selbst im Fokus der Ermittlungen stehen mussten.  Das heißt:
      1. Hinterbliebene und Verletzte fordern die Anerkennung auch in der Politik, dass das systematische Versagen der Ermittlungsbehörden auf institutionellem Rassismus beruht. Das Problem muss klar benannt werden. Alles andere wäre Augenwischerei. Morde hätten verhindert werden können. 
      2. Wir fordern eine Neueinsetzung des Untersuchungsausschusses in der nächsten Legislaturperiode. Eine lückenlose Aufklärung der Taten des NSU und der möglichen Verwicklungen der Ermittlungsbehörden und des Verfassungsschutzes ist lange nicht abgeschlossen.
      3. Bei jedem Gewaltverbrechen muss in Zukunft frühzeitig und nachvollziehbar in den Akten vermerkt und begründet werden, wenn die Ermittlungsbehörden der Auffassung sind, dass eine rassistisch oder neonazistisch motivierte Tat ausgeschlossen werden kann.
      4. Wir fordern eine Ausbildung und stetige Qualifikation aller Polizeibeamten, die institutionellem wie individuellem Rassismus entgegenwirkt. Zudem müssen gut ausgebildete und szenekundige Abteilungen bei den Landespolizeien neu aufgebaut und neu besetzt werden, die sich spezifisch mit rechter Gewalt beschäftigen und allgemeine Abteilungen für „Staatsschutzdelikte“ ersetzen. Diese Ermittlungsgruppen müssen zukünftig immer dann zwingend an den Ermittlungen beteiligt werden, wenn ein rechter Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann.
      5. Bei den Staatsanwaltschaften müssen Abteilungen gebildet werden, die für rechte Gewalttaten gesondert zuständig und ausgebildet sind. Abteilungen, die allgemein für „politisch motivierte“ Taten oder gar zusätzlich für Delikte von und gegen Polizeibeamte zuständig sind, genügen dafür keinesfalls.
      6. Es muss verstärkt darauf hingewirkt werden, dass BeamtInnen mit Migrationshintergrund auch in Führungspositionen geworben werden. Weil dies bislang offensichtlich nicht gelungen ist, sollte zur Umsetzung zunächst eine verbindliche Quote festgesetzt werden. Rassistischen Tendenzen innerhalb der Ermittlungsbehörden muss konsequent – auch disziplinarisch - entgegengewirkt werden.
      7. Das V-Mann-System der Verfassungsschutzbehörden hat versagt und gehört aufgelöst. Es fördert rechtsradikale Entwicklungen mehr, als dass er sie verhindert. Der Verfassungsschutz hat gerade im Hinblick auf den NSU bewiesen, dass enorme Ressourcen in V-Leute gesteckt wurden, die nur bekannte, zu wenig oder gar bewusste Falschinformation geliefert haben. Das Geld der V-Leute ist teilweise in den Aufbau von Neonazi-Strukturen geflossen. Ein Verbotsverfahren hinsichtlich der NPD scheiterte auch an der weitgehenden Integration von V-Leuten in der Partei bis in die Führungsspitze. Es bleibt grundsätzlich zu diskutieren, inwieweit die notwendige Aufklärung über neonazistische Aktivitäten ausschließlich die Polizeibehörden besorgen können.
      8. Opfer rechter Gewalt seit 1990 sind lückenlos entsprechend der Liste der Amadeu Antonio Stiftung, der „Zeit“ und des „Tagesspiegels“ als solche anzuerkennen.
      9. Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt müssen erhalten, flächendeckend ausgebaut und gefördert werden.
      10. Es sind auf Landes- und Bundesebene Kontrollgremien einzuführen, die als unabhängige Ansprechpartner für Betroffene von institutionellem oder persönlichem Rassismus durch die Ermittlungsbehörden oder für „Whistleblower“ in solchen Fällen zur Verfügung stehen. Diese sollten mit effektiven Kontrollbefugnissen ausgestattet und durch das Parlament eingesetzt werden.  Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte  Antonia von der Behrens,
      Dr. Mehmet Daimagüler,
      Dr. Björn Elberling,
      Berthold Fresenius,
      Alexander Hoffmann,
      Carsten Ilius,
      Detlef Kolloge,
      Stephan Kuhn,
      Angelika Lex,
      Stephan Lucas,
      Ogün Parlayan,
      Jens Rabe,
      Eberhard Reinecke,
      Aziz Sariyar,
      Sebastian Scharmer,
      Reinhard Schön,
      Peer Stolle. Der Fehler liegt im System_dt (PDF)
      Hata sistemdedir (PDF)
      The fault lies in the system (PDF)]]>
      news-305Fri, 09 Aug 2013 13:53:00 +0200Bundesverfassungsgericht hebt Strafurteil gegen Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Brandenburg auf/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundesverfassungsgericht-hebt-strafurteil-gegen-mitarbeiter-des-fluechtlingsrats-brandenburg-auf-305Pressemitteilung vom 9.8.2013
      „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg“ des Flüchtlingsrats fällt unter die Meinungsfreiheit Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte anlässlich des Antirassismustages 2010 einen „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg an der Havel verliehen. Mit dem Denkzettel kritisierte der Flüchtlingsrat, dass eine Sachbearbeiterin der Behörde einem Flüchtling wider besseres Wissen eine Vortäuschung seiner fachärztlich bescheinigten Gehörlosigkeit unterstellte und so seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnte. Die Sachbearbeiterin des Rechtsamt Brandenburg zeigte daraufhin die Verantwortlichen des Flüchtlingsrats wegen übler Nachrede an. Im März 2012 verurteilte das Amtsgericht Potsdam zwei Mitarbeiter des Flüchtlingsrates wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Potsdam wegen „offensichtlicher Unbegründetheit“ nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht hob mit seinem heute veröffentlichten Beschluss diese Verurteilung auf. Es stellte fest, dass die gerichtlichen Entscheidungen die Mitarbeiter des Flüchtlingsrats in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen. Zur Begründung führte das Verfassungsgericht aus, dass die Gerichte den Schutzgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu Unrecht verkürzt hätten. Gerade das Recht, behördliche Maßnahmen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit. „Ich bin sehr froh über diese klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil damit die Versuche seitens der Vertreter der Stadt Brandenburg und der Potsdamer Gerichte, uns mundtot zu machen, unterbunden worden sind“, so Harald G., einer der Beschwerdeführer. Für den Flüchtlingsrat, der sich u.a. als Lobbyorganisation für die Interessen von Flüchtlingen versteht und sich mit diesem Selbstverständnis gegen diskriminierende und menschenunwürdige Zustände und Praktiken gegenüber Flüchtlingen engagiert, sind die Verleihungen des Denkzettels eine wichtige Möglichkeit, öffentlich auf unhaltbare Zustände aufmerksam zu machen. Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Regina Götz: „Immer wieder sind insbesondere Flüchtlinge mit staatlichem Rassismus konfrontiert, wie auch das aktuelle Beispiel der Äußerungen von Richterin Petzoldt am Amtsgericht Eisenhüttenstadt zeigt. Dass uns das Bundesverfassungsgericht nun in unserer Arbeit stärkt und der Kriminalisierung unserer Tätigkeit entschieden entgegen tritt, ist für die gesellschaftspolitische Arbeit gegen strukturellen Rassismus von erheblicher Bedeutung.“ Für weitere Informationen: Die Entscheidung des BVerfG:
      www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20130724_1bvr044413.html Ivana Domazet, Flüchtlingsrat, Tel.: 0176-31483547
      www.fluechtlingsrat-brandenburg.de

      Rechtsanwältin Franziska Nedelmann, RAV e.V., Tel.: 0179-5415029
      www.rav.de PM_BVerfG hebt Strafurteil gegen Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Brandenburg auf (PDF)]]>
      news-304Fri, 09 Aug 2013 11:43:00 +0200StN zum Entwurf eines Gesetzes zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-entwurf-eines-gesetzes-zum-versammlungsrecht-in-schleswig-holstein-304Stellungnahme vom 9.8.2013A)    Einleitung 1. Vorbemerkung a)
      Bereits im März 2012 hat der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. Stellung genommen zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im schleswig-holsteinischen Landtag zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Versammlungsfreiheit für das Land Schleswig-Holstein (Versammlungsfreiheitsgesetz-VersFG SG (Drucksache 17/1955)). Die nachfolgende Stellungnahme nimmt die dort mitgeteilten Anmerkungen und Ergänzungen auf. b)
      Im Rahmen der Föderalismusreform ging u.a. auch die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Versammlungsrechts vom Bund auf die Länder über. Der bayerische Landtag hat als erstes Bundesland ein eigenes Versammlungsgesetz erlassen. In einem Eilverfahren hat das Bundesverfassungsgericht am 17.02.2009 zu Az.: 1 BvR 2492/08 Teile des neuen bayerischen Versammlungsgesetzes einstweilen außer Kraft gesetzt bzw. eingeschränkt. Das Gesetz sah die Möglichkeit zur anlasslosen Bildaufzeichnung des gesamten Versammlungsgeschehens vor. Die durch den bayerischen Landesgesetzgeber dann vorgenommenen Änderungen im April und Juni 2010 genügen den Beschwerdeführern nicht. Das Verfahren wird in der Hauptsache weiter vor dem Bundesverfassungsgericht betrieben. Das Bundesland Niedersachsen hat unter dem 07.10.2010 ein Versammlungsgesetz erlassen, das mit Änderungen am 01.02.2011 in Kraft trat. Am 31.01.2012 wurde durch die Initiative „Versammlungsfreiheit für Niedersachsen“ Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die dortigen Beschwerdeführer wenden sich insbesondere gegen die verschärften Bedingungen bei der Anmeldung einer Demonstration, die Befugnisse zur „Durchleuchtung“ von Versammlungsleiter_innen, die Regelung zum Einsatz polizeilicher Ton- und Videoaufnahmen sowie die Einführung einer „Bannmeile rund um den niedersächsischen Landtag“ (siehe auch www.versammlungsfreiheit-nds.de/).  
      2.    Allgemeines
      Der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP (Drucksache 18/119) lehnt sich an den sog. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes aus 2011 an. Soweit jedoch Bild- und Tonaufnahmen und Aufzeichnungen ermöglicht werden sollen, orientieren sich diese Regelungen an dem niedersächsischen Landesversammlungsgesetz. Über die dortige Verfassungsbeschwerde ist noch nicht befunden. Der damalige Entwurf der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN eines Gesetzes zum Schutz der Versammlungsfreiheit für das Land Schleswig-Holstein (Drucksache 17/1955; inzwischen zurückgezogen) nahm die einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf und stellte den Schutz der Versammlungsfreiheit, den Art. 8 GG gewährleistet, in den Mittelpunkt. Daher ist an dieser Stelle nochmals auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.05.1985 zu Az.: 1 BvR 233, 341/81 und vom 22.02.2011 zu Az.: 1 BvR 699/06 hinzuweisen. Die Versammlungsfreiheit gehört danach „zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens. Das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit Anderen zu versammeln, gilt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit der selbstbewussten Bürgerinnen und Bürger. Die Versammlungsfreiheit ist der unmittelbarste Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Sie ist für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend. Das in Art. 8 GG geregelte Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht von grundlegender Bedeutung für das demokratisch-freiheitliche Gemeinwesen. Ihm gebührt ein besonderer Rang.“ Art. 8 Abs. 1 GG ist ausgestaltet als Abwehrrecht gegen den Staat. Ungerechtfertigte Eingriffe in das grundrechtliche Schutzgut sind zu unterlassen.

      B. Zu den einzelnen Vorschriften 1. Struktur Die vorliegenden Gesetzesentwürfe nehmen die bestehenden Regelungen des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) auf, folgen dabei aber einer eigenen Struktur und ordnen nach möglichen Verlauf, Vorbereitung und Durchführung, Sicherung und Sicherheit und ggf. Einschränkungen der Versammlung und straf- und bußgeldbewerten Handlungen. 2. (1) Versammlungsfreiheit § 1

      Der Entwurf der FPD Fraktion nimmt in Absatz 1 Satz 1 § 1 Abs. 1 Versammlungsgesetz auf und orientiert sich im Wortlaut an dem Musterentwurf. Die von der Piratenfraktion gewählte Formulierung in § 1 Abs. 1 verdeutlicht durch die Hinzufügung des Hinweises, dass zur Versammlungsfreiheit auch der ungehinderte Zugang zur Versammlung gehört, diesen Umstand. Dieser Änderungsvorschlag sollte aufgegriffen werden, um das Anliegen des Gesetzgebers zu verdeutlichen. Letzteres gilt auch für den Änderungsantrag der SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW, mit dem die Träger der öffentlichen Verwaltung in die Pflicht genommen werden und verdeutlicht wird, dass die Versammlungsfreiheit zu wahren, ein hohes Gut ist.

      (2) Begriff der öffentlichen Versammlung § 2 Der Bundesgesetzgeber hatte sich bislang nicht veranlasst gesehen, den Begriff „Versammlung“ zu definieren. Der Musterentwurf sieht dies vor. § 2 Abs. 2 des Entwurfs der FDP erweitert den Begriff 'Öffentlichkeit', danach sollen geschlossene Versammlungen öffentlich sein, wenn sie auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Wäre dies so, fiele eine solche geschlossene Versammlung bereits unter die Definition des Abs. 1, so dass der zweite Halbsatz in Abs. 2 zu streichen ist. Kein anderer Entwurf sah das Bedürfnis für diese Regelung. Das Bedürfnis wird auch nicht näher von der FPD Fraktion erläutert.

      (3) Öffentliche Räume und Verkehrsflächen § 2 a des Entwurfs der Piratenfraktion und § 17 neu des Entwurfs der SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW, wonach öffentliche Versammlungen auch auf Verkehrsflächen von Grundstücken, die in Privateigentum stehen, ohne Zustimmung des Eigentümers durchgeführt werden dürfen, nehmen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.02.2011 zu Az.: 1 BvR 699/06 auf. Das Gericht untersagte der Fraport AG, die den Flughafen Frankfurt am Main betreibt, auf ihrem Betriebsgelände Versammlungen zu verbieten und insoweit ihr Hausrecht in Anspruch zu nehmen. Wer seine Flächen der Öffentlichkeit öffnet, muss auch dulden, dass dieser Ort als Versammlungsort genutzt wird. Es wird dringend empfohlen, eine entsprechende Vorschrift aufzunehmen.

      (4) Versammlungsleitung § 5 Abs. 1 Der Entwurf der FDP schreibt zwingend eine Versammlungsleitung vor. Mit zutreffenden Erwägungen wird eine Streichung dieser Vorschrift von SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW und Piratenfraktion verlangt. Meinungskundgebung und Teilhabe an öffentlichen Debatten organisiert sich inzwischen auch ohne ausdrückliche Versammlungsleitung. Auf diese neueren Entwicklungen sollte der Gesetzgeber Bezug nehmen.

      (5) Befugnisse der Versammlungsleitung Der Entwurf der FDP verzichtet im Gegensatz zum Versammlungsgesetz des Bundes auf die Regelung, das Ordner_innen volljährig sein müssen. Dies verdeutlicht, dass auch nicht Volljährige ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen können. Dies haben die „Bildungsstreiks“ anschaulich belegt.

      (6) Waffen- und Uniformverbot § 8 § 8 Abs. 2 des Entwurfes enthält – wie bereits das Versammlungsgesetz des Bundes, § 3 VersammlG -  ein Uniformverbot und ein Verbot von Uniformteilen (vgl. bereits zu den erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschrift ausführlich Ott/Wächtler/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, § 3 Rn. 2 m.w.N.). Darüber hinausgehend sieht der Entwurf vor, dass es auch verboten ist, in einer Art und Weise aufzutreten, die dazu geeignet und bestimmt ist, im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln. Diese Regelung ist in ihrer Weite durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie „oder sonst in einer Art und Weise aufzutreten“ oder „im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln“ offensichtlich auch dazu bestimmt, so genannte „Schwarze Blöcke“ zu verhindern. Dieses Ziel widerspricht einerseits Art. 8 GG und wird andererseits ohnehin durch die Unbestimmtheit der Regelung nicht erreicht. Die Regelung ist daher abzulehnen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt eine Form der Kommunikation mit anderen, das Sich-Versammeln. Es schützt die Betätigungen der Versammlungsbeteiligten (Veranstalter, Leiter, Teilnehmer) sowohl für das Zustandebringen und Durchführen einer Versammlung als auch die mit der Versammlung verbundenen Betätigungen, soweit sie im Rahmen der verfassungsunmittelbaren Gewährleistungsschranken der Friedlichkeit und Waffenlosigkeit bleiben. Geschützt sind auch die im Rahmen einer Versammlung erfolgenden Aktivitäten, die unmittelbar Aufmerksamkeit bei Dritten herbeiführen sollen. Die Versammlungsfreiheit gewährleistet also nicht nur das Sich-Versammeln als solches, sondern auch die im Rahmen einer Versammlung möglichen kollektiven Betätigungen und damit die Demonstrationsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst klargestellt, dass die einschüchternde Massenhaftigkeit einer Versammlung allein unproblematisch ist (BVerfGE, 69, 315(353)). Das Versammlungsrecht schließt das Recht auf körperliche Sichtbarmachung der Meinung mit ein (BVerfGE 69, 315, (345), Heckmann, Sachverständigengutachten, Expertenanhörung zum BayVersG, S. 88). Auch bei „militanten“ bzw. den Eindruck der Gewaltbereitschaft vermittelnden Versammlungen im Sinne von § 8 Abs. 2 VersG ist somit der Schutzbereich des Art. 8 I GG eröffnet. Diese Versammlungen sind keineswegs a priori unfriedlich im Sinne von Art. 8 GG (Heckmann, Sachverständigengutachten, Expertenanhörung zum BayVersG, S. 88).  Sofern also eine Versammlung die wesentlichen Merkmale einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG aufweist, mithin auch (noch) friedlich ist, wird in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG durch die Regelung in § 8 Abs. 2 VersG dadurch verfassungswidrig eingegriffen, als der „Eindruck der Gewaltbereitschaft“ offensichtlich „Unfriedlichkeit“ gleichgesetzt wird oder werden soll. Dies ist mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut in Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar, da dieser ausschließlich die Unfriedlichkeit und Versammlung mit Waffen als nicht mit dem Grundrechtsschutz versehen vorsieht. Selbst sofern „Schwarze Blöcke“ oder Gewaltbereitschaft vermittelnde Personen bei einer Versammlung auftreten, aus denen heraus Störungen, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen werden, gilt nach der Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz, dass der Schutz für die friedlichen Versammlungsteilnehmer aufrechtzuerhalten ist (BVerfGE 69, 315 (361)). Anderenfalls könnten Minderheiten Versammlungen umfunktionieren und entgegen dem Willen der anderen Teilnehmer_innen rechtswidrig werden lassen. Die hier offenbar einem vorbeugenden Verbot „Schwarzer Blöcke“ dienenden Regelung muss sich daher an den strengen Voraussetzungen, zu denen die Ausschöpfung aller Mittel gehört, die eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstrant_innen ermöglichen, messen lassen (vgl. BVerfG NJW 2007, 2167, 2170 betr. Sternmarsch Heiligendamm; Wächtler, Sachverständigengutachten, Expertenanhörung zum BayVersG, S. 64). Durch die Regelung in § 8 Abs. 2 VersG sind diese Maßstäbe nicht erfüllt.  Stattdessen wird eine unklare und unbestimmte Rechtslage geschaffen, die es Versammlungsbehörden und der Polizei nach  § 8 Abs. 3 VersG sogar qua Gesetz nach eigener Auslegung ermöglichen soll, den Satzteil „im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln“ zu interpretieren und kraft eigener Zuständigkeit beispielsweise die Farbe und Art der Hosen oder der Oberbekleidung der Versammlungsteilnehmer zu bestimmen. Die Vorschrift verstößt sowohl gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, wie auch gegen den Gesetzesvorbehalt in Art. 8 Abs. 2 GG, da der Gesetzgeber wesentliche Differenzierungsmerkmale zur Auslegung eines zu unbestimmten Gesetzes nahezu vollständig in die Hände der Behörden gibt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 VersG bzw. entsprechende Anordnungen der Behörden einen Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 23 Abs. 7 VersG erfüllen soll und nach § 14 Abs. 2 VersG sogar zum Versammlungsausschluss führen kann (siehe unten), verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar.

      (7) Anwendbarkeit des Polizeirechts § 9 Das Regelungsbedürfnis für die Aufnahme dieser Vorschrift in das Versammlungsgesetz erschließt sich nicht. Das allgemeine Ordnungsrecht des Landesverwaltungsgesetzes Schleswig-Holstein, das Regelungen zur Gefahrenabwehr trifft, gilt auch ohne ausdrückliche Erwähnung, sofern Gefahren abzuwehren wären.

      (8) Anzeige § 10 Mit der Verwendung des Begriffes „Anzeige“ löst sich der Entwurf von der in § 14 Versammlungsgesetz geregelten „Anmeldepflicht“. Damit wird deutlich, dass es sich um die Bekanntgabe eines Ereignisses handelt und nicht um die Verpflichtung, sich bei der zuständigen Behörde eintragen zu lassen. Zur Vermeidung von bürokratischem Aufwand sollten Kleinstversammlungen, sofern keine Verkehrsbehinderungen zu erwarten sind, von der Anzeigepflicht ausgenommen werden.

      (9) behördliche Ablehnungsrechte § 12 Abs. 2 § 12 Abs. 2 VslgG SH-E bestimmt, dass die Veranstalterin oder der Veranstalter einer Versammlung der Behörde auf Aufforderung hin Namen und Adressen der vorgesehenen Ordner_innen mitzuteilen haben, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu besorgen ist, dass von einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Die Norm ist dem Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes entnommen (vgl. dort ME VersG, S. 59). Zur Begründung wird dort - wenngleich ohne nähere Darlegungen - ausgeführt, es sei nicht ausgeschlossen, dass der geplante Einsatz bestimmter Ordnerinnen und Ordner eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könne (ebd.). Die Namhaftmachung soll der Versammlungsbehörde ermöglichen, in diesem Fall deren Zuverlässigkeit zu überprüfen und sie ggf. gem. § 12 Abs. 2 VslG SH.E abzulehnen. Die Regelung ist aus Sicht des RAV nicht nur in praktischer Hinsicht untunlich, sondern auch rechtlich bedenklich. Die vorherige Namhaftmachung führt zu einer Bürokratisierung der Versammlungsanzeige, zwingt sie den Veranstalter bzw. die Veranstalterin, bereits weit im Vorfeld die entsprechenden Personen zu bestimmen und ihre Daten abzufragen. Jedenfalls bei größeren Versammlungen, bei denen auch eine entsprechend große Anzahl von Ordner_innen zum Einsatz kommen soll, wird es dem Veranstalter daher praktisch kaum möglich sein, diese bereits in einem derart frühen Stadium bestimmen zu können. Die bisherige Praxis, Ordner_innen durch den Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin vor Ort aus dem Kreis der Teilnehmenden auszuwählen, hat sich hingegen bewährt und sollte beibehalten werden. Im Übrigen ist die Regelung im Entwurf aber auch in rechtlicher Hinsicht verfehlt. Dem Umstand, dass mit der Namhaftmachung handgreiflich Einschüchterungseffekte einhergehen können, wird nicht hinreichend Rechnung getragen. So ist bereits nicht nachvollziehbar, warum – anders als für beschränkende Verfügungen nach § 13 VslgG SH-E – bereits eine (einfache) Gefahr für den Erlass der Maßnahme ausreichen soll. Durchgreifende Bedenken ergeben sich überdies daraus, dass die Namhaftmachung der Ordner_innen bereits dann verfügt werden kann, wenn nur Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einer Versammlung irgendeine Gefahr ausgeht. Ein spezifischer Gefahrenzusammenhang zwischen der Gefahrenlage und dem Einsatz von vermeintlich unzuverlässigen Ordnerinnen und Ordnern, zieht der ME VersG zwar zur Begründung heran. In der gesetzlichen Regelung hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden hat. Die Regelung ist daher unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich, soweit sich die Verpflichtung zur Namhaftmachung auch auf solche Gefahren bezieht, die sich gerade nicht auf den prognostizierten Einsatz bestimmter unzuverlässiger Ordnerinnen und Ordner gründen. Entsprechend ist in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass nur bei konkreten Zweifeln an der Zuverlässigkeit und Geeignetheit der einzusetzenden Ordner_innen und einer sich daraus ergebenden unmittelbaren Gefahr im Einzelfall und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sein kann, die Personalien der einzusetzenden Ordner_innen in einer Liste zu erfassen, um eine zügige Überprüfung zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.6.2011, Az.: 1 S 2901/10).

      (10) Beschränkungen, Verbot, Auflösung § 13 Die Formulierung in § 13 Abs. 4 ist zu unbestimmt. Die Verwendung der Begriffe „gewichtige Symbolkraft“, „führende Repräsentanten“ oder „erhebliche Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen“ bieten eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten. Der zuständigen Behörde ist damit kein Maßstab an die Hand gegeben worden, nach der sie entscheiden kann. Veranstalter_innen könnten der Willkür der dort jeweils vorherrschenden Meinung ausgesetzt sein. Hier bedarf es einschränkender und konkreterer Formulierungen. Ebenso unbestimmt ist der in Abs. 7 verwendete Begriff „Ersatzversammlung“. Handelt es sich um eine identische Versammlung wie die Aufgelöste, ist sie aufgelöst. Handelt es sich um eine andere Versammlung, unterliegt diese dem Schutz des Versammlungsgesetzes. Für deren Auflösung bestimmt das Versammlungsgesetz die Voraussetzungen.

      (11) Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen § 14 (a)
      § 14 Abs. 1 ermächtigt die Versammlungsbehörde, im Vorfeld einer Versammlung einer Person die Teilnahme oder die Anwesenheit in einer Versammlung zu untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Das Versammlungsgesetz des Bundes enthält bislang keine vergleichbare Regelung. Die Notwendigkeit einer derartigen Eingriffsermächtigung gegen einzelne Teilnehmer_innen ist nicht ersichtlich. Überdies wird die erforderliche Prognoseentscheidung bezogen auf einzelne Personen zwangsläufig von einer noch größeren Unsicherheit geprägt sein als dies bereits für Prognoseentscheidungen bezogen auf die Versammlung als solche der Fall ist. Es steht daher zu befürchten, dass die Regelung dazu führen wird, Personen ohne hinreichende Grundlage das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschneiden. (b)
      § 14 Abs.2 regelt neben dem bereits nach bisherigen Recht möglichem Ausschluss von Teilnehmer_innen, deren Verhalten in der Versammlung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet (sog. Minus-Maßnahme nach § 15 Abs. 2 VersammlG Bund) die  Ausschlussmöglichkeit bei Verstößen gegen Anordnungen zu Uniformierung, Vermummung und Schutzbewaffnung. Die Vorschriften der §§ 8 und 17 des Gesetzentwurfs enthalten Ermächtigungen für die Polizei, anzuordnen, welche Bekleidungsstücke oder Gegenstände zu Demonstrationen nicht mitgebracht werden dürfen. Die Regelungen sind aus der Sicht des RAV abzulehnen (siehe zu § 8 oben, zu § 17 nachfolgend) Die Vorschriften §§ 14 Abs. 2 und 23 Abs. 1 Nr. 7 verschärfen diese Verbote, indem sie Verstöße dagegen mit zwei Sanktionsmöglichkeiten versehen. Nach § 14 Abs. 2 können Personen, die etwas mit sich führen, was die Polizei mit einer entsprechenden Anordnung verboten hat, von einer Demonstration ausgeschlossen werden, nach § 23 Abs. 1 Nr. 7 mit einer Geldbuße belegt werden. Der mögliche Ausschluss bedeutet einen schwer wiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Das Verbot des Mitführens von in einer polizeilichen Anordnung genannten Vermummungs- oder Schutzbewaffnungs-Gegenständen gilt bereits auf dem Hinweg zu einer Demonstration. Demonstrationsteilnehmer_innen werden aber typischerweise über derartige Anordnungen, die ihnen gegenüber nicht bekannt gegeben werden müssen, auch  nicht im Vorhinein informiert sein und deshalb unter Umständen in Unkenntnis der jeweiligen Verbote entsprechende Gegenstände oder Kleidungsstücke bei sich führen. Wenn dies dann bei Vorkontrollen oder während der Demonstration festgestellt wird, können sie nach dem Entwurf von der Versammlung von Vornherein ausgeschlossen werden. Dieser Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist elementar, weil er die Grundrechtsausübung vollständig unmöglich macht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen inkriminierte Gegenstände auch nicht einfach abgestellt oder abgelegt werden können (wie Glasflaschen am Eingang von Fußball- oder Musik-Großveranstaltungen). Da es sich bei den Gegenständen, die von Verboten erfasst werden, vorrangig um Kleidungsstücke handelt, werden Versammlungsteilnehmer_innen sie nicht einfach vor Ort wechseln können. Die Gewerkschafterin, die direkt von der Arbeit wie die anderen Teilnehmer_innen der Gewerkschaftsdemo im „Blaumann“ erscheint, wird den ebenso wenig in Straßenkleidung umtauschen können, wie der Punker seine schwarze  Lederjacke. Den Eingriff in die Versammlungsfreiheit verschärft noch, dass ein Ausschluss von der Demonstration erst im Nachhinein justiziabel ist. Wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Anordnung oder die Auslegung der Anordnung durch die Polizeibeamt_innen vor Ort rechtswidrig war, kann die Teilnahme an der Demonstration nicht mehr nachgeholt werden. Gleichzeitig droht Versammlungsteilnehmer_innen daneben zusätzlich die gesetzlich vorgesehene Sanktionierung mit einer Geldbuße. Dadurch ist eine noch stärkere Belastung der Strafgerichte mit Bagatellfällen zu befürchten. Die Erfahrungen mit der bisherigen Regelung der Strafbarkeit von Vermummung und Schutzbewaffnung zeigen, dass regelmäßig Personen mit witterungsangemessener Winterkleidung oder zum Beispiel Studierende, die spontan an einer Demonstration teilnehmen wollen, ohne vorher bedacht zu haben, dass sie noch ihre Laborbrille bei sich habe, mit den entsprechenden Verfahren überzogen werden, die dann in einer Hauptverhandlung, deren Sinn auch die Strafrichterin oder der Strafrichter nicht erkennt, eingestellt werden. Es ist zu befürchten, dass Bürger_innen durch die doppelte Sanktionierung mit Ausschluss und Geldbuße davon abgeschreckt werden, an Demonstrationen teilzunehmen. Wer befürchten muss, wegen mitgeführter Gegenstände, deren Einstufung als verboten erst vor Ort bekannt wird, an der Demonstration nicht teilnehmen zu dürfen  und anschließend noch bestraft zu werden, wird in vielen Fällen auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.

      (12) Kontrollstellen § 15 Der Entwurf der FDP ermöglicht es, anlasslos Kontrollstellen zu errichten. Anlasslose Kontrollstellen sind geeignet, Bürger_innen von der Teilnahme an Versammlungen abzuschrecken und schränken das Recht auf Versammlungsfreiheit ein. Auch der Zugang zur Versammlung muss ungehindert erfolgen. Insoweit kann verwiesen werden auf die Anmerkungen der SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW zu 2.15.

      (13) Bild- und Tonübertragung und –aufzeichnungen und Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton §§ 16, 21 Die Regelungen zur Anfertigung von Bild- und Tonübertragungen sowie von Aufnahmen und Aufzeichnungen begegnen aus Sicht des RAV durchgreifenden Bedenken, denn sie tragen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die damit einhergehenden Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung. § 16 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 des Entwurfs regeln zunächst allgemein die Befugnis der Polizei, personenbezogene Daten von Versammlungsteilnehmerf_innen zu erheben und zu verarbeiten, um eine von diesen verursachte unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit (bzw. für die Friedlichkeit der Versammlung) abzuwehren. Satz 2 stellt klar, dass die Polizei in diesem Zusammenhang auch Bild- und Tonaufzeichnungen offen anfertigen darf. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen sind. Da dies regelmäßig der Fall sein dürfte, läuft die Regelung im Ergebnis darauf hinaus, dass eine Vielzahl von (unvermeidbar betroffenen) friedlichen Demonstrant_innen eines Aufzugs videografiert und damit als Nicht-Störer in Anspruch genommen werden können, wenn sich eine einzige Person als Störer im Demonstrationszug befindet. Die Regelung greift daher in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung ein, weil jede/jeder Versammlungsteilnehmer_in in einer solchen Situation damit rechnen muss, dass sowohl seine Teilnahme als solche, wie auch seine optischen oder akustischen Beiträge übertragen, festgehalten und ausgewertet werden. Ob der Polizei tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass von einer teilnehmenden Person erhebliche Gefahren ausgehen, lässt sich für die nicht störenden Versammlungsteilnehmer_innen in der Regel nicht beurteilen. Tangiert ist aber auch das Recht des Veranstalters, da von einer Bildübertragung und -aufzeichnung handgreiflich abschreckende Wirkungen auf potentielle Teilnehmer_innen ausgehen. Geboten wäre insoweit zumindest, vor einer derartigen Maßnahme den/die Veranstalter_in und die Teilnehmer_innen zu informieren und Gelegenheit zu geben, die vermeintliche Gefahrenlage abzuwenden. Erst wenn die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist, kann eine Inanspruchnahme der Nichtstörer_innen überhaupt in Betracht kommen (s.u.). Kritikwürdig sind darüber hinaus auch die in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Anfertigung von sog. Übersichtsübertragungen und –aufzeichnungen. Sie tragen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte nicht hinreichend Rechnung. Übersichtsaufnahmen stellen nach inzwischen wohl allgemeiner Auffassung einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, insbesondere auch weil sie eine Identifizierung von Versammlungsteilnehmern ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufzeichnungen - jedenfalls nach dem heutigen Stand der Technik - nicht besteht (BVerfG, Beschl. Vom 17.2.2009, Az.: 1 BvR 2492/08, Rn. 130). Die Bezeichnung „Übersichtsaufnahme“ verharmlost daher aus grundrechtlicher Sicht die Eingriffsintensität, denn diese ist – jedenfalls solange keine besonderen technischen Vorkehrungen getroffen werden können - keineswegs anders zu bewerten als andere optische oder akustische Überwachungsmaßnahmen. In Folge dessen lassen sich auch keine geringeren Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen derartiger Eingriffe rechtfertigen. Demgegenüber ermächtigt der Entwurf für „unübersichtliche Versammlungen und ihr Umfeld“ zur offenen Beobachtung, wenn dies zur Abwehr einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist und verzichtet hier auf das Vorliegen einer qualifizierten „erheblichen“ Gefahr. Ein individuelles Beobachten einzelner Versammlungsteilnehmer_innen, etwa durch das Heranzoomen, ist damit keineswegs ausgeschlossen. Auch hier gilt, wie schon für die personenbezogenen Maßnahmen nach Abs. 1, dass weder für den/die Veranstalter_in, noch für einzelne Versammlungsteilnehmer_innen in der Regel erkennbar ist, ob die Polizei sich auf das überblicksartige Beobachten beschränkt, einzelne Teilnehmer_innen beobachtet oder - freilich unter Rückgriff auf die entsprechende weitere Ermächtigungsgrundlage - bereits zur Aufzeichnung übergegangen ist. Der Entwurf der Fraktionen SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten der SSW hat einige diese Bedenken aufgenommen. Der Änderungsentwurf sieht vor, dass die Polizei Übersichtsaufnahmen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und ihres Umfeldes zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes anfertigen darf, wenn dies wegen der Größe und Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich ist (§ 15 Abs. 2). Weiter sieht der Entwurf vor, dass Aufnahmen offen vorzunehmen sind. Dies sei dadurch sicherzustellen, dass die Versammlungsleitung unverzüglich über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Kenntnis gesetzt wird (§ 15 Abs. 3) Problematisch an diesem Ansatz ist zunächst die verwendete Terminologie, soweit nicht hinreichend deutlich wird, ob mit „Übersichtsaufnahmen“ hier nur Beobachtungen im Sinne von Datenerhebungen gemeint sind, oder auch Aufzeichnungen im Sinne von Datenspeicherungen. Weiterhin ermächtigt der Entwurf bereits zu Übersichtsaufnahmen, ohne an eine Gefahrenlage anzuknüpfen. Vielmehr soll es ausreichen, dass sie für die genannten polizeilichen Zwecke „erforderlich“ sind. Ein Verzicht auf jegliche tatbestandliche Begrenzung ist angesichts des erheblichen Eingriffs in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht akzeptabel. Hinzu kommt, dass auch die weiteren Tatbestandsmerkmale (Größe der Versammlung oder Unübersichtlichkeit) ein hohes Maß an Unbestimmtheit aufweisen. Soweit der Änderungsantrag eine polizeiliche Informationspflicht über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen statuiert, ist dies zwar grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings werden damit die aufgezeigten Bedenken nur teilweise ausgeräumt. Dies gilt zunächst, soweit sich die Vorschrift dem Wortlaut nach nur auf „Übersichtsaufnahmen“ beziehen soll, nicht aber für Bild- und Tonaufnahmen nach Abs. 1. Darüber hinaus müssten nicht nur die Versammlungsleitung, sondern auch die Teilnehmer_innen in Kenntnis gesetzt werden, denn es ist nicht originäre Aufgabe der Versammlungsleitung, hoheitliche Maßnahmen der Polizei bekannt zu geben. Der Versammlungsleitung ist allerdings im Rahmen der Kooperation die Möglichkeit einzuräumen, eigene Maßnahmen zu ergreifen, durch die Bild- und Tonaufnahmen abgewendet werden können. Schließlich wäre sicherzustellen, dass auch jeder Wechsel polizeilicher Maßnahmen von der Beobachtung zur Aufzeichnung und von Übersichtsaufnahmen zu individuelleren Aufnahmen dem Veranstalter sowie den betroffenen Teilnehmer_innen umgehend mitgeteilt wird.

      (14) Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot §17 § 17 des Entwurfes normiert in Anlehnung an den Musterentwurf ein sog. Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot. Bereits in Bezug auf das inhaltlich vergleichbare Schutzwaffen- und Vermummungsverbot in § 17a VersammG Bund ist ausdrücklich auf die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift hingewiesen worden (vgl. hierzu ausführlich Ott/Wächtler/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, § 17a Rn. 1Ff; differenziert dagegen Dietel/Ginzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, § 17a Rn. 4). Der aufgezeigte Makel der Unbestimmtheit und Unverhältnismäßigkeit gilt entsprechend auch für die im Entwurf vorgesehene Regelung. Dies gilt nicht nur für das – handgreiflich unbestimmte – Verbot von Gegenständen, die als „Schutzausrüstung geeignet“ und „den Umständen nach“ darauf bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren, sondern insbesondere auch für das Maskierungs- und Vermummungsverbot. Insofern erkennt auch die Begründung des Musterentwurfs ausdrücklich an, dass es legitime Gründe dafür geben kann, aus Furcht vor Sanktionen des Arbeitgebers oder vor staatlicher Erfassung der durch die Teilnahme an einer Versammlung ausgedrückten Haltung, anonym bleiben zu wollen (Arbeitskreis Versammlungsrecht, ME VersG, S. 78). Darüber hinaus dienen Maskierungen bei einer Vielzahl aber auch nicht einmal diesem Zweck, sondern verkörpern bestimmte, versammlungsimmanente Inhalte, etwa durch das Tragen von Masken aus Pappmaché, durch Papiermasken (wie etwa die in Zusammenhang mit der Gruppe Anonymous bekannt gewordene Guy-Fawkes-Masken) oder geschlossene Ganzkörperanzüge aus Papier (etwa bei Anti-AKW-Demonstrationen). Versammlungsteilnehmer_innen werden gleichwohl  konkret befürchten müssen, von gefahrenabwehrrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen betroffen zu werden. Die aus „den Umständen“ durch die Polizei abgeleitete Zielrichtung ist nicht geeignet, einer extensiven Anwendung des Maskierungs- und Vermummungsverbots entgegenzuwirken. Das legitime und auch grundrechtlich geschützte Interesse vieler Versammlungsteilnehmer_innen an Anonymität oder Maskerade droht daher letztlich leer zu laufen.

      (15) Beschränkung, Verbot, Auflösung (bei Versammlungen in geschlossenen Räumen) § 19 Die von SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN/SSW vorgeschlagene Formulierung ist wiederum klarer und strukturierter als die im Entwurf der FDP. In Absatz 5 dort gilt zur Verwendung des Begriffs „Ersatzversammlung“ das unter Ziffer 10 angeführte.

      (16) Straftaten und Ordnungswidrigkeiten § 22, 23 a. § 23 Abs. 1 Nr. 4 VersG Schleswig-Holstein - Sanktionierung von Blockaden - Mit der neuen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 VersG Schleswig-Holstein soll in Zukunft die Teilnahme an Blockaden und anderen Aktivitäten, die andere Versammlungen stören, mit einer Geldbuße zu ahnden sein. Es ist eindeutig festzustellen, dass diese Vorschrift vor dem Hintergrund entwickelt wurde, dass in den letzten Jahren Blockaden als Mittel der Meinungsäußerung gegen Nazi-Veranstaltungen äußerst erfolgreich praktiziert wurden. So wurden zum Beispiel in Dresden in den vergangenen Jahren die vorher fest etablierte große Nazi-Demonstration durch mehrere tausend Gegendemonstrant_innen verhindert. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Art des Vorgehens gegen rechte Versammlungen deutlich weniger Gefährdung bedeutete, sowohl für einzelne Gegendemonstrant_innen als auch für sonstige Personen, die Gruppen von Nazis im Umfeld von solchen Versammlungen regelmäßig angriffen. Der vorliegende Gesetzentwurf richtet sich gegen diese Form des zivilen Ungehorsams, der in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert ist und in der Vergangenheit nicht zuletzt auch von vielen Parteien einschließlich der SPD und der Grünen aktiv mitgetragen und mitgestaltet wurde. Er zielt darauf ab, das sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen entwickelte zivilgesellschaftliche Engagement zu sanktionieren. Dies obwohl auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1995 grundsätzlich das Mittel der (Sitz-)Blockade als Mittel der politischen Meinungs- und Demonstrationsfreiheit anerkannt hat, sofern der Ort, an dem die Blockade stattfindet, symbolisch für das politische Ziel steht. Das ist bei Zufahrtswegen und Strecken von Nazi-Versammlungen selbstverständlich der Fall. Wer äußern möchte, dass den Nazis die Straße eben gerade nicht gehört und thematisieren will, dass sie ihre Propaganda und ihre Drohungen nicht dort verbreiten sollen, wo zum Beispiel von ihnen gefährdete Personen wohnen oder gefährdete Einrichtungen residieren, wird genau dort stehen bzw. sitzen und demonstrieren. Eine Sanktionierung ist zudem nicht das richtige Mittel, um dem Konflikt zwischen Demonstrationen mit gegensätzlichen Zielrichtungen beizukommen. Hier muss in jedem konkreten Fall von Demonstrationen, die bürgerschaftlichen Widerspruch hervorrufen, auf andere Mittel in der kommunalen Entscheidungsebene oder in der polizeilichen Praxis gesetzt werden. Die Vorschrift des Gesetzentwurfs nivelliert die Unterschiede zwischen friedlichem Protest und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Personen mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Es steht daher zu befürchten, dass das polizeiliche Vorgehen gegen den friedlichen Protestierenden härter und repressiver wird. Dann ist damit zu rechnen, dass insgesamt die Gefahr der gewalttätigen Auseinandersetzungen steigt. Denn dass mit dem geplanten Gesetz auch denjenigen, die Gewaltfreiheit propagieren, eine Bestrafung angedroht wird, wenn sie auf der Straße sitzen, kann dazu führen, dass die gesetzlichen Grenzen an Akzeptanz verlieren und vermehrt Konflikte mit der staatlichen Gewalt auftreten. Die geplante Vorschrift ist daher – entgegen ihrer offensichtlichen Zielrichtung – auch nicht geeignet, den Umgang mit Protest gegen Nazi-Demonstrationen zu erleichtern. b. § 23 Abs. 1 Nr. 7 – Sanktionierung des Verstoßes gegen §§ 8 Abs. 2 oder § 17 Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm ist auch eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit abzulehnen. c. § 23 Abs. 2 – Höhe der Geldbuße Die höchstmögliche Höhe der angedrohten Geldbußen ist zu differenzieren und herabzusetzen. Insoweit ist der Änderungsentwurf der SPD, Grünen und des SSW vorzugswürdig.

      3. Begrüßenswert ist weiterhin der Vorstoß, das Gesetz „Versammlungsfreiheitsgesetz“ zu nennen, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass der Landesgesetzgeber das in Art. 8 GG verbürgte Recht auf Versammlungsfreiheit schützen will und Grundrechtsverletzungen im Rahmen von Versammlungen nicht zulassen wird. Berlin, 7.8.2013   Stellungnahme des RAV zum Entwurf eines Versammlungsgesetzes in SH (PDF)]]>
      news-296Fri, 05 Jul 2013 11:10:00 +0200Justiz darf nicht kritisiert werden?!<br />Landgericht FFO schützt Entgleisungen am Amtsgericht Eisenhüttenstadt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/justiz-darf-nicht-kritisiert-werden-br-landgericht-ffo-schuetzt-entgleisungen-am-amtsgericht-eisenhuettenstadt-296Pressemitteilung von VDJ, RAV, AG Ausländer- und Asylrecht im DAV, 5.7.2013Justiz darf nicht kritisiert werden?! (PDF) Weitere Informationen:
      Rechtsanwalt Volker Gerloff, http://www.aufenthaltundsoziales.de/
      Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, http://www.lsf-kanzlei.de/anw_03.html
      VDJ, http://www.vdj.de/index.php?adresse
      RAV,  http://www.rav.de/impressum/?PHPSESSID=0360ef68010a49c33c13bdafc0d3b1f9
      AG Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein, RA Rolf Stahmann, http://stahmann-anwalt.de/]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-295Wed, 26 Jun 2013 06:26:00 +0200Rechtsanwält_innen fordern: Sofortiges Ende der staatlichen Willkür und Gewalt in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsanwaelt-innen-fordern-sofortiges-ende-der-staatlichen-willkuer-und-gewalt-in-der-tuerkei-295Pressemitteilung, 26.6.13Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Greifswalder Str. 4 | 10401 Berlin | www.rav.deVereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
      Münchener Str. 16 | 10779 Berlin | www.strafverteidiger-berlin.de Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)
      St- Anton-Str. 116 | 47798 Krefeld | www.vdj.dePM: Rechtsanwält_innen fordern: Sofortiges Ende der staatlichen Willkür und Gewalt in der Türkei (PDF)]]>
      news-294Tue, 25 Jun 2013 11:56:00 +0200Protestkundgebung vor der türkischen Botschaft am 26.6.2013, 14:00 Uhr/publikationen/mitteilungen/mitteilung/protestkundgebung-vor-der-tuerkischen-botschaft-am-26-6-2013-14-00-uhr-294AufrufTeilnahme in Robe an der Protestkundgebung am Mittwoch, 26.06.2013
      um 14 Uhr
      vor der Türkischen Botschaft, Tiergartenstraße 19-21, 10785 Berlin
      Seit einigen Wochen ist in der Türkei eine verschärfte, von staatlicher Seite praktizierte, brutale Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte - insbesondere auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit - zu beobachten. Sie überschreitet alle rechtsstaatlichen Grenzen und verletzt auf grobe Weise türkisches Recht wie auch internationale Verträge, welche von der Türkei ratifiziert wurden. In zunehmendem Maße richtet sich die staatliche Willkür in der Türkei auch gegen Rechtsanwält_innen. Dabei werden insbesondere jene Anwält_innen kriminalisiert, die in politischen Strafverfahren verteidigen. Sie werden aufgrund eines pauschalen Terrorismusvorwurfs angeklagt und teilweise auch inhaftiert. Bei der angemeldeten Kundgebung wird eine Pressemitteilung verlesen, die Veröffentlichung ist zeitgleich geplant. Wir hoffen auf zahlreiches Erscheinen. Commission defense de la defense, Brief Erdogan PDF]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-293Fri, 21 Jun 2013 12:05:00 +0200Türkische Anwaltschaft fordert:<br />Wendet das Gesetz an!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tuerkische-anwaltschaft-fordert-br-wendet-das-gesetz-an-293Pressemitteilung, 21.6.2013Deutscher Anwaltverein (DAV)
      International Criminal Defense Lawyers Germany (ICDL)
      Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. Türkische Anwaltschaft fordert: Wendet das Gesetz an! PM (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-292Fri, 14 Jun 2013 09:51:00 +0200Der NSU-Skandal – Staatliche Rolle und Prozess<br />Nazi-Terror unter staatlicher Begleitung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-nsu-skandal-staatliche-rolle-und-prozess-br-nazi-terror-unter-staatlicher-begleitung-292Informations- und Diskussionsveranstaltung, 5.7.13 in DüsseldorfReferenten
      Wolf Wetzel (Journalist, Autor), Frankfurt/M.
      Profunder Kenner der Materie, der sich mit seinem gerade herausgegebenen Buch „Der NSU-VS-Komplex - Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund - wo hört der Staat auf“ (Unrast Verlag, April 2013) große Anerkennung erworben hat. Peer Stolle (Rechtsanwalt, Nebenklägervertreter), Berlin
      Erfahrener Strafverteidiger und einer der 62 Nebenklägervertreter_innen aus der bekannten linken Berliner Kanzlei Hummel-Kaleck-Rechtsanwälte Termin
      Freitag, 5. Juli 2013, 19h00 – 21h00 (Einlass 18h45) Ort
      Zakk, Studio, Fichtenstr. 40, 40233 Düsseldorf Eintritt frei Veranstalter:
      Veranstaltungsflyer (PDF)
      ]]>
      news-291Wed, 12 Jun 2013 10:40:00 +0200Zweckentfremdungsverbotsgesetz<br />Lösung der Wohnungsnot?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zweckentfremdungsverbotsgesetz-br-loesung-der-wohnungsnot-291PressemitteilungVeranstaltung am 19.6.2013 ab 19:00 h „Zweckentfremdungsverbotsgesetz - Lösung der Wohnungsnot?“
      in der Aula des GLS-Sprachenzentrums, Kastanienallee 82, 10435 Berlin Dazu lädt ein:
      Arbeitskreis Mieteranwältinnen und -anwälte
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) Kontakt:
      Rechtsanwalt Henrik Solf, Marienburger Straße 3, 10405 Berlin
      Tel. 030-442 9386 | Rechtsanwalt Dietrich Steinhoff, Torfstr. 25, 13353 Berlin
      Tel. 030-22321883 | ra.steinhof@web.deHintergrundinformationen (PDF)
      Flyer_Einladung zur Veranstaltung am 19.6.2013 (PDF)
      Pressemitteilung (PDF)  ]]>
      Mietrecht (doublet)
      news-290Fri, 31 May 2013 14:41:00 +0200StN_Gesetzentwurf der Landesregierung in Thüringen zur Schaffung und Änderung der für Thüringen geltenden Vollzugsgesetze /publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-gesetzentwurf-der-landesregierung-in-thueringen-zur-schaffung-und-aenderung-der-fuer-thueringen-geltenden-vollzugsgesetze-290Stellungnahme vom 13.5.2013Verfasser/in: Rechtsanwälte Diana Blum & Dr. Jan Oelbermann Vorbemerkung Vor dem Hintergrund das der Thüringer Gesetzgeber im Mai 2013 im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ein Anhörungsverfahren zu einem Gesetz durchführt,  welches am 1. Juni 2013 in Kraft treten soll, bestehen Zweifel  an der Möglichkeit einer ernsthaften  Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Angehörten. Da Änderungen wohl auch von der Regierungsmehrheit rein praktisch schon nicht mehr durchgesetzt werden könnten – wenn man am Termin zum Inkrafttreten festhalten will – stellt sich die Frage, ob diese Anhörung mehr als ein „Feigenblatt“ ist.  Dem Gesetzgeber ist seit dem 04. Mai 2011  bekannt, dass er zum 01.06.13 ein neues Gesetz für den Vollzug der Sicherungsverwahrung schaffen muss. Wenn er dann erst  am 13.03.13 den Entwurf vorlegt zeigt es zum einen den geringen Stellenwert, der dem Gesetz beigemessen wird und zum anderen, dass kein wahres Interesse daran bestehen kann, sich mit den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts sowie der kritischen Fachöffentlichkeit auseinanderzusetzen. Es wird grundsätzlich die frühzeitige Einbeziehung der Fachöffentlichkeit in Gesetzgebungsverfahren angeregt.  Aus unserer Sicht besteht durchaus Änderungsbedarf  des Gesetzes, worauf nun im Einzelnen konkret eingegangen werden soll: Den Folgen der Rechtsprechung des BVerfG scheint sich der Gesetzgeber nicht hinreichend bewußt. Unter Beachtung des ultima-ratio-Prinzips und des Abstandsgebots gehören etwa Disziplinarmaßnahmen nicht in ein Verwahrungsvollzugsgesetz und ist die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfes , die den Anspruch der Untergebrachten auf einen Aufenthalt im Freien „von mindestens einer Stunde täglich“ erhält, nicht haltbar. Dies  wäre nicht mehr als die Regelung in § 64 StVollzG. Das Gesetz aus dem Bundesland Berlin enthält z.B. in § 11 Abs. 3 eine Regelung dahingehend, dass die Sicherungsverwahrten einen eigenen Außenbereich erhalten, in dem sie sich außerhalb der Nachtruhe grundsätzlich frei bewegen dürfen. Daran gilt es sich zu orientieren, da der Vollzug der Sicherungsverwahrung den Bedingungen in Freiheit und nicht den Bedingungen im Strafvollzug anzupassen sind.  Die Stellungnahme hat ihren Fokus auf den Entwurf zum ThürSVVollzG. Was den vorangehenden Vollzug der Jugendstrafe (nur? oder auch der Vollzug der Freiheitsstrafe?) betrifft soll darauf hingewiesen werden, dass das primäre Ziel der vorangehenden Strafe sein muss, den Antritt der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen („ultima-ratio Prinzip“). Die Formulierung in § 2 ThürErgVollzG macht dies nicht hinreichend deutlich. Die Vorschriften des Gesetzesentwurfs, die der Justizbehörde ein Ermessen eröffnen, ob sie eine Behandlungsmaßnahme gewährt oder nicht, enthalten  zu oft das Wort „können“ und zu selten das Wort „sollen“. Sollte dies aus der Befürchtung heraus geschehen sein, dass die Vollzugsanstalten zu viele vollzugslockernde Maßnahmen gewähren und sich im Zweifel für eine solche Maßnahme entscheiden, ist diese unbegründet. Erfahrungsgemäß entscheidet sich die Vollzugsbehörde im Zweifel nicht für vollzugsöffnende Maßnahmen, sondern für  deren Ablehnung. Der  grundsätzlich schwierige und selten von Erfolg gekrönte Rechtsweg  in (Straf-) Vollzugsangelegenheiten sollte durch die vermehrte Verwendung von ermessensintendierenden Vorschriften zugunsten der Gefangenen verbessert werden. Gefahren für die Allgemeinheit wären dabei nicht zu erwarten. Diese Chance lässt der Gesetzesentwurf aus. Zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der Verbesserung des Rechtsschutzes im Strafvollzug wäre es zudem zu begrüßen , wenn der Gesetzentwurf bei besonders intensiven Eingriffen das Erfordernis eines schriftlichen Bescheids, der mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist, vorsehen würde. Ein solcher Bescheid könnte in den Fällen, in denen eine sofortige Anordnung erforderlich ist, auch innerhalb einer angemessenen Frist von maximal 48 h nachgereicht werden. Der Gesetzentwurf soll die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 04.05.2011(1) umsetzen. Insofern füllt er auf landesrechtlicher Ebene das aus, was die bundesrechtliche Neuregelung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als Konzept in allen wesentlichen Bereichen wirksam determinieren soll.(2) Die dabei notwendige grundsätzliche Kritik an der Sicherungsverwahrung als Maßregel überhaupt, die Frage der rechtspolitischen Notwendigkeit dieses Instruments, von Alternativkonzepten oder zumindest die Frage der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf schwerste Gewalt- oder Sexualdelikte (nicht etwa auch auf Betäubungsmittelkriminalität oder gewaltanwendungsfreie Raubdelikte) ist aufrecht zu erhalten. Eine Gruppe von Gefangenen auszuwählen, diese anhand von unsicheren sowie belegt übertrieben negativen Prognosen(3) für gefährlicher einzustufen als den Rest, und deswegen unbefristet wegzusperren, hat eine populäre Alibi-Funktion gegenüber der Bevölkerung, ist jedoch kriminalpolitisch im Hinblick auf die Rückfallvermeidung eher kontraproduktiv. Bei gleichzeitiger Abschaffung der Sicherungsverwahrung und Ausbau der Behandlungs-, Resozialisierungs- und Nachsorgeangebote für alle Gefangenen wäre eine wesentlich effektivere Rückfallvermeidung zu erreichen als durch das oft populistisch genutzte Instrument der Sicherungsverwahrung. Insofern soll auf die umfangreiche Stellungnahme von Herrn RA Scharmer für die deutschen Strafverteidigervereinigungen (Organisationsbüro) und den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.) zum Referentenentwurf zur Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung hingewiesen werden.(4)  Umsetzung des Abstandsgebots im Vollzug  „Die Landesgesetzgeber (…) haben im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit das Abstandsgebot sichernde, effektive Regelungen für den Vollzug der Maßregel zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten. Dabei ist vor allem sicherzustellen, dass die genannten Anforderungen nicht durch Gewährung zu weiter Spielräume in der Praxis umgangen werden können und damit das Abstandsgebot faktisch leerläuft. Ohne Wahrung des Abstandsgebots ist das Institut der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten nicht vereinbar.“(5) Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit zumindest sieben Vorgaben zur Umsetzung dieses Abstandsgebotes formuliert: 1. „ultima-ratio-Prinzip“: Kommt die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in Betracht müssen alle Behandlungsmöglichkeiten bereits während des vorangehenden Strafvollzuges mit gebotener hoher Intensität ausgeschöpft werden. 2. Individualisierungs- und Intensivierungsgebot: Es muss eine auch zeitlich realistische Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit konkret dargestellt werden. Individuelle Therapiekonzepte sind zu entwickeln. 3. Motivierungsgebot: Es ist eine realistische Entlassungsperspektive zu eröffnen und der Betroffene zu motivieren, an der dafür notwendigen Behandlung mitzuwirken. 4. Trennungsgebot: Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensbedingungen anzupassen, soweit dem Sicherheitsbelange nicht konkret entgegenstehen. 5. Minimierungsgebot: Die Konzeption der Sicherungsverwahrung (und des vorangehenden Vollzuges der Freiheitsstrafe) muss Vollzugslockerungen vorsehen, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. Abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr reichen zur Versagung nicht aus. Bei fehlender Lockerungseignung müssen begleitete Ausgänge gewährt werden, wenn die Gefahr trotz Beaufsichtigung nicht „schlechthin unverantwortbar“ ist. 6. Rechtsschutz und Unterstützungsgebot: Notwendig ist ein „effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch“ auf Behandlung. 7. Kontrollgebot: Überprüfung der Fortdauer mindestens jährlich von Amts wegen. Bei § 7 Abs. 2 JGG halbjährlich. Regelmäßige aussagekräftige Sachstandsberichte der Vollzugsbehörde sind erforderlich. Legt man allein diese sieben Kriterien für eine effektive Umsetzung des Abstandsgebots zu Grunde, so stellt sich die Frage, was dann den Abstand des Strafvollzuges zur Vollstreckung der Sicherungsverwahrung ausmachen soll, außer vielleicht einer bestehenden rechtswidrigen Vollzugspraxis für Strafgefangene, die nun für Sicherungsverwahrte und von Sicherungsverwahrung bedrohte Gefangene wieder in ursprünglich bereits vom StVollzG vorgesehene verfassungsgemäße Bahn gelenkt werden soll. Denn alle das Abstandsgebot kennzeichnenden Kriterien des Bundesverfassungsgerichts finden sich bereits in den bestehenden Regelungen des Strafvollzugs nebst ständiger Rechtsprechung dazu: 1. „ultima-ratio-Prinzip“ und Resozialisierungsanspruch, § 2 S. 1 StVollzG: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“(6) 2. Individualisierungs- und Intensivierungsgebot: § 3 Abs. 3 StVollzG „Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“ 3. Motivierungsgebot: § 4 Abs. 1 StVollzG „Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.“ 4. Trennungsgebot: § 3 Abs. 1, 2 StVollzG „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.“ 5. Minimierungsgebot: § 11 StVollzG sieht die Gewährung von Vollzugslockerungen im Ermessen der Anstalt vor, wenn keine Flucht- und Missbrauchsgefahren vorliegen. Diese müssen bereits nach der aktuellen Regelung konkret bestehen. Der abstrakte Hinweis auf Gefahren genügt eben sowenig, wie eine generelle Gefahrenvermutung als „non liquet“ zu Lasten der Gefangenen, um Lockerungen zu versagen. Individuell gilt in einem Stufenmodell konkret zu prüfen, für welche Art von Lockerungen (Ausgang, Ausführungen, etc.), welche konkreten Gefahren bestehen.(7) 6. Rechtsschutz und Unterstützungsgebot: Die §§ 109 ff. StVollzG sollen nach ihrem Zweck bei verfassungskonformer Anwendung einen effektiven Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Strafvollzuges binnen kurzer Fristen gewährleisten.(8) 7. Kontrollgebot: §§ 67d, e StGB sehen regelmäßige Überprüfungen der Unterbringung vor. Dabei stellen die Fristen in § 67e StGB Maximalwerte. Ein Überprüfungsverfahren kann jederzeit eingeleitet werden, wobei mit der Dauer der Vollstreckung die Kontrolldichte von Verfassungs wegen zu erhöhen ist.(9) Festzustellen ist demnach, dass die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für ein Abstandsgebot im Grunde bereits durch die bestehenden Regelungen für das Resozialisierungsgebot im Strafvollzug abgebildet werden, mit dem einzig wesentlichen Unterschied, dass Sicherungsverwahrte - und davon bedrohte Gefangene - nun effektivere Möglichkeiten bekommen sollen, diese Resozialisierungsvorgaben auch umsetzen zu können. Ist es aber tatsächlich das, was den Abstand zwischen Strafvollzug und Sicherungsverwahrung ausmachen soll? Wird dadurch für den regulären Strafgefangenen der Status „Resozialisierung light“ (bzw. Verwahrvollzug) aufrecht erhalten, hingegen für Sicherungsverwahrte ein vermeintlicher „Resozialisierungsvollzug deluxe“ geschaffen? Der aktuelle Gesetzentwurf lässt genau dieses Szenario befürchten. Während im Rahmen von großzügiger Ausnutzung weiter Ermessensspielräume des Strafvollzugs grundsätzlich Behandlungsmaßnahmen, insbesondere Vollzugslockerungen, für Strafgefangene restriktiv gehandhabt werden und effektiver Rechtsschutz dagegen praktisch fehlt, wird es für eine nunmehr ausgewählte Gruppe von Gefangenen schlicht effektivere Möglichkeiten geben, Resozialisierungsmaßnahmen, die eigentlich für alle erforderlich wären, umzusetzen. Dabei ist den Unterzeichnern durchaus bewusst, dass es praktisch schwierig ist, den Abstand zwischen einem auf effektive Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug und einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit der gleichen Intention gesetzlich umzusetzen. Dies zeigt wiederum die rechtlichen und logischen Grenzen des Instituts der Sicherungsverwahrung auf. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung darf sich zudem nicht am Strafvollzug orientieren sondern muss sich eher an einer zivilrechtlichen Unterbringung (ebenfalls eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr) orientieren. Es wäre ein Richtungswechsel erforderlich gewesen; bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich eher um einen Spurenwechsel. Wenn man nach diesen Überlegungen überhaupt von einer Umsetzbarkeit des Abstandsgebots ausgehen würde, ergäben sich über die dargestellten essentiellen Gebote des Resozialisierungsvollzugs hinaus folgende weitere Ansätze: * Die Sicherungsverwahrung als rein präventivrechtliche Freiheitsentziehung muss in räumlich getrennten, nach innen weitestgehend offenen Einrichtungen vollzogen werden. Die Unterbringung in einer gesonderten Abteilung einer JVA genügt dafür nicht, da der Charakter des Strafvollzuges erhalten bliebe. Wo Behandlungs-, Arbeits- und Freizeitangebote einer (nahegelegenen) JVA das Angebot der Einrichtung übertreffen, müssen individuelle, tägliche Transporte von nicht gelockerten Sicherungsverwahrten ermöglicht werden. Gelockerte Sicherungsverwahrte können hingegen, soweit praktikabel, zusätzlich zivile Angebote nutzen. * Wo kurzfristige Rückfälle in einer strukturierten Umgebung unwahrscheinlich sind, erfolgt eine auch nach außen offene Unterbringung, bzw. eine Beurlaubung in ausgegliederte offene Therapieeinrichtungen, wie sie heute bereits im Maßregelvollzug nach §§ 63, 64 StGB (bspw. in Berlin) üblich ist. * Die Form der Unterbringung unterscheidet sich von einem Leben in Freiheit nur soweit, wie es für die innere und äußere Sicherheit der Einrichtung zwingend erforderlich ist. Dazu gehört die bauliche Gestaltung und Ausstattung von Wohnräumen zumindest in der gleichen Form, wie sie in Freiheit nach dem SGB II als Existenzsicherung zustehen würde - bei entsprechenden finanziellen Mitteln auch darüber hinaus. Mindeststandard: 30-50 qm Wohnraum, inkl. getrenntem Sanitärbereich und Küchengrundausstattung.(10) * Es wird die Möglichkeit zur vollständigen Selbstversorgung mit Lebensmitteln, Freizeit- und Bedarfsgegenständen geschaffen. * Sicherungsverwahrte müssen, soweit das organisatorisch umgesetzt werden kann, umfangreich und ggf. auch spontan Besuch empfangen können. Dort wo keine Gefahren für den jeweiligen Besucher ersichtlich sind, sollten Besuche auch über Nacht ermöglicht werden (gerade im Bereich Nichtsexualdelinquenten). Dafür sind ggf. gesonderte – von anderen Sicherungsverwahrten getrennte - Besuchsbereiche vorzusehen. * Sicherungsverwahrten wird der Zugang zum Internet und Telefon im eigenen Wohnbereich gewährt, und nur bei offensichtlichen Missbrauchsgefahren entzogen. * Es wird eine angemessene Vergütung für Arbeit im Vollzug eingeführt. Bei Arbeitslosigkeit werden zumindest Leistungen gezahlt, wie sie außerhalb der Anstalt zur Existenzsicherung gem. §§ 20ff. SBG II gewährt werden würden. Die gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen müssen auch bei Sicherungsverwahrten gelten. *  (Zumindest) Sicherungsverwahrte werden gesetzlich kranken- und rentenversichert. Sie haben, soweit im Rahmen von Ausgängen, Ausführungen oder Besuchen in der Anstalt praktikabel, freie Arztwahl. Diesen Vorgaben wird der vorliegende Gesetzentwurf  leider nicht gerecht, weshalb er grundsätzlich überarbeitet werden müsste. Einzelne Nachbesserungen verschiedener Regelungen genügen dafür nicht. II. Einzelregelungen 1. ThürErgVollzG  a. Ziel des Vollzugs, § 2 ThürErgVollzG Der Nichtantritt der Sicherungsverwahrung muss primäres Vollzugsziel und nicht gleichrangiges sein.  b. Verbleib auf freiwilliger Grundlage, § 10 ThürErgVollzG & § 18 ThürSVVollzG Hierbei sind Vorkehrungen zu treffen, dass die Vollzugsanstalten nicht zu Obdachlosenwohnheimen werden. Diese hat der Sozialstaat extra einzurichten. Es sind sicherlich Fälle denkbar, in denen die Möglichkeit eines freiwilligen Aufenthalts zu begrüßen ist. Es sollten jedoch Vorkehrungen getroffen werden, damit dies nicht überhandnimmt. So könnte etwa ein maximaler Aufenthalt von zwei Wochen pro Kalenderjahr ins Gesetz aufgenommen werden. Dies gäbe den sozialen Diensten hinreichend Zeit für eine angemessenere –gitterfreie- Unterbringung zu sorgen. 2. ThürSVVollzG  a. Ziel des Vollzugs, § 1 ThürSVVollzG Mit der Formulierung, die den Schutz der Bevölkerung auf die gleiche Ebene mit der Resozialisierung stellt, bleibt der Gesetzentwurf sogar hinter den Regelungen aus dem StVollzG zurück, der als primäres Ziel die Resozialisierung sieht. Primäres Ziel muss die Senkung der Gefährlichkeit  und das Ende der Unterbringung sein. Die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit werden damit auch am besten bedient.  b. Mitwirkung und Motivierung, § 5 ThürSVVollzG Hier sollte im zweiten Absatz das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetzt werden. Nach dem Motivierungsgebot müssen  alle Maßnahmen zur Motivation ergriffen werden. Durch das großzügigere Verwenden ermessensintendierender Begriffe würde zudem der Rechtsschutz Gefangener erleichtert. Auch dies ist eine der Forderungen des Bundesverfassungsgerichts.  c. Stellung der Untergebrachten, § 6 ThürSVVollzG In § 6 Abs. 1 Satz 2 ist eine Generalklausel versteckt, mit der ähnlich zum Polizeirecht Grundrechtseingriffe aus Gründen der Sicherheit und Ordnung ermöglicht werden. Grundrechtseingriffe auf Grund einer  an Allgemeinheit kaum zu übertreffenden Regelung innerhalb einer totalen Institution erscheinen überbedenkenswert. Zudem stellt sich die Frage der Erforderlichkeit  der Regelung. Der Gesetzesentwurf enthält genügend explizite Regelungen, wie die Vollzugsbehörde bei Gefahrensituationen in die Rechte der Gefangenen eingreifen kann, so dass die entsprechende Regelung auch nicht aus Gründen der Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. In § 6 Abs. 3 heißt es, dass dem Untergebrachten vollzugliche Maßnahmen erläutert werden sollen. Ergänzend dazu sollte er auf den Rechtsschutz hingewiesen werden.  d. Aufnahme, § 8 ThürSVVollzG Den Untergebrachten sollte ein Exemplar des Gesetzes ausgehändigt werden. Bei den wenigen Betroffenen scheinen damit keine unverhältnismäßigen Kosten einher zu gehen. Warum es in § 8 Abs. 2 nicht näher konkretisiert ist, wann eine ärztliche Untersuchung stattzufinden hat, ist nicht erklärlich. Diese sollte nicht „alsbald“ sondern innerhalb von 24 h erfolgen.  e. Behandlungsuntersuchung & Vollzugsplan, §§ 9-10 ThürSVVollzG Auch hier ist die Kritik am Wort „alsbald“ (§ 10 Abs. 1 S. 1) zu wiederholen. Wenn die Behandlungsuntersuchung durchgeführt wurde, ist der Vollzugsplan sofort – max. innerhalb von 2 Wochen – zu erstellen. Die Kriterien zum Mindestinhalt des Vollzugsplans sind zu begrüßen. Der Vollzugsplan muss mindestens alle sechs Monate fortgeschrieben werden. Diese Frist darf nicht überschritten werden. Der Gesetzentwurf lässt hier Ausnahmeregelungen zu (§ 10 Abs. 2 S. 2), deren es nicht bedarf und die Missbrauch ermöglichen. Vollzugspläne sind mit Rechtsmittelbelehrungen zu versehen (§ 10 Abs. 6)  e. Verlegung, Überstellung und Ausantwortung & sozialtherapeutische Behandlung §§ 11, 12 ThürSVVollzG Die praktische Anwendbarkeit der zweiten Variante in § 11 Abs. 1 (Verlegung aus vollzuglichen Gründen) scheint gleich Null, zumal innerhalb des Bundeslands Thüringen  bisher nicht  eine Anstalt dem Abstandsgebot gerecht wird. Die Wahrung des Abstandsgebots – und da war das BVerfG sehr deutlich – ist von entscheidender Bedeutung. Eine dieses Gebot sichernde Ergänzung wäre in § 11 Abs. 1 aufzunehmen. Es ist darauf hinzuwirken, dass auch die sozialtherapeutischen Behandlungen in einer für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zuständigen Anstalt erfolgen.  Es kann nicht sein, dass man sich entsprechende Behandlungsmaßnamen im Vollzug der Sicherungsverwahrung sparen, und die Untergebrachten dann mit sanftem Druck und unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 wieder im Strafvollzug unterbringen will. Insofern ist der Gesetzesentwurf hier nicht hinreichend deutlich und  könnte sich am bayerischen Gesetzesentwurf orientieren (Die sozialtherapeutische Behandlung „soll in einer für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zuständigen Anstalt erfolgen“). Die Regelungen, dass Untergebrachte unbefristet dem Gewahrsam der Strafverfolgungsbehörden überlassen werden dürfen, wenn dies zur Erfüllung derenAufgaben erforderlich ist, macht deutlich wie wenig man sich der Stellung der Untergebrachten bewusst ist, und wie wenig ernst der Angleichungsgrundsatz genommen wird. Kein freier Bürger wird den Ermittlungsbehörden überlassen. Sofern eine Ermittlungsbehörde ein Interesse an Aussagen von Untergebrachten hat, kann sie diese aufsuchen. Auch kann er im Rahmen einer Ausführung zur Polizeibehörde gebracht werden. Er darf dieser aber nicht überlassen werden. Zumindest sind hinsichtlich der Ausantwortung eine maximale Frist von z.B. 24 Stunden in das Gesetz aufzunehmen.  f. Geschlossener Vollzug und vollzugsöffnende Maßnahmen; Weisungen, Rücknahme, Widerruf,  §§ 13, 14 ThürSVVollzG Die Regelungen in § 13, die sich an der Rechtsprechung des BVerfG orientieren, sind zu begrüßen. Es bleibt zu hoffen, dass diese möglichst schnell Eingang in die Praxis finden. Die Regelung in § 13 Abs. 4 Nr. 2 ist allerdings ein Einfallstor dahingehend, die Ausführungen wieder zu streichen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt werden „müssen“. Es ist keine Fallgestaltung denkbar, bei der die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen generell den Zweck von Ausführung gefährden könnten.  Bekannten und auch zukünftig zu erwartende Argumentationen seitens der Justizbehörden muss vorgebeugt werden: „Den müssten wir an Ketten mit 5 Beamten ausführen, das bringt doch keinem was.“  Die Bedeutung des Worts „müssen“ darf nicht ausgehöhlt werden. Entsprechende Versuche der Vollzugsbehörden sind in der Praxis (auch bei den Aufsichtsbehörden) überall zu beobachten. Ein Widerruf nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 dürfte nur gerechtfertigt sein, wenn durch das Nichtbefolgen von Weisungen konkrete Flucht- bzw. Missbrauchsbefürchtungen zu bejahen sind.  g. Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Grund, § 15 ThürSVVollzG Diese „sollen“ gewährt werden. Die vorsichtige Formulierung durch das Wort „können“ wird der Bedeutung der Maßnahmen für die Schaffung einer positiven Prognose nicht gerecht. Wenn nahe Verwandte  eines Verwahrten  sterben, muss dieser die Chance haben, an der Beerdigung teilzunehmen. Es ist klarzustellen, dass bei Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes auch Ausführungen zu gewähren sind. Nach der Gesetzessystematik sind Ausführungen keine „vollzugsöffnenden Maßnahmen“ i.S.d. § 15.  h. Entlassungsvorbereitung & nachgehende Betreuung, §§ 16, 17 ThürSVVollzG In § 16 Abs. 1 Satz 3 heißt es, dass die Bewährungshilfe zu einer Zusammenarbeit schon während des Vollzugs verpflichtet ist. Das gilt natürlich - und sollte entsprechend klargestellt werden –  ebenso für die Vollzugsbehörde. Es sollte die Teilnahme der Bewährungshilfe an den Vollzugsplankonferenzen gesetzlich  geregelt werden. Ein Reisekostenzuschuss  sowie Unterstützung für angemessene Kleidung müssen gewährt werden, wenn es notwendig ist (§ 17 Abs. 2). Die zurückhaltende Formulierung ist hier nicht verständlich.  i. Unterbringung, § 19 ThürSVVollzG Hier ist  der Anspruch auf eine baulich abgetrennte Toilette und Einzeldusche aufzunehmen (§ 19 Abs. 1). Die Wohngruppentauglichkeit sollte positiv formuliert werden. Z.B. durch die Formulierung: „Wohngruppentauglichkeit liegt in der Regel vor, wenn keine konkrete schwerwiegende Gefahr....”  j. Ausstattung, § 20 ThürSVVollzG Hinsichtlich der Ausstattung und des persönlichen Besitzes ist insbesondere das Abstands- und Minimierungsgebot zu beachten. Hier muss es deutlich spürbare Unterschiede zum Strafvollzug geben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit o.ä. darf nichts verboten werden. Der entsprechende Mehraufwand bei der Kontrolle ist hinzunehmen. Insofern sollten Einschränkungen nur möglich sein, wenn die Gegenstände eine erhebliche Beeinträchtigung der Sicherheit darstellten.  k. Verpflegung, § 22 ThürSVVollzG § 22 Abs. 3 regelt, dass diejenigen, die sich selbst verpflegen, von der Gemeinschaftsverpflegung ausgeschlossen sind. Hier besteht der Verdacht, dass eine flexible Handhabung (ein bisschen Selbstverpflegung, ein bisschen Anstaltskost) nicht möglich ist und die Untergebrachten sich entscheiden müssen. Dem ist durch eine gesetzliche Klarstellung entgegenzuwirken.  l. Gesundheitsvorsorge, medizinische Versorgung, medizinische Zwangsmaßnahmen §§ 23 - 25 ThürSVVollzG Nach § 23 Abs. 3 wird den Untergebrachten mindestens eine Stunde pro Tag Aufenthalt im Freien ermöglicht. Hier wird das Abstandsgebot ignoriert! Auch Strafgefangene haben einen Anspruch auf mindestens eine Stunde im Freien. Bei den Sicherungsverwahrten ist dies deutlich zu erhöhen, um die Bedingungen den allgemeinen Lebensbedingungen in Freiheit anzupassen. In der Regelung des § 24 Abs. 3 Satz 2 ist ebenfalls eine Verletzung des Abstandsgebots  enthalten, mit welcher die Pfändungsfreigrenzen aus der ZPO umgangen werden. In der Regelung des § 24 Abs. 5 sollte im Satz 1 das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetzt werden. Im Satz 2 sollte das Wort „sollen“ durch das Wort „können“ ersetzt werden. Ferner sollte der Hinweis aufgenommen werden, dass dies auch im Rahmen von Lockerungen / Ausführungen durch externe Ärzte durchgeführt werden kann. In § 24 Abs. 7 sollten aus Gründen der Klarstellung nach den Worten „medizinische Versorgung“ die Worte „durch die Vollzugsanstalt“ ergänzt werden. In § 24 Abs. 8 sollte aufgenommen werden, dass die Anstalt den Untergebrachten beim Übergang in die gesetzliche Krankenversicherung unterstützen soll. In § 24 Abs. 9 sollten die eingetragenen Verteidiger in den Kreis derjenigen aufgenommen werden, die unterrichtet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Untergebrachten keine anderen Angehörigen mehr haben. Zwangsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 sind schriftlich zu dokumentieren und dem Untergebrachten mit Rechtsmittelbelehrung auszuhändigen. Diese Ergänzung sollte in § 25 Abs. 4 aufgenommen werden.  m. Ablösung, § 29 ThürSVVollzG Die Ablösung sollte durch schriftlichen Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erfolgen, § 29 Abs. 1.  n. Freizeit, § 30 ThürSVVollzG Die Einschränkung des § 30 Abs. 3 Satz 2 scheint weder erforderlich noch dürfte sie einer grundrechtlichen Prüfung im Hinblick auf die Informationsfreiheit der Untergebrachten standhalten. Im § 30 Abs. 5 sollten DVD sowie Computer- (Konsolen-) spiele aufgenommen werden.  o. Religionsausübung und Seelsorge, § 32 ThürSVVollzG Es ist kein Fall vorstellbar bei dem es gerechtfertigt wäre, den Untergebrachten „grundlegende religiöse Schriften“ zu entziehen. Dem steht das GG entgegen. Die Regelung in § 32 Abs. 2 Satz 2 ist daher zu streichen. Auch die Regelung des § 32 Abs. 3 Satz 2 dürfte mit der Religionsfreiheit unvereinbar sein. Warum muss ein Seelsorger einwilligen, wenn der Untergebrachte  die religiöse Veranstaltung einer anderen Religionsgemeinschaft  besuchen will?   p. Außenkontakte der Untergebrachten, §§ 33- 37 ThürSVVollzG Das Untersagen von Kontakten nach § 33 Abs. 2 bedarf eines schriftlichen Bescheids mit Rechtsmittelbelehrung. Die Kosten der Telekommunikation muss die Anstalt in angemessenem Umfang tragen, wenn der Untergebrachte dazu nicht in der Lage ist. Das Modalverb „können“ in § 33 Abs. 5 Satz 2 ist entsprechend auszutauschen. In § 34 Abs. 5 ist der deutliche Hinweis aufzunehmen, dass Besuche i.S.d. § 33 Abs. 3  und 4  nicht durch technische Hilfsmittel  optisch überwacht werden  dürfen. Eine Sichtkontrolle ohne Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts ist nicht möglich.  Eine solche darf insbesondere bei Verteidigerpost nicht erfolgen. Im Falle von Verteidigerpost wäre der Verteidiger zu kontaktieren, damit er bestätigen kann, dass es sich um Verteidigerpost handelt. Andernfalls muss die Sendung ungeöffnet zurückgesendet werden (§ 35 Abs. 2 Satz 2). Die Regelung des § 35 Abs. 3 Nr. 3 dürfte gegen die Meinungsfreiheit verstoßen. Auch „grob unrichtige“ oder „erheblich entstellende Darstellungen“ fallen unter die Meinungsfreiheit, sofern diese Darstellungen Normen des StGB nicht verletzen. Dies muss die JVA  aushalten können, zumal hier auch das Abstandsgebot zu beachten ist. Diese Regelung ist keinesfalls erforderlich. Hinsichtlich der Telekommunikation (§ 36) wären die Anstalten zu verpflichten, auf die angemessenen Kosten zu achten, die sich an denen von Festnetzanschlüssen in der Freiheit zu orientieren haben. Auch ein generelles Verbot von Handys (§ 36 Abs. 4) scheint unangebracht, da nicht unbedingt und bei jedem zu erwarten ist, dass diese missbraucht werden würden. Außerhalb der Mauern  werden Handys regelmäßig benutzt (Angleichungsgrundsatz).  q. Vergütung, Taschengeld,  §§ 38 & 41 ThürSVVollzG Bei der Vergütung ist das Abstandsgebot zu beachten. Die Vergütung hat daher  deutlich über der Vergütung im Strafvollzug zu liegen. Das Taschengeld ist auf mindestens 100,- € festzusetzen. Bei der Bemessung ist das Sonderopfer der Untergebrachten (sie sind wegen einer mehr oder weniger abstrakten Gefahr nach Verbüßung der Strafe weggesperrt) gegenüber der Allgemeinheit zu berücksichtigen.  r. Eigengeld, § 44 ThürSVVollzG Die Regelung des § 44 sollte eine verbindliche Regelung dazu enthalten, wie viel vom Eigengeld der Untergebrachte als Hausgeld benutzen darf, wenn ihm keine Vergütung i.S.d. § 38 zusteht.  s. Sicherheit & Ordnung, §§ 45 ff. ThürSVVollzG Hinsichtlich der Überwachung mit technischen Hilfsmitteln und deren Aufzeichnungen ist im Sinne des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung fehl es im Gesetz an einer Regelung hinsichtlich der maximale Speicherdauer.  Eine Speicherungsdauer von 72 h scheint hier vollkommen ausreichend (§ 45 Abs. 2). In § 45 Abs. 4 ist klarzustellen, dass die Untergebrachten nur rechtmäßige Anordnungen zu befolgen haben. Absuchungen und Durchsuchungen dürfen nur bei einem konkreten Verdacht einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung vorgenommen werden. Eine generelle gefahrenunabhängige Ermächtigung, wie sie § 46 Abs. 1 enthält, ist nicht erforderlich und zudem rechtstaatlich zweifelhaft. Dies gilt auch im Hinblick auf die Regelung in § 46 Abs. 3. Derart intensive Grundrechtseingriffe dürfen nur bei einer konkreten Gefahr vorgenommen werden, und nicht regelmäßig und ohne Grund. Bei einer mit einer Entkleidung verbunden Durchsuchung (§ 46 Abs. 2) ist zumindest im Nachgang ein schriftlicher Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erforderlich. Hinsichtlich der Anordnungsbefugnis des Anstaltsleiters ist klarzustellen, dass diese Kompetenz nicht delegierbar ist. Da eine Sichtkontrolle ohne Kenntnisnahme des Inhalts nicht möglich ist, sind Schreiben von Personen nach § 33 Abs. 3 & 4 nur mittels technischer Vorrichtungen auf unerlaubte Einlagen hin zu kontrollieren (§ 46 Abs. 5). Allgemeine Kontrollen zur Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs (§ 47 Abs. 2) dürften nicht rechtens sein. Die Untergebrachten dürfen nur den Eingriffen unterzogen werden, die notwendig sind. Eine allgemeine Kontrolle missachtet den Einzelfall, bei dem keine Gefahr eines Suchtmittelmissbrauchs besteht. In der Vollzugspraxis hätte dann derjenige, bei dem kein Drogenmissbrauch zu befürchten ist, und der sich der allgemeinen Kontrolle verweigert, erhebliche Probleme. Verweigerte Kontrollen werden von den Anstalten grundsätzlich wie ein festgestellter Drogenkonsum gewertet.  t. besondere Sicherungsmaßnahmen, §§ 50, 51 ThürSVVollzG Besondere Sicherungsmaßnahmen stellen einen besonders intensiven Grundrechtseingriff dar. Insofern wäre ein schriftlicher Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erforderlich. Es ist klarzustellen, dass die Anstaltsleitung  die Anordnungskompetenz nicht delegieren darf (§ 51 Abs. 1). Über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen ist auch der Verteidiger zu informieren (§ 51 Abs. 1 Satz 2). Andernfalls ist ein effektiver Rechtsschutz aus dem „Bunker“ heraus nicht möglich. Hinsichtlich der dauerhaften Beobachtung unter Anwendung technischer Hilfsmittel (§ 50 Abs. 6) und der Absonderung (§ 50 Abs. 7) sind absolute Höchstdauern in das Gesetz aufzunehmen, um einen Missbrauch durch die Sicherheitsbehörden zu vermeiden und um den Druck bei der Suche nach alternativen Maßnahmen bei den Vollzugsbehörden zu erhöhen. Dies würde auch dazu dienen, dass die besonderen Sicherungsmaßnahmen nicht als „faktische Disziplinarmaßnahmen“ missbraucht werden.  Jeweils zwei Wochen scheint hier als absolute Höchstdauer ausreichend. Zumindest sollte die Aufsichtsbehörde schon früher – nach einer Woche –  zustimmen müssen (§ 59 Abs. 8 Satz 3). § 51 Abs. 3 Satz 2 spricht davon, dass die Anordnung in „angemessenen Abständen“ die Sicherungsmaßnahmen zu überprüfen hat. Diese Formulierung lässt den Behörden zu viel Spielraum. Hier ist eine konkrete Höchstfrist in das Gesetz aufzunehmen (z.B. 10 Tage). Ferner ist der Untergebrachte über das Ergebnis der Überprüfung schriftlich mit Rechtsmittelbelehrung zu unterrichten. Auch das wäre in das Gesetz aufzunehmen, wenn man den Vollzug wirklich rechtstaatlich ausgestalten wollte.  u. Disziplinarmaßnahmen, §§ 55, 56 ThürSVVollzG Die Tatsache, dass die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Sicherungsverwahrte vorgesehen ist, ist schon an sich bedenklich: Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist ihrem Wesen nach eher vergleichbar mit der zivilrechtlichen Unterbringung oder den Unterbringungen gemäß den §§ 63, 64 StGB. Dort sind keine Disziplinarmaßnahmen vorgesehen. Dass hier dennoch dieser Weg eingeschlagen wurde zeigt, dass die Vorgaben des BVerfG zum Abstandsgebot nicht  umgesetzt werden. Die Begründung des Landesgesetzgebers, „hinsichtlich der Fähigkeit, das Unrecht einer Handlung einzusehen und danach zu handeln, stehen Untergebrachte regelmäßig Strafgefangenen näher als Untergebrachte in einer Maßregel nach den §§ 63, 64 StGB“ trägt nicht. Dies wird insbesondere mit einem Vergleich zu den nach § 64 StGB Untergebrachten deutlich, denen ja nur bei Tatbegehung die Einsicht in das Unrecht gefehlt hat. Auch macht die Begründung deutlich, dass der Gesetzgeber das Abstands- und Minimierungsgebot  nicht hinreichend ernst nimmt. Wir fordern die Streichung der Disziplinarmaßnahmen aus den Vollzugsgesetzen zur Sicherungsverwahrung. Abs. 1 S. 3  widerspricht dem Grundsatz, dass eine Flucht für den Flüchtenden straffrei ist. Darüber hinaus wird eine Flucht auch nicht folgenfrei bleiben, da diese zwangsläufig Auswirkung auf den Lockerungsstatus des Untergebrachten haben wird. Nach Erfahrung der Unterzeichner stellt dies allein schon ein erhebliches Strafübel für die Untergebrachten dar; darüber hinausgehende zusätzliche Disziplinarmaßnahmen sind daher nicht zu rechtfertigen. § 55 Abs. 1 S. 4 ist zumindest bedenklich, da der Konsum von BtM und anderer berauschender Stoffe für Nicht-Untergebrachte sanktionslos ist. Die Berücksichtigung von Konsum bei Prognoseentscheidungen im Hinblick auf eine Entlassung und bei Lockerungen sollte hier ausreichend sein. Es ist weiterhin  zu kritisieren, dass die Vorschrift über das Verfahren und die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen (§ 56) einen schriftlichen Bescheid über die Anordnung der Disziplinarmaßnahme und eine Rechtsmittelbelehrung nicht vorsieht. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht als eine der Anforderungen die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Maßnahmen des Strafvollzuges binnen kurzer Fristen genannt hat, ist das Erfordernis eines schriftlichen Bescheids mit Rechtsmittelbelehrung zwingend aufzunehmen.  v. Vollzugsplankonferenzen, § 64 Abs. 3 ThürSVVollzG Es ist klarzustellen, dass auch die Rechtsanwälte der Untergebrachten an den Vollzugsplankonferenzen teilnehmen dürfen. Erfahrungsgemäß hilft dies Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, indem der Rechtsanwalt z. B. auch auf  Aspekte hinweisen kann die in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen sind.  Sofern die Ergebnisse der Konferenz dann  von dem Rechtsanwalt „mitgetragen“ werden, hilft dies auch den Untergebrachten diese anzunehmen. Warum dies nicht geschieht, ist nicht zu erkennen. Auch die Justizverwaltung muss sich  dem Anspruch an einer möglichst großen Transparenz  stellen. Nach der vorliegenden Regelung, die der momentanen Rechtslage im Strafvollzug entspricht, hängt die Möglichkeit der Teilnahme vom guten Willen der Anstaltsleitung ab und ist mithin willkürlich. Fußnoten (1) 2 BvR 2065/09 u.a.
      (2) BVerfG aaO; Rn. 110
      (3) Vgl Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010. Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 im Beobachtungszeitraum gar nicht erneut straffällig geworden.
      (4) http://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Stellungnahmen/
      111230_StN_Referentenentwurf_Abstandsgebot_im_Recht_der_Sicherungsverwahrung.pdf

      (5) BVerfG aaO Rn 130
      (6) Resozialisierungsanspruch ist Ausfluss des Freiheitsgrundrechtes; u.a. BVerfG B. v. 30.04.2009, 2 BvR 2009/08 m.w.N.
      (7) für viele Kammergericht Beschluss vom 09.12.2009, 2 Ws 569/09 Vollz, sowie Beschluss vom 27.08.2009 –   2 Ws 279/09 Vollz -, OLG Karlsruhe ZfStrVO 2004, 108 (110)
      (8) BVerfG B. v. 20.06.2012; 2 BvR 865/11
      (9) so schon BVerfG Urteil vom 05.02.2004, 2 BvR 2029/01
      (10) Berlit in LPK- SGB II, § 22 Rn. 31 ff. m.w.N. Die Stellungnahme als PDF]]>
      news-289Wed, 29 May 2013 16:49:00 +0200GEMEINT SIND WIR ALLE!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeint-sind-wir-alle-289Aufruf vom 28.5.2013Zehn Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds – und jetzt einfach so weiter? All das passiert vor dem Hintergrund des Prozesses gegen den NSU und seine Unterstützer_innen. Bundesweit solidarisiert sich die Neonazi-Szene offen und provokant mit den Taten des NSU. In Mainz wurde kürzlich eine künstliche Blutlache vor einer Moschee platziert, in Düren wurde der Eingang der Islamischen Gemeinde sogar mit den Worten „NSU lebt weiter und ihr werdet die nächsten Opfer sein!!!“ beschmiert. In München wurde die Kanzlei der Anwältin der Witwe eines der zehn Mordopfer mit Fäkalien attackiert. Die Reaktion der Polizei ist fatal: „Wir nehmen nicht wahr, dass die rechte Szene insgesamt aktiver wird“ kommentiert der Pressesprecher der Münchner Polizei Wolfgang Wenger noch am 17. Mai und spricht von „Einzelfällen“. Erst nach dem neunten Angriff nennt er es eine „Häufung“ von Einzeldelikten. Die erneute Leugnung eines organisiert agierenden Neonazi-Netzwerks in München zeigt, dass die Polizei nichts aus der folgenreichen Verharmlosung rechter Strukturen der vergangenen Jahre gelernt hat. Angesichts jahrelanger Untätigkeit ist das nicht nur zynisch gegenüber den betroffenen Initiativen und Einzelpersonen der jüngsten Angriffe, sondern auch gegenüber den Opfern des NSU, deren Angehörigen und gegenüber 173 weiteren Todesopfern rechter Gewalt seit 1990. Rassismus in der Gesellschaft – wiederholt sich die Geschichte? Anfang der 1990er-Jahre wurden in einer offenen rassistischen Stimmung der Gesellschaft und vor dem Hintergrund rassistischer Hetze der Politik zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingslager und Wohnhäuser von Migrant_innen verübt, bei denen auch Menschen getötet wurden. In Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen applaudierten Hunderte Anwohner_innen, während ein rechter Mob Brandsätze auf Unterkünfte von Flüchtlinge und Vertragsarbeiter_innen warf. Die Polizei blieb bei den mehrtägigen Ausschreitungen weitgehend untätig. Aktuell erleben wir neben den offenen Attacken von Neonazis in Bayern und Deutschland auch immer mehr rassistische Stimmungsmache in Politik und Öffentlichkeit. Mit der Rede von „massenhafter Armutsmigration“, flankiert von der Mär von „integrationsunwilligen“ Migrant_innen von Sarrazin, Buschkowsky und Co, fühlt man sich schockierend an die damaligen Zustände erinnert. Rechte Angriffe betreffen uns alle – gemeinsam gegen Einschüchterung und Bedrohung! Solche Zustände betreffen uns alle, wir dürfen sie nicht zum Alltag werden lassen! Angriffe von Neonazis und Rassist_innen auf Migrant_innen, andere Einzelpersonen und Initiativen sind immer auch ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft. Wir verlangen, dass Staat und Behörden ihr jahrelanges Versagen offen eingestehen, die Verharmlosung neonazistischer Aktivitäten beenden und das rechte Auge endlich öffnen! Vor allem aber ist klar: Es liegt an uns! Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst vor Attacken und Angriffen wieder zur Normalität wird! Wir alle müssen uns aktiv und couragiert gegen Neonazis und Rassismus einsetzen! In unseren Vierteln, in der Stadt und überall. --- Solidarität zeigen und aktiv werden: * Aufruf zeichnen: Wenn ihr als Gruppe oder Einzelperson eure Solidarität ausdrücken und den Aufruf zeichnen möchtet, schickt eine Mail an: nsuprozess@riseup.net * Finanzielle Unterstützung: Durch die Angriffe entstehen hohe Kosten für die betroffenen Projekte. Ihr könnt diese mit einer Spende unterstützen: Bayerischer Flüchtlingsrat, Konto-Nr: 88 32 602, BLZ: 700 205 00, Stichwort: Spende gegen Nazis * NSU-Prozess besuchen: Zeigt eure Solidarität mit den Angehörigen, indem ihr den NSU-Prozess als Zuschauer_in besucht und nehmt damit Nazis den Platz weg. Besonders wichtig sind dabei der Wiederbeginn des Prozesses am 04. Juni und der Jahrestag der Ermordung von Abdurrahim Özüdo?ru am 13. Juni, aber auch alle weiteren Termine. --- Erstunterzeichner_innen: Bayerischer Flüchtlingsrat | Kurt-Eisner-Verein für politische Bildung e.V. | Angelika Lex, Rechtsanwältin | Ligsalz8 | Trägerkreis EineWeltHaus München e.V. | Bündnis gegen Naziterror und Rassismus Mehr Infos und weitere Zeichner_innen unter: www.nsuprozess.blogsport.de und www.nsuprozess.infoAufruf (PDF)]]>news-288Fri, 19 Apr 2013 18:24:00 +0200Der Fremde als Feind?<br />Heimatlos, Ausgegrenzt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-fremde-als-feind-br-heimatlos-ausgegrenzt-288Europäische Konferenz, 4.5.13
    10. Rechtsprechung, welche Flüchtlingen und MigrantInnen ihre Rechte zuspricht.

    11. Bei den ReferentInnen handelt es sich um im Ausländer- und Asylrecht spezialisierte JuristInnen, SozialwissenschaftlerInnen, GewerkschafterInnen, andere AktivistInnen aus Deutschland und dem europäischen Ausland Programm als PDF: Der Fremde als Feind? Heimatlos, ausgegrenztKonferenzsprachen: Deutsch, Englisch – mit Simultanübersetzung
      Zeit: 4. Mai 2013, 9:30 – 18:00 Uhr
      Ort: ver.di Bundesverwaltung, Paula-Thiede-Ufer 10, Berlin

      Die Anmeldung ist notwendig für die organisatorische Planung und für den verbindlichen Anspruch auf Einlass. Bitte per eMail an konferenzanmeldung@ejdm.eu mit folgenden Angaben: Vorname, Familienname, Beruf, Anschrift, Telefonnummer, eMail-Adresse

      Für die Teilnahme wird ein Kostenbeitrag in Höhe von € 30 (Nichterwerbstätige kostenlos) beim Einlass auf der Konferenz fällig und ist bitte in bar zu bezahlen. Die Konferenz wird der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte e.V. (EJDM) und der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) in Kooperation mit 12 weiteren Organisationen, darunter dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und den Europäischen Demokratischen Anwältinnen und Anwälten (EDA) organisiert.]]>
      Migration & Asyl (doublet)Europa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-287Thu, 04 Apr 2013 13:59:00 +0200Anwaltschaft in Gefahr: Die Verteidigung der Verteidigung in Haft/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltschaft-in-gefahr-die-verteidigung-der-verteidigung-in-haft-287Pressemitteilung vom 4.4.2013PM_Anwaltschaft in Gefahr: Die Verteidigung der Verteidigung in Haft (PDF) --- (1) Vgl. auch: http://anwaltverein.de/interessenvertretung/pressemitteilungen/pm-1113?PHPSESSID=0fq3vb0se4s5iaeo7n3qjpjki1 (2) Vgl. PE vom 25.01.2013 http://anwaltverein.de/interessenvertretung/pressemitteilungen/pm-0313
      bzw.
      http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erneute-massenverhaftung-von-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelten-in-der-tuerkei-281/page1/ (3) http://www.advocatenvooradvocaten.nl/wp-content/uploads/petition29March2013-1.pdf]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-286Tue, 02 Apr 2013 15:01:00 +0200Petition zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung /publikationen/mitteilungen/mitteilung/petition-zur-einbeziehung-von-strafgefangenen-in-die-rentenversicherung-286Petition des Komitee für Grundrechte und Demokratie
    12. Die Einbeziehung in die Rentenversicherung ergibt sich aus dem Wiedereingliederungsauftrag des Strafvollzuges, denn eine eigenverantwortliche Lebensführung nach der Entlassung bedarf der sozialen Absicherung.
    13. Fiskalische Bedenken dürfen der Durchsetzung dieser Prinzipien nicht im Wege stehen; gegen entsprechende erwartbare Bedenken der Länder muss sich der Bundestag gegebenenfalls durchsetzen. Der Bundesgesetzgeber muss zu seinem Wort stehen. Erstunterstützende Organisationen:
      Arbeitskreis Kritischer Strafvollzug e.V., Münster
      Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S) e.V.
      Humanistische Union e.V.
      Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Berlin
      Strafvollzugsarchiv e.V., Bremen
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      Vorstand der Holtfort-Stiftung, Laatzen
      Institut für Konfliktforschung, Hamburg Petiton im Wortlaut (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-285Tue, 02 Apr 2013 12:15:00 +0200Das Problem heißt Rassismus –<br />Wir schauen hin!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus-br-wir-schauen-hin-285Veranstaltung zum NSU Prozessauftakt 5.4.13, BerlinTermin
      5. April 2013 um 19.30 Uhr Ort
      Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.
      Urbanstraße 21
      10961 Berlin Veranstalter
      Bündnis gegen Rassismus
      Allmende e.V.
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein Infos
      türkisch (PDF)
      deutsch (PDF)]]>
      news-284Tue, 26 Mar 2013 07:34:00 +0100Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger/publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozess-gegen-sonja-suder-und-christian-gauger-284PressemitteilungRAV ist besorgt, dass Erkenntnisse aus unmenschlicher Behandlung in einem Frankfurter Staatsschutzverfahren verwertet werden sollen Bereits seit September des vergangenen Jahres läuft vor dem Landgericht Frankfurt/Main der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger. Ihnen wird vorgeworfen, in den 1970er Jahren an mehreren Anschlägen der ›Revolutionären Zellen‹ (RZ) beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsschutzkammer scheint zu beabsichtigen, Angaben des damaligen RZ-Mitglieds Hermann Feiling, die dieser nach einem schweren Unfall im Juni 1978 gemacht haben soll, als Beweismittel in dem Verfahren zu verwenden. Feiling war am 23. Juni 1978 ein Sprengsatz auf dem Schoß explodiert, mit dem gegen die damalige Militärdiktatur in Argentinien protestiert werden sollte.  Aufgrund der erlittenen Verletzungen mussten Herrn Feiling beide Beine amputiert und beide Augäpfel entfernt werden. Zudem erlitt er schwere Verbrennungen und hatte epileptische Anfälle. Trotzdem begannen unmittelbar nach dem Unfall und noch auf der Beatmungsstation des Krankenhauses die Verhöre durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Sie wurden während des gesamten stationären Aufenthaltes im Krankenhaus und anschließend in den Polizeikasernen Münster und Oldenburg bis Ende Oktober 1978 fortgesetzt, ohne dass ein Haftbefehl verkündet war. Sein Vetrauensanwalt, seine Freundinnen und Freunde hatten keinen Zugang zu ihm. Aus Sachverständigen-Gutachten, die zwei Jahre nach dem Unfall erstellt worden waren, geht hervor, dass in der Zeit vom 24. Juni bis 7. Juli 1978 weder eine Vernehmungs- noch Verhandlungsfähigkeit von Herrn Feiling vorgelegen hat. Ein weiteres Gutachten vom Dezember 1978 stellte zudem fest, die Aussagefreiheit von Hermann Feiling sei in der gesamten Zeit seiner ›Verwahrung‹ eingeschränkt gewesen; er sei nicht in der Lage gewesen, zu entscheiden, ob er eine Aussage überhaupt machen wolle. Trotzdem sollen die 1.300 Seiten angeblicher Aussagen, die von der Polizei gefertigt wurden, in das Verfahren eingeführt werden. Das Landgericht Frankfurt/Main weigert sich bisher, zu prüfen, ob nach heutigem medizinischen Kenntnisstand und vor allem der Traumaforschung Hermann Feiling überhaupt vernehmungs- bzw. verhandlungsfähig gewesen und ob er in der Lage gewesen sei, eine freie Entscheidung darüber zu treffen, auszusagen oder nicht. Auch der Sachverhalt einer faktischen Polizeihaft im Krankenhaus von Heidelberg und in den Polizeikasernen, deren Umstände und Organisation unter Isolationsbedingungen, wurde nicht geprüft. Der RAV ist vor diesem Hintergrund ernsthaft besorgt, dass das Landgericht Frankfurt/Main beabsichtigt, vermeintliche Erkenntnisse aus den Vernehmungen von Herrmann Feiling zu verwenden, deren Umstände als unmenschliche Behandlung angesehen werden müssen und daher einem Verwertungsverbot nach § 136a StPO unterliegen.  „Den Strafverfolgungsbehörden ist es offenbar wichtiger, mit allen Mitteln eine Verurteilung herbeizuführen, als sich über die Rechtsstaatlichkeit der Beweiserhebung zu vergewissern. Damit werden die Menschenrechte von Herrn Feiling ein weiteres Mal mit den Füssen getreten“, so Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins.   Pressemitteilung des RAV zum Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger (PDF)]]>news-283Wed, 20 Mar 2013 15:49:00 +0100Das Bundesverwaltungsgericht beendet diskriminierende Behandlung von türkischen Staatsangehörigen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-bundesverwaltungsgericht-beendet-diskriminierende-behandlung-von-tuerkischen-staatsangehoerigen-283Pressemitteilung, 20.3.13RA Ünal Zeran | Tel. 040/43135110 | PM: Das Bundesverwaltungsgericht beendet diskriminierende Behandlung von türkischen Staatsangehörigen (PDF)]]>Europa (doublet)Migration & Asyl (doublet)news-282Tue, 19 Mar 2013 10:19:00 +0100Solidarität mit Stadtjugendpfarrer Lothar König/publikationen/mitteilungen/mitteilung/solidaritaet-mit-stadtjugendpfarrer-lothar-koenig-282Presseinformation vom 18.3.2013„besonders schwerer Fall des Landfriedensbruches“. Er hatte sich am 19. Februar 2011 in Dresden am Protest gegen die Versammlung von NPD und Kameradschaften beteiligt und geriet in den Fokus der staatsanwaltlichen Ermittlungen. Er wird beschuldigt, als „Mann mit dem Lautsprecherwagen“ Musik genutzt zu haben, um die Demonstrationsteilnehmer in ihrem Protest gegen Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus zu bestärken. Es ist zu befürchten, dass ihm Handlungen anderer Demonstrationsteilnehmer pauschal zugerechnet werden sollen, weil konkrete Strafvorwürfe gegen ihn nicht vorliegen. Die Prozesstermine vor dem Amtsgericht Dresden sind bisher wie folgt festgelegt:
      Dienstag, 19. März (Termin wurde am 18.3. aufgehoben); Dienstag, 2. April; Mittwoch 3. April; Donnerstag, 4.April; Mittwoch, 24. April; Montag, 13. Mai 2013 gez. Dr. Elke Steven (Komitee für Grundechte und Demokratie e.V.) Presseinformation: Solidarität mit Lothar König (PDF)]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet)
      news-281Tue, 12 Mar 2013 10:19:00 +0100Verfassungsschutz abschaffen!<br />Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsschutz-abschaffen-br-staatlichen-und-alltaeglichen-rassismus-bekaempfen-281Aufruf zur Demonstration am 13. April 2013 in München!Demonstrationsaufruf zum NSU-Prozessbeginn (PDF)  Am 17. April 2013 beginnt in München der NSU-Prozess, in dem unter anderem zehn Morde aufzuklären sind. Davon unabhängig müssen aus dem Versagen von Polizei und Geheimdiensten weitreichende politische Konsequenzen gezogen werden. Die Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) offenbarte in der Folge eine Masse von Fehlleistungen der Geheimdienste und der Polizei bei der Nicht-Verfolgung der Mordserie. Die Untersuchungsausschüsse des Bundestages und der Landtage Thüringens, Sachsens und Bayerns decken immer neue Skandale auf: Akten waren geschreddert worden, die Verfassungsschutzämter oder – im Falle Berlins – der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts „vergaßen“ dem Ausschuss V-Leute aus dem Umfeld der Gruppe zu benennen, Informationen wurden nicht weiter gegeben.   Die "Pannen" und Fehlleistungen, die es zuhauf gegeben hat, hatten jedoch System. Mindestens 17 V-Leute der Landesämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des polizeilichen Staatsschutzes waren im Umfeld des NSU und des "Thüringer Heimatschutzes", aus dem das Trio hervorging, aktiv. Der dem Verfassungsschutz so wichtige "Quellenschutz" führte praktisch zu einer Deckung der Täter und behindert nun eine umfassende Aufklärung. Es wurden auch V-Leute angeworben und geführt, die in Neonazi-Organisationen eindeutige Führungsrollen innehatten, die ohne jeden Zweifel die politischen Positionen ihrer Gruppen weiter prägten, die auch Straftaten begingen oder begangen hatten und nicht selten gegen polizeiliche Ermittlungen abgeschirmt wurden; die V-Leute des Verfassungsschutzes hatten zum Teil einen enormen Finanzbedarf für sich selbst und ihre Gruppen und erhielten für dessen Deckung von ihren geheimdienstlichen Auftraggebern teils horrende Summen als Honorar. Das mag zwar den offiziösen Handbüchern zum Verfassungsschutzrecht und den offiziellen Vorschriften, die für das Bundesamt und einige Landesämter damals schon galten, zuwider laufen. Es entspricht jedoch der Dynamik eines letztlich unkontrollierbaren V-Leute-Systems, die auch mit einer zentralen V-Leute-Datei und neuen Richtlinien nicht außer Kraft gesetzt wird.   Das "Frühwarnsystem", als das sich der Verfassungsschutz gerne verkauft, hat das Gewaltpotenzial der Neonazi-Szene systematisch falsch eingeschätzt, ja regelrecht ignoriert. Obwohl die Polizei bei Razzien immer wieder Waffen und Bomben bei Neonazis fand, blieben sie in den Augen des Inlandsgeheimdienstes weiterhin bloße Waffennarren.   Aber auch die Polizei, die in der Mordserie ermittelte, schloss eine rechtsextreme Täterschaft von Anfang an aus. Der institutionelle Rassismus dieser Behörden machte nicht nur blind, sondern führte zu völlig einseitigen und skandalösen Ermittlungen, in denen die Opfer und ihre Angehörigen zu Verdächtigen und potentiellen Tätern wurden. Einwanderer und Menschen mit Migrationshintergrund erscheinen staatlichen Behörden offensichtlich schnell verdächtig, selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Auch die breite Öffentlichkeit pflegt solche Vorurteile.   Dem üblichen Reflex entsprechend, wird als "Konsequenz" nur weiter an der "Sicherheitsarchitektur" gebaut. Verfassungsschutz und Polizei sollen noch enger als bisher zusammenarbeiten. Die neue gemeinsame Rechtsextremismusdatei folgt dem Beispiel der Anti-Terror-Datei und soll Informationen aus Polizei und Diensten zusammenführen. Wo aber rechtsterroristische Straftaten gar nicht erst als solche erkannt werden – wie die Morde, Banküberfälle und Bombenattentate des NSU –, da wird auch eine gemeinsame Datenbasis keine blinden Augen sehend machen. Dass sich an den Feindbildern der Inneren Sicherheit auch nach dem NSU-Debakel nichts geändert hat, zeigt sich spätestens daran, dass das im Dezember 2011 eingerichtete Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus knapp ein Jahr später in ein neues Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) eingegliedert wurde, mit dem nun Geheimdienste und Polizei auch gegen "Linksextremismus", "Ausländerextremismus", Spionage und illegale Rüstungsexporte kooperieren sollen. Das Trennungsgebot, das besagt, dass Polizei und Geheimdienste strikt zu trennen sind und ein Geheimdienst keine vollzugspolizeilichen Befugnisse und Aufgaben haben darf, wird weiter ausgehöhlt. Im Dezember 2012 hat die Innenministerkonferenz zudem ein umfangreiches Paket zur "Neuausrichtung" des Verfassungsschutzes beschlossen, das den Inlandsgeheimdienst weiter stärken soll.   Rassismus ist tief im staatlichen Handeln verwurzelt. So gibt es auch in anderen Bereichen gesetzlich vorgesehene Diskriminierung von MigrantInnen (z.B. gekürzte Sozialleistungen für Asylsuchende). Dies stärkt den institutionellen Rassismus, der auch bei den verdachtsunabhängigen Personenkontrollen deutlich wird, die sich vor allem gegen MigrantInnen, gegen People of Colour und Muslime richten.   Noch immer geschehen täglich zwei bis drei rechte Gewalttaten in Deutschland, allein für den Monat Dezember 2012 nannte die Bundesregierung auf Anfrage die Zahl von "vorläufig" 755 politisch rechts motivierten Straftaten, "davon 43 Gewalttaten und 516 Propagandadelikte". Rassistische Gewalt und rechter Terror durch Neonazis haben sich in den bundesdeutschen Alltag eingeschrieben, und doch bleiben auch heute noch Opfer rechter und rassistischer Gewalt der fatalen Mischung aus Ignoranz, Inkompetenz, Verharmlosung und Vertuschung bei Strafverfolgern und Justiz ausgesetzt, die das Staatsversagen im NSU-Komplex im Zusammenspiel mit institutionellem Rassismus erst ermöglicht haben. Die Gängelung und Beeinträchtigung von antirassistischen Initiativen sowie die anhaltenden Versuche, deren Aufklärungsarbeit sowie den Protest und Widerstand gegen Neonazis zu kriminalisieren, sind ebenfalls in diesem Kontext zu sehen und verschaffen den Neonazis weitere Spielräume.   Während ein neonazistisches Terrornetzwerk mit einem offensichtlich breiten Unterstützerkreis mehr als zehn Jahre lang unentdeckt in Deutschland leben und morden konnte, ist eine öffentliche Solidarisierung mit den Opfern und den Hinterbliebenen bislang weitgehend ausgeblieben. Das betrifft nicht nur geheimdienstlich, polizeilich und politisch Verantwortliche. Dieser Mangel an Empathie auch einer Mehrheitsgesellschaft ist es, der nicht nur die Betroffenen nach wie vor allein lässt, sondern rassistische und rechte Täter zu weiterer Gewalt ermutigt.   Für den Kampf gegen Rassismus und Neonazis braucht es nicht noch mehr geheim(dienstlich)e Überwachung, sondern eine andere Politik mit MigrantInnen und Asylsuchenden sowie eine Polizei, die anders Aussehende und anders Lebende als vollwertige BürgerInnen mit gleichen Rechten behandelt – egal woher sie kommen.  Wir fordern:
      Verfassungsschutz abschaffen!
      Keine V-Leute – keine verdeckten Ermittlungen!
      Staatlichen und alltäglichen Rassismus bekämpfen! Humanistische Union http://www.humanistische-union.de
      Internationale Liga für Menschenrechte • http://ilmr.de
      Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. • http://www.grundrechtekomitee.de
      PRO ASYL • http://www.proasyl.de
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein e.V. • http://www.rav.de
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. • http://www.vdj.de

      V.i.S.d.P. Elke Steven, Köln]]>
      news-277Fri, 01 Mar 2013 16:46:00 +0100Keine Demo ohne Videoaufnahmen?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-demo-ohne-videoaufnahmen-277PodiumsdiskussionMontag, den 11. März um 19:00 Uhr Humboldt-Universität zu Berlin, Dorotheenstr. 24, Seminargebäude am Hegelplatz, Fritz-Reuter-Saal Die große Koalition in Berlin will der Polizei das anlasslose Filmen von Demonstrationen erlauben. Ein vom Senat vorgelegter Gesetzentwurf soll noch in diesem Frühjahr verabschiedet werden. Nicht nur Bürgerrechtler sehen die Versammlungsfreiheit gefährdet. Das Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit veranstaltet daher zusammen mit den Kritischen Juristinnen und Juristen der Humboldt-Uni zu Berlin eine Podiumsdiskussion zu dem Gesetzentwurf.Über diese und andere Fragen werden auf dem Podium diskutieren:Zum Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit: Das Bündnis hat sich auf Initiative der Humanistischen Union Berlin- Brandenburg aus Protest gegen die von der Landesregierung geplante Videoüberwachung von Demos gegründet. Mitglieder des Bündnisses sind: Humanistische Union Berlin-Brandenburg | Komitee fur Grundrechte und Demokratie | Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (Ortsgruppe Berlin) | Digitale Gesellschaft | Clof | digitalcourage | Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte | Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen | ver.di (Bezirk Berlin)| attac | Mehr Demokratie| Grüne Fraktion Berlin | Piratenfraktion| Berlin |Linksfraktion Berlin | Landesverband der Grünen | Landesverband der Piratenpartei | Landesverband der Partei DIE LINKE Gründung des Bündnisses]]>ÜberwachungBürger- und Menschenrechte (doublet)Demonstrationsfreiheit (doublet)news-273Tue, 05 Feb 2013 05:27:00 +0100Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit gegründet/publikationen/mitteilungen/mitteilung/berliner-buendnis-fuer-versammlungsfreiheit-gegruendet-273Pressemitteilung vom 4.2.13_________ Der Gesetzentwurf und unsere Kritik Der Berliner Senat hat einen Gesetzentwurf  „über Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen“ (Drucksache 17/0642) vorgelegt. Er soll das anlasslose Filmen von Demonstrationen erlauben. Voraussetzung ist allein, dass es sich um eine große oder unübersichtliche Versammlung handelt. Diese unbestimmten Begriffe öffnen Missbrauch Tür und Tor. Die sogenannten Übersichtsaufnahmen sollen der Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes dienen. Einzelne Personen sollen angeblich nicht erkennbar sein. Für die Lenkung und Leitung ist das Filmen jedoch überhaupt nicht notwendig. Mehrere Polizisten, die sich über Funkgeräte austauschen, haben eine Demonstration ebenso gut im Blick. Im Übrigen kann sich ein Polizist von einem erhöhten Standpunkt aus (z.B. von einem Dach oder einem Hubschrauber) auch ohne Kamera einen Überblick verschaffen. Dass es dem Senat bei dem Gesetz ohnehin weniger um Übersichtsaufnahmen als vielmehr um die konkrete Bespitzelung von Versammlungsteilnehmern geht, offenbart sich bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs. Immer wieder ist hier von Kamera-Wagen die Rede. Wie jedoch von einem Kamera-Wagen Übersichtsaufnahmen angefertigt werden sollen, auf denen einzelne Versammlungsteilnehmer dann nicht erkennbar sein sollen, bleibt ein Rätsel. Bereits in der Vergangenheit hatte die Berliner Polizei solche Aufnahmen angefertigt. Damals ohne gesetzliche Grundlage. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte dies verboten und klargestellt, dass die Versammlungsteilnehmer auch bei Übersichtsaufnahmen stets individualisierbar sind: „Der einzelne Versammlungsteilnehmer muss ständig damit rechnen, durch eine Vergrößerung des ihn betreffenden Bildausschnittes (Heranzoomen) individuell und besonders beobachtet zu werden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist dies generell möglich, so dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufnahmen nicht mehr besteht.“ Die Abschreckungswirkung für potentielle Versammlungsteilnehmer ist daher groß. Dass dem Senat dies nicht bekannt ist, ist schwer vorstellbar. Schließlich hat er Videoüberwachung genau aus diesem Grund an vielen öffentlichen Plätzen eingeführt.  Zudem hat auch hiervor bereits das Berliner Verwaltungsgericht gewarnt: „Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.“  Dies wäre fatal. Nicht nur für die Versammlungs- und Meinungsfreiheit des Einzelnen, sondern auch für unser Zusammenleben. Beide Freiheiten sind unentbehrliche und grundlegende Funktionselemente unseres demokratischen Gemeinwesens. *** Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
      Anja Heinrich, Geschäftsführerin der HU Berlin-Brandenburg
      berlin@humanistische-union.dePM_Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit (PDF)]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet)ÜberwachungBürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-272Tue, 29 Jan 2013 14:00:00 +0100StN_Änderung des Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Sachsen-Anhalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-aenderung-des-gesetzes-ueber-den-vollzug-der-sicherungsverwahrung-in-sachsen-anhalt-272Stellungnahme(2) Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken.
      (3) http://www.diefirma.net/index.php?id=84,323,0,0,1,0
      (4) 2 BvR 2065/09 u.a.
      (5) BVerfG aaO; Rn. 110
      (6) Vgl Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010. Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 im Beobachtungszeitraum gar nicht erneut straffällig geworden.
      (7) verkürzter Link http://bit.ly/VmcTld
      (8) BVerfG aaO Rn 130
      (9) Resozialisierungsanspruch ist Ausfluss des Freiheitsgrundrechtes; u.a. BVerfG B. v. 30.04.2009, 2 BvR 2009/08 m.w.N.
      (10) für viele Kammergericht Beschluss vom 09.12.2009, 2 Ws 569/09 Vollz, sowie Beschluss vom 27.08.2009 –   2 Ws 279/09 Vollz -, OLG Karlsruhe ZfStrVO 2004, 108 (110)
      (11) BVerfG B. v. 20.06.2012; 2 BvR 865/11
      (12) so schon BVerfG Urteil vom 05.02.2004, 2 BvR 2029/01
      (13) Berlit in LPK- SGB II, § 22 Rn. 31 ff. m.w.N.
      (14) vgl. BVerfG aaO Rn. 113
      (15) insbesondere bspw. im Vergleich zu § 14 des Gesetzentwurf zur Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen.]]>
      news-271Fri, 25 Jan 2013 14:33:00 +0100Erneute Massenverhaftung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erneute-massenverhaftung-von-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelten-in-der-tuerkei-271Pressemitteilung vom 25.1.2013RAV und DAV sehen anwaltliche Unabhängigkeit massiv bedroht Die türkische Polizei hat am 18. Januar 2013 bei einer Operation gegen die Revolutionäre Volksbefreiungs-Front (DHKP/C) in mehreren Städten insgesamt 85 Verdächtige, darunter 12 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, festgenommen. Am 20. Januar 2013 hat die Staatsanwaltschaft begonnen, die Verdächtigen zu vernehmen, und am 21. Januar 2013 wurden gegen 9 von ihnen Haftbefehle erlassen. Laut den Medien wird den Verdächtigen vorgeworfen, Verbindungen zu der illegalen Vereinigung DHKP/C zu haben. Die Razzien fanden in den drei Großstädten Istanbul, Ankara, Izmir und in vier weiteren Städten statt. Unter den verhafteten Anwältinnen und Anwälten sind Mitglieder des größten Anwaltsvereins des Landes “Çağdaş Hukukçular Derneği“ (Zeitgenössische Juristenvereinigung). Bei der Durchsuchung des Vereinsgebäudes war kein Staatsanwalt oder Vertreter der Rechtsanwaltskammer anwesend, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Zeitgenössische Juristenvereinigung hat aus Protest öffentlich gegen diese Maßnahmen demonstriert und in einer Presseerklärung auf die Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen hingewiesen sowie ein rechtsstaatliches Vorgehen bei Durchsuchungen angemahnt. Der Verein ist für die Vertretung in Menschenrechtsverfahren bekannt, und viele seine Mitglieder vertreten auch Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen der sogenannten KCK-Verfahren inhaftiert und angeklagt sind. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) beobachten das Vorgehen gegen die Menschenrechtsanwälte in der Türkei unter dem Deckmantel von Anti-Terror-Gesetzen mit großer Sorge. Die verhafteten Anwälte und Anwältinnen sind in zahlreichen Strafverfahren mit politischem Hintergrund und in Menschenrechtsverfahren in der Türkei und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aktiv. DAV und RAV befürchten, dass es zukünftig  keine Anwältinnen und Anwälte mehr geben wird, die bereit sind, in der Türkei die Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu vertreten und in politischen Strafverfahren zu verteidigen. Mit einer vorgestern veröffentlichten Pressemitteilung schloss sich der Vorstand der Istanbuler Anwaltskammer der Kritik der Zeitgenössischen Juristenvereinigung an. Der Präsident der Kammer, Dr. Ümit Kocasakal, verurteilte die Festnahmen von Anwältinnen und Anwälten wie auch die Durchsuchungen ihrer Büros scharf und sicherte den betroffenen Kollegen und Kolleginnen jede notwendige Unterstützung zu. Kocasakal machte deutlich, dass die Durchsuchungen der Anwaltsbüros und des Anwaltsvereins sowie die Beschlagnahme von Akten zum Teil rechtswidrig gewesen seien, und dass der Umfang der Durchsuchungen nicht zu dem Vorwurf der angeblichen Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation passe.  „Diese Verfahren sind ein Angriff auf die Anwaltschaft in der Türkei“ fasste Kocasakal die Sorge der gesamten Istanbuler Anwaltskammer zusammen und schloss: „Wir sind bereit, jeden Preis dafür zu zahlen, um den Rechtsstaat und die Rechte der Staatsbürger zu verteidigen und zu schützen.“ Bereits im November 2011 war es in der Türkei zu einer Massenfestnahme von 46 überwiegend kurdischen Anwältinnen und Anwälten gekommen, von denen sich noch heute 27 in Untersuchungshaft befinden. Dieses Verfahren wird seit Sommer 2012 vom DAV und dem RAV vor Ort beobachtet. Weitere kurdische Anwälte, wie der bekannte Menschrechtsverteidiger Muharrem Erbey, dem am 30. November 2012 der Ludovic-Trarieux-Preis von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verliehen wurde, sind schon seit über drei Jahren inhaftiert. Mit den Verhaftungen vom 21. Januar 2012 befinden sich damit mindestens 37 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei in Haft (s. zuletzt DAV/RAV-Pressemitteilung vom 5. Nov. 2012) DAV und RAV fordern die Einhaltung der „UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte“ vom 7. September 1990 und schließen sich der Solidaritätserklärung der Istanbuler Anwaltskammer mit den inhaftierten Kolleginnen und Kollegen an. Gemäß Artikel 16 der Grundprinzipien hat der Staat sicherzustellen, dass Anwältinnen und Anwälte in der Lage sind, alle ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen. Sie dürfen wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen weder erleiden noch damit bedroht werden. PM_Erneute Massenverhaftung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei (PDF)]]>Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-270Thu, 17 Jan 2013 07:04:00 +0100Aufruf zum Tag des verfolgten Anwalts am Donnerstag, 24. Januar 2013/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aufruf-zum-tag-des-verfolgten-anwalts-am-donnerstag-24-januar-2013-270Pressemitteilungvor der spanischen Botschaft
      Lichtensteinallee 1
      10787 Berlin Zum dritten Mal rufen Anwältinnen und Anwälte aus ganz Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts zu begehen. In den beiden Jahren zuvor wurde auf die Situation der Anwältinnen und Anwälte in der Türkei und im Iran aufmerksam gemacht. Nunmehr wird für die Kolleginnen und Kollegen im Baskenland die volle Gewährleistung der freien Berufsausübung gefordert. Die Protestkundgebungen werden zeitgleich u.a. in Amsterdam, Paris, Rom, Madrid, Barcelona, Mailand, Athen und Den Haag durchgeführt. Alle Anwältinnen und Anwälte werden gebeten in Robe zu erscheinen. Day of the endangered lawyer 2013

      Pressemitteilung
      Zum dritten Mal rufen Anwältinnen und Anwälte aus ganz Europa dazu auf, den Tag des verfolgten Anwalts zu begehen. In den beiden Jahren zuvor wurde auf die Situation der Anwältinnen und Anwälte in der Türkei und im Iran aufmerksam gemacht. Nunmehr wird für die Kolleginnen und Kollegen im Baskenland die volle Gewährleistung der freien Berufsausübung gefordert. In den letzten beiden Jahrzehnten sind mehr als 20 baskische Anwältinnen und Anwälte in Spanien im Rahmen von Ermittlungsverfahren inhaftiert worden, manche bis zu zwei Jahren. Alle Anwältinnen und Anwälte wurden beschuldigt, terroristische Straftaten der ETA unterstützt zu haben bzw. den spanischen Staat  durch Beleidigungen verunglimpft zu haben. Bei den beschuldigten Anwältinnen und Anwälten handelte es sich entweder um Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger oder um Anwältinnen und Anwälte, die mutmaßliche Mitglieder der ETA oder angebliche Organisationen der ETA anwaltlich vertreten haben. Diese Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos und rechtswidrig. In den meisten Fällen wurden die angeklagten Anwältinnen und Anwälte freigesprochen oder die Anklage wurde nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.  Durch die Festnahmen wurden die Anwältinnen und Anwälte durch den spanischen Staat nicht nur an ihrer Berufsausübung gehindert. Auch ihren Mandantinnen und Mandanten wurde das Recht auf eine freie Anwaltswahl genommen. Beide Handlungen stellen eine Verletzung des Artikel 6 Absatz 2 c der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar und verletzen die UN Grundprinzipien betreffend der Rolle der Rechtsanwälte. In Artikel 16 heißt es dort, dass jeder berechtigt ist, den Beistand eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin seiner/ihrer Wahl in Anspruch zu nehmen. Artikel 18 stellt klar, dass die Rechtsanwältin/der Rechtsanwalt wegen der „Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seines Mandanten identifiziert werden“ darf. Den unterzeichnenden Organisationen ist bekannt, dass baskische Anwältinnen und Anwälte in politisch sensiblen Verfahren mit ihren Mandantinnen und Mandanten gleichgesetzt wurden. In einigen Verfahren wurden Strafverteidiger, deren Mandantinnen und Mandanten Aktivitäten für die ETA vorgeworfen wurden, selbst verfolgt, verhaftet, inhaftiert und unter Druck gesetzt. Die verhafteten Anwältinnen und Anwälte waren in Isolationshaft und ihnen wurde verweigert, von einem Anwalt/einer Anwältin ihrer Wahl in den Tagen nach der Verhaftung vertreten zu werden. In Spanien scheint es Praxis zu sein, dass Anwältinnen und Anwälte bedroht werden, weil Angehörige der Polizei, Medien und  juristische Autoritäten vorschlagen, die gleichen Ermittlungen gegen Anwältinnen und Anwälte wie gegen deren Mandantinnen und Mandanten einzuleiten. Dies lässt sich mit geltendem Recht nicht vereinbaren und stellt eine Bedrohung des Rechtsstaatsprinzips dar. Es ist zu befürchten, dass den rechtswidrig angeklagten Anwältinnen und Anwälten sowie den angeklagten angeblichen ETA Mitgliedern das Recht auf ein faires Verfahren genommen wird. Die unterzeichnenden Organisationen weisen auf die genannten Rechtsverletzungen, insbesondere des Rechts auf Verteidigung hin. Dieses Recht wird in vielen internationalen und europäischen Rechtstexten garantiert (Internationale Konvention über zivile und politische Rechte, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union), die von Spanien ratifiziert worden sind. Die Nicht-Gewährung des Rechts auf Verteidigung stellt ferner einen schweren Verstoß gegen die Prinzipien der Vereinten Nationen betreffend der Rolle der Rechtsanwälte, wie sie in Havanna verabschiedet wurden, dar. AED und ELDH sind außerdem besorgt, dass die Verfolgung von Anwältinnen und Anwälte, die schon seit Jahren andauert, einen strukturellen Charakter trägt. Wir fordern: 1. Die volle Umsetzung der internationalen und europäischen Rechtstexte, die von Spanien unterzeichnet wurden, insbesondere: Recht auf ein faires Verfahren (vgl. Art. 14 der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte und Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.) 2. Die volle Umsetzung der Grundprinzipien betreffend der Rolle von Rechtsanwälten, niedergelegt  in ihren Artikeln  7, 8, 16 und 18. Hierzu gehört: *         Der Staat stellt ferner sicher, dass alle mit oder ohne strafrechtliche Beschuldigung festgenommenen oder in Haft gehaltenen Personen unverzüglich Zugang zu einem Rechtsanwalt erhalten, in keinem Fall später als 48 Stunden nach der Festnahme oder Inhaftnahme. *         Alle festgenommenen oder in Haft oder Strafhaft gehaltenen Personen müssen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Erleichterungen erhalten, damit sie ohne Verzögerung, Kontrolle oder Zensur und in strenger Vertraulichkeit von einem Rechtsanwalt besucht werden, mit ihm Kontakt unterhalten und sich mit ihm beraten können. Solche Beratungen dürfen von Vollzugsbeamten beobachtet, aber nicht abgehört werden. *         Der Staat stellt sicher, dass der Rechtsanwalt a) in der Lage ist, alle seine beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage ist, zu reisen und sich mit seinen Mandanten frei zu beraten, sowohl im eigenen Lande als auch im Ausland; und c) wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird. *         Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert werden. 3.     Volle Umsetzung der Ergebnisse  der Berichte des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und Sonderberichterstatters für die Menschenrechte der Vereinten Nationen  4.     Abschaffung der Isolationshaft, vgl. Artikel 3 der EMRK. 5. Abschaffung der vorbeugenden Inhaftierung ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung. 6. Abschaffung der Praxis der geheimen Gerichtsverfahren, welche zur Konsequenz haben, dass Informationen zum Sachverhalt, zur Anklage und Beweislage erst 10 Tage vor dem Ermittlungsende erfahren werden, was das Recht des Beschuldigten sich zu den Vorwürfen zu äußern und das rechtliche Gehör zu wahren, verletzt. 7. Beachtung der Verteidigerrechte und Untersuchung der Verfahren gegen Anwälte, die inhaftiert sind.  8. Freilassung und Entschädigung der rechtswidrig inhaftierten Anwälte. Prof. Bill Bowring, Rechtsanwalt, Präsident der ELDH, London (UK)
      www.eldh.eu  Mr. Frédéric Ureel, Rechtsanwalt, Präsident von AED-EDL, Farciennes (Belgien)
      www.aed-edl.net  *** Für weitere Informationen  * Mr. Hans Gaasbeek, Rechtsanwalt, Vize Präsident von AED- EDL, Haarlem, Niederlanden, Phone 0031 6 52055043,   * Mr. Thomas Schmidt, Rechtsanwalt, ELDH Secretary General, Düsseldorf, Deutschland, Phone 0049 211 444001,   *** Zusammenfassung zur aktuellen Situation der betroffenen baskischen Anwälte (engl) Report (PDF)Pressemitteilung dt PDFPress release engl PDFPetition dt PDFPetition engl PDF ***
      Der Tag des verfolgten Anwalts ist ein Projekt, das 2010 von der Kommission der Verteidigung der Verteidigung der EDA (AED –EDL) gestartet wurde. Ziel ist, an dem Jahrestag die internationale Aufmerksamkeit auf die weltweiten Bedrohungen, Verfolgungen und Tötungen von Anwältinnen und Anwälte aufmerksam zu machen. Anwältinnen und Anwälte werden auf Grund ihrer Berufsausübung verfolgt. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam mit der ELDH geführt. Die Teilnahme weiterer Anwältinnen und Anwälte und Menschenrechtsorganisationen ist willkommen.   ]]>
      Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-269Wed, 09 Jan 2013 21:32:00 +0100Bedrohte Anwältinnen und Anwälte: im Streit für Menschenrechte, gegen staatliche Unterdrückung und Willkür/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bedrohte-anwaeltinnen-und-anwaelte-im-streit-fuer-menschenrechte-gegen-staatliche-unterdrueckung-und-willkuer-269Veranstaltung im Gedenken an Rechtsanwalt Hans Litten
      Freitag, 25.1.2013 um 18:00
      in den Räumen der Rechtsanwaltskammer Berlin, 4. Etage
      Littenstr. 9, 10179 Berlin
      Eine gemeinsame Veranstaltung von VDJ, RAV und RAK Berlin
      Programm
      Begrüßung durch den Vorsitzenden der VDJ, Rechtsanwalt Dieter Hummel  Prolog Schauspieler Rolf Becker spricht Texte von und über Hans Litten  Geschmäht, bedroht, gefoltert - Hans Litten und der Kampf um das Recht, Rechte zu haben, Rechtshistoriker Ralf Oberndörfer  Die Verteidigung der Freien Advokatur im Ausland und ihre Bedeutung für die Freie Advokatur im Inland, Rechtsanwalt und Notar Bernd Häusler, Vizepräsident und Menschenrechtsbeauftragter der RAK Berlin  Zur Situation baskischer Anwältinnen und Anwälte, Rechtsanwalt Jonan Lekue  Anschließend kleiner Empfang bei Wein, Saft, Wasser und Snacks Es wird um Anmeldung gebeten:
      per E-Mail vorstand@rak-berlin.org
      per Fax 030 / 306 931 99 Flyer (PDF)]]>
      news-268Fri, 04 Jan 2013 12:27:00 +0100„Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“ /publikationen/mitteilungen/mitteilung/sie-herr-vorsitzender-werden-uns-anwaelte-auch-noch-einmal-brauchen-268Pressemitteilung vom 4.1.2013Anklagevorwurf ist die angebliche Mitgliedschaft der Kolleginnen und Kollegen in der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK). Dieser Vorwurf knüpft nahezu ausschließlich an ihre anwaltlichen Tätigkeiten an. 27 der 46 angeklagten Kolleginnen und Kollegen befinden in Untersuchungshaft. Der Strafprozess hatte am 16. Juli 2012 begonnen und wurde am 3. Januar 2013 auf den 28. März 2013 vertagt. Diese lange Verhandlungspause stellt erneut einen massiven Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz  in Haftsachen dar. „Die lange Untersuchungshaft von nunmehr über 400 Tagen kommt einer Vorverurteilung der angeklagten Anwältinnen und Anwälte gleich“, sagt Rechtsanwalt Ralph Monneck, der das Verfahren für den RAV in Istanbul zusammen mit weiteren rund 30 Vertretern europäischer Anwaltskammern und -organisationen beobachtet. Der Vorsitzende „beschleunigte“ das Verfahren allein dadurch, dass er die Verteidigungsrechte einschränkte und den Verteidigern nur 5 Minuten gab, ihre Anträge auf Haftentlassung vorzutragen.  Zur Begründung der Anträge führte die Verteidigung erneut zahlreiche massive Rechtsverstöße im bisherigen Verfahrensverlauf auf. Hierzu gehören insbesondere die Unbestimmtheit der Tatvorwürfe sowie rechtswidrig erlangte Beweismittel unter Verstoß gegen Schutzrechte von Strafverteidigern und Strafverteidigerinnen. Am Ende der Hauptverhandlung beschied das Gericht in Abwesenheit der Angeklagten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Anträge der Verteidigung und hielt die Haftbeschlüsse für 26 der Inhaftierten aufrecht und verschonte lediglich einen der angeklagten Anwälte von der Untersuchungshaft. Ein inhaltlicher Fortgang des Verfahrens konnte nicht verzeichnet werden. Ein Ende des Prozesses ist somit weiterhin nicht absehbar. Mit dem Satz „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“ wies einer der Verteidiger darauf hin, dass das gesamte Verfahren allein der politischen Konjunktur geschuldet ist und sich in der Türkei der Wind schnell drehen kann. Berlin, 4. Januar 2013 Pressemtitteilung: „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“(PDF)]]>Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-267Wed, 12 Dec 2012 16:24:00 +0100Stellungnahme zum Gesetzentwurf, Änderung des SOG in Sachsen-Anhalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-gesetzentwurf-aenderung-des-sog-in-sachsen-anhalt-267Anhörung am 12.12.2012_Drucks. 6/1253Verfasser/in: Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin; John Philipp Thurn, Rechtsreferendar Vorbemerkung Angesichts der Vielzahl der geplanten Änderungen beschränkt sich die Stellungnahme auf die vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Kennzeichnungspflicht (1.), Ermächtigung zum Erlass von „Alkohol-Verordnungen“ (2.), Datenerhebungs-/-speicherungsbefugnissen (3.) sowie Befugnis zum Unterbrechen der Telekommunikation (4). 1. Kennzeichnungspflicht, § 12 SOG LSA [neu] Die Einführung einer Ausweisungs- und Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ist für die Verbesserung der Kontrolle polizeilichen Handelns unabdingbar. Nach Erfahrung der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen des RAV gibt es immer noch große Schwierigkeiten, rechtswidrige polizeiliche Übergriffe nachzuweisen. Sehr häufig scheitern Verfahren an der fehlenden Identifizierung des Täters oder der Täterin. Für den oder die einzelne/n Polizist/in ist es ein Leichtes, sich hinter der Anonymität der Einsatzgruppe zu verstecken. Sind die Polizeiangehörigen aber namentlich oder über eine Kennzeichnung identifizierbar, können ihre Handlungen im Rahmen eines Einsatzgeschehens individuell nachvollzogen werden. Dies bietet dann einen Ansatz für Ermittlungen und eine Grundlage für ein Verfahren, gewährleistet also effektiven Rechtsschutz. Dafür, dass – wie schon mehrfach von Seiten der Polizei vorgetragen – eine Kennzeichnung Polizeibeamte und deren Familien gefährde, gibt es keinen empirischen Beleg. Angriffe auf Polizeibeamte stehen erfahrungsgemäß in Zusammenhang mit deren Einsätzen, nicht mit deren Person. Dieser Besorgnis kann aber auch damit begegnet werden, dass an Stelle des Namens eine Kennzeichnung getragen wird, über die die Beamten individuell zu identifizieren sind. Es bestehen auf Seiten des RAV auch keine Bedenken gegen eine Regelung, wonach den Beamten ein entsprechendes Wahlrecht eingeräumt wird. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht kann in Konfliktsituationen deeskalierend wirken. Mandant/innen der im RAV organisierten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen haben berichtet, dass gerade in angespannten Situationen auf die explizite Frage nach Dienstnummer oder Namen mit unpassenden Scherzen („007“, „Papa“) reagiert oder die Antwort gleich ganz verweigert wurde. Da in diesen Fällen die fragende Person anschließend eben nicht benennen kann, wer in dieser Weise die Antwort verweigert hat, bleibt entsprechendes Handeln ohne Folge. Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucks. 6/329) wird deshalb von Seiten des RAV begrüßt. Der Entwurfstext sollte jedoch insoweit geändert werden, dass in Absatz 2 für die nicht-namentliche Kennzeichnung statt eines Schildes mit einer höchstens fünfstelligen Nummer eine „zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung“ vorgesehen wird. Der bisherige Wortlaut lässt nicht hinreichend deutlich werden, dass die Nummer eine individuelle Bezeichnung sein soll. Es muss außerdem sicher gestellt sein, dass die Kennzeichnung so einprägsam gestaltet ist, dass Zeugen und Zeuginnen eine Chance haben, sie wahrzunehmen und zu erinnern. Es gibt außerdem keinen Grund eine generelle Ausnahmeregelung für die allgemeine Kennzeichnungspflicht vorzusehen, wie sie in Abs. 3 des Entwurfs formuliert ist. Zwar liegt nahe, dass zum Beispiel Verdeckte Ermittler von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden müssen, um sinnvoll eingesetzt werden zu können. Jedoch kann die entsprechende Ausnahme ebenso gut bei der Befugnisnorm eingefügt werden, in der es um diese Maßnahme geht. Es ist zu befürchten, dass eine Formulierung, die so allgemein gefasst ist wie die im Entwurf vorgesehene, dazu führen wird, dass eine – der Kennzeichnungspflicht bekanntermaßen sehr kritisch gegenüber stehende – Polizei diese Ausnahme zur Regel zu machen versuchen wird. Wenn aber in der Praxis dann zum Beispiel in jedem Versammlungsgeschehen der Einsatzleiter eine Ausnahmebewilligung erteilt und erst hinterher dagegen vorgegangen werden kann, wird der Zweck der Regelung verfehlt. 2. Ermächtigung zum Erlass von Vorsorgeverordnungen gegen den Verzehr von Alkohol und das Mitführen von Glasgetränkebehältnissen, § 94a Abs. 2, 3 Nr. 2 [neu] Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und die einschlägige Literatur gehen davon aus, dass der Konsum oder das Mitführen von alkoholischen Getränken im öffentlichen Raum an sich nicht als Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung angesehen werden können (siehe nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2009; Az. 1 S 2200/08; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.03.2010, Az. 3 K 319/09; OLG Hamm, Beschluss vom 04.05.2010, Az. 3 RBs 12/10; Hecker, NVwZ 2010, S. 359 ff.; Rachor, in: Lisken/Denninger [Hrsg.], Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. F Rn. 80; Finger, Die offenen Szenen der Städte, 2006, S. 196). Der Gesetzentwurf geht dem gegenüber davon aus, dass durch den jederzeitigen Erwerb und unmittelbaren Verzehr von Alkohol Gefahren hervorgerufen werden. Die im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte berichten, dass nach ihrer Erfahrung kein Zusammenhang zwischen dem „unmittelbaren Verzehr“ von Alkohol und „gefährlichem“ Verhalten besteht. Es gibt dafür auch keinen empirischen Nachweis. Alle verfügbaren kriminologischen Erkenntnisse bestätigen, dass Alkoholkonsum keineswegs regelmäßig oder typischerweise, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen zur Begehung von Straftaten führt. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich dort, wo viele Menschen zusammentreffen, die Zahl der Konflikte und damit auch die Gefahr abweichenden Verhaltens erhöht – ganz unabhängig davon, ob Alkohol konsumiert wird oder nicht. So ist zum Beispiel rein empirisch festzuhalten, dass die oftmals genannten Zahlen der Straftatbelastung während des Münchener Oktoberfests oder während Fußballspielen sich relativieren, wenn berücksichtigt wird, wie viele Personen zu derartigen Gegebenheiten zusammenkommen. Die durchschnittliche Besucher/Besucherinnen-Zahl der 1. Bundesliga liegt bei 45.000 Personen pro Spiel, zum Oktoberfest kamen im Jahr 2012 etwa 6,4 Millionen, beim Rosenmontagszug des Kölner Karnevals sind es 1 Million Schaulustige. Angesichts dieser Zahlen kann von einer wegen des Alkoholkonsums gesteigerten Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden, sondern allenfalls von einer räumlichen Zusammenführung der in der Gesellschaft vorhandenen „Gefährlichkeit“. Dass allein die Steigerung des Konfliktpotentials durch das öffentliche Zusammentreffen von Menschen, die dabei auch Alkohol konsumieren oder auch nur mit sich führen, schon die Grundlage für grundrechtsbeschränkende polizeiliche Maßnahmen bietet, bedeutet einen spürbaren Freiheitsverlust im öffentlichen Raum. Es drohen hier Verhaltensweisen verboten zu werden, die für sich genommen in jeder Hinsicht ungefährlich sind und zum Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen und Plätzen gehören. Eine derartige Verpolizeilichung des öffentlichen gesellschaftlichen Lebens wird abgelehnt. In einer offenen Gesellschaft sollten Konflikte anders gelöst werden als durch Verbote. Dieser Grundsatz muss insbesondere vor dem Hintergrund betont werden, dass die angedachte Regelung übermäßig Zusammentreffen und Alkoholkonsum bestimmter, weniger akzeptierter gesellschaftlicher Gruppen wie Jugendlicher oder Wohnungsloser betrifft, während gesellschaftlich akzeptierte Gruppen wie Kegelklubs oder Studierendenpartys davon in geringerem Maße betroffen sein werden, weil diese – anders als die „Randgruppen“ – eher nicht auf der Straße trinken, sondern Zugang zu Lokalen oder Zusammenkünften innerhalb geschlossener Räumlichkeiten haben. Das selektive Vorgehen gegen den Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum, verglichen mit dem teureren Verzehr in Gaststätten, berührt deshalb auch den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Entgegen der Rechtsprechung des OVG LSA (Urteil vom 17.03.2010, Az. 3 K 319/09 – juris, Rn. 49) droht mit der geplanten Gesetzesänderung ein vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigendes „Instrument zur Verdrängung bzw. Vertreibung von als unerwünscht erachteten gesellschaftlichen Gruppen zum Zwecke der 'Milieupflege'“. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist abschließend anzumerken, dass Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit der Regelung fraglich sind. Zur Verhältnismäßigkeit ist festzuhalten, dass der Gesetzentwurf weder eine Begrenzung des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Verbote, noch eine Befristung der Verordnungen vorsieht. Beides enthält dagegen die Parallelnorm des § 9a PolG Sachsen, die bislang die in Deutschland weitestgehende Ermächtigung zum Erlass alkoholbezogener Vorsorgeverordnungen beinhaltet. Dass die Verordnungen auch das „Bereithalten zum Verzehr“ oder das „Mitführen von Glasbehältern“ umfassen können sollen, genügt dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes nicht. Die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen des RAV gehen davon aus, dass aufgrund der bisherigen unbestimmten Formulierung etwaige Ordnungswidrigkeitenverfahren (Bußgeldbewehrung in § 107 Abs. 1 Nr. 5 SOG LSA [neu]) keine Grundlage haben werden. 3. Regelungen zur Datenerhebung und -speicherung 3.1. Videoaufzeichnung bei polizeilichen Anhaltevorgängen, § 16 Abs. 3 SOG LSA [neu] Die Schaffung dieser Befugnis begegnet datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Aufzeichnung von Kontrollen bedeutet einen weitergehenden Eingriff als durch die Kontrolle an sich bereits verwirklicht wird. Die Betroffenen werden durch die gleichzeitige Filmaufzeichnung noch  mehr zum Objekt der polizeilichen Maßnahme gemacht und zusätzlich stigmatisiert. Gleichzeitig ist nach den Erfahrungen der Anwältinnen und Anwälte des RAV kaum anzunehmen, dass diese Maßnahme überhaupt der Eigensicherung dienen kann. Im Gegenteil birgt der Einsatz einer Kamera während Kontrollen eigenes Konfliktpotential in sich, weil die kontrollierten Personen gerade diesen weitergehenden Eingriff ablehnen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass nicht zutrifft, was als Begründung für die Einführung dieser Befugnis im Gesetzesentwurf zugrunde gelegt wird. Tatsächlich gibt es keine empirischen Belege für eine gesteigerte Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten (dazu statt vieler Puschke/Singelnstein, NJW 2011, S. 3473 ff. m. w. N.). Besonders problematisch ist, dass die neu eingeführte Maßnahme in Zusammenhang mit jeglicher Personen- oder  Fahrzeugkontrolle zulässig sein soll, d. h. auch in Zusammenhang mit Identitätsfeststellungen nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 SOG, also an Kontrollstellen, die im Vorfeld von Versammlungen eingerichtet werden. Hier ist neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG betroffen, die auch umfasst, sich frei und ungehindert ohne staatliche Beeinflussung zu einer Demonstration zu versammeln.  Überwachung und Registrierung beeinträchtigen die Teilnahme an Versammlungen, da nach Ansicht des Verfassungsgerichts, wer damit rechnen muss, dass seine Teilnahme behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen, möglicherweise auf die Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten wird (BVerfGE 65, 1, 43). Art. 8 Abs. 1 GG schützt deshalb auch davor, das Grundrecht im Visier der Polizei wahrnehmen zu müssen (OVG Bremen vom 24.04.1990, NVwZ 1990, S. 1188 ff. [1189]). Sollte eine derartige Befugnis dennoch Gesetz werden, müssten auf jeden Fall einschränkende Verpflichtungen in zweierlei Hinsicht aufgenommen werden. Zum einen müsste eine Pflicht normiert werden, alle von der Maßnahme betroffenen Personen darauf hinzuweisen, dass eine Bildaufzeichnung stattfindet. Für den Fall, dass die Kamera nicht wahrnehmbar offen gezeigt wird, kann nur ein solcher Hinweis sicherstellen, dass die Betroffenen gegebenenfalls gegen den Eingriff um Rechtsschutz nachsuchen können. Zum anderen muss sichergestellt werden, dass die Aufzeichnungen nach Abschluss der Maßnahme vernichtet und nicht zu anderen Zwecken verwendet werden dürfen. 3.2. Telekommunikationsüberwachung und Quellen-TKÜ, § 17a und § 17b SOG LSA [neu] Präventivpolizeiliches Abhören und Aufzeichnen von Telekommunikationsinhalten und -umständen ist grundsätzlich abzulehnen. Aus der Erfahrung der im RAV organisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist neben den strafprozessualen Befugnissen kein weiterer Bedarf an entsprechenden Eingriffsgrundlagen. Die polizeiliche Erhebung von telekommunikativen Inhalts- und Verbindungsdaten, auch per IMSI-Catcher (§ 17a Abs. 1), sowie die entsprechenden Auskunftsansprüche gegenüber Diensteanbietern (§ 17a Abs. 2), auch bezüglich online gespeicherter Kommunikationsinhalte wie E-Mails (§ 17a Abs. 6), stellen eine massive Vorverlagerung von Eingriffsbefugnissen zu Lasten des Grundrechts auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) dar. Entgegen dem Grundsatz des liberal-rechtsstaatlichen Gefahrenabwehrrechts, vom konkret-individuellen Vorgehen gegen Verantwortliche (Störer) nur unter strengen Voraussetzungen im Einzelfall abzuweichen, soll die präventive Telekommunikationsüberwachung nach § 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 3 gegen jedermann erfolgen können, wenn dies „unerlässlich“ ist. Diese Eingriffsschwelle liegt sogar erheblich unterhalb den üblichen Voraussetzungen für ein Vorgehen gegen Nicht-Verantwortliche (Nicht-Störer), wie sie § 10 SOG LSA normiert; dass mit den Kommunikationspartnern weitere unbeteiligte Personen zwangsläufig mitüberwacht werden, stellt § 17a Abs. 3 S. 2 klar. Die vorgeschlagene Befugnis des § 17b stellt eine eher einem Geheimdienst als einer an die rechtsstaatliche Gefahrenschwelle gebundenen Polizei entsprechende Überwachungsbefugnis dar. Denn auch hier muss eine Person nicht einmal Nicht-Störerin im Sinne des § 10 SOG LSA sein, um Adressatin der polizeilichen Maßnahme zu werden. „Staatstrojaner“ ermöglichen auch dann einen tiefen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, wenn tatsächlich entsprechend § 17b Abs. 3 technisch gewährleistet werden kann, dass sie keine umfassende „Online-Durchsuchung“ der betroffenen informationstechnischen Systeme ermöglicht. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass derzeit aber nach allem, was bekannt ist, eine derartige technische Einschränkung nicht möglich ist. Im Zusammenspiel beider Befugnisse entsteht die Möglichkeit einer derart extensiven und intensiven Überwachung der Telekommunikation, dass umfassende Persönlichkeitsprofile von Personen erstellt werden können. Dies ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (siehe zuletzt BVerfG, Az. 1 BvR 22/12 vom 8.11.12). 3.3. Rasterfahndung, § 31 Abs. 1 SOG LSA Nach allen Erfahrungen und auch nach empirischen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Pehl, Die Implementation der Rasterfahndung, 2008) wird die Maßnahme der Rasterfahndung sowohl auf strafprozessualer als auch auf präventivpolizeilicher Grundlage sehr selten durchgeführt und ist in diesen wenigen Fällen zudem wenig erfolgreich. Indem im vorliegenden Entwurf die Tatbestandsvoraussetzung „zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung“ sowie die Subsidiaritätsklausel (wenn „dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und auf andere Weise nicht möglich ist“) gestrichen werden, erfolgt eine problematische Ausweitung einer tatsächlich nicht benötigten polizeilichen Befugnis. Aus bürgerrechtlicher Perspektive ist die in der Gesetzesbegründung (S. 59) erkennbare Tendenz, die durch das Bundesverfassungsgericht formulierten grundgesetzlichen Grenzen partout auszureizen, ohnehin abzulehnen. Zugunsten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) wäre, wenn die Norm nicht abgeschafft wird, wenigstens eine deutliche Begrenzung der Befugnis geboten, etwa was besonders sensible personenbezogene Daten betrifft. 3.4. Videobeobachtung von Ingewahrsamgenommenen, § 39 Abs. 4 SOG LSA [neu] Den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten des RAV wird in nicht geringfügigem Ausmaß immer wieder von Betroffenen berichtet, dass sich Polizeibeamte im Gewahrsam unangemessen bis falsch/gewalttätig verhalten. Wie bereits in Hinblick auf die Kennzeichenpflicht unter 1. ausgeführt, ist jedoch auch wegen fehlender Identifizierbarkeit der entsprechenden Beamten ein Nachweis häufig schwierig. Eine Aufzeichnung der Vorgänge in polizeilichen Einrichtungen könnte insoweit Abhilfe schaffen, da dadurch eine Dokumentation von Gesetzes wegen vorgeschrieben wäre. Für den Fall, dass ein bestimmter Vorgang nicht aufgezeichnet würde, könnte dies als Indiz dafür gewertet werden, dass etwas verborgen werden soll. Allerdings wird die Maßnahme, wie sie im Entwurf vorgeschlagen ist, wegen ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs diesem Zweck nicht gerecht. Sie entspricht entgegen der Gesetzesbegründung aus demselben Grund auch keineswegs der Empfehlung von Amnesty International im Bericht zu rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland von 2010. Sie soll nämlich nicht flächendeckend den gesamten Gewahrsamsbereich betreffen, sondern lediglich Aufnahmen von gesundheitlich erheblich beeinträchtigten Personen ermöglichen. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob gesundheitlich beeinträchtigte Personen nicht ohnehin besser in anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern, untergebracht oder unter direkte Aufsicht von Fachpersonal mit mindestens einer Sanitäterausbildung gestellt werden sollten. Erst recht bleibt völlig unklar, wieso es geboten sein könnte, solchen Personen den eigentlich vorgesehenen Hinweis auf die Überwachung (Satz 2) vorzuenthalten. Jedenfalls müsste durch die Normierung eines ausdrücklichen Verwertungsverbots gesichert werden, dass aus der zum Schutz einer Person eingeführten Überwachungsmaßnahme ihr nicht indirekt Nachteile entstehen können, indem die Erkenntnisse aus der Beobachtung zum Beispiel in ein Strafverfahren eingeführt werden. 3.5. Körperliche Untersuchung gegen Infektionsgefahren, § 41 Abs. 6 SOG LSA [neu] Zur Erreichung des Zwecks der Maßnahme erforderlich und wegen der Beeinträchtigung der Grundrechte Betroffener ist es geboten, den Tatbestand der Befugnisnorm so zu begrenzen, dass eine zwangsweise Untersuchung allenfalls dann stattfinden darf, wenn die zu schützende Person mit der zu untersuchenden Person tatsächlich so in Kontakt gekommen ist, dass eine Krankheitsübertragung nach ärztlichen Erkenntnisse überhaupt möglich ist. Dies sollte durch die Vorgabe sichergestellt werden, dass der Arzt oder die Ärztin, der/die mit der Durchführung betraut wird, schriftlich bestätigt, dass im konkreten Fall tatsächlich die Gefahr einer Übertragung bestand. Bei Anwendung der Befugnis wird weiterhin das Diskriminierungsverbot aus § 6 Abs. 3 SOG LSA streng zu beachten sein, damit Personen nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer (vermeintlichen) Risikogruppe von der Maßnahme erfasst werden. Zu denken wäre an eine weitere Vorgabe, wonach die Tatsachen, auf die die Annahme der Übertragungsmöglichkeit gestützt wird, von der anordnenden Stelle ebenfalls schriftlich dargelegt werden müssen. 4. Unterbrechung und Verhinderung von Kommunikationsverbindungen, § 33 SOG LSA [neu] Die im Entwurf enthaltene Norm zum Abschalten der Telekommunikation widerspricht dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot.  Denn nach dem Wortlaut des Entwurfs soll jede gegenwärtige Gefahr für Leib oder Freiheit ausreichen, um die entsprechende Maßnahme anzuordnen. Dies geht weit über den sinnvollen Anwendungsbereich hinaus. Zwar kann man mit der Gesetzesbegründung der Meinung sein, dass zur Unterbindung der Fernzündung eines Sprengsatzes die Maßnahme nicht nur geeignet, sondern sicherlich auch erforderlich und damit verhältnismäßig ist. Jedoch ist dies schon im zweiten Beispielsfall aus der Gesetzesbegründung weniger offensichtlich. Denn bei einer Geiselnahme ist die Aufrechterhaltung des Kontakts zu den Geiselnehmer/innen sicherlich sinnvoller als eine Unterbrechung. Erst recht gilt aber, dass das Gesetz so formuliert werden muss, dass nicht schon die Annahme eines Bevorstehens einer einfachen Körperverletzung (= Gefahr für Leib einer Person) oder ähnliches für diese weit gehende Einschränkung einer nach dem Wortlaut des Gesetzes ebenfalls unbestimmten Vielzahl von Telekommunikationsvorgängen ausreicht. Aus der Erfahrung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des RAV ergibt sich, dass in Zusammenhang mit Versammlungen bereits derartige Störungen des Telekommunikationsverkehrs taktisch eingesetzt werden. Durch dieses Vorgehen werden Demonstrationsteilnehmer/innen daran gehindert, zum Beispiel bei größeren Ansammlungen die Gruppe ausfindig zu machen, zu der sie zugehörig sind und deren Meinungsäußerungen sie durch vorbereitete Transparente unterstützen wollen. Diese verfassungswidrige Einschränkung der grundgesetzlich gewährten Freiheit, sich frei und ungehindert ohne staatliche Beeinflussung zu einer Demonstration zu versammeln, ist abzulehnen. Sollte eine Vorschrift zum Abschalten der Telekommunikation in das Polizeigesetz Aufnahme finden, muss auf jeden Fall Vorsorge getragen werden, dass solche unverhältnismäßigen Grundrechtseinschränkungen ausgeschlossen sind. Berlin, 10. Dezember 2012 Die vorliegende Stellungnahme des RAV als PDF]]>news-265Tue, 04 Dec 2012 18:44:00 +0100Freiheit für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-fuer-die-iranische-rechtsanwaeltin-nasrin-sotoudeh-265Pressemitteilung zum Tag der Menschenrechte am 10.12.2012Mehrere Organisationen kritisieren die Haftbedingungen für Nasrin Sotoudeh und fordern deren Freilassung

      Heute am Tag der Menschenrechte rufen mehrere Organisationen die iranische Führung zur Freilassung und zum Schutz der Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh auf. Frau Sotoudeh ist seit 26 Monaten im Iran auf Grund ihrer Menschenrechtsarbeit in Haft. Aufgrund von Anschuldigungen, Propaganda zu verbreiten und die Staatssicherheit zu gefährden wurde sie am 9. Januar 2011 zu einer Haftstrafe von 11 Jahren verurteilt. Es wurde außerdem ein 20jähriges Berufs – und Ausreiseverbot verhängt. Erst nach einem Berufungsverfahren wurde die Strafe auf sechs Jahre Haft und ein 10jähriges Berufs– und Ausreiseverbot herabgesetzt. Seit ihrer Festnahme am 4. September 2010 war sie immer wieder für längere Zeit in Einzelhaft und ist aus Protest gegen ihre Festnahme und Haftbedingungen mehrfach in den Hungerstreik getreten.

      Nasrin Sotoudeh befand sich vom 17. Oktober bis zum 3. Dezember 2012 im Hungerstreik um gegen das Besuchsverbot für ihre Familie zu protestieren. Der 12jährigen Tochter wurde eine Auslandsreise verboten, der Ehemann wird nicht mehr zum Besuch vorgelassen. Eine Begründung hierfür erfolgte nicht. Frau Sotoudeh kämpfte mit ihrem Hungerstreik um eine regelmäßige Besuchsregelung für ihre Familie und ein Besuchsrecht ohne Trennscheiben in einem gesonderten Raum sowie die Aufhebung des Ausreiseverbots für ihre Tochter.

      Nasrin Sotoudeh wurde 1963 geboren und setzt sich als Rechtsanwältin seit Jahren für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Sie vertrat insbesondere Aktivisten der Opposition, die im Zusammenhang mit den Protesten gegen die manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 inhaftiert wurden. Sie vertritt zum Tode verurteilte Jugendliche, Frauen und politische Häftlinge. Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh hat gemeinsam mit dem Filmemacher Jafar Panahi den diesjährigen Sacharow Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments gewonnen. Sie hat eine zwölfjährige Tochter und einen fünfjährigen Sohn.

      Wir machen uns große Sorgen um Nasrin Sotoudeh, deren Gesundheit auf Grund mehrerer Hungerstreiks sehr geschwächt ist.

      Amnesty International betrachtet Nasrin Sotoudeh als eine gewaltlose politische Gefangene, die nur aufgrund ihrer Arbeit als Anwältin festgehalten wird, und fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.

      Dieser Forderung schließen wir uns an und fordern die Bundesregierung auf, sich für die Forderung ebenfalls einzusetzen.

      Am 10.12.2012 wird es zur Situation von Nasrin Sotoudeh und anderen politischen Gefangenen im Iran um 13:00 Uhr eine Protestkundgebung vor der iranischen Botschaft in Berlin geben. An dieser Kundgebung werden sich neben dem Verein iranischer Flüchtlinge und dem Komitee zur Verteidigung der politischen Gefangenen im Iran auch Vertreter des RAV, der VDJ und der Berliner Rechtsanwaltskammer beteiligen.

      AnsprechpartnerIn für weitere Informationen:
      Hamid Nowzari, Verein Iranischer Flüchtlinge Berlin e.V. Tel. 0172.1647761
      Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, Vorstandsmitglied im RAV, Tel. 030.62987720 

      http://action.amnesty.de/l/ger/p/dia/action/public/?action_KEY=8879&d=1

      http://dustandtrash.blogspot.de/2012/11/nasrin-sotoudeh-hungerstreik.html

      https://englishtogerman.wordpress.com/2012/11/18/reza-khandan-kein-besuch-fur-nasrin-sotoudeh-am-33-tag-ihres-hungerstreiks/

      http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20121026STO54665/html/Nasrin-Sotoudeh-und-Jafar-Panahi-%E2%80%93-die-Gewinner-des-Sacharow-Preises-2012

       

      PM_Freiheit für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh (PDF)

      PR_Freedom for the Iranian Lawyer Nasrin Sotoudeh (PDF)

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      IranRepression gegen Rechtsanwälte
      news-264Fri, 23 Nov 2012 10:36:00 +0100Die beabsichtigte Einschränkung des Versammlungsrechts durch das Abgeordnetenhaus von Berlin ist fahrlässig/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-beabsichtigte-einschraenkung-des-versammlungsrechts-durch-das-abgeordnetenhaus-von-berlin-ist-fahrlaessig-264Stellungnahme vom 22.11.12http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-0642.pdfDie beabsichtigte Einschränkung des Versammlungsrechts durch das Abgeordnetenhaus von Berlin ist fahrlässig (PDF)]]>news-263Sat, 17 Nov 2012 16:12:00 +0100Das Problem heißt Rassismus! RAV kritisiert Buch des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky/publikationen/mitteilungen/mitteilung/das-problem-heisst-rassismus-rav-kritisiert-buch-des-neukoellner-buergermeisters-buschkowsky-263Pressemitteilung vom 17.11.12Das Problem heißt Rassismus! Unter diesem Motto haben rund 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am Samstag, dem 17. November 2012 im Buchladen Hugendubel am Hermannplatz eine Erklärung verlesen und das Buch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD) mit Aufklebern verschönert.
      Buschkowsky trägt mit seinem Buch zu einem Klima bei, in dem Rassismus gedeiht und die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben wird. Zahlreiche Kundinnen und Kunden sowie das Personal hörten interessiert zu, applaudierten und diskutierten anschließend mit den Kolleginnen und Kollegen, unter ihnen auch zahlreiche RAV-Mitglieder. PhotoPhoto_1Die Erklärung: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kundschaft der Buchhandlung, liebe MitarbeiterInnen der Buchhandlung Hugendubel, wir befinden uns hier, an einem zentralen Neuköllner Platz, neben Bergen eines Buches des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky. Ein Buch, das seit Wochen auf den Bestsellerlisten steht. Wir, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus Neukölln und Kreuzberg, sind gerade dabei, dieses Buch mit dem Aufkleber „das Problem heißt Rassismus“  zu versehen. Warum haben wir uns dazu entschlossen? Buschkowsky schreibt die unerträgliche Integrationsdebatte fort.
      Buschkowsky verwendet den Begriff der „Integration“ als Kampfbegriff. Das Schlagwort der „Integration“ unterteilt die Gesellschaft in ein „Wir“ und ein „Ihr“. Das „Wir“ ist demokratisch und das „Ihr“ folgt archaischen Strukturen.
      Das „Ihr“ sind bei Buschkowsky „die Türken“, „die Araber“ und „die Afrikaner“.
      Das „Wir“ ist mit sozialen Problemen konfrontiert und das „Ihr“ ist dafür verantwortlich. Das „Wir“ ist das Gute, das „Ihr“ ist die Bedrohung.
      Das „Wir“ darf fordern und das „Ihr“ hat sich diesen Forderungen zu unterwerfen. Zu diesem „Wir“ wollen wir nicht gehören! Die Integrationsdebatte ist demokratiefeindlich.
      „Integration“ bei Buschkowsky meint Anpassung statt Dialog.
      Diese Art von Integrationsdebatte spricht den Menschen das Recht ab, in einer Gesellschaft gemeinsam darüber zu entscheiden, wie sie miteinander leben wollen.
      Die Debatte um „Integration“ ist die falsche Debatte.
      Wir wiederholen: Sie ist undemokratisch und spaltet die Gesellschaft. Buschkowsky vertritt eine Politik, die diese Entwicklung der gesellschaftlichen Spaltung fördert.
      Buschkowsky vertritt eine Politik, auf der Rassismus gedeiht. Es ist das alte Lied: Rassismus fördert soziale Deklassierung, soziale Deklassierung fördert Rassismus. Buschkowsky thematisiert NICHT die strukturellen Benachteiligungen von Menschen, NICHT die Sondergesetze gegen AusländerInnen wie etwa Arbeitsverbote und Residenzpflicht. Er thematisiert NICHT den alltäglichen Rassismus, mit denen Menschen mit Migrationshintergrund der Zugang zu Arbeit, zu menschenwürdigem Wohnraum und zu gesellschaftlicher Teilhabe erschwert wird. Er spricht NICHT darüber, dass Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, immer noch als „Ausländer“ wahrgenommen und diskriminiert werden. Genau diese politisch gewollte Ausgrenzung, die wir strukturellen Rassismus nennen, setzt Buschkowsky fort. Und nicht nur das: Er besteht darauf, dass diese Ausgrenzung akzeptiert wird, dass die Mehrheitsgesellschaft die Bedingungen stellen darf. Auf diesem Boden wachsen Begriffe wie „Döner-Morde“ oder „Ermittlungsgruppe Bosporus“. Es ist dieser rassistisch verstellte Blick, der bei den Ermittlungen gegen den NSU das Naheliegende, den rechten Terror, nicht erkennen ließ. Erklärung (PDF)Aciklama (PDF)    ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-262Wed, 07 Nov 2012 10:58:00 +0100Massive Rechtsverletzungen im Großverfahren gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei – Prozessbeobachtung durch RAV und DAV/publikationen/mitteilungen/mitteilung/massive-rechtsverletzungen-im-grossverfahren-gegen-46-anwaeltinnen-und-anwaelte-in-der-tuerkei-prozessbeobachtung-durch-rav-und-dav-262Pressemitteilung vom 7.11.2012
    14. Auch in dem größeren Gerichtssaal fanden nicht alle Verteidiger_innen Platz.
    15. Der Kontakt zu ihrer Mandantschaft wurde ihnen durch eine Polizeikette im Saal verwehrt.
    16. Der Verteidigung wurde durch das Gericht nur eine beschränkte Redezeit eingeräumt, bei Überschreitung wurde ihnen das Mikrofon abgeschaltet.
    17. Den Angeklagten wurde das Recht verwehrt, sich in ihrer kurdischen Muttersprache zu den Vorwürfen zu äußern, obwohl im Türkischen Parlament bereits ein Gesetzesentwurf vorliegt, der Angeklagten die Verteidigung auf Kurdisch ermöglichen soll.

    18. Das Gesetzesvorhaben ist eine Reaktion auf die Forderungen von rund 6.500 kurdischen politischen Gefangenen, die sich zum Teil bereits seit 56 Tagen im Hungerstreik befinden. Die Verteidigung stellte den Antrag, die Verhandlung bis zur Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes zu unterbrechen und die Angeklagten solange freizulassen. Als auch dieser Antrag abgelehnt wurde, verließen sämtliche Verteidiger den Gerichtssaal. Das Gericht setzte die Hauptverhandlung unter Verstoß gegen die Türkische Strafprozessordnung ohne die Verteidigung fort und befragte die Angeklagten auf Türkisch. Rechtsanwältin von der Behrens: „Der Vorsitzende beantwortete dann die von ihm gestellten Fragen selbst. Dies war eine groteske Situation. Nach einer halben Stunde verkündete er schlussendlich die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zum 3. Januar 2013 bei Aufrechterhaltung der Haftbefehle“. Der RAV ist angesichts dieser massiven Einschränkung von Verteidigungsrechten höchst besorgt und fordert die umgehende Freilassung der inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. Eine derartig lange Untersuchungshaft, verknüpft mit der Unmöglichkeit, sich effektiv gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, kommt einer Strafe ohne Urteil gleich. Berlin, 7.11.2012 Pressemitteilung (PDF)]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-261Tue, 06 Nov 2012 09:37:00 +0100Hauptverhandlung in dem Strafverfahren gegen 46 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/hauptverhandlung-in-dem-strafverfahren-gegen-46-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-in-der-tuerkei-261Pressemitteilung vom 5.11.12Interviewangebot:
      Rechtsanwältin GÜL PINAR wird als Prozessbeobachterin das Verfahren beobachten und ist vom 05.11. bis zum 07.11.2012 in Istanbul. Frau Pinar ist Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg und Mitglied des DAV-Ausschusses Strafrecht. Sie ist für Interviews während des Verfahrens in Istanbul unter der Telefonnummer 0049-1724062206 zu erreichen. Berlin, den 05. November 2012 Pressemitteilung (PDF)  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-260Tue, 23 Oct 2012 15:24:00 +0200Rechtsstaatliche Grundsätze in der Türkei missachtet/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsstaatliche-grundsaetze-in-der-tuerkei-missachtet-260Pressemitteilung vom 23.10.12Fast unbeobachtet werden derzeit in der Türkei systematisch unliebsame Kritiker mit Strafverfahren überzogen und mundtot gemacht. So laufen derzeit in Istanbul zwei Großverfahren gegen 46 kurdische Anwältinnen und Anwälte sowie 44 kurdische Journalistinnen und Journalisten. Fast 100 Pressevertreter und über 30 Vertreter der Anwaltschaft befinden sich in Haft. Ihnen wird die Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaft Kurdistans (KCK) unterstellt. Dieser Vorwurf knüpft allerdings ausschließlich an Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsausübung an. Die Verfahren werden daher international als rein politisch motiviert kritisiert. Auch der Deutsche Anwaltverein und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein entsenden Prozessbeobachterinnen. Da die Türkei zwar täglich Thema in den Medien durch den Grenzkonflikt mit Syrien ist, aber das Großverfahren zu wenig Beachtung findet, wollen der Deutsche Anwaltverein (DAV), der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und Amnesty International (ai) mit einer Veranstaltung am Mittwoch, dem 24. Oktober 2012, um 19 Uhr (DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin) auf diese Bedrohung der betroffenen Berufsgruppen und des Bruchs der rechtsstaatlichen Grundsätze aufmerksam machen. Nach einer Rangliste der Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei im Bereich der Pressefreiheit den hinteren Rang 148 von 179. Eingeladen sind aus Istanbul der Rechtsanwalt Ercan Kanar und der Journalist Yıldırım Türker. Sie werden über den aktuellen Stand der Verfahren, die Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit und die gesellschaftlichen Auswirkungen berichten. Rechtsanwalt Ercan Kanar (geb. 1950) ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt u.a. in den Großverfahren gegen die Anwältinnen und Anwälte sowie die Journalistinnen und Journalisten und war lange Jahre Vorsitzender der Zweigstelle des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Istanbul. Yıldırım Türker (geb. 1957) ist Journalist, Autor, Dichter und Übersetzer von Theaterstücken in der Türkei. Er setzt sich seit Jahrzehnten für Presse- und Meinungsfreiheit ein und thematisiert in seinen Kolumnen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Die beiden Referenten stehen nach der Veranstaltung für Fragen zur Verfügung. Nach Absprache mit den Veranstaltern sind auch noch am Donnerstag, dem 25.10.2012, Interviews mit den Referenten möglich.
      Kontakt: Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, RAV, 030 - 54 71 67 72, vdbehrens@kottbusserdamm.net]]>
      Menschenrechte/Türkei (doublet)
      news-258Tue, 02 Oct 2012 14:42:00 +0200Freie Berufe in Gefahr - RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei hinter Gitter/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freie-berufe-in-gefahr-rechtsanwaeltinnen-und-journalistinnen-in-der-tuerkei-hinter-gitter-258Veranstaltungshinweis, Berlin am 24.10.2012Den von diesen Verfahren Betroffenen wird die Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) unterstellt. Dieser Vorwurf knüpft ausschließlich an Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsausübung an. Die Verfahren werden international als rein politisch motiviert kritisiert.
      Die Referenten werden über den aktuellen Stand der Verfahren, die Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit und die gesellschaftlichen Auswirkungen berichten. Zeit: Mittwoch, den 24. Oktober 2012 um 19:00 Uhr Ort: DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin (S-/ U-Bahnhof Alexanderplatz, U-Bahnhof Klosterstraße) Programm:
      19:00 Uhr   Begrüßung durch Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert
      Vorsitzender des DAV-Ausschusses Menschenrechte 19:15 Uhr   Berichte und Diskussion zu den aktuellen Verfahren gegen die RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei 20:30 Fragen aus dem Publikum 21:00 Uhr   Empfang Die Veranstaltung wird simultan gedolmetscht. Der Eintritt ist kostenlos. Wegen der begrenzten Platzkapazitäten wären wir für eine Anmeldung bis zum 19. Oktober 2012 dankbar
      Kontakt: straach@anwaltverein.de
      Fax: +49 (0)30 72 61 52 - 195 Referenten/Moderator:Ercan Kanar (geb. 1950) ist Strafverteidiger in Istanbul. Er verteidigt u.a. in den sog. KCK-Verfahren gegen die RechtsanwältInnen und Journalistinnen und ist Mitbegründer der „Plattform für das Recht auf Verteidigung“. Außerdem vertritt er die von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen gegen den türkischen Staat.
      Von 1990-1998 war er Vorsitzender der Zweigstelle des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Istanbul, von 1992-1996 war er außerdem stellvertretender Vorsitzender des nationalen IHD. Er veröffentlicht in verschiedenen Fachzeitschriften zu rechts- und gesellschaftspolitischen Fragen. Yìldìrìm Türker (geb. 1957) ist Journalist, Autor, Dichter und  Übersetzer von Theaterstücken in der Türkei. Er war als Dramaturg beim Istanbuler Stadttheater tätig. Als Journalist baute er die linksliberale türkische Zeitung ‚Radikal‘ mit auf, die er in diesem Jahr nach 16 Jahren verlassen musste, da eine seiner Kolumnen von der Zeitung nicht veröffentlicht wurde.
      Yìldìrìm Türker setzt sich seit Jahrzehnten für Presse- und Meinungsfreiheit ein und thematisiert in seinen Kolumnen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.
      Am 13.10.2012 ist er Referent auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt und spricht zu „Pressefreiheit und Demokratie in der Türkei“. Wolfang Kaleck (geb. 1960) ist Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Rechtsanwalt in Berlin. Freie Berufe in Gefahr - RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei hinter Gitter (PDF) Anbei noch mal die Pressemitteilung des RAV vom 17.7.2012 zum Prozessauftakt im Großverfahren gegen türkische und kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
      Prozessauftakt im Großverfahren_PM zur Prozessbeobachtung  vom 17.7.12 (PDF)]]>
      news-257Mon, 01 Oct 2012 06:09:00 +0200Bürgerrechte im Internet schützen, nicht abbauen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechte-im-internet-schuetzen-nicht-abbauen-257Gemeinsame Presseerklärung vom 30.9.12Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Chaos
      Computer Club (CCC) lehnen die Vorschläge des Deutschen Juristentages
      zur Strafverfolgung im Internet ab. Am 21. September 2012 ging der Deutsche Juristentag mit der Präsentation
      seiner Beschlüsse zu Ende. Die Abteilung Strafrecht des Deutschen
      Juristentags fordert, zur Verfolgung bestimmter Straftaten im Internet
      »weiterreichende Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden
      (unter anderem Telekommunikationsüberwachung)« zu schaffen. Konkret
      werden insbesondere das »heimliche Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Quellen-Telekommunikationsüberwachung«, die Online-Durchsuchung, »spezielle Herausgabepflichten bzgl. Verkehrsdaten« und die Vorratsdatenspeicherung verlangt. Der Deutschen Juristentag fordert damit die Ausweitung heimlicher
      Überwachungsmaßnahmen, obwohl diese aus gutem Grunde von weiten Teilen der Öffentlichkeit als Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit des
      Bürgers skeptisch betrachtet werden. Bereits heute werden Verbindungs-
      und Standortdaten und die Identität von Telefon-, Mobiltelefon-, E-Mail-
      und Internetnutzern in Strafverfahren standardmäßig abgefragt. Die
      Bundesnetzagentur hat allein für das Jahr 2009 4,5 Mio.
      Auskunftsersuchen deutscher Sicherheitsbehörden ermittelt. Bei solchen
      Maßnahmen werden regelhaft Informationen über eine große Anzahl
      Unbeteiligter ohne deren Wissen erhoben und an die Polizei
      weitergegeben. Dabei beschränkt sich die Informationsauswertung nicht
      allein auf die schlichten Verbindungsdaten, sondern macht über die
      Begleitumstände der Kommunikation (Geodatenanalyse, Auswertung mobiler
      Transaktionen) auch Handlungen und Neigungen aus dem Privatleben sichtbar. Der Schutz dieser Daten vor dem Zugriff des Staates wird umso
      bedeutsamer, je mehr alle privaten Lebensbereiche von digitalen
      Kommunikationsmedien und Mobilfunknetzen abhängen. Die Freiheit,
      unbeobachtet zu kommunizieren, muss daher in Zukunft besser geschützt
      und nicht etwa abgebaut werden. Wissenschaftliche Untersuchungen in
      jüngerer Zeit stellen den Nutzen beispielsweise der Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten ohnehin in Frage. Erst dieser Tage musste der Bundesdatenschutzbeauftragte erneut darauf hinweisen, dass Telekommunikationsunternehmen weiterhin in großem Umfang persönliche
      Daten von Kunden speicherten, die weit über das hinausgehen, was zur
      Abrechnung der Verbindungen erforderlich und zulässig wäre. Abzulehnen ist auch die von dem Deutschen Juristentag geforderte
      Einführung der Online-Durchsuchung zur Strafverfolgung. Es ist in diesem
      Zusammenhang daran zu erinnern, dass das erst im letzten Jahr durch den
      Chaos Computer Club aufgedeckte Problem, dass die von den Behörden in
      Deutschland verwandten Trojaner-Software nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen konnte, weiterhin ungelöst ist. Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, der
      Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein und der Chaos Computer
      Club lehnen diese Beschlüsse des Deutschen Juristentages deshalb ab. Sie
      weisen schließlich darauf hin, dass der Deutsche Juristentag als
      privater Verein nicht die Juristinnen und Juristen in Deutschland
      repräsentiert. In der Abteilung Strafrecht haben nur ca. 80 Teilnehmende
      abgestimmt. Für Rückfragen stehen zur Verfügung:
      Dipl. Inf. Constanze Kurz, Sprecherin des CCC, mailto:
      Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Vorstandsmitglied im RAV, Tel.: 030 44679224
      Rechtsanwalt Jasper von Schlieffen, Geschäftsführer des
      Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Tel.: 030 3101820 Berlin, 30.09.2012 Pressemitteilung: Bürgerrechte im Internet schützen, nicht abbauen (PDF)]]>
      ÜberwachungBürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-255Fri, 21 Sep 2012 15:03:00 +0200RAV-Stellungnahme zum Entwurf des Jahressteuergesetz 2013/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-stellungnahme-zum-entwurf-des-jahressteuergesetz-2013-255Anhörung am 26.9.2012 - Drucksache 17/10000 -
      Schriftliche Stellungnahme Hier:
      1. Änderung § 51 Abs. 3 S. 2 AO (Art. 10 Nr. 3)
      2. Steuerbefreiung von Bildungsleistungen (Art. 9 Nr. 2b) I. Änderung von § 51 Abs. 3 S. 2 AO Die vorgeschlagene Änderung der Abgabenordnung zielt auf eine steuerrechtliche Tatbestandswirkung bestimmter öffentlicher Äußerungen von Verfassungsschutzämtern und soll den Rechtsstreit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Voraussetzungen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit von den Finanzgerichten auf die Verwaltungsgerichte verlagern. Verfassungsschutzberichte erlangten dadurch faktisch die Wirkung eines Bescheides bei der Steuerveranlagung (Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 302/12 (Beschluss), S. 105). Die Vorschrift läge quer zu dem bestehenden § 51 Abs. 3 S. 1 AO und seiner Einbindung in das Besteuerungsverfahren, ohne dass bei den Verfassungsschutzämter eine adäquate Verfahrensregelung bestünde oder gar die rechtsstaatlich gebotene Anhörung der Betroffenen implementiert wäre. Ebenso wenig stiftet der Gesetzentwurf Klarheit über den Extremismusbegriff, den die Verfassungsschutzämter verwenden. Die Vorschrift würde im Ergebnis sowohl aus sachlichen als auch verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu einer Verringerung des Aufkommens an Rechtsstreitigkeiten führen. Im Einzelnen: 1. Extremismusbegriff, die Aufgaben der Verfassungsschutzämter und die Gemeinnützigkeit im Steuerrechta.) Extremismus: Berechenbarkeit, Bestimmtheit und Zuverlässigkeit nachrichtendienstlicher Bewertungen „Extremismus“ ist kein Rechtsbegriff, sondern eine von den Verfassungsschutzämtern zu einem gewissen Grad abgestimmte Formel, mit der Bewertungen auf verschiedenen Wertungsebenen bezeichnet werden. Eine konsistente und für die Betroffenen berechenbare Praxis besteht nicht. Weder durch Bundesrecht, noch durch Landesrecht ist abschließend und normativ klar geregelt, wann und weshalb eine Organisation als extremistisch bezeichnet werden soll und wann nicht. Es besteht auch keine bundesrechtliche Verpflichtung der Länder, bestehende Sprachregelungen dauerhaft einzuhalten (vergl. auch BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 -, Abs. Nr. 62 zur Gestaltungsfreiheit der Landesgesetzgeber). Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder bedienen sich daher auch nicht einer vereinheitlichten Herangehensweise, noch erheben sie Anspruch auf Vollständigkeit (für das BfV: Verfassungsschutzbericht 2011, Vorabfassung S. 15). Wortwahl, Prioritätensetzung, aber auch inhaltliche Kriterien differieren zwischen den Verfassungsschutzberichten des Bundes und einzelner Bundesländer (BR-Drs. 302/12 (Beschluss), S. 105). So wird etwa zwischen Vorfeld-, Neben- oder sonst in ihrem Verhältnis zu einer Hauptorganisation stehenden Organisationen unterschieden, wird zwischen radikal, extrem und extremistisch differenziert und werden Beobachtungsobjekte nicht trennscharf bewertet. Bezüglich mancher Bestrebungen fallen Verfassungsschutzberichte in ihrem Umfang geradezu enzyklopädisch aus, während andere Erscheinungen, aus welchen Gründen auch immer, nur eine oberflächliche Erwähnung finden. Daher ist es konsequent, wenn das Bundesverfassungsgericht der „Extremismus“- Formel keinen Inhalt entnehmen kann, der hinreichend bestimmt wäre, um ein Verbot daran zu knüpfen: Ob eine Äußerung als extremistisch (oder radikal, extrem usw.) bezeichnet wird, ist eine Frage des politischen Meinungskampfs und der gesellschaftliche Auseinandersetzung. Das Extremismus- Verständnis ist dabei im Wesentlichen abhängig von sich verändernden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen (BVerfG, B.V. 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08 -, Abs. Nr. 20). Anders als der steuerrechtliche Tatbestand der Gemeinnützigkeit (§ 52 Abs. 1 AO) oder etwa vereinsrechtliche Verbotsgründe ist mithin Extremismus eine politische Kategorie ohne Eignung als Rechtskriterium (BVerfG, B.v. 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08 -, Abs. Nr. 20). Seine Verwendung mag, was hier nicht vordringlich zu erörtern ist, den Verfassungsschutzämtern in gewissen Grenzen in der Öffentlichkeitsarbeit freistehen, ist aber für einschneidende steuerrechtliche Folgen nicht geeignet. Die in der Sache politische, funktional auf die staatliche Beteiligung am öffentlichen Meinungsstreit gerichtete Formel vom Extremismus weist nicht die Klarheit und Berechenbarkeit auf, welche von einem gesetzlichen Eingriffstatbestand auch im Steuerrecht zu erwarten ist. Sie ist auch nicht darauf angelegt. Es ist schließlich auch an dieser Stelle daran zu erinnern, dass die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder gegenwärtig eine der ernsthaftesten Krisen seit ihrer Gründung zu bewältigen haben. Diese Krise hat ihren Ausgangspunkt unter anderem in – soweit bisher ersichtlich – hausgemachten Qualitätsmängeln bei der Aufgabenerfüllung und setzt sich fort in nicht mehr nachvollziehbaren Versuchen, eine effektive Überprüfung dieser Mängel zu vereiteln. Es liegt auf der Hand, dass Beurteilungen der Verfassungsschutzämter, welche die von dem Gesetzentwurf vorgesehenen einschneidenden Konsequenzen nach sich ziehen sollen, mit denselben Qualitätsproblemen belastet sein können. Ohne eine Neujustierung der nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung auch und gerade bei der Beurteilung von Beobachtungsobjekten wäre ein Eingriff in die zivilgesellschaftlichen Verhältnisse nicht hinzunehmen. Es wäre zugleich, angesichts der gegenwärtigen Vertrauenskrise in die Arbeit der Sicherheitsbehörden, auch das falsche politische Signal gesetzt.

      b.) Extremismus und Gemeinnützigkeit – ein zwingender Widerspruch? Es ist nicht ersichtlich, dass jede Beschreibung einer Organisation als extremistisch auch die Voraussetzung des Verlusts steuerrechtlicher Vorteile belegt. Der Extremismus-Begriff in der Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter ist nicht zwingend an gewaltsame oder sonst umstürzlerische Aktivitäten gebunden, wie sie die Wertungen des Steuerrechts bestimmen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs soll von der Gemeinnützigkeit i.S. § 52 Abs. 1 AO ausgeschlossen bleiben, wer die Werteordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog zum Ausdruck kommt, in Frage stellt (BFH, U.v. 11.04.2011 – RN 16 m.w.N.). Anerkanntermaßen verstößt gewaltfreies Handeln demgegenüber auch dann, wenn es illegal ist, grundsätzlich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung (AEAO Nr. 16 zu § 52 in der Fassung bis zum 17.01.2012, unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 10.01.1995 – 1 BvR 718/89 – u.a. = NJW 1995, 1141). Die Besteuerungspraxis prüft zudem, ob der Entzug des Status der Gemeinnützigkeit auch in einem angemessenen Verhältnis zu den konkret gegen eine Körperschaft feststellbaren Beanstandungen steht. Demgegenüber fokussiert die Aufgabenstellung der Verfassungsschutzämter mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die institutionellen Aspekte des Staatsschutzes, während der Schutz der Grundrechte nur eine untergeordnete Rolle einnimmt (s. § 4 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1 BVerfSchG und vorhergehend BVerfGE 2, 1 (12)). Nach den Erwägungen des Ausschusses im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 soll die neue Regelung – diese Orientierung fortschreibend - diejenigen Vereine von der Anerkennung als gemeinnützig ausschließen, „deren Zweck oder Tätigkeit namentlich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen geeignet“ sind (BT-Drs. 16/11108, S. 45). Ein der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gegenübergestellter Extremismus-Begriff setzt auch eine Wahl gewaltsamer Mittel oder sonst einen Gewaltbezug der betroffenen Organisationen nicht voraus, so dass auch gewaltfreie Betätigung als extremistisch gelten kann (so nunmehr auch AEAO zu § 53 Nr. 9). Verhältnismäßigkeitserwägungen sind dem Berichtswesen der Verfassungsschutzämter ebenso wie dem Extremismus-Begriff ebenfalls fremd. Indem der Gesetzentwurf die Feststellung eines Versagungsgrundes in die Hände der Verfassungsschutzämter gibt, würden mithin letztlich neue Kriterien für einen Ausschluss von der Gemeinnützigkeit eingeführt. Die Besteuerungspraxis hat eine Auslegung und Anwendung von Gemeinnützigkeitskriterien entwickelt, welche zum Schutz der Grundwerte der Bundesrepublik ausreichend und angemessen erscheinen. Der weitere Import nachrichtendienstlicher Wertungen in das Steuerrecht ist daher abzulehnen.

      c.) Maßgebliche Bezugspunkte im Steuerrecht und im Nachrichtendienstrecht  Auch die Bezugspunkte von Besteuerung und Extremismusbekämpfung sind nicht aufeinander abgestimmt. Nachrichtendienstliche Bewertungen im Sinne von § 53 Abs. 3 S. 2 AO ermöglichen daher keinen sicheren Rückschluss auf die steuerrechtlich relevanten Verhältnisse einer betroffenen Körperschaft: Formal knüpfen die Inlandsgeheimdienste im Hinblick auf mutmaßlich verfassungsfeindliche Bestrebungen daran an, dass ein oder mehrere Personen für oder im Interesse eines Personenzusammenschlusses handeln. Für eine Körperschaft im steuerrechtlichen Sinne handelt daher aus nachrichtendienstlicher Sicht (auch), wer – ohne Mitglied oder sonst verbunden zu sein – diesen in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (§ 4 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG). Diese niedrige, nur vor dem Hintergrund der spezifischen nachrichtendienstlichen Aufgabenbestimmungen der Verfassungsschutzämter im Vorfeld von verfassungsfeindlichen Aktivitäten zu erklärende Eingriffsschwelle der Inlandsgeheimdienste ist nicht mit den steuerrechtlichen Anknüpfungsgesichtspunkten für die Gemeinnützigkeit von Körperschaften zu vereinbaren. Trotz der Verknüpfung von Satzungslage und tatsächlicher Geschäftsführung schien der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2009 zwar davon auszugehen, dass sich Ausschlusskriterien schon allein aus dem Verhalten der Vereinsmitglieder ergeben können (BT-Drs. 16/10189, S. 79). Es soll sich dabei um die bis dato gepflegte Verwaltungspraxis handeln (BT-Drs. 16/11108, S. 45, vergl. auch AEAO Nr. 16 zu § 52 in der Fassung bis zum 17.01.2012), was allerdings mit der geltenden Gesetzeslage nicht zu vereinbaren ist: So verliert gem. § 51 Abs. 3 S. 1 AO den Status der Gemeinnützigkeit, wer verfassungsfeindliche Bestrebungen nach der Satzung und bei der tatsächlichen Geschäftsführung fördert. Das steuerrechtliche Verdikt des Verlusts der Gemeinnützigkeit ist mithin im geltenden Recht eng an die – auch vereinsrechtlichen Schranken unterworfene – Satzungslage und Geschäftsführung einer Körperschaft gebunden. Dies ist im Hinblick auf die spezifische steuerrechtliche Inpflichtnahme der Organe einer Körperschaft auch sinnvoll. Begleiterscheinungen, welche von der Geschäftsführung nicht ohne Weiteres beherrscht werden können und/oder finanziell nicht der Körperschaft zugerechnet werden können, sollten daher auch weiterhin nicht zu entscheidenden Kriterien werden. Vor satzungsfremder Mittelverwendung schützt im Übrigen auch das geltende Steuerrecht wirksam.
      d.) Folgen des Regelungsvorschlags für die Rechtsanwendung Zwar trägt grundsätzlich die betroffene Körperschaft die objektive Feststellungslast für die Tatsachen, aus denen sich die Gemeinnützigkeit ergibt. Zu Recht hat der Bundesfinanzhof aber mittlerweile festgehalten, dass es grundsätzlich Sache der (Finanz-)Verwaltung ist, diejenigen Tatsachen zu ermitteln und darzulegen, aus denen sich Negativkriterien für eine Gemeinnützigkeit ergeben (BFH, U.v. 11.04.2012 – I R 11/11 – Abs. Nr. 18). Denn ein Negativ-Beweis kann auch von einer steuerlich begünstigten Körperschaft nicht erwartet werden. Kann bisher die Rechtsanwendung wegen der Widerleglichkeit einer Vermutung für das Erfüllen von Ausschlusstatbeständen in § 51 Abs. 3 S. 2 AO auf die nachrichtendienstrechtlichen Besonderheiten der Zurechnung organisationsfremden Handelns noch Rücksicht nehmen und erfolgen im Regelfall Ermittlungen durch die zur Beurteilung von steuerrechtlichen Tatbeständen berufenen Finanzverwaltung, soll dieser nunmehr die Entscheidung über originär steuerrechtliche Rechtsfolgen genommen werden. Eine Tatbestandswirkung von Wertungen der Verfassungsschutzämter läge damit quer zur Systematik nicht nur des Steuerrechts, sondern auch zum darauf ebenfalls nicht vorbereiteten Recht der Nachrichtendienste. Bemerkenswert ist ferner, dass trotz der uneinheitlichen Praxis in den Bundesländern eine gleichsam Meistbenachteiligung von gemeinnützigen Körperschaften stattfinden soll. So soll auch der Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes, in dem eine Körperschaft nicht ihren steuerlichen oder sonstigen Sitz hat, den Gemeinnützigkeitsstatus vernichten können. Auf die bei dem zuständigen Finanzamt vorhandenen Erkenntnisse und Besteuerungspraxis käme es dabei nicht an, vielmehr würde sich automatisch die maximal negative Feststellung in einem beliebigen Verfassungsschutzbericht durchsetzen. Gegebenenfalls würde eine Finanzbehörde, welche amtswegig ermittelt und die betroffene Körperschaft angehört hat, wider besseres Wissen nur aufgrund gegenteiliger Auffassung einer ortsfremden Verfassungsschutzbehörde die Gemeinnützigkeit absprechen müssen. Die Bandbreite des Extremismus-Begriffs stellt ferner die Steuergerechtigkeit in Frage: wo es keinen normativ klaren Ausschlusstatbestand gibt, würde eine Orientierung an der Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter automatisch zu einer willkürlichen, potentiell ungleichen Besteuerung führen. Dieser Befund gibt zudem Anlass für den Hinweis, dass die geltende Fassung von § 51 Abs. 3 S. 2 AO (Regelvermutung für Verlust der Gemeinnützigkeit) nach der aktuellen Weisungslage bereits dann Anwendung finden soll, wenn „es nach einem Verfassungsschutzbericht zumindest belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistisch gibt“ (AEAO Nr. 10 zu § 51). Weder aber sehen sich die Verfassungsschutzbehörden bislang in den Verfassungsschutzberichten veranlasst, verbindlich Auskunft darüber zu geben, ob ihre Behauptungen belegbar sind, noch darf die Vorschrift überhaupt auf Verdachtsfälle von Extremismus angewandt werden.
      2. Evaluation von § 51 Abs. 3 AO und praktisches Bedürfnis nach einer Gesetzesänderung Obgleich die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 gewisse Praktikabilitätsmängel bei dem geltenden § 51 Abs. 3 S. 2 AO annimmt, sind relevante Streitfälle kaum bekannt geworden. Soweit ersichtlich wurde der Bundesfinanzhof nur in einem einzigen Fall mit Fragen der Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen angenommener extremistischer Bestrebungen befasst (BFH, U.v. 11.04.2012 – I R 11/11). Eine Evaluation der Anwendungspraxis seit dem Jahressteuergesetz 2009 hat nicht stattgefunden (Antwort der Bundesregierung, Drs 17/10291, S. 3). Der Bundesregierung sind auch keine Fälle einer Anwendung von § 51 Abs. 3 AO bekannt (Antwort der Bundesregierung, Drs 17/10291, S. 3). Dass ein praktisches Bedürfnis nach einer Entlastung der Finanzämter und -gerichte bestehen soll, ist mithin empirisch nicht belegt. Weder ein Systembruch im Steuerrecht, noch die Aufwertung nachrichtendienstlicher Bewertungen trotz eindrucksvoll belegter Qualitätsmängel sollten ohne Not erfolgten. Solange keine nachgewiesenen, quantitativ relevanten und sicher auf Defizite der bisherigen Regelung zurückzuführenden Probleme bewältigt werden können, sind die Risiken und Nebenwirkungen der vorgeschlagenen Neuregelung nicht zu rechtfertigen.
      3. Entlastung der Gerichte?
      Dass der angestrebte Entlastungseffekt für die Finanzgerichte eintreten kann, erscheint angesichts des konkreten Entwurfswortlauts ebenfalls unwahrscheinlich: Für den Fall, dass aus Sicht der Finanzverwaltung die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 S. 2 AO n.F. vorliegen sollen, sind dementsprechende Bescheide auch nach dem zukünftigen Rechtszustand zwingend anzugreifen, um ihre Bestandskraft zu vermeiden. Die Finanzgerichte werden sich zudem in den Fällen, in denen in eine bestehende Gemeinnützigkeit eingegriffen wird, mit gleichgerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren gem. §§ 69 ff FGO zu befassen haben. Die Finanzgerichte können diesem Verfahrensaufkommen nur unvollkommen begegnen und allenfalls die anhängig gemachten Hauptsacheverfahren gem. § 79a FGO aussetzen und – voraussichtlich jahrelang – die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte abwarten. In dieser Zeit besteht ein von der Finanzverwaltung und –gerichtsbarkeit nicht weiter auflösbarer Schwebezustand in Besteuerungsverfahren. Eine verfahrensrechtliche Begleitregelung (für eine solche: Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 302/12 (Beschluss), S. 105), welche die konzeptionellen Probleme der von dem Gesetzentwurf angestrebten Lösung aufheben könnte, ist nicht ersichtlich (vergl. schon AEAO zu § 53 Nr.10, welcher mit dem Hinweis auf § 173 Abs. 1 S. 1 AO das verfahrensrechtliche Arsenal des Steuerrechts schon ausschöpfen dürfte). Auch an anderer Stelle ist mit einem Ansteigen von Prozessaktivitäten zu rechnen: Es liegt auf der Hand, dass ein gleichsam automatischer Entzug der Gemeinnützigkeit die Betroffenen überraschend und existenziell treffen kann. Spendenausfälle dürften in jedem Fall entzogener Gemeinnützigkeit die für die Betroffenen unausweichliche und auch im Nachhinein nicht wieder zu heilende Folge sein. Die dadurch ggf. ausgelösten Schadensersatzansprüche gegen den Fiskus werden ebenfalls die Gerichte belasten. Sie dürften insbesondere auch in ihrer Summe die möglichen Steuermehreinnahmen bei Weitem übersteigen.
      4. Entgegenstehendes Verfassungsrecht Eine Tatbestandswirkung der Bezeichnung einer Körperschaft als extremistisch in einem Verfassungsschutzbericht trifft zudem auf eine Anzahl von durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken: a) Keine gesetzliche Regelung der Verfassungsschutzberichte trotz erheblicher Grundrechtseingriffe Auch für Eingriffe in bestehende steuerrechtliche Vergünstigungen bedürfte es, zumal weil mit der Feststellung des Erlöschens bzw. Nichtbestehens der Gemeinnützigkeit trotz Vorliegens der Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AO eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Körperschaften einhergeht, einer präzisen, normativ klaren gesetzlichen Grundlage. Diese besteht – wie gezeigt - nicht. Die bestehenden Defizite werden auch nicht durch eine verlässliche Rechtsprechung ausgeglichen. Die Rechtsprechung zu der Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter erschöpft sich bislang in einer Abwägung zwischen der Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsschutzämter einerseits und der Meinungsfreiheit gewisser betroffener Presseorgane andererseits und hat einige allgemeine Qualitätskriterien an Verfassungsschutzberichte formuliert (s. insb. BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 -, Abs. Nr. 71 ff., 83). Der mit der Neuregelung eintretende Zustand könnte verfassungsrechtlich auch deshalb keinen Bestand haben, weil er die Grundrechtsrelevanz steuerrechtlicher Nachteile übergeht. Die Auswirkungen der angestrebten Regelung gehen dabei über die typischerweise durch Besteuerung betroffenen Grundrechte - Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) – hinaus und betreffen auch Grundrechte, deren Gebrauch – wie bei der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) - für eine Demokratie von elementarer Bedeutung sind. Soweit eine Körperschaft sich lediglich durch Beteiligung am gesellschaftlichen Meinungskampf betätigt, es insbesondere an einer Wahl gewalttätiger Mittel fehlt, greift ein Verfassungsschutzbericht und griffe eine daran orientierte steuerrechtliche Folge insbesondere in die Meinungsfreiheit der Betroffenen ein (s. nur BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 – Abs. Nr. 56). Dabei ist daran zu erinnern, dass eine als extremistisch bezeichnete Organisation nicht zugleich auch durch strafbare Äußerungen oder Handlungen oder auch nur durch eine Überschreitung der gesetzlichen Schranken der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 2 GG) hervorgetreten sein muss. Werden für eine Körperschaft durch nachrichtendienstliche Bewertung unmittelbare Rechtsfolgen erzeugt, stellt sich auch die Frage der gesetzlichen Schranken der Meinungsfreiheit und des Zensurverbots (Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG; zum Sanktionscharakter von Verfassungsschutzberichten BVerfG, B.v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 -, Abs. Nr. 71 ff.).
      b) Verfahrensrechtliche Defizite Das Berichtswesen der Verfassungsschutzämter ist bis heute ersichtlich nicht auf die ihm nach dem Entwurf zukünftig zufallende Rolle vorbereitet. Es ist auch die Anwendung des Extremismus-Begriffs bislang nicht von transparenten Verfahren abhängig. Das Verhältnis eines Verfassungsschutzberichts zu einem bestehenden Feststellungsbescheid wird auch von der Entwurfsbegründung und der Übergangsregel des Gesetzentwurfs bislang nicht erläutert, so dass die besteuerungsverfahrensrechtlichen Folgen des Entwurfs gerade im Hinblick auf bestehende und bestandskräftige steuerrechtliche Vergünstigungen ungeklärt sind (vergl. zum geltenden Recht AEAO zu § 53 Nr.10, welcher sich nicht ohne Weiteres für den neuen Rechtszustand fortschreiben ließe). Nach geltendem Recht findet vor Veröffentlichung eines Verfassungsschutzberichts keine Anhörung der Betroffenen statt. Dies mag (noch) mit der Nicht-Förmlichkeit des Berichtswesens entschuldigt werden (eine Anhörung der Betroffenen erwägt im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz schon das Bundesverfassungsgericht, B.v. 26.06.2002 – 1 BvR 558/91 – u.a. = NJW 2002, 2621, 2624). Realakte, denen kraft Gesetz eine unmittelbare Tatbestandswirkung zukommen soll, können aber nicht (mehr) in einer Sphäre mit gleichsam gelockerter Rechts- und Verfahrensbindung verortet werden. Verfahrensrechtliche Mindestanforderungen ergeben sich ggf. unmittelbar aus den betroffenen Grundrechten. Dies sind je nach Lage des Falles etwa die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG). Eine Feststellung der Gemeinnützigkeit löst darüber hinaus Vertrauenstatbestände aus, deren Durchbrechung – zumal ohne vorherige Anhörung und ggf. überraschend – ebenfalls in eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes münden kann. Es ist sichere verfassungsrechtliche Erkenntnis, dass Realakte, wenn sie in Grundrechte eingreifen, nicht in einer gleichsam verfassungsfreien Sphäre erfolgen. Dies gilt auch für die Verfahrensweise. Jede staatliche Maßnahme mit – und sei es vermittelter – rechtsgestaltender Wirkung bedarf mithin nicht nur einer klaren gesetzlichen Grundlage, sondern auch der vorherigen Anhörung der Betroffenen, wenn nicht elementare verfahrensrechtliche Grundsätze verletzt werden sollen. So tendiert die rechtswissenschaftliche Literatur seit geraumer Zeit dazu, an Realakte verfahrensrechtliche Mindestanforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn für die handelnden Behörden sicher erkennbar ist, dass die beabsichtigten Maßnahmen in Rechtspositionen von Grundrechtsträgern eingreifen. Den Verfassungsschutzberichten würde bei Umsetzung des Gesetzentwurfs zukünftig sogar praktisch Regelungscharakter, nämlich mit Präjudizwirkung für die Besteuerung, zufallen. Danach wäre eine verfahrensrechtliche Vorbereitung unerlässlich: Es ist schließlich daran zu erinnern, dass der Europäische Gerichtshof zuletzt mit Urteil vom 29.06.2010 – Rs. C-550/09 – festgehalten hat, dass unter Verstoß gegen elementare Mitwirkungs- und sonstige Verfahrensrechte der Betroffenen erlassener Terrorismus-Listen der Europäischen Union keinen – dort: strafrechtlichen – unmittelbaren Tatbestandswirkung entfalten dürfen. Nicht anders liegen die Dinge, wenn die für eine Körperschaft überraschende und mit allenfalls belangloser Begründung erfolgte Bezeichnung als extremistisch für den Erhalt oder die Gewährung einer steuerrechtlichen Vergünstigung entscheidend sein soll.
      5. Fazit Die vorgeschlagene Änderung ist insgesamt abzulehnen. Sie gibt zugleich Anlass, den bestehenden § 51 Abs. 3 S. 2 AO einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
      II.   Steuerbefreiung von Bildungsleistungen (Art. 9 Nr. 2b) Die geplante Neuregelung trifft jene Träger von Bildungsleistungen, welche nach ihrem Satzungszweck und ihrer Bildungspraxis vornehmlich bestimmte Berufsträger ansprechen. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. beispielsweise bildet mit seinem umfangreichen Fortbildungsprogramm vorwiegend Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus und fort, unter diesen viele Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger. Eine mit der geplanten Neuregelung zwangsläufig verbundene Verteuerung dieser Fortbildungsaktivitäten für die Bildungswilligen oder eine Einschränkung der Bandbreite des Fortbildungsprogramms der Berufsverbände und –vereine soll, wie auch die Gesetzesbegründung hervorhebt, nicht ernsthaft gewollte Folge der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben sein. Die geplante Neuregelung ist daher abzulehnen. Wegen der Einzelheiten und insbesondere der sachdienlichen Beschränkung einer sozialpolitisch motivierten Steuerbefreiung nehme ich auf die Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverband e.V. zum Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes vom 30.03.2012 Bezug. Stellungnahme des RAV als PDF zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Jahrssteuergesetzes 2013"  ]]>
      news-252Thu, 06 Sep 2012 15:00:00 +0200Pressemitteilung zum Antifacamp in Dortmund/publikationen/mitteilungen/mitteilung/pressemitteilung-zum-antifacamp-in-dortmund-252Pressemitteilung vom 6.9.12Mehrere Anwältinnen und Anwälte des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) unterstützten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Antifacamps als Legal-Team. „Die vergangenen zehn Tage waren geprägt von einer Versammlungsbehörde, die das Camp um jeden Preis verunmöglichen wollte. Mehrfach wurde die Begründung für das faktische Verbot ausgetauscht: Zunächst war von 300 gewaltbereiten Autonomen die Rede. Als die Demonstrationen friedlich blieben, behauptete die Versammlungsbehörde dem Camp ginge es nicht um Meinungskundgabe sondern lediglich um billige Schlafplätze für die Demonstration am 01. September. Schließlich war von einem polizeilichen Notstand die Rede. Mit Blick auf die tatsächlich massive Polizeipräsenz war auch dies wenig glaubhaft. Letztlich hatte die Behörde keinen schlüssigen Grund für das faktische Verbot des Camps, die Eingriffe in die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit erfolgten rechtswidrig“, äußerte sich Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Daniel Werner am letzten Tag des Antifacamps. Der Stadtteil Dortmund Dorstfeld wird von aggressiv und gewalttätig auftretenden Neonazis als sogenannte „national befreite Zone“ bezeichnet. Unter dem Motto „In Dorstfeld schlafen nicht nur Nazis – Antifacamp Dortmund“ sollte an zehn Tagen im Stadtteil eine Dauerkundgebung mit vielfältigen Redebeiträgen, Bildungsveranstaltungen, Konzerten und Stadtrundgängen durchgeführt werden. Unter anderem fand eine Gesprächsrunde mit den Angehörigen von Mehmet Kubasik, dem Opfer des Dortmunder NSU-Mordes vom 04. April 2006, statt. „Mit dem Camp wollten wir auf Nazistrukturen aufmerksam machen, zivilgesellschaftliche Gegenstrategien entwickeln und mit einer dauerhafte Präsenz über zehn Tage hinweg einen nicht nur vorübergehenden Umschwung im Klima des Stadtteils erzeugen“, so Anna Potzetzki, die Pressesprecherin des Antifacamps. Nach dem faktischen Verbot durch die Versammlungsbehörde blieb auch ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erfolglos. Das Gericht folgte mit Beschluss vom 29. August 2012 (Az.: 14 L 1050/12) der Ansicht der Behörde, dass es sich bei dem Camp nicht um eine Versammlung oder Meinungskundgabe handle, sondern „dass mit Hilfe des Antifacamps im Wesentlichen lediglich die Schaffung von kosten- bzw. logistisch günstigen Schlafplätzen erstrebt wird.“ Hierzu Rechtsanwalt Werner: „Es ist skandalös, dass dem Camp und den untrennbar dazugehörigen Veranstaltungen, zB der Gesprächsrunde mit Angehörigen von Mehmet Kubasik, der Charakter einer Meinungskundgabe abgesprochen wird. Die Betroffenen werden hierdurch ein weiteres Mal stigmatisiert.“ Zurzeit erwägen die Organisatoren und Organisatorinnen des Antifacamps das faktische Verbot im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Daniel Werner telefonisch zur Verfügung (Tel.: 0151-16 93 45 35). Berlin, 6.9.2012 Pressemitteilung des RAV zum bundesdeutschen Antifacamp Dortmund (PDF)]]>Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-243Tue, 17 Jul 2012 15:09:00 +0200Prozessauftakt im Großverfahren gegen türkische und kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Prozessbeobachtung durch den RAV/publikationen/mitteilungen/mitteilung/prozessauftakt-im-grossverfahren-gegen-tuerkische-und-kurdische-rechtsanwaeltinnen-und-rechtsanwaelte-prozessbeobachtung-durch-den-rav-243Pressemitteilung vom 17.7.12Sämtlich der angeklagten Rechtsanwältinnen und -anwälte sind bzw. waren in den Jahren 2010 und 2011 Verteidiger von Abdullah Öcalan und haben ihn im Gefängnis auf der Insel Imrali besucht. Sie werden beschuldigt, Mitglied in einer illegalen, terroristischen Organisation, der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK)1 zu sein und geheime Informationen aus den Anwaltsgesprächen mit Öcalan weitergegeben zu haben. Das Verfahren basiert auf koordinierten Razzien der Anwaltsbüros in der gesamten Türkei und einer Massenfestnahme von Anwältinnen und Anwälten am 22. November 2011. 36 Kolleginnen und Kollegen befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. „Dieses Verfahren ist einmalig in der türkischen Geschichte. Selbst in Zeiten schwerster Repression gegen politische Oppositionelle nach Militärputschen und in den 1990er Jahren hat es keine vergleichbare Einschüchterung von Anwältinnen und Anwälten gegeben“, so Rechtsanwältin von der Behrens, die das Verfahren für den RAV in Istanbul beobachtet. Schon zu Prozessauftakt zeigte sich die türkische Justiz nicht in der Lage, den angeklagten Anwältinnen und Anwälten auch nur formal ein rechtsstaatliches Verfahren zu ermöglichen: „Der Verhandlungssaal war viel zu klein, so dass nicht alle Verteidigerinnen und Verteidiger, die sich für die angeklagten Kolleginnen und Kollegen gemeldet hatten, im Sitzungsaal Platz fanden; einige mussten im Zuschauerraum Platz nehmen, anderen gelang es nicht einmal, in den Sitzungsaal zu gelangen“, berichtet Rechtsanwältin von der Behrens. In einem opening statement legte der angeklagte Anwalt Dogan Erbas zu Beginn der Hauptverhandlung dar, dass bereits die Eröffnung des Verfahrens rechtsfehlerhaft sei, da eine nach türkischem Recht erforderliche Genehmigung von Strafverfahren gegen Rechtsanwälte nicht eingeholt wurde. Weiter führte er aus, dass das Verfahren einen rein politischen und keinen strafrechtlichen Hintergrund habe: Für Öcalan sei es faktisch unmöglich gewesen, geheime Nachrichten über seine Verteidiger_innen zu übermitteln, da sämtliche Anwaltsgespräche von Öcalan überwacht, auf Video aufgezeichnet und die Notizen der Verteidigung kopiert wurden. Durch diese Totalüberwachung der Verteidigung sei es unmöglich, Informationen ohne das Wissen der türkischen Behörden zu erhalten. Der RAV ist in großer Sorge angesichts der zu Tage getretenen massiven Einschränkung von Verteidigungsrechten und fordert die umgehende Freilassung der inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. Nur wenn Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf ohne Angst vor Repression ausüben können sind sie im Stande, ihre Mandantinnen und Mandanten effektiv zu verteidigen. Die Folgen der Einschüchterung von Anwältinnen und Anwälten in der Türkei werden bereits jetzt sichtbar: Immer weniger Kolleginnen und Kollegen sind bereit, angesichts drohender strafrechtlicher Verfolgung Mandanten in politischen Strafverfahren zu vertreten. Berlin, 17.7.2012 --- 1 KCK = Koma Civakên Kurdistan (Union der Gemeinschaften Kurdistans), gegründet 2005 und für die türkischen Sicherheitskräfte identisch mit der PKK. Seit dem Jahr 2008 gab es eine Vielzahl von Verfahren wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der KCK u.a. gegen kurdische Parlamentarier, Bürgermeister, Journalisten, Gewerkschafter und Mitglieder der Partei BDP. Pressemitteilung PDF: Prozessauftakt im Großverfahren gegen türkische und kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Prozessbeobachtung durch den RAV  ]]>Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-242Wed, 27 Jun 2012 18:20:00 +0200Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsschutz-und-gemeinnuetzigkeit-zivilgesellschaftlicher-organisationen-242Offener Brief vom 26.6.2012Mit dem vorgelegten Gesetz will die Bundesregierung die Abgabenordnung (AO) so ändern, dass Organisationen, die in einem Verfassungsschutzbericht im Zusammenhang mit Extremismus genannt werden, die Gemeinnützigkeit ohne Prüfung entzogen wird (§ 51,Absatz 3, AO). ----
      Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundestags, am 28. Juni wird das Jahressteuergesetz 2013 in erster Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert. In diesem Zusammenhang möchten wir, verschiedene als gemeinnützig anerkannte und bundesweit arbeitende Nichtregierungsorganisationen, Sie auf eine Klausel in der Abgabenordnung (AO) aufmerksam machen, die durch das vorgelegte Gesetz geändert werden soll. Diese neue Klausel würde dem Verfassungsschutz ermöglichen, ohne Anhörung der Betroffenen, faktisch über den Fortbestand und die Existenz einzelner gemeinnütziger Organisationen zu entscheiden (§ 51 Abs. 3 AO). Dies würde eklatant gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Wir rufen Sie dazu auf, Ihre Stimme dem Gesetzesvorhaben zu verwehren und sich darüber hinaus für die ersatzlose Streichung des § 51 Abs. 3 AO einzusetzen! Erläuterung In § 51 Abs. 3 AO heißt es seit 2009 in Satz 3 in Bezug auf die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung: "Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind." Durch die in der Gesetzesvorlage vorgesehene Streichung des Wortes ‚widerlegbar' würde, bei (auch unbestimmter) Nennung einer als gemeinnützig anerkannten Organisation in einem der 17 jährlich veröffentlichten Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, bei den Finanzämtern der Automatismus einer Versagung der Steuervergünstigungen ausgelöst. Der bisherige Ermessensspielraum der Finanzämter vor Ort entfiele ebenso wie die Möglichkeit der betroffenen Organisation, bei Finanzgerichten Rechtsschutz zu suchen. Der 2009 eingeführte § 51 Abs. 3 AO bewegt sich generell in einer juristischen Grauzone, da der verwendete Begriff ‚Extremismus' ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Dies eröffnet der Willkür Tür und Tor (siehe Anlage). Jüngst haben mehrere Gutachten, darunter eines vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, festgestellt, dass die vom Verfassungsschutz verwendete Bezeichnung ‚Extremismus' kein definierter Rechtsbegriff ist. Dementsprechend wird er in keinem einzigen Gesetzestext verwendet - mit Ausnahme der AO seit 2009. Hinzu kommt, dass die Erwähnung von Organisationen in den Verfassungsschutzberichten keinen konsistent definierten Kriterien folgt. Laut Bundesverfassungsgericht ist die Bezeichnung ‚extremistisch' ausdrücklich "eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Sie steht in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen" (1 BvR 1106/08, 08.12.2010). Es besteht zwar die Möglichkeit, gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht vor dem Verwaltungsgericht zu klagen - was bereits in vielen Fällen erfolgreich getan wurde. Aber solche Verfahren ziehen sich oft über Jahre und brauchen finanzielle Ressourcen, die einer Organisation durch den Entzug der Gemeinnützigkeit gerade genommen werden. Ein solcher Entzug hätte zur Folge, dass eine Organisation zum einen nicht länger von der Körperschaftssteuer befreit wäre und zum anderen, dass Spenden an diese Organisation nicht mehr steuerlich abgesetzt werden könnten. Durch eine bloße Erwähnung in einem der Verfassungsschutzberichte könnte der VS also einen gemeinnützigen Verein - umgehend und ohne weitere Anhörung der Betroffenen - in der Existenz gefährden und der Insolvenz nahe bringen. Dies kann nicht Sinn und Funktion der Regelungen zur Gemeinnützigkeit sein. Bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliche Arbeit sind konstitutiv für unsere demokratische Gesellschaft: Die Versagung von Gemeinnützigkeit verhindert die Beteiligung an der Gestaltung unseres Gemeinwesens! Daher fordern wir Sie auf, der geplanten Änderung des § 51 Abs. 3 AO nicht zuzustimmen. Darüber hinaus muss der gesamte Absatz ersatzlos gestrichen werden. Es gibt keinerlei Legitimation dafür, dass ein Inlandsgeheimdienst über die Grenzen der demokratischen Zivilgesellschaft bestimmen und einzelne zivilgesellschaftliche Organisationen ohne feste Kriterien und ohne Anhörung der Betroffenen oder Verfahren existenziell gefährden kann. Mit freundlichen Grüßen Erstunterzeichner:
      .ausgestrahlt e.V.
      Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V.
      Attac Deutschland
      Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
      Bewegungsstiftung
      Bremer entwicklungspolitisches Netzwerk (BEN)
      Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
      Campact e.V.
      Christliche Initiative Romero (CIR)
      Engagierte Wissenschaft e.V.
      Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (EJDM)
      FoeBuD e.V.
      Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.
      Greenpeace e.V.
      Hamburgs aktive Jurastudierende
      Humanistische Union e.V.
      Informationsbüro Nicaragua e.V.
      INKOTA-Netzwerk e.V.
      Internationale Liga für Menschenrechte
      Interkultureller Rat in Deutschland e.V.
      JG Stadtmitte Jena
      Komitee für Grundrechte und Demokratie
      LobbyControl - Initiative für Transparenz und Demokratie
      medico international
      NaturFreunde Deutschlands
      Netzwerk Friedenskooperative
      Neue Richtervereinigung - Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V. (NRV)
      Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V.
      Pro Asyl
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      ROBIN WOOD - Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt e.V.
      Soziokulturelles Zentrum Conne Island (Projekt Verein e.V.)
      Städtepartnerschaftsverein Wuppertal-Matagalpa e.V.
      urgewald e.V.
      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. Anlage: Gutachten und Kommentar
      Dr. Dirk Jeschke, Verstöße gegen die Rechtsordnung und Extremismus im Gemeinnützigkeitsrecht. Zur neuen Regelung des § 51 Abs. 3 AO, in Deutsches Steuerrecht 2009, S. 1669-1677. Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages (Regierungsdirektor Harald Georgii), Bekenntnisklausel im Zuwendungsbereich, WD 3 - 3000 - 505/10. Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Battis: Gutachten zur Zulässigkeit der 'Extremismusklausel' im Bundesprogramm 'Toleranz fördern - Kompetenz stärken', Berlin 2010. Prof. Dr. Dietrich Murswiek: Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit - Zur Entwicklung der Verfassungsschutzberichte seit dem JF-Beschluss, in: Informationsfreiheit und Informationsrecht. Jahrbuch 2009. Berlin 2009, S. 57-104. Ron Steinke: Wer wird Verfassungsfeind? Zur 'freien' Deutungshoheit der Verfassungsschutzämter, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 93 (2/2009), S. 47-52. Liebscher, Doris: Wieviel Demokratie verträgt die fdgO? In: Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen u.a. (Hg.): Ordung und Unordnung (in) der Demokratie. Dresden 2011, S. 83-101. Pressemitteilung: Attac Deutschland | Robin WoodOffener Brief (PDF)  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-241Tue, 12 Jun 2012 17:29:00 +0200Stoppt Racial Profiling/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stoppt-racial-profiling-241Online-PetitionADEFRA e.V. - Schwarze Frauen in Deutschland
      ISD - Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Hier kann die Petition gezeichnet werden. Weitere Hintergrundinformationen (PDF)  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-240Tue, 05 Jun 2012 13:34:00 +0200Erfolgreiches Hearing „NSU, Rassismus und die Stille im Land“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erfolgreiches-hearing-nsu-rassismus-und-die-stille-im-land-240Pressemitteilung und ResolutionResolution und die Liste der ErstunterzeichnerInnen auf www.buendnis-gegen-das-schweigen.de Eine Dokumentation des Hearings wird in Kürze auf www.buendnis-gegen-das-schweigen.de  veröffentlicht. Dort kann auch die Resolution online unterschrieben werden. Weitere Informationen: Pressehandy des „Bündnisses gegen das Schweigen“ unter 0179-5845589.]]>news-239Tue, 05 Jun 2012 11:50:00 +0200Strafverfahren gegen deutsche Studenten in Bilbao – Prozessbeobachtung durch den RAV/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-deutsche-studenten-in-bilbao-prozessbeobachtung-durch-den-rav-239Pressemitteilung vom 5.6.2012"Es ist offensichtlich, dass die Vorwürfe gegen die beiden konstruiert sind. Die Polizei wollte wohl schnell  Erfolge vorweisen. Bei den solidarischen Aktivist_innen aus dem Ausland haben sie eine leichte Beute vermutet und daher gezielt Leute festgenommen die vermeintlich kein Spanisch sprechen". Aus Sicht des RAV ist zu besorgen, dass in diesem Verfahren rechtsstaatliche Mindeststandards missachtet werden. Hierfür spricht neben der Vorgeschichte und der erheblichen Strafandrohung, dass den Betroffenen bis heute keine Übersetzung der Anklageschrift vorliegt, so dass eine Verteidigung für die nicht spanischsprachigen Angeklagten nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Eine Verpflichtung zur Übersetzung der Anklage ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 a) der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Rechtsstaatlich bedenklich ist außerdem, dass dem Umstand, dass die beiden Aktivisten bei ihrer Festnahme Namen und Telefonnummer eines Rechtsanwalts auf ihre Arme notiert hatten, indizielle Bedeutung für eine Täterschaft zukommen soll. Dies verkennt den Umstand, dass es auch nach den Erfahrungen des RAV im Rahmen von Protestaktionen regelmäßig zu rechtswidrigen Festnahmen kommt und schneller anwaltlicher Beistand in dieser Situation besonders bedeutsam ist. Im Übrigen sichert auch die EMRK das Recht einer jeden Person zu jeder Zeit einen Verteidiger zu kontaktieren (Art. 6 Abs. 3 c) EMRK). Sollte eine beabsichtigte Kontaktaufnahme im Falle einer (rechtswidrigen) Verhaftung als Indiz für die Schuld eines Betroffenen angesehen werden, wird das Recht auf die Konsultation eines Verteidigers ad absurdum geführt und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) ausgehebelt. Bei der Hauptverhandlung werden zwei Prozessbeobachter_innen des RAV anwesend sein. Kontakt: Rechtsanwältin Katharina Gamm Tel ++34 602 33 97 53 PM_Strafverfahren gegen deutsche Studenten in Bilbao:
      deutsch (PDF)
      spanisch (PDF)
      baskisch (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-238Thu, 24 May 2012 16:35:00 +0200Kriterien für eine unabhängige Kontrollinstanz zur Untersuchung von Polizeigewalt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kriterien-fuer-eine-unabhaengige-kontrollinstanz-zur-untersuchung-von-polizeigewalt-238Gemeinsame Stellungnahme von AI, HU, ILfM, Komitee f. Grundrechte und RAV1. Zuständigkeit Die Kommission soll ausschließlich für Fälle von mutmaßlich rechtswidriger Gewalt sowie anderer schwerwiegender Menschrechtsverletzungen zuständig sein, die von Polizei- oder Zollbediensteten ausgeübt wurden. Sonstiges rechtswidriges staatliches Handeln soll nicht zum Aufgabengebiet der Kommission gehören. 2. Mitglieder und Ausstattung Die Kommission soll nicht an die Exekutive angebunden sein. Ihre Mitglieder müssen aus der Zivilgesellschaft kommen und sollen nicht selbst in exekutives staatliches Handeln eingebunden sein. Die jeweiligen Mitglieder sollen auf Landesebene von den jeweiligen Landesparlamenten, auf Bundesebene vom Bundestag sowie von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen gewählt werden. Eine Besetzung der Kommission entsprechend der Bevölkerungsstruktur (Migrationshintergrund, Geschlecht) soll angestrebt werden. Gesellschaftliche „Randgruppen“, die von rechtswidriger Polizeigewalt besonders häufig betroffen sind, sollen ebenfalls repräsentiert werden. Die Kommission muss über ausreichende Ressourcen verfügen. Sowohl die Sach- als auch die Personalausstattung müssen es ermöglichen, den beschriebenen Aufgaben in effektiver Weise nachzugehen. 3. Zugang zur Kommission Beschwerden bzw. Anzeigen können sowohl von Betroffenen und ihren (anwaltlichen) VertreterInnen, als auch von Dritten und über Organisationen erhoben werden. Auch PolizeibeamtInnen können sich als Betroffene oder Zeugen an die Kommission wenden. Die Kommission ist verpflichtet, grundsätzlich die Anonymität der anrufenden Person zu wahren. Eine Durchsuchung bei der Kommission und die Beschlagnahme ihrer Unterlagen sind unzulässig. Die Mitglieder der Kommission und ihre MitarbeiterInnen haben ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die Kommission. Weiterhin soll die Kommission auch von sich aus tätig werden können, beispielsweise wenn sie aus sonstigen Quellen Kenntnis von Fällen rechtswidriger Polizeigewalt erlangt. Polizei und Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, die Kommission über Strafanzeigen oder die Einleitung von Ermittlungsverfahren in Fällen von Polizeigewalt zu informieren. Die Kommission soll von Amts wegen tätig werden müssen, wenn jemand aufgrund von polizeilicher Gewaltanwendung zu Tode gekommen ist. 4. Kompetenzen Die Kommission muss über eigene Untersuchungsbefugnisse verfügen. Dazu gehören unter anderem die sofortige Sichtung des Tatorts, die Befragung von Zeugen und Beschuldigten sowie die Akteneinsicht, insbesondere in polizeiliche Vorgänge und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten. Den Mitgliedern muss es gestattet sein, Polizeidienststellen auch unangemeldet zu betreten. Nach Abschluss der Untersuchungen soll die Kommission Empfehlungen an die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft für das weitere Vorgehen im Einzelfall geben. Polizei bzw. Staatsanwaltschaft sind rechenschaftspflichtig gegenüber der Kommission. Die Befugnis von Polizei und Staatsanwaltschaft, eigene Ermittlungs- bzw. Disziplinarverfahren zu führen, bleibt durch das Tätigwerden der Kommission unberührt. 5. Berichts- und Rechenschaftspflicht Die Kommission ist verpflichtet, die Betroffenen in Form eines zusammenfassenden Berichts über das Ergebnis der Untersuchungen zu informieren. Gegenüber dem Parlament ist die Kommission berichts- und rechenschaftspflichtig. Die Öffentlichkeit soll die Kommission durch Abfassung eines jährlichen Tätigkeitsberichts informieren, in dem auch strukturelle Belange thematisiert werden können. Die Kommission führt über alle Fälle von Beschwerden und Verfahren gegen PolizeibeamtInnen statistische Erhebungen durch und stellt diese der Öffentlichkeit zur Verfügung. Kontaktadressen: Amnesty International
      Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin
      Telefon: +49 (0)30 / 420248-0
      http://www.amnesty-polizei.de/ Humanistische Union e.V.
      vereinigt mit Gustav Heinemann-Initiative
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin
      Telefon: +49 (0)30 204 502 56
      Telefax: +49 (0)30 502 57
      E-Mail:
      www.humanistische-union.de Internationale Liga für Menschenrechte
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin
      Telefon: +49 (0)30 39 62 122
      Telefax: +49 (0)30 39 62 147
      E-Mail:
      www.ilmr.de Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
      Aquinostraße 7-11
      50670 Köln
      Telefon: +49 (0)221 972 69-20 und –30
      Telefax: +49 (0)221 972 69-31
      E-Mail:
      www.grundrechtekomitee.de Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin
      Telefon: +49 (0)30 41 72 35 55
      Telefax: +49 (0)30 41 72 35 57
      E-Mail:
      www.rav.de **** Kriterien für eine unabhängige Kontrollinstanz zur Untersuchung von Polizeigewalt (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-237Tue, 22 May 2012 14:57:00 +0200Staatliche Grundrechtsverweigerung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern - Grundrechte-Report 2012 in Karlsruhe vorgestellt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/staatliche-grundrechtsverweigerung-gegenueber-den-buergerinnen-und-buergern-grundrechte-report-2012-in-karlsruhe-vorgestellt-237Pressemitteilung vom 21.5.2012Inhalt GRR 2012 (PDF)]]>Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-236Tue, 15 May 2012 14:15:00 +0200Schweigen und Verschweigen: NSU, Rassismus und die Stille im Land/publikationen/mitteilungen/mitteilung/schweigen-und-verschweigen-nsu-rassismus-und-die-stille-im-land-236Öffentliches Hearing am 2.6.2012 in BerlinOrt:
      Das Hearing findet am 2. Juni 2012 von 11:00 – 17:00 Uhr in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4 (S+U Brandenburger Tor) in Berlin-Mitte statt. Programm: Begrüßung, Einleitender Beitrag Panel I (11:00 – 13:30): „Eine Frage des Respekts: Zum Umgang staatlicher Institutionen, Medien und Gesellschaft mit den NSU-Mordopfern, den Hinterbliebenen und den Verletzten.“ Kutlu Yurtseven, Bewohner der Keupstraße in Köln zum Zeitpunkt des NSU-Bombenanschlags in 2001 und Sängervon „Microphone Mafia“; Rechtsanwältin Edith Lunnebach und Publizist Imran Ayata. Panel II (14:00 – 15:20): „Bewaffneter Rechtsextremismus: Kontinuitäten, Milieus und staatliches Versagen.“ Die RechtsextremismusexpertInnen David Begrich (Miteinander e.V.); Ulli Jentsch (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V.) und Kati Lang (RAA Opferberatung Sachsen). Panel III (15:40 – 17:00): „Grenzen und Chancen parlamentarischer und außerparlamentarischer Aufklärungsinstrumente: Erfahrungen aus Deutschland und Großbritannien.“ Dr. Richard Stone aus London (ehemals Mitglied der Stephen Lawrence Untersuchungs-kommission) und Wolfgang Kaleck (European Center for Constitutional and Human Rights). Das Bündnis will mit dem Hearing den Anliegen und Forderungen von Betroffenen des rassistischen und rechtsextremen Terrors Gehör verschaffen und das Ausmaß neonazistischer Gewalt und Organisierung in den Fokus rücken. Darüber hinaus sollen anhand der Erfahrungen aus der Untersuchungskommission zum Tod des schwarzen britischen Teenagers Stephen Lawrence Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Untersuchungskommissionen und –ausschüsse aufgezeigt werden. Im Zentrum steht dabei die Diskussion über Strategien zur Herstellung notwendiger Transparenz für die Öffentlichkeit und Druck auf die verantwortlichen Stellen, sowie die Forderung nach zentralen, auch institutionellen, Konsequenzen. Mit dieser Veranstaltung soll die rassistische Normalität sichtbar gemacht werden, die die Grundlage der NSU-Mordserie darstellt. In dem Hearing werden antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteure von ihren Erfahrungen im Kampf gegen Rechts, der Aufklärung rassistischer Straftaten und ihrer Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz berichten. Das Hearing am 02. Juni 2012 in Berlin will den Finger in die Wunde legen und eine öffentliche Diskussion überdie Ursachen, Hintergründe und Konsequenzen der NSU-Anschlagsserie führen. Alle Beiträge werden simultan ins Englische und Türkische übersetzt. Weitere Informationen, Anmeldung und Kontakt:
      www.buendnis-gegen-das-schweigen.de Telefon +49 (0)179 5845589 Anmeldung per E-Mail bis zum 25. Mai 2012 an mail@buendnis-gegen-das-schweigen.de Dem Bündnis gehören an:
      Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Amadeu Antonio Stiftung, Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum e.V., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Sachsen-Anhalt, Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, Kulturbüro Sachsen e.V., Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK), DIE LINKE, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), Gruppe Was NUN?!, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie Einzelpersonen. Die Veranstaltung wird unterstützt von:
      Junge Gemeinde Stadtmitte Jena, Redaktion GAMMA Leipzig, Landesweite Opferberatung Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern Lobbi e.V., Kanak Attak, Bündnis gegen Rassismus (Berlin), Allmende – Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur, ReachOut – Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Berlin, ver.di-Jugend, Neue Richtervereinigung e.V., Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Kampagne „Zusammen handeln – gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung“, Die AnStifter – Bürgerprojekte gegen Gewalt und Vergessen, Berliner VVN-BdA e.V., ezra – mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, AFROTAK TV cyberNomad
      (Stand: 10.05.2012). Förderer unter: www.buendnis-gegen-das-schweigen.de   ]]>
      news-235Tue, 15 May 2012 11:16:00 +0200Blockupy Frankfurt: Offener Brief an Polizei und Justiz / RAV fordert Einhaltung menschen- und verfassungsrechtlicher Vorgaben / Präventivgewahrsam verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention/publikationen/mitteilungen/mitteilung/blockupy-frankfurt-offener-brief-an-polizei-und-justiz-rav-fordert-einhaltung-menschen-und-verfassungsrechtlicher-vorgaben-praeventivgewahrsam-verstoesst-gegen-die-europaeische-menschenrechtskonvention-235Pressemitteilung vom 15.5.2012PM_Blockupy Frankfurt: Offener Brief an Polizei und Justiz / RAV fordert Einhaltung menschen- und verfassungsrechtlicher Vorgaben / Präventivgewahrsam verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (PDF) Offener Brief an den Polizeipräsidenten der Stadt Frankfurt/Main (PDF)]]>Demonstrationsfreiheit (doublet)Polizeirecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-233Fri, 13 Apr 2012 12:28:00 +0200Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2012 und 20. Todestag von Dr. Werner Holtfort/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verleihung-des-werner-holtfort-preises-2012-und-20-todestag-von-dr-werner-holtfort-233Mitteilung vom 13.4.12kontakt@holtfort-stiftung.de oder per Fax (PDF)Festprogramm 10.00 Uhr Begrüßung
      Martin Lemke, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Holtfort-Stiftung 10.15. Uhr Grußworte
      Wolfgang Jüttner, MdL., ehem. Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag 10.30 Uhr Biographie Werner Holtfort
      Margarete Fabricius-Brand, Rechtsanwältin und Bertram Börner, Rechtsanwalt, Hannover 11.15 Uhr Musikalische Darbietung
      Valentine Buttard, Konzertpianistin, Hannover 11.30 - 12.30 Uhr Pause - kleiner Imbiss und Getränke 12.30 Uhr Laudatio
      Sönke Hilbrans, Rechtsanwalt, Berlin - Vorstand RAV e.V. und Datenschutzexperte Preisverleihung an den Chaos Computer Club, Hamburg Preisträger: Dipl.- Informatikerin Constanze Kurz und technischer Geschäftsführer Frank Rieger Dank und Erwiderung 14.00 - 14.30 Uhr Vortrag "Bürgerrechte im Internet"
      Thomas Stadler, Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Freising 14.30 Uhr  Kaffeepause 15.00 Uhr Streitgespräch:
      " Behördlicher Zugriff auf das Internet - Rechtsgrundlagen und Praxis "
      Norbert Wolf, Generalstaatsanwalt in Braunschweig
      Constanze Kurz, Chaos Computer Club  - Preisträgerin -
      Martin Lemke, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Holtfort-Stiftung
      Moderation: Dr. Jürgen Kühling, Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied der Holtfort-Stiftung 16.00 Uhr Schlusswort
      Detleff Prellwitz, OStA i. R., Vorstandsmitglied der Holtfort-Stiftung und Ausklang mit Abschiedsgetränk.]]>
      news-221Thu, 08 Mar 2012 10:23:00 +0100StN zu den erneuten Plänen, einen sogenannten »Warnschussarrest« im Jugendstrafrecht einzuführen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zu-den-erneuten-plaenen-einen-sogenannten-warnschussarrest-im-jugendstrafrecht-einzufuehren-221Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen vom 5.3.12StN_"Warnschussarrest" im Jugenstrafrecht (PDF)]]>news-220Fri, 24 Feb 2012 11:28:00 +0100Verfassungsschutz: Jahrelang engagiert gegen Links/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verfassungsschutz-jahrelang-engagiert-gegen-links-220Pressemitteilung vom 24.2.2012Kontakt
      Rechtsanwalt Volker Gerloff
      Karl-Marx-Str. 30, 12043 Berlin
      T.: 030 62987720, F.: 030 62987725
      http://www.aufenthaltundsoziales.de/ PM_Verfassungsschutz: Jahrelang engagiert gegen Links (PDF)

      Pressereaktionen nach der BGH-Entscheidung:http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2010%2F06%2F19%2Fa0142&cHash=41864e51f1 http://www.tagesspiegel.de/politik/bgh-urteil-drei-berliner-jahrelang-illegal-ueberwacht/1863514.htmlhttp://www.n-tv.de/politik/BGH-ruegt-Bundesanwaltschaft-article930523.htmlhttp://www.freitag.de/community/blogs/anne-roth/bgh-ueberwachung-im-ersten-mg-verfahren-war-von-anfang-an-illegal-http://www.berliner-zeitung.de/archiv/drei-berliner-wurden-jahrelang-vom-geheimdienst-ueberwacht---ungerechtfertigt--urteilt-der-bgh-zehn-jahre-unter-falschem-verdacht,10810590,10724268.htmlhttp://www.fr-online.de/politik/verfassungsschutz-die-illegale-ueberwachung-des-jochen-u-,1472596,4480220.html]]>
      news-219Wed, 15 Feb 2012 21:24:00 +0100Dramatische Zunahme von Strafverfahren gegen JournalistInnen, AnwältInnen und vor allem kurdische PolitikerInnen - Wohin geht die Türkei?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/dramatische-zunahme-von-strafverfahren-gegen-journalistinnen-anwaeltinnen-und-vor-allem-kurdische-politikerinnen-wohin-geht-die-tuerkei-219Veranstaltung am 2.3.12 in Berlin
      So wurden im November 2011 rund 50 AnwältInnen festgenommen - viele heute noch in Untersuchungshaft - und im Dezember folgte eine ebenso große Gruppe von JournalistInnen. Ende 2011 waren 104 JournalistInnen inhaftiert, die meisten von ihnen sind KurdInnen. Das Ausmaß der Festnahmen von kurdischen PolitikerInnen ist immens. Nach Schätzungen des Demokratischen Türkeiforums wurden ca. 3000 festgenommen, viele von ihnen sind Mitglieder der pro-kurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP).

      Den meisten der festgenommenen AnwältInnen, JournalistInnen und PolitikerInnen wird vorgeworfen, Mitglied oder Unterstützer der KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistan) zu sein oder linken Organisationen anzugehören.  Unter den inhaftierten Intellektuellen sind der mutige Verleger Ragip Zarakolu, der seit Jahrzehnten Bücher zu Tabu-Themen veröffentlicht hat, und die Professorin Büsra Ersanli.

      Die Strafverfahren gegen diese Personen basieren auf schwammigen Straftatbeständen des Anti-Terror-Gesetzes. Sie verstoßen gegen rechtsstaatliche Grundsätze und das Recht auf ein faires Verfahren. Tatsächlich gibt es kein Land dieser Erde, in dem es so leicht ist, zum Terroristen erklärt zu werden, wie in der Türkei. Die Nachrichtenagentur AP fand in einer Untersuchung zu 66 Ländern heraus, dass in den letzten 10 Jahren insgesamt 35.117 Personen als Terroristen verurteilt wurden. Für die meisten Verurteilungen war die Türkei (12.897) verantwortlich, gefolgt in weitem Abstand von China (7.000).

      Über diese politischen Strafverfahren und die systematischen Rechtsverstöße wird der Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Ercan Kanar berichten.
      Veranstaltungsort:
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Robert-Havemann-Saal
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin Informationsveranstaltung mit RA Ercan Kanar (PDF)]]>
      news-218Tue, 07 Feb 2012 17:08:00 +0100Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission_Dresden 2011/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bericht-der-unabhaengigen-untersuchungskommission-dresden-2011-218MitteilungBericht der Untersuchungskommission (PDF)Rechtsstaat auf sächsisch (PDF)]]>news-217Fri, 20 Jan 2012 12:15:00 +0100Gemeinsame Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden auf dem neuen Großflughafen BER Willy Brandt und gegen die Durchführung von Asyl-Schnellverfahren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-gegen-die-inhaftierung-von-asylsuchenden-auf-dem-neuen-grossflughafen-ber-willy-brandt-und-gegen-die-durchfuehrung-von-asyl-schnellverfahren-217Gemeinsame Stellungnahme 20.1.2012Auf dem Gelände des neuen Großflughafens in Berlin Schönefeld soll eine „Gewahrsamseinrichtung“ gebaut werden, um einreisende Asylsuchende zu inhaftieren und nach einem dort stattfindenden Asyl-Schnellverfahren möglichst rasch außer Landes schaffen zu können.
      Im Rahmen der Grundgesetzänderung 1993, in deren Folge kein Flüchtling mehr, der regulär auf dem Landweg einreist, das Asylrecht erhalten kann, wurde als weiteres Instrument der Flüchtlingsabwehr eine Spezialregelung für die Einreise auf dem Luftweg entwickelt – das sog. Flughafenverfahren. Asylsuchende, einschließlich Kinder und minderjährige AsylbewerberInnen, können für die Dauer des Asylschnellverfahrens inhaftiert werden. Voraussetzung ist, dass auf dem Flughafengelände eine geeignete „Unterkunft“ existiert.
      Im Zuge des Flughafenausbaus wird nun auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld eine Hafteinrichtung gebaut. Betreiber wird die zentrale Ausländerbehörde Brandenburg. Die „soziale“ Betreuung wird nach Auskunft der Landesregierung die private Wachschutzfirma B.O.S.S. übernehmen.
      Innerhalb von zwei Tagen nach Stellung des Asylantrags ergeht eine Entscheidung, ob der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt oder die Einreise erlaubt wird. Im Falle einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ bleibt den AsylbewerberInnen nur drei Tage Zeit, um Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben sowie einen Eilrechtsschutzantrag einzureichen. Wird der Eilantrag gegen die Einreiseverweigerung binnen zweier Wochen abgewiesen, verbleiben sie in der Flughafenhaftanstalt, bis die Abschiebung möglich wird.
      Der Zeitdruck macht es den gerade geflüchteten und teils schwer traumatisierten Menschen unmöglich, zur Ruhe zu kommen und ihre Asylgründe substantiiert vortragen zu können. Teilweise sind sie durch die Umstände der Flucht verhandlungsunfähig. Auch der erschwerte Zugang zu RechtsanwältInnen verhindert, dass sich die Asylsuchenden ausreichend auf ihre Anhörung vorbereiten können und schmälert ihre Aussicht erheblich, als Flüchtling in Deutschland anerkannt zu werden.
      Die Eile des Verfahrens führt immer wieder zu eklatanten Fehlentscheidungen. So wurden die Asylanträge zweier Deserteure aus Eritrea im Flughafenverfahren als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Sie wurden unmittelbar nach ihrer Abschiebung in einem Geheimgefängnis in Eritrea inhaftiert. Erst nach der Abschiebung prüfte das Verwaltungsgericht den Fall mit der nötigen Gründlichkeit und gewährte Asyl.(1)
      Darüber hinaus lässt die kurze Frist zur Einreichung eines Eilantrags ein sachgemäßes Beschreiten des Rechtswegs nicht zu. Es ist schlicht unmöglich, die geforderten schriftlichen Begründungen rechtzeitig beizubringen. Da die Ablehnung von Eilrechtsanträgen durch das Gericht bereits ohne schriftliche Begründung rechtskräftig wird, können die Betroffenen abgeschoben werden, bevor sie die Möglichkeit erhalten, weiteren Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Eine Abschiebung wird in der Regel nach der Abweisung des Eilantrages durchgeführt, obwohl die Klage gegen die Entscheidung des Bundesamtes noch anhängig ist. ExpertInnen bezeichnen das sog. Flughafenverfahren daher als „hastig, unfair, mangelhaft“ (2)  und „rechtsstaatswidrig“ (3).
      Auf den meisten deutschen Flughäfen wird auf das Flughafenverfahren verzichtet, so auch in Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover. In Berlin-Schönefeld werden aktuell jährlich zwei bis vier Flughafenverfahren durchgeführt. Die Zahlen der entsprechenden Verfahren für Hamburg, München und Düsseldorf sind ebenfalls marginal. Am neuen Berliner Großflughafen soll nun Platz für die Inhaftierung von jährlich 300 asylsuchenden Flüchtlingen einschließlich Kindern jeden Alters und allein reisenden Minderjährigen geschaffen und deren Asylanträge in dem höchst zweifelhaften Schnell-Verfahren abgefertigt werden.


      Erstunterzeichner:
      * Asyl in der Kirche e.V.
      * AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
      * Prof. Dr. Klaus J. Bade, Migrationsforscher, Berlin
      * Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL
      * Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V.
      * Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin
      * Erzbistum Berlin
      * Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      * Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
      * Dr. med. Jürgen Hölzinger, Ausschuss für Menschenrechtsfragen der Ärztekammer Berlin
      * Initiative gegen Abschiebehaft
      * Jesuiten Flüchtlingsdienst Deutschland
      * Landesjugendwerk der AWO Berlin
      * Landesjugendwerk der AWO Brandenburg
      * Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Berlin
      * (AWO, Caritas, dpw, DW, DRK, ZWST)
      * Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Brandenburg 
      * (AWO, Caritas, dpw, DW, DRK, ZWST)
      * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      * Hanns Thomä, Beauftragter für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-
      * Brandenburg-schlesische Oberlausitz
      * Zentrum Überleben
      Berlin, 20. Januar 2012
      ---------------------------------------------------------------------
      1 vgl. PRO ASYL, "Hastig, unfair, mangelhaft", www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf, Kapitel 3.5
      2 vgl. Dokumentation "Hastig, unfair, mangelhaft" a.a.O.
      3 vgl. Pressemitteilung der Synode der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 29.10.2011, http://www.ekbo.de/1048149/alias.html?id=1058433Gemeinsame Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden auf dem neuen Großflughafen BER Willy Brandt und gegen die Durchführung von Asyl-Schnellverfahren (PDF)]]>
      Migration & Asyl (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-214Fri, 20 Jan 2012 11:00:00 +0100Vorstellung der Gemeinsamen Stellungnahme gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden und das Asylschnellverfahren auf dem Großflughafen BER Willy Brandt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/vorstellung-der-gemeinsamen-stellungnahme-gegen-die-inhaftierung-von-asylsuchenden-und-das-asylschnellverfahren-auf-dem-grossflughafen-ber-willy-brandt-214Einladung zur Pressekonferenz
      Dieses Verfahren wäre nur noch schwer vereinbar mit Vorschlägen, die die EU-Kommission für die Änderung der Asylverfahrens- und Aufnahmerichtlinie vorgelegt hat. Mit dem Bau der Hafteinrichtung werden Fakten geschaffen, die der Bundesregierung zur europarechtlichen Durchsetzung ihrer restriktiven asylpolitischen Interessen dienen. Vgl. Antwort 19 der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 17/8095, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/080/1708095.pdf

      Ein breites Bündnis aus flüchtlingspolitischen Organisationen, AnwältInnen, Wohlfahrts-verbänden und Kirchen protestiert scharf gegen die Inhaftierung schutzsuchender Flüchtlinge zur Durchführung des Asylverfahrens. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern sie den Verzicht auf die geplante Errichtung und Inbetriebnahme der Gewahrsamseinrichtung am Flughafen Willy Brandt sowie die bundesweite Abschaffung von Asyl-Schnellverfahren (sog. Flughafenverfahren). 

      Bei einer Pressekonferenz am 20. Januar veröffentlichen wir die Gemeinsame Stellungnahme. Es sprechen:

      * Beate Selders, Flüchtlingsrat Brandenburg
      Hintergrund der Stellungnahme

      * RAin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
      Kritik am Flughafenverfahren aus rechtsstaatlicher Sicht

      * Bernd Mesovic, PRO ASYL
      Erfahrungen mit dem Flughafenverfahren in Frankfurt am Main und europapolitische Dimension des Flughafenverfahrens

      * Andreas Kaczynski, Vorstandsvorsitzender Der Paritätische - Landesverband Brandenburg
      Kritik am Flughafenverfahren aus Sicht der Wohlfahrtsverbände

      * Martin Stark, Flüchtlingsseelsorger im Erzbistum Berlin, Direktor des Jesuiten Flüchtlingsdienstes Deutschland
      Moderation Zu der Pressekonferenz laden wir Sie im Namen aller UnterzeichnerInnen (s.u.) der Stellungnahme herzlich ein. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an 

      Beate Selders, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
      mobil 0176-61026443
      info@fluechtlingsrat-brandenburg.de

      Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      Tel 030-24344 57 62
      mauer@fluechtlingsrat-berlin.deZeit und Ort der Pressekonferenz:
      Freitag, 20. Januar 2012, 11 Uhr 
      Tagungszentrum Aquino/Katholische Akademie zu Berlin, Raum 1 
      Hannoversche Straße 5b, Berlin-Mitte 
      U-Bahn Oranienburger Tor

      Weitere Informationen zur geplanten Haftanstalt am Flughafen Willy Brandt und das Flughafen-Asylverfahren finden Sie unter 
      www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen.php?sid=536 und 

      www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/materialienabschiebungen/asylverfahren/flughafenverfahren

      sowie unter  www.keinasylknastbbi.info Die UnterzeichnerInnen der Stellungnahme:
      Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V., AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V., Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL, Jesuiten Flüchtlingsdienst Deutschland, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Asyl in der Kirche e.V., Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Berlin, Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Brandenburg, Erzbistum Berlin, Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin, Hanns Thomä (Beauftragter für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), Dr. med. Jürgen Hölzinger (Ausschuss für Menschenrechtsfragen der Ärztekammer Berlin), Flüchtlingsrat Berlin e.V., Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-216Tue, 17 Jan 2012 13:55:00 +0100Tag des verfolgten Anwalts, 24. Januar 2012/publikationen/mitteilungen/mitteilung/tag-des-verfolgten-anwalts-24-januar-2012-216Aufruf zur DemonstrationVor der Botschaft der Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
      Vor dem türkischen Generalkonsulat, Tesdorpfstraße 18,  20148 Hamburg Seit Jahren wird von Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch, aber auch von der Europäischen Union über schwere Menschenrechtsverletzungen aus der Türkei berichtet. Die festgestellten Menschenrechtsverletzungen richten sich gegen politische Gegner, gegen Minderheiten, insbesondere gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei und außerdem auch gegen Anwältinnen und Anwälte, die den Mut haben, die Opfer dieser staatlichen Menschenrechtsverletzungen zu verteidigen. 

      Am 22. November 2011 kulminierten diese Menschenrechtsverletzungen in der Massenfestnahme von ungefähr 50 türkischen und kurdischen Anwältinnen und Anwälten bei koordinierten Razzien im Zuge der sogenannten KCK-Operationen in vielen türkischen Städten und Provinzen. Eine ähnliche Aktion fand in der Türkei am 20. Dezember 2011 gegen Journalisten statt, von denen 20 festgenommen wurden. 36 Kolleginnen und Kollegen sind noch in Haft. 
      Weltweit sind im Jahre 2010 mehr als 120 Rechtsanwältinnen und -anwälte auf Grund ihrer Berufsausübung tödlichen Anschlägen zum Opfer gefallen. Allein in Kolumbien wurden in der Vergangenheit jährlich durchschnittlich 20 Berufskolleginnen und -kollegen ermordet. Die Zahl der inhaftierten, gefolterten, psychisch misshandelten und bedrohten oder in ihrer Berufsausübung behinderten Kolleginnen und Kollegen ist unüberschaubar. Werden Anwälte daran gehindert, ihren beruflichen Verpflichtungen nachzukommen, ist nicht nur ihre Zukunft und die ihrer Mandanten in Gefahr, sondern auch das Recht an sich.
      Das Institut des Droits de I'Homme des Avocats Européens (IDHAE), hat auf Anregung der Avocats Européens Démocrates (EDA), des Europäischen Dachverbandes nationaler Anwaltsvereinigungen, und unter Mitwirkung der European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH) den bevorstehenden 24. Januar zum Tag des bedrohten Anwalts erklärt. Dieser Tag wird von den Mitgliedern der genannten Organisationen europaweit durch Veranstaltungen, Kundgebungen etc. begangen werden. 

      Am 24. Januar 2012 wird um 14.00 Uhr zeitgleich in Berlin, Brüssel, Amsterdam, Paris, Rom, Madrid, Hamburg, Düsseldorf, Bern, Mailand und Barcelona vor geeigneten türkischen Einrichtungen eine Kundgebung stattfinden.

      Massenverhaftungen der oben genannten Art beruhen erfahrungsgemäß nicht auf individuell geprüften Vorwürfen. Sie tragen immer den Beweis des ersten Anscheins von Unrecht in sich. Dies drängt sich im vorliegenden Fall schon deswegen auf, weil viele der inhaftierten Anwälte als Verteidiger in den KCK-Verfahren gearbeitet oder Abdullah Öcalan verteidigt haben. Es ist nicht neu, dass Verteidiger mit ihren Mandanten gleichgesetzt bzw. identifiziert und allein deswegen verfolgt und bisweilen auch verurteilt werden. 

      Auf dem Kongress zur Prävention von Verbrechen und die Behandlung von Tätern der Vereinten Nationen im Jahr 1990 hat die Völkergemeinschaft in den „Basic Principles oft the Role of Lawyers“ unter anderem festgehalten: 

      - dass die Mitgliedstaaten gewährleisten müssen, dass Anwälte ohne jede Beeinträchtigung ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen können,
      - dass die Mitgliedstaaten für den Fall, dass die Sicherheit von Anwälten bedroht ist, geeignete Sicherheitsmaßnahmen für deren Schutz zu gewähren haben,
      - dass Anwälte nicht mit ihren Mandanten identifiziert werden dürfen.

      Die Massenverhaftungen zum einen, aber auch die Beobachtung von rechtsstaatswidrigem Umgang mit unbotmäßig erscheinenden Anwältinnen und Anwälten durch die türkische Justiz veranlassen uns, den Tag des verfolgten Anwalts, der verfolgten Anwältin vor der Türkischen Botschaft in Berlin und vor dem türkischen Generalkonsulat in Hamburg zu begehen. 

      Wir rufen daher zur Teilnahme an den Demonstrationen auf:
      am 24. Januar 2012 jeweils um 14.00 h
      vor der Türkischen Botschaft, Rungestr. 9, 10179 Berlin
      vor dem türkischen Konsulat, Tesdorpfstraße 18,  20148 Hamburg
      Die Kolleginnen und Kollegen werden gebeten ihre Roben zu tragen.

      Der Vorstand des RAV
      Weitere Informationen:------------------------------------------------------------------------ General report_Protokoll und Bilder der europaweiten Aktion (PDF)]]>
      news-215Tue, 17 Jan 2012 10:04:00 +0100StN zum Entwurf des BMJ für ein MietRÄndG/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stn-zum-entwurf-des-bmj-fuer-ein-mietraendg-215Stellungnahme vom 17.1.2012Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht
      Rechtsanwalt Henrik Solf, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht

      Einleitung
      Das Bundesministerium für Justiz hat am 25.10.2011 einen Entwurf zur Änderung des Mietrechts vorgelegt. 

      Gegenstand des Entwurfes sind Erleichterungen von Modernisierungen, insbesondere energetischen Modernisierungen, die Einführung eines Kündigungsrechts wegen Verzuges bei der Zahlung der Mietkaution und weiterer rechtlicher Instrumente zur Bekämpfung sog. „Mietnomaden“ sowie die Umstellung von Mietverträgen auf eine gewerbliche Wärmelieferung. Hatte sich die rot-grüne Koalition mit der Mietrechtsreform 2001 noch um Ausgewogenheit und einen Ausgleich der Interessen von Mietern und Vermietern bemüht, soll die aktuelle Reform vor allem zulasten der Mietern gehen. Das ist historisch einmalig: Fast durchgängig wird eine Einschränkung der Mieterrechte angestrebt. Die geplanten Änderungen nehmen auf Belange betroffener Mieter kaum Rücksicht, sie sind unsozial, unausgewogen und dogmatisch zum Teil unrichtig und wird damit auch dem Anspruch nicht gerecht, mehr Rechtssicherheit herzustellen. 

      Wir stellen im Folgenden dar, welche Punkte des Gesetzesentwurfes aus Sicht der auf Verbraucherseite mietrechtlich tätigen Anwälte nicht akzeptabel sind oder nachgebessert werden müssen. 

      Zu der darüber hinaus geplanten Änderung im Bereich der Eigenbedarfskündigung und der gesetzlichen Verankerung der „Berliner Räumung“ soll hier nicht Stellung genommen werden.


      1. Modernisierung
      Mit dem vorliegenden Referentenentwurf zur Mietrechtsreform soll das Recht der Duldung von Duldungs- und Erhaltungsmaßnahmen in einem neuen Kapitel neu geregelt werden. Nach der erklärten Absicht der Autoren sollen diese Vorschriften „zugleich mit dem Mieterhöhungsrecht nach Modernisierung (§§ 559 bis 559b BGB) abgestimmt“ werden. Im Zentrum der Änderungsvorschläge steht dabei der völlig neue Tatbestand der „energetischen Modernisierung“. Der Mietwohnungsbestand soll auf diesem Wege den gestiegenen Anforderungen an Energieeffizienz und Klimaschutz angepasst werden.

      Dazu wird der Kreis der zu duldenden Maßnahmen erweitert. Gleichzeitig werden die Anforderungen an die Modernisierungsankündigung für den Vermieter erleichtert. Finanzielle Härtegründe sollen der Modernisierung nicht entgegenstehen, sondern lediglich im Mieterhöhungsverfahren erörtert werden.

      a. 
      (1) Insgesamt unterstellt die Begründung des vorliegenden Entwurfs, die energetische Sanierung des Mietwohnungsbestandes sei bislang an zu engen gesetzlichen Vorgaben gescheitert. Eine Begründung für diese These liefern die Verfasser allerdings nicht. Gegen eine solche Ansicht spricht schon der einfache empirische Befund. Zudem bleibt in der Begründung zum Referentenentwurf unerwähnt, dass mit den geplanten Änderungen generell Modernisierungen deutlich erleichtert werden sollen.

      Tatsächlich gehören gerade die energetischen Modernisierungen zu den kostenintensivsten. Mieterhöhungen um mehr als 4,00 €/m² bei gleichzeitiger Verdopplung der Miete sind keineswegs selten. Dies hat z.B. in Berlin zu einer erheblichen Verdrängung von Mietern aus den Innenstadtbezirken geführt. Ein Phänomen, das als wesentlicher Aspekt von Gentrifizierung soziologisch mittlerweile allgemein anerkannt, und mit der großflächigen Gebäudesanierung eng verknüpft ist (vgl. u.a. Andrej Holm, Die Restrukturierung des Raumes, Bielefeld 2006). Nach einer Studie des Immobilienverbandes Deutschland IVD aus dem Jahre 2008 beträgt der Anteil der Miete und Betriebskosten mittlerweile über 35% am mittleren Haushaltsnettoeinkommen. In Städten mit großen Gruppen niedriger Einkommensbezieher wie Berlin beträgt dieser Anteil sogar über 40% (Quelle: http://www.bauwissen-online.de/PDF/IVD_Mietb.pdf).

      Diesen Problemen hat sich allerdings der Gesetzgeber bislang noch nicht in angemessener Weise gestellt. Stattdessen verlagert der Gesetzesentwurf die Kostenlast der Energiewende allein auf den Mieter. Es ist daher zu befürchten, dass die Umsetzung des vorliegenden Entwurfs durch die einseitige Belastung der Mieter mit den Lasten von Modernisierungen die oben aufgezeigten Entwicklungen weiter beschleunigt. Dies birgt auf Dauer sozialen Brennstoff in sich. Einen angemessenen Ausgleich bietet der vorliegende Entwurf nicht. Die Übernahme sozialer Verantwortung durch den Staat ist nicht erkennbar. Da der Klimaschutz von überragendem öffentlichem Interesse ist, muss auch der Staat eingreifen und kann dies nicht allein dem Markt überlassen. Er kann z.B. mithilfe öffentlicher Förderungen und des besonderen Städtebaurechts eingreifen. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen sind allerdings unzureichend. So muss sichergestellt werden, dass öffentliche Fördermittel zur energetischen Modernisierung dauerhaft dem Mieter zukommen. 

      Dazu muss der Gesetzgeber endlich klarstellen, dass öffentliche Mittel nicht nur dann vom Vermieter bei der Mieterhöhung in Abzug zu bringen sind, wenn er auch selbst Bauherr war (so u.a. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, § 559a Rnr. 9). Nach aktueller Rechtslage muss der Erwerber einer Mietsache bei einer Erhöhung der Miete nach § 559 BGB die öffentlichen Fördermittel, die sein Rechtsvorgänger erhalten hat, nicht anrechnen. Außerdem bedarf es einer Stärkung des besonderen Städtebaurechts. Die Erhaltungssatzungen im Sinne von § 172 BauGB müssen den Kommunen die Möglichkeit geben, den Vermietern verbindliche Auflagen zu machen, auf deren Einhaltung sich auch der Mieter berufen kann (Drittschutz). Schließlich wäre über eine Beschränkung der Umlage der Modernisierungskosten wie im § 13 Absatz 1 Mietenüberleitungsgesetz vom 06.06.1995 nachzudenken.

      (2) Der vorliegende Entwurf gießt zudem den Inhalt des Urteils des BGH vom 02.03.2011 (VIII ZR 164/10) unreflektiert in Gesetzesform. Er lässt dabei gleichzeitig vollständig und ohne erkennbare Not die bis zu dieser Entscheidung überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung unbeachtet.

      Offenbar war vom Gesetzgeber nach alter Rechtslage übersehen worden, die Duldungspflicht des Mieters aus § 554 BGB mit dem Recht des Vermieters zur Mieterhöhung aus §§ 559ff. BGB zu verknüpfen. Entgegen der oben genannten Ansicht schlussfolgerte der BGH daraus, dass eine Pflicht zur Zahlung höherer Miete wegen einer Modernisierung nicht die Pflicht zur Duldung ebendieser Modernisierung voraussetzt. Für eine Verknüpfung beider Tatbestände sprechen allerdings rechtssystematisch schwerwiegende Gründe.

      Denn im Mietrecht werden Qualität und Umfang der Mietsache durch den Vertrag bestimmt. Will der Vermieter eine Modernisierung durchführen, greift er einseitig in dieses Vertragsverhältnis ein und verändert den Vertragsgegenstand. Voraussetzung war jedoch eine rechtzeitige schriftliche Ankündigung der voraussichtlichen Arbeiten an der Mietsache. Damit wurde gleichzeitig die Änderung des Vertragsgegenstandes bestimmt. Durch seine Duldung werden die angekündigten Veränderungen der Mietsache zum Gegenstand des Mietvertrages (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 559 Rnr. 18 m.w.N.). Die Modernisierungsankündigung erfüllt nach dieser Ansicht eine Doppelfunktion: Sie bestimmt den Umfang der Vertragsänderung und damit den Umfang der Duldungspflicht des Mieters. Diese Position wurde vom BGH schlicht ignoriert.

      Das Mietrecht entfernt sich damit in erschreckendem Maße von den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts (vgl. Börstinghaus, jurisPR-BGH ZivilR 9/2011Anm.2). Die durch den vorliegenden Entwurf sanktionierte Entscheidung bleibt wie die Begründung zu dem vorliegenden Entwurf jede dogmatische Begründung schuldig, wie beispielsweise ein unangekündigter neuer Fahrstuhl zum Gegenstand des Mietvertrages werden soll. Dies ist aus Sicht der Vertragsparteien schon deswegen von Bedeutung, wenn es um mietvertragliche Gewährleistungsansprüche des Mieters geht. Hat der Vermieter keine Umlage der Modernisierungskosten im Wege des § 559 BGB sondern nur – ohne weiteren Kommentar – eine Mieterhöhung nach § 558 BGB vorgenommen, besteht zwischen den Parteien über Jahre Unklarheit über den Vertragsgegenstand. Auflösbar wäre dieses Dilemma nur durch die dogmatisch unhaltbare Vorstellung, der Aufzug würde qua Existenz zum Gegenstand des Mietvertrages.

      Zudem ist die Modernisierungsankündigung eine vertragliche Pflicht, deren Verletzung einen Anspruch nach § 280 BGB nach sich ziehen müsste. Dies gilt erst recht für die ohne Ankündigung durchgeführte Modernisierung. Damit verursacht der Vermieter auf Dauer nicht nur eine Mietsteigerung sondern versetzt die Wohnung in einen Zustand, den der Mieter möglicherweise gar nicht wollte. Dies ist der Grund dafür, dass der Gesetzgeber nicht nur bei der Mieterhöhung sondern auch bei der Vertragsänderung in Form der Modernisierung dem Mieter ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt hat. Die Entscheidung, sich der Vertragsänderung zu entziehen, kann der Mieter ohne Ankündigung aber nicht mehr fällen, wenn er gar nicht weiß, dass modernisiert wird. 

      Mit der geplanten Möglichkeit, auch für unangekündigte Mieterhöhungen einen höheren Mietzins verlangen zu können, wird der eigentlich bestehende Schadensersatzanspruch des Mieters aus § 280 BGB abgeschnitten. Eine Kompensation erfolgt durch die Verschiebung des Erhöhungszeitpunktes für die Mieterhöhung um sechs Monate. 

      Die geplante Änderung benachteiligt somit letztlich den sich am gesetzlichen Leitbild der Modernisierung orientierenden Vermieter. Denn bei genauer Betrachtung „rechnet“ sich diese Verschiebung. Der Vermieter spart die Kosten einer aufwendigen Ankündigung und den dreimonatigen Vorlauf. Vor diesem Hintergrund wird der Vermieter die Verschiebung der Mieterhöhungsmöglichkeit um drei Monate verschmerzen können, zumal ihm parallel auch die Möglichkeit bleibt, die Miete gemäß § 558 BGB anzuheben. Ob diese Regelung dazu angetan ist, den Vermieter zur Einhaltung der Ankündigungspflicht einzuhalten, erscheint vor diesem Hintergrund mehr als fraglich.

      Außerdem hat der Mieter ein virulentes Interesse zu erfahren, ob es sich überhaupt um eine Modernisierungsmaßnahme handelt. Aus diesem Grund ist die weitere Aufweichung der Ankündigungspflicht abzulehnen. Allgemein wird jetzt nur noch verlangt, dass Art, Umfang, Beginn, Dauer und Mieterhöhung in „wesentlichen Zügen“ mitgeteilt wird. Der nun vorgeschlagenen Formulierung ist zu entnehmen, dass die Anforderungen weiter heruntergeschraubt werden sollen, zu Lasten der Klarheit und Planbarkeit für den Mieter. Für den Bereich der energetischen Modernisierung erfolgt dann noch eine weitere Herabsetzung, indem dem Vermieter gestattet wird, auf allgemein anerkannte Pauschalsätze zur Begründung zurückzugreifen. Gerade aber wenn ein Gebäude bereits mit einer gut funktionierenden Heizungsanlage ausgestattet ist, dürfte es für den Mieter wichtig sein, inwiefern die neue Anlage noch nachhaltiger Energie einspart, zumindest dann, wenn er für die Neuanschaffung monatlich eine beträchtliche Mieterhöhung aufzubringen hat. 

      Der Mieter muss aber nicht nur wissen, wie sich die Mietsache ändert und wie sich die Miete erhöht, sondern auf welche Beeinträchtigungen er sich während der Bauarbeiten einstellen muss. Bei umfassenden Modernisierungen – dazu gehören gemeinhin auch energetische Modernisierungen – ist mit massiven Beeinträchtigungen zu rechnen. Der Mieter arbeitet möglicherweise in der Wohnung und kann dies bei Baulärm nicht mehr tun; er betreut in der Wohnung einen kranken Angehörigen, der dann zeitweilig verlegt werden muss. Die ureigenste individuelle Lebensgestaltung ist prägend für die Nutzung einer Wohnung und deshalb auch über Artikel 13 GG geschützt. Natürlich muss der Vermieter das Recht haben, die in seinem Eigentum stehenden Räume – auch gegen die Interessen des Mieters – umzugestalten. Aber das Gebot der Rücksichtnahme gebietet es, dass der Vermieter dies in angemessener Zeit vorher und in der rechten Art und Weise ankündigt. Man kann daher zu Recht von dem Vermieter einerseits die Einhaltung verlangen und andererseits vom Gesetzgeber fordern, dass er einen Verstoß hiergegen angemessen sanktioniert. Die Rechtsfolge kann nur darin bestehen, dass dem Vermieter dann das Recht genommen wird, die Miete zu erhöhen. 

      (3) Insgesamt sollen energetische Modernisierungen einseitig auf Kosten der Mieter vereinfacht werden, ohne dass nach dem Nutzen für den Mieter gefragt wird. Eine Verknüpfung zwischen den Modernisierungskosten und der zu erwartenden Energie- oder Kosteneinsparung findet weiterhin nicht statt.

      Eine solche Herangehensweise erscheint jedoch insbesondere aus Wirtschaftlichkeitserwägungen als sinnvoll. Da der Mieter die Kosten der baulichen Maßnahmen über die Miete mittelfristig vollständig zu tragen hat, ohne rechtlich darauf Einfluss nehmen zu können, sind seine Interessen insbesondere auch unter diesem Punkt angemessen zu berücksichtigen. Das kann entweder über den ausdrücklichen Ausschluss einer Duldungspflicht bei unwirtschaftlichen Maßnahmen oder über eine Begrenzung der Mietererhöhung auf ein bestimmtes Vielfaches der zu erwartenden Energieeinsparung geschehen. In einer mittlerweile überholten Rechtsprechung war ein solcher Zusammenhang noch hergestellt worden (vgl. OLG Karlsruhe RE WuM 1985, 17).

      b. § 536 Absatz 1 BGB
      Es erscheint zunächst mehr als fraglich, ob die energetischen Modernisierungen bislang an den Minderungsrechten der Mieter gescheitert sind.

      Der zeitweise Minderungsausschluss erscheint als dogmatisch nicht durchdacht. Bislang einmalig im Bürgerlichen Gesetzbuch werden Gewährleistungsrechte ohne entsprechende Kompensation vollkommen ausgeschlossen. Im Gegensatz zum Kauf- oder Werkvertragsrecht muss der Mieter sein Minderungsrecht noch nicht einmal ausüben, dies tritt automatisch ein und ist im Übrigen nicht zu Lasten des Wohnraummieters abdingbar. 

      Praktisch eröffnet die Regelung zahlreiche neue ungeklärte Fragen. Da energetische Modernisierungen häufig gleichzeitig mit anderen Baumaßnahmen stattfinden, wird eine Abgrenzung in der Praxis nicht möglich sein. Dient z.B. der Aufbau eines Baugerüstes dem Ausbau des Dachgeschosses oder dem Anbringen der Wärmedämmung? Aber auch wenn die Arbeiten grundsätzlich klar zuzuordnen sein sollten, kann der Minderungsausschluss den betroffenen Mieter vor unlösbare Aufgaben stellen. Aus seiner Perspektive wird nicht festzustellen sein, ob mit den Abbrucharbeiten von Kellerwänden der neue Heizungsraum oder nur die Neugestaltung der Kellerräume vorbereitet wird.

      Unklar ist auch, was gellten soll, wenn zwei energetische Modernisierungen gleichzeitig oder gar zeitversetzt durchgeführt werden. Verdoppelt sich die Zeit des Minderungsausschlusses oder überlappen sich die minderungsfreien Zeiten? Nach dem Wortlaut des Entwurfs wäre die Minderung auch ausgeschlossen, wenn wegen schlechter Planung während des Austauschs der Heizung drei Monate lang alle Heizmöglichkeiten komplett ausfallen.

      c. § 555d BGB
      Die zeitliche Verlagerung der Auseinandersetzung um die sozialen Folgen der zu erwartenden Mieterhöhung ist sowohl für Mieter als auch Vermieter mit erheblichen Nachteilen verbunden. Zwar muss der Mieter entsprechende Umstände rechtzeitig mitteilen. Dennoch bleiben die sich daran anknüpfenden Rechtsfolgen für die Beteiligten unklar. Denn bislang konnten sich weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung zu einheitlichen Maßstäben für die soziale Härte durchringen. Der Vermieter kann daher nicht rechtssicher voraussehen, ob er die Kosten der Modernisierung tatsächlich auch über die Mieterhöhung refinanzieren kann. Der finanziell bedürftige Mieter muss sehenden Auges einen Umbau seiner Wohnung hinnehmen, bei dem über Monate oder gar Jahre unklar ist, ob er die folgende Mieterhöhung überhaupt zahlen kann und muss. Diese Unwägbarkeiten werden in der Praxis den Druck auf finanziell bedürftige Mieter weiter verstärken, ihre Wohnung zu verlassen und das Mietverhältnis zu beenden. Die Sozialklausel wird so zur leeren Hülle.

      Nach dem Wortlaut des Entwurfs bliebe eine finanzielle Verschlechterung, von der der Mieter unverschuldet erst nach Beginn der Modernisierungsarbeiten erfährt, außer Betracht. Wird etwa eine Rente nicht in der erwarteten Höhe bewilligt, träte die Wirkung einer solchen Entscheidung auch rückwirkend ein. Auf die damit verbundene finanzielle Härte dürfte sich der Mieter dennoch nicht mehr berufen.

      Letztlich beschleunigt die Verlagerung der Auseinandersetzung um die Modernisierung in das Erhöhungsverfahren zwar die Durchführung der Modernisierung selbst. Jedoch bleiben beide Parteien einer fortdauernden Ungewissheit über die Realisierbarkeit der Investitionen und die zu erwartende Mieterhöhung ausgesetzt. Der Entwurf nimmt ihnen das Forum und die Gelegenheit, im gerichtlichen Verfahren um die Duldung der Modernisierung einen angemessenen Ausgleich ihrer Interessen vorzunehmen, noch bevor die Arbeiten durchgeführt werden.

      d. § 559 BGB
      Die Normierung der Berücksichtigung von ersparten Instandsetzungskosten ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings verschlechtert die vorgeschlagene Berücksichtigung von Schätzungen die Rechtsposition der Mieter ganz erheblich. Nach herrschender Rechtsprechung sind bislang die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen. Die neue Norm schafft deutlich weniger Rechtssicherheit für die Mieter. Diesen stehen regelmäßig keine Möglichkeiten zur Verfügung, die Angemessenheit einer solchen Schätzung zu überprüfen. Dies ist dagegen derzeit durch Einsichtnahme in die Berechnungen des Vermieters unschwer möglich. 


      2. Fristlose Kündigung wegen Nichtzahlung der Kaution 
      Der Gesetzgeber plant dem Vermieter ein Recht zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung für den Fall einzuräumen, dass der Mieter mit einem Teil der Sicherheitsleistung in Verzug ist, der mindestens zwei Monatsmieten ohne Betriebskostenvorauszahlung oder -pauschale entspricht. Das Recht der fristlosen Kündigung soll neben das Recht der fristlosen Kündigung wegen Verzuges mit den Mietzahlungen treten. Der Kündigungsgrund wird in einen neu zu schaffenden Absatz 2 a in § 569 BGB eingefügt. Es wird dem Mieter dann das Recht eingeräumt, wie bei der Kündigung nach § 543 Absatz 2 Nr. 3 BGB die durch Zahlung des vollständigen rückständigen Betrages innerhalb der Schonfrist von zwei Monaten ab Rechtshängigkeit die Kündigung unwirksam zu machen. Wie bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Dies wird durch entsprechende Verweise einerseits auf § 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1, andererseits auf § 543 Absatz 2 Satz 2 BGB bewerkstelligt. 

      Um diese Kündigung handhaben zu können und um Streit über den Verzugseintritt zu vermeiden, wird das Recht des Mieters die Barkaution in drei Monatsraten leisten zu dürfen, dahingehend konkretisiert, dass die Raten zweite und dritte Rate jeweils mit den folgenden Monatsmieten zu zahlen sind. Für die erste Rate ist schon nach aktuellem Recht zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weitere Zahlungsverpflichtung wird durch einen neuen Satz 3 in § 551 Absatz 2 BGB bewerkstelligt.

      Zur Begründung dieses neuen Kündigungsgrundes wird ausgeführt, dass dem Vermieter damit eine bessere Handhabe erhalte, sich von einem Vertragspartner zu lösen, der sich bereits bei Beginn des Mietverhältnisses seinen Zahlungsverpflichtungen entziehe. Außerdem sei dies bei Gewerberaummietverhältnissen bereits zu Gunsten des Vermieters entschieden. Im Rahmen des Wohnraummietrechts sei dies streitig. 

      Diese Regelung zu Lasten des Mieters ist problematisch. 

      a. 
      Grundsätzlich bleibt es dem Vermieter vorbehalten, die im Mietverhältnis bestehenden Forderungen gerichtlich durchzusetzen. Angesichts der überragenden Bedeutung der Wohnung erscheint es jedoch nicht opportun, allein den Verzug mit der Zahlung einer Kaution, die lediglich der Sicherung der Forderung aus dem Mietverhältnis dient, als Grund für eine fristlose und dann selbstverständlich auch für eine fristgerechte Kündigung zu benutzen. Die Kautionszahlung ist – im Gegensatz zur Mietzahlung – eben kein Hauptleistungspflicht und deshalb nicht vertragsprägend. 

      b. 
      Der Vermieter ist damit derzeit keinesfalls schutzlos. Es bleibt ihm auch bei Nichtzahlung der Kaution die fristlose Kündigung, wenn ihm gemäß § 543 Absatz 1 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Schon jetzt werden Kündigungen wegen Nichtzahlung der Kaution auf diese Vorschrift gestützt. Dies ist auch sachgerechter, da es in jedem Fall einer Prüfung des Einzelfalles bedarf. (näher hierzu Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 543 Rnr. 184) Es mag den Mieter geben, der nie vorhatte, die Kaution zu leisten. In diesem Fall dürfte die Abwägung zu Lasten des Mieters ausgehen. Man stelle sich allerdings vor, dass die Kaution trotz intensiver Bemühungen des Mieters vom JobCenter nicht übernommen wird. Im Hinblick darauf, dass schon jetzt gerade in den Ballungszentren ein zweistelliger Prozentsatz der Mieter von Transferleistungen lebt, ist diese Gefahr durchaus real. Zudem ist die Bearbeitung entsprechender Anträge durch die Sozialämter häufig sehr langsam. Aus diesem Grund wurde mit der letzten Mietrechtsreform die Schonfrist bei Kündigungen wegen Zahlungsverzuges von zwei auf drei Monate verlängert.

      Bei Aufnahme dieses neuen Kündigungsgrundes in das BGB käme es aber auf den Grund für den Verzug des Mieters nicht mehr an. Dem kann auch nicht die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2009 entgegen gehalten werden, in dem dieser ausführt, das Jobcenter handele in den Fällen, in denen es direkt Transferleistungen an den Vermieter übernehme, hoheitlich und nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters (VIII ZR 64/09 vom 21.10.2009). Im Gegensatz zu den laufenden Mietzahlungen ist der Sozialhilfeträger nicht verpflichtet, Kautionszahlungen zu leisten. Dies steht in seinem eingeschränkten Ermessen. So heißt es in § 22 Absatz 6 2. HS SGBXII: „... eine Mietkaution kann bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden“. Personen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, mögen die Kaution in kleinen Raten nachzahlen können, wenn der Sozialleistungsträger die Übernahme schließlich ablehnt, eine fristgerechte Zahlung oder eine Zahlung innerhalb der Schonfrist dürfte ihnen dann aber nicht mehr gelingen. 


      c. 
      Jedoch auch die Schonfristzahlung rettet den Mieter nur noch bedingt. Seit der BGH die analoge Anwendung des § 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1 BGB auf die ordentliche Kündigung abgelehnt hat (VIII ZR 6/04 vom 16.02.2005), führt die Nichtzahlung der Kaution bei gleichzeitig ausgesprochener ordentlicher Kündigung zwingend zur Beendigung des Mietverhältnisses. Dass dies so vom Gesetzgeber nicht gewollt war, liegt auf der Hand (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage, Rnr. XI 28). Die Mietrechtsreform sollte endlich zum Anlass genommen werden, die Regelungen des § 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1 BGB durch einen entsprechenden Verweis in § 573 BGB auch auf die ordentlichen Kündigungen mit zu erstrecken.

      d. 
      Darüber hinaus ist die Aufnahme dieses neuen Kündigungsgrundes in den – nur für den Wohnraum geltenden – § 569 BGB systematisch nicht gelungen. Damit würde dieser Kündigungsgrund nur für Wohnraum gelten. Auf diese Weise wäre erstmals der gesetzliche Schutz des Gewerbemieters stärker als der des Wohnraummieters. Dies widerspricht der über Artikel 13 GG vorgehenden verfassungsrechtlichen Privilegierung des Wohnraum.

      3. § 302a ZPO – Hinterlegung von Mietzahlungen
      Der Gesetzgeber plant, zur Bekämpfung des sog. „Mietnomadentums“ dem Vermieter das Recht einzuräumen, den Mieter zu zwingen, die nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen zu hinterlegen, sofern dieser die Zahlung verweigert. So soll der Vermieter davor geschützt werden, dass der Mieter nach Ausgang eins längeren Rechtsstreits die dann titulierten Forderungen nicht erfüllen kann und dem Mieter zusätzlich Kosten entstehen. Schon die Grundannahme und gesetzgeberische Zielsetzung ist verfehlt. 

      a. 
      Die Forschungsstelle Immobilienrecht der Universität Bielefeld hat 2011 ein Gutachten zum Thema „Mieterschutz und Investitionsbereitschaft im Wohnungsbau – Mietausfälle durch sog. Mietnomaden" vorgelegt. (Universität Bielefeld erstellt von Prof. Dr. Markus Artz, Prof. Dr. Florian Jacoby unter Mitarbeit von Tobias Brunstering, Mady Meiners, Jürgen Schlinkmann)
      Auf der Seite des Deutschen Mietgerichtstages werden die Ergebnisse wie folgt zusammengefasst: 
      „• Vermieter können insbesondere durch Abfragen bei Auskunfteien, aber auch durch eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung des Vorvermieters, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder Kontoauszüge Erkundigungen über die Solvenz bzw. das bisherige Zahlungsverhalten von Mietinteressenten einholen. Private Vermieter berichten allerdings, dass sie solche Erkundigungen kaum einholen. Professionelle Vermieter beklagen, dass datenschutzrechtliche Einschränkungen der Informationsbeschaffung für den Vermieter im Wege stehen.
      • Im Forschungsvorhaben ließen sich keine tatsächlichen Umstände feststellen werden, bei denen es gehäuft zu Fällen des Einmietbetrugs kommt.
      • In den von Vermietern berichteten Fällen wurden im Durchschnitt bereits ca. 1,14 Monate nach Entstehung des Kündigungsgrunds die Kündigung erklärt und die Räumungsklage 3,57 Monate nach Erklärung der Kündigung erhoben. Verzögerungen beruhen insbesondere auf Kostenerwägungen und Bekundungen der Mieter, die Wohnung bald zu verlassen, sowie der Notwendigkeit, Rechtsrat einzuholen.
      • Die Räumungsprozesse dauerten von der Anhängigkeit der Klage bei Gericht bis zum Erlass des Urteils laut Bericht der Vermieter durchschnittlich ca. 5,36 Monate. Dabei wurden ca. 50 % der Fälle ohne mündliche Verhandlung erledigt.
      • Das Gericht gewährte dem Mieter in knapp der Hälfte der Fälle, in denen schon bald nach Beginn des Mietverhältnisses die Zahlung der Miete eingestellt wurde, eine Räumungsfrist, die regelmäßig zwei Wochen, ganz überwiegend vier Wochen nicht überschritt.
      • Die Räumung durch den Gerichtsvollzieher dauerte laut Bericht der Vermieter ab Vorliegen einer vollstreckbaren Ausfertigung bis zur Vornahme der Räumung durchschnittlich ca. 2,62 Monate. Von der Räumung nach dem sog. Berliner Modell wird allenfalls in einem Fünftel der Fälle Gebrauch gemacht.
      • Verzögerungen der Räumungsvollstreckung sind regelmäßig auf die fehlende Vorschusszahlung des Gläubigers, nicht aber etwa auf die Arbeitsüberlastung der Gerichtsvollzieher zurückzuführen.
      • Der Umstand, dass sich an Stelle des Mieters eine andere Person in der Wohnung befand, hat die Räumung nicht signifikant beeinträchtigt.“
      (Quelle: http://www.mietgerichtstag.de/aktuell.php)
      Dies vorausgeschickt, fehlt es schon an der Notwendigkeit der Regelung. Mit dem Argument, gegen das sog. „Mietnomadentum“ vorgehen zu wollen, werden massiv Mieterrechte abgebaut. 

      b. 
      Der Vermieter erhält das Recht, den Mieter auf Antrag zur Hinterlegung von nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen zu zwingen. 

      Dem Antrag wird seitens des Prozessgerichts entsprochen, wenn die Klage auf die Forderung hohe Aussicht auf Erfolg hat und die Hinterlegung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung für den Kläger gerechtfertigt ist. Das hinterlegte Geld erhält derjenige, dem es nach dem Endurteil zusteht. Die Kosten der Hinterlegung gehören zu den Kosten des Verfahren im Sinne der §§ 91 ff. ZPO. Die Entscheidung bzgl. der Hinterlegung wird durch das Prozessgericht getroffen; sie ist unanfechtbar. 

      Flankiert wird die Maßnahme durch die Möglichkeit, die Räumung seitens des Vermieters im Wege der einstweiligen Verfügung zu erwirken, wenn der Mieter der Hinterlegungsanordnung nicht nachkommt und der Vermieter Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges erhoben hat. (Dazu näher unter 4.)

      Die Möglichkeit, eine Hinterlegungsanordnung zu erwirken, ist nicht nur auf Mietsachen begrenzt: Sie soll für alle Arten von Dauerschuldverhältnissen gelten, in denen der Gläubiger von dem Schuldner wiederkehrende Geldleistungen verlangen kann. Die Hinterlegungsanordnung gilt allerdings nicht für die Fälle, in denen über das Recht des Gläubigers gestritten wird, einen Erhöhungsbetrag zu verlangen. Im Wesentlichen zielt die Regelung auf vom Mieter – zu Unrecht – geltend gemachte Minderungs- und Zurückbehaltungsrechte wegen Mängeln der Mietwohnung. Nach ihrem Wortlaut könnte sie allerdings auch Nachzahlungen wegen Nebenkosten und andere Geldforderungen des Vermieters gegen den Mieter betreffen.

      In der Konsequenz riskiert der Mieter nach Rechtshängigkeit eine Räumung der von ihm gemieteten Sache, wenn er die vom Vermieter geltend gemachten bzw. anderweitig fälligen Geldforderungen nicht bedient. Diese Regelung begegnet grundsätzlichen – auch verfassungsrechtlichen – Bedenken. Insbesondere weil der Vermieter noch während des Erkenntnisverfahrens eine Räumung betreiben und damit Tatsachen schaffen kann. 

      c.
      Voraussetzung für die Hinterlegungsanordnung ist, dass die Klage auf diese Forderung (geltend zu machen im Wege der Klageerweiterung oder im Rahmen von §§ 258, 259 ZPO) hohe Aussicht auf Erfolg hat. In der Begründung wird ausgeführt, dass das Gericht nach dem Vortrag der Parteien und eventuellen Beweisergebnissen eine Prognose über den Verfahrensausgang treffen soll. Hierfür soll dann der Strengbeweis gelten. Zudem muss die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt sein. Dazu soll es ausreichen, wenn der Kläger diese Voraussetzungen glaubhaft macht. 

      (1) Allein schon das Anknüpfen an den Begriff der hohen Aussicht auf Erfolg für die Anordnung erscheint hoch problematisch. Der Begriff ist neu, er ist schwer greifbar und trägt kaum zur rechtssicheren Anwendbarkeit bei. Im Rahmen der Entscheidung über die Hinterlegung werden vor Abschluss des Erkenntnisverfahrens Tatsachen geschaffen, die dann unumkehrbar sind, wenn aufgrund der Nichtbefolgung der Hinterlegungsanordnung im Wege einer einstweiligen Verfügung eine Räumungstitel erwirkt und durchgesetzt wird. 

      Der Begriff „Aussicht auf Erfolg“ findet sich im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für Prozesskostenhilfe; beim Prozesskostenhilfeverfahren wird einer Partei zur Wahrnehmung seiner Rechte Prozesskostenhilfe bewilligt, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, also die hinreichende Möglichkeit, dass der Antragsteller mit seinem Klage- bzw. Verteidigungsbegehren durchdringt. Das Gericht trifft hier – wie dann auch im Rahmen des geplanten neuen § 302a ZPO – eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt des Antrages. Dies erscheint im Falle des Prozesskostenhilfeverfahrens auch sachgerecht, da das Gericht hier lediglich darüber zu entscheiden hat, ob einer Partei die Kosten für ein Gerichtsverfahren zur Wahrung ihrer Rechte vorfinanziert werden. Erweist sich die Entscheidung später als „unrichtig“, verliert der Staat diejenigen Kosten, die die berechtigte Person zur Wahrung ihrer Rechte eingesetzt hat und nicht zurückzahlen muss. Anders wäre dies bei der Frage der Anordnung im Rahmen des § 302a ZPO gerade im Hinblick auf den geplanten § 940a Absatz 3 ZPO. Mag das hinterlegte Geld noch durch die geplante Regelung des Absatzes 5 an denjenigen gezahlt werden, dem es letztlich zusteht, wäre dies bei einer im Wege der einstweiligen Verfügung angeordneten Räumung anders. Hier würde der Mieter im Falle, dass sich die Prognose trotz hoher Aussicht als falsch erweist, auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen, der ausreichend ist, die tatsächlichen Nachteile des Mieters zu kompensieren. Wenn der Vermieter die Wohnung neu vermietet hat, ist es ihm gem. § 275 BGB unmöglich, die Räume dem Mieter wieder zu überlassen. Die Räumung stellt faktisch die Vorwegnahme der Hauptsache dar. Dies war auch ein Grund für die Einführung des § 940a ZPO (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 543, Rnr. 147). Die immateriellen Schäden, der Verlust der gewachsenen Sozialstruktur, die individuelle Ausstattung der Wohnung und die eigenen Mühen im Rahmen des Aus- und Umzugs sind nicht erstattungsfähig. Dies geht allein zu Lasten des Mieters, der die Wohnung verloren hat. 

      Im Übrigen wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter dadurch eingeschränkt, dass trotz Erfolgsaussichten die Bewilligung versagt werden kann, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht mutwillig erscheint. Auf eine derartige Einschränkung wird im Rahmen des geplanten § 302a ZPO verzichtet. Dies wäre zumindest im Hinblick auf die Missbrauchsgefahr der damit verbundenen neuen Möglichkeiten der Räumung aber in jedem Falle erforderlich. Im Gegensatz zur Prozesskostenhilfe soll es gegen die Anordnung auch keine Rechtsmittel geben. 

      (2)  Durch die Regelung werden die Mängelrechte massiv eingeschränkt. Zumindest für die Gewährleistungsrechte, die der Mieter nach Rechtshängigkeit noch wahrnimmt, riskiert er den Verlust seiner gemieteten Räume. Denn für die Forderungen, die nach Rechtshängigkeit fällig werden, soll der Vermieter die Hinterlegung betreiben können. Dies wird im Wesentlichen die Einwände des Mieters wegen Mängeln betreffen. Da der Mieter für die Mängel darlegungs- und beweisbelastet ist, riskiert er bei einem vom Amtsgericht für nicht ausreichend erachteten Vortrag, dass er zur Hinterlegung des einbehaltenen Geldbetrages gezwungen wird, obwohl er möglicherweise aufgrund des Mangels selbst erhebliche Nachteile erleidet, die durch seine Mängelrechte zu kompensieren wären. Man denke in diesem Zusammenhang an den Mieter, der aufgrund Baulärms Kosten für Ersatzwohnraum aufwenden muss oder an den Gewerbemieter, dessen Lager wegen Schimmelbefalls nicht nutzbar ist und der zusätzlich aufgewandte Lagerkosten mit der Miete aufrechnen könnte. Die Kompensation derartiger Nachteile durch die Ausübung von Gewährleistungsrechte würde dem Mieter durch die Pflicht entzogen, diese Mittel zu hinterlegen. Dies kann auch nicht dadurch entschuldigt werden, dass sich der Schuldner einer Geldschuld – getreu dem Grundsatz „Geld hat man zu haben“ – nicht auf die Unmöglichkeit berufen kann. Denn gerade die Liquidität und der Schutz der Vermieter vor erheblichen finanziellen Nachteilen sollen die neue Hinterlegungsregelung rechtfertigen. 
      Die Gewährleistungsrechte des Mieters werden damit für die Zeit nach Rechtshängigkeit einer Klage massiv eingeschränkt. Dies obwohl der Gesetzgeber über § 536 BGB die vertragliche Beschränkung oder gar den Ausschluss von Minderungsrechten gegenüber dem Wohnraummieter für unwirksam erklärt. Im Gegensatz zum Kaufrecht oder zum Werkvertragsrecht tritt die Minderung automatisch ein. Der geminderte Geldbetrag wird nicht geschuldet, ohne dass es einer Rechtshandlung des Mieters bedarf. Die Möglichkeit, den Mieter zur Hinterlegung dieses möglicherweise zu Recht geminderten Betrages zu zwingen, widerspricht der Bewertung des Minderungsrechts durch den Gesetzgeber. 

      Dem kann man auch nicht durch die in Nr. 2 geregelte Abwägung von Mieter und Vermieterinteressen ausgleichen. Die Anordnung hängt davon ab, ob besondere Nachteile auf Seiten des Vermieters die Anordnung rechtfertigen. Da diese Anordnung vor allem dem Schutz des Vermieters vor Zahlungsausfällen dient, soll es maßgeblich auf die Höhe der geltend gemachten Forderung und auf die wirtschaftliche Bedeutung der Forderung für den Kläger ankommen (Begründung S. 44). Dies wäre dann nur noch glaubhaft zu machen. Streiten sich die Parteien um gravierende Mängel, kann man auch bei einer nicht vollständig gezahlten Miete bereits zu einer Anordnung kommen, zumal die Höhe der offene Vermieterforderung sich nicht auf die nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen beschränkt sondern auch die bis Rechtshängigkeit fälligen Forderungen erfassen können. . 

      (3) Die geplante Regelung betrifft aber nicht nur Minderungs- und Zurückbehaltungsansprüche des Mieters. Im Gesetzesentwurf ist lediglich von Geldforderungen die Rede, die nach Rechtshängigkeit fällig werden. Dies können dann aber auch Forderungen aus Betriebs- und Heizkostenabrechnungen sein. Zumal diese ab Zugang sofort fällig sind (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 556 Rnr. 420), sofern sie formal ordnungsgemäß erstellt wurden. Einwände müssen vom Mieter erst einmal geltend gemacht werden, wobei er von der Rechtsprechung hierzu regelmäßig auf eine Belegeinsicht verwiesen wird.

      Die Rechtsprechung zu Nebenkosten ist jedoch schon für Fachleute unübersichtlich. Wendet sich der Mieter gegen eine nach Rechtshängigkeit fällig gewordene Nebenkostennachzahlung, riskiert er eine Hinterlegungsanordnung und dann – wenn er nicht zahlen sollte – eine einstweilige Verfügung auf Räumung und zwar ohne dass die Nichtzahlung der Nebenkosten für sich genommen eine Kündigung der Wohnung rechtfertigen könnte. 

      Damit droht über die Fälle der grundlosen Zahlungsverweigerung hinaus eine Vielzahl von Fallkonstellationen, in denen der seine Rechte wahrnehmende Mieter dazu gezwungen sein wird, zumindest ab Rechtshängigkeit potentiell rechtsgrundlose Forderungen zu bedienen, um den Verlust der Wohnung nicht zu gefährden.

      (4) Wohnraumsachen sind in der ersten Instanz Parteiprozesse. Mit der ausschließlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte unabhängig vom Gegenstandswert hat der Gesetzgeber klargestellt, dass für derartige Verfahren zumindest erstinstanzlich ein Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. Ob aber ein nicht anwaltlich vertretener Mieter die Konsequenzen der Nichtzahlung innerhalb der Rechtshängigkeit versteht und vor allem das nicht unkomplizierte Hinterlegungsverfahren nachvollziehen kann, erscheint fraglich. Rechtspolitisch erscheint es wenig sinnvoll, gerade in Räumungsrechtsstreiten ein derartig kompliziertes Verfahren mit für den Mieter erheblichen Nachteilen einzuführen. 

      (5)  Der Beschluss über die Anordnung der Hinterlegung ist unanfechtbar. Er wird vom Erkenntnisgericht selbst erlassen und ist zu begründen. Dies stellt eine massive Beschneidung des Rechtsweges dar. Es handelt sich bei der Hinterlegungsanordnung um eine allein auf Grundlage einer Prognose gefällten Entscheidung. Wenn man sich die Konsequenzen – nämlich den drohenden Verlust der Wohnung – bei nicht Befolgung der Hinterlegungsanordnung ansieht, erscheint eine Kontrolle dringend geboten. Dies ist im Rahmen der Prozesskostenhilfe, die ebenfalls auf einer Prognoseentscheidung beruht selbstverständlich. 

      In diesem Zusammenhang lohnt auch ein Blick auf § 522 ZPO. Das Berufungsgericht hat danach die Möglichkeit, eine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat. Ein Kollegialgericht trifft hier eine einstimmige Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil. Auch dieser Beschluss war bis zur Änderung im Jahre 2011 unanfechtbar. Aufgrund massiver Proteste und der Einsicht, dass wie bei anderen Urteilen ein Rechtsmittel gegeben sein muss, hat der Gesetzgeber zum 27.10.2011 die Anfechtungsmöglichkeit wieder in das Gesetz aufgenommen. Wenn aber schon Entscheidungen eines zweitinstanzlichen Kollegialgerichts überprüfbar sein sollen, den bereits ein Erkenntnisverfahren der ersten Instanz vorangegangen ist, dann muss dies erst recht für eine Entscheidung eines Amtsrichters gelten, von der möglicherweise sogar der Bestand eines Mietverhältnisses abhängt. 

      4. § 940a ZPO – Einstweilige Räumungsverfügung

      Nach derzeitiger Rechtslage ist es nur bei Gefahr für Leib und Leben und bei verbotener Eigenmacht möglich, im Wege einer einstweiligen Verfügung die Räumung von Wohnraum zu erwirken.

      Diese Rechtslage macht die Bedeutung des über Artikel 13 GG grundrechtlich geschützten Wohnbereiches deutlich. Der vorliegende Entwurf soll diesen Schutz zu Lasten der Wohnraummieter jedoch in zwei Fällen einschränken:

      a. 
      Geplant ist die Einfügung eines Absatzes 2 in § 940a ZPO: Bei Vorliegen eines Räumungstitels „darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch gegen Personen angeordnet werden, die ohne Kenntnis des Vermieters Besitz an diesen Räumen begründet haben.“

      Bislang können nur die Personen – ob Mieter oder mitbesetzende Untermieter, Familienmitglieder, Lebenspartner oder sonstige Personen – aus einer Wohnung geräumt werden, gegen die Räumungsurteil vorliegt. Dies geht auf die vollstreckungsrechtliche Regelung des § 885 ZPO zurück, nach der die Räumung dadurch bewerkstelligt wird, dass der Schuldner aus dem Besitz gesetzt und der Gläubiger in den Besitz eingewiesen wird. Trifft der Gerichtsvollzieher im Räumungstermin in der Wohnung eine Person an, gegen die kein Titel vorliegt, kann nicht geräumt werden. 

      Der Vermieter der Wohnung kann gegen diese Person nur aufgrund eines neuen Räumungstitels vorgehen, den er im Hauptsacheverfahren erstreiten muss. Hier soll dem Vermieter die Möglichkeit geben werden, diesen Titel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu erstreiten. 

      (1) Es soll nicht verkannt werden, dass wenigen Ausnahmefällen Schuldner im Rahmen der Zwangsräumung durch Präsentation immer neuer Bewohner die Räumung verzögern und die Kosten, die der Schuldner letztlich selber tragen muss, in die Höhe treiben. Diese seltenen Fälle rechtfertigen jedoch nicht eine generelle Erleichterung der Erlangung eines Räumungstitels. Der Vermieter muss bislang gegen alle Besitzer der Wohnung einen Titel erwirken, seien es Mieter, Untermieter, Lebensgefährten oder volljährige Familienmitglieder. Nach der geplanten Gesetzesänderung würde es ausreichen, wenn der Vermieter zukünftig neben dem Mieter lediglich die schriftlich genehmigten Untermieter oder den Ehegatten verklagt. Den so gewonnenen Titel könnte er bezüglich aller übrigen Personen im Wege der einstweiligen Verfügung „erweitern“. Dabei würde ihm durch die geplante Gesetzesformulierung „ohne Kenntnis“ noch ein unverhältnismäßiger Beweisvorteil zuwachsen. Der Mieter bzw. der Dritte müsste dann im einstweiligen Verfügungsverfahren nämlich beweisen, dass der Vermieter Kenntnis von der Untervermietung oder anderweitigen Besitzbegründung hatte. Ist gegen den Hauptmieter wegen dessen Abwesenheit Versäumnisurteil ergangen, wäre zu diesem Zeitpunkt für möglicherweise berechtigte Untermieter eine effektive Rechtsverteidigung nicht mehr möglich.

      (2) Außerdem ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, auf welchen Kenntniszeitpunkt es hier ankommt. Es kann wohl nur der Zeitpunkt am Schluss der mündlichen Verhandlung gemeint sein, so steht es auch in der Begründung zum Referentenentwurf S. 53. Dies geht aus dem Gesetzesentwurf selbst jedoch nicht mit der nötigen Klarheit hervor. Dort ist nur von Besitzbegründung (!) ohne Kenntnis des Vermieters die Rede. Eine wörtliche Auslegung würde es dem Vermieter sogar gestatten, gegen alle Personen (bei Vorliegen eines Räumungstitels gegen den Mieter) vorzugehen, die ohne seine Kenntnis eingezogen sind. Das beträfe auch den Lebensgefährten, den der Mieter erst Monate nach Einzug aber lange vor Vertragsende dem Vermieter angezeigt hat und dann der dann von diesem genehmigt wurde. 

      (3) Die Fragen der Kenntnis des Vermieters vom Einzug Dritter in die Mietwohnung ist keine, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geklärt werden kann. Es wird dem Mieter z.B. kaum gelingen, eine eidesstattliche Versicherung des früheren Eigentümers über die mündliche Genehmigung der Untermiete im einstweiligen Verfügungsverfahren beizubringen. 

      Vor diesem Hintergrund erscheint der Schutz der Wohnung nach Artikel 13 GG in ganz bedenklicher Weise gefährdet.

      b. 
      Darüber hinaus soll der Vermieter, für den Fall, dass der Mieter der Hinterlegungsanordnung nach § 302a ZPO nicht nachkommt, eine einstweilige Verfügung auf Räumung erwirken dürfen. Die Vermieter sollen hier vor sog. „Mietnomaden“ geschützt werden. Bei grundloser Zahlungsverweigerung nach Rechtshängigkeit soll die Hinterlegung betrieben werden dürfen. Kommt der Mieter dieser Anordnung nicht nach, kann im Wege der einstweiligen Verfügung sogar die Räumung erwirkt werden.

      (1) Der Entwurf macht in § 940a Absatz 3 ZPO den Erlass der einstweiligen Verfügung nur davon abhängig, dass eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges erhoben wurde und der Mieter der Hinterlegungsanordnung nicht nachgekommen ist. Beides ist glaubhaft zu machen. Ob die nach Rechtshängigkeit begangenen Vertragsverstöße selbst für eine Kündigung herangezogen werden können, spielt keine Rolle. Der Entwurf hat zudem die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht etwa auf die Räumungsklage, sondern auf die Klage auf Zahlung der nach Rechtshängigkeit fälligen Geldforderungen bezogen. Das hat zur Folge, dass der Vermieter bei entsprechend glaubhaft gemachten Nachteilen eine einstweilige Verfügung auf Räumung erwirken kann, wenn der Räumungsanspruch selbst im Hauptsacheverfahren streitig ist. Denn es soll hier nur auf die Forderung nach Rechtshängigkeit ankommen.

      (2) Mit der Möglichkeit, über die Verletzung einer Hinterlegungsanordnung eine einstweilige Räumungsverfügung zu erwirken, würde der Schutz des Wohnungsmieters vor übereiltem Verlust seines Wohnraumes deutlich entwertet. Der Wohnraumschutz folgt auch aus der in Artikel 13 GG geregelten Unverletzlichkeit der Wohnung. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber nicht nur in § 940a ZPO, die Möglichkeit, der Räumung im Wege der einstweiligen Verfügung auf die Fälle der verbotenen Eigenmacht und Fälle der Gefahr für Leib und Leben beschränkt. Er verbietet auch in § 1030 Absatz 2 ZPO Schiedsvereinbarungen über den Bestand von Wohnraummietrechtsverhältnissen. Der Gesetzgeber schließt darüber hinaus eine notarielle Vereinbarung über einen Titel zur Räumung von Wohnraum ausdrücklich aus (§ 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO). Viele Vorschriften in der ZPO dienen speziell dem von der Räumung betroffenen Wohnraummieter, so die Regelung der Räumungsfrist in § 721 ZPO oder des Räumungsschutzes in § 765a ZPO. All dies zeigt, dass der Gesetzgeber die wichtige Frage über den Bestand eines Mietverhältnisses bislang dem Erkenntnisverfahren der hierfür berufenen Gerichte überlassen wollte. 

      Die jetzt geplante Regelung verkürzt demgegenüber den Rechtsschutz ganz massiv. Es bliebe allein einer notwendig allgemeinen Prognoseentscheidung des erkennenden Gerichts hinsichtlich der Berechtigung der Einwände überlassen, ob dem Räumungsanspruch statt gegeben wird. Die Entscheidung soll zu alledem unanfechtbar sein.
      (3) Die Regelung des § 940a Absatz 3 ZPO stellt auch im Übrigen eine unzulässige Erweiterung der Möglichkeiten zum Erlass einer einstweiligen Verfügung dar. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung soll schon dann zulässig sein, wenn der Mieter der Hinterlegungsanordnung nach § 302a ZPO nicht nachkommt. Da der Beschluss über die Hinterlegung unanfechtbar ist, prüft das Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren nur noch, ob tatsächlich hinterlegt wurde oder nicht. Hierfür reicht die Glaubhaftmachung. Ausreichend soll es sein, dass der Mieter einer Hinterlegungsanordnung nicht Folge leistet. Da die Hinterlegungsanordnung darin bestehen soll, dass der Mieter zwei Wochen nach Fälligkeit der Forderung diese zu hinterlegen hat, könnte möglicherweise auch eine einzige verspätete Einzahlung die Voraussetzungen einer einstweiligen Räumungsverfügung begründen. In jedem Fall ersetzt die Nichtbefolgung der Hinterlegungsanordnung den Verfügungsgrund (Begründung S. 53). Der Verfügungsanspruch besteht in dem Anspruch auf Räumung. Beides wäre glaubhaft zu machen, also auch der Räumungsanspruch.

      c. 
      Da eine Räumungsverfügung bei sich anschließender Neuvermietung die Hauptsache faktisch vorwegnehmen würde, darf diese nach h.M. schon allein aus diesem Grunde nicht erlassen werden (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 543 Rnr. 147). Denn wenn der Vermieter die Wohnung neu vermietet hat, ist es ihm gemäß § 275 BGB unmöglich, die Räume dem alten Mieter wieder zur Verfügung zu stellen. Außerdem erscheint die Kompensation über den gesetzlichen Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO als unzureichend. Die immateriellen Schäden der Räumung, der Verlust der gewachsenen Sozialstruktur, die individuelle Ausstattung der Wohnung und die eigenen Mühen im Rahmen des Aus- und Umzugs lassen sich nicht ersetzen, sie sind auch mit den Kategorien des Schadensersatzrecht nicht zu fassen. Für sie kann der Mieter adäquaten Ersatz erhalten. Aus diesen Gründen bedarf es für die Räumung von Wohnraum eines im Rahmen des Hauptsacheverfahrens ergangenen Urteils.

      Von diesem allgemeinen Grundsatz soll mit den geplanten Änderungen des § 940a ZPO in Kenntnis der derzeitigen Rechtslage abgewichen werden. Dies legt den Schluss nahe, dass in Räumungsrechtsachen bei der vorliegenden Konstellation auf die Einschränkung des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache verzichtet werden soll. Dies erscheint im Hinblick auf die Bedeutung des Wohnraums und seinen grundgesetzlichen Schutz völlig inakzeptabel.


      5. Wärmecontracting

      Im Rahmen der geplanten Mietrechtsreform soll die Umstellung die Beheizung auf Wärmelieferung im laufenden Mietverhältnis gesetzlich geregelt werden. Waren bisher die Voraussetzungen, unter denen der Vermieter die Kosten der gewerblichen Wärmelieferung im laufenden Mietverhältnis auf den Mieter umlegen konnte, streitig, soll dies nun über den neuen § 556c BGB zusammen mit der Verordnung über die Wärmelieferung für Mietwohnungen möglich sein. Voraussetzung für die Kostentragungspflicht soll sein, dass durch die Umstellung Endenergie oder nicht erneuerbare Primärenergie eingespart wird und die Umstellung für den Mieter kostenneutral ist. Grundsätzlich ist die Regelung zu begrüßen: Durch das Postulat der Kostenneutralität führt die Umstellung auf Wärmelieferung grundsätzlich zu einer Reduzierung der Wärmerzeugung. Strukturell sind die Kosten der Wärmelieferung mit den gesamten Entgeltkosten des Contracters (unternehmerischer Gewinn u.a.) höher als die Erzeugung von Energie durch den Vermieter selbst. Die strukturell höheren Kosten müssen durch die tatsächlich niedrigeren Betriebskosten ausgeglichen werden (Schmid CuR 2011, 52, 54). Die Regelung gilt ausschließlich für die Umstellung der laufenden und zukünftigen Mietverhältnisse, nicht aber für Mietverhältnisse, in denen bereits umgestellt wurde. Vereinbarungen zu Lasten der Mieter sind unwirksam. In der MietWohn-WärmeLV sind die Details zur zwingenden Ausgestaltung der Verträge zur möglichen Preissteigerung und zur Umstellungserklärung gegenüber dem Mieter enthalten, die gerade auch das Postulat der Kostenneutralität sicherstellen sollen. 

      Es gibt dennoch zwei Punkte der Regelung, die zu überarbeiten sind:
       
      a.
      Die Regelungen gelten nicht für Folgeverträge. Sofern der Vertrag über die Wärmelieferung ausgelaufen ist, kann mit den gleichen oder einem neuen Wärmelieferanten ein neuer Vertag geschlossen werden, ohne dass sich die Vertragsparteien an das Postulat der Kostenneutralität und die vorgeschlagene Vertragstransparenz halten müssen. Nach Auslaufen des Erstvertrages kann der Wärmecontracter zu Lasten des Mieters, der die Kosten tragen muss, Gewinne erzielen, die ihm vorher nicht möglich waren. Hier wäre es zumindest sinnvoll, eine Mindestvertragslaufzeit für den ersten Vertrag von fünf Jahren festzuschreiben. Ein ausdrücklicher klarstellender Verweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot wäre gleichfalls zu begrüßen.

      b.
      Die Regelung gilt nicht für die Wohnungseigentümer untereinander. Hier kann im Beschlusswege ohne weiteres die Umstellung auf Wärmelieferung beschlossen werden, ohne dass die strengen Voraussetzungen der MietWohn-WärmeLV und des neu einzuführenden 556c BGB beachtet werden müssten. Dies führt für die vermietete Eigentumswohnung dazu, dass der vermietende Eigentümer die Kosten der Umstellung – sofern sich die WEG nicht von sich aus an den Vorgaben der hier in Rede stehenden Regelungen hält – nicht umlegen kann. Sofern der vermietende Eigentümer nicht über § 21 WEG eine dem Wohnraummietrecht entsprechendes Verfahren durchsetzen kann, wovon regelmäßig nicht auszugehen sein wird, wäre es dem Vermieter unmöglich, die Voraussetzungen des § 556c BGB nebst VO einzuhalten. Es ist zu befürchten, dass die Rechtsprechung im Hinblick auf § 242 BGB in diesen Fällen eine Umstellung auf Wärmelieferung zulässt, ohne dass die Voraussetzungen des § 556c BGB nebst VO gewahrt werden müssten (Schmid CuR 2011, 52, 53). Stellungnahme (PDF)]]>
      news-213Fri, 06 Jan 2012 08:13:00 +0100Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami/publikationen/mitteilungen/mitteilung/soziale-bewegungen-im-digitalen-tsunami-213Tagung zu neuen digitalen Schnüffelwerkzeugen, Berlin 4.2.2012PROGRAMM11.00 – 13.00 UhrPodium 1: Das Handy als polizeiliches Werkzeug zur Strafverfolgung und „Crowd Control“ * Funkzellenauswertung zur Strafverfolgung in Dresden (Peer Stolle, Rechtsanwalt)
      * Aufspüren von DemonstrantInnen in Echtzeit im Iran (Erich Moechel, Internetreporter)
      * Die Verwaltung des digitalen Tsunami: Die Rolle der EU-Sicherheitsforschung (Eric Töpfer, Statewatch/ CILIP)
      Moderation: N.N. 14.00 – 16.00 UhrPodium 2: Mathematik gegen Dissens – Computergestützte Repression  * Deep packet inspection und Vorratsdaten (Ralf Bendrath, Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Jan Philipp Albrecht, MdEP/ Grüne)
      * Ermittlungssoftware, Data Mining, voraussagende Analyse (Matthias Monroy, Journalist, Gipfelsoli)
      * Polizeiliche Ermittlungen in Sozialen Netzwerken (Rena Tangens, Foebud)
      Moderation: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Münster 16.30 – 19.00 UhrWas tun: Digitaler Selbstschutz, Rechtsschutz, Online-Petition? Gegenstrategien in den Wogen des „digitalen Tsunami“  * Alternative Provider und digitaler Selbstschutz (NADIR, angefragt)
      * Die Kampagne gegen Vorratsdatenspeicherung: Ein Modell für zukünftige Initiativen? (Katharina Nocun, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung)
      * Wer macht eigentlich Netzpolitik? (Sandra Mamitzsch, Digitale Gesellschaft e.V.)
      * Mit Recht und Gesetz gegen ausufernde digitale Kriminaltechnik? (Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig-Holstein)
      * Aus dem Arsenal der polizeilichen Beschaffungsabteilung: Was da ist, wird auch benutzt (Josephine Fischer, Initiativgruppe „Sachsens Demokratie“, Dresden)
      Moderation: N.N. Zeit:
      4.2.2012 von 11 - 19 Uhr
      Ort:
      Südblock, Admiralstraße 1, 10999 Berlin (U-Bahn 8, Kottbusser Tor)

      Die Teilnahme ist kostenfrei.
      Auf Twitter: #RAV42 Veranstalter: Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/ CILIP, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., data:recollective, Kritische Jurist_innen der FU Mit freundlicher Unterstützung der Holtfort-Stiftung. Einladung "Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami" (PDF)]]>
      news-211Thu, 05 Jan 2012 08:28:00 +0100Rechtsstaat auf sächsisch/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rechtsstaat-auf-saechsisch-211Stellungnahme des RAV vom 5.1.2012PDF]]>Bürger- und Menschenrechte (doublet)ÜberwachungInnere Sicherheit (doublet)Demonstrationsfreiheit (doublet)news-212Mon, 02 Jan 2012 14:35:00 +0100Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/umsetzung-des-abstandsgebotes-im-recht-der-sicherungsverwahrung-212Stellungnahme vom 2.1.20121 und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz „zur Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 09.11.2011.  Teil I Art. 1, 3-8 RefE; Änderungen des Strafgesetzbuchs, der Strafprozessordnung, des Strafvollzugsgesetzes des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und des Therapieunterbringungsgesetzes Verfasser: RA Sebastian Scharmer 3, Berlin A. Vorbemerkungen  Der vorliegende Referentenentwurf setzt zum einen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 04. Mai 2011 nur teilweise um. Darüber hinaus fehlt es an jeglichen Überlegungen zu einem etwaigen Alternativmodell zur Sicherungsverwahrung, mit dem nach hiesiger Auffassung wesentlich effektiver mögliche Rückfallgefahren vermieden werden könnten. Obwohl der Referentenentwurf an vielen Punkten sicherlich zu einer Verbesserung der Situation der Sicherungsverwahrten und deren Entlassungschancen führen wird, fehlt es an einer notwendigen kritischen Reflexion der Gesetzeslage zur Sicherungsverwahrung überhaupt sowie zumindest an einer neuen Zielsetzung in den entscheidenden Fragen. I.    Es gibt keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung. Wie schon im zuletzt beschlossenen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und begleitenden Regelung vom 22.12.2010 geht nun auch der Referentenentwurf des BMJ von der Setzung aus, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine bewährte Präventionsmaßnahme handle, die geeignet sei, die Allgemeinheit vor schweren Straftaten von Rückfalltätern zu schützen. Der Referentenentwurf geht sogar so weit, dass er meint, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2011 hätte nicht die wesentlichen Inhalte des geltenden Rechts selbst beanstandet, sondern vielmehr auschließlich die Ausgestaltung des Vollzuges im Sinne der Verletzung des Abstandsgebotes bemängelt4. Das Bundesverfassungsgericht hat sämtliche Anforderungen an eine Ausgestaltung des Vollzuges, an eine Beschränkung des Anwendungsbereichs und an die Ausgestaltung von Rechtsschutzmöglichkeiten zunächst einmal grundlegend davon abhängig gemacht, dass der Gesetzgeber überhaupt an dem Konzept der Sicherungsverwahrung festhalten möchte.5 Es hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung bei einer verfassungskonformen Ausgestaltung des Abstandsgebots als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages ein mögliches Instrumentarium darstelle.6 Damit hat es allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch etwa von Verfassungs wegen notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Insofern fehlt im Referentenentwurf jegliche Erwägung dazu, ob und inwieweit die Sicherungsverwahrung überhaupt kriminalpolitisch erforderlich und geeignet ist, Rückfallgefahren zu vermeiden. Anders als vom Referentenentwurf unterstellt, ist die Notwendigkeit der Maßregel der Sicherungsverwahrung nicht als selbstverständlich zu erachten.7  Der Referentenentwurf setzt sich zum einen nicht mit der Problematik der (erheblichen) Ungenauigkeit der Gefahrenprognose, die für die Anordnung, Fortdauer und Vollstreckung der Sicherungsverwahrung maßgeblich ist, auseinander. Selbst renommierte und erfahrene Sachverständige sprechen davon, dass in der Vielzahl der Fälle die Gefährlichkeitsprognose zu Lasten der betroffenen Untergebrachten fehlerhaft überhöht negativ dargestellt wird. Der 2004 von dem Bundesverfassungsgericht mündlich angehörte Sachverständige Prof. Dr. Nedopil (Universität München) hat sich insoweit öffentlich dazu geäußert, dass er davon ausgehe, dass in vier von fünf Fällen eine fehlerhaft negative Gefährlichkeitsprognose zu Lasten der Betroffenen erhoben werde.8 Diese Einschätzung hat auch der am 08.02.2011 vor dem Bundesverfassungsgericht mündlich angehörte Sachverständige Prof. Dr. Dittmann (Universitäre Psychiatrische Kliniken UPK Basel) bestätigt. Hinzu kommt, dass die bislang vorliegenden Studien ergeben haben, dass die Rückfallraten bei entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten jedenfalls nicht höher sind, als bei entlassenen Langzeitgefangenen ohne Anordnung oder Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. So hat insbesondere eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zur Erforschung von Rückfallgefahren bei entlassenen Gefangenen, bei denen aus Rechtsgründen, die Maßregel der nachgewiesenen Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden konnte, gleichwohl aber eine Hochgefährlichkeitsprognose abgegeben wurde, ergeben, dass von den dort untersuchten 77 entlassenen Fällen mit einschlägigen Taten, die die Anordnung der Sicherungserwahrung begründen könnten, vier rückfällig geworden sind, zwei mit Raubdelikten, zwei mit Sexualdelikten9. Die mediale Wahrnehmung hingegen ist eine gänzlich andere. Immer wieder wird anlässlich spektakulärer Einzelfälle behauptet, es gebe vermeintliche „Schutzlücken“. Damit einhergehend wurde das Institut in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und auch mit der letzten Gesetzesreform zum 01.01.2011 nicht wesentlich beschränkt. Dabei ist auffällig, dass die medial wahrgenommenen Fälle in der Regel solche waren, die letztlich mit den dann einhergehenden Verschärfungen des Rechts der Sicherungsverwahrung praktisch nicht hätten verhindert werden können – mithin ein realer Bezug in der Regel fehlt. In einer rechtsstaatlich geprägten Gesellschaft wird es immer Kriminalität und auch immer Rückfalltäter geben. Eine lückenlose Überwachung und Kontrolle ist zum einen nicht möglich und wäre im übrigen auch in einer freiheitlich geprägten Demokratie unmöglich umzusetzen. Insofern kann es nur darauf ankommen, eine möglichst effektive Rückfallprävention zu regeln und auch praktisch umzusetzen, die die Bevölkerung schützt und die Grundrechte, insbesondere die Freiheitsrechte der Betroffenen, so weit wie möglich wahrt. Eine Gruppe von Gefangenen auszuwählen, diese anhand von unsicheren sowie belegt übertrieben negativen Prognosen für gefährlicher einzustufen als den Rest und deswegen unbefristet wegzusperren, hat eine populäre Alibi-Funktion gegenüber der Bevölkerung, ist jedoch kriminalpolitisch im Hinblick auf die Rückfallvermeidung eher kontraproduktiv. Geht man davon aus, dass Langzeitgefangene durchschnittlich eine ähnliche Rückfallerwartung wie Sicherungsverwahrte haben, so stellt sich die Frage, warum die insgesamt bestehenden Defizite im Strafvollzug hinsichtlich aller Gefangenen nicht soweit verbessert werden, dass eine effektive Rückfallvermeidung möglich ist. Gleiches gilt für die Frage der Ausstattung der Bewährungshilfe, Führungsaufsicht und der freien Träger, sowie für die Gestaltung einer sinnvollen Entlassungsvorbereitung im Vollzug. Bei gleichzeitiger Abschaffung der Sicherungsverwahrung und Ausbau der Behandlungs-, Resoszialisierungs- und Nachsorgeangebote für alle Gefangenen wäre eine wesentlich effektivere Rückfallvermeidung zu erreichen, als durch das oft populistisch genutzte Instrument der Sicherungsverwahrung.  Stattdessen wirkt sich die im Referentenentwurf beschriebene Verbesserung der Vollzugsbedingungen für (potentielle) Sicherungsverwahrte möglicherweise sogar negativ auf die Gestaltung des Vollzuges für sonstige Strafgefangene aus. Dabei mag es durchaus verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, eine unterschiedliche Behandlung für diese Gruppen von Gefangenen anzubieten, da die von Sicherungsverwahrung Bedrohten letztlich Gefahr laufen, aufgrund ihres Status möglicherweise das Sonderopfer zu erbringen, auf unbefristete Zeit weggesperrt zu bleiben, Strafgefangene hingegen in der Regel ein konkretes Entlassungsdatum vor Augen haben. Die Entwicklungen im Strafvollzug in den letzten Jahren legen den Schluss nahe, dass die Länder die nunmehr erforderlichen effektiven Resozialisierungsmaßnahmen für Sicherungsverwahrte in Form von Einsparungen zu Lasten des Vollzugs für Strafgefangene umsetzen. Dies könnte sich wiederum kontraproduktiv auf die Rückfallquoten insgesamt auswirken und damit letztlich das gesetzgeberische Ziel – nämlich die mögliche Vermeidung von schweren Straftaten – ad absurdum führen.  Insofern ist zu bedauern, dass die aktuellen Forschungsergebnisse und ggf. weitere anzustrengende kriminologische Studien nicht zumindest Eingang in eine Diskussion gefunden haben, die die Sicherungsverwahrung als Instrument zur Gefahrenvermeidung insgesamt kritisch reflektiert. Insoweit wäre es – trotz der zugegebenermaßen knappen Zeit zur Umsetzung der Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2011 - ratsam, im Rahmen einer Expertenkommission aus Kriminologen, forensisch-psychiatrischen Sachverständigen, Strafvollstreckungsrichtern, Verteidigern sowie der staatlichen und freien Träger, der Nachsorgeeinrichtungen incl. Bewährungshilfe und Opferverbänden zu klären, ob Alternativen zur Sicherungsverwahrung bestehen, die den Schutz der Allgemeinheit effektiver und weniger grundrechtseingriffsintensiv gewährleisten, als dies mit der Regelung aus dem Referentenentwurf bezweckt werden kann. II. Jedenfalls ist eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung notwendig. Der Referentenentwurf geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Regelungen zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung grundsätzlich unbeanstandet gelassen hätte. Diese Einschätzung geht jedoch im Ergebnis fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat einerseits sehr deutlich gemacht, dass die Verletzung des Abstandsgebotes, die seit 2004 kontinuierlich, trotz entsprechender Mahnung aus Karlsruhe fortgesetzt wurde, im Wesentlichen zur Verfassungswidrigkeit der Normen beigetragen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch erneut deutlich gemacht, dass die Sicherungsverwahrung nur als letztes Mittel der Prävention greifen kann, um schwere Straftaten bei einer hohen Gefährlichkeit von Rückfalltätern für die Allgemeinheit zu verhindern.10 Solange der verfassungswidrige Zustand noch nicht durch Gesetz behoben ist, hat das Bundesverfassungsgericht für die weitere Anwendung der Normen klargestellt, dass eine Anordnung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung (unabhängig von den Fällen des gesteigerten Vertrauensschutzes) nur möglich ist, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen der Person oder aus dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.11 Auch die Bundesjustizministerin hat stets öffentlich betont, dass die zukünftige Regelung der Vermeidung von erheblichen Gefahren für schwere Gewalt- und Sexualdelikte dienen soll.  Eine solche Beschränkung auf Gewalt- und Sexualdelikte für den Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung lässt sich dem nun vorliegenden Referentenentwurf jedoch gerade nicht entnehmen. Denn die zum 01.01.2011 eingeführte Regelung aus § 66 StGB bleibt vollkommen unangetastet. Danach kann die Sicherungsverwahrung auch bei Straftaten nach dem 1., 7., 20. oder 28. Abschnitt des besonderen Teils, nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder nach dem Betäubungsmittelgesetz oder bei Verstößen gegen die Führungsaufsichtsauflagen angeordnet werden. Das bedeutet, dass immer noch Straftaten, wie beispielsweise das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder aber auch der gewaltanwendungsfreie Raub genügen, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen oder fortdauern zu lassen. Eine solche Regelung steht zum einen mit den Maßgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Widerspruch. Zum anderen hat auch die aktuelle fachgerichtliche Rechtsprechung jüngst an Beispielen klargestellt, dass gerade diese Deliktgruppen nicht in die Kategorie schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten, wie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 benannt, fallen können.

      So stellt sich insbesondere die Frage, wie mit Raubdelikten umgegangen werden soll, bei denen die Tatvariante der Drohung mit Gewalt – ggf. mit objektiv ungefährlichen Mitteln – Gegenstand der Verurteilung ist. Der klassische Fall wäre insoweit ein begangener Banküberfall mittels einer ungeladenen Schreckschusspistole oder Spielzeugwaffe, der – jedenfalls nach Auffassung des 4. Senats des Bundesgerichtshofes – nicht ausreichen kann, um die Kategorie der schweren Gewalt- und Sexualstraftaten zu erfüllen.12 Insoweit hat der Bundesgerichtshof in der maßgeblichen Entscheidung Folgendes ausgeführt:  „Nicht alle „erheblichen Straftaten“, durch welche die Opfer „seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“ (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, a.F., bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch „schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten“ im Sinne der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB (BGH, Beschluss vom 02. August 2011 – 3 StR 208/11, Rz. 12).“ Insofern hat auch der Bundesgerichtshof die Frage aufgeworfen, ob für bestimmte Deliktgruppen oder Begehungsweisen ohne ein Hinzutreten besonderer Umstände nicht generell die Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung auszuschließen ist.13 Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund des Handeltreibens oder der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln. Dadurch mag zwar das Rechtsgut der “Volksgesundheit“ verletzt oder gefährdet sein. Dies kann jedoch aufgrund des notwendigen Schritts des eigenverantwortlichen Konsums des Betäubungsmittelerwerbers nicht ausreichen, um es mit schweren Gewalt- oder Sexualdelikten gleichzusetzen.14 All diese, von der Rechtsprechung zutreffend dargestellten Bedenken gegen die Anordnung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung in diesen Deliktbereichen, sind im Referentenentwurf bislang unbeachtet geblieben. Insofern stellt sich die Frage – wenn schon öffentlichkeitswirksam dargestellt wird, dass Sicherungsverwahrung nur in Fällen von schweren Gewalt- und Sexualdelikten angeordnet werden soll – warum die Regelungen, die nunmehr im Jugendstrafrecht vorgesehen sind und tatsächlich ausschließlich schwere Gewalt- und Sexualdelikte umfassen, nicht im Erwachsenenstrafrecht gelten sollen. Gleiches gilt für die Regelung, dass aufgrund von Führungsaufsichtsverstößen nicht nur eine Strafe, sondern auch Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann. Insofern erscheint es auch hier als äußerst problematisch, wenn eine Qualifizierung dieses Anwendungsbereiches nicht im Gesetz deutlich vorgesehen ist. Insgesamt ist es also eine Frage der Zeit, wenn es bei dem derzeitigen Anwendungsbereich bleibt, bis das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesen in einer erneuten Entscheidung, die wiederum gesetzgeberisches Handeln notwendig macht, beschränkt. Insofern sollte im aktuellen Referentenentwurf - wenn schon nicht die Abschaffung der Sicherungsverwahrung erwogen wird – zumindest eine tatsächliche Beschränkung des Anwendungsbereichs vorgenommen werden. Bezüglich der hier benannten Deliktgruppen ist es im Übrigen auch der Allgemeinheit kaum bekannt und wenig nachvollziehbar, dass überhaupt die Anordnung einer Sicherungsverwahrung in Betracht kommen kann. Dem Verfasser ist durchaus bewusst, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen Anteil der Sicherungsverwahrten handelt. Dennoch existiert eine nicht unerhebliche Gruppe, die ggf. wegen erheblicher Straftaten, aber nicht wegen schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte in Sicherungsverwahrung einsitzt oder von ihr bedroht ist.15   B. Zu den einzelnen Regelungen  Obwohl von hier aus eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung gefordert, zumindest eine Einschränkung des Anwendungsbereichs für sinnvoll erachtet wird, soll auf die einzelnen Regelungen zur Ausgestaltung der Konzeption des Vollzuges und der Vollstreckung bzw. des Rechtsschutzes aus dem Referentenentwurf im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - eingegangen werden. I. Art 1: Änderung des StGB1.  § 66c StGB RefE; Behandlung und Betreuunga)    § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE korrespondiert mit den Mindestanforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den zukünftigen Vollzug der Sicherungsverwahrung, insbesondere mit dem Ultima-ratio-Prinzip, dem Individualisierungs- und Intensivierungsgebot und dem Motivierungsgebot. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass eine zukünftige Regelung eine gesetzliche Dichte aufweisen muss, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht der Exekutive und Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen wirksam determiniert.16 An diesen Vorgaben muss sich demnach das Konzept von § 66c StGB RefE in allen maßgeblichen Bereichen messen lassen. Dabei wird hier nicht verkannt, dass die Ausgestaltung des Vollzuges – und auch die der Sicherungsverwahrung – in erster Linie Ländersache ist, der Bundesgesetzgeber vielmehr allein eine Konzeption erstellen muss. Diese Konzeption muss allerdings die wesentlichen Punkte so konkret darstellen, dass sie von den Ländern auch umgesetzt werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass der seit 2004 bereits festgestellte verfassungswidrige Zustand des fehlenden Abstandsgebotes weiterhin Geltung erfährt – sei es aus Unwilligkeit, Unfähigkeit oder Nichtfinanzierbarkeit der übertragenen Aufgaben seitens der Länder.   § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE sieht insoweit eine „umfassende Behandlungsuntersuchung“ und einen regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplan vor, der eine entsprechende Betreuung, wie sie § 66c Abs. 1 Nr. 1 a) und b) vorsieht, gewährleisten muss. Wünschenswert wäre insoweit eine Konkretisierung, dass die umfassende Behandlungsuntersuchung zum Ende des Vollzuges der Strafe bzw. Beginn eines möglichen Vollzuges der Sicherungsverwahrung stattfinden muss, sich also nicht auf die ohnehin nach dem Strafvollzugsgesetz am Beginn der Strafe stattzufindende Behandlungsuntersuchung nach §§ 6 ff. StVollzG bezogen werden kann. Auch die Beschreibung der regelmäßigen Fortschreibung eines Vollzugsplans ist bereits in der Rechtsprechung zum StVollzG (§§ 7 ff.) anerkannt. Um eine entsprechende Regelungsdichte zu gewährleisten, wäre es allerdings sinnvoll, eine entsprechende Maximalfrist für die Regelmäßigkeit der Überprüfung festzulegen. Denn zugegebenermaßen wäre auch eine fünfjährige Vollzugsplanfortschreibung in gewisser Weise regelmäßig, aber sicherlich nicht das, was das Bundesverfassungsgericht – und im Übrigen auch der Referentenentwurf des BMJ – erwarten. Insofern wäre es durchaus von der Konzeptionspflicht und Möglichkeit des Bundesgesetzgebers erfasst, einen konkreten Zeitraum festzusetzen, innerhalb dessen in jedem Fall eine Vollzugsplanung fortgeschrieben werden muss. Entsprechend den Vorgaben im Strafvollzug – die im Rahmen der vollstreckten Sicherungsverwahrung erst Recht gelten müssten – wäre insoweit ein Zeitraum von maximal sechs Monaten angemessen, nachdem jeweils eine Fortschreibung der Vollzugsplanung unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung zu erfolgen hat.  b)    In § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB RefE wird sodann die Behandlung in wesentlichen Grundzügen wiedergegeben. Sie soll danach individuell und intensiv sein, die Mitwirkungsbereitschaft wecken sowie fördern. Insbesondere sollen psychiatrische und psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungsangebote gemacht werden, die individuell zugeschnitten sind. Der Referentenentwurf sieht insoweit allerdings die Einschränkung vor, dass solche Angebote nur gemacht werden sollen, „soweit standardisierte Angebote nicht erfolgreich sind“. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich allerdings gerade nicht vom Nichterfolg standardisierter Maßnahmen als Voraussetzung für individuelle Therapieangebote gesprochen, sondern hat lediglich ausgeführt, dass die erhöhten Kosten für eine individuell zugeschnittenes Therapieprogramm im Vergleich zu standardisierten Angeboten nicht ausschlaggebend sein können, wenn erstere erfolgversprechender sind.17 Insoweit kann die Regelung sinnwidrig interpretiert werden. Es wäre demnach sinnvoll, die Einschränkung hinsichtlich standardisierter Angebote vollständig zu streichen.   Hinzu kommt, dass im Rahmen der Behandlung der Verweis auf Arbeits- und Ausbildungsangebote gänzlich fehlt, was in der Begründung des Referentenentwurfes damit erklärt wird, dass der Bundesgesetzgeber wesentliche Leitlinien, die Landesgesetzgeber hingegen die konkrete Ausgestaltung des Vollzugs zu regeln haben. Insofern zeigt allerdings die Praxis, dass eine erfolgreiche Ausbildung bzw. Arbeitsaufnahme einen erheblichen Beitrag zur Prognoseverbesserung liefern kann. Demnach sollten diese Behandlungsoptionen auch in den Leitlinien vorgegeben werden, damit den Landesgesetzgebern, den Justizvollzugsanstalten sowie auch den nach § 119 a StVollzG RefE zuständigen Strafvollstreckungskammern bewusst ist, dass diese Möglichkeiten von den behandelnden Einrichtungen erwogen und jedenfalls rechtmäßig beschieden werden müssen.  c)    Soweit § 66c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB RefE ein Beschleunigungsgebot für die Behandlung vorsieht, ist dies mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gut vereinbar. Die Formulierung im Referentenentwurf ist allerdings insofern etwas unklar, als sie von dem Ziel spricht, die „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit“ zu mindern. Tatsächlich ist Gegenstand der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung immer nur eine Gefährlichkeitsprognose, die – deswegen auch die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts als Sonderopfer – nicht zutreffend sein muss. Insofern wäre es nach hiesigem Dafürhalten sinnvoller, von einer möglichst baldigen Prognoseverbesserung, als von einer Gefährlichkeitsverminderung zu sprechen, da dies folgerichtig dem präventivrechtlichen Charakter der Sicherungsverwahrung entsprechen würde.  d)    § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB RefE regelt das vom Bundesverfassungsgericht vorgesehene Trennungsgebot. Danach dürfen die Untergebrachten so wenig wie möglich durch ihre Unterbringung belastet werden. Diese muss – soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen – den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst sein.  Insofern stellt sich allerdings die Frage, inwieweit sich die Regelung von § 4 Abs. 2 StVollzG und dessen Entsprechungen in den Länderstrafvollzugsgesetzen tatsächlich unterscheidet. Danach unterliegen Gefangene nach dem Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Beschränkungen ihres Freiheitsrechts. Weitere Beschränkungen sollen nur auferlegt werden, soweit diese zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind. Der Strafvollzug – der nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neben der Resozialisierung u.a. dem Schuldausgleich dient – findet seine Grenzen in der Beschränkung der Freiheit. Insofern bestehen für ihn nach dem Willen des Gesetzgebers Anpassungserfordernisse an die Lebensverhältnisse außerhalb des Strafvollzugs, die weitergehende Beschränkungen nur unter Sicherheits- und Ordnungserwägungen zulassen, was keinen wesentlich anderen Regelungsinhalt, als in § 66c Abs. 1 N. 2a) StGB RefE darstellt. Die Formulierung aus § 66c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB RefE ist demnach nicht weitgehend genug. Allerdings ist insoweit auch die Frage berechtigt, inwieweit ein dem Abstandsgebot entsprechender Freiheitsentzug, der mit der Sicherungsverwahrung einhergehen soll, sich rein praktisch noch von dem Grundgedanken des Anpassungsgrundsatzes im Strafvollzug unterscheiden soll. Es ist wenig sinnvoll, nunmehr eine Regelung für (potentiell) Sicherungsverwahrte zu schaffen, die schlichtweg nur die Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes übernimmt und diese in der Hoffnung an die Länder weiter trägt, dass sie effektiver und besser umgesetzt wird, als dies bei Strafgefangenen ohnehin bereits seit Einführung des StVollzG erforderlich wäre. Die Konzeption des Bundesgesetzgebers sollte sich insoweit bemühen, in den gegebenen Grenzen der Gesetzgebungskompetenz klarere Anforderungen an die Ausgestaltung der Unterbringungsmöglichkeiten zu formulieren. Maßgebend könnten insoweit die Kriterien sein, die das OLG Naumburg in seinem Beschluss vom 30.11.2011 aufgestellt hat18:   „Dem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten ist ein Raum in angemessener Größe zur Verfügung zu stellen, der sich, um dem Abstandsgebot Rechnung zu tragen, in der Größe und der Ausstattung deutlich von den Hafträumen für Strafgefangene unterscheiden muss und daher auch mit einer eigenen Nasszelle, mit Dusche sowie einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank zu versehen ist.“  Das OLG Naumburg sah insoweit eine Mindestgröße für die Verwahrung von 20 qm zzgl. einer eigenen Nasszelle mit Dusche und einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank vor. Entgegen anderweitiger, meist populistisch geprägter Ausführungen ist eine solche Mindestvorgabe auch sinnvoll. Orientiert man sich an den Grundsätzen, die beispielsweise für Empfänger von Arbeitslosengeld II in Freiheit gelten würden, so wäre die Finanzierung einer angemieteten Wohnung mit einer Raumgröße von 20 qm zzgl. einer Nasszelle, Kochmöglichkeit und Kühlschrank im Rahmen des Existenzminimums in jedem Fall gedeckt. Warum für den Vollzug der Sicherungsverwahrung – die sich von dem Leben in Freiheit allenfalls durch eine Mauer darum unterscheiden sollte – die Lebensbedingungen anders sein sollten, als bei Wahrung des Existenzminimums in Freiheit, erschließt sich nicht. Wenn der Gesetzgeber an der Form der präventiven Inhaftierung aufgrund von vermeintlichen Sicherheitsinteressen im Einzelfall festhalten will, wird er hierbei auch die im Rahmen des Vollzuges dieser Unterbringung notwendigen – wenn auch finanziell erheblichen – Schritte unternehmen müssen. Insofern wäre eine Regelung, die konkretere Vorgaben im Sinne von Mindeststandards festlegt, auch im Rahmen einer Konzeptionspflicht möglich – wenn nicht sogar notwendig. Die Erwägungen in dem zitierten Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg wären insoweit durchaus als zielführend zu betrachten.  e)    Soweit nach § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB RefE eine Unterbringung getrennt vom Strafvollzug oder in besonderen Gebäuden und Abteilungen stattfinden soll, ist dies – wenn man bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt – grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings besteht bei einer solchen Formulierung die Gefahr, dass – wie bislang – auch in gesonderten Abteilungen einer JVA eine Unterbringung erfolgt, die mit dem Strafvollzug mit Ausnahme einer Umdeklarierung der Räume und einer gewissen, marginal erweiterten Ausstattung sonst ohne weiteres vergleichbar ist. Eine vermeintliche bauliche Trennung gibt insoweit beispielsweise die JVA Tegel aktuell vor, die allein in einer Gittertür, welche die für Sicherungsverwahrte vorgesehene Station von denen für Strafgefangene trennt, besteht. Eine solche bauliche Trennung ist sicherlich nicht im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011.  Dabei wird durchaus nicht verkannt, dass Justizvollzugsanstalten mit ihren Arbeits-, Ausbildungs- Sport- und mitunter auch Freizeitangeboten weitere Möglichkeiten bieten würden, als ein „Haus auf der Wiese“, in dem – je nach Bundesland- ggf. nur wenige Verwahrte Platz finden würden. Nach hiesigem Dafürhalten wäre es insoweit erforderlich, wenn Möglichkeiten der JVA genutzt werden sollen, diese im Wege von Transporten oder aber Ausgängen oder Ausführungen zu sichern. Es spricht nichts dagegen, dass ein Sicherungsverwahrter, der in einem gesonderten Gebäude in einer eigenen Unterkunft untergebracht ist, täglich mit einem Bus, begleitet oder selbständig den Weg zu seiner in der JVA befindlichen Arbeit-/Ausbildungsstätte oder zum gemeinschaftlichen Fußballspielen etc. antritt. Im Rahmen einer klareren Vorgabe für die Länder, die aus fiskalischen Gesichtspunkten an der Umsetzung erfahrungsgemäß dort sparen werden, wo es möglich ist, wären eindeutige Trennungsvorgaben sinnvoll.   Gleiches betrifft auch die Ausnahmeregelung, die die Behandlung der Untergebrachten betrifft. So mag es im Einzelfall aus therapeutischer Sicht sinnvoll sein, eine sozialtherapeutische Behandlung mit anderen Gefangenen – beispielsweise im Rahmen eines Gruppensettings – in der JVA durchzuführen. Die Ausnahmeregelung darf jedoch nicht dafür herhalten, das von Verfassungs wegen zu beachtende strikte Trennungsgebot aufzuweichen. Insofern sollte die Regelung soweit eingeschränkt werden, dass eine Zustimmung des Untergebrachten dazu genauso erforderlich ist, wie die weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass die Behandlung nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 nicht auch im getrennten Vollzug der Sicherungsverwahrung gleich erfolgversprechend möglich ist.  f)    Zur Erreichung des Vollzugsziels sind nunmehr in der Konzeption Vollzugs öffnende Maßnahmen gesetzlich vorgesehen. Dass diese dann nur noch unter geringeren Voraussetzungen als nach § 11 Abs. 2 StVollzG und den Entsprechungen der Länderstrafvollzugsgesetzen abzulehnen sind, wird durchaus begrüßt.  So regelt § 66c Abs. 1 Nr. 3 a) StGB RefE keine Ermessens-, sondern eine bindende Entscheidung, die ausnahmsweise aus zwingenden Gründen umgangen werden kann, wobei der nach § 11 Abs. 2 StVollzG den Vollzugsbehörden zustehende Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Missbrauchs- und Fluchtgefahr nur begrenzt auf die vorliegende Regelung übertragbar erscheint. Problematisch an der Regelung ist allerdings, dass die verbesserten Rechtsschutzmöglichkeiten, die für die Maßnahmen nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE maßgeblich sind, gerade für Vollzugs öffnende Maßnahmen nicht (mehr) vorgesehen sind.19   Die in § 66c Abs. 1 N. 3 b) StGB RefE deklarierte Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit mit staatlichen und freien Trägern für eine nachfolgende Betreuung in Freiheit ist ebenfalls sinnvoll, allerdings wegen des diesbezüglich mangelhaften effektiven Rechtsschutzes ebenso problematisch (s.o. bei Vollzugs öffnenden Maßnahmen).  g)    Essentiell für den Referentenentwurf ist die Regelung in § 66 c Abs. 2 StGB RefE, nach der eine individuelle und intensive Betreuung im Sinne von § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE bereits im Strafvollzug vor einer möglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeboten werden muss, mit dem Ziel, diese effektiv zu verhindern.   Die Regelung umfasst allerdings ausdrücklich nicht die zur Erreichung der Vollzugsziele notwendigen Maßnahmen nach § 66 c Abs. 1 Nr. 3 RefE, insbesondere Vollzugs öffnende Maßnahmen. Insofern gewährleistet der Verweis aus § 66 c Abs. 2 RefE gerade nicht, dass eine effektive Verhinderung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bereits durch eine erfolgreiche Behandlung im Strafvollzug erfolgt. Denn gerade für die Prognoseentscheidung aus §§ 67c Abs. 1, 67 d Abs. 2 StGB (RefE) ist eine Erprobung in Vollzugs öffnenden Maßnahmen regelmäßig eine ganz erhebliche und bedeutsame Voraussetzung. Es ist den Sachverständigen nur bei einer Erprobung in Vollzugslockerungen möglich, ihre Prognose auf eine breitere Basis zu stellen. Diese, in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte besondere Funktion von Vollzugslockerungen ermöglicht nach oder während einer erfolgreichen Behandlung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB RefE erst die tatsächlich effektive Vermeidung der Anordnung und Vollstreckung der Maßregel von Sicherungsverwahrung.   Es macht keinen Sinn, Behandlungsmaßnahmen in Form von Therapieangeboten erst umfassend durchzuführen, eine Erprobung in Vollzugslockerungen jedoch nach den allgemeinen Maßstäben des § 11 Abs. 2 StVollzG (sowie den Entsprechungen in den Länderstrafvollzugsgesetzen) und nicht an der erhöhten Schwelle des § 66c Abs. 1 Nr. 3a) StGB RefE zu prüfen. Demnach sollte § 66 c Abs. 2 RefE auch einen klaren Bezug zu § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE beinhalten.  2.    § 67a StGB RefE: Überweisung in eine andere Maßregel  Die Änderungen zu § 67 a StGB RefE sind weitestgehend zu begrüßen. Die aktuell gültige Regelung in § 67 a Abs. 1 Satz 2 StGB hat sich insoweit als unpraktikabel erwiesen. Sollte eine effektive Prognoseverbesserung im Vollzug am ehesten durch eine Maßregel - etwa nach § 64 StGB bei einer bestehenden Suchterkrankung – möglich sein, so muss eine Verlegung bereits während der Strafvollstreckung möglich sein, ohne dass ein „Zustand nach §§ 20, 21 StGB“ aktuell vorliegen muss. Die bislang geltende gesetzliche Regelung stieß in der Anwendung durch die Fachgerichte insoweit ohnehin auf erhebliche Bedenken. Allerdings ist die nunmehr  gewählte Formulierung, wonach die Überweisung „medizinisch“ angezeigt sein solle, auch nicht besonders weiterführend. Sinnvoll wäre insoweit eine Konkretisierung, dass die Verlegung zur Behandlung erforderlich ist, weil andere im Vollzug individuell angebotene Maßnahmen weniger erfolgversprechend sind.  3.    §§ 67c, 67d, 67e StGB RefE: Anordnung und Fortdauer der Vollstreckung  Ein weiteres entscheidendes Kernstück des Referentenentwurfes ist sicherlich die Entscheidungsbefugnis der Strafvollstreckungskammer über die Vollstreckung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach §§ 67 c Abs. 1, 67 d Abs. 2, 3 StGB RefE.  Die grundsätzliche Idee, dass eine Sicherungsverwahrung – unabhängig von einer Gefahrenprognose – dann nicht vollstreckt werden darf, wenn eine indizierte Behandlung während des Vollzuges nicht angeboten worden ist, ist deutlich zu begrüßen. Nur so wird es effektiv möglich sein, entgegen fiskalischer Bedenken oder auch bloßem Unwillen der Justizvollzugsanstalten Behandlungsmaßnahmen so effizient durchzusetzen, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch tatsächlich in vielen Fällen wegen der dann prognostizierten geringeren Gefährlichkeit entbehrlich ist. Auf der anderen Seite ist nicht nachvollziehbar, warum die Regelung des § 67 c Abs. 1 Nr. 2 StGB RefE nicht auch Bezug auf die notwendige Gewährung von Vollzugslockerungen nach § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE nimmt.   Denn regelmäßig wird es gerade im Fall der Gewährung von Vollzugs öffnenden Maßnahmen erforderlich und sinnvoll sein, effektive Kontrollmechanismen einzuführen, um die Einhaltung der von Verfassung wegen zu beachtenden Behandlungs- und Motivierungsstandards zu gewährleisten. Es kann gerade Teil der Motivierungsarbeit der JVA sein, Ausführungen oder begleitete Ausgänge dann zu gewähren, wenn andere Behandlungsmaßnahmen noch nicht greifen oder ggf. um eine Compliance erst herzustellen. Vollzugs öffnende Maßnahmen sind wesentliche Behandlungsmaßnahmen, die zur Prognoseverbesserung entscheidend beitragen.20 Insofern muss auch die rechtswidrige Versagung von Vollzugs öffnenden Maßnahmen nach § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung im Sinne von § 67c Abs. 1 Nr. 2 StGB RefE führen.  Soweit in § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB RefE nach Beginn der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung bei fehlenden Behandlungsangeboten für die weitere Vollstreckung eine Unverhältnismäßigkeitsklausel eingeführt werden soll, ist dies ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings geht auch diese Regelung nicht weit genug.   Es fehlt zum einen an einer klaren Regelung, dass nach fruchtlosem Verstreichen einer vom Gericht gesetzten Maximalfrist von sechs Monaten die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen ist. Zum anderen gilt im Hinblick auf den fehlenden Bezug zu § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE das oben Gesagte, wobei gerade nach Beginn der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mitnichten  nachvollziehbarer ist, weshalb nicht auch die Versagung von Behandlungsmaßnahmen im Sinne von § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE zu einer Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung führen soll.   Insgesamt ist ferner den vorgesehenen Neuregelungen in § 67 c Abs. 1 und § 67 d Abs. 2 StGB RefE gemein, dass sie den bislang geltenden Prognosemaßstab für die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und Fortdauer derselben nicht begrenzt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit klargestellt, dass es bei der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nicht darum gehen kann, dass die im erkennenden Urteil festgestellten Gefahren durch den Untergebrachten widerlegt werden müssen. Vielmehr muss eine konkrete Gefahr für schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten sein. Insofern ist auch für die Prüfung nach § 67 c Abs. 1, 67 d Abs. 2 der Prognosemaßstab, der zuvor allein in § 67 d Abs. 3 StGB vorgesehen war, maßgeblich. Dies würde im übrigen auch zu einer vom Bundesverfassungsgericht geforderten, sorgfältigen Überprüfung der Anordnungsvoraussetzung zu jedem Entscheidungszeitpunkt durch die Strafvollstreckungskammer führen, die durch die aktuelle Regelung nicht gewährleistet ist.21  Die Verkürzung der Überprüfungszeiträume in § 67 e Abs. 2 StGB RefE ist – wenn man bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt – uneingeschränkt zu begrüßen.  II. Art. 3, Änderung der Strafprozessordnung 1.    § 463 Abs. 3 StPO RefE: Einholung von Sachverständigengutachten  Die vorgeschriebene Einholung eines Sachverständigengutachtens bei der Prüfung nach § 67 c Abs. 1 StGB RefE unabhängig von der Frage der Erwägung einer Bewährungsaussetzung nach § 463 Abs. 3 StPO RefE wird grundsätzlich begrüßt. Es ist schon nach aktuellen verfassungsrechtlichen Vorgaben schwer nachvollziehbar, warum Fachgerichte insbesondere nach lang andauernder Strafvollstreckung und einem fortgeschrittenen Alter von Betroffenen nicht im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht ohnehin regelmäßig eine Sachverständigenbegutachtung zumindest zu der Frage von § 67c Abs. 1 StGB durchführen. Eine gesetzliche Regelung ist insoweit überfällig.   Allerdings stellt sich die Frage, warum nicht auch bei der Überprüfung nach § 67 d Abs. 2 StGB – zumindest in zyklischen Abständen – eine Maximallaufzeit für eine erneute Begutachtung vorgesehen ist. Gerade bei fortschreitenden Behandlungsmaßnahmen ist es jedenfalls in zweijährigen Abständen mit Sicherheit erforderlich und sinnvoll, eine externe Sachverständigenbegutachtung durchzuführen, um die weitere Gefährlichkeitsprognose zu evaluieren und die Ausgestaltung des Vollzuges ggf. korrigieren zu können.22 Dass eine solche Begutachtung nicht für jeden – nun jährlichen – Überprüfungszeitraum nach § 67 d Abs. 2 StGB RefE erfolgen kann, wird nicht in Zweifel gezogen. Dass im Rahmen effizienter Behandlung eine Begutachtung zumindest alle zwei Jahre erforderlich ist, dürfte hingegen nicht nur sinnvoll und erforderlich, sondern im Hinblick auf die nötige Regelungsdichte und gesteigerte Aufklärungspflicht der Fachgerichte auch notwendig sein.  2.    § 463 Abs. 8 StBG RefE: Pflichtverteidigerbestellung  Die Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung, die allerdings regelmäßig schon in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO von den Fachgerichten bei den Verfahren nach § 67 c Abs. 1 StGB und § 67 d Abs. 2 StGB vorgesehen ist, ist zu begrüßen. Auch die Fortgeltung der Verteidigerbestellung nach § 463 Abs. 8 des RefEes ist grundsätzlich im Rahmen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu begrüßen, wobei allerdings für die Untergebrachten eine Wechselmöglichkeit gesetzlich vorgesehen werden sollte. Die sehr engen Grenzen der Geltendmachung der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zum Pflichtverteidigerwechsel sind insoweit nicht ausreichend, um eine langjährige, effektive Verteidigung in Vollstreckungssachen zu gewährleisten. Auch ist es bei der mitunter langwierigen Dauer der Verfahren den Rechtsbeiständen nicht unbedingt zuzumuten, eine Bestellung zu akzeptieren, die über ein Jahrzehnt oder länger gehen kann. Insofern sollte über einen weiteren Zusatz die Möglichkeit des Untergebrachten eingeräumt werden, bei jedem Neubeginn der Überprüfung nach § 67 c Abs. 1, § 67 d Abs. 2, 3 RefE einen Wechsel des bereits bestellten Verteidigers ohne Angabe von Gründen vornehmen zu können. Mehrkosten würden dadurch der Staatskasse nicht entstehen, da auch der bereits bestellte Verteidiger in gleichem Maßstab Vergütungsansprüche geltend machen könnte.  III.    Art. 4: Änderungen des Strafvollzugsgesetzes 1.    109 Abs. 3 StVollzG RefE: Beistandsbestellung  Die Bestellung eines Beistandes zur Durchsetzung der Maßnahmen nach § 66c Abs. 2 StGB RefE ist ohne Einschränkungen zu begrüßen. Die Ausnahmeregelung, wonach aufgrund einer vermeintlichen Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes nicht geboten erscheine oder aber der jeweilige Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen könne, erschließt sich jedoch nicht. Nach praktischer Erfahrung ist gerade im Rahmen der sehr begrenzten Möglichkeiten von Strafgefangenen oder Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung eine effektive Verteidigung von Rechten ohne anwaltlichen Beistand aus der JVA heraus nicht möglich. Dies beginnt bereits bei den fehlenden Vervielfältigungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten in der Haftanstalt (fehlender Kopierer, ggf. fehlendes Telefon, fehlendes Faxgerät etc.) und endet bei fehlender juristischer Sachkenntnis und/oder fehlenden entsprechenden Informationsmöglichkeiten. Selbst ein überdurchschnittlich intelligenter und juristisch vorgebildeter Gefangener oder Untergebrachter wird aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten in der JVA seine Rechte, jedenfalls sobald es um Behandlungsmaßnahmen nach § 66c StGB RefE geht, nicht ausreichend effektiv durchsetzen können. Insofern sollte die Einschränkung der Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsbeistandes gestrichen werden.   Mit einer effektiven Verteidigung von Rechten im Vollzug muss insoweit auch eine Reform der Rechtsanwaltsvergütung für diese Verfahren einhergehen. Derzeit würde eine Vergütung allein auf Grundlage der Nr. VV RVG 3100 ff. nach dem Gegenstandswert, der in der Regel relativ gering angesetzt wird, erfolgen. Der Aufwand des Rechtsbeistandes aufgrund der meist umfangreichen schriftlichen Verfahren bei gleichzeitiger zeitintensiver Haftbetreuung des Mandanten kann damit – jedenfalls bei einer verantwortungsvollen Vertretung - mitnichten ausgeglichen werden.  2.    § 119 a StVollzG RefE: Gerichtliches Monitoring bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung; Das zwingend vorgeschriebene gerichtliche Monitoring während des Strafvollzuges und der danach möglicherweise vollstreckten Sicherungsverwahrung ist ein weiteres Kernstück des Referentenentwurfs. Grundsätzlich wird ein solches Monitoring begrüßt, da die Praxis zeigt, dass ohne gerichtliche Kontrolle bzw. Kontrollmöglichkeiten der Vollzug – trotz oder aber auch gerade weil Sicherungsverwahrung im Anschluss notiert ist – über Jahre hinweg stagniert. Allerdings ist auch hier der fehlende Verweis in § 119 a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG RefE auf § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB RefE kontraproduktiv. Gerade die Möglichkeit von Vollzugs öffnenden Maßnahmen ist für die Prognoseentscheidung nach § 67 c, 67 d, Abs. 2, 3 StGB entscheidend. Insoweit erschließt sich nicht, warum die inzwischen nur noch unter engen Voraussetzungen mögliche Nichtgewährung von Vollzugs öffnenden Maßnahmen nicht auch Gegenstand der erweiterten gerichtlichen Kontrolle und des Monitorings ist.23   Dass diese Entscheidungen alle zwei Jahre von Amts wegen, ansonsten auf Antrag, zu treffen sind und in Zukunft die Beschwerde, statt die Rechtsbeschwerde, zulässig ist, ist grundsätzlich zu begrüßen. Gleiches gilt für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes. Problematisch ist allerdings die Regelung aus § 119 a Abs. 6 StVollzG RefE. Danach sind die insoweit getroffenen Feststellungen für nachfolgende Gerichte bindend. Die Regelung soll vermeiden, dass am Ende des Vollzuges überraschend eine Strafvollstreckungskammer – ggf. im Unterschied zu vorher zuständigen Strafvollstreckungskammern in Vollzugsverfahren – feststellt, dass der Vollzug rechtswidrig erfolgt ist, und eine Entlassung aus Verhältnismäßigkeitsgründen anordnet. Die Regelung soll für den Vollzug weitestgehende Rechtssicherheit bringen.  So nachvollziehbar dieses Vorhaben ist, so wenig berücksichtigt es, dass sich auch die Rechtsprechung, die sich zu § 119 Abs. 1 – 4 StVollzG RefE und § 66 c Abs. 1, 2 StGB RefE entwickeln wird, im stetigen Fluss befindet. Insofern wäre in der Regel auch ohne eine explizite Regelung in § 119 Abs. 6 StVollzG RefE für die weitere Vollstreckungsentscheidung sicherlich maßgeblich, welche Feststellungen die Strafvollstreckungskammer bzw. die Oberlandesgerichte in den vorangegangenen Verfahren zum Monitoring des Strafvollzugs getroffen haben. Dies aber im Sinne einer gesetzlichen Bindung festzulegen, ist im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Rechtsprechung nicht sinnvoll. So hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe bereits ausgeführt, dass im Vollstreckungsverfahren auch entgegen zuvor ergangener Entscheidungen von Strafvollstreckungskammern in Vollzugsverfahren festgestellt werden kann, dass notwendige Behandlungsmaßnahmen – etwa Vollzugs öffnende Maßnahmen – rechtswidrig verweigert worden sind und darauf dann die negative Prognose nicht tragend gestützt werden kann.24  3.    § 120 StVollzG RefE: Zwangsmittel zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen  Dass nunmehr, wie im Verwaltungsverfahren Zwangsmittel gegen die JVA angedroht und umgesetzt werden können, sofern sie gerichtliche Entscheidungen nicht umsetzt, ist vollumfänglich zu begrüßen. Eine Differenzierung zwischen beklagten Behörden im Verwaltungsprozess und der JVA im Verfahren nach § 109 StVollzG ist ohnehin nicht nachvollziehbar, so dass die Regelung überfällig ist. Die Renitenz, mit der sich im Einzelfall die Justizvollzugsanstalten weigern, gerichtlich bindende Vorgaben umzusetzen, macht die Regelung auch zwingend erforderlich.  IV.   Art. 7, 8: Änderungen des EGStGB und des ThUG  Die in Artikel 316 f EGStGB RefE vorgesehene Regelung, dass für vor Inkrafttreten des Gesetzes begangene Taten die vorangegangenen Bestimmungen – die bereits für verfassungswidrig erklärt worden sind - jedenfalls in beschränktem Maße anzuwenden sind, stößt auf erhebliche Bedenken. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht für die Fälle des gesteigerten Vertrauensschutzes ausgeführt hat, dass für eine Übergangszeit eine hochgradige Gefahr für schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten, die auf einer psychischen Störung beruht, für eine etwaige Fortdauer ausreichen soll, kann dies nicht dazu führen, dass ggf. noch für einen Zeitraum über 10-15 Jahren nachträgliche Sicherungsverwahrung oder aber auch eine Vollstreckung in so genannten Altfällen über 10 Jahre hinaus stattfinden kann.   Für eine solche gesetzliche Regelung besteht auch keine Notwendigkeit. Insbesondere bestehen keine „Schutzlücken“, die geschlossen werden müssten. Wird ein Gefangener aus der Strafhaft – mangels Anordnungsmöglichkeit für die nachträgliche Sicherungsverwahrung – oder aus der Sicherungsverwahrung – mangels Fortdauer über 10 Jahre hinaus – entlassen, so stehen vielfältige Möglichkeiten im Rahmen der Prävention bereit, die die Gefahr einer Rückfälligkeit minimieren können. So besteht bei einer psychischen Erkrankung nach den Unterbringungsgesetzen der Länder die Möglichkeit, zur weiteren Behandlung die Freiheit zu entziehen.   Auf eine solche psychische Erkrankung soll es zwar nach dem Willen des Referentenentwurfes nicht ankommen, da die psychische Störung einen unterhalb dieser Krankheitsschwelle liegenden Zustand darstellen soll. Der Begriff der psychischen Störung ist insoweit neu durch das ThUG eingeführt und vom Bundesverfassungsgericht aufgenommen worden. Er umgeht die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, führt faktisch zu einer Umetikettierung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten zu psychisch Gestörten – nicht psychisch Kranken -, die nun aufgrund der psychischen Störung und nicht aufgrund ihrer vorangegangenen Straftaten inhaftiert bleiben sollen. Dass eine solche Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchgehend Bestand haben wird, bleibt zu bezweifeln. Vielmehr sollte der Gesetzgeber nunmehr einsehen, dass die nachträgliche Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung gescheitert ist und stattdessen mögliche und vorhandene Sicherungsmöglichkeiten im Bereich des Gefahrenabwehrrechts zu nutzen sind.   Daneben bleibt es fraglich, ob für eine Unterbringung aufgrund einer „psychischen Störung“ überhaupt der Bundesgesetzgeber Verantwortung tragen kann. Denn die Norm kann nach Vorstellung des Referentenentwurfes nur als reine gefahrenpräventive Abwehrmaßnahme infolge von psychischer Störung – nicht aufgrund der vorangegangenen Verurteilung – aufgefasst werden. Eine solche reine Gefahrenabwehrregelung wäre jedoch unzweifelhaft durch die Länder zu regeln.25  Neben der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist aber auch entscheidend, dass der Begriff der psychischen Störung seine Grenzen im Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 e) EMRK finden muss. Der dort verwendete Begriff des „unsound mind“ oder aber der „true mental disorder“ ist mit einer psychischen Störung im Sinne von Art. 316 f. EGStGB RefE nicht vergleichbar. Neben der Tatsache, dass in der ICD-10 im großen Umfang psychische Störungen benannt werden,26 ist die Regelung aus Art. 316 f EGStGB praktisch unnötig, weil bei hochgradigen Gefährdungen der Allgemeinheit aufgrund einer psychischen Störung, die die Voraussetzung von Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 e) EMRK erfüllt, die Unterbringungsgesetze der Länder bzw. zu Gefahrenabwehr im Zweifel auch die Polizeigesetze greifen können. Reine Verhaltensabweichungen vom „Normalfall“, wie sie oft mit so genannten dissozialen Persönlichkeitsstörungen einhergehen, genügen nach der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zweifel gerade nicht.27  Ebenso bedenklich ist die Regelung aus Art. 316 f. Abs. 3 EStGB RefE. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Sicherungsverwahrung nicht per se unverhältnismäßig sein kann, wenn die nach dem neu zu regelnden § 66 c StGB RefE erforderliche Behandlung vor Geltung dieses Gesetzes durch die Vollzugsbehörden nicht umgesetzt worden ist. Auf der anderen Seite ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 – soweit sie bereits in den Grenzen des derzeitigen Rechts umgesetzt werden kann – bereits jetzt nach § 31 BVerfGG verbindlich. Es kann nicht sein, dass ein heute gänzlich fehlendes Behandlungsangebot, trotzdem zumindest teilweise Behandlungsmöglichkeiten in den Justizvollzugsanstalten auch heute schon vorhanden – nur eben ungenutzt - sind, nicht genauso zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung führt, wie bei Verstoß gegen die Neuregelung aus § 66c StGB RefE. Insofern wäre eine Regelung denkbar, die die Voraussetzungen des § 67 c Abs. 1 Nr. 2 StGB RefE entsprechend auf die bislang vorhandenen – und ggf. rechtswidrig ungenutzten – Behandlungsmöglichkeiten des Strafvollzuges überträgt.  Soweit durch den Referentenentwurf die Unterbringung nach ThUG in Einrichtungen, die § 66c StGB RefE entsprechen, vollzogen werden kann, soll auf die hiesige Stellungnahme zum Gesetzentwurf vom 2.12.2010 zur Einführung des ThUG verwiesen werden. Die Angliederung nunmehr an die Einrichtungen nach § 66c StGB RefE unterstreicht die dort vorgebrachte These der schlichten Umetikettierung von (ehemals) Sicherungsverwahrten zu „psychisch Gestörten“ zur Umgehung der einschlägigen Entscheidungen der EGMR. Das ThuG ist und bleibt verfassungs- jedenfalls aber menschenrechtswidrig.  C.    Fazit Teil I  * Die Sicherungsverwahrung gehört nach wie vor abgeschafft. Eine kriminalpolitische Notwendigkeit existiert nicht. Es wäre wesentlich sinnvoller, die nunmehr erforderlichen erheblichen finanziellen Mittel zur verfassungskonformen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung für Präventivprojekte im Rahmen des Strafvollzuges, der Nachbetreuung und der Vorsorge einzusetzen. Damit würden nach hiesigem Dafürhalten wesentlich mehr schwerwiegende Straftaten verhindert werden können, als durch die unter menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken stehende Maßregel der Sicherungsverwahrung.  * Wenn man schon bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung bleibt, ist es auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts unvertretbar, dass weiterhin bei gewaltanwendungsfreien Raubdelikten, Betäubungsmitteldelikten und jeglichen Verstößen gegen die Führungsaufsicht Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann. Hierbei bedarf es zumindest einer dringenden Einschränkung des Anwendungsbereichs, die im Übrigen mit den bislang ergangenen Entscheidungen auch des Bundesgerichtshofs im Einklange stehen würde.  * Die konzeptionelle Festlegung von Mindestanforderungen für den Vollzug der Sicherungsverwahrung und den Vollzug der vorangegangenen Strafhaft ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch sollten die konzeptionellen Vorgaben wesentlich klarer sein, als dies bislang der Fall ist, ohne dabei die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu überschreiten. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung des Trennungsgebotes, aber auch für die Benennung von Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten.  * Eine effektivere gerichtliche Kontrolle und ein Monitoring des der Sicherungsverwahrung vorausgehenden Vollzugs sind grundsätzlich zu begrüßen. Die im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen gehen allerdings nicht weit genug und greifen gerade, was den wichtigen Fakt der Vollzugs öffnenden Maßnahmen betrifft, ins Leere.  * Die Beibehaltung der verfassungswidrigen Regelungen unter der Einschränkung der Notwendigkeit einer psychischen Störung für Altfälle – ggf. noch für über ein weiteres Jahrzehnt – ist verfassungs- und menschenrechtlich erheblich bedenklich. Anderweitige Möglichkeiten der Gefahrenabwehr sind insoweit vorhanden und ausreichend, um eine Gefahrenabwehr im Rahmen des verfassungs- und menschenrechtlich Möglichen zu gewährleisten.  Teil II  Artikel 2: Änderung des Jugendgerichtsgesetzes  Verfasser: Thomas Uwer, Berichterstatter des Organisationsbüros der Strafverteidigervereinigungen  Die grundsätzlichen Bedenken, die gegen die Sicherungsverwahrung vorgebracht werden28, gelten für die Möglichkeit der Verhängung der Maßregel bei Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht in gesteigertem Maße. Nicht nur das fortbestehende Problem einer weitgehenden Prognoseunsicherheit, mit dem jede Rechtfertigung der Maßregel steht und fällt, stellt sich gegenüber jugendlichen Verurteilten in zugespitzter Form (dazu ausführlicher unten). Auch hat das Jugendstrafrecht gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht einen vorrangigen Erziehungsanspruch, der sich mit der Sicherungsintention des Schutzes der Gesellschaft vor möglicherweise gefährlichen Straftätern nicht vereinbaren lässt. Denn daran, dass die auf Schutz der Allgemeinheit abzielende Sicherungsverwahrung und ein auf Erziehung und Resozialisierung zielendes Sanktionensystem sich bereits von ihrer Intention her diametral entgegenstehenden,29 ändern auch die aktuellen Versuche, die Sicherungsverwahrung ein wenig menschenwürdiger auszugestalten, nichts. Denn so begrüßenswert die in Aussicht gestellten Verbesserungen in der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung sind (größere Zellen, Zubereitung eigener Speisen etc.), so wenig können sie über den rein sichernden Charakter der Maßregel hinwegtäuschen.  Dies wiegt im Jugendstrafrecht auch deshalb so schwer, weil Staat und Gesellschaft eine besondere Verantwortung für den Schutz von Jugendlichen und Heranwachsenden tragen, die nicht alleine deshalb erlischt, weil ein Jugendlicher straffällig geworden ist. Gegenüber jugendlichen Gefangenen ist der Staat in besonderer Weise in der Verantwortung, den Vollzug so auszugestalten, dass sie ihre Persönlichkeit trotz Haft entfalten und künftig ein Leben ohne Straftaten führen können. Dieser Verantwortung wird der vorliegende Entwurf erkennbar nicht gerecht.     I. Fehlende Begründung  Schon mit Einführung der Möglichkeit, die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht zu verhängen, ist der Gesetzgeber 2008 vom Weg des erziehenden und schützenden Sanktionensystems im Jugendstrafrecht abgekommen. Bereits damals wurde bemängelt, dass zur Begründung für diesen so weitreichenden Schritt lediglich floskelhaft auf nicht weiter benannte »Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit«30 verwiesen wurde - während die empirischen Daten zur Kriminalitätsentwicklung im Bereich des Jugendstrafrechts einen Änderungsbedarf nicht nahelegten.31 So ging dem damaligen Entwurf auch keine Evaluation der Gesetzesfolgen der bereits existierenden nachträglichen Sicherungsverwahrung im Erwachsenenstrafrecht auf den Vollzug und die Legalbewährung voraus, obwohl sich schon deutlich abzeichnete, dass bereits die Möglichkeit der Verhängung nachträglicher Sicherungsverwahrung erhebliche Nebenwirkungen auf im Vollzug befindliche Erwachsene hat.32 Dieser Evaluations- und Empiriemangel ist umso unverständlicher, als »es [im Präventionsrecht] jenseits des Schuldausgleichs allein um Fragen der Zweckerreichung und damit -erreichbarkeit«33 geht. Eine vorrangig auf die konkrete Sicherungswirkung abzielende Maßregel muss folgerichtig an ihrer tatsächlichen Wirkung gemessen und überprüft werden.   Dennoch liegen auch dem jetzigen Änderungsvorschlag keine erkennbaren empirischen Daten zugrunde - weder zur Entwicklung der Jugendkriminalität in den potentiell von der Regelung betroffenen Bereichen, noch zur Entwicklung und Ausgestaltung der bisherigen Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht. Der vorliegende Entwurf versucht nicht einmal, die vorgeschlagene Ausweitung der Möglichkeiten zur Verhängung der Sicherungsverwahrung mit tatsächlichen Notwendigkeiten zu legitimieren, sondern erklärt diese rein selbstreferentiell aus der mit dem Urteil des EGMR vom 17.12.200934 und dem jüngsten Beschluss des BVerfG vom 4. Mai 201135 einhergehenden Notwendigkeit einer Reform der als konventionswidrig beurteilten nachträglichen Sicherungsverwahrung. Dreieinhalb Jahre nach Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in das JGG ist der Gesetzgeber also einerseits seiner positiven Pflicht zur wissenschaftlichen Ergründung der Wirkungen der Maßregel offenkundig immer noch nicht nachgekommen. Andererseits wird aber die faktische Ausweitung der Maßregel angeregt, einzig weil die bisherige Variante der nachträglichen Sicherungsverwahrung keinen Bestand mehr vor EGMR und BVerfG hat. Das Bundesverfassungsgericht hat indessen vom Gesetzgeber gefordert, den Jugendstrafvollzug an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten36, nicht aber an möglichen (justiz)verwaltungstechnischen Bedürfnissen.  II. Nachträglich, vorbehalten oder originär?  Dass der Gesetzgeber damals die Sicherungsverwahrung gegenüber jugendlichen Verurteilten auf eine nachträgliche beschränkte, hatte (gute) Gründe. Die originäre Sicherungsverwahrung wurde mit Verweis auf die Unmöglichkeit einer Gefährlichkeitsprognose zum Zeitpunkt des Urteils grundsätzlich abgelehnt.37 Zur im Gesetzentwurf damals nicht verwirklichten - aber nunmehr geplanten - vorbehaltenen Sicherungsverwahrung hieß es indessen, dass   »… der möglicherweise präjudizielle, in jedem Fall aber die weitere Entwicklung eines jungen Menschen belastende Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung […] nicht ausgesprochen werden [soll].«38   Während auch die Beschränkung auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung als einer von drei möglichen Varianten der Sicherungsverwahrung nicht wirklich effektiv auch den damit einhergehenden Grundrechtseingriff begrenzt, muss die nachträgliche daher doch gegenüber der nun vorgesehenen vorbehaltenen Sicherungsverwahrung als die im Vergleich schonendere Variante gelten. Denn die potentielle Verbesserung der Haftsituation derjenigen Verurteilten, denen kein Vorbehalt ins Urteil eingeschrieben wurde, die aber unter der alten Regelung mit einer Überprüfung auf eine mögliche nachträgliche Sicherungsverwahrung hätten rechnen müssen, wird durch eine Regelung nachgerade wieder aufgehoben, die den Vorbehalt bereits unter derart wenigen Voraussetzungen ermöglicht, dass er absehbar selbst wiederum zur Regel wird. Der Gesetzgeber von 2008 immerhin hatte mit seiner relativen Beschränkung gezeigt, dass er die Erkenntnisse über die schädlichen Wirkungen möglicherweise lebenslanger Haft insbesondere auf junge Menschen bedacht hat und negative Folgen der im Vorbehalt verborgenen Drohung abzuwenden sucht. Solche relative Zurückhaltung kennt der aktuelle Entwurf nicht. Ohne dies mit empirischen Notwendigkeiten zu begründen, soll die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung bei jugendlichen Straftätern nun auf eine Weise ausgebaut werden, die dem Gesetzgeber noch vor dreieinhalb Jahren als »präjudiziell« und für die Entwicklung der Verurteilten schädlich erschien. Einzig aufgrund der Tatsache, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung als konventionswidrig nicht mehr haltbar ist, greift der Referentenentwurf nunmehr zum nächst schärferen Sanktionsmittel. Eine solche Herangehensweise verbietet sich - insbesondere wenn man in Rechnung stellt, dass mit der in das JGG eingeführten Sicherungsverwahrung bereits jetzt im Extremfall ein gerade erst strafmündig gewordener Jugendlicher wegen einer einzigen und erstmaligen Tat potenziell lebenslang verwahrt werden kann.39  III. Risiken &  Nebenwirkungen  Über die Auswirkungen von Sicherungsverwahrung bzw. bereits deren Androhung auf jugendliche Gefangene liegen noch keine unmittelbaren empirischen Erkenntnisse vor. Hinweise auf die zu erwartenden Nebenwirkungen lassen sich dennoch aus zwei Quellen schöpfen: aus der Erfahrung mit der Wirkung der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Erwachsenenvollzug sowie aus Untersuchungen über die Wirkung langer Haftstrafen auf die Entwicklung junger Menschen. Daraus ergibt sich eine denkbar schlechte Prognose für die Wirklichkeit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafvollzug. Als zu erwartende Nebenwirkungen ist mit (1.) Demotivation und Perspektivlosigkeit, (2.) mit einer Verhinderung der normalen Persönlichkeitsentwicklung und Förderung vollzugsendemischer Verhaltensweisen und schließlich mit (3.) einer insgesamt kontraproduktiven Wirkung auf Resozialisierungsansätze im Jugendstrafvollzug zu rechnen.  1.    Demotivation und Perspektivlosigkeit als Folge potentiell infiniter Haft  Die überaus schädliche Wirkung langer Haftstrafen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Gefangenen ist in der Wissenschaft unumstritten.40 Insbesondere die Aussicht auf möglicherweise infinite Haft wirkt demotivierend und mindert den Anreiz zur Besserung.41 Die Androhung einer möglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung zum Ende der Haft steht schon deshalb in eklatantem Widerspruch zum Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht, sofern man diesen nicht im Stile der schwarzen Pädagogik preußischer Kadettenanstalten als Unterwerfungsprozess durch massive Strafandrohung versteht. Empirische Untersuchungen hingegen zeigen deutlich, dass die Androhung und/oder Verhängung intensiver, freiheitsentziehender Sanktionen keinen positiven erzieherischen Effekt zeitigt.42 Mit dem 1. JGG-Änderungsgesetz wurden daher freiheitsentziehende Sanktionen zugunsten ambulanter Maßnahmen zurückgedrängt und unter anderem auch die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer (§ 19 Abs. 1 JGG) abgeschafft.43 Die - wie auch die Sicherungsverwahrung - von den Nationalsozialisten eingeführte Jugendstrafe unbestimmter Dauer eröffnete »dem Gericht die Möglichkeit, vorerst nur den Rahmen einer (...) Jugendstrafe zu bestimmen. Erst während des Verlaufs des Jugendstrafvollzugs sollte bestimmt werden, welche Dauer erforderlich sei, um den jungen Delinquenten mit erzieherischen Mitteln zu erreichen«.44 Tatsächlich aber waren Demotivation und Frustration verbreitete Folgen der unbestimmten Jugendstrafe. Sie wurde als »pädagogisch verfehlt, kriminalpolitisch fragwürdig und verfassungsrechtlich bedenklich« abgeschafft.45  Eine ähnliche Wirkung ist auch von der analog zur Jugendstrafe unbestimmter Dauer zu betrachtenden vorbehaltenen Sicherungsverwahrung zu erwarten, bei der das erkennende Gericht sich die spätere Sicherungsverwahrung vorbehält, weil noch nicht erkennbar ist, wie (bzw. ob) sich die Gefährlichkeit des Verurteilten im weiteren Verlauf entwickelt. Wie bereits bei der nachträglichen, so wird auch bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung daher jede Handlung und jedes Ereignis im Vollzug im Hinblick auf die zum Ende der Haft hin drohende Sicherungsverwahrung bewertet. Hafttypische und jugendentwicklungsspezifische Konflikte sowie die vielfältigen mit langjährigen Strafen einhergehenden Probleme werden vorrangig unter dem Aspekt der Gefährlichkeitsprognose betrachtet.46 Der Vollzug wird für die Verurteilten so, entgegen der Intension des Gesetzgebers, zusätzlich erschwert, »weil sich jedwedes Verhalten - die Öffnung in einer Therapie ebenso wie die Therapieverweigerung - negativ auswirken kann, mithin vollkommen handlungslähmend ist«.47 Stete Begutachtungen von Außen, die mit dem Druck einer möglichen Sicherungsverwahrung einhergehen, verstärken das Empfinden des Ausgeliefertseins und fördern die als Haftdeprivation bezeichnete Ohnmacht und Hilflosigkeit.48 Der Vorbehalt einer späteren Sicherungsverwahrung vergiftet so den ihr vorausgehenden Vollzug, jene Phase also, während der der Gefangene unter Beweis zu stellen hat, dass eine Gefährlichkeit nicht vorliegt.  2.    Verhinderung einer normalen Persönlichkeitsentwicklung & Förderung vollzugsendemischer Verhaltensweisen  Diese negativen Folgen der angedrohten (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung auf den Gefangenen wiegen bei jugendlichen Verurteilten umso schwerer, als diese sich in der Regel noch im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung befinden. Insbesondere bei Jugendlichen, die schwerste Straftaten begangen haben, ist dabei von einer ohnedies schon problematischen individualpsychischen Entwicklung auszugehen. Die unerwünschte Nebenwirkung des Freiheitsentzugs ist hier in der Verfestigung eben jenes Verhaltens zu sehen, das durch die Haft als unerwünscht bekämpft werden sollte.49 Wie wenig Freiheitsentzug als erzieherische Maßnahme geeignet ist, eine positive Entwicklung der Persönlichkeit zu befördern, zeigen nicht zuletzt die anhaltend hohen Rückfallquoten im Jugendstrafvollzug. Es gilt weiterhin: »Je härter die verhängte Sanktion, desto höher die Rückfallraten«.50  Dies hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass der Vollzugsalltag eine Kunstwelt ist, die mit der Lebenswirklichkeit außerhalb des Vollzugs wenig gemein hat. Gerade das für die Entwicklung von Jugendlichen so wichtige Erlernen von Eigenverantwortung wird durch die totale Institution Gefängnis, die von extremer Fremdbestimmung gekennzeichnet ist, unterminiert. Dies und das bekannte Phänomen der Prisonisierung, i.e. die Anpassung des Gefangenen an die Welt des Vollzugs, erschweren die sozialtherapeutische Arbeit im Jugendstrafvollzug bereits im Normalfall.51 Bei zu langen Haftstrafen verurteilten Jugendlichen wiegt dies umso schwerer: Ein zu einer siebenjährigen Jugendstrafe Verurteilter verbringt mit hoher Wahrscheinlichkeit den größten Teil seiner Jugend in Haft. Wird zudem der Vorbehalt einer anschließenden Sicherungsverwahrung ausgesprochen, so muss dies verheerend auf das Selbstbild des Jugendlichen wirken, Resignation befördern und vollzugsendemische Verhaltensweisen bestärken.52 Jeder Ausbruch von Aggressivität, Verweigerung oder Frust, der unter den künstlichen, von Autorität und Fremdbestimmung geprägten Lebensbedingungen im Jugendvollzug als normal anzusehen ist, wird nun potentiell gegen ihn und seine Chancen gerichtet, nach Verbüßung der Haftstrafe entlassen zu werden. So wirkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung - wie der Gesetzgeber in der Begründung zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2008 selbst einräumte - präjudiziell; und belastet die für seine künftige Freiheit notwendige Entwicklung des Jugendlichen im Vollzug.  3.   Kontraproduktive Wirkung  Die besondere Verantwortung des Staates für die Entwicklung von Jugendlichen wurde bereits betont. Übertragen auf den Fall desjenigen Jugendlichen, dem die Sicherungsverwahrung per Vorbehalt angedroht wird, bedeutet dies, dass alles getan werden müsste, ihm einen Vollzug zu ermöglichen, der die spätere Verhängung der Sicherungsverwahrung unnötig macht. Wie der Gesetzgeber dieser Verantwortung angesichts eines Jugendstrafvollzugs gerecht werden will, der auch unter besseren Bedingungen Rückfallquoten von bis zu 80 % produziert, bleibt fraglich. Eher wahrscheinlich ist vielmehr, dass die Sicherungsverwahrung - wie im Erwachsenenvollzug auch - negativ in den Vollzug hineinwirken und das vorrangige Sicherungsinteresse bei den mit dem Vorbehalt der späteren Sicherungsverwahrung versehenen jugendlichen Gefangenen den Vollzugsalltag bestimmen und Therapie- bzw. Resozialisierungsangebote verdrängen wird. Nicht zuletzt gilt, dass Erziehung, die mit der Androhung der schwersten Strafe einhergeht, selbst wie eine Strafe wirkt und wenig Aussicht auf Erfolg hat. Einmal eingeführt, wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung absehbar bewirken, was er eigentlich zu verhindern vorgibt: Er wird Jugendliche schaffen, die dem Druck der Drohung nicht standhalten und sich der strafenden Erziehung verweigern, bis schließlich »Gefährlichkeit« als Voraussetzung der Sicherungsverwahrung prognostizierbar wird53.  De facto entfaltet der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung also eine strafschärfende Wirkung, die nicht dadurch abgefangen wird, dass der (möglicherweise später einsetzende) Vollzug der Sicherungsverwahrung künftig freundlicher ausgestaltet wird, um den verfassungsmäßig geforderten Abstand zum Strafvollzug zu wahren.  IV. Besondere Prognoseschwierigkeiten bei Jugendlichen  Die gesamte Maßregel der Sicherungsverwahrung steht und fällt mit der Prognose anhaltender Gefährlichkeit. Da es sich bei der Sicherungsverwahrung immer um eine Art Sonderopfer des Verurteilten zum Schutze der Gesellschaft handelt, sollten ihr auch keine general- oder spezialpräventive Funktion zukommen54. Zweck der Maßregel ist einzig der Schutz der Gesellschaft vor Menschen, von denen ganz konkret eine besondere Gefährlichkeit erwartet wird. Da es sich dabei um einen präventiven Schutz handelt, hängt die Maßregel vollständig von erfahrungswissenschaftlichen und psychiatrischen Erkenntnissen im Rahmen von Gefährlichkeitsgutachten ab. Eine wirkliche Sicherheit der Prognose gibt es allerdings nicht.55 Im Gegenteil sind »die Möglichkeiten der Gefahrenprognose [...] nach ganz überwiegender Auffassung ernüchternd.«56 Auch verfeinerte Analysemethoden vermögen keine Sicherheit darüber herzustellen, ob ein begutachteter Gefangener nach Entlassung in die Freiheit rückfällig werden wird oder nicht. Schätzungen gehen von einer Fehlprognoserate von 60 bis 70 Prozent57 aus, die als sog. »false positives« zu Unrecht als gefährlich prognostiziert wurden. Anders formuliert: Mehr als die Hälfte der auf der Grundlage von Gutachten als gefährlich Eingestuften sitzt in Sicherungsverwahrung, um einen Rückfall zu verhindern, der tatsächlich aber gar nicht eintreten würde.58  Neben den bekannten und in der Literatur ausgiebig behandelten Problemen bei der Gefährlichkeitsbegutachtung - die von niedrigen Basisraten59, unterschiedlichen Manualen und Risikofaktoren bei der Delinquenzanalyse über begriffliche Unschärfen und wertende Operationalisierungen bis hin zur Angst des Gutachters vor der falsch negativen Prognose60 reichen - bringt die Begutachtung von jugendlichen Straftätern und Verurteilten besondere Probleme mit sich.  Bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich im Rahmen der Hauptverhandlung zwar Hinweise auf eine mögliche zukünftige Gefährlichkeit ergeben, eine zuverlässige Prognose aber nicht stellen lässt. Der Vorbehalt verschiebt die Feststellung, ob der Verurteilte als gefährlich angesehen wird oder nicht auf einen späteren Zeitpunkt, der Annahme folgend, dass sich im Jugendstrafvollzug Umstände ergeben könnten, die zu einer günstigeren Prognose führen.61 Dem steht die als gesichert geltende kriminologische Erkenntnis entgegen, dass das Vollzugsverhalten derart vom normalen Alltag in Freiheit abweicht, dass diesem »keine für die Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit verwertbaren Anhaltspunkte«62 entnommen werden können. Im Falle des Jugendstrafvollzugs treffen hausgemachter Anstaltsfrust und Aggression auf jugendtypische, mitunter pubertätsbedingte Verhaltensweisen. Vorübergehende und jugendtypische Verhaltensweisen wirken sich unter dem Vorzeichen der Gefährlichkeitsbegutachtung aber negativ auf die künftige Prognose (und damit auf die Zukunft) des Gefangenen aus. Decken sich die für die Prognose künftigen kriminellen Verhaltens herangezogenen Faktoren mit solchen, die für adoleszentes Aufbegehren gegen die totale Zwangsinstitution Gefängnis typisch sind, ist die Gefahr einer Fehlprognose zuungunsten des Begutachteten bereits vorprogrammiert.63  Diese Gefahr einer Fehlprognose ist umso größer, als ein »hinreichend valides jugendspezifisches Prognoseverfahren [...] bisher nicht [existiert]. Die diesen Prognoseverfahren zugrunde liegenden Beurteilungsaspekte sind auf Grund bloßer Anpassung vorhandener Prognosemethoden mit denen identisch, die der Gefährlichkeitsprognose bei Erwachsenen zugrunde liegen.«64 Die Entwicklung der im Vollzug befindlichen Jugendlichen ist jedoch von zahlreichen Besonderheiten gegenüber dem Erwachsenenvollzug geprägt. In der Regel sind Jugendliche im Vollzug inmitten einer Phase der Identitätsfindung, die nicht einheitlich, linear und berechenbar verläuft, sondern - selbst unter Vollzugsbedingungen - von schroffen Brüchen und Umorientierungen geprägt ist65. Das gesamte Verhalten ist einerseits episodenhaft unstet, andererseits in deutlich höherem Maße als bei Erwachsenen sozialem Einfluss unterworfen und formbar. Das künftige Legalverhalten junger Menschen ist unter diesen Umständen seriös nicht prognostizierbar.  Wird ein jugendlicher Verurteilter aufgrund des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung auf seine mögliche Gefährlichkeit hin begutachtet, so muss er zudem fürchten, dass all jene nahezu unvermeidlichen jugend- und hafttypischen Konflikte in die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit einfließen und die Chancen auf eine Entlassung in Freiheit nach Haftverbüßung schmälern. Diese ständige Drohung wird den Vollzug absehbar negativ beeinflussen und eine auf die Entwicklung einer nichtdevianten Persönlichkeit zielende sozialtherapeutische Arbeit nahezu unmöglich machen.  V. Fazit Teil II  * Die Sicherungsverwahrung gegenüber Jugendlichen ist unerträglich. Sie widerspricht allen gesicherten kriminologischen und jugendpsychologischen Erkenntnissen, sie läuft dem Erziehungsgrundsatz des Jugendstrafrechts zuwider und wirkt sich verheerend auf den Jugendstrafvollzug aus. Mit der angekündigten »Umsetzung des Abstandsgebots« haben die Regelungsvorschläge nichts zu tun. Sie stellen vielmehr eine originäre Verschärfung dar, die weder empirisch begründet noch kriminalpolitisch sinnvoll ist. Gesetzesänderungen aber mit derart schwerwiegenden Folgen können nicht einfach en passant formuliert und unter falschem Rubrum beschlossen werden.  * Wenn junge Menschen auf schwerste Weise straffällig werden, haben gesellschaftliche und rechtliche Mechanismen versagt, die eben nicht nur dazu dienen, die Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern schützen, sondern auch dazu, Jugendliche davor zu bewahren, zu gefährlichen Straftätern zu werden. Die vorgeschlagene Einführung einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist nicht imstande hier Abhilfe zu leisten, sondern dient nur der Verewigung von Strafe. Die Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht gehört daher nicht reformiert, sondern abgeschafft. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
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      www.rav.deFußnoten:  1     Zwölf regionale Vereinigungen von Strafverteidiger/innen aus folgenden Bundesländern und Städten sind derzeit Mitglied im Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Köln, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen / Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz / Saarland, Sachsen / Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein. 2     Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Seit seiner Gründung im Jahr 1979 tritt der RAV für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. 3     Der Verfasser ist Mitglied des Arbeitskreises Strafvollzug der Vereinigung Berliner Strafverteidiger in Kooperation mit dem RAV, vertritt derzeit circa 50 Sicherungsverwahrte und Strafgefangene, bei denen Sicherungsverwahrung angeordnet wurde in mehreren Bundesländern, hat mehrere diesbezügliche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt (u.a. 2 BvR 2365/09 und 2 BvR 2846/09) und war als Vertreter des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Mitglied der gemeinsamen Arbeits- und Planungsgruppe zum Vollzug der Sicherungsverwahrung der Länder Berlin und Brandenburg. 4     Vgl. RefE S. 14 5     vgl. BVerfG, Urteil vom 04.05.2011, - 2 BvR 2365/09 – u.a. Rn. 129 6     Vgl. BVerfG aaO; so schon BVerfG Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -. 7     Insoweit kann auf die gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigung (Organisationsbüro) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV e.V.) zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP-Fraktion zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zur begleitenden Regelung vom 26.10. 2010 (BT-Drs. 17/3403) sowie zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Ausschuß-Drs. 17 (6) 47) verwiesen werden.  8     3satXtra - Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand; Sendung vom 08.02.2011, www.3sat.de/index.html 9     Vgl Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010. Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 im Beobachtungszeitraum gar nicht erneut straffällig geworden. 10    BVerfG Urteil vom 04.05.2011 aaO; u.a. Rn. 98f. 11    BVerfG Urteil vom 04.05.2011 aaO; u.a. Rn. 172. 12    Vgl BGH . Beschluss vom 27.09.2011 – 4 StR 362/11 -. 13    Vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2011 – 2 StR 184/11, Rz. 14. 14    BGH, Beschluss vom 20.10.2011 – 2 StR 288/11; Beschluss vom 07.07.2011 – 2 StR 184/11; Beschluss vom 11.08.2011 – 4 StR 279/11. 15    Eine erhebliche Anzahl der in etwa 50 Mandate des Verfassers betreffen gewaltanwendungsfreie Raubdelikte oder Betäubungsmitteldelikte, in einem Fall sogar das Handeltreiben mit und die unerlaubte Einfuhr von Cannabis-Produkten. 16    BVerfG a.a.O., Rdnr. 110. 17    BVerfG aaO Rn. 113. 18    OLG Naumburg, Beschluss vom 30.11.2011 – 1 WS 64/11. 19    Dazu unter B)III.2. vertieft. 20    Vgl. BVerfG, B. v. 30.04.2009 – 2 BvR 2009/08 – m.w.N. 21    Vgl. insoweit Stellungnahme des Verfassers zum Gesetzentwurf vom 22.12.2010, a.a.O. 22    Der Sachverständiege Prof. Dr. Nedopil (aaO) gibt insoweit an, das Gutachten in der Regel eine Rückfallwahrscheinlichkeit allenfalls für einen Zeitraum von circa einem Jahr prognostizieren können. 23    Zur Bedeutung der Vollzugslockerungen bereits während des Vollzuges der Strafe bei angeordneter Sicherungsverwahrung s.o. unter B)I.3. 24    Vgl. insoweit Beschluss vom 30.04.2009 – 2 BVR 2009/08 – m.w.N. 25    Vgl. insoweit Stellungnahme des Verfassers zum Gesetzentwurf vom 22.12.2010, a.a.O. 26    U.a. die Nikotinabhängigkeit. 27    Vgl. EGMR, Urteil vom 24.10.1979 Winterwerp./.Niederlande; mit Einschränkungen Urteil vom 20.02.2003 Hutchison Reid ./. Vereinigtes Königreich 28 Siehe Teil I dieser Stellungnahme sowie Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zur Stärkung der Führungsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz vom 30.06.2010 Berlin, 15.10.2010, http://www.strafverteidigertag.de/Material/Stellungnahmen/StellungnahmeDiskussionspapierSVOkt2010.pdf  29   vgl. bspw. Jörg Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses, Deutscher Bundestag, 28.05.2008, S. 2 30   Bt-Drs. 16/6562, S.1 31   vgl. Alexander Rüter: Nachträgliche Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht, Marburg 2011, S. 100 ff.; Rüdiger Sonnen: Kein Anlass, das Jugendstrafrecht zu verschärfen: Jugendkriminalität stagniert, Sensibilität für Gewalt nimmt zu, online: www.dvjj.de/artikel.php; PKS 2008, S. 227. 32   vgl. u.a. Tilmann Bartsch, Arthur Kreutzer, StV 2009, S. 53 33   vgl. Christine Graebsch, Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht, in: ZJJ 3/2008, S.286 f. 34   EGMR, 17.12.2009, M. gegen Deutschland, 19359/04 35   BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom 4.5.2011 36   BVerfG, 01.07.1998 - 2 BvR 441/90, 2 BvR 493/90, 2 BvR 618/92, 2 BvR 212/93, 2 BvL 17/94; BVerfG, 31.05.2006, 2 BvR 1673/04 37   Bt-Drs. 16/6562, S. 7 38   ebd. 39   so auch Rüter, a.a.O., S. 123 40   vgl. bspw. Laubenthal: Strafvollzug, 3. neubearbeitete Aufl., Berlin u.a. 2003, N 207; Kaiser/Kerner/Schöch: Strafvollzug, 4. neubearbeitete Aufl.. Heidelberg 1991, S. 251 ff.; Hartmut-Michael Weber: Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Für eine Durchsetzung des Verfassungsanspruchs, Baden-Baden 1999, S. 114 41   vgl. bspw. Sabine Nowara: Leben in Unfreiheit und Ungewissheit - psychologische Probleme unbefristeten Eingesperrtseins, in: H. Pollähne/ I. Rode (Hg.): Probleme unbefristeter Freiheitsentziehungen. Lebenslange Freiheitsstrafe, psychiatrische Unterbringung, Sicherungsverwahrung, Berlin 2010, S. 67 ff. 42   vgl. zur damaligen Debatte  Hans-Jörg Albrecht: Zur Reform des Jugendstrafrechts in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz, in: RdJB, 1988, S. 388 f.; H.J. Albrecht/F. Dünkel/G. Spieß: Empirische Sanktionsforschung und die Begründbarkeit von Kriminalpolitik, in: MSchrKrim 1981, S. 310 ff. 43   vgl. Bt-Drs. 11/5829, S. 12 44   Rüter, a.a.O., S. 125 45   ebd.; Bt-Drs. 11/5829, S. 12 46   vgl. Graebsch, a.a.O. 47   ebd., S 286 48   Laubenthal, a.a.O. N 209 49   vgl. bspw. Walter, ZJJ 2/2003, 162 50   Wolfgang Heinz: Kriminelle Jugendliche - gefährlich oder gefährdet?, Konstanz 2006, S. 87 51   vgl. Rüdiger Ortmann, Prisonisierung, in: G. Kaiser/H.-J. Kerner/F. Sack/H. Schellhoss: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Aufl., Heidelberg 1993, S. 402 ff.; zu den individual-psychologischen Folgen im Einzelnen: J. Kersten u.a.: Die sozialisatorische Wirkung totaler Institutionen, in: P.A. Albrecht/H. Schüler-Springorum: Jugendstrafe an vierzehn- und fünfzehnjährigen, München 1993 52   vgl. Christine Graebsch: Schriftliche Stellungnahme für die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages, 28.05.2008, S. 9; Ostendorf/Bochmann, ZRP 2007/5, S. 146 ff. 53   so auch: Lorenz Böllinger: Gefährlichkeit als iatrogene Krankheit. Die Sicherungsverwahrung befördert, wovor sie vorgibt zu schützen, in: Vorgänge, Heft 178, 2/2007, S. 73 ff.  54   Tatsächlich wirkt die Sicherungsverwahrung aber wie Strafe. Dass die vom Gesetzgeber behauptete Trennung von Strafe und Maßregel ein heuristisches Unterfangen darstellt, das weder in der Vollzugsrealität noch in der Öffentlichkeit nachvollzogen wird, haben die Strafverteidigervereinigungen bereits dargelegt. Vgl. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigzungen: Sicher ist Sicher. Policy Paper zur Sicherungsverwahrung, Berlin 2010, S. 6 ff. 55   siehe dazu ausführlich: Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, a.a.O., S. 12 ff. Über die Probleme der Gefährlichkeitsprognose auch: Wilfried Rasch, Forensische Psychiatrie, 2. Auflage, Stuttgart 1999; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Bd. K 138, Freiburg 2008; Bernd Volckart, Zur Bedeutung der Basisrate in der Kriminalprognose. Was zum Teufel ist eine Basisrate?, in: Recht & Psychiatrie, 20. Jg., Heft 2, 2002, S. 105 - 114; Dieter Seifert, Helfen uns klinische Prognosekriterien bei der Gefährlichkeitseinschätzung behandelter forensischer Patienten? Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 2/2007, S. 27 ff. 56   Tobias Mushoff: Strafe - Maßregel - Sicherungsverwahrung. Eine kritische Untersuchung über das Verhältnis von Schuld und Prävention, Frankfurt/Main 2008, S. 356 57   vgl. Rasch, a.a.O., S. 370 ff.; Annika Flaig, Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, Würzburger Schriften zur Kriminalwissenschaft, Bd. 30, Frankfurt am Main 2009, S. 159 58   vgl. Kinzig, a.a.O., S. 134 ff. 59   ebd. 60   vgl. hierzu Boettischer, NStZ 2008, 418; Kröber, NStZ 1999, 593, 599 61   vgl. hierzu Rüter, a.a.O., S. 159 62 ebd.; auch: Rasch, a.a.O., S. 375 63   vgl. Ostendorf, ZRP 5/2007, 148; auch das Bundesverfassungsgericht weist auf diese Problematik hin, indem es feststellt, dass »Tatsachen, die für Strafgefangene typische Verhaltensweisen indizieren, [...] nicht ohne weiteres  [unter die für die Feststellung einer künftigen Gefährlichkeit relevanten Tatsachen] fallen.« BVerfG, 2BvR 226/06 v. 23.8.2006 64   Rüter, a.a.O., S. 165 65   vgl. bspw. Ostendorf/Bochmann, ZRP 5/2007, 146 ff.; Schöch, NStZ 3/2000, 138 ff., zusammenfassend: Rüter, a.a.O., S. 155 ff.  Die komplette Stellungnahme finden Sie hier PDF]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-210Wed, 14 Dec 2011 07:42:00 +0100Der RAV unterstützt die gemeinsame Erklärung zum sechsjährigen Bestehen der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-rav-unterstuetzt-die-gemeinsame-erklaerung-zum-sechsjaehrigen-bestehen-der-eu-richtlinie-zur-vorratsdatenspeicherung-210Mitteilung vom 14.12.11* Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
      * Arbeitskreis Zensur
      * Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
      * Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)
      * Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler e.V. (BdWi)
      * Bürgerinitiative Umweltschutz e.V.
      * Bürgerrechte & Polizei/CILIP
      * Campact e.V.
      * contrAtom
      * Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften
      * data:recollective
      * Deutscher Freidenker-Verband
      * Deutscher Journalisten-Verband (DJV)
      * Digitale Gesellschaft e.V.
      * FoeBuD e.V.
      * Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. 
      (FIfF)
      * FREELENS e.V. (Verband der Fotojournalistinnen und Fotojournalisten)
      * German Privacy Foundation
      * Gesellschaft zur Wahrung der Grundrechte e.V. (GWG)
      * Institut für Sozialwissenschaftliche Praxis und Analyse e.V., Berlin
      * Katholische Junge Gemeinde
      * LabourNet Germany
      * Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)
      * MOGiS e.V. - Eine Stimme der Vernunft
      * naiin - no abuse in internet e.V.
      * Naturfreundejugend
      * Netzwerk Rauchen e.V.
      * Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      * Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit
      * Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V.
      * Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. - vzbv
      * Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
      * Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs e.V. (SuMa-eV) Weitere Informationen http://www.vorratsdatenspeicherung.de]]>
      news-209Mon, 05 Dec 2011 11:38:00 +0100Kundgebung am 7. Dezember um 16:30 Uhr vor dem Japanischen Generalkonsulat in Hamburg/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-am-7-dezember-um-16-30-uhr-vor-dem-japanischen-generalkonsulat-in-hamburg-209Mitteilung vom 3.12.2011 
      Seit Beginn der 1990er Jahre demonstrieren überlebende Frauen mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern vor der japanischen Botschaft in Seoul, Korea, für ihre Rechte. Am 14. Dezember 2011 wird vor der japanischen Botschaft in Seoul/Korea die 1000. Mittwochsdemonstration für die Rechte der Frauen stattfinden. 
      Im Rahmen einer internationalen Aktionswoche zwischen dem 7. und 14. Dezember 2011 werden auch in Deutschland zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, um die Kampagne der Frauen zu unterstützen und das Thema an die Öffentlichkeit bringen. (weitere Informationen unter http://trostfrauen.koreaverband.de/aktuelles).  Kundgebung am 7. Dezember 2011
       um 16:30 Uhr, vor dem Japanischen Generalkonsulat
       Rathausmarkt 5, 20095 Hamburg
      ]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet)
      news-208Thu, 01 Dec 2011 11:54:00 +0100Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Deutschland wegen Polizeigewahrsam/publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtsgerichtshof-verurteilt-deutschland-wegen-polizeigewahrsam-208Pressemitteilung vom 1.12.2011„Gerade vor dem Hintergrund der polizeilichen Praxis, Freiheitsentziehungen als Abschreckungsmethode gegen politische Proteste einzusetzen, ist diese ausdrückliche Einbeziehung der Versammlungsfreiheit sehr zu begrüßen.“ Besonders wichtig ist die Begründung dafür, wieso der Gerichtshof Deutschland wegen der Freiheitsentziehung verurteilt hat. Denn dieser zufolge steht nun nach der Sicherungsverwahrung eine weitere Form der Freiheitsentziehung in Deutschland in Frage. Wie die Sicherungsverwahrung kann der Polizeigewahrsam nach deutschen Gesetzen angeordnet werden, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass eine Person in Freiheit Straftaten begehen würde. Im nun vom Gerichtshof entschiedenen Fall des Polizeigewahrsams gründete sich die Prognose auf die angebliche Gefährlichkeit der Aufschrift „Freedom for all prisoners“. Keine der deutschen Behörden, auch die Bundesregierung in ihren Stellungnahmen nicht, würdigte richtig, was nun der Gerichtshof eindeutig festhielt: Der Slogan „Freiheit für Gefangene“ hat viele Bedeutungen und kann auf keinen Fall nur als Aufforderung zu einer Straftat gelesen werden. Der Gerichtshof hat deshalb schon allein wegen der fehlerhaften Deutung der politischen Äußerung der Beschwerdeführer die Freiheitsentziehung als konventionswidrig eingestuft. Weitere Verfahren werden zeigen, ob es überhaupt eine denkbare Konstellation gibt, in der die „sichere Prognose einer unmittelbar bevorstehenden Straftat“ einen Polizeigewahrsam nach der Konvention zulassen kann. Rechtsanwältin Anna Luczak: „Die deutschen Behörden – Polizei und Justiz – müssen nach diesem Urteil ihre Praxis der Freiheitsentziehung auf den Prüfstand stellen. Der Gerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, dass der Polizeigewahrsam der Beschwerdeführer keine der fünf in Art. 5 Abs. 1 EMRK abschließend benannten Formen zulässiger Freiheitsentziehung war. Solange keine konkret zu erwartende und zu ahndende Tat oder ein Pflichtverstoß zu benennen ist, darf das Freiheitsrecht nicht beschränkt werden.“ Sven Schwabe zeigt sich nach dem Urteil erleichtert: „Es ist schon seltsam, dass deutsche Gerichte, denen die Sache insgesamt sieben Mal zur Entscheidung vorlag, nicht eingesehen haben, was nun auf internationaler Ebene ganz klar gesagt wurde: Es gab überhaupt keinen Grund, uns fast sechs Tage ins Gefängnis zu sperren. Es gab keinen Grund, uns in der Zelle unsere Lebenszeit vergeuden zu lassen. Das Urteil aus Straßburg kann das nicht ungeschehen machen. Aber Polizei und Justiz müssen nun reagieren und dafür sorgen, dass die Polizei nicht mehr Protestierende einfach mitnehmen, einkesseln oder für Stunden oder gar Tage wegsperren darf.“ Dr. Anna Luczak
      Rechtsanwältin telefonische Erreichbarkeit:
      RAin Dr. Luczak: 030/5471 6772 oder 0163/570 0538
      Sven Schwabe: 0176/34605653 Pressemitteilung (PDF)]]>
      G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-207Tue, 29 Nov 2011 09:52:00 +0100Appell gegen Rechtsextremismus und Rassismus/publikationen/mitteilungen/mitteilung/appell-gegen-rechtsextremismus-und-rassismus-207Aufruf, 23.11.11Unterstützen auch Sie den Appell gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Der Appell kann hier online gezeichnet werden:
      http://demokratiebrauchtuns.de/blog/appell-gegen-rechtsextremismus-und-rassismus-was-jetzt-zu-tun-ist/#article]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-205Fri, 28 Oct 2011 13:27:00 +0200Widerstand und Befreiung unter dem Druck der Antiterrorpolitik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/widerstand-und-befreiung-unter-dem-druck-der-antiterrorpolitik-205Informations- und Diskussionsveranstaltung, 15.11.11 in DüsseldorfVereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. Mitveranstalter:
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (NRW)
      Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (zakk) Veranstaltungsort:
      Zakk (Studio), Fichtenstraße 40, 40233 Düsseldorf Anfahrt:
      Straßenbahn: 706 (Fichtenstr.)
      Bus: 732 (Oberbilker Markt), 736 (Pinienstr.) hält direkt vor dem zakk
      U-Bahn: U 75 (U-Bhf. Kettwiger Str.),
      U 74/U 77 (U-Bhf. Oberbilker Markt)]]>
      news-202Thu, 13 Oct 2011 18:33:00 +0200Kein Asylgefängnis auf dem Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kein-asylgefaengnis-auf-dem-willy-brandt-flughafen-in-schoenefeld-202Gemeinsame Pressemitteilung des FR Berlin, FR Brandenburg und des RAV vom 14.10.2011
      Auf dem neuen Großflughafen in Schönefeld wird ein Gefängnis für Flüchtlinge gebaut, deren Asylantrag im sogenannten Flughafenverfahren bearbeitet werden soll. Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein protestieren dagegen scharf. Für Flüchtlinge, die bei der Einreise Asyl beantragen, wird auf dem neuen Groß-Flughafen Willy-Brandt ein Gefängnis gebaut – das geht aus der Antwort der Potsdamer Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.1 Die Landesregierung rechnet mit 300 Fällen pro Jahr. Die Hafteinrichtung soll 30 Plätze haben. Selbst Kinder sowie alleinreisende minderjährige Flüchtlinge sollen hier eingesperrt werden. Betreiber der Haftanstalt wird die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs, die soziale Betreuung wird privatisiert und an die Wachschutzfirma B.O.S.S. übertragen; eine Ausschreibung ist nicht erfolgt. Politisch verantwortlich für Bau und Betrieb der Haftanstalt zeichnen Bundesregierung und die Länder Berlin und Brandenburg gleichermaßen, die auch den Flughafen gemeinsam betreiben. Fragwürdig, höchst umstritten.... Mit der massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl 1993 wurde gesetzlich festgelegt, dass Flüchtlinge, die am Flughafen Asyl beantragen, für das Asylverfahren inhaftiert werden können. Eigens für sie wurde ein extrem verkürztes Asylverfahren eingeführt: Gleich nach der Ankunft werden die Flüchtlinge verhörartig nach ihren Asylgründen befragt. Binnen zwei Tagen entscheidet das Bundesamt (BAMF) über den Asylantrag. Nur binnen weiterer drei Tage können die Asylbewerber aus der Haft heraus eine schriftlich begründete Klage gegen die Asylablehnung einreichen. Wird der Asylantrag weiterhin abgelehnt, verbleiben die Asylsuchenden - ggf. über viele Monate - bis zur Abschiebung in der Haftanstalt, bis sich ein zur Rücknahme bereiter Staat findet. Als „hastig, unfair, mangelhaft“ bezeichnet Pro Asyl das Verfahren nach Auswertung von Verfahrensakten aus Frankfurt/Main.2 Das Grundgesetz schreibt für jede Freiheitsentziehung die schnellstmögliche Überprüfung durch ein Gericht normalerweise noch am selben Tag vor, nur im Flughafengefängnis ist keine solche richterliche Haftprüfung vorgesehen. Es handle sich nämlich gar nicht um eine Inhaftierung, so die zynische Begründung des Gesetzgebers, da ein "luftseitiges Verlassen" jederzeit möglich sei. ....und umgehbar Auf den meisten deutschen Groß-Flughäfen wird auf das extrem teure und umstrittene Flughafenverfahren verzichtet, weil es nur durchgeführt werden muss, wenn es eine geeignete Unterkunft im Sinne des Paragrafen 18a Asylverfahrensgesetz gibt. Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover führen keine Flughafenverfahren durch. In Berlin-Schönefeld gab es bisher nur ein bis zwei Fälle pro Jahr. Marginal sind die Zahlen auch für Hamburg, München und Düsseldorf. Nur in Frankfurt am Main werden bis zu ca. 300 Verfahren pro Jahr durchgeführt.3 Die Prognose von 300 Fällen pro Jahr für den Flughafen BBI Willy Brandt entbehrt somit jeder Grundlage. Offensichtlich handelt es sich um ein politisches Prestigeprojekt, für das andere Motive ausschlaggebend sind. Die Inhaftierung Schutzsuchender und ihrer Kinder sowie die faktische Verweigerung von Rechtsschutz gegen Asylablehnungen halten wir für unvereinbar mit dem Grundgesetz und der UN-Kinderrechtskonvention. Das Flughafenasylverfahren muss aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Gründen abgeschafft werden.4 Wir fordern Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung auf, auf Bau und Betrieb einer Haftanstalt für Asylbewerber auf dem Flughafen Willy Brandt zu verzichten. Schutzsuchenden ist wie in Berlin-Tegel die Einreise zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens zu ermöglichen.  Pressekontakt: Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel: 0179-4735393
      Marcus Reinert, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V., Tel: 0151-50724851
      Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Tel:  030 / 62987720 1 Drs. 5/4096 v. 4.10.2011
      www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_4000/4096.pdf 2 "Hastig, unfair, mangelhaft"
      www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf 3 Zahlen vgl. BT-Drs. 16/12742
      http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/127/1612742.pdf
      4 Vgl zur Kritik: "Die Angst gehört zu meinem Alltag"
      www.proasyl.info/texte/mappe/2000/41/7.pdf
      "Das ist rechtswidrige Haft für Kinder"
      www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Ffm_Haft_fuer_Kinder.pdf
      "Warum das Flughafenverfahren abgeschafft werden sollte"
      www.caritas-frankfurt.de/77952.htmlPressemitteilung (PDF) Flüchtlingsrat Berlin e.V.
      Georgenkirchstraße 69/70
      10249 Berlin
      Tel.: 030/24344-5762, Fax: -5763
      buero@fluechtlingsrat-berlin.de
      Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
      Rudolf-Breitscheid-Straße 164
      14482 Potsdam
      Tel.: 0331/ 71 64 99'
      info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
      Haus der Demokratie und Menschenrechte
      Greifswalder Straße 4
      10405 Berlin
      kontakt@rav.de]]>
      news-201Tue, 04 Oct 2011 09:44:00 +0200Zwangsheirat und "Ehrenmord"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zwangsheirat-und-ehrenmord-201Diskussionsveranstaltung, 18.10.2011 in Essentsanwältin
      Hayriye Yerlikaya, Rechtsanwältin Dienstag, 18. Oktober 2011 um 19 Uhr
      in den Räumen von ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen
      Friedrich-Ebert-Str. 30, 45127 Essen
      Tel.: 0201-20539
      Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zur Haltestelle Berliner Platz Veranstalter: RAV, VDJ, ProAsyl Flüchtlingsrat Essen (PDF)]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-194Thu, 22 Sep 2011 10:41:00 +0200Polizeirepression gegen die Anti-Nazi-Proteste am 2. und 3. September 2011 in Dortmund/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeirepression-gegen-die-anti-nazi-proteste-am-2-und-3-september-2011-in-dortmund-194Pressemitteilung vom 22.9.2011Ebenfalls wurde es den in Gewahrsam genommenen Demonstrierenden, die nach anwaltlicher Beratung gefragt hatten, nicht ermöglicht, mit den Anwältinnen und Anwälten des Legal-Teams zu sprechen.
      Die Situation in der GeSa war offensichtlich rechtswidrig, verantwortlich hierfür ist die Polizei. Polizeiknüppel und Pfefferspray Nach Informationen und Beobachtungen des Legal-Teams und der Sanitäterinnen und Sanitäter sind Pfefferspray und Polizeiknüppel unverhältnismäßig gegen Demonstrantinnen und Demonstranten eingesetzt worden.
      Nach § 61 I Polizeigesetz NRW ist der Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray anzudrohen. Obwohl die Polizei in Dortmund die Möglichkeit zur Ankündigung und Erteilung von Platzverweisen hatte, ist dies in der Mehrzahl der Fälle nicht geschehen. Insbesondere wurde Pfefferspray gegen große Gruppen von Demonstrierenden ohne Rücksicht darauf eingesetzt, ob zuvor gegen Gesetze verstoßen wurde oder nicht. Pfefferspray wurde auch gegen Minderjährige oder gegen Personen, die sich ersichtlich von der Demonstration entfernen wollten, eingesetzt. In der Nordstadt wurde in einem Fall ein bereits am Boden liegender Demonstrant von Knüppelschlägen der Polizei getroffen. Ebenfalls in der Nordstadt wurde eine Gruppe Demonstrierender durch die Polizei von einer Seite mit einem Wasserwerfer und von der anderen Seite mit Pfefferspray angegriffen. Ein verantwortungsloser und unverhältnismäßiger Polizeieinsatz, da er durch den Angriff von zwei Seiten sowohl geeignet ist eine Panik auszulösen, als auch Personen, die sich von der Demonstration entfernen wollen, gerade daran zu hindern. Eingriff in die anwaltliche Berufsausübung Offensichtlich kann die Dortmunder Polizei mit einer kritischen Beobachtung ihres Einsatzes nicht umgehen. Mehrfach wurde es Anwältinnen und Anwälten nicht gestattet, mit Mandantinnen und Mandanten, welche von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden, zu sprechen. Dies ist sowohl in der GeSa, als auch in Polizeikesseln und im Zuge von Personenkontrollen und Durchsuchungen geschehen.
      Die Polizei hat gegenüber Anwältinnen und Anwälten Platzverweise und Betretensverbote für die Nordstadt ausgesprochen. Anwältinnen und Anwälten, die sich über diese Behinderung ihrer Berufsausübung beschweren wollten, war es nicht möglich, mit dem Einsatzleiter vor Ort zu sprechen. Durch die Polizistinnen und Polizisten wurde noch nicht einmal der Name des Einsatzleiters vor Ort genannt.
      Dass es sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern die planvolle Verhinderung von kritischer Beobachtung handelt, zeigt die Tatsache, dass Abgeordnete, die diesem Wochenende als parlamentarische Beobachter unterwegs waren, von ähnlichen Erfahrungen berichten. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt und RAV-Mitglied Daniel Werner telefonisch zur Verfügung (Tel.: 0208-8106580) Pressemitteilung PDF]]>
      Demonstrationsfreiheit (doublet)Polizeirecht (doublet)
      news-192Wed, 14 Sep 2011 18:08:00 +0200Funkzellenabfrage bei Versammlungen ist nicht zu rechtfertigen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/funkzellenabfrage-bei-versammlungen-ist-nicht-zu-rechtfertigen-192Pressemitteilung vom 14.9.2011Pressemitteilung (PDF)]]>news-191Thu, 08 Sep 2011 09:31:00 +0200Internationaler Gerichtshof (IGH) verhandelt über Entschädigungen für Opfer von NS-Verbrechen aufgrund einer Klage Deutschlands gegen die Republik Italien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationaler-gerichtshof-igh-verhandelt-ueber-entschaedigungen-fuer-opfer-von-ns-verbrechen-aufgrund-einer-klage-deutschlands-gegen-die-republik-italien-191RAV und ASF_Pressemitteilung vom 8.9.2011www.icj-cij.orgVeranstaltungen und Termine:Berlin, Freitag, den 9. September, 11 Uhr, Außenministerium Kundgebung u.a. von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, VVN/BdA u.a. vor dem Außenministerium unter dem Motto „Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen“ mit Ludwig Baumann, Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz und Ulla Jelpke, MdB (Die Linke) Montag, den 12. September, Den Haag: ab 9:00 Uhr Kundgebung vor dem IGH in Den Haag
      10:00 – 13:00 Uhr Besuch der Verhandlung mit Delegation griechischer Überlebender und deutscher UnterstützerInnen
      18:30 Uhr Podiumsdiskussion: Compensation for Massive Violations of Human Rights: Contemporary Relevance and Challenges to State Immunity
      Ort: The Hague University of Applied Sciences, Johanna Westerdijkplein 75, The Hague
      mit: Prof. em. Michael Bothe (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main), Martin Klingner (Rechtsanwalt, Vertreter der Kläger aus Distomo/Griechenland) und Dr. Axel Hagedorn (Rechtsanwalt, Vertreter der “Mothers of Srebrenica) Veranstalter: RAV, ECCHR Kontakt:
      Rechtsanwalt Martin Klingner
      Tel.: (0049) 040-4396001
      ab Sonntag in Den Haag mobil: 0049 162 1698656 Für weitere Informationen: www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/ PDF: PM incl HintergrundinformationenPDF: Fact sheet_Hintergrundinformationenzu den konkret von dem Verfahren betroffenen Gruppen von NS-Opfern]]>
      news-190Wed, 07 Sep 2011 15:59:00 +0200Compensation for Massive Violations of Human Rights: Contemporary Relevance and Challenges to State Immunity /publikationen/mitteilungen/mitteilung/compensation-for-massive-violations-of-human-rights-contemporary-relevance-and-challenges-to-state-immunity-190Podiumsdiskussion, Den Haag, 12. SeptemberReferenten: Prof. em. Michael Bothe (Frankfurt/Main) zu der Frage der Staatenimmunität vor nationalen Gerichten in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des Humanitären Völkerrechts Rechtsanwalt Martin Klingner (Hamburg) zu dem Kampf der NS-Opfer und ihrer Hinterbliebenen um Entschädigung vor nationalen und internationalen Gerichten Rechtsanwalt Dr. Axel Hagedorn (Amsterdam) zu den Klagen auf Entschädigung für massive Menschenrechtsverletzungen durch die Niederlande und die UN in Srebrenica Moderation: Andreas Schüller (ECCHR) Zeit: 12. September 2011 um 18:30 Ort: The Hague University of Applied Sciences,
      Johanna Westerdijkplein 75, The Hague Eintritt frei. Veranstaltung in englischer Sprache. Veranstalter: RAV, ECCHR (Einladung_engl PDF)]]>
      NS-Verbrechen (doublet)Globale Gerechtigkeit (doublet)
      news-189Thu, 18 Aug 2011 09:40:00 +0200Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in Schleswig Holstein/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-ueber-den-vollzug-der-untersuchungshaft-in-schleswig-holstein-189StellungnahmeI. Vorbemerkungen „Die Freiheit der Person nimmt – als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers – einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sie als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantieren statuiert. Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht, die nicht dem Schuldausgleich dienen, sind nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert.“ So hat es das Bundesverfassungsgericht in dem jüngst ergangenen Urteil vom 4. Mai 2011 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung formuliert.1 Ohne Frage sind diese grundsätzlichen Erwägungen auch auf die Ausgestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft übertragbar. Denn auch hier dient die Vollstreckung der Haft allein verfahrenssichernden Zwecken und keinem Schuldausgleich. Inhaftiert sind vor dem Gesetz unschuldige Bürger, die durch den Vollzug der Untersuchungshaft allein solchen Beschränkungen ausgesetzt werden dürfen, die zur Sicherung des anhängigen Strafverfahrens unerlässlich sind. Dies als Grundlage gesetzt, ist die Regelung in §§ 2 und 4 des Gesetzentwurfes (GE) nicht nur deklaratorisch zu verstehen, sondern Teil eines nach dem Grundgesetz gesicherten Anspruchs der Untersuchungsgefangenen. Diesem von Verfassungs wegen zu beachtenden Grundsätzen wird in weiten Teilen weder der vorliegende Gesetzesentwurf, noch in weiten Teilen der Änderungsantrag der Partei Bündnis 90/Die Grünen und erstrecht die nicht geplante faktische Umsetzung des Gesetzes gerecht. Dabei wird vonseiten des RAV grundsätzlich eine gesetzliche Regelung zum Vollzug der Untersuchungshaft begrüßt. Es ist insoweit schwer nachvollziehbar, warum es bis zum heutigen Tage angedauert hat, bis nunmehr nach entsprechender Grundgesetzänderung die Länder in eigener Kompetenz Untersuchungshaftvollzugsgesetze erlassen. Bei der Beschränkung der Freiheit als einem der schwerwiegendsten Grundrechtseingriffe bedarf es selbstverständlich auch einer gesetzlichen Regelung über die Ausgestaltung des Vollzuges. Diese gesetzliche Regelung sollte sich dann allerdings auch vorrangig am alleinigen Zweck der Untersuchungshaft und den damit einhergehenden von Verfassungs wegen zu beachtenden umfangreichen Verhältnismäßigkeitsabwägungen orientieren und nicht an den damit einhergehenden Kosten. Dabei wird von hieraus nicht verkannt, dass im Rahmen der Gesetzgebung auch immer fiskalische Erwägungen eine Rolle spielen. Diese dürfen allerdings nicht dazu führen, dass die Ausgestaltung der Untersuchungshaft dazu führt, dass Untersuchungsgefangene über die mit dem Zweck der Untersuchungshaft unvermeintlich verbundenen Beschränkungen weitergehend benachteiligt werden. In den Vorerörterungen zum Gesetzesentwurf der Landesregierung wird zum einen zwar darauf verwiesen, dass im Rahmen der Neuausgestaltung der Untersuchungshaft insgesamt elf neue Personalstellen geschaffen werden sollen. Gleichzeitig sollen allerdings zwei Justizvollzugsanstalten komplett geschlossen werden, wobei die Untersuchungsgefangenen auf die JVA Neumünster verteilt werden sollen. Insgesamt soll das Personal dabei aus einer internen Umverteilung trotz der Schaffung von elf Personalstellen erheblich eingespart werden. So besteht bis 2020 eine Einsparverpflichtung von insgesamt 141 Stellen in diesem Bereich.2 Wie ein Untersuchungshaftvollzug, der verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben sowie internationalen Verpflichtungen auch nur ansatzweise gerecht werden soll, mit diesen personellen Mitteln bei gleichzeitiger Schließung von zwei Justizvollzugsanstalten mit einem „Umverteilen“ der Untersuchungsgefangenen von dort umgesetzt werden soll, erscheint nicht nachvollziehbar. Der vorgelegte Gesetzesentwurf bietet insoweit dem Anstaltsleiter an vielen und wesentlichen Punkten, die mit der Einschränkung von Grundrechten verbunden sind, einen ganz erheblichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum. Im Rahmen der fiskalischen Erwägungen des Gesetzesentwurfes und auch der praktischen Möglichkeiten des Justizvollzuges ist insoweit zu befürchten, dass diese Ermessensentscheidungen ganz erheblich unter Berücksichtigung allein der tatsächlich bestehenden sachlichen und personellen Mittel getroffen werden.3 Insoweit ist auch dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Strafvollzug zuzustimmen, dass das Gesetz und deren geplante Umsetzung politisch nicht vertret- oder verantwortbar ist und es eine Frage der Zeit sein dürfte, bis die einzelnen Regelungen selbst oder aber deren mangelnde Umsetzung Gegenstand verfassungsgerichtlicher oder aber auch menschenrechtlicher Entscheidung werden. Im Hinblick auf diese Gesamtkritik erscheint der gesamte Gesetzentwurf überarbeitungswürdig. Ermessensspielräume der Anstalt sind im Rahmen des Möglichen zu reduzieren, um den Anpassungsgrundsatz und der Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf diese Gesamtkritik soll nur zu einzelnen – hier besonders kritikwürdig erscheinenden – Regelungen und den diesbezüglichen Änderungsanträgen Stellung genommen werden. II. Anmerkungen zu Einzelregelungen 1. § 4 GE: Stellung der Untersuchungsgefangenen / Erörtungsgebot  belastender Maßnahmen § 4 des GE entspricht insoweit dem Musterentwurf für ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz der Gruppe aus 12 Bundesländern; der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen der Regelung aus § 4 Abs. 3 des Hamburgischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes. Der Änderungsantrag ist insoweit zu begrüßen, als dass die Erläuterung von Vollzugsmaßnahmen das Verständnis und die Akzeptanz für solche bei den Untersuchungsgefangenen sicherlich eher erhöht, als deren bloßer Vollzug ohne entsprechende Erklärung.4  Die Regelung scheint allerdings im Hinblick auf die nunmehr gegebene relativ weit reichende Anordnungskompetenz des Anstaltsleiters als nicht ausreichend, um einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. So muss es dem Untersuchungsgefangenen möglich sein, effektiven Rechtsschutz nach §§ 119a, 126 StPO zu erreichen. Dafür ist es in der Regel erforderlich, eine zumindest kurze. aber schriftliche Begründung über einzelne Anordnungen des Anstaltsleiters zeitnah zu erhalten, um Möglichkeiten und Erfolgsaussichten einer Beschwerde gegen Einzelanordnungen ausreichend prüfen und etwaige Einwendungen vor Gericht in geordneter Art und Weise vorbringen zu können. Insoweit sollte der in Absatz 3 des Änderungsantrages benannte Satz um folgenden Satz 2 ergänzt werden: „Auf Antrag ist der Untersuchungsgefangene über einzelne belastende Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt spätestens binnen zwei Wochen nach Antragstellung schriftlich zu bescheiden.“ Der mit diesem Recht auf schriftliche Bescheidung einhergehende Verwaltungsaufwand der Anstaltsleitung dürfte dadurch kompensiert werden, dass ggf. auch im Einzelfall aufgrund einer nachvollziehbaren schriftlichen Erklärung einer belastenden Maßnahme gerichtliche Schritte unterlassen werden. Der derzeitige nach dem Gesetzesentwurf vorgesehene Regelfall der Beschwerde gegen eine mündliche Anordnung im Rahmen der Untersuchungshaft ist wenig zielführend, obgleich auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung auf schriftliche Bescheidung aufgrund der Eilbedürftigkeit der Anordnung und der damit einhergehenden beschränkten Rechtsschutzmöglichkeit die schriftliche Bescheidung vor einer Beschwerde nach §§ 119a, 126 StPO die Ausnahme bleiben würde. 2.    § 5 GE: Angleichungsgrundsatz In § 5 ist der Angleichungsgrundsatz entsprechend des Musterentwurfes formuliert. Dies ist ausnahmslos zu begrüßen, wenn dem auch durch die weiteren insoweit einschränkenden Regelungen des GE nach hiesiger Auffassung nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Soweit im Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen wird, zum einen der Verhütung von Suiziden eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen und zum anderen ein besonderes Augenmerk auf die Schaffung und Bewahrung eines gewaltfreien Klimas im Vollzug zu richten, so ist diesen beiden deklaratorisch formulierten Ansprüchen sicherlich nichts entgegenzusetzen. Sie entsprechen im Übrigen der Regelung in den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt. Insoweit wird begrüßt, einen derartigen Anspruch zu formulieren. Dieser macht allerdings praktisch nur dann einen Sinn, wenn auch entsprechende Möglichkeiten zur Suizidverhütung in der JVA - insbesondere eine umfangreiche auch psychologische Betreuung der Untersuchungsgefangenen - angeboten werden. Dies ist im Hinblick auf die Personalsituation auch im Land Schleswig-Holstein und die nur unzureichend geregelten Ansprüche auf psychologische Behandlung im Gesetzesentwurf allerdings äußerst fraglich. 3.    § 7 GE: Zugangsgespräch und ärztliche Erstvorstellung § 7 Abs. 2 GE sieht vor, dass andere Gefangene beim Zugangsgespräch „in der Regel“ nicht zugegen sein dürfen. Insoweit ist auf die Landesgesetze von Berlin, Brandenburg und Bremen hinzuweisen, die abweichend geregelt haben, dass andere Gefangene beim Aufnahmeverfahren generell nicht anwesend sein dürfen. Die Regelung im GE soll offensichtlich dazu dienen, dass bei unüberwindbaren sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten ausnahmsweise ein zuverlässiger Gefangener hinzugezogen werden kann.5  Allerdings darf der bei der Untersuchungshaft besonders wichtige Schutz der Privat- und Intimsphäre des gerade festgenommenen Untersuchungsgefangenen nicht Gefahr laufen, durch ökonomische Überlegungen – wie etwa die Einsparung der Kosten des Einsatzes eines professionellen Sprachmittlers – beschränkt zu werden. Insofern ist die Regelung auch deswegen nicht unbedenklich, weil durch die Hinzuziehung eines anderen Gefangenen – selbst wenn dieser als zuverlässig eingestuft wird – die Gefahr entsteht, dass hochsensible Gefangenendaten anderen Mitgefangenen bekannt werden und dies in der Stresssituation der erstmaligen Aufnahme in der Haftanstalt in seiner Tragweite den Untersuchungsgefangenen bei Abgabe einer möglichen Zustimmungserklärung nicht bewusst ist.6 Im Hinblick auf den Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ist anzumerken, dass eine „umgehende“ Vorstellungsverpflichtung beim Arzt den unbestimmten Rechtsbegriff der „alsbaldigen“ Vorstellung beim Arzt nicht unbedingt zielführend konkretisiert. Im Hinblick auf die gerade zu Beginn der Untersuchungshaft bestehende erhöhte Suizidgefahr sollte nach hiesigem Dafürhalten eine Vorstellungsmöglichkeit beim Arzt oder aber bei zumindest einem Anstaltspsychologen unverzüglich nach der Festnahme ermöglicht werden, wobei allerdings die Verteidigerkonsultation Vorrang haben sollte.7 Denn die Möglichkeit, den Verteidiger zu konsultieren, zu dem aufgrund dessen Verschwiegenheitsverpflichtung ein ggf. höheres Vertrauen entgegengebracht wird, als gegenüber der Anstaltsärztin oder dem Anstaltsarzt, dient ebenso auch einem Erkennen und der sachgerechten Behandlung von Suizidtendenzen. 4.    § 8 GE: Verlegung und Überstellung In § 8 GE ist eine Überstellung oder Verlegung in eine andere Anstalt vorgesehen. Die dabei normierte Zuständigkeit des Anstaltsleiters stößt im Hinblick auf den verfahrenssichernden Zweck der Untersuchungshaft und den damit einhergehenden Richtervorbehalt für die Frage der Anordnung derselben auf erhebliche Bedenken. Jedenfalls ist nach der Regelung dem Gericht und der Staatsanwaltschaft vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben, wobei durch einzelne verfahrenssichernde Anordnungen ggf. auch verhindert werden kann, dass eine Überstellung oder Verlegung erfolgt. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum die Regelung im GE auf eine Stellungnahmemöglichkeit auch der Verteidigung verzichtet. Nach der Schaffung der Notwendigkeit eines Pflichtverteidigers ab Beginn der Untersuchungshaft gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO wird es die absolute Regel sein, dass Untersuchungsgefangene bereits ab Beginn der Untersuchungshaft anwaltlich vertreten sind. Insofern besteht eine Benachteiligung der Untersuchungsgefangenen, wenn bei einer anstehenden Verlegung ihm und seinem Verteidiger die Gewährung rechtlichen Gehörs vorenthalten wird. Denn eine Verlegung oder Überstellung kann für die empfindlichen sozialen Besuchskontakte des Betroffenen erhebliche Bedeutung haben. Insoweit ist es auch nachvollziehbar, dass die Regelung in Berlin und Bremen eine entsprechende Stellungnahmemöglichkeit auch für die Verteidigung vorsieht. Gleiches sollte in Schleswig-Holstein normiert werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Regelung über die Ausführungen im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 2 GE, in der ebenfalls bspw. entgegen der Regelung in Berlin, eine Stellungnahmemöglichkeit für die Verteidigung bislang nicht vorgesehen ist. 5.    § 11 GE: Trennung von Strafgefangenen; Der in § 11 Abs. 1 S. 1 GE normierte Trennungsgrundsatz ist schon von Verfassungs wegen zu beachten. Problematisch sind die insoweit genannten Ausnahmen in § 11 Abs. 1 S. 2; Abs. 3 GE. So ist eine gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen mit „Zustimmung“ der einzelnen Untersuchungsgefangenen möglich. Im Hinblick auf die Planung im Land Schleswig-Holstein, zwei Justizvollzugsanstalten zu schließen und die insoweit verbleibenden Untersuchungsgefangenen auf die ohnehin schon sehr begrenzte Kapazität der bestehenden Haftanstalten umzuverteilen, ist ein dauerhafter Verstoß gegen das Trennungsgebot absehbar. Insoweit wird nicht auszuschließen sein, dass  Untersuchungsgefangene „überredet“ werden (müssen), um überhaupt eine Durchführung der Untersuchungshaft unter derart begrenzten Verhältnissen zu ermöglichen.8 Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Untersuchungsgefangene, die mit den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten in der JVA wenig vertraut sind oder aber die eine Konfrontation um ihre Rechte scheuen, aus diesen Gründen einer Zusammenlegung mit Strafgefangenen entgegen ihrem eigentlichen Willen formal zustimmen, was den Trennungsgrundsatz ad absurdum führen würde. Dabei ist die Trennung von Strafgefangenen kein formaler Akt, sondern dient der Umsetzung der Unschuldsvermutung und damit der Sicherung von grundrechtlichen und menschenrechtlichen Positionen des Gefangenen.9 Soweit eine Abweichung vom Trennungsgrundsatz auch deswegen erlaubt sein soll, wenn sie zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich ist, so sind diese Ausnahmevorbehalte zu weich formuliert. Vielmehr müsste das Gesetz darauf hinweisen, dass eine Ausnahme vom Trennungsgrundsatz auch zur Umsetzung von verfahrenssichernden Anordnungen oder aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nur dann möglich ist, wenn andere, ggf. auch wesentlich aufwendigere Möglichkeiten, die den Trennungsgrundsatz sichern, ausgeschöpft und dennoch weder zielführend, noch verhältnismäßig sind. Die weitere Ausnahmemöglichkeit einer getrennten Unterbringung bei einer zu geringen Zahl von Untersuchungsgefangenen ist im Gesetzesentwurf ferner zu unbestimmt formuliert. Bei der vorgesehenen gleichzeitigen Umsetzung von erheblichen Einsparmaßnahmen besteht insoweit die Gefahr, dass der Begriff der „geringen Zahl von Untersuchungsgefangenen“ aus fiskalischen Gesichtspunkten entgegen dem im § 11 GE und von Verfassungs wegen vorgesehenen Regel-Ausnahmeverhältnis extensiv ausgelegt wird. Demnach sollten hier konkrete Zahlenangaben oder aber stärkere Eingrenzungen der Möglichkeit, vom Trennungsgrundsatz abzuweichen, vorgenommen werden. Darüber hinaus ist dem Verfasser durchaus bewusst, dass es im Interesse einzelner Untersuchungsgefangener liegen kann, gemeinsam mit Strafgefangenen, etwa aufgrund einer Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeit, die in der Untersuchungshaft ggf. nicht vorhanden ist, zusammen untergebracht zu werden. Diesem Interesse im Ausnahmefall Rechnung tragen zu können, mag durchaus ein sinnvolles gesetzgeberisches Anliegen sein. Auf der anderen Seite besteht aufgrund der Mangelversorgung mit Arbeitsmöglichkeiten sowie der bereits aktuell erhöhten und absehbaren Überbelegung die große Gefahr, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis von § 11 GE in Verkennung des aus der Unschuldvermutung resultierenden strikten Trennungsgebotes aus fiskalischen Gründen umgedreht wird. Insoweit kann eine derartige Regelung nur dann Sinn machen, wenn durch zusätzliche – im Entwurf leider nicht vorhandene – Regelungen, die die bauliche und sachliche Ausgestaltung der Untersuchungshaftanstalten klar regeln, derartigen sachfremden Erwägungen ein Riegel vorgeschoben wird. So wäre es wünschenswert, eine maximale Belegungsfähigkeit jeder Untersuchungshaftanstalt so zu regeln, dass diese für jeden Untersuchungsgefangenen eine Einzelunterbringung gewährleistet. Ferner wäre ein Recht auf Arbeitsbeschäftigung und Ausbildungsmöglichkeit auch in der Untersuchungshaft zu schaffen, schon allein um der problematischen psychischen Situation der Untersuchungsgefangenen, aber auch dem Angleichungsgrundsatz gerecht zu werden. Bestehen solche Regelungen nicht, ist davon auszugehen, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis von § 11 GE in der Praxis ausgehöhlt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt u. a. durch Beschluss vom 10. Januar 2009 klargestellt: „Es ist Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen“.10 Dass diesen klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die praktische Umsetzung der durch § 11 GE eröffneten weiten Spielräume, die in der Begründung des GE ausdrücklich schon eingeplant sind, widersprochen werden wird, ist nach hiesiger Auffassung evident. 6.    § 13 GE: Unterbringung zur Ruhezeit Gleiches wie zu § 11 GE gilt im Übrigen für § 13 Abs. 1 S. 2 GE, der ebenfalls eine gemeinsame Unterbringung während der Ruhezeit mit „Zustimmung“ des Untersuchungsgefangenen erlaubt. Dabei wird von hieraus nicht verkannt, dass es durchaus Untersuchungsgefangene gibt, die eine gemeinsame Unterbringung wünschen, um dadurch mit der psychischen Ausnahmesituation der Inhaftierung besser umgehen zu können. Eine derartige Regelung bürgt allerdings die erhebliche Gefahr, dass eine „Zustimmung“ von Gefangenen durch die Anstalt abverlangt wird, um chronische Mangelzustände durch eine Mehrfachbelegung auszugleichen.11 Durch die gleichzeitig geplanten Sparmaßnahmen liegt eine Gefahr des Missbrauchs der Zustimmungsregelung auf der Hand. Insofern ist der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich zu begrüßen; er geht jedoch nicht weit genug. Denn ohne eine konkrete Bestimmung der Ausgestaltung, der Anzahl und der Größe der Hafträume werden eine Mangelverwaltung und damit eine Möglichkeit auch der Unterbringung aus Gründen der Hilfsbedürftigkeit in zweckfremder Absicht durchaus weiterhin bestehen bleiben. Insofern ist mitnichten nachzuvollziehen, dass im Rahmen eines nunmehr anstehenden Gesetzesprojektes keine Mindestanforderungen für die Ausgestaltung von Hafträumen für Untersuchungsgefangene vorgenommen werden. Dies überzeugt vor allen Dingen deshalb nicht, weil für nahezu alle anderen wesentlichen Bereiche der Lebensführung gesetzliche Vorgaben vorhanden sind. So ist etwa die Ausgestaltung und Größe von Arbeitsplätzen und Arbeitsräumen geregelt. Selbst für die Haltung von Tieren sind klare Mindestvorgaben gesetzlich bis ins Detail formuliert. Warum in der Untersuchungshaft, einem Bereich der bei unschuldigen Inhaftierten erhebliche Grundrechtseingriffe hervorruft, eine solche Regelung im Jahr 2011 im Rahmen einer modernen Gesetzgebung keine Berücksichtigung findet, ist nicht nachvollziehbar.12 Durch eine solche Regelung sollte eine Mindesthaftraumgröße von neun Quadratmetern, abgetrennte sanitäre Anlagen, Mindesthygienestandards, eine Mindestfenstergröße, die eine Aussicht ermöglichen muss, und eine ausreichende Entlüftung sichergestellt werden. Dass ohne solche menschenrechtlichen Mindeststandards eine zweckwidrige ggf. gemeinsame Unterbringung in unzureichenden und auch im Ergebnis unhygienischen Hafträumen weiterhin an der Tagesordnung sein wird, nimmt der Gesetzesentwurf insoweit offensichtlich in Kauf. 7.    § 17 GE: Eigene Kleidung Das in § 17 GE vorgesehene Recht, eigene Kleidung tragen zu dürfen, sollte im Hinblick auf die geltende Unschuldsvermutung sowie im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz eine Selbstverständlichkeit sein, auch wenn dies mit erhöhtem Kontrollaufwand für die Vollzugsanstalt einhergeht. Der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ist insoweit auch zu begrüßen, da die Reinigungskosten, die von der Anstalt auferlegt werden dürfen, die im privaten Rahmen entstehenden Kosten nicht überschreiten sollten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass solchen Untersuchungsgefangenen, die entweder keine Kontakte außerhalb der Anstalt haben oder aber nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um eine Reinigung der Kleidung sicherzustellen, diese kostenfrei ermöglicht werden muss. So wäre eine mögliche Umgehensweise damit, dass sämtlichen Inhaftierten, die weder über Eigengeld, noch über eine Arbeitstätigkeit in der JVA verfügen, die kostenfreie Reinigung der Kleidung – auch aus hygienischen Gründen – ermöglicht werden sollte. 8.    § 18 GE: Einkauf Die in § 18 Abs. 2 bis 4 GE vorgesehene Möglichkeit eines unbegrenzten Einkaufs ist zu begrüßen. Auch außerhalb der Haftanstalt wird es dabei Unterschiede zwischen finanziell besser gestellten und weniger gut gestellten Inhaftierten geben, weshalb es dem Angleichungsgrundsatz entspricht, eine Begrenzung – etwa aus Gleichstellungsgesichtspunkten der Gefangenen – nicht vorzunehmen. Einem Ausufern der Regelung ist durch die Begrenzung der Belange der Sicherheit und Ordnung in § 19 GE Rechnung getragen. 9.    § 20 Abs. 2 GE: Aufenthalt im Freien Die Möglichkeit, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten, wie  es § 20 Abs. 2 GE vorschreibt, wird von hieraus als nicht weit reichend genug angesehen. Damit werden lediglich menschenrechtliche Mindestanforderungen erfüllt. Der Aufenthalt im Freien und die damit einhergehenden Bewegungsmöglichkeiten für die Untersuchungsgefangenen sind auch ein wichtiger Bestandteil eines effektiven Gesundheitsschutzes. Sie wirken im Übrigen auch wegen der damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Gefangenen – soweit diesen verfahrenssichernde Anordnungen nicht entgegenstehen – der psychischen Ausnahmesituation entgegen. Insofern wird von hieraus vorgeschlagen, die Mindestaufenthaltszeit im Freien, die ermöglicht werden soll, auf zwei Stunden pro Tag festzusetzen. 10.   § 22 Abs. 6 GE: Externe Arztkonsultation Die in § 22 Abs. 6 GE vorgesehene Möglichkeit einer externen Arztkonsultation ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie entspricht den Vorgaben der Empfehlungen des Europarates zu den Mindeststandards der Inhaftierung, wonach allerdings nicht allein der ärztliche Rat, sondern damit auch die Untersuchung, Diagnose und letztlich auch die Einleitung und Durchführung einer Behandlung umfasst sein muss.13 Warum dies im Gesetzesentwurf nicht den europäischen Vorgaben entsprechend formuliert wurde, erschließt sich dem Verfasser nicht. Jedenfalls wäre eine solche Formulierung wünschenswert gewesen. Dann würde nämlich auch die grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur wechselseitigen Entbindung von der Schweigepflicht entfallen können, da diese regelmäßig dazu dienen soll, die weitere ärztliche Behandlung in der JVA zu ermöglichen, was bei einer ggf. privat finanzierten Behandlung durch einen externen Arzt nicht zwingend notwendig ist. 14 11.   § 24 GE: Arbeit und Ausbildung Die Ermöglichung einer Arbeitsbeschäftigung nach § 24 Abs. 2 und 3 GE  – wobei die Arbeit nach § 24 Abs. 1 GE nicht verpflichtend sein darf – ist zu begrüßen. Allerdings beinhaltet die Formulierung, dass ein Arbeitsplatz oder eine sonstige Beschäftigung „nach Möglichkeit“ angeboten werden soll, keinen subjektiven Anspruch auf Zuweisung einer Arbeitstelle, was allerdings die Ermöglichung einer Arbeit für alle Untersuchungsgefangenen vielmehr als Wunschvorstellung, denn als realistische Planung erscheinen lässt. Insofern wäre es sinnvoll, auch hier eine Regel-Ausnahmeregelung zu finden, die die Anstalt grundsätzlich verpflichtet, eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung anzubieten und nur in gesetzlich zu regelnden Ausnahmefällen eine Versagung des Anspruchs zulässt. Ansonsten ist die Regelung nicht mehr als eine unspezifische Absichtserklärung. 12.   § 25 GE: Arbeitsentgelt und Taschengeld Die in § 25 GE getroffene Regelung zur Bemessung des Arbeitsentgeltes und des Taschengeldes ist dringend änderungsbedürftig. Insofern wird der diesbezügliche Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hiesigerseits unterstützt. Richtig ist zwar, dass die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (die allerdings vor Erlass der Untersuchungshaftvollzugsgesetze entstanden ist) eine Gleichbehandlung von Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen, was die Arbeitsvergütung betrifft, nicht vorsieht. Das heißt aber nicht, dass Untersuchungsgefangene für ihre Arbeit geringer entlohnt werden müssen, als Strafgefangene. Bei Strafgefangenen gebietet der Grundsatz der Resozialisierung, dass jede Arbeit angemessen vergütet werden muss, um auch eine Wertschätzung der Arbeitstätigkeit durch die Anstalt zu demonstrieren. Dieser Grundsatz der Resozialisierung gilt zugegebenermaßen im Untersuchungshaftvollzug nicht. Auf der anderen Seite gilt nach der Vorgabe des Gesetzesentwurfes der Angleichungsgrundsatz. Insofern ist nicht nachvollziehbar, warum Untersuchungsgefangene, deren tatsächliche Verhältnisse denen außerhalb der Anstalt weitestgehend angeglichen werden sollen, noch weniger verdienen sollen, als Strafgefangene. Die dort vorgesehene Vergütung in Höhe von neun Prozent der Bezugsgröße, die an sich schon menschenrechtlich bedenklich ist, sollte zumindest nicht unterschritten werden. Allein fiskalische Erwägungen dafür anzuführen, widerspricht dem Grundsatz, dass der Staat die Mittel aufzubringen hat, um dem verfassungsrechtlichen, aber auch dem einfach gesetzlichen Anspruch der Untersuchungshaft gerecht zu werden. Insofern widerspricht die Regelung aus § 25 GE den Zielen aus §§ 2, 4, 5 GE. Hinsichtlich einer darlehensweisen Gewährung von Taschengeld gem. § 25 Abs. 7 GE ist anzumerken, dass eine solche Regelung nach hiesigem Dafürhalten wenig praktischen Sinn macht. Die Untersuchungsgefangenen, die auf das minimale Taschengeld angewiesen sind, sind regelmäßig auch nicht in der Lage, dieses nach einer ohnehin wirtschaftlich problematischen Entlassung aus der Untersuchungshaft entweder in die Freiheit oder in die Strafhaft zurückzuzahlen. Insofern sollte auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die nur darlehensweise Gewährung des Taschengeldes verzichtet werden. Zudem dürfte der Verwaltungsaufwand, der mit der Rückeinforderung der Darlehen verbunden ist, finanziell schwerer wiegen, als die tatsächlich möglichen Rückzahlungen. Insofern ist auch in diesem Punkt der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen zu unterstützen. 13.   § 26 GE: Sport- und Freizeitangebote Zur Ausgestaltung von Freizeit- und Sportangeboten ist anzumerken, dass diese bislang nur sehr begrenzt in den Untersuchungshaftanstalten vorhanden sind. Im Hinblick auf die psychische Ausnahmesituation der Inhaftierung und dem Fakt des ungewissen Ausgangs eines bestehenden Strafverfahrens, kommt solchen Möglichkeiten eine erhebliche Bedeutung – auch zur Vermeidung von Suizidgefahren im Vollzug – zu. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn die Regelung in § 26 S. 2 GE einen subjektiven Anspruch und nicht allein eine Absichtserklärung begründen würde. So sollte formuliert werden, dass Sportmöglichkeiten und Gemeinschaftsveranstaltungen angeboten werden müssen. Der Umfang und die Einzelheiten werden dann sicherlich auch von den Gegebenheiten der einzelnen Vollzugsanstalten und den Bedürfnissen der Untersuchungsgefangenen abhängig sein. 14.   § 33 GE: Besuch Das Recht auf Besuch ist für Untersuchungshaftgefangene sicherlich eines der praktisch wichtigsten Anwendungsgebiete des Gesetzesentwurfes. Die Regelung in § 33 GE geht insoweit nach hiesigem Dafürhalten nur unzureichend auf die Bedeutung der Unschuldsvermutung und die Ziele und Zwecke der Untersuchungshaft ein. Wenn die Untersuchungshaft allein dazu dient, einen verfahrenssichernden Zweck zu erfüllen, ist unverständlich, warum nicht weitergehende Besuchsmöglichkeiten gewährt werden sollen. Dies mag an dem damit einhergehenden organisatorischen und personellen Aufwand und damit an den dafür entstehenden Kosten liegen. Auf der anderen Seite kann eine in den Grundsätzen des Gesetzesentwurfes entsprechende und verfassungsrechtlichen Anforderungen folgende Inhaftierung in der Untersuchungshaft keine allein auf solchen fiskalischen Erwägungen beruhende Beschränkungen, begründen. Insofern wäre es nach hiesigem Dafürhalten sinnvoll, bei dem Recht auf Besuch deutlich zu differenzieren, ob Flucht-, Verdunkelungs- und/oder Wiederholungsgefahr angenommen worden ist. Im Falle einer alleinigen Fluchtgefahr ist nicht nachvollziehbar, warum die Besuchszeit auf zwei Stunden im Monat beschränkt sein soll. Gleiches gilt für die Überwachung der Besuche. Insofern wäre es durchaus sinnvoll und angemessen, eine Möglichkeit des auch unüberwachten familienfreundlichen Langzeitbesuches in der Untersuchungshaft zu schaffen, wenn dies verfahrenssichernden Anordnungen nicht entgegensteht. Es ist nicht zu rechtfertigen, warum diese Möglichkeit in einigen Justizvollzugsanstalten für Strafgefangene praktiziert wird, jedoch für Untersuchungsgefangene, für die die Unschuldsvermutung und der Angleichungsgrundsatz streiten, bislang nicht umgesetzt wird und auch im Gesetzesentwurf nicht vorgesehen ist. Gleiches gilt für die Durchführung von Telefongesprächen, auf die viele Untersuchungsgefangene zur Aufrechterhaltung von familiären und freundschaftlichen Kontakten, aber auch zur Verteidigerkonsultation, dringend angewiesen sind. Insofern ist auch hier ein subjektiv durchsetzbarer Anspruch des Gefangenen zu schaffen, wenn der Durchführung von Telefongesprächen keine verfahrenssichernden Zwecke entgegenstehen. In jedem Fall sollte die Möglichkeit geschaffen werden, unüberwachte Telefongespräche vom Verteidiger in der Untersuchungshaft empfangen zu können. Der damit einhergehende Überwachungsaufwand, der in der Regel nur sicherstellen muss, dass der Anrufer auch tatsächlich der eingetragene Verteidiger des Untersuchungsgefangenen ist, ist sicherlich überschaubarer, als der, der ohnehin beim Besuch eines Verteidigers anzustrengen wäre. Insofern wäre es dem Untersuchungsgefangenen und seinem Verteidiger oder seiner Verteidigerin auch gut möglich, kurzfristige Anliegen zu klären und insoweit auch zu einer Beruhigung und Perspektivfassung des Untersuchungsgefangenen zeitnah beitragen können. In jedem Fall muss die telefonische Verständigung mit dem Verteidiger auch unüberwacht gewährleistet werden, wenn Zwangs- oder Disziplinarmaßnahmen durch die Anstalt angeordnet werden, denn dann ist ein unverzügliches Handeln auch der Verteidigung im Regelfall erforderlich.15 15.   §§ 42ff. GE: Sicherheit und Ordnung Hinsichtlich der Vorschriften über die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (§ 42 ff GE) soll auf den diesbezüglichen Diskussionsstand im Rahmen des Strafvollzugsgesetzes, mit dem diese Regelungen weitestgehend identisch sind, verwiesen werden. Allerdings bestehen im Rahmen der Untersuchungshaft aufgrund der wesentlich grundrechtsintensiveren Regelung über besondere Sicherungsmaßnahmen und Disziplinarmaßnahmen erhebliche Bedenken, ob die Anordnung dieser Maßnahmen außerhalb des Richtervorbehaltes dem Anstaltsleiter übertragen werden kann. Außerhalb einer Eilkompetenz der Anstaltsleitung sollte insoweit hierfür der Richtervorbehalt Anwendung finden.16 Die in § 44 Abs. 2 GE geregelte Möglichkeit einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung muss auf absolute Ausnahmefälle begrenzt werden. Eine allgemeine Anordnungskompetenz der Anstaltsleitung oder von Bediensteten bei Gefahr im Verzuge erscheint verfassungsrechtlich äußerst problematisch. Insofern darf eine solche Durchsuchung ohnehin nur dann vorgenommen werden, wenn ein begründeter Verdacht nicht anders ausgeräumt werden kann und andere Durchsuchungs- oder Ermittlungsmaßnahmen keinen Erfolg versprechen.17 Insofern ist die eingrenzende Regelung im Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen zu unterstützen. Besonderen Bedenken begegnet auch die in § 44 Abs. 4 GE – abweichend vom Musterentwurf – geregelte Sichtkontrolle von insbesondere Verteidigungsunterlagen der Untersuchungsgefangenen. Es ist mehr als lebensfremd, dass bei einer auf verbotene Gegenstände gerichteten Sichtkontrolle vom Inhalt der Schreiben keine Kenntnis genommen wird. Dies kann der Untersuchungsgefangene vor allen Dingen nicht überprüfen, da diese Durchsuchung auch in seiner Abwesenheit vorgenommen werden darf. Die im Gesetzesentwurf benannte Möglichkeit des Untersuchungsgefangenen, diese Unterlagen in seiner Habe unterzubringen und damit vor einer Durchsuchung zu schützen, ist ferner lebensfremd, da er diese im Regelfall für die Vorbereitung seiner Verteidigung benötigen wird. Insofern muss eine Sichtkontrolle der Verteidigungsunterlagen in jedem Fall unterbleiben. Sollte ein Durchsuchen auf verbotene Gegenstände erforderlich sein, so ist dies in Anwesenheit des Untersuchungsgefangenen und mittels eines Röntgengerätes – wie auch bei dem Zugang von Verteidigern zu Haftanstalten - durchzuführen. Entsprechende technische Mittel existieren und sind vorzuhalten. III. Fazit Soweit sind hier die wesentlichen Kritikpunkte im Allgemeinen und an einzelnen Regelungen exemplarisch dargestellt worden. Diese Stellungnahme hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll zur Diskussion im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beitragen. Ohne eine notwendige sachliche und personelle Ausstattung des Justizvollzuges und ohne klare Regelungen zu einer Mindestausstattung wird sich ein Gesetz auf Grundlage des Entwurfes im Regelfall an fiskalischen Erwägungen und nicht an verfassungsrechtlichen und von Gesetzes wegen vorzunehmenden Ausgestaltungserfordernissen der Untersuchungshaft orientieren. Insofern gilt es, entsprechende Mindestanforderungen gesetzlich zu formulieren, praktisch umzusetzen und zu weit gehende Ermessenspielräume soweit wie möglich zu schließen. Scharmer, Rechtsanwalt
      für den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) 1 2 BvR 2365/09 u.a., dort Rn. 98 2 Vgl. Stellungnahme Präsident des Landesrechnungshofs vom 03.05.2011, S. 2 3 So auch die Stellungnahme des Personalrates der JVA Flensburg vom 02.05.2011; vgl. Stellungnahme der Gewerkschaft Strafvollzug vom 06.05.2011 sowie der Stellungnahme der Gewerkschaft Strafvollzug des Landesverbandes Schleswig Holstein vom 06.05.2011 (im Übrigen kritikwürdig). 4 Rubbert in König, Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 4 Rn 26. 5 So jedenfalls die Begründung des Musterentwurfs UVollzG, S. 12 6 so Rubbert in Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 7 Rn 12 7 so auch Stellungnahme der Strafverteidigervereinigung Schleswig Holstein vom 10.05.2011 8 So auch die Stellungnahme des Personalrates der JVA Flensburg vom 02.05.2011. 9 Harrendorf in König, Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 11 Rn 4 10 2 BvR 2029/07 11 So auch ausdrücklich die Stellungnahme des Personalrates der JVA Flensburg. 12 So auch bereits Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum gemeinsamen Musterentwurf der Länder, Juni 2009, S. 14. 13 Harrendorf in Anwaltskommentar Untersuchungshaft, § 22 Rn 13 14 Harrendorf a.a.O. 15 So in etwa im Rahmen der Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus oder gem. § 64 StGB in § 29a Abs. 3 S. 3 PsychKG Berlin vorgesehen. 16 So auch Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer, Juni 2009, zum gemeinsamen Musterentwurf der Länder, S. 22 17 Rubbert/Scharmer in Anwaltkommentar Untersuchungshaft, § 44 Rn 10]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-187Tue, 05 Jul 2011 11:45:00 +0200Fritz Bauer – Tod auf Raten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fritz-bauer-tod-auf-raten-187Filmvorführung, 17.7.11 in DüsseldorfAnschließendes Gesprächmit der Regisseurin Ilona Ziok
      Moderation: Rechtsanwalt Tim Engels Sonntag, 17. Juli 2011, 19:00 Uhr (ca. 90 Min.)
      Black-Box, Kino des Filmmuseums Düsseldorf, Schulstraße 4, 40213 Düsseldorf Eintritt: 6,50 € (erm. 4,50 €) Lokale Filmpartner: Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), Regionalgruppe Düsseldorf
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), NRW
      Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN), Kreisvereinigung Düsseldorf
      Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW Das Düsseldorfer Filmmuseum (Black Box Kino) zeigt den Film im Rahmen der Filmreihe „ueber Mut“. Das vierte bundesweite Filmfestival der Aktion Mensch startete am 4. November in Berlin und wird dann ein Jahr lang mit zehn Dokumentar- und Spielfimen durch 100 deutsche Städte touren.]]>
      news-186Fri, 10 Jun 2011 11:00:00 +0200Online-Petition gegen den Einsatz von Pfefferspray/publikationen/mitteilungen/mitteilung/online-petition-gegen-den-einsatz-von-pfefferspray-186RAV unterstützt die Göttinger Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz"<https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=17847>

      Die Göttinger Initiative fordert, den Einsatz von Pfefferspray seitens der Bundespolizei gegen Versammlungen, Menschenmengen und Einzelpersonen mit Ausnahme von Notwehr zu verbieten. Außerdem soll mittels eines Bundesgesetzes sowie im Rahmen der Innenministerkonferenz dieselbe Einschränkung für die Länderpolizeien erwirkt werden.

      Weitere Informationen können den fogenden links entnommen werden: Schwerpunktseite der Göttinger Initiative zum Thema:
      <http://www.buerger-beobachten-polizei.de/thema-repression/pfefferspray>

      Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags: "Pfefferspray - Wirkung und gesundheitliche Gefahren" vom 10. November 2010
      <http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/pfefferspray.pdf>

      Untersuchung der MdB Karin Binder: "Der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten durch Polizeikräfte" vom 16. März 2011
      <http://www.karin-binder.de/fileadmin/mdb-seiten/mdb-binder/2010-pdf-dok/Gutachten_-_Einsatz_von_Pfefferspray.pdf>

      Verurteilung eines Polizisten wegen "Körperverletzung im Amt". TAZ vom 31.03.2011
      <http://www.taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-stuttgart-21/artikel/1/zahltag-fuer-rambo-polizisten>

      Chili statt ausgestreckter Hand
      Erst seit der Jahrtausendwende als polizeiliches Zwangsmittel im Einsatz, spritzt die Polizei immer häufiger mit reizenden Substanzen. (…) "Und in den letzten Jahren gebe es "eine Dynamik hin zum Pfefferspray", hat Linken-Pfefferspray-Experte Schering beobachtet.“Statt Deeskalation, was ja mühsam und aufwändig ist, wird Pfefferspray gespritzt - wie Insektenspray". TAZ vom 04.05.2011
      <http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/chili-anstatt-ausgestreckte-hand>]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-185Tue, 24 May 2011 07:00:00 +0200Bürgerrechtler warnen: Antiterrorkampf darf nicht zur Totalüberwachung führen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechtler-warnen-antiterrorkampf-darf-nicht-zur-totalueberwachung-fuehren-185Gemeinsame Pressemitteilung der Herausgeber des Grundrechtereports 2011, Berlin/Karlsruhe, 23. Mai 2011Grundrechtereport 2011 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland, Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, M. Kutscha, R. Gössner, U. Engelfried und P. Hase. Fischer Taschenbuchverlag, Juni 2011.
      250 Seiten; 9,99 €
      ISBN 978-3-596-19171-0 Für Rückfragen oder Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Frau Martina Kant unter der Nummer (030) 204 502 56 oder
      Frau Marei Pelzer, presse@proasyl.de bzw. Mobilnummer 0163 - 2 30 30 92.]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-184Thu, 19 May 2011 13:14:00 +0200Generalverdacht im Gefahrengebiet/publikationen/mitteilungen/mitteilung/generalverdacht-im-gefahrengebiet-184Diskussionsveranstaltung, Hamburg 30.5.2011
      ----- Wir wollen politische und juristische Strategien gegen den Ausnahmezustand diskutieren, um den präventiven Sicherheitsstaat im Schanzenviertel, auf St. Pauli und in St. Georg genauso wie in den anderen Stadtteilen Hamburgs kollektiv zurückzuweisen. Diskussionsveranstaltung zu Gefahrengebieten von RAV, Rote Hilfe, Rote Flora und Recht auf Stadt-Initiativen.
      Mit den RechtsanwältInnen Britta Eder, Cornelia Ganten-Lange, Carsten Gericke, Marc Meyer sowie Andreas Blechschmidt, Bela Rogalla und vielen Anderen. Montag, den 30. Mai 2011 19.30 hcentro sociale, Sternstr. 2, 20357 Hamburg Der Eintritt ist frei Flyer (PDF)]]>
      Polizeirecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-183Wed, 11 May 2011 17:06:00 +0200Datenschützer, Journalisten, Telefonseelsorge und Juristen fordern besseren Schutz vor Missbrauch von Telefondaten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/datenschuetzer-journalisten-telefonseelsorge-und-juristen-fordern-besseren-schutz-vor-missbrauch-von-telefondaten-183Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung 11.05.2011
      Unter Verweis auf die missbräuchliche Offenlegung der Verbindungen von Aufsichtsräten und Journalisten bei der Deutschen Telekom, den Verkauf von Millionen von Privatanschriften und Privatnummern an kriminelle Kreise bei T-Mobile und verbreiteten Werbemüll heißt es in der Stellungnahme: "Noch nie waren Deutsche so vielen Datenpannen und Missbrauchsfällen ausgesetzt wie in den letzten Monaten und Jahren." Sechs von sieben Menschen glaubten nicht, dass sie ihre Daten Telefonanbietern noch ohne Sorge vor Missbrauch anvertrauen könnten. Dies habe fatale Folgen für die Bereitschaft der Bürger, Journalisten Informationen zukommen zu lassen oder vertrauliche Beratung etwa der Telefonseelsorge in Anspruch zu nehmen. Zur Stärkung der Privatsphäre und des Nutzervertrauens sei es dringend erforderlich, durchzusetzen, dass Telekommunikationsdienste so wenige persönliche Nutzerdaten wie möglich sammelten und Nutzer über den Umgang mit ihren Daten wirklich frei entscheiden könnten. Zu den Unterstützern der Stellungnahme gehören der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, die bdfj Bundesvereinigung der Fachjournalisten, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz DVD, der DPV Deutsche Presse Verband, die Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür, das netzwerk recherche, der NRV Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Im Einzelnen fordern die Verbände, das vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung bestehende Recht, die Löschung von Verbindungsdaten mit Gesprächsende zu verlangen, wieder einzuführen. Eine anlasslose Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten zur "Störungserkennung" müsse verboten werden. Die Identität des Nutzers einer Telefonnummer oder Internetadresse dürfe zudem künftig nur noch mit richterlichem Beschluss, nur zur Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Abwehr schwerer Gefahren und nicht für Geheimdienste offengelegt werden. Der anonyme Verkauf von Prepaid- Handykarten müsse wieder erlaubt werden. "Nicht erst seit dem Telekom-Skandal und dem millionenfachen Datenverlust bei T-Mobile wissen wir, dass nur nicht gespeicherte Daten sichere Daten sind", erklärt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Der Gesetzentwurf der Bundesregierung lässt leider nicht nur die gebotenen Konsequenzen aus den genannten Fällen von Datenmissbrauch und Datenklau vermissen. Er soll künftig sogar die Außerlandesschaffung sensibelster Daten über die Telekommunikation in Deutschland legalisieren, was neue Vertraulichkeitsrisiken schaffen würde. Außerdem sollen Telekommunikationsunternehmen künftig jeden 'Anhaltspunkt' für rechtswidriges Verhalten am Telefon oder im Internet in 'Missbrauchs-Verdachtsregister' aufnehmen müssen, was mit der wichtigsten Aufgabe der Unternehmen, das Fernmeldegeheimnis zu garantieren, unvereinbar wäre."

      Nachweise:
      [1] Tagesordnung des Bundestags:
      http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/108.html

      [2] Die gemeinsame Stellungnahme der Verbände im Internet: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/Stellungnahme_TKG-Novelle.pdf

      Diese Pressemitteilung im Internet:
      http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/452/79/lang,de/

      Über uns: Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, die sich in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen die ausufernde Überwachung im Allgemeinen und gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation und anderer Verhaltensdaten im Besonderen einsetzen. http://www.vorratsdatenspeicherung.de]]>
      Überwachung
      news-182Thu, 05 May 2011 16:46:00 +0200Osama bin Laden und die beschämende Freude über seinen gewaltsamen Tod/publikationen/mitteilungen/mitteilung/osama-bin-laden-und-die-beschaemende-freude-ueber-seinen-gewaltsamen-tod-182Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung vom 3.5.11Dies tun wir hiermit und ergänzen, dass der RAV diese Erklärung inhaltlich begrüßt und ausdrücklich unterstützt. "Ob sich Osama bin Laden wirklich gewaltsam einer beabsichtigten Festnahme widersetzte oder ob er nicht Opfer einer gezielten extralegalen Tötung wurde, bleibt zu klären. So oder so – die Neue Richtervereinigung verurteilt auf jeden Fall die beschämende, ausdrücklich und öffentlich ausgesprochene Freude über seinen gewaltsamen Tod seitens der Bundeskanzlerin, des Bundespräsidenten und des Bundesinnenministers. Osama bin Laden war einer der gewalttätigsten Verbrecher nach den Weltkriegen. Die Erklärung eines schmutzigen Krieges durch Terrororganisationen vermag es aber nicht zu legitimieren, auf derselben Ebene zu agieren. Wie jeder Verbrecher hätte er vor Gericht gestellt werden müssen. Dies ist ein Eckstein der Zivilisation. Bin Laden in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung für seine Taten zu ziehen, hätte daher eine große Stunde für die Rechtsstaatlichkeit werden können. Sollten die USA sich für den barbarischen Weg einer gezielten extralegalen Tötung entschieden haben, wäre dies eine große Niederlage für die Zivilisation. Die international zu ächtende Todesstrafe hätte im Rahmen der Werteordnung des Grundgesetzes gegen ihn weder verhängt, noch vollstreckt werden dürfen. Selbst in den USA hat einer Hinrichtung ein Strafverfahren voraus zu gehen, das mit einem Todesurteil endet. Sollte bin Laden aber schlicht exekutiert worden sein, wäre dies ein extralegaler und  barbarischer Akt, der als solcher von deutschen Politikern benannt und verurteilt werden müsste. Wer stattdessen, wie Frau Merkel, Herr Wulff oder Herr Friedrich als oberste/r Staatsrepräsentant/in bedenkenlos seine Freude über den Tod Bin Ladens ausspricht, handelt nicht nur unethisch, sondern verrät zugleich die Grundprinzipien des modernen Rechtsstaats, für den sie / er zu allererst stehen sollte. "Der gewaltsame Tod eines Menschen ist immer ein Unglück. Statt den Tod eines Menschen ohne jegliche Skrupel zu begrüßen und damit die Barbarei auch bei uns einkehren zu lassen, sollten sich unsere Politiker daran erinnern, dass sich eine Zivilisation gerade dadurch auszeichnet, wie sie mit ihren Gegnern umgeht. Hier zeigt sich einmal mehr, dass der respektvolle Umgang mit dem Rechtsstaat in Zeiten des Anti-Terror-Krieges noch nicht einmal mehr ein Lippenbekenntnis ist", kommentiert Martin Wenning-Morgenthaler, Sprecher der Neuen Richtervereinigung." (Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung PDF)]]>news-181Tue, 26 Apr 2011 11:01:00 +0200Polizeigewalt außer Kontrolle? Unabhängige Untersuchungsinstanzen als Mittel gegen Polizeiübergriffe/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeigewalt-ausser-kontrolle-unabhaengige-untersuchungsinstanzen-als-mittel-gegen-polizeiuebergriffe-181Veranstaltung, 16.5.2011, BerlinProgramm
      Rechtsanwältin Christina Clemm, Rechtsanwalt Ulrich v. Klinggräff (RAV): Erfahrungen mit der Praxis in Strafverfahren gegen Polizeibeamte Filmbeitrag über Polizeigewalt im Zusammenhang mit einer Demonstration Martin Herrnkind (Diplom-Kriminologe und Polizist): Defizite interner Kontrolle von Polizeiarbeit Prof. Dr. Norbert Pütter (Redakteur der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP): Kontrolle polizeilicher Gewalt durch unabhängige Einrichtungen

      Termin
      16. Mai 2011 ab 19 Uhr

      Ort
      Humboldt-Universität zu Berlin
      Unter den Linden 6, Raum 2002 (Hauptgebäude) Veranstalter:
      Humanistische Union vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
      Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
      Komitee für Grundrechte und Demokratie
      Bürgerrechte & Polizei/CILIP
      Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt (KOP Berlin)
      arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin)
      Neue Richtervereinigung (NRV)
      JungdemokratInnen/Junge Linke Berlin
      Internationale Liga für Menschenrechte. Mit freundlicher Unterstützung der Holtfort-Stiftung. Flyer]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-180Fri, 22 Apr 2011 18:35:00 +0200Wider das Schweigen – der Kampf gegen die Straflosigkeit von Völkerrechtsverbrechen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wider-das-schweigen-der-kampf-gegen-die-straflosigkeit-von-voelkerrechtsverbrechen-180Diskussionsveranstaltung, Hamburg 12.5.2011Es nehmen teil: Einführung: Dieter Magsam (Rechtsanwalt, RAV)

      Argentinien als Modell für transnationale Strafverfolgung von Menschenrechtsverbrechen?: Wolfgang Kaleck (Rechtsanwalt, Generalsekretär des ECCHR und Sprecher der Koalition gegen Straflosigkeit)

      Aufarbeitung des Völkermords in Guatemala. Das Beispiel Rio Negro: Annette Fingscheidt (Sozialanthropologin, pbi) Moderation: Nassim Madjidian (haj) Veranstalter: Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ) in Zusammenarbeit mit dem Republikanischer Anwältinnen– und Anwälteverein (RAV) und peace brigades international (pbi) Termin: Donnerstag, 12. Mai 2011 um 18.30 Uhr
      Ort: Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude) ESA C, 20146 Hamburg Der Eintritt ist frei (PDF)]]>
      Globale Gerechtigkeit (doublet)Völkerstrafrecht (doublet)
      news-179Thu, 31 Mar 2011 11:31:00 +0200Strafverfahren gegen Strafverteidiger: RAV sieht Freiheit der Advokatur in Gefahr/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-strafverteidiger-rav-sieht-freiheit-der-advokatur-in-gefahr-179Pressemitteilung vom 31.3.2011Morgen wird in Augsburg das Urteil gegen Rechtsanwalt und Strafverteidiger Stephan Lucas gesprochen: ein Jahr neun Monate Gefängnis auf Bewährung und drei Jahre Berufsverbot wegen Strafvereitelung – so hat es jedenfalls die Staatsanwaltschaft gefordert.

      Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hat das Verfahren aus Sorge um die Freiheit der Advokatur beobachtet. Sollte das Urteil gemäß der Staatsanwaltschaft ausfallen, sähe sich der RAV in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Die Richter, Herren des Strafrechts, sollen einen Rechtsanwalt mit eben diesem Mittel disziplinieren, nicht im Namen des Volkes, sondern im Namen der Subordination“, so Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des RAV. „Das Signal an alle Strafverteidiger: Wer engagiert verteidigt, wird am Ende selbst bestraft.“

      Wie kann ein Strafverteidiger, der seinen Beruf ernst nimmt, überhaupt eine Strafvereitelung begehen? Seine Aufgabe ist es, Verfahrens- und Beschuldigtenrechte durchzusetzen. Im philosophischen Sinne betreibt er so immer „Strafvereitelung“.

      Was hat Rechtsanwalt Lucas getan? Er hatte 2009 vor dem Landgericht Augsburg einen Mandanten gegen den Vorwurf verteidigt, in 26 Fällen mit insgesamt ca. 130 kg Rauschgift gehandelt zu haben. Lucas rügte später in der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem ein „unfaires“ Verfahren. Vorsitzender und Berichterstatter in Augsburg hatten ihm einen Deal angeboten, eine Strafe von unter 5 Jahren im Fall eines Geständnisses. Sein Mandant lehnte ab. Er wollte kein falsches Geständnis ablegen. Am Ende erreichte Lucas, dass sein Mandant nur wegen sieben Fällen mit ca. 25 kg  verurteilt wurde. Die Richter verhängten dafür 8 Jahre und 6 Monate. Dass das nicht fair erscheint, liegt auf der Hand.

      Gegenüber dem BGH gaben die Richter an, sie hätten zwar Lucas zu einem Gespräch getroffen, Zahlen aber seien dabei nicht genannt worden. Lucas widersprach dieser Darstellung ausdrücklich. Der BGH verwirft dann normalerweise die Rüge des unfairen Verfahrens, weil sie unbewiesen geblieben sei. In diesem Fall „übersah“ der BGH den Widerspruch und schlussfolgerte, Lucas habe ihn mit der Rüge bewusst belogen.

      Dies war das Startsignal für die Augsburger Staatsanwaltschaft, Lucas wegen Strafvereitelung anzuklagen, ausgerechnet bei den Richtern des Vorprozesses, die selbst gar nicht auf die Idee kamen, sie könnten befangen sein.

      Jetzt sollen Richter einer anderen Kammer des Landgerichts Rechtsanwalt Lucas antragsgemäß verurteilen, obwohl nicht nur die damalige Sitzungsstaatsanwältin bezeugte, dass sie selbst zum Beispiel damals sehr wohl über konkrete Zahlen gesprochen habe. Es fand sich in allerletzter Minute auch noch ein handschriftlicher Vermerk auf dem Sitzungsprotokoll der Staatsanwaltschaft vom dritten Verhandlungstag: evtl. 4 Jahre 10 Monate.

      Spätestens damit, möchte man meinen, hat der Angeklagte seine Unschuld bewiesen. „Offensichtlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, dass sich nicht der Verteidiger einer Strafvereitelung schuldig gemacht hat, sondern die Staatsanwaltschaft bis zum bitteren Ende Verfolgung eines Unschuldigen betreibt“, resümiert Martin Heiming. „Gehen die Richter diesen Weg mit, müssen sie sich dem Verdacht der Rechtsbeugung ausgesetzt sehen.“

      Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Martin Heiming zur Verfügung, 0172 3577357

      Berlin, 31.3.2011

      Pressemitteilung (PDF)

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      Strafprozessrecht (doublet)Freie Advokatur (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
      news-177Sun, 20 Mar 2011 17:00:00 +0100Reden vor Gericht - Der Strafverteidiger Heinrich Hannover liest aus seinen Plädoyers/publikationen/mitteilungen/mitteilung/reden-vor-gericht-der-strafverteidiger-heinrich-hannover-liest-aus-seinen-plaedoyers-177Lesung mit Heinrich Hannover, 20.3.2011 in HamburgTermin
      Sonntag 20.03.2011 um 17 Uhr Ort
      Centro Sociale, Stermstr. 2, 20357 Hamburg Veranstalter
      OG Hamburg der Roten Hilfe e.V.
      In Kooperation mit dem RAV und den Freundinnen und Freunden des Centro Sociale e.V. Eine Veranstaltung anlässlich des Tages für die Freiheit der politischen Gefangenen am 18. März. Reden vor Gericht (PDF)  ]]>
      Freie Advokatur (doublet)Strafprozessrecht (doublet)Politische Justiz (doublet)
      news-178Fri, 11 Mar 2011 14:20:00 +0100Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins zum Thema "rechtswidrige Polizeigewalt"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-republikanischen-anwaeltinnen-und-anwaeltevereins-zum-thema-rechtswidrige-polizeigewalt-178Stellungnahme
      2. Polizeigewalt ist ein strukturelles Problem. Die Polizei ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen berechtigt, Gewalt in Form unmittelbaren Zwangs einzusetzen. Dass es hierbei zu Grenzüberschreitungen kommen kann, ist aus strukturellen und psychologischen Gründen polizeilicher Alltag. Wird diese Problematik negiert und der Polizei stets und schon präventiv eine weiße Weste bescheinigt, entsteht ein Klima, das Grenzüberschreitungen befördert. Insbesondere bei den geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei, die zur Aufstandsbekämpfung ausgebildet werden, sind solche Grenzüberschreitungen auch Einsatzmittel und in gewissem Maße politisch erwünscht. Insgesamt entsteht so eine Polizeikultur, in der die einmal gelernten rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen von intern geltenden Normen überlagert werden, die missbräuchliche Gewaltanwendung gestatten.

      3. Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols muss kontrolliert werden. Der Polizei wurde durch die Übertragung des Gewaltmonopols und ihrer Stellung in der Exekutive eine machtvolle Position übertragen. Die Ausfüllung dieser Position bedarf im demokratischen Rechtsstaat einer strengen und wirksamen Kontrolle. Findet diese nicht statt, werden die Betroffenen gegenüber einem Missbrauch des Gewaltmonopols rechtlos gestellt. Sie stehen einem Apparat gegenüber, der mit umfangreichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet und in der Lage ist, die Ahndung solcher Übergriffe zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

      4. Eine strafrechtliche Verfolgung von Polizeigewalt findet kaum statt. Polizeiliche Übergriffe werden nicht nur selten angezeigt. Sie werden auch selten angeklagt - in 95 bis 98 Prozent der Fälle stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. In den Fällen, die das Gericht erreichen, gibt es eine erheblich erhöhte Freispruchquote. Die Gründe hierfür sind vielfältig: schlampig geführte Ermittlungen durch die Polizei, Falschaussagen bzw. eine "Mauer des Schweigens" bei den KollegInnen der Beschuldigten, eine oftmals schwierige Beweislage sowie gesteigerte Anforderungen an diese bei Vorwürfen gegen PolizistInnen, das Zurückschrecken vor einem erhöhten Ermittlungsaufwand, das institutionelle Näheverhältnis von Polizei und Justiz sowie die bei letzterer bestehende Überzeugung, PolizistInnen würden grundsätzlich rechtmäßig handeln.

      5. Erste Voraussetzung für eine Veränderung ist die Anerkennung des Problems. Rechtswidrige Gewaltanwendung durch PolizistInnen wird nur abnehmen, wenn sie als strukturelles Problem anerkannt und thematisiert wird. Solange Polizei, Politik und Justiz das Problem als Ausnahmeerscheinung einzelner "schwarzer Schafe" behandeln und sich die rechtlichen Maßstäbe bei der Beurteilung angezeigter Fälle nicht ändern, wird sich weder die entsprechende polizeiliche Subkultur ändern, noch ein stärkeres Problembewusstsein in der Justiz bilden. Letztlich ist eine erhebliche Verringerung polizeilicher Übergriffe nur durch einen Wandel des polizeilichen Selbstverständnisses, von Einsatzformen und Polizeikultur zu erreichen.

      6. Wirksame Kontrolle kann nur durch eine unabhängige Instanz erfolgen. Sie erfordert einen polizeikritischen Blick, eine institutionelle Unabhängigkeit von Polizei und Innenverwaltung sowie eine hinreichende Ausstattung mit Befugnissen und Ressourcen. Sie muss für alle Formen des Missbrauchs des staatlichen Gewaltmonopols zuständig sein, aber ihre Arbeit auch darauf beschränken. Eine solche unabhängige Polizeikommission muss von dem Landesparlament eingerichtet und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Mitglieder der Kommission müssen eigene Ermittlungen anstellen, Akten einsehen und Empfehlungen an die Staatsanwaltschaft aber auch die Innenverwaltung für disziplinarische Reaktionen aussprechen können. Den Betroffenen von Polizeigewalt muss ein Einsichtsrecht in die Akten der Kommission zustehen. 7. Eine Kennzeichnungspflicht muss sofort und überall eingeführt werden. Es muss selbstverständlich werden, dass PolizeibeamtInnen den BürgerInnen offen und individualisierbar gegenübertreten. Viele Verfahren wegen Körperverletzung im Amt scheitern oft an der fehlenden Identifizierbarkeit der BeamtInnen und an fehlenden Nicht-PolizeizeugInnen. Eine allgemeine Kennzeichnung kann aber nicht nur zu einer besseren Aufklärung polizeilicher Übergriffe führen, sondern auch erhebliche präventive Wirkung entfalten. (Stellungnahme als pdf)  ]]>
      Bürger- und Menschenrechte (doublet)
      news-165Thu, 10 Feb 2011 08:42:00 +0100Freispruch für Pinar Selek/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freispruch-fuer-pinar-selek-165Pressemitteilung vom 9.2.2011Freispruch für Pinar Selek (PDF)]]>Menschenrechte/Türkei (doublet)news-164Fri, 04 Feb 2011 15:06:00 +0100Internationale Delegation beobachtet den Prozess gegen Pinar Selek/publikationen/mitteilungen/mitteilung/internationale-delegation-beobachtet-den-prozess-gegen-pinar-selek-164Pressemitteilung vom 7.2.2011
      Der RAV ist besorgt um die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und beobachtet den Prozess Am 9. Februar 2011 wird vor dem „Gericht für schwere Straftaten“ in Istanbul nach 2 erfolgten Freisprüchen erneut gegen die türkische Schriftstellerin und Soziologin Pinar Selek verhandelt werden. Pinar Selek ist durch Veröffentlichungen insbesondere für die Rechte sozial benachteiligter Gruppen (Straßenkinder, Transsexuelle, Prostituierte) und Minderheiten (Kurden, Armenier) international bekannt geworden. Sie lebt derzeit in Berlin, wo sie als Stipendiatin des deutschen P.E.N.-Zentrums an ihrem ersten Roman arbeitet. Der Prozess wird von 20 Institutionen und Einrichtungen beobachtet, darunter das P.E.N. Zentrum Deutschland, Human Rights Watch (HRW), die Féderation Internationale des Ligues des Droits de l’Homme (FIDH), Abgeordnete der Linken, der SPD und der Grünen und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV). Zur Vorgeschichte: Am 9.7.1998 kam es auf dem Istanbuler Gewürzbasar zu einer Explosion, die mehrere Menschenleben forderte. Nachfolgende Untersuchungen am Tatort ergaben, dass es sich um eine Gasexplosion, also um einen Unfall, gehandelt hat. Unabhängig von diesem Ereignis wurde Pinar Selek am 11.7.1998 verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Sie hatte zuvor als Soziologin Recherchen und Interviews zur Analyse des Konfliktes des türkischen Staates mit der kurdischen Minderheit geführt. Aufgrund dieser Recherchen warfen ihr türkische Sicherheitsbehörden Kontakte zur PKK vor. Nach ihrer Inhaftierung versuchten diese, sie unter Anwendung von Folter zur Nennung der Namen ihrer Interviewpartner zu zwingen. Weiterhin wurde behauptet, man habe in einem von ihr mitbetreuten sozialen Projektraum für Straßenkinder Bomben gefunden. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass das dort angeblich aufgefundene explosive Material bereits vor dem Fund in den Händen der Polizei gewesen ist. Pinar Selek wurde wenige Wochen später wegen ihrer vermeintlichen Verbindung zur der PKK und dem angeblichen Bombenfund angeklagt. Parallel hierzu tauchte im August 1998 ein weiterer Vorwurf auf. Unter Folter hatte Abdülmecit Öztürk vor der Polizei angegeben, dass die Explosion auf dem Gewürzbasar auf eine Bombe zurückzuführen sei, die er gemeinsam mit Pinar Selek dort abgelegt habe. Bei späteren Vernehmungen durch Staatsanwaltschaft und Gericht widerrief er seine polizeiliche Aussage unter Hinweis darauf, dass diese unter Folter zustande gekommen sei, und er Pinar Selek nicht kenne. Dennoch wurde eine zweite Anklage gegen Pinar Selek mit dem Vorwurf erhoben, gemeinsam mit Abdülmecit Öztürk eine Bombe auf dem Gewürzbasar gelegt zu haben. Nachdem sich in dem anschließenden Gerichtsverfahren durch Anhörung von Sachverständigen herausgestellt hatte, dass die Explosion nicht durch eine Bombe ausgelöst worden sein kann, wurde Pinar Selek im Dezember 2000 aus der Untersuchungshaft entlassen. Das weitere Gerichtsverfahren ging außerordentlich schleppend voran. Dies lag unter anderem daran, dass noch gegen viele weitere Angeklagte in demselben Prozess verhandelt wurde. Darüber hinaus hat das Gericht teilweise Verhandlungspausen von 3 Monaten gemacht. Auch führten Aktenanforderungen anderer staatlicher Stellen zu erheblichen Verzögerungen, so dass letztendlich erst am 8.6.2006 das Urteil gesprochen wurde. Pinar Selek und Abdülmecit Öztürk wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Während der Freispruch gegen den Hauptbelastungszeugen und Mitbeschuldigten Öztürk rechtskräftig wurde, legte die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch von Pinar Selek Revision ein. Diese Revision führte im April 2007 aufgrund von Formfehlern zur Aufhebung des Urteils durch den 9. Strafsenat des Kassationsgerichts. Am 23.5.2008 wurde erneut gegen Pinar Selek vor dem 12. Hohen Strafgericht verhandelt. Auch diese Verhandlung endete am gleichen Tag mit einem Freispruch. Die hiergegen einlegte Revision der Staatsanwaltschaft führte im April 2009 erneut zur Aufhebung des Urteils durch den 9. Strafsenat des Kassationsgerichtes. Gegen diese Aufhebung legte nun allerdings der Generalstaatsanwalt am Kassationsgerichtshof Beschwerde ein mit dem Ziel, den Freispruch hinsichtlich der Explosion auf dem Gewürzbasar zu bestätigen. Die Beschwerde führte dazu, dass sich der Große Senat am Kassationsgerichtshof mit der Sache befassen musste. Dieser bestätigte am 9.2.2010 die Entscheidung des 9. Strafsenats des Kassationsgerichts und wies das Verfahren an das 12. Gericht für schwere Straftaten in Istanbul zur erneuten Verhandlung zurück. Im September 2010 erfolgte die schriftliche Begründung der Entscheidung. Sie enthielt konkrete und einseitige Vorgaben zur Beweiswürdigung und stützte sich dabei auf die unter Folter zustande gekommene Aussage des freigesprochenen Zeugen Öztürk. Auch hinsichtlich des Strafmaßes machte der Große Senat deutlich, dass er eine lebenslange Freiheitsstrafe unter erschwerten Haftbedingungen erwarte. Prozessauftakt am 09.02.2011 Der RAV hat das Verfahren bislang sowohl über die regelmäßige Presseberichterstattung als auch über die Berichte von unseren türkischen Kolleginnen und Kollegen verfolgt. Mit anderen Menschenrechtsorganisationen teilen wir die Besorgnis, dass das Verfahren insbesondere nach der letzten Entscheidung des Großen Senats den Anforderungen an ein faires Verfahren i. S. von Art. 6 EMRK nicht genügen wird:
        1. Der Kassationsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 eine belastende Zeugenaussage verwertet, die unter Folter erlangt und vor Gericht widerrufen worden ist. Dieser Hauptbelastungszeuge wurde  bezüglichen des gleichen Vorwurfs bereits im Jahr 2006 freigesprochen. 2. Darüber hinaus hat das Kassationsgericht seiner Entscheidung ein Gutachten hinsichtlich der Ursache der Explosion auf dem Gewürzbasar zu Grunde gelegt, dass im Widerspruch zu einer Vielzahl weiterer Sachverständigengutachten steht, ohne sich auch nur mit den handgreiflichen Widersprüchen auseinanderzusetzen. 3. Überlange Verfahrensdauer: Das Verfahren gegen Frau Selek wird nunmehr seit über 12 ½ Jahren geführt. Obgleich schwerste Vorwürfe erhoben werden, sie 2 ½ Jahre in Untersuchungshaft verbringen musste und bereits durch die Vorwürfe stigmatisiert ist, kann von einer zügigen Bearbeitung des Verfahrens nicht die Rede sein. Darin liegt offenkundig ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Wir fordern den unverzüglichen Freispruch von Pinar Selek sowie eine angemessene Entschädigung für die 2 ½ jährige Untersuchungshaft und die dort erlittene Folter.Pressemitteilung: Prozessbeobachtung des Strafverfahrens gegen die türkische Soziologin Pinar Selek (PDF)]]>
        Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Politische Justiz (doublet)
        news-163Thu, 20 Jan 2011 09:27:00 +0100Podiumsgespräch mit Gabriel Bach, Ankläger im Adolf Eichmann-Prozess/publikationen/mitteilungen/mitteilung/podiumsgespraech-mit-gabriel-bach-anklaeger-im-adolf-eichmann-prozess-163Podiumsgespräch, Hamburg 30.1.2011Gabriel Bach, Ankläger im Eichmann-Prozess und langjähriger Richter am Obersten Gericht Israels
        Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees
        Dieter Magsam, Rechtsanwalt, RAV
        Dr. Detlef Garbe, Direktor KZ-Gedenkstätte Neuengamme
        Moderation: Helga Obens, Auschwitz-Komitee Es werden Filmausschnitte aus der Dokumentation von Frank Gutermuth und Wolfgang Schoen (D 2010) gezeigt: „Gabriel Bach. Der Ankläger und der Eichmann-Prozess“ Gabriel Bach, geb. am 13. März 1927 in Halberstadt, lebte bis 1938 in Berlin. Er flüchtete zwei Wochen vor dem Novemberpogrom nach Amsterdam und emigrierte von dort aus 1940 zusammen mit seiner Familie weiter nach Palästina. Nach dem Krieg studierte er Jura in London und wurde 1961 in Israel zum Staatsanwalt ernannt. Der 8 monatige Prozess gegen Adolf Eichmann, SS-Obersturmbannführer im Reichssicherheitshauptamt, begann im gleichen Jahr in Jerusalem und Herr Bach nahm als stellvertretender Ankläger hieran teil. 1969 wurde er Generalstaatsanwalt und war anschließend bis 1997 Oberrichter am höchsten Gericht Israels. Veranstaltungsort:
        Polittbüro
        Steindamm 45
        20099 Hamburg Der Veranstaltungsort ist eingeschränkt barrierefrei. Bei Bedarf wird in Deutsche Gebärdensprache gedolmetscht. Der Eintritt ist frei. Veranstalter:
        Auschwitz-Komitee in der BRD e.V. www.auschwitz.info/d/committee/history.de.html
        Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) www.rav.de Mit Unterstützung von:
        Holtfort-Stiftung
        Stiftung EVZ-Erinnerung, Verantwortung und Zukunft
        KZ Neuengamme
        ver.di Hamburg, FB 10 (TeilnehmerInnen von Bildungsfahrten nach Oswiecim in die Gedenkstätte KZ Auschwitz)

        Pressekontakt:
        Helga Obens, mobil: 0175 9 374 446  AuschwitzKomitee@t-online.deEinladung (PDF)]]>
        NS-Verbrechen (doublet)
        news-162Tue, 07 Dec 2010 16:27:00 +0100Kundgebung vor der Iranischen Botschaft in Berlin am 9. Dezember 2010, 12.00 Uhr/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kundgebung-vor-der-iranischen-botschaft-in-berlin-am-9-dezember-2010-12-00-uhr-162Mitteilung vom 7.12.2010 Kundgebung vor der Iranischen Botschaft in Berlin
        9. Dezember 2010, 12.00 Uhr
        Podbielskiallee 67
        Berlin-Dahlem Am Vortag des internationalen Tages der Menschenrechte werden Protestkundgebungen zu gleicher Zeit in Rom, Brüssel, Madrid, La Hague und Paris stattfinden. Seit den Protesten gegen die Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad im Juni 2009 hat sich die Situation von Menschen, die ihr in der iranischen Verfassung festgeschriebenes Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrnehmen, dramatisch zugespitzt. Von dieser Entwicklung sind auch Anwält_innen zunehmend systematisch betroffen, wodurch sich die Situation aller, die staatlicher Gewalt und Repression ausgesetzt sind oder waren, besorgniserregend verschlechtert hat. In einigen Fällen sind mittlerweile die Anwält_innen der Anwält_innen in Haft (z. B. Mohammad Olyaeifard, Nasrin Sotoudeh). Bereits im Vorfeld der Wahlen waren unzählige Menschenrechtsorganisationen und anwaltliche Zusammenschlüsse verboten worden (u. a. das CHRD (Center for Human Rights Defenders) im Dezember 2008 und die ADPR (Association for the Defence of Prisoners' Rights) im August 2009) und Mitglieder von NGOs (u. a. CHRR (Committee for Human Rights Reportes) oder HRAI (Human Rights Activists in Iran)) verhaftet oder unter Druck gesetzt worden. Seit der Wahl werden Anwält_innen, die Mitglieder dieser oder anderer NGOs waren und sind, Oppositionelle vertreten oder sich in der Öffentlichkeit kritisch zur Menschenrechtssituation im eigenen Land äußern, systematische verfolgt. Gehäuft haben sich Haus- und Kanzleidurchsuchungen ohne Vorliegen von Durchsuchungsbefehlen, Vorladungen oder Haftbefehlen; dabei werden regelmäßig u. a. Akten, Computer und Mobiltelefone beschlagnahmt (z. B. Abdolfattah Soltani am 16.6.2009 oder Nasrin Sotoudeh am 28.8.2010). Drohanrufe und vorübergehende Inhaftierungen der Angehörigen sind die Regel, ebenso wie nicht gerechtfertigte steuerliche Überprüfungen, bei denen die Konten der Anwält_innen gesperrt und andere finanzielle Mittel eingefroren werden (u. a. Nasrin Sotoudeh). Bei einer Verhaftung ist mit dem „Verschwindenlassen“ der Anwält_innen zu rechnen, weil sie ohne Haftbefehl direkt an ihrem Arbeitsplatz (z. B. Mohammad Dadkhah (CHRD) und seine Kollegen im Juli 2009) oder zu Hause (Emadeddin Baghi (ADPR) im Dezember 2009) festgenommen werden und ihr Haftort über Wochen geheim gehalten wird. Über Monate befinden sie sich häufig ohne Anklage in Haft (Shiva Nazar Ahari (CHRR) Dezember 2009-Mai 2010). Zunehmend wird – auch den mit Haftbefehl – Inhaftierten jeglicher Kontakt mit Familienangehörigen und der Zugang zu ihren Anwält_innen verwehrt (z. B. Nasrin Sotoudeh). Die Anwält_innen befinden sich in Einzelhaft, werden gefoltert und erleiden massive gesundheitliche Schäden (z. B. Emadeddin Baghi (ADPR), Mohammad Olyaeifard (ADPR)). Seither haben unzählige AnwältInnen und Journalist_innen den Iran verlassen (u.a. Shirin Ebadi im Juni 2009, Mohammad Mostafai im Juli 2010) und/oder sind mit einem Ausreiseverbot belegt (z. B. Nasrin Sotoudeh im Dezember 2008, Abdolreza Tajik (CHRD) im Februar 2009, Narges Mohammadi (CHRD) im Mai 2010). Die Verfolgung der Anwältin Nasrin Sotoudeh, die viele bekannte Menschenrechtsverteidiger_innen und politische Aktivist_innen (u. a. auch Shirin Ebadi und M. Olyaeifard), aber auch minderjährige Inhaftierte in Todeszellen vertritt, ist exemplarisch. Sie hat sich öffentlich zu rechtsstaatlichen Mängeln und Unzulänglichkeiten der Justizverwaltung bei den Verfahren ihrer Mandant_innen geäußert. Nach einer willkürlichen Hausdurchsuchung am 28. August 2010 wurde sie am 4. September 2010 verhaftet. Ende September trat Nasrin Sotoudeh in einen 4-wöchigen Hungerstreik; erstmaligen Kontakt zu ihrer Familie wurde ihr nach 2-monatiger Haft am 3. November gewährt. Sotoudehs Anwältin, Nasim Ghanavi legte ihr Mandat nach massivem Druck der Behörden und der Androhung einer Festnahme nieder. Gegen ihren jetzigen Anwalt, Abdolfattah Soltani, Anwaltskollege von Shirin Ebadi und Mitbegründer des CHRD, der bereits im Juni 2009 festgenommen und im August 2009 gegen Kaution freigelassen worden war, sind weitere Verfahren anhängig, die zu seiner Inhaftierung und seinem Ausschluss aus der Anwaltskammer führen könnten. In einem Gespräch mit dem Vorstand des iranischen Anwaltsvereins kündigte der Chef der iranischen Justiz, Sadegh Laridschani, am 13.11.2010 an, dass Anwält_innen, die Berufsverbote erhalten hätten, auch nach einem Freispruch keine Berufserlaubnis zurückbekommen werden. Zudem wurde angeordnet, dass Anwält_innen ihre Lizenz ab sofort jährlich verlängern müssen. Am 15. November 2010 musste Nasrin Sotoudeh sich vor Gericht wegen "Handlungen gegen die nationale Sicherheit", "Versammlung und Konspiration mit dem Ziel, die Sicherheit des Landes zu gefährden" und der Zusammenarbeit mit dem iranischen Menschenrechtszentrum "Centre for Human Rights Defenders" (CHRD) verantworten. Weder ihr Ehemann noch andere Angehörige von Nasrin Sotoudeh oder der Vorsitzende der Teheraner Anwaltskammer durften bei Gericht anwesend sein. Ein Prozesstag am 24. November wurde wegen starker Luftverschmutzung in Teheran abgesagt. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte am 23. November 2010 die Freilassung der iranischen Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh. Sie bezeichnete den Fall von Nasrin Sotoudeh als Teil einer viel größeren Kampagne des scharfen Vorgehens gegen Menschenrechtsverteidiger_innen. Emadeddin Baghi, Vorsitzende der inzwischen verbotenen ADPR (Association for the Defence of Prisoners' Rights), verbüßt momentan eine 7-jährigen Haftstrafe wegen eines Fernsehinterviews, das er 2008 mit dem Großayatollah Montazeri führte. Auf seiner Website gibt Emadeddin Baghi an, dass er in den vergangenen 30 Jahren 85 Mal vor Gericht oder zum Verhör vorgeladen wurde: Einmal verurteilte man ihn zu einer Geldstrafe, 13 Bücher durfte er nicht veröffentlichen, fünf Jahre lang verbot man ihm, sich öffentlich zu engagieren und insgesamt verurteilte man ihn zu 18 ½ Jahren Gefängnis, von denen er bereits 4 ½ Jahre in Haft verbrachte. Baghis gesundheitlicher Zustand ist seitdem hochgradig instabil. Unsere Kolleginnen und Kollegen im Iran brauchen unsere Unterstützung. Protestieren Sie gegen die Menschenrechtsverletzungen im Iran am 9. 12. vor der Iranischen Botschaft in Berlin. Die Kolleginnen und Kollegen sind gebeten, in Roben zu erscheinen.   Ansprechpartnerin
        Berenice Böhlo, Rechtsanwältin in Berlin, Mitglied im Vorstand des RAV
        Tel. 030.692 877 20 (Aufruf zur Kundgebung, pdf)(EDA-Pressemitteilung. Day of the endangered lawyer, 9.12., pdf)]]>
        Freie Advokatur (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
        news-161Sun, 14 Nov 2010 21:50:00 +0100RAV fordert Konsequenzen aus systematischen Rechtsbrüchen zur Durchsetzung des Castortransports/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-fordert-konsequenzen-aus-systematischen-rechtsbruechen-zur-durchsetzung-des-castortransports-161Pressemitteilung vom 15.11.10Unverhältnismäßiger Einsatz von Zwangsmitteln In seit langem nicht erlebtem Ausmaß setzten Polizeibeamte großflächig, ohne Vorwarnung und in unverhältnismäßiger Art und Weise Zwangsmittel wie Reizgas und Schlagstöcke ein. Mitglieder des "Legal-Teams", des Komitees für Grundrechte und Demokratie und Bundestagsabgeordnete beobachteten, wie friedlichen Demonstrant/innen aus weniger als 50cm Entfernung Reizgas direkt in die Augen gesprüht wurde. Ganze Waldabschnitte wurden mit CS-Gas vernebelt, so dass sämtliche dort Anwesende unterschiedslos betroffen waren. Polizeibeamte - darunter in mindestens einem Fall sogar ein Polizeisanitäter - wurden dabei beobachtet, wie sie ohne Vorwarnung und sichtbaren Grund auf Demonstrant/innen einprügelten. Durch diese Vorgehensweise wurden insgesamt mehr als 1000 Menschen verletzt. Über 30 Demonstrant/innen erlitten zum Teil schwere Kopfverletzungen. Schwerste Verletzungen nach CS-Gaseinsatz Am Dienstag, den 9. November 2010, wurde ein professioneller Kletterer, der sich an einen Baum gekettet hatte, von einem Polizeibeamten ohne Vorwarnung in vier Meter Höhe mit Reizgas derart attackiert, dass er vom Baum stürzte. Der Betroffene erlitt eine Fraktur im Brustwirbelbereich und musste mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Zuvor hatten ihn weitere Beamten unter Gewaltandrohung noch über 500 Meter weiter weg getrieben, obwohl seine schwere Verletzung unübersehbar war und Augenzeugen die Beamten auch darauf hinwiesen. Unzulässiger Einsatz europäischer Polizeibeamter Beobachter des Legal Teams stellten mehrfach den Einsatz bewaffneter Polizeibeamter aus Frankreich und die Anwesenheit weiterer Beamter aus EU-Staaten in ihren jeweiligen Landesuniformen fest. Eine hinreichende Rechtsgrundlage hierfür ist bisher von Seiten  des Landes Niedersachsen und des Bundes nicht benannt worden. Fotografen dokumentierten zudem den gewalttätigen Übergriff eines französischen Beamten auf einen Protestierenden. Der RAV fordert unverzüglich eine Aufklärung dieses Falls - auch in Hinsicht auf strafrechtliche Konsequenzen. Polizeikessel ohne Rechtsschutz Während der Räumung der Sitzblockade in Harlingen am 8. November 2010 errichteten Polizeibeamte unter Leitung eines Hamburger Polizeiführers über einen Zeitraum von mehr als sechs Stunden einen Polizeikessel , der ebenso falsch wie beschönigend als "Freiluft-Gesa (Gefangenensammelstelle)" deklariert wurde. Unter Umgehung des verfassungsrechtlich verbürgten Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen wurde keine der dort festgehaltenen Personen einem Richter des Amtsgerichts Dannenberg zugeführt und auf diese Weise Rechtsschutz verweigert und die gebotene Freilassung der Betroffenen herausgezögert. Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss Am Montag, den 8. November 2010 stürmten Polizeibeamte u.a. der Beweissicherungseinheit aus Oldenburg und der 5. Einsatzhundertschaft aus Göttingen gegen 17 Uhr drei Höfe in Grippel, Zadrau und Langendorf und durchsuchten ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss die jeweiligen Scheunengebäude. Während der Durchsuchungsmaßnahme auf dem Hof in Grippel erfolgte selbst gegenüber dort anwesenden Rechtsanwält/innen weder eine Begründung noch eine Erörterung des polizeilichen Vorgehens. Die Beamten waren vermummt und nicht gekennzeichnet. Behinderung von Beobachter/innen. In einer Vielzahl dokumentierter Fälle versuchten Polizeibeamte die Tätigkeit von Demonstrationsbeobachter/innen, Rechtsanwält/innen und Bundestagsabgeordneten einzuschränken oder ganz zu unterbinden. "Nach allen uns vorliegenden Berichten sind die Grundrechtsverstöße der eingesetzten Polizeieinheiten keine Einzelfälle. Es handelt sich anscheinend vielmehr um ein systematisches Vorgehen, das nicht hinnehmbar ist.  Auch die Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder eventuellen Straftaten gegen Sachen etwa durch das "Schottern" kann keine Rechtfertigung für systematische gewalttätige Übergriffen und rechtsstaatswidriges Vorgehen seitens der eingesetzten Polizeieinheiten sein", kommentiert Rechtsanwalt Martin Lemke. "Das Vorgehen der Polizei während des Castortransports lässt befürchten, dass in diesem Rahmen rechtswidrige Strategien der Eindämmung großer demokratischer Protestbewegungen, die allein mit legalen polizeilichen Mitteln nicht kontrollierbar erscheinen, geübt und durchgesetzt werden sollten", ergänzt Rechtsanwältin Britta Eder. Ansprechpartnerin für weitere Informationen und Rückfragen: Rechtsanwältin Britta Eder 0176 - 22169938.
        Pressemitteilung (PDF): RAV fordert Konsequenzen aus systematischen Rechtsbrüchen zur Durchsetzung des Castortransports]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)Polizeirecht (doublet)
        news-160Tue, 09 Nov 2010 11:15:00 +0100Gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen und des RAV zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP Fraktion zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-der-strafverteidigervereinigungen-und-des-rav-zum-gesetzentwurf-der-cdu-csu-und-fdp-fraktion-zur-neuordnung-des-rechts-der-sicherungsverwahrung-und-zu-begleitenden-regelungen-160Stellungnahme
        Gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen (Organisationsbüro) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.) zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP Fraktion zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 26.10.2010 (BT-Drs 17/3403) sowie zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Ausschuss-Drs 17(6)47).
        (PDF)  A. Vorbemerkungen 1.    Keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung Der Gesetzentwurf beschreibt als Problem und Zielsetzung zunächst die Verhinderung von Rückfalltaten. Dabei wird ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung eine besondere Bedeutung für die Verhinderung schwerer Wiederholungstaten habe. Mehrfach wird im Weiteren angemerkt, dass sich das Instrument der Sicherungsverwahrung zu diesem Zweck als letztes Mittel der Kriminalpolitik in Deutschland bewährt habe. Bevor im Einzelnen auf die vorgeschlagenen Neuregelungen des Gesetzesentwurfs eingegangen werden soll, muss diese Prämisse ausdrücklich in Frage gestellt werden. Obgleich eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung in Deutschland derzeit politisch kaum umsetzbar erscheint, muss dies doch als zentrale Forderung sowohl der Strafverteidigervereinigungen als auch des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins vorab dargestellt werden. Durch nichts ist empirisch oder statistisch belegt, dass das Institut der Sicherungsverwahrung insgesamt betrachtet Rückfalltaten, insbesondere solche schwerer Natur, verhindert. Nach unserer Auffassung ist es vielmehr so, dass durch das Recht der Sicherungsverwahrung, welches in den letzten Jahren immer stärker ausgebaut wurde, die Vollzugsrealität eine derartige Verschärfung erfahren hat, dass Resozialisierungsmaßnahmen bei vielen Gefangenen, die sie im Grunde genommen am nötigsten erfahren müssten, nicht, zu spät oder nicht im nötigen Umfang durchgeführt werden. Eine Verhinderung von (Rückfall-)Kriminalität kann effektiv nur dann erfolgen, wenn der Vollzug für die Inhaftierten die Möglichkeit schafft, die Ursachen der vorangegangenen Delinquenz aufzuarbeiten und für die Zukunft Strategien zu entwickeln, diesen entgegenzuwirken. Zudem können geeignete Maßnahmen der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht mögliche – immer bestehende – Rückfallgefahren effizient minimieren. Die Sicherungsverwahrung schafft hingegen eine Gefährlichkeitsvermutung zulasten der Betroffenen, die in der Regel - mangels Erprobung und Entlassung – schwer bis nicht widerlegt werden kann. So ist nach den bisher vorliegenden Studien davon auszugehen, dass von mit erheblicher Gefährlichkeitsprognose entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten keine höheren Rückfallgefahren ausgehen, als von jedem Strafgefangenen, der regulär zum Ende der Strafe oder aber auch zuvor auf Bewährung entlassen wird. Eher ist sogar davon auszugehen, dass die Rückfallraten bei entlassenen Sicherungsverwahrten deutlich niedriger sind.4 Zudem ist danach anzunehmen, dass mindestens 60 %, wohl aber eher 90 % der eingeholten Sachverständigengutachten von unzutreffenden Prognoseergebnissen ausgegangen sind.5 Es besteht demgegenüber keinerlei belegte Erkenntnisgrundlage, die das Instrument der Sicherungsverwahrung in Deutschland überhaupt kriminalpolitisch rechtfertigen oder dessen Notwendigkeit belegen würde. Vielmehr sind gerade die Zahlen von Fällen schwerer Gewalt- und Sexualdelinquenz bereits seit den 1970iger Jahren kontinuierlich sinkend, während allerdings die mediale Wahrnehmung derartiger Kriminalität enorm zugenommen hat.6 2.    Europäischer Vergleich Der europäische Vergleich zeigt, dass die Sicherungsverwahrung kein zwingend notwendiges Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Rückfalltaten ist. Neben der deutschen Regelung existiert ein mit der Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nach den Ausführungen des EGMR in sieben weiteren Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention: Österreich, Dänemark, Italien, Lichtenstein, San Marino, Slowakei und in der Schweiz.7 Daneben bestehen auch in Belgien, England und Wales, Estland, Frankreich (seit 2008) und in den Niederlanden gesetzliche Möglichkeiten bei schwerwiegenden Rückfalltaten gegen sexuelle Selbstbestimmung, Leib oder Leben im Urteil einen potentiell unbegrenzten Freiheitsentzug anzuordnen, der in sehr unterschiedlichen Varianten umgesetzt wird.8 Allerdings wird in all diesen Staaten die Anordnung einer solchen Inhaftierung an wesentlich höhere Voraussetzungen als in Deutschland geknüpft. In der Regel ist sie nur dann möglich, wenn tatsächlich schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte dringend zu befürchten sind. Das ist in Deutschland aktuell nicht der Fall und wäre es auch nach der im Gesetzesentwurf beschriebene Neureglung nicht (vgl. BI.1.a). In den weiteren Ländern, welche die Europäische Menschrechtskonvention gezeichnet haben, besteht ein mit der deutschen Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nicht. Dabei ist zuzugeben, dass in manchen europäischen Staaten auch wesentlich höhere Freiheitsstrafen verhängt werden können (so z. B. in Belgien, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Rumänien). In den meisten dieser Länder ist allerdings auch eine frühzeitige Bewährungsentlassung als Regelfall weitestgehend vorgeschrieben (bspw. in Belgien nach dem Gesetz zur bedingten Entlassung von Straftätern vom 05. und 18.03.1998 bereits nach einem Drittel bzw. sogar nach einem Sechstel der Strafe nahezu automatisch).9 Daneben existieren Länder mit vergleichbaren Strafhöhen bzw. sogar moderateren Strafen als in der Bundesrepublik Deutschland, in denen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann (so etwa Schweden, Litauen, Lettland, Kroatien, Polen, Griechenland, Finnland Ungarn oder Portugal). Insofern besteht vor einer Gesetzesreform zumindest die Notwendigkeit, im europäischen Maßstab zu überprüfen, ob in Ländern mit vergleichbarer Sanktionierungspraxis, aber ohne einem Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung, statistisch mehr schwere Rückfalltaten festzustellen sind als in Deutschland. Dabei ist zu erwarten, dass gerade im Bereich der schweren Gewalt- und Sexualkriminalität eine quantitativ höhere Kriminalitäts- und Rückfallrate nicht festzustellen ist.10 Auch unter dieser Prämisse, muss die Behauptung, die Sicherungsverwahrung sei ein zuverlässiges und erprobtes Modell zur Kriminalitätsbekämpfung, als widerlegt betrachtet werden. 3.    Verhältnismäßigkeit der Mittel Die Sicherungsverwahrung, das geht auch aus dem Gesetzesentwurf hervor, ist das „schärfste Mittel der Kriminalpolitik“. Allein auf eine – unzweifelhaft immer unsichere – Gefahrenprognose gestützt, wird Menschen die Freiheit auf unbestimmte Zeit entzogen. Unabhängig von der in Deutschland bestehenden menschenunwürdigen Vollzugspraxis, dem fehlenden Trennungsgebot und den fehlenden Resozialisierungsmöglichkeiten (dazu BI.3.), stellt eine Freiheitsentziehung auf unbestimmte Dauer aufgrund von präventiv ausgestalteten Sicherheitsansprüchen eine Maßnahme dar, die – wenn überhaupt – nur unter verschärften Verhältnismäßigkeitsanforderungen angeordnet und vollstreckt werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages zwar ein mögliches Instrumentarium darstellt.11 Entgegen anderweitigen – weit verbreiteten irrgläubigen - Darstellungen hat das Bundesverfassungsgericht damit allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch verfassungsrechtlich notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzesauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Das ist nach unserer Auffassung der Fall. Mit einer frühzeitig, bereits während der Vollstreckung der Strafe begonnenen Sozialtherapie, die über einen langen Zeitraum auch mit einer Erprobung der Gefangenen begleitet wird, kann die Gefahrenprognose bereits während des Vollzuges der Strafhaft grundlegend verbessert werden. Bei einer engen Anbindung an Hilfsinstitute bei der Entlassung in die Freiheit, kann eine Wiedereingliederung auch nach schwerwiegenden vorangegangenen Straftaten wesentlich sinnvoller erfolgen, als dies mit den sehr begrenzten personellen und sachlichen Mitteln derzeit der Fall ist. Auf diese Weise können die Prognosen aller Gefangenen – auch der von Sicherungsverwahrung betroffenen - erheblich verbessert und damit Rückfallquoten insgesamt wesentlich deutlicher gesenkt werden als durch das Suggerieren von Sicherheit über das unbegrenzte Wegsperren Einzelner im Rahmen der Sicherungsverwahrung. Dabei muss man sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann und wird. In einer freiheitlich ausgeprägten Demokratie wird es – so belastend das auch im Einzelfall sein mag – immer Kriminalität geben. Der staatliche Schutzauftrag kann insoweit nur dahin gehen, diese Kriminalitätsrate nach Möglichkeiten und unter Beachtung verfassungs- und menschenrechtlicher Vorgaben zu verringern. Dies ist durch ausreichende Resozialisierungs- und Wiedereingliederungsangebote wesentlich effektiver und menschenwürdiger möglich, als durch das Wegsperren Einzelner, deren Auswahl – jedenfalls nach den bislang vorliegenden Studien – eher zufällig erfolgen dürfte. Die aktuelle Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung garantiert keinen Rechtsanspruch auf Therapie oder Behandlung. Etliche Sicherungsverwahrte versuchen seit Jahren vergeblich in sozialtherapeutischen Anstalten einen Therapieplatz zu bekommen.12 Allein bei wegen Sexualdelikten Verurteilten ist dies inzwischen bundesweit gesetzlich vorgesehen. Bei allen anderen Betroffenen wird in der Regel darauf verwiesen, dass eine Aufnahme in der Therapie „verfrüht“ erscheine oder aber dass Therapie ohne Entlassungsperspektive nicht sinnvoll sei. Dies kann jedoch nicht der Maßstab sein. Wenn man schon über das Institut der Sicherungsverwahrung diskutiert, muss dies einen behandlungsorientierten Vollzug beinhalten. Dabei soll erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei nicht um eine besondere „Begünstigung“ für verurteilte Straftäter handelt. Vielmehr dienen resozialisierungsfördernde Maßnahmen gerade dem Schutz der Allgemeinheit. Diesen Schutz zu gewährleisten und dabei möglichst wenig in Grundrechte von Betroffenen einzugreifen, ist der grundgesetzliche Auftrag des Bundes und der Länder. Man kann also nicht einerseits eine Verschärfung der Regelung zur Sicherungsverwahrung fordern und auf der anderen Seite bereits jahrzehntelange Missstände im Vollzug weiterhin hinnehmen. Durch eine wesentliche Verbesserung des Behandlungsvollzuges, entsprechende Erprobungsmöglichkeiten für Inhaftierte und durch multidisziplinäre sachverständige Begleitung und Evaluation des Vollzuges können bei einer engen Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe und den freien Trägern Rückfalltaten insgesamt wesentlich besser vermieden werden, als durch perspektivloses Wegsperren von Einzelnen. Insofern ist dieser milderen und effektiveren Möglichkeit auch gesetzlich der Vorrang zu gewähren. Die Sicherungsverwahrung ist abzuschaffen. B. Zum Gesetzesvorhaben im Einzelnen Da die Forderung nach Abschaffung der Sicherungsverwahrung in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum durchsetzbar erscheint, soll auch auf die einzelnen Regelungen des Gesetzesentwurfes eingegangen werden. Insofern sollen hier aus Sicht der Anwaltschaft zumindest Anregungen abgegeben werden, wie das Mittel der Sicherungsverwahrung, wenn es denn schon fortbesteht, sinnvoller ausgestaltet werden könnte. I. Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen 1. Anordnungsmöglichkeiten a)    Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verurteilung; § 66 StGB Der Gesetzesentwurf spricht vorweg davon, dass die Sicherungsverwahrung auf Gefahren durch schwerwiegende Delikte gegen Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung begrenzt werden soll. Gleichzeitig ist allerdings eine solche Beschränkung im Entwurf tatsächlich nicht vorgesehen. Hiernach soll im Rahmen eines neuen § 66 Abs. 1 Nr. 1 b StGB die Sicherungsverwahrung dann im Urteil angeordnet werden können, wenn jemand – ggf. bei Vorbelastung - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist. Die weiteren Voraussetzungen werden allein in § 66 Abs. 1 Nr. 4 benannt: namentlich der Hang zu erheblichen Straftaten, ohne dass diese deliktsspezifisch eingeschränkt werden. Als Regelfälle („namentlich“) werden hierfür die schwere körperliche oder seelische Schädigung von potentiellen Opfern genauso wie die Verursachung schweren wirtschaftlichen Schadens benannt. Insofern wird der Gesetzesentwurf gerade der Prämisse, die Sicherungsverwahrung auf schwere Gewalt- und Sexualstraftaten zu beschränken, nicht gerecht. Vielmehr besteht eine Anordnungsbefugnis weiterhin auch bei etlichen (gewaltanwendungsfreien) Vermögensdelikten, gemeingefährlichen Delikten und im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität fort. Beispielhaft soll hier nur der Wohnungseinbruchdiebstahl, der gewerbs- und bandenmäßige Betrug, die gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung oder aber das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genannt werden. Daneben sind auch weiterhin alle Raubdelikte ausreichend, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dabei kommt es nach wie vor nicht darauf an, ob Gewalt angewendet wurde oder aber Opfer der Tat schwere körperliche oder seelische Schäden erlitten haben. Auch der gewaltanwendungsfreie Raub, bei dem weder gravierende psychische, noch physische Schäden entstanden sind, bleibt im Anwendungsbereich von § 66 StGB enthalten. Dies betrifft eine nicht unerhebliche Anzahl von in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Wenn es bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbleibt, muss eine klare Beschränkung auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte erfolgen. Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte sowie Delikte, bei denen niemand gravierenden körperlichen oder seelischen Schaden genommen hat, müssen aus dem Anwendungsbereich entfallen. Insofern wird vorgeschlagen, im Rahmen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB einen klaren Katalog von Straftaten aufzuführen, die die Anordnung der Sicherungsverwahrung formell rechtfertigen können. Darunter gehören nach hiesiger Auffassung allenfalls Kapitalverbrechen und Sexualdelikte. In § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB muss materiell klargestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich dann angeordnet werden kann, wenn die erhebliche Gefahr der schweren körperlichen oder seelischen Schädigung von Opfern besteht. Dies darf nicht als Regelbeispiel festgehalten werden, sondern muss eine klare Anordnungsvoraussetzung sein. Dann wäre nämlich auch klargestellt, dass für den gewaltanwendungsfreien Raub, ohne erhebliche psychische oder körperliche Schäden, eine Sicherungsverwahrung in Zukunft nicht mehr verhängt werden kann. Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN kommt dieser Forderung teilweise nach.13 Soweit vorgesehen ist, dass die Gefahrenprognose gesetzlich ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Verurteilung bezogen wird, bedarf diese Regelung zumindest eines Korrektivs im Rahmen der Vollstreckungsentscheidung gem. § 67c Abs. 1 StGB und § 67d Abs. 2 StGB. Namentlich muss es hier zu einer „Beweislastumkehr“ (In dubio pro libertate!) kommen. Nur dann erscheint es angebracht, die Gefahrenprognose allein auf den Zeitpunkt des Urteils zu stützen (vgl. dazu unten I. 2.). b)    Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB Der Gesetzesentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. Danach kann nach dem dort entworfenen § 66a StGB auch schon bei Erstverbüßern die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten werden, wenn nicht „mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 vorliegen“. Auf die Feststellung eines Hanges, den die Rechtsprechung bislang gefordert hat, wird im Gesetzesentwurf verzichtet. Insofern ist zu befürchten, dass in Zukunft bei nahezu jedem Verurteilten, der die formellen Voraussetzungen von § 66a StGB erfüllt, eine Sicherungsverwahrung vorbehalten wird. Denn die Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeitsprognose ist ein derart unbestimmter Rechtsbegriff, dass eine uferlose Ausweitung zu befürchten ist. Insoweit will der Gesetzentwurf offensichtlich auch den Gerichten, die zur Verurteilung berufen sind, die Möglichkeit des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung erleichtern. Ein solcher erfordert – anders als ggf. die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB – offensichtlich auch weniger Gewissensanstrengung und Abwägung, da letztlich auf die Entwicklung im Vollzug abgestellt werden wird. Der Gesetzesentwurf begegnet insoweit erheblichen verfassungsrechtlichen, menschenrechtlichen aber auch praktischen Bedenken. (1)   Auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Strafurteil ist eine mit Sanktionswirkung behaftete Rechtsfolge. Bei denjenigen Verurteilten, die entgegen einer möglichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich keine Gefährlichkeitsprognose aufweisen, ist ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Schuldprinzip kaum zu vereinbarende zusätzliche Belastung zur ohnehin ausgeurteilten Strafe.14 Dies galt schon für den bislang bestehenden § 66a StGB. Mit dem massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird jedoch ein Rechtsinstitut geschaffen, welches mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes aus Art. 103 Abs. 2 GG für die im Rahmen des Strafprozesses zu treffenden Feststellungen nicht mehr vereinbar ist. Dabei wird nicht verkannt, dass jede Gefahrenprognose eine mit den Unsicherheiten des Prognoseverfahrens behaftete Feststellung im Urteil ist. Diese ohnehin schon nur auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhende Prognose noch einmal derart zu erweitern, dass die bislang notwendige überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit (nichts anderes ist eine Prognose) wiederum nur „zumindest wahrscheinlich“ sein muss, ist eine Darstellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals, die mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar ist. (2)   Auch begegnet die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in diesem Rahmen erheblichen menschenrechtlichen Bedenken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 ausgeführt, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus, bei Verurteilten, die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 1998 begangen haben, menschenrechtswidrig ist. Art. 5 Abs. 1 EMRK zählt insoweit abschließend auf, in welchen Fällen Freiheitsentzug zulässig sein soll. Danach besteht allein die Möglichkeit, die Freiheit nach einem diesbezüglichen Urteil zu entziehen. Der EGMR fordert insoweit einen engen Kausalzusammenhang zwischen der die Verurteilung begründenden Anlasstat und der daraufhin vollstreckten Rechtsfolge. Dieser Kausalzusammenhang ist im Rahmen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, wenn sie später zu einer tatsächlichen Anordnung der Sicherungsverwahrung führt, nicht mehr gegeben. Denn eine solche Anordnung wäre nach Ende des Vollzuges nur dann möglich, wenn neue Tatsachen hinzugetreten sind, die nunmehr – anders als zum Verurteilungszeitpunkt – nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit belegen, sondern eine Feststellung der Gefährlichkeitsprognose ermöglichen sollen. Insofern wäre die Anlasstat, die zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung geführt hat, nur ein Anhaltspunkt für die Rechtsfolge. Die dafür notwendigen entscheidenden Feststellungen könnten erst aufgrund der Beurteilung des Verhaltens im Vollzug getroffen werden. Demnach fehlt es bei der späteren Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung an einem hinreichenden Kausalzusammenhang mit der Anlassverurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK. (3)   Auch auf die Vollzugsrealität wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erhebliche Auswirkungen haben. So fehlt es zum einen in den meisten Fällen an geeigneten therapeutischen Maßnahmen, Plätzen in der Sozialtherapie und entsprechenden Behandlungsangeboten, die es den Gefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ermöglichen würden, ihre Sozial- und Legalprognose zu verbessern. Zum anderen besteht die Gefahr, dass es bei Durchführung von Therapiemaßnahmen – gerade bei dem im Gesetzesvorhaben erfassten Bereich der Sexualkriminalität – zu einer Scheinanpassung und nur äußerlichen Therapiewilligkeit kommt. Gefangene, die das Damoklesschwert der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung über sich schweben haben, werden kaum eine ehrliche und konfrontative Auseinandersetzung mit ihrer Persönlichkeitsproblematik im Rahmen von Therapiemöglichkeiten im Strafvollzug suchen können. Denn sie laufen permanent Gefahr in einem therapeutischen oder behandlerischen Prozess15 genau die Tatsachen zu offenbaren, die die bislang nach § 66a StGB nur wahrscheinlich gehaltene Prognose nunmehr auf eine breitere Basis stützt, damit verfestigt und letztlich ihre potentiell lebenslange Verwahrung nach dem Strafende ermöglichen kann. Dies kann – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – ggf. sogar zu einer Erhöhung von Rückfalldelinquenz führen.16 Daneben besteht die große Gefahr, dass die ohnehin schon restriktive Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen durch den massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung noch beschränkt wird. Gerade weil auch die Verlängerung der Anordnungsmöglichkeit bis ans Ende der Strafe gesetzt werden soll, werden sich die Justizvollzugsanstalten in diesen Fällen mit einer Lockerungserprobung noch zurückhaltender verhalten, als dies bislang der Fall war. Die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Erprobung darin sind jedoch für die Verbesserung der Prognose – auch für die Frage der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung – von ganz erheblicher Bedeutung. Insofern wirkt sich das im Gesetzentwurf entwickelte Modell auch praktisch kontraproduktiv aus. c)    nachträgliche Sicherungsverwahrung Soweit der Gesetzesentwurf die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorsieht, kann dies nur begrüßt werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist spätestens nach dem Urteil des EGMR mit der Europäischen Menschenrechtskonvention – genauso wie mit dem Grundgesetz – nicht vereinbar. Dass die vorgesehene Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur für Verurteilte gelten soll, die Taten nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen haben, ist mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wiederum eindeutig nicht vereinbar. Die Entscheidung vom 17.12.2009 hat klargestellt, dass eine rückwirkende Verlängerung der Unterbringungsmöglichkeiten in der Sicherungsverwahrung gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK und Art. 7 EMRK verstößt. Dies gilt erst Recht für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung. Der Gesetzentwurf nimmt insoweit bewusst in Kauf bei diesen Altfällen gegen die EMRK in ihrer verbindlichen Auslegung durch den Gerichtshof zu verstoßen. Es ist daher nur eine Frage der Zeit bis entweder das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Regelung erneut beanstandet. 2.    Vollstreckung Im Rahmen der vorangegangenen gesetzlichen Neuregelungen wurde die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder zu erledigen, wesentlich eingeschränkt. Wenn die Sicherungsverwahrung aber äußerstes Mittel der Kriminalpolitik sein soll, muss auch hier im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsabwägungen eine dementsprechende gesetzliche Vollstreckungsregelung getroffen werden. Es kann nicht weiter darauf ankommen, dass der Untergebrachte faktisch selbst eine Gefährlichkeitsvermutung widerlegen muss. Dies ist im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsprognose ohnehin schwer möglich. Vielmehr muss auch im Rahmen der Vollstreckung gem. § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 2 StGB zu jeder Überprüfung durch die Vollstreckungsgerichte festgestellt werden, dass die im Urteil benannte Gefährlichkeit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckung positiv fortbesteht. Eine solche Regelung findet sich derzeit nur in § 67d Abs. 3 StGB für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus. Es ist weder aus Verhältnismäßigkeitsgründen, noch aus Effektivitätsgründen erkennbar, warum dieser Prüfungsmaßstab nicht auch bereits zu Beginn und während der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gelten soll. Soweit in § 67d Abs. 1 S. 1 StGB die Notwendigkeit der Feststellung der auf einem Hang beruhenden Gefährlichkeit gestrichen werden soll, so führt auch das zur einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Möglichkeit der Bewährungsaussetzung. Denn dann wäre unabhängig von der ursprünglich festgestellten Gefährlichkeit im Rahmen der Anlassverurteilung jede anderweitige, ggf. vollkommen andere Rechtsgüter betreffende Gefährlichkeit für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre ausreichend. So könnte beispielsweise der wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls Verurteilte Sicherungsverwahrte, bei dem 10 Jahre später eine vermeintliche Gefährlichkeit für Gewaltdelikte festgestellt wird, deswegen weiter untergebracht werden. Dies ist jedoch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 a EMRK menschenrechtswidrig, da es an einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen Anlassdelikt, Verurteilung und Vollstreckung fehlen würde. 3.    Vollzug Die Regelungskompetenz zur Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung ist zwar grundsätzlich den Ländern übertragen. Dennoch bedarf es auch im Rahmen der Stellungnahme zum aktuellen Gesetzesentwurf dazu einiger Klarstellungen. Wenn das deutsche Strafrecht als schärfste Maßnahme der Kriminalprävention, als „ultima ratio“, die Anordnung oder den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung vorsieht, so muss dem als Korrektiv zumindest ein menschenwürdiger und behandlungsorientierter Vollzug der Strafe und ggf. der späteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entgegengesetzt werden. Ziel des Strafvollzuges sollte es von Beginn an sein, die Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass in deutschen Justizvollzugsanstalten das Gegenteil der Fall ist. Insofern sollte es dazu einen klaren gesetzlichen Auftrag geben (vgl. insoweit bspw. § 106 Abs. 4 JGG für Heranwachsende). a)    Sozialtherapie Im Rahmen des Vollzuges haben die jeweiligen Landesgesetzgeber bzw. der Bundesgesetzgeber bei dem in den Ländern teilweise fort geltenden Strafvollzugsgesetz den Anstalten einen großen Ermessensspielraum bei der Gewährung von behandlungsorientierten Maßnahmen eingeräumt. Dieser wird allerdings aufgrund der knappen Ressourcen und auch durch eine bestehende Kultur der Verantwortungsverschiebung auf nicht verfassungskonforme Weise ausgeübt. Daher bedarf es einer gesetzlichen Festlegung entsprechender Rechtsansprüche von Gefangenen im Vollzug, zumindest dann, wenn bei ihnen die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde. Solche Inhaftierte müssen bereits bei Verbüßung der Strafhaft eine angemessene Behandlung (Regelfall: Sozialtherapie) notfalls auch verbindlich gerichtlich einklagen können. Sicherlich wird nicht bei jedem Gefangenen oder Sicherungsverwahrten die Sozialtherapie eine wesentliche Verbesserung der Prognose bewirken können, jedoch ist sie in den allermeisten Fällen ein effektives und geeignetes Mittel. Insofern wäre eine gesetzliche Regelung (auch auf Bundesebene) denkbar, die die Sozialtherapie als Regelfall vorschreibt und nur in Ausnahmefällen der Vollzugsanstalt ermöglicht, anderweitige – besser geeignete – Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, jedenfalls wenn Inhaftierte mit ihrer Behandlung einverstanden sind. b)    Vollzugslockerungen Gleichzeitig müssen die bestehenden weiten Ermessenspielräume bei der Gewährung von Vollzugslockerungen beschränkt werden. Es sollte ein Regelausnahmeverhältnis eingeführt werden, das grundsätzlich die Gewährung von Lockerungen zur Erprobung vorsieht und nur ausnahmsweise eine Ablehnung durch die JVA ermöglicht, wenn konkrete Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtungen dargelegt werden. Auch hier besteht derzeit bundesweit eine äußerst restriktive Praxis. Sicherungsverwahrte mit Vollzugslockerungen oder solche Gefangene, die im Anschluss Sicherungsverwahrung notiert haben und Vollzugslockerungen während der Strafhaft erhalten, dürften einen Promilleanteil dieser Betroffenen ausmachen. Dem ist durch eine gesetzliche Korrektur entgegenzuwirken. Diese gesetzliche Neuregelung würden bei ihrer Umsetzung mit der Notwendigkeit einer personellen und sachlichen angemessenen Ausstattung des Vollzuges einhergehen müssen. Wenn der Gesetzgeber insoweit das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit über die Freiheitsgrundrechte Einzelner stellt, muss er auch die für die Behandlung erforderlichen Mitteil zur Verfügung stellen. c)    Externe Sachverständige und Evaluation Gleichzeitig bedarf es einer externen sachverständigen Überwachung und Begleitung der Behandlung im Vollzug. Externe multidisziplinäre Sachverständigenteams wären insoweit eine Maßnahme, um zu überprüfen, welche Behandlungsmaßnahmen wie anschlagen und was ggf. im Einzelfall verbessert werden müsste. Eine solche „Zwischenbegutachtung“ sollte spätestens zum Halbstrafenzeitpunkt bei allen Inhaftierten mit Vorbehalt oder Anschlussnotierung der Sicherungsverwahrung durchgeführt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Behandlung durch externe Beobachtung ist sinnvoll, um frühzeitig ggf. bestehenden Behandlungsdefiziten oder Fehleinschätzungen entgegenzuwirken. Gleiches gilt für die notwendige Evaluation der Behandlungsergebnisse. d)    Entlassungsbegleitung und Wiedereingliederungshilfe Letztlich bedarf es einer kompetenten, personell und sachlich ausreichend ausgestatteten effektiven Nachbetbetreuung von rückfallgefährdeten entlassenen Gefangenen. Ein dafür bislang guter Ansatzpunkt ist nach hiesigem Dafürhalten die Möglichkeit der Anbindung an die forensische Ambulanz im Sinne von § 68a StGB. Die hier bislang nur im kleinen Maßstab vorliegenden begonnenen Bemühungen müssen ebenfalls erheblich ausgebaut werden. Der Ausbau von Führungsaufsicht und Bewährungshilfe, sofern diese Gefangene nach ihrer Entlassung tatsächlich sachkundig unterstützen und nicht als bloßes Überwachungsinstrument (vgl. elektronische Fußfessel) genutzt werden, wird als milderes Mittel zur Vollstreckung von Sicherungsverwahrung begrüßt. II. Therapieunterbringungsgesetz Nachdem in der ursprünglichen Planung des Bundesjustizministeriums eine Regelung für aufgrund des Rückwirkungsverbotes zu entlassende bzw. bereits entlassene Sicherungsverwahrte nicht vorgesehen war, soll der Gesetzesentwurf nunmehr eine weitere Freiheitsentziehung auch für diese Personengruppe ermöglichen. Da dies mit den klaren Vorgaben aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 wegen des fehlenden Kausalzusammenhangs im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK nicht vereinbar ist, soll bei dieser Personengruppe zukünftig der Freiheitsentzug auf eine Gefahr gestützt werden, die aus einer „psychischen Störung“ resultiert. Der Gesetzesentwurf begegnet insofern erheblichen verfassungsrechtlichen, aber auch menschenrechtlichen und praktischen Bedenken. 1.    Keine Regelungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Die Regelung aus § 1 des ThUG dient allein der Gefahrenabwehr. Eine Annex-Kompetenz  zum Strafrecht, wie sie der Gesetzesentwurf suggeriert, liegt nicht vor. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.02.200417 festgestellt, dass die Regelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung in der Kompetenz des Bundes liegen. Anders als das Therapieunterbringungsgesetz nunmehr vorsieht, knüpften beide damals verfassungsgerichtlich überprüften Länderregelungen jedoch nicht an das Merkmal einer Gefahr aufgrund einer psychischen Störung sondern im Wesentlichen an die Anlassverurteilung und die Entwicklung im Strafvollzug an. Auch ist im Rahmen der nachträglichen Sicherungsverwahrung eine Anordnung stets nur möglich gewesen, um eine Entlassung aus dem Strafvollzug zu verhindern und nicht, wie vorliegend mit § 1 Abs. 2 ThUG, eine erneute Inhaftierung zu ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Annex-Kompetenz des Bundes damals maßgeblich damit begründet, dass der Begriff des Strafrechts aus Art. 74 Abs. 1 Nr. GG alle Rechtsfolgen der Tat, also auch präventive Reaktionen aufgrund einer Straftat, umfasst. Auch bei der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei, so das Bundesverfassungsgericht, die Anlassverurteilung ein ganz wesentlicher Prognosefaktor, weshalb für eine spätere Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung im Strafvollzug, die neue Tatsachen im Vergleich zur Anlassverurteilung hervorgebracht haben musste, notwenig war. Einziger Bezug des Therapieunterbringungsgesetzes zum Strafrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ist der beschränkte Anwendungsbereich, der sich auf zu entlassene oder entlassene Personen bezieht, bei denen aufgrund einer späteren rechtskräftigen Entscheidung feststeht, dass sie wegen eines Verbotes der rückwirkenden Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung aus dieser zu entlassen sind. Diese Personen sollen schon einmal aufgrund einer Straftat nach § 66 Abs. 3 S. 1 StGB verurteilt worden sein, wobei dies nicht die Anlasstat für die Verhängung der Sicherungsverwahrung gewesen sein muss. Anders als bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung muss die erhebliche Gefährlichkeit jedoch nicht aufgrund neuer Tatsachen im Strafvollzug oder aber auch unter Berücksichtigung der Anlassverurteilung bewertet werden. Vielmehr genügt jede Gefährlichkeit, die aufgrund einer vermeintlich bestehenden psychischen Störung prognostiziert wird. Insofern macht das Therapieunterbringungsgesetz die Anordnung von Freiheitsentzug nicht davon abhängig, dass eine Gefährlichkeit im Sinne der Anlassverurteilung unter Berücksichtigung neu gewonnener Kenntnisse die weitere oder erneute Freiheitsentziehung rechtfertigt, sondern allein davon, dass bestimmte persönliche Eigenschaften einer über das Strafrecht näher definierten Personengruppe den Freiheitsentzug zur Gefahrenabwehr ermöglichen sollen. Hinzu kommt, dass der Gesetzesentwurf jegliche weiteren Parallelen zum Strafrecht zwingend vermeiden will, um den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonventionen vermeintlich nicht zuwider zu laufen. So ist das Verfahren zivilrechtlich ausgestaltet. Die Einrichtung soll getrennt vom Strafvollzug unterhalten werden. Selbst die Bestellung eines Rechtsanwalts folgt eher betreuungsrechtlichen Grundsätzen, als denen einer notwendigen Verteidigung im Sinne der StPO. Insofern weist die Unterbringung nach § 1 ThUG weder verfahrensrechtlich noch inhaltlich weit reichende Parallelen zur Sicherungsverwahrung auf, was jedoch gerade vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.02.2004 als maßgeblicher Umstand für die Annahme einer Annex-Kompetenz im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gesehen wurde. Daneben besteht gem. § 1 Abs. 2 ThUG sogar die Möglichkeit, bereits entlassene Sicherungsverwahrte aufgrund neuer Voraussetzungen – namentlich einer Gefahr aufgrund einer bestehenden psychischen Störung – wieder zu inhaftieren. Diese Regelung ist noch nicht einmal an zeitliche Grenzen gebunden. Insofern wird auch dadurch noch einmal der weite inhaltliche Abstand zu strafrechtlichen Regelungen mehr als deutlich. Die Regelung aus dem Therapieunterbringungsgesetz stellt demnach allein eine auf einen bestimmten Personenkreis beschränkte weitergehende Regelung dar, als sie in den Ländergesetzen zur Unterbringung bzw. in den Psychisch-Kranken-Gesetzen vorgesehen ist. Insoweit haben allerdings auch bereits die Ländergesetzgeber von ihrer Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Die Regelung aus § 1 ThUG ist kompetenz- und daher verfassungswidrig. Sollte das Gesetz tatsächlich in dieser Form verabschiedet und unterzeichnet werden, bleibt die Frage offen, ob die Bundesländer im Rahmen eines Organstreites ihre Kompetenzverletzung auch vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen werden. 2.    Gefahr aufgrund einer psychischen Störung Der Gesetzesentwurf führt neu im deutschen Recht die Möglichkeit des Freiheitsentzuges aufgrund einer „psychischen Störung“ ein, aus der Gefahren für gewichtige Rechtsgüter resultieren sollen. Anders als die Unterbringungsmöglichkeit nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen bzw. den Unterbringungsgesetzen der Länder fordert der Gesetzesentwurf ausdrücklich keine psychische Krankheit sondern eine „psychische Störung“. Darunter sollen maßgeblich Verhaltensabweichungen gezählt werden, die keine gleichzeitige Einschränkung der Handlungs- und Einsichtsfähigkeit voraussetzen – so ganz maßgeblich die so genannte dissoziale Persönlichkeitsstörung. Eine solche Störung kann nach der internationalen Klassifikation aus ICD 10 vorliegen, wenn drei von den dort genannten sieben beschriebenen Merkmalen vorliegen. So könnte bspw. bei einer Person eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden, die durch eine Missachtung sozialer Normen und Bindungsschwäche oder Bindungsstörungen auffällt sowie die vordergründige Erklärung für das eigene Verhalten in der unberechtigten Beschuldigung anderer findet. Diese Merkmale würden zweifelsohne auf viele Menschen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern von Justizvollzugsanstalten zutreffen. Deshalb genügen sie nach bestehender Rechtslage auch dann, wenn man eine Person mit diesen Merkmalen als gefährlich einschätzt, nicht, um eine Unterbringung nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen zu veranlassen. Vielmehr ist dafür stets notwendig, dass der Unterzubringende in Folge seines Krankheitszustandes an einer fehlenden Einsicht- oder Handlungsfähigkeit leidet.18 Eine solche Erweiterung der Möglichkeiten des Freiheitsentzuges nach § 1 ThUG ist weder mit dem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, noch mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK vereinbar. Bezeichnend für den Gesetzesentwurf ist insoweit, dass selbst die in der Entwurfsbegründung zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte allesamt Fälle betrafen, bei denen eine Einschränkung der Handlungs- und/oder Steuerungsfähigkeit gegeben war und damit eine psychische Krankheit angenommen wurde.19 Zwar ist zuzugeben, dass die Europäische Menschenrechtskonvention als völkerrechtliche Grundlage eine autonome Auslegung der dort verwendeten Begriffe beanspruchen kann. Die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit e EMRK beschriebene Definition von „Psychisch Kranken“ ist jedoch mit der einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG nicht vereinbar. Dabei ist schon beachtlich, dass der Gesetzesentwurf durch die zunächst beschriebene Personengruppe, auf die das Therapieunterbringungsgesetz Anwendung finden soll, eine bewusste Umgehung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 in Kauf nimmt. Durch die hier benannte „psychische Störung“ soll auch unter Aspekten der möglichen freiheitsentziehenden Unterbringung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK eine weitere Inhaftierung gerade der aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entlassenden Menschen veranlasst werden. Dabei windet sich der Gesetzentwurf einerseits um die Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, will aber gleichzeitig jeglichen Zusammenhang zum Strafrecht wegen der klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte vermeiden. Das kann nicht gelingen. Demnach kann auch über das Konstrukt einer „psychischen Störung“ weder eine verfassungskonforme – noch menschenrechtskonforme – weitere Inhaftierung der Betroffenen erfolgen. 3.    Praktische Folgen Das Therapieunterbringungsgesetz würde für eine ganze Reihe von Sicherungsverwahrten, die aus verfassungsrechtlichen – aber auch aus menschenrechtlichen – Gründen entlassen werden müssen, Anwendung finden. Tatsächlich dürfte auch aufgrund der insoweit eher geringen Voraussetzungen bei einer größeren Gruppe dieser Betroffenen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden können. Im Rahmen der Inhaftierung stetig fortgeschriebene Gefahrenprognosen, die einer praktischen Überprüfung allein deshalb entzogen blieben, weil weder eine Entlassung erfolgt oder überhaupt nur angedacht war, noch eine Erprobung in Vollzugslockerungen stattgefunden hat, würden schlicht übernommen werden. Insofern laufen diese Betroffenen Gefahr, im Rahmen der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Regelung erneut auf ungewisse Dauer inhaftiert zu bleiben. Gleichzeitig sind die Länder dazu berufen, für diese – in den einzelnen Bundesländern eher gering vertretene Personengruppe – eigene Vollzugseinrichtungen zu schaffen. Die Unterbringung in der Psychiatrie, in der gleichzeitig Maßregel nach § 63 StGB vollstreckt wird, würde insoweit weder dem Gesetzesentwurf noch einer besseren Therapiemöglichkeit gerecht werden. Die weitere Inhaftierung in Justizvollzugsanstalten scheitert an den Gesetzesvorgaben.  Die Länder sind insofern im Rahmen des Gesetzesentwurfes dazu berufen, für diese sehr wenigen Inhaftieren eigene kostenintensive Einrichtungen zu schaffen. Dabei wäre eine gezielte Entlassungsvorbereitung und Begleitung wesentlich sinnvoller, insgesamt auch rückfallprognostisch positiver und ökonomisch vertretbar zu bewerten. Viele der zu Entlassenden sind ohnehin bereit, zunächst in betreuten Wohneinrichtungen unterzukommen. Sie benötigen eher Hilfe und Unterstützung bei der Reintegration in die Gesellschaft als Restriktion und Überwachung. Vermeidbare Restrisiken können im Rahmen der Führungsaufsicht, insbesondere auch durch geeignete Therapieweisungen bspw. unter Anbindung an die örtliche Forensische Ambulanz, minimiert werden. Insofern macht das Therapieunterbringungsgesetz praktisch wenig Sinn, führt zu einer weiteren menschen- und verfassungswidrigen Freiheitsentziehung bei den Betroffenen und stellt keine tragfähige Lösung für eine rückfallprognostisch sinnvolle Arbeit dar. Sie nimmt den Bundesländern dort finanzielle Ressourcen, wo sie für eine breite und notwendige Verbesserung der Vollzugsbedingungen von Strafgefangenen und Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung zwingend notwendig wären. C. Fazit * Das Instrument der Sicherungsverwahrung gehört abgeschafft. Es gibt weder eine kriminalpolitische noch eine empirisch belegte Notwendigkeit für das zeitlich unbegrenzte präventive Wegsperren von einzelnen vermeintlich gefährlichen Menschen. Ausreichende Behandlungsangebote im Strafvollzug können – nie vollständig ausschließbare – Rückfallgefahren wesentlich besser begrenzen und damit mit menschenwürdigen Mitteln den Schutz der Allgemeinheit vor schwerwiegenden Straftaten effektiver bewirken als die Sicherungsverwahrung. Jede Form der Sicherungsverwahrung wirkt sich auf die Vollzugsrealität verheerend und damit auf den Resozialisierungserfolg kontraproduktiv aus. * Das im Gesetzentwurf vorgesehene Therapieunterbringungsgesetz ist mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschrechtskonvention nicht vereinbar. Es löst zudem keines der praktisch bestehenden Probleme bei der Entlassung von rückfallgefährdeten Sicherungsverwahrten. * Wenn es schon bei der Sicherungsverwahrung bleibt, darf es keinen Vorbehalt und keine nachträgliche Anordnung geben. Das wäre mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar. Die Anordnung im Urteil darf dann nur bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualstraftaten erfolgen, was der Gesetzesentwurf bislang allerdings nicht vorsieht. * Bereits der Strafvollzug muss darauf gerichtet sein, die spätere Vollstreckung einer angeordneten Sicherungsverwahrung zu verhindern. Dafür bedarf es eines gesetzlichen wie tatsächlichen Ausbaus der Sozialtherapie, der Möglichkeiten der Erprobung in Vollzugslockerungen sowie der (Weiter-)Entwicklung geeigneter Behandlungskonzepte. * Es muss zu Gunsten der Untergebrachten eine Ungefährlichkeitsvermutung bestehen, die durch die Vollstreckungsgerichte jeweils widerlegt werden muss, um eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung anordnen zu können: In dubio pro libertate! * Bewährungshilfe und Führungsaufsicht müssen für Hilfsmaßnahmen und Unterstützung nach einer Entlassung personell und sachlich wesentlich besser ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern und das Entwickeln gemeinsamer Konzepte zur Rückfallvermeidung können bestehende Restrisiken auf ein Minimum reduzieren. Fußnoten: 4 Vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N. 5 Vgl. Michael Alex, 2010: Von den 77 untersuchten Fällen, in denen jeweils eine ungünstige Prognose für schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikt angenommen wurden, sind zwei wegen Vergewaltigung, zwei wegen Raubes, 23 geringfügig (ohne erneute SV) und 50 bislang gar nicht erneut straffällig geworden. 6 Vgl. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Einschätzung ausgewählter Delikte zwischen 1993 bis 2003 in Prozent der Befragten zur PKS, www.kfn.de, wonach beispielsweise im untersuchten Zeitraum die Anzahl der Sexualmorde um 38 % gesunken ist, gleichzeitig aber 23 % der Befragten meinten, sie hätte sich nicht verringert und 26 % sogar meinten, Sexualmorde würde heute viel häufiger stattfinden. 7 Vgl. EGMR M./.Deutschland vom 17.12.2009; www.coe.int.  8 Vg.  Trips-Hebert, wissenschaftliche Dienste des Bundestages; Der Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern -  Zur Rechtslage im europäischen Ausland; www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/gefaehrliche_straftaeter.pdf.  9 Vgl. Dünkel in NK StGB, § 57 Rn 90 ff. 10 So ergibt beispielsweise ein erster Vergleich mit der polizeilich registrierten Kriminalität gerade im moderat strafenden Schweden mit Deutschland etwa im Bereich der Sexualdelinquenz keinen wesentlichen Unterschied (vgl. www.bra.se und PKS 2009 www.bka.de/pks/pks2009/download/pks-jb_2009_bka.pdf )  11 Vgl. BVerfG Urteil des Zweiten Senats vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -. 12 So ist beispielsweise im Freistaat Bayern (ca. 12.000 Inhaftierte) für alle Gewalttäter mit längeren Freiheitsstrafen und Sicherungsverwahrte eine Kapazität in der Sozialtherapie von derzeit 16 Plätzen in der JVA Kaisheim vorgesehen. Zusätzlich sollen 17 Plätze 2012 in der JVA München Stadlheim geschaffen werden, so dass 2012 für diese Gruppe von Inhaftierten ganze 33 Behandlungsplätze vorhanden sind. Sozialtherapeutische Konzepte für die Behandlung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten ohne Gewalt- oder Sexualdelinquenz (bspw. BtM Delikte, Wohnungseinbruchsdiebstahl, etc.) fehlen vollständig, was jedoch mangels subjektivem Rechtsanspruch auf sozialtherapeutische Behandlung für rechtmäßig erachtet wird (vgl. OLG Nürnberg B. vom 23.09.2010 – 1 Ws 451/10 -). 13 Allerdings ist auch darin formell weder ein eindeutiger Anwendungskatalog, noch eine Beschränkung auf Delikte mit einer bestimmten Mindeststrafe vorgesehen (wie beispielsweise Verbrechen) vorgesehen. 14 Vgl. abweichende Voten der Richter Broß, Osterloh und Gerhard in BVerfGE 109, 244 ff. 15 Erkenntnisse aus Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug unterliegen regelmäßig nicht der Schweigepflicht und werden an spätere Sachverständige und die zuständige Gerichte weitergegeben. 16 Vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung zum geplanten Gesetz zur Einführung einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung vom 5. Juli 2004; www.dgfs.info/DGfS_Stellungnahme.pdf.  17 2 BvR 834/2002 18 Vgl. u. a. BVerfG B. v. 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96. 19 Vgl. Hutchinson Reid ./. UK, Urteil vom 20.02.2003, Nr. 50272/99; Morsink ./. NL, Urteil vom 11.05.2004, Nr. 48865/99; Winterwerp ./. NL, Urteil vom 24.10.1979, Nr. 6301/73 – jeweils zitiert im GE (S.86); daneben weist die Kommentarliteratur unter Verweis auch auf diese Entscheidungen darauf hin, dass eine Einschränkung der Handlungs- oder Einsichtsfähigkeit Voraussetzung für die psychische Krankheit nach Art. 5 Abs. 1 S.2 lit. e EMRK ist: Peukert in Frohwein/Peukert-EMRK, Art. 5 Rn. 78ff.; Gollwitzer MRK und IPBPR, Art. 5 Rn.79f. jeweils m.w.N.]]>
        Innere Sicherheit (doublet)Strafprozessrecht (doublet)
        news-159Fri, 05 Nov 2010 13:27:00 +0100Protest braucht Freiraum/publikationen/mitteilungen/mitteilung/protest-braucht-freiraum-159Erklärung vom 8.11.10Demonstrationsfreiheit (doublet)Innere Sicherheit (doublet)news-157Fri, 15 Oct 2010 10:32:00 +0200Bundeskriminalamt verletzt Datenschutzrechte von Journalisten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundeskriminalamt-verletzt-datenschutzrechte-von-journalisten-157PressemitteilungRechtsanwalt Sönke Hilbrans, 030-446792-16
        Rechtsanwalt Peer Stolle (für den RAV), 030-446792-18 Pressemitteilung: Bundeskriminalamt verletzt Datenschutzrechte von Journalisten (PDF)]]>
        Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-156Fri, 15 Oct 2010 09:41:00 +0200Flüchtlinge, Griechenland und das Bundesverfassungsgericht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluechtlinge-griechenland-und-das-bundesverfassungsgericht-156Informationsveranstaltung, Berlin 26.10.2010An der Veranstaltung nehmen teil: Pater Martin Stark (Berlin), Jesuitenflüchtlingsdienst
        Seelsorger in der Abschiebehaft, berichtet von der Situation Betroffener vor der Abschiebung Rechtsanwältin Giota Massouridou (Athen)
        Asylexpertin, berichtet von der aktuellen Lage von Flüchtlingen in Griechenland Rechtsanwalt Dr. Stephan Hocks (Frankfurt a.M.)
        Verfahrensbevollmächtigter anhängiger Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, erläutert die Hintergründe der Verhandlung vor dem BVerfG Moderation:
        Rechtsanwätlin Berenice Böhlo (Berlin), RAV e.V.

        Termin und Ort:
        26. Oktober 2010, 19.00 - 21.00 Uhr
        Haus der Demokratie und Menschenrechte
        Robert-Havemann-Saal
        Greifswalderstr. 4
        10405 Berlin-Friedrichshain Veranstalter:
        Bildungswerk Berlin in Kooperation mit
        borderline europe e.V.
        Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
        Flüchtlingsrat Berlin e.V.
        Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Berlin Die Veranstaltung wird realisiert aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Kontakt:
        Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-24344 5762 , E-Mail: buero@fluechtlingsrat-berlin.de
        RAV e.V., Berlin, Tel: 030-41723555, E-Mail: kontakt@rav.deInformationsveranstaltung: Flüchtlinge, Griechenland und das Bundesverfassungsgericht, Berlin 26.10.10. (PDF)]]>
        Migration & Asyl (doublet)Europa (doublet)
        news-155Thu, 14 Oct 2010 14:05:00 +0200Stellungnahme des RAV im Anhörungsverfahren des Thüringischen Landtags, Identifizierbarkeit von Polizeikräften im Einsatz erleichtern/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-rav-im-anhoerungsverfahren-des-thueringischen-landtags-identifizierbarkeit-von-polizeikraeften-im-einsatz-erleichtern-155StellungnahmeBürger- und Menschenrechte (doublet)Polizeirecht (doublet)news-154Thu, 14 Oct 2010 09:39:00 +0200RAV regt bei EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an/publikationen/mitteilungen/mitteilung/rav-regt-bei-eu-kommission-vertragsverletzungsverfahren-gegen-deutschland-an-154MitteilungRechtsanwalt Carsten Gericke, RAV- Geschäftsführer, Tel. 040.43135110 RAV regt bei EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an (PDF)]]>Europa (doublet)Migration & Asyl (doublet)news-153Tue, 05 Oct 2010 19:12:00 +0200Stellungnahme des RAV zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neureglung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-des-rav-zum-diskussionsentwurf-des-bundesministeriums-der-justiz-zur-neureglung-des-rechts-der-sicherungsverwahrung-und-staerkung-der-fuehrungsaufsicht-153StellungnahmeI. Vorbemerkungen Die Stellungnahme bezieht sich ausdrücklich auf den vom Bundesministerium übersandten Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht vom 30.06.2010. Soweit darüber hinaus weitere Gesetzesvorhaben über die „Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ bekannt geworden sind, wird davon ausgegangen, dass diesbezüglich eine weitere Stellungnahmemöglichkeit eröffnet wird, sobald ein Diskussions- oder Gesetzesentwurf vorliegt. Vorab sei dazu allerdings angemerkt, dass ein Vorhaben, mit dem die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 faktisch dadurch ausgehebelt werden soll, dass ehemalige Sicherungsverwahrte zu „psychisch gestörten Gewalttätern“ umetikettiert werden, eindeutig nicht mit Art. 5 Abs. 1 EMRK und im übrigen auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. 1.    Keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz beschreibt als Problem und Zielsetzung zunächst die Verhinderung von Rückfalltaten. Dabei wird ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung eine besondere Bedeutung für die Verhinderung schwerer Wiederholungstaten habe. Mehrfach wird im Weiteren angemerkt, dass sich das Instrument der Sicherungsverwahrung zu diesem Zweck als letztes Mittel der Kriminalpolitik in Deutschland bewährt habe. Bevor im Einzelnen auf die vorgeschlagenen Neuregelungen des Diskussionsentwurfes eingegangen werden soll, muss diese Prämisse ausdrücklich in Frage gestellt werden. Obgleich eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung in Deutschland derzeit politisch kaum umsetzbar erscheint, muss dies doch als zentrale Forderung auch des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins vorab dargestellt werden. Durch nichts ist empirisch oder statistisch belegt, dass das Institut der Sicherungsverwahrung insgesamt betrachtet Rückfalltaten, insbesondere solche schwerer Natur, verhindert. Nach unserer Auffassung ist es vielmehr so, dass durch das Recht der Sicherungsverwahrung, welches in den letzten Jahren immer stärker ausgebaut wurde, die Vollzugsrealität eine derartige Verschärfung erfahren hat, dass Resozialisierungsmaßnahmen bei vielen Gefangenen, die sie im Grunde genommen am nötigsten erfahren müssten, nicht, zu spät oder nicht im nötigen Umfang durchgeführt werden. Eine Verhinderung von (Rückfall-)Kriminalität kann effektiv nur dann erfolgen, wenn der Vollzug für die Inhaftierten die Möglichkeit schafft, die Ursachen der vorangegangenen Delinquenz aufzuarbeiten und für die Zukunft Strategien zu entwickeln, diesen entgegenzuwirken. Zudem können geeignete Maßnahmen der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht mögliche – immer bestehende – Rückfallgefahren effizient minimieren. Die Sicherungsverwahrung schafft hingegen eine Gefährlichkeitsvermutung zulasten der Betroffenen, die in der Regel - mangels Erprobung und Entlassung – schwer bis nicht widerlegt werden kann. So ist nach den bisher vorliegenden Studien davon auszugehen, dass von mit erheblicher Gefährlichkeitsprognose entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten keine höheren Rückfallgefahren ausgehen, als von jedem Strafgefangenen, der regulär zum Ende der Strafe oder aber auch zuvor auf Bewährung entlassen wird. Eher ist sogar davon auszugehen, dass die Rückfallraten bei entlassenen Sicherungsverwahrten deutlich niedriger sind (vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N.). Es besteht demgegenüber keinerlei belegte Erkenntnisgrundlage, die das Instrument der Sicherungsverwahrung in Deutschland überhaupt kriminalpolitisch rechtfertigen oder dessen Notwendigkeit belegen würde. 2.    Europäischer Vergleich  Der europäische Vergleich zeigt, dass die Sicherungsverwahrung kein zwingend notwendiges Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Rückfalltaten ist. Neben der deutschen Regelung existiert ein mit der Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nach den Ausführungen des EGMR in sieben weiteren Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention: Österreich, Dänemark, Italien, Lichtenstein, San Marino, Slowakei und in der Schweiz (vgl. EGMR M./.Deutschland vom 17.12.2009; www.coe.int). Allerdings wird in diesen Staaten die Anordnung der Sicherungsverwahrung an wesentlich höhere Voraussetzungen als in Deutschland geknüpft. In der Regel ist sie nur dann möglich, wenn tatsächlich schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte dringend zu befürchten sind. Das ist in Deutschland aktuell nicht der Fall und wäre es auch nach der im Diskussionsentwurf beschriebene Neureglung nicht (vgl. II.). In den weiteren Ländern, welche die Europäische Menschrechtskonvention gezeichnet haben, besteht ein mit der deutschen Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nicht. Dabei ist zuzugeben, dass in einigen europäischen Staaten auch wesentlich höhere Freiheitsstrafen verhängt werden können (so z. B. in Belgien, Großbritannien, Frankreich und Rumänien). In diesen Ländern ist allerdings auch eine frühzeitige Bewährungsentlassung als Regelfall weitestgehend vorgeschrieben (bspw. in Belgien nach dem Gesetz zur bedingten Entlassung von Straftätern vom 05. und 18.03.1998 bereits nach einem Drittel bzw. sogar nach einem Sechstel der Strafe nahezu automatisch (vgl. Dünkel in NK StGB, § 57 Rn 90 ff)). Daneben existieren Länder mit vergleichbaren Strafhöhen bzw. sogar moderateren Strafen als in der Bundesrepublik Deutschland, in denen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann (so etwa Schweden, Litauen, Kroatien, Griechenland, Finnland, Estland oder Portugal). Insofern besteht vor einer Gesetzesreform zumindest die Notwendigkeit, im europäischen Maßstab zu überprüfen, ob in Ländern mit vergleichbarer Sanktionierungspraxis, aber ohne einem Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung, statistisch mehr Rückfalltaten festzustellen sind, als in Deutschland. Ist dies nicht der Fall, muss die Behauptung, die Sicherungsverwahrung sei ein zuverlässiges und erprobtes Modell, auch aus diesem Grund als widerlegt betrachtet werden.  3.    Verhältnismäßigkeit der Mittel Die Sicherungsverwahrung, das geht auch aus dem Diskussionsentwurf des BMJ hervor, ist das „schärfste Mittel der Kriminalpolitik“. Allein auf eine – unzweifelhaft immer unsichere – Gefahrenprognose gestützt, wird Menschen die Freiheit auf unbestimmte Zeit entzogen. Unabhängig von der in Deutschland bestehenden menschenunwürdigen Vollzugspraxis, dem fehlenden Trennungsgebot und den fehlenden Resozialisierungsmöglichkeiten (dazu III.), stellt eine Freiheitsentziehung auf unbestimmte Dauer aufgrund von präventiv ausgestalteten Sicherheitsansprüchen eine Maßnahme dar, die – wenn überhaupt – nur unter verschärften Verhältnismäßigkeitsanforderungen angeordnet und vollstreckt werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages zwar ein mögliches Instrumentarium darstellt (vgl. BVerfG Urteil des Zweiten Senats vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -). Entgegen anderweitigen – weit verbreiteten irrgläubigen - Darstellungen hat das Bundesverfassungsgericht damit allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch verfassungsrechtlich notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzesauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Das ist nach unserer Auffassung der Fall. Mit einer frühzeitig, bereits während der Vollstreckung der Strafe begonnene Sozialtherapie, die über einen langen Zeitraum auch mit einer Erprobung der Gefangenen begleitet wird, kann die Gefahrenprognose bereits während des Vollzuges der Strafhaft grundlegend verbessert werden. Bei einer engen Anbindung an Hilfsinstitute bei der Entlassung in die Freiheit, kann eine Wiedereingliederung auch nach schwerwiegenden vorangegangenen Straftaten wesentlich sinnvoller erfolgen, als dies mit den sehr begrenzten personellen und sachlichen Mitteln derzeit der Fall ist. Auf diese Weise können die Prognosen aller Gefangenen – auch der von Sicherungsverwahrung betroffenen - erheblich verbessert und damit Rückfallquoten insgesamt wesentlich deutlicher gesenkt werden, als durch das Suggerieren von Sicherheit über das unbegrenzte Wegsperren Einzelner im Rahmen der Sicherungsverwahrung. Dabei muss man sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann und wird. In einer freiheitlich ausgeprägten Demokratie wird es – so belastend das auch im Einzelfall sein mag – immer Kriminalität geben. Der staatliche Schutzauftrag kann insoweit nur dahin gehen, diese Kriminalitätsrate nach Möglichkeiten zu verringern. Dies ist durch ausreichende Resozialisierungs- und Wiedereingliederungsangebote wesentlich effektiver und menschenwürdiger möglich, als durch das Wegsperren Einzelner, deren Auswahl – jedenfalls nach den bislang vorliegenden Studien – eher zufällig erfolgen dürfte. Die aktuelle Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung garantiert keinen Rechtsanspruch auf Therapie oder Behandlung. Etliche Sicherungsverwahrte versuchen seit Jahren vergeblich in sozialtherapeutischen Anstalten einen Therapieplatz zu bekommen. Allein bei wegen Sexualdelikten Verurteilten ist dies inzwischen bundesweit gesetzlich vorgesehen. Bei allen anderen Betroffenen wird in der Regel darauf verwiesen, dass eine Aufnahme in der Therapie „verfrüht“ erscheine oder aber dass Therapie ohne Entlassungsperspektive nicht sinnvoll sei. Dies kann jedoch nicht der Maßstab sein. Wenn man schon über das Institut der Sicherungsverwahrung diskutiert, muss dies einen behandlungsorientierten Vollzug beinhalten. Dabei soll erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei nicht um eine besondere „Begünstigung“ für verurteilte Straftäter handelt. Vielmehr dienen resozialisierungsfördernde Maßnahmen gerade dem Schutz der Allgemeinheit. Diesen Schutz zu gewährleisten und dabei möglichst wenig in Grundrechte von Betroffenen einzugreifen, ist der grundgesetzliche Auftrag des Bundes und der Länder. Man kann also nicht einerseits eine Verschärfung der Regelung zur Sicherungsverwahrung fordern und auf der anderen Seite bereits jahrzehntelange Missstände im Vollzug weiterhin hinnehmen. Durch eine wesentliche Verbesserung des Behandlungsvollzuges, entsprechende Erprobungsmöglichkeiten für Inhaftierte und durch multidisziplinäre sachverständige Begleitung und Evaluation des Vollzuges können bei einer engen Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe und den freien Trägern Rückfalltaten insgesamt wesentlich besser vermieden werden, als durch perspektivloses Wegsperren von Einzelnen. Insofern ist dieser milderen und effektiveren Möglichkeit auch gesetzlich der Vorrang zu gewähren. Die Sicherungsverwahrung ist abzuschaffen. II. Zum Gesetzesvorhaben im Einzelnen Da die Forderung nach Abschaffung der Sicherungsverwahrung in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum durchsetzbar erscheint, soll auch auf die einzelnen Regelungen des Diskussionsentwurfes des Bundesministeriums der Justiz eingegangen werden. Insofern sollen hier aus Sicht der Anwaltschaft zumindest Anregungen abgegeben werden, wie das Mittel der Sicherungsverwahrung, wenn es denn schon fortbesteht, sinnvoller ausgestaltet werden könnte. 1.    Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verurteilung; § 66 StGB Der Diskussionsentwurf spricht vorweg davon, dass die Sicherungsverwahrung auf Gefahren durch schwerwiegende Delikte gegen Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung begrenzt werden soll. Gleichzeitig ist allerdings eine solche Beschränkung im Entwurf tatsächlich nicht vorgesehen. Hiernach soll im Rahmen eines neuen § 66b Abs. 1 Nr. 1 b StGB die Sicherungsverwahrung dann im Urteil angeordnet werden können, wenn jemand – ggf. bei Vorbelastung - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist. Die weiteren Voraussetzungen werden allein in § 66 Abs. 1 Nr. 4 benannt: namentlich der Hang zu erheblichen Straftaten, ohne dass diese deliktsspezifisch eingeschränkt werden. Als Regelfälle („insbesondere“) werden hierfür die schwere körperliche oder seelische Schädigung von potentiellen Opfern genauso wie die Verursachung schweren wirtschaftlichen Schadens benannt. Insofern wird der Diskussionsentwurf gerade der Prämisse, die Sicherungsverwahrung auf schwere Gewalt- und Sexualstraftaten zu beschränken, nicht gerecht. Vielmehr besteht eine Anordnungsbefugnis weiterhin auch bei etlichen (gewaltanwendungsfreien) Vermögensdelikten, gemeingefährlichen Delikten und im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität fort. Beispielhaft soll hier nur der Wohnungseinbruchdiebstahl, der gewerbs- und bandenmäßige Betrug, die gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung oder aber das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genannt werden. Daneben sind auch weiterhin alle Raubdelikte ausreichend, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dabei kommt es nach wie vor nicht darauf an, ob Gewalt angewendet wurde oder aber Opfer der Tat schwere körperliche oder seelische Schäden erlitten haben. Auch der gewaltanwendungsfreie Raub, bei dem weder gravierende psychische, noch physische Schäden entstanden sind, bleibt im Anwendungsbereich von § 66 StGB enthalten. Dies betrifft eine nicht unerhebliche Anzahl von in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Wenn es bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbleibt, muss eine klare Beschränkung auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte erfolgen. Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte sowie Delikte, bei denen niemand gravierenden körperlichen oder seelischen Schaden genommen hat, müssen aus dem Anwendungsbereich entfallen. Insofern wird vorgeschlagen, im Rahmen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB einen klaren Katalog von Straftaten aufzuführen, die die Anordnung der Sicherungsverwahrung formell rechtfertigen können. Darunter gehören nach hiesiger Auffassung allenfalls Kapitalverbrechen und Sexualdelikte. In § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB muss materiell klargestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich dann angeordnet werden kann, wenn die erhebliche Gefahr der schweren körperlichen oder seelischen Schädigung von Opfern besteht. Dies darf nicht als Regelbeispiel festgehalten werden, sondern muss eine klare Anordnungsvoraussetzung sein. Dann wäre nämlich auch klargestellt, dass für den gewaltanwendungsfreien Raub, ohne erhebliche psychische oder körperliche Schäden, eine Sicherungsverwahrung in Zukunft nicht mehr verhängt werden kann. Soweit vorgesehen ist, dass die Gefahrenprognose gesetzlich ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Verurteilung bezogen wird, bedarf diese Regelung zumindest eines Korrektivs im Rahmen der Vollstreckungsentscheidung gem. § 67c Abs. 1 StGB und § 67d Abs. 2 StGB. Namentlich muss es hier zu einer „Beweislastumkehr“ (In dubio pro libertate!) kommen. Nur dann erscheint es angebracht, die Gefahrenprognose allein auf den Zeitpunkt des Urteils zu stützen (vgl. dazu unten, III. 2.). 2.    Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB   Der Diskussionsentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. Danach kann nach dem dort entworfenen § 66a StGB auch schon bei Erstverbüßern die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten werden, wenn nicht „mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 vorliegen“. Auf die Feststellung eines Hanges, den die Rechtsprechung bislang gefordert hat, wird im Gesetzesentwurf verzichtet. Insofern ist zu befürchten, dass in Zukunft bei jedem Verurteilten, der die formellen Voraussetzungen von § 66a StGB erfüllt, eine Sicherungsverwahrung vorbehalten wird. Denn die Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeitsprognose ist ein derart unbestimmter Rechtsbegriff, dass eine uferlose Ausweitung zu befürchten ist. Insoweit will der Gesetzgeber offensichtlich auch den Gerichten, die zur Verurteilung berufen sind, die Möglichkeit des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung erleichtern. Ein solcher erfordert – anders als ggf. die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB – offensichtlich auch weniger Gewissensanstrengung und Abwägung, da letztlich auf die Entwicklung im Vollzug abgestellt werden wird. Der Diskussionsentwurf begegnet insoweit erheblichen verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Bedenken. a)    Auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Strafurteil ist eine mit Sanktionswirkung behaftete Rechtsfolge. Bei denjenigen Verurteilten, die entgegen einer möglichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich keine Gefährlichkeitsprognose aufweisen, ist ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Schuldprinzip kaum zu vereinbarende zusätzliche Belastung zur ohnehin ausgeurteilten Strafe (vgl. abweichende Voten der Richter Broß, Osterloh und Gerhard in BVerfGE 109, 244 ff.). Dies galt schon für den bislang bestehenden § 66a StGB. Mit dem massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird jedoch ein Rechtsinstitut geschaffen, welches mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes aus Art. 103 Abs. 2 GG für die im Rahmen des Strafprozesses zu treffenden Feststellungen nicht mehr vereinbar ist. Dabei wird nicht verkannt, dass jede Gefahrenprognose eine mit den Unsicherheiten des Prognoseverfahrens behaftete Feststellung im Urteil ist. Diese ohnehin schon nur auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhende Prognose noch einmal derart zu erweitern, dass die bislang notwendige überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit (nichts anderes ist eine Prognose) wiederum nur „zumindest wahrscheinlich“ sein muss, ist eine Darstellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals, die mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar ist. b)    Auch begegnet die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in diesem Rahmen erheblichen menschenrechtlichen Bedenken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 ausgeführt, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus, bei Verurteilten, die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 1998 begangen haben, menschenrechtswidrig ist. Art. 5 Abs. 1 EMRK zählt insoweit abschließend auf, in welchen Fällen Freiheitsentzug zulässig sein soll. Danach besteht allein die Möglichkeit, die Freiheit nach einem diesbezüglichen Urteil zu entziehen. Der EGMR fordert insoweit einen engen Kausalzusammenhang zwischen der die Verurteilung begründenden Anlasstat und der daraufhin vollstreckten Rechtsfolge. Dieser Kausalzusammenhang ist im Rahmen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, wenn sie später zu einer tatsächlichen Anordnung der Sicherungsverwahrung führt, nicht mehr gegeben. Denn eine solche Anordnung wäre nach Ende des Vollzuges nur dann möglich, wenn neue Tatsachen hinzugetreten sind, die nunmehr – anders als zum Verurteilungszeitpunkt – nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit belegen, sondern eine Feststellung der negativen Gefährlichkeitsprognose ermöglichen sollen. Insofern wäre die Anlasstat, die zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung geführt hat, nur ein Anhaltspunkt für die Rechtsfolge. Die dafür notwendigen entscheidenden Feststellungen könnten erst aufgrund der Beurteilung des Verhaltens im Vollzug getroffen werden. Demnach fehlt es bei der späteren Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung an einem hinreichenden Kausalzusammenhang mit der Anlassverurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 a EMRK. c)    Auch auf die Vollzugsrealität wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erhebliche Auswirkungen haben. So fehlt es in den meisten Fällen an geeigneten therapeutischen Maßnahmen, Plätzen in der Sozialtherapie und entsprechenden Behandlungsangeboten, die es den Gefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ermöglichen würden, ihre Sozial- und Legalprognose zu verbessern. Daneben besteht ferner die Gefahr, dass es bei Durchführung von Therapiemaßnahmen – gerade bei dem im Gesetzesvorhaben erfassten Bereich der Sexualkriminalität – zu einer Scheinanpassung und nur äußerlichen Therapiewilligkeit kommt. Gefangene, die das Damoklesschwert der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung über sich schweben haben, werden kaum eine ehrliche und konfrontative Auseinandersetzung mit ihrer Persönlichkeitsproblematik im Rahmen von Therapiemöglichkeiten im Strafvollzug suchen können. Dies kann – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – ggf. sogar zu einer Erhöhung von Rückfalldelinquenz führen (vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung zum geplanten Gesetz zur Einführung einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung vom 5. Juli 2004; www.dgfs.info/DGfS_Stellungnahme.pdf). Daneben besteht die große Gefahr, dass die ohnehin schon restriktive Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen durch den massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung noch beschränkt wird. Gerade weil auch die Verlängerung der Anordnungsmöglichkeit bis ans Ende der Strafe gesetzt werden soll, werden sich die Justizvollzugsanstalten in diesen Fällen mit einer Lockerungserprobung noch zurückhaltender verhalten, als dies bislang der Fall war. Die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Erprobung darin sind jedoch für die Erweiterung der Prognosebasis – auch für die Frage der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung – von ganz erheblicher Bedeutung. Insofern wirkt sich das im Diskussionsentwurf entwickelte Modell auch hier kontraproduktiv aus. 3.    Soweit der Gesetzesentwurf die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorsieht, kann dies nur begrüßt werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist spätestens nach dem Urteil des EGMR mit der Europäischen Menschenrechtskonvention – genauso wie mit dem Grundgesetz – nicht vereinbar.  III.  Vollstreckung1.    Anwendung auf Altfälle Der Diskussionsentwurf sieht eine Anwendung bislang auf Betroffene vor, die Taten nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen haben. Dies wird mit dem Rückwirkungsverbot begründet. Dabei verkennt der Diskussionsentwurf, dass das Rückwirkungsverbot immer nur vor einer Verschärfung der Rechtsfolgen für die Betroffenen schützt und gerade nicht in der Vollstreckung  zu deren Ungunsten herangezogen werden kann. Wenn die Sicherungsverwahrung tatsächlich auf schwerwiegende Gewalt- und Sexualstraftaten begrenzt wird, so muss dies nicht nur für die in Zukunft möglichen Anordnungsfälle gelten, sondern auch für diejenigen, die sich bereits in der Unterbringung befinden oder bei denen sie nach der Anordnung im Urteil bevorsteht. Es kann nicht angehen, dass Gefangene, die wegen Betruges, Diebstahl, Betäubungsmitteldelinquenz oder anderen gewaltfreien Delikten inhaftiert sind, ohne zeitliche Begrenzung weggesperrt werden dürfen, während bei denen, die in Zukunft solche Delikte begehen, eine Sicherungsverwahrung nicht mehr angeordnet werden darf. Dies wäre schon mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Insofern muss es eine gesetzliche Regelung auch für die Altfälle geben. Vorstellbar wäre insoweit eine Vollstreckungslösung, die klarstellt, dass eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung gem. § 67d Abs. 2 StGB oder eine Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung gem. § 67c Abs. 1 StGB nur dann erfolgen kann, wenn die (neu geregelten) Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB für den heutigen Zeitpunkt positiv festgestellt werden. 2.    Beweislastumkehr in der Vollstreckung Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen wurde die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder zu erledigen, wesentlich eingeschränkt. Wenn die Sicherungsverwahrung aber äußerstes Mittel der Kriminalpolitik sein soll, muss auch hier im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsabwägungen eine dementsprechende gesetzliche Vollstreckungsregelung getroffen werden. Es kann nicht weiter darauf ankommen, dass der Untergebrachte faktisch selbst eine Gefährlichkeitsvermutung widerlegen muss. Dies ist im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsprognose ohnehin schwer möglich. Vielmehr muss auch im Rahmen der Vollstreckung gem. § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 2 StGB zu jeder Überprüfung durch die Vollstreckungsgerichte festgestellt werden, dass die im Urteil benannte Gefährlichkeit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckung positiv fortbesteht. Eine solche Regelung findet sich derzeit nur in § 67d Abs. 3 StGB für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus. Es ist weder aus Verhältnismäßigkeitsgründen, noch aus Effektivitätsgründen erkennbar, warum dieser Prüfungsmaßstab nicht auch bereits zu Beginn und während der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gelten soll. Soweit in § 67d Abs. 1 S. 1 StGB die Notwendigkeit der Feststellung der auf den Hang beruhenden Gefährlichkeit gestrichen werden soll, so führt auch das zur einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Möglichkeit der Bewährungsaussetzung. Denn dann wäre unabhängig von der ursprünglich festgestellten Gefährlichkeit im Rahmen der Anlassverurteilung jede anderweitige, ggf. vollkommen andere Rechtsgüter betreffende Gefährlichkeit für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre ausreichend. So könnte beispielsweise der wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls Verurteilte Sicherungsverwahrte, bei dem 10 Jahre später eine vermeintliche Gefährlichkeit für Gewaltdelikte festgestellt wird, deswegen weiter untergebracht werden. Dies ist jedoch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 a EMRK menschenrechtswidrig, da es an einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen Anlassdelikt, Verurteilung und Vollstreckung fehlen würde. IV. Vollzug Die Regelungskompetenz zur Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung ist zwar grundsätzlich den Ländern übertragen. Dennoch bedarf es auch im Rahmen der Stellungnahme zu aktuellen Diskussionsentwurf dazu einiger Klarstellungen. Wenn das deutsche Strafrecht als schärfste Maßnahme der Kriminalprävention, als „ultima ratio“, die Anordnung oder den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung vorsieht, so muss dem als Korrektiv zumindest ein menschenwürdiger und behandlungsorientierter Vollzug der Strafe und ggf. der späteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entgegengesetzt werden. Ziel des Strafvollzuges sollte es von Beginn an sein, die Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass in deutschen Justizvollzugsanstalten das Gegenteil der Fall ist. Insofern sollte es dazu einen klaren gesetzlichen Auftrag dazu geben (vgl. insoweit bspw. § 106 Abs. 4 JGG für Heranwachsende). 1. Sozialtherapie Im Rahmen des Vollzuges haben die jeweiligen Landesgesetzgeber bzw. der Bundesgesetzgeber bei dem in den Ländern teilweise fort geltenden Strafvollzugsgesetz den Anstalten einen großen Ermessensspielraum bei der Gewährung von behandlungsorientierten Maßnahmen eingeräumt. Dieser wird allerdings aufgrund der knappen Ressourcen und auch durch eine bestehende Kultur der Verantwortungsverschiebung auf nicht verfassungskonforme Weise ausgeübt. Daher bedarf es einer gesetzlichen Festlegung entsprechender Rechtsansprüche von Gefangenen im Vollzug, zumindest, wenn bei ihnen die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde. Solche Inhaftierte müssen bereits bei Verbüßung der Strafhaft eine angemessene Behandlung (Regelfall: Sozialtherapie) notfalls auch verbindlich gerichtlich einklagen können. Sicherlich wird nicht bei jedem Gefangenen oder Sicherungsverwahrten die Sozialtherapie eine wesentliche Verbesserung der Prognose bewirken können, jedoch ist sie in den allermeisten Fällen ein effektives und geeignetes Mittel. Insofern wäre eine gesetzliche Regelung (auch auf Bundesebene) denkbar, die die Sozialtherapie als Regelfall vorschreibt und nur in Ausnahmefällen der Vollzugsanstalt ermöglicht, anderweitige – besser geeignete – Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, zumindest wenn Inhaftierte mit ihrer Behandlung einverstanden sind. 2. Vollzugslockerungen Gleichzeitig müssen die bestehenden weiten Ermessenspielräume bei der Gewährung von Vollzugslockerungen beschränkt werden. Es sollte ein Regelausnahmeverhältnis eingeführt werden, das grundsätzlich die Gewährung von Lockerungen zur Erprobung vorsieht und nur ausnahmsweise eine Ablehnung durch die JVA ermöglicht, wenn konkrete Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtungen dargelegt werden. Auch hier besteht derzeit bundesweit eine äußerst restriktive Praxis. Sicherungsverwahrte mit Vollzugslockerungen oder solche Gefangene, die im Anschluss Sicherungsverwahrung notiert haben und Vollzugslockerungen während der Strafhaft erhalten, dürften einen Promilleanteil dieser Betroffenen ausmachen. Dem ist durch eine gesetzliche Korrektur entgegenzuwirken. Diese gesetzliche Neuregelung würden bei ihrer Umsetzung mit der Notwendigkeit einer personellen und sachlichen angemessenen Ausstattung des Vollzuges einhergehen müssen. Wenn der Gesetzgeber insoweit das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit über die Freiheitsgrundrechte Einzelner stellt, muss er auch die für die Behandlung erforderlichen Mitteil zur Verfügung stellen. 3. Externe Sachverständige und Evaluation Gleichzeitig bedarf es einer externen sachverständigen Überwachung und Begleitung der Behandlung im Vollzug. Externe multidisziplinäre Sachverständigenteams wären insoweit eine Maßnahme, um zu überprüfen, welche Behandlungsmaßnahmen wie anschlagen und was ggf. im Einzelfall verbessert werden müsste. Eine solche „Zwischenbegutachtung“ sollte spätestens zum Halbstrafenzeitpunkt bei allen Inhaftierten mit Vorbehalt oder Anschlussnotierung der Sicherungsverwahrung durchgeführt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Behandlung durch externe Beobachtung ist sinnvoll, um frühzeitig ggf. bestehenden Behandlungsdefiziten oder Fehleinschätzungen entgegenzuwirken. Gleiches gilt für die notwendige Evaluation der Behandlungsergebnisse. 4. Entlassungsbegleitung und Wiedereingliederungshilfe Letztlich bedarf es einer kompetenten, personell und sachlich ausreichend ausgestatteten effektiven Nachbetbetreuung von rückfallgefährdeten entlassenen Gefangenen. Ein dafür bislang guter Ansatzpunkt ist nach hiesigem Dafürhalten die Möglichkeit der Anbindung an die forensische Ambulanz im Sinne von § 68a StGB. Die hier bislang nur im kleinen Maßstab vorliegenden begonnenen Bemühungen müssen ebenfalls erheblich ausgebaut werden. Der Ausbau von Führungsaufsicht und Bewährungshilfe, sofern diese Gefangene nach ihrer Entlassung tatsächlich sachkundig unterstützen und nicht als bloßes Überwachungsinstrument (vgl. elektronische Fußfessel) genutzt werden, wird als milderes Mittel zur Vollstreckung von Sicherungsverwahrung begrüßt. V. Fazit * Das Instrument der Sicherungsverwahrung gehört abgeschafft. Es gibt weder eine kriminalpolitische noch eine empirisch belegte Notwendigkeit für das zeitlich unbegrenzte präventive Wegsperren von einzelnen vermeintlich gefährlichen Menschen. Ausreichende Behandlungsangebote im Strafvollzug können – nie vollständig ausschließbare – Rückfallgefahren wesentlich besser begrenzen und damit mit menschenwürdigen Mitteln den Schutz der Allgemeinheit vor schwerwiegenden Straftaten effektiver bewirken, als die Sicherungsverwahrung. Jede Form der Sicherungsverwahrung wirkt sich auf die Vollzugsrealität und damit auf den Resozialisierungserfolg kontraproduktiv aus. * Wenn es schon bei der Sicherungsverwahrung bleibt, darf es keinen Vorbehalt und keine nachträgliche Anordnung geben. Das wäre mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar. Die Anordnung im Urteil darf dann nur bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualstraftaten erfolgen, was der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz bislang allerdings nicht vorsieht. * Bereits der Strafvollzug muss darauf gerichtet sein, die spätere Vollstreckung einer angeordneten Sicherungsverwahrung zu verhindern. Dafür bedarf es eines gesetzlichen, wie tatsächlichen Ausbaus der Sozialtherapie, der Möglichkeiten der Erprobung in Vollzugslockerungen sowie der (Weiter-)Entwicklung geeigneter Behandlungskonzepte. * Es muss Zugunsten der Untergebrachten eine Ungefährlichkeitsvermutung bestehen, die durch die Vollstreckungsgerichte jeweils widerlegt werden muss, um eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung anordnen zu können: In dubio pro libertate! * Bewährungshilfe und Führungsaufsicht müssen für Hilfsmaßnahmen und Unterstützung nach einer Entlassung personell und sachlich wesentlich besser ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern und das Entwickeln gemeinsamer Konzepte zur Rückfallvermeidung können bestehende Restrisiken auf ein Minimum reduzieren. Stellungnahme des RAV zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neureglung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht (PDF)  ]]>Strafprozessrecht (doublet)Innere Sicherheit (doublet)news-152Tue, 05 Oct 2010 09:12:00 +0200Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock/publikationen/mitteilungen/mitteilung/urteile-des-verwaltungsgerichts-schwerin-zu-rechtswidrigen-freiheitsentziehungen-in-den-g8-kaefigen-von-rostock-152Pressemitteilung vom 5.10.2010Hintergrund: Mehr als 1100 Menschen waren während des G8-Gipfels in Rostock und Umgebung festgenommen und zu großem Teil in „Käfigen“ eingepfercht worden. Die „Käfige“, die in größeren Hallen auf nacktem Steinboden aufgestellt worden waren, waren überfüllt und nicht einmal mit Pritschen ausgestattet, so dass die Gefangenen auf dem blanken Boden liegen mussten. Rund um die Uhr wurden sie dort mit Hilfe von Videokameras überwacht. Einige der Betroffenen blieben auch in den „Käfigen“ noch mittels sog. Kabelbindern gefesselt. Ausreichend Trinkwasser oder Toilettengänge wurden verweigert, das Licht brannte 24 Stunden am Tag. Zudem wurde in vielen Fällen der Rechtsschutz vereitelt, Anwaltstelefonate lange Zeit verhindert, Haftrichter zu spät oder überhaupt nicht konsultiert. In ca. 95 % der Fälle, in denen eine Vorführung erfolgte, veranlassten die Haftrichter sofortige Entlassungen. 14 GlobalisierungskritikerInnen aus Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bayern hatten nach dem G8-Gipfel beim Verwaltungsgericht Schwerin Klagen wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung, Fesselung, unmenschlichen Haftbedingungen und Verweigerung von Anwaltskontakten während ihrer Inhaftierung eingereicht. Zudem wurde Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung u.a. gegen den Leiter der Gefangenensammelstelle gestellt. Gerichtsurteile: Im Laufe der anhängigen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht Schwerin bereits vor einigen Monaten gegenüber den Prozessbeteiligten darauf hingewiesen, dass es die Rechtsauffassung der Kläger teile und ihre Klagen begründet sein dürften. Auch hinsichtlich der Art und Weise der Behandlung der KlägerInnen im Gewahrsam bestehe wohl ein Anspruch der KlägerInnen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit. In Folge dessen erkannte auch die Polizeidirektion  Rostock an, dass die Klagen zu Recht erhoben wurden. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat daraufhin sog. Anerkenntnisurteile erlassen und nicht nur festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme als solches rechtswidrig waren, sondern darüber hinaus, „dass die Art und Weise der Behandlung im Gewahrsam, insbesondere die Unterbringung, die Videographie und die Fesselung der Klägerin wie auch die verspätete Gewährung bzw. Nichtgewährung eines Telefonats mit einer Person des Vertrauens rechtswidrig gewesen ist.“ Die Betroffenen werden nun durch ihrer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen prüfen lassen. Neben der Rehabilitierung ging es den Betroffenen bei den Feststellungsklagen auch darum, die Desinformationspolitik seitens der Polizei und des Schweriner Innenministers Lorenz Caffier (CDU) zu thematisieren und eine solche Praxis in Zukunft zu verhindern. Insbesondere Innenminister Caffier hatte nach dem G8-Gipfel mehrfach gegenüber Medien und Parlamentsausschüssen versucht, die Massenverhaftungen als legitim darzustellen, die unmenschlichen Haftbedingungen zu bagatellisieren sowie die Fesselung in den Gefangenensammelstellen und die Verweigerung von Anwaltskontakten zu leugnen. „Solch einem unverantwortlichen Handeln und einer derart menschenrechtswidrigen Praxis erteilten die Gerichte eine klare Absage“, kommentiert Britta Eder. Der RAV fordert die Polizei und die weiteren verantwortlichen Stellen in den Innenministerien des Bundes und der Länder auf, diese Entscheidungen ernst zu nehmen und bei Großereignissen, wie beispielsweise den bevorstehenden Massenprotesten gegen Atommüll-Transporte ins niedersächsische Gorleben, die Grundrechte protestierender Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwältin Britta Eder, Tel-Nr. 0176-207 56 46 oder 040/32033756 zur Verfügung. Pressemitteilung: Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock (PDF)]]>Demonstrationsfreiheit (doublet)Innere Sicherheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Polizeirecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-151Fri, 01 Oct 2010 10:50:00 +0200Demokratie statt Integration - Nein zur Ausgrenzung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/demokratie-statt-integration-nein-zur-ausgrenzung-151Pressemitteilunghttp://www.demokratie-statt-integration.kritnet.org/#top
        Stellungnahme unterzeichnen http://www.demokratie-statt-integration.kritnet.org/#form

        ErstunterzeichnerInnen

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        ]]>
        Migration & Asyl (doublet)
        news-139Fri, 10 Sep 2010 09:27:00 +0200Menschenrechtswidrige Sicherungsverwahrung? Welche Konsequenzen folgen aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtswidrige-sicherungsverwahrung-welche-konsequenzen-folgen-aus-der-entscheidung-des-europaeischen-gerichtshofs-fuer-menschenrechte-139Diskussionsveranstaltung, Hamburg, 20.10.2010
        Moderation: Carsten Gericke (Rechtsanwalt, RAV)

        Mit Urteil vom 17.12.2009 entschied der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass Deutschland mit der im Jahre 1998 eingeführten rückwirkenden Aufhebung der 10-Jahresfrist bei erstmaliger Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Trotz des einstimmigen Votums, das auch durch die deutsche Richterin am EGMR, Renate Jäger, mitgetragen wurde, versuchte die Bundesregierung, die zu erwartenden Konsequenzen dieser Entscheidung durch Anrufung der Große Kammer des EGMR zu umgehen. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 10.5.2010 abgelehnt. Die Entscheidung des Gerichtshofs vom 17.12.2009 und die darin aufgezeigten Verstöße sowohl gegen das Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK) als auch gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 7 EMRK) haben das Konzept der Sicherungsverwahrung grundlegend in Frage gestellt. Derzeit sind am EGMR ca. 40 weitere Beschwerden gegen Deutschland wegen sonstiger Regelungen zur Sicherungsverwahrung anhängig. Sechs Beschwerden betreffen die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Unfähig oder unwillig die Praxis der Sicherungsverwahrung zügig menschrechtskonform auszugestalten, ignorierten Justizvollzug und Politik bis zuletzt die absehbaren Entlassungen einer Reihe von Gefangenen, die teilweise ohne nennenswerte Lockerungen seit mehr 25 Jahren hinter Gittern saßen. Auch nach dem Urteil im Dezember 2009 wurde es versäumt, die Sicherungsverwahrten auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Stattdessen führten reißerische Medienberichte nach der ersten Entlassung zu menschenjagd-ähnlichen Vorkommnissen. Vor diesem Hintergrund stellen sich eine Vielzahl diskussionswürdiger Fragen nach dem Sinn und Zweck der Sicherungsverwahrung, den rechtlichen Grenzen der Anordnung, insbesondere im Hinblick auf aktuelle Gesetzesentwürfe zur Neuregelung sowie nach Mindestanforderungen eines menschenwürdigen und auf Resozialisierung angelegten Vollzugs. Datum: Mittwoch, 20. Oktober 2010
        Uhrzeit: 18.30 Uhr
        Ort: Universität Hamburg, Rechtshaus-Hörsaal, Rothenbaumchaussee 33, 20146 Hamburg Der Eintritt ist frei.
        Veranstalter: Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ)
        Unterstützt durch:Republikanischer Anwältinnen– und Anwälteverein e.V. (RAV)
        Humanistische Union (HU)  ]]>
        Strafprozessrecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-138Thu, 29 Jul 2010 11:27:00 +0200Stellungnahme zum Eckpunktepapier über die geplante Reform der Sicherungsverwahrung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-eckpunktepapier-ueber-die-geplante-reform-der-sicherungsverwahrung-138Stellungnahme
        Nachdem bereits im Koalitionsvertrag angekündigt war, die gesetzlichen Grundlagen der Sicherungsverwahrung zu reformieren, ist nunmehr spätestens nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.12.2009 und deren Rechtskraft neuer Wind in die Diskussion um die Gesetzesreform gekommen. Insoweit ist es außerordentlich zu begrüßen, dass eine längst überfällige Überarbeitung der Vorschriften zur Sicherungsverwahrung zeitnah umgesetzt werden soll. Inhaltlich bestehen jedoch gegen die Vorstellungen, die aus dem Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz hervorgehen, aus praktischer Sicht erhebliche Bedenken. 1. Bedauerlich ist, dass die Chance, die das Urteil des EGMR mit sich bringt, die Sicherungsverwahrung als strafrechtliche Maßnahme grundsätzlich zu überdenken, nicht genutzt wird. Die meisten unserer europäischen Nachbarländer haben ein ähnliches Institut nicht normiert. Die Länder der EU, die über vergleichbare Rechtsinstitute verfügen, knüpfen an diese wesentlich höheren Voraussetzungen als die Bundesrepublik Deutschland. Insoweit im Eckpunktepapier darauf verwiesen wird, dass Lösungen gefunden werden müssen, die den Schutz der Bevölkerung vor Gefahren, die vom (potentiell) betroffenen Personenkreis ausgehen, sicherstellen sollen, so ist dies nach hiesiger Auffassung durch das Institut der Sicherungsverwahrung ohnehin nicht effektiv zu erreichen. Dabei wird von hieraus nicht verkannt, dass der Schutz von potentiellen Opfern, insbesondere bei schwerwiegenden Gewalt- oder Sexualstraftaten, ein wichtiges und unterstützenswertes Anliegen ist. Ein (umfassender) Schutz vor schwerwiegenden Straftaten, der dem Bürger durch die Maßnahme der Sicherungsverwahrung suggeriert werden soll, ist allerdings eine Illusion. Vielmehr ermöglicht die Maßregel der Sicherungsverwahrung ein Wegsperren aufgrund einer – zweifellos niemals sicheren – Kriminalitätsprognose auf unbeschränkte Dauer. Die Tendenz der Sachverständigen und Vollstreckungsgerichte orientiert sich ganz klar an der Prämisse „in dubio pro securitate“ – im Zweifel für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung. Bislang konnte - auch deswegen - noch nicht valide untersucht werden, welcher Anteil der gestellten Prognosen tatsächlich fehlerhaft und welcher zutreffend kriminalprognostisch negativ gewesen ist. Nach ersten Erhebungen kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der falsch negativ prognostizierten Untergebrachten bei über 85 %, wenn nicht sogar etwa 95 %, liegt (vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N.) – oder anders gesagt: Es muss davon ausgegangen werden, dass 10 - 20 Sicherungsverwahrte zu Unrecht inhaftiert bleiben müssen, damit die potentielle Rückfalltat eines Sicherungsverwahrten verhindert wird. Dabei gibt gerade die in den letzten Jahren signifikant gesunkene Kriminalitätsrate keinerlei Anlass für ein solch erhebliches Sonderopfer. Der EGMR hat insoweit auch festgestellt, dass die Vollzugsbedingungen in Deutschland – insbesondere was den Vollzug der Sicherungsverwahrung betrifft – nicht konventionsgerecht sind. Ein sinnvoller Schutz vor weiteren möglichen Straftaten, die niemals ausgeschlossen werden können, kann effektiv nur dadurch erreicht werden, dass sinnvolle Behandlungs- und Resozialisierungsmaßnahmen in der Haft angeboten und auch genutzt werden. Gefangene müssen darin gefördert und dazu motiviert werden, die Ursachen ihrer Delinquenz zu erkennen, diese aufzuarbeiten und Strategien zur Delinquenzvermeidung in der Zukunft zu entwickeln. Dafür sind nicht ansatzweise genügend personelle und sachliche Mittel in deutschen Justizvollzugsanstalten vorhanden. Ein möglichst sicherer Verwahrvollzug erfüllt jedoch weder menschenrechtliche Anforderungen, noch ist er dazu geeignet, spätere mögliche Rückfalltaten zu vermeiden. Nicht umsonst stellt ein wesentlicher statistischer Faktor, der für eine erneute Rückfälligkeit spricht, bereits die Verbüßung einer Freiheitsstrafe für sich genommen dar, was bestätigt, dass Inhaftierung unter den bisherigen Vollzugsbedingungen die Rückfallgefahr erhöht – und nicht ihr entgegenwirkt. Insofern müssen Vollzugskonzepte überdacht, geändert und ausreichend finanziert werden. Die derzeitige Praxis, einige – potentiell gefährliche – Straftäter ohne geeignete Behandlungsperspektive und ohne zeitliche Begrenzung wegzusperren, führt weder zu einer messbaren Reduzierung von (Rückfall-)Delinquenz, noch zu einem verbesserten Opferschutz, noch zu menschenwürdigen Vollzugsbedingungen. Vielmehr fehlen die für die unbefristete Verwahrung von Menschen aufgewendeten Ressourcen bei resozialisierungsfördernden Maßnahmen im Vollzug, bspw. beim Ausbau der Sozialtherapie. 2. Wenn unter der zuvor dargestellten Prämisse schon eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung, ggf. unter verbesserten Führungsaufsichts-, Bewährungs- und Vollzugsmodalitäten nicht diskutiert wird, so soll zumindest zu den wesentlichen Punkten des Eckpunktepapiers von hieraus Stellung bezogen werden. a.    Die bereits vom Bundestag beschlossene Einführung einer Divergenzvorlage zum BGH wird für sinnvoll erachtet. Derzeit wird die Frage der Umsetzung des Urteils des EGMR durch eine Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungswege der Oberlandesgerichte gekennzeichnet. Während manche Bundesländer eine Umsetzung kategorisch ablehnen, werden anderswo bereits Sicherungsverwahrte auf die Entlassung vorbereitet und in die Freiheit begleitet. Eine solche Ungleichbehandlung kann nicht Sinn der bundeseinheitlich normierten gesetzlichen Grundlage der Maßregel sein. Insofern wird die zügige Umsetzung einer Entscheidungsmöglichkeit des Bundesgerichtshofs in solchen Fällen befürwortet, letztlich auch im Interesse der Untergebrachten auf eine konsequente Umsetzung der Entscheidung aus Strassburg. b.    Die Stärkung der Führungsaufsicht durch die Einführung einer elektronischen Fußfessel löst die Probleme, die bei einer Entlassung von Gefangenen entstehen, nicht und begegnet zudem ganz erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr ergibt sich aktuell die Situation, dass – ohne begleitende entlassungsvorbereitende Maßnahmen – eine nicht unerhebliche Anzahl von Sicherungsverwahrten entlassen werden muss. Diese benötigen in erster Linie soziale Wiedereingliederungshilfe, entsprechende Beratung und Unterstützung. Dafür müssen in ausreichender Art und Weise personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dies gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die ansonsten – soweit von hieraus einschätzbar – unzureichend ausgestatteten Mittel der Bewährungshilfe. Nur wenn ausreichende Hilfsangebote vorhanden sind, können ggf. Möglichkeiten der Überwachung der Einhaltung von Auflagen sinnvoll zu einer rückfallfreien Wiedereingliederung der Entlassenen beitragen. Ob neben erheblichen weiteren Bedenken, die an dieser Stelle (noch) nicht diskutiert werden sollen, dafür tatsächlich eine Aufenthaltsbestimmung des Betroffenen durch eine so genannte elektronische Fußfessel zielführend ist, soll von hieraus ausdrücklich in Frage gestellt werden. 3.    Zu den einzelnen Punkten der geplanten Reform der Sicherungsverwahrung nach dem Eckpunktepapier: a. Eine Beschränkung des Anwendungsbereiches bei der primär angeordneten Sicherungsverwahrung wird ausdrücklich begrüßt. Längst überfällig ist insoweit auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Konzentration auf Straften vorzunehmen, die von gravierender Schwere sind. Insoweit sollten allerdings bei einer gesetzlichen Neuregelung der Sicherungsverwahrung bislang genutzte unbestimmte Rechtsbegriffe soweit möglich vermieden und, wenn es schon bei einer primären Anordnung der Sicherungsverwahrung bleibt, ein Katalog möglicher Straftaten explizit aufgeführt werden, die eine Anordnung der Sicherungsverwahrung ermöglichen können. Dieser Katalog sollte auf schwerste Sexualstraftaten, sowie schwere Taten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit begrenzt sein. Klar geregelt werden sollte, dass anderweitige Delinquenz aus dem Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung, also auch bei der Beurteilung von Symptomtaten, entfällt - so etwa Vermögensdelinquenz, Betäubungsmitteldelinquenz und vergleichbare Kriminalität. Auch der Tatbestand des Raubes mit seinen Qualifikationen, der Grundlage für eine nicht unerhebliche Zahl der Anordnungen von Sicherungsverwahrung ist, sollte als mögliche Symptom- oder Anlasstat entfallen. In den Fällen, in denen zeitgleich erhebliche Gewalt bei der Durchführung eines Raubes angewendet wird, ist tateinheitlich eine Gewalttat begangen, die wiederum die Anordnung von Sicherungsverwahrung begründen kann. Gewaltanwendungsfreie Raubtaten sollten die Anordnung der Maßregel nicht erlauben. Von der dann neu geregelten Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwerwiegende Delikte im Bereich der Gewalt- und Sexualdelinquenz sollten auch diejenigen profitieren, die bspw. bereits aufgrund von Vermögensdelikten in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind. Es wäre ein klarer Wertungswiderspruch, wenn in Zukunft Sicherungsverwahrung aufgrund solcher Delikte nicht mehr angeordnet werden kann, gleichzeitig sich jedoch eine nicht unerhebliche Zahl von Sicherungsverwahrten weiterhin aufgrund der bestehenden Anordnung in Unterbringung befindet. Derartige „Altfälle“ könnten auch insoweit neu geregelt werden, da die Fortdauer der Sicherungsverwahrung zukünftig davon abhängig gemacht werden kann, dass erhebliche Gewalt- und Sexual(katalog)taten zu erwarten sind - ansonsten muss eine Erledigung der Maßregel erfolgen. b. Soweit nunmehr klargestellt werden soll, dass die nach § 66 StGB erforderliche Gefahrenprognose zum Zeitpunkt der Verurteilung gelten soll, so wird dies in der Praxis weitestgehend auch ohne Gesetzesänderung schon umgesetzt. Problematisch an dieser Regelung ist allerdings, dass ein Abstellen auf den Verurteilungszeitpunkt nur dann Sinn macht, wenn gem. § 67c Abs. 1 StGB auch rechtzeitig, das heißt, in ausreichendem Abstand zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, umfassend geprüft wird, ob eine Vollstreckung der Sicherungsverwahrung noch erforderlich ist. Insoweit wäre korrespondierend dazu eine gesetzliche Neuregelung sinnvoll, die klarstellt, dass zum Zeitpunkt der Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB eine Gefährlichkeit, die für sich genommen eine Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen würde, positiv festgestellt werden muss (und eben nicht mehr belegt werden muss, dass die im Urteil festgestellte Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Verurteilung zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr vorliegt, um die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen). Eine solche „Beweislastumkehr“ würde nicht nur die Verhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung als „ultima ratio“ der Prävention stärker in den Vordergrund stellen. Sie wäre auch im Hinblick auf die Abwägung zwischen Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und möglichen – immer nur potentiell bestehenden – Gefahren für die Allgemeinheit eine sinnvolle Beschränkung des Anwendungsbereiches, die dann wiederum die Feststellung der Gefährlichkeitsprognose im Urteil zum Zeitpunkt der Verurteilung rechtfertigen würde. c. Soweit der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Urteil durch die Gesetzesreform gestärkt werden soll, wird dies weder kriminalpräventiv noch vollzugspraktisch für sinnvoll erachtet. aa.   Bereits in der bisherigen Praxis hat sich erwiesen, dass die Anwendung von § 66a StGB in verfassungskonformer Art und Weise faktisch schwer bis nicht möglich ist. Zudem stellt der Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung mit dem Merkmal der „Wahrscheinlichkeit“ des Vorliegens einer hangspezifischen Gefahr auf Tatbestandsmerkmale ab, die dem Strafrecht grundsätzlich fremd sind. Kann eine Kammer – zugunsten des Angeklagten – nicht sicher feststellen, dass eine hangspezifische Gefährlichkeit besteht, so ist eine Sicherungsverwahrung nicht anzuordnen. Ein Vorbehalt aufgrund unsicherer Feststellungsmöglichkeiten stellt insoweit auf die Entwicklungsmöglichkeiten im Vollzug ab. Diese sind zum einen in nicht ausreichender Form gegeben (s. o.). Zum anderen ist dann die endgültige Beurteilung, ob eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung tatsächlich angeordnet werden soll, nichts anderes, als eine unabhängig vom Tatvorwurf erfolgende erneute Anordnung der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßnahme, die wiederum mit den klaren Vorgaben des EGMR nicht vereinbar wäre. Es würde namentlich auch hier an einer hinreichenden Kausalität zwischen Anlassdelikt und Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung fehlen. bb.   Insoweit macht auch die Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung für so genannte Ersttäter wenig Sinn. Denn gerade bei Ersttätern – auch gravierender Delikte – wird im Zweifel schwer festgestellt werden können, ob eine hangbedingte Gefährlichkeit vorliegt. Es muss im Zweifel zugunsten des Ersttäters gelten, dass er im Vollzug die Chance erhalten wird, gerade die bei ihm erstmals festgestellte Delinquenz entsprechend aufzuarbeiten und im Rahmen einer geordneten Bewährungsentlassung auch eine Erprobung zu bestehen. Ein solcher Weg, der geeignet wäre, mögliche zukünftige Straftaten zu verhindern, wird gerade durch den Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung praktisch versperrt. Denn die damit einhergehende Stigmatisierung und dementsprechende Handhabung des Vollzuges führt im Zweifel zu einer Verschärfung der Vollzugsrealität und damit gerade zu einer Verstärkung der Problematik bei den betroffenen Inhaftierten. cc.   Wenn schon ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ausgebaut werden soll, ist es aus praktischer Perspektive nicht zu empfehlen, den Zeitpunkt der Prüfung der endgültigen Anordnung erst auf das Ende des Vollzuges zu setzen. Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung, sofern er bislang überhaupt praxisrelevant ist, führt in der Regel dazu, dass eine sinnvolle Entlassungsplanung und Vorbereitung durch Erprobung in Freiheit nicht möglich ist. Denn dies wird in der Regel von den Justizvollzugsanstalten davon abhängig gemacht, dass die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht erfolgt. Demnach macht es auch Sinn, dass ein fester Zeitpunkt wesentlich vor Ablauf von 2/3 der Freiheitsstrafe eingehalten wird, um spätestens danach eine mögliche Erprobung und auch Weiterbehandlung des Gefangenen in einem ausreichend planungssicheren Rahmen zu ermöglichen. Bleibt die (vorbehaltene) Sicherungsverwahrung tatsächlich auf gravierende Gewalt- und Sexualdelikte beschränkt, so wird sie in der Regel auch mit der Verhängung erheblicher Freiheitsstrafen einhergehen. Insoweit kann zum 2/3 Termin bzw. ein halbes Jahr vor dem Ablauf des 2/3-Zeitpunktes bei solch erheblichen Freiheitsstrafen bereits ausreichend beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen. Diese müssen positiv festgestellt werden. Wenn dies auch kurz vor Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe, wie schon zum Verurteilungszeitpunkt, nicht erfolgen kann, muss – auch um Planungssicherheit für den weiteren Vollzug und die Erprobung in Freiheit zu haben – eine endgültige Entscheidung erfolgen. Dies dient letztlich auch dem Schutz der Allgemeinheit, da eine unter Resozialisierungsgesichtspunkten erfolgte Wiedereingliederung in die Gesellschaft in der Regel dazu geeignet ist, mögliche Rückfalltaten effizient zu verhindern. d. Soweit die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gefordert wird, kann dies nur ausdrücklich unterstützt werden. Spätestens nach der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 ist klar, dass ein solches Rechtsinstitut der menschenrechtlichen Prüfung nicht Stand hält. Wenn schon die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus bei Verurteilungen vor der Gesetzesreform 1998 konventionswidrig ist, dann gilt dies erstrecht für die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die keinerlei hinreichenden Kausalzusammenhang zur Anlasstat erfasst. Die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hatte zudem, wie es auch im Eckpunktepapier dargestellt wird, erhebliche und verheerende Auswirkungen auf die Vollzugsrealität gerade von als rückfallgefährdet eingeschätzten Strafgefangenen. Insofern muss hier schnellstmöglich eine gesetzliche Reformierung erfolgen, die die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung beendet. Auch so genannte „Altfälle“, also die Fälle von nachträglicher Sicherungsverwahrung, deren Anordnung vor der geplanten Gesetzesreformierung rechtskräftig geworden ist, müssen davon erfasst werden. Nach den zutreffenden Ausführungen des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 12.05.2010 (4 StR 577/09) findet die Rechtsprechung des EGMR auch auf die Frage der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung Anwendung. Insoweit ist auch die vor der geplanten Gesetzesnovellierung erfolgte Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig. Es wäre demnach eine Frage der Zeit, bis spätestens der EGMR, wenn nicht zuvor das Bundesverfassungsgericht (bspw. in dem Verfahren 2 BvR 2846/09), die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig bzw. menschenrechtswidrig erklärt. Insofern wäre eine Gesetzesreform, welche die „Altfälle“ der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nicht berücksichtigt, allein kosmetischer Natur. Es würde daher begrüßt werden, wenn eine Neuregelung geschaffen wird, die mit den konventionsrechtlichen Anforderungen und den Vorgaben des EGMR konsequent umgeht, wobei aktuell auf Länderebene eine Vorbereitung der Entlassung der bereits von der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung betroffenen Untergebrachten effektiv erfolgen müsste. e. Soweit Auswirkungen der Gesetzesreform auf das Jugendgerichtsgesetz noch nicht Gegenstand der Überlegungen sind, so wird darauf hingewiesen, dass auch die (nachträgliche) Anordnung von Sicherungsverwahrung für Heranwachsende und Jugendliche dringend einer Reformierung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR bedürfen. Dies sollte unter den oben genannten Prämissen ebenfalls zügig in Angriff genommen werden.]]>
        Strafprozessrecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-137Wed, 28 Jul 2010 15:06:00 +0200Filmen verboten: Erfolgreiche Klage gegen polizeiliche Filmaufnahmen bei Großdemonstration/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmen-verboten-erfolgreiche-klage-gegen-polizeiliche-filmaufnahmen-bei-grossdemonstration-137Mitteilung Das Verwaltungsgericht Berlin (VG) entschied mit Urteil vom 26. Juli 2010, dass das Filmen einer Anti-AKW-Großdemonstration am 5. September 2010 durch Einsatzkräfte der Polizei rechtswidrig war (Aktenzeichen VG 1K 905.09).

        Mit Unterstützung der Holtfort-Stiftung und des RAV hatten die BI Lüchow-Dannenberg als Mitveranstalterin der Demonstration „mal richtig abschalten“ sowie ein Versammlungsteilnehmer Klage erhoben. Das VG stellte nun fest, dass die Kameraüberwachung der friedlichen Demonstration gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verstoßen hat.
        Rund 50.000 Menschen demonstrierten am 5. September 2009 in Berlin gegen die Atomkraft und für den Abbruch des Endlagerprojekts in Gorleben, angeführt wurde die Demo von Treckern der Bäuerlichen Notgemeinschaft.
        Während des Aufzuges vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor fuhr ein Kleintransporter wenige Meter vor der Spitze des Demo-Zuges; Einsatzkräfte der Polizei filmten permanent den Aufzug mit mehreren auf dem Dach des Transporters montierten Kameras: “Filmen verboten!”, forderten einzelne Demo-Teilnehmer an der Spitze des Zuges.
        Mit Erfolg: das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass die Überwachung der Demo am 5. September mittels Bildaufnahmegeräte (Video- bzw. Filmkameras) rechtswidrig war. Die Argumentation der Polizei, die Filmaufnahmen nach dem “Kamera-Monitor-Prinzip” dienten allein der Verkehrslenkung und der Leitung des Polizeieinsatzes, ließ das Verwaltungsgericht nicht gelten. Auf neun Seiten führen sie aus, dass sie in der Dauerbeobachtung der Versammlung einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit sehen und eine Einschüchterung der Demonstranten nicht auszuschließen sei: “Denn wenn der einzelne Teilnehmer der Versammlung damit rechnen muss, dass seine Anwesenheit oder sein Verhalten bei einer Veranstaltung durch Behörden registriert wird, könnte ihn dies von einer Teilnahme abschrecken oder ihn zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden”, heißt es zutreffend in den Urteilsgründen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils wurde die Revision zugelassen.

        Der RAV wendet sich seit längerem gegen zunehmende Beschränkungen der Demonstrationsfreiheit durch behördliche Auflagen sowie die Videoüberwachung von Versammlungen. Bereits im August 2009 hatte das Verwaltungsgericht Münster mit ähnlichen Erwägungen festgestellt, dass friedliche Demonstrationen nicht gefilmt werden dürfen.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-136Thu, 01 Jul 2010 13:24:00 +0200EuGH: EU-Terrorismuslisten für ungültig erklärt. Keine Strafverfolgung für Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz vor Juni 2007/publikationen/mitteilungen/mitteilung/eugh-eu-terrorismuslisten-fuer-ungueltig-erklaert-keine-strafverfolgung-fuer-verstoesse-gegen-das-aussenwirtschaftsgesetz-vor-juni-2007-136PressemitteilungRAV – Geschäftsführer Rechtsanwalt Carsten Gericke Tel. 040-43135110
        Martin Dolzer, Rechtsanwaltsbüro Britta Eder Tel. 0176 207 05 646 Weitere Informationen zu dem Verfahren: Urteil des EuGHPressemitteilung des EuGH (pdf)   ]]>
        Europa (doublet)Repression in Europa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-135Tue, 29 Jun 2010 11:13:00 +0200Zivilgesellschaft fordert Stopp des europaweiten Zwangs zur Vorratsdatenspeicherung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/zivilgesellschaft-fordert-stopp-des-europaweiten-zwangs-zur-vorratsdatenspeicherung-135Pressemitteilung
        Die 2006 beschlossene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zwingt in ihrer gegenwärtigen Fassung alle Telekommunikations- und Internetanbieter, Daten über die Kommunikation sämtlicher ihrer Kunden zu sammeln. Die Unterzeichner des Briefes warnen, dass eine solche allgemeine Verbindungsdatenaufzeichnung vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens durch Datenpannen und -missbrauch aussetzt, unvertretbare Kosten nach sich zieht und die Kommunikationsfreiheit Unschuldiger unzumutbar behindert. "Eine generelle Verbindungsdatenspeicherung hat sich in vielen Staaten Europas als überflüssig, schädlich oder sogar verfassungswidrig herausgestellt", so die Organisationen weiter.

        In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht im März einer von 30.000 Menschen unterstützten Verfassungsbeschwerde stattgegeben und die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben. Unter Berufung auf die fortbestehende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung fordern CDU und CSU jedoch ihre Wiedereinführung in Deutschland. Im Mai entschied der irische High Court in Dublin, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Die EU-Kommission prüft zurzeit eine Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.]]>
        Innere Sicherheit (doublet)ÜberwachungBürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-134Tue, 29 Jun 2010 10:02:00 +0200Sparpaket: Return to Sender ! Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte warnen vor den Folgen zunehmender Verarmung, Frustration und Ausgrenzung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sparpaket-return-to-sender-richterinnen-und-richter-staatsanwaeltinnen-und-staatsanwaelte-warnen-vor-den-folgen-zunehmender-verarmung-frustration-und-ausgrenzung-134Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung e.V. (NRV)- Bundesbüro-
        Greifswalder Str. 4
        10405 Berlin
        Tel. 030 - 420 223 49
        Fax  030 - 420 223 50
        sekretariat@nrv-net.de
        www.nrv-net.de  ]]>
        Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-133Sat, 19 Jun 2010 10:59:00 +0200Überwachung rechtswidrig: Generalbundesanwalt berücksichtigte entlastendes Material nicht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ueberwachung-rechtswidrig-generalbundesanwalt-beruecksichtigte-entlastendes-material-nicht-133Pressemitteilung
        Zu diesen Vorgängen erklärt der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV):

        Es ist nicht hinnehmbar, dass allein aufgrund von Vermutungen und politischer Orientierung Personen über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren rechtswidrig überwacht werden können. Mit dem Beschluss erweist sich die richterliche Vorabkontrolle von Telefonüberwachungen und Observationen, die rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen eigentlich verhindern sollte, wieder einmal als weitgehend wirkungslos. Aus Sicht des RAV ist es nicht ausreichend, die Staatsanwaltschaften zu verpflichten, auch entlastende Umstände in ihren Anträgen vollständig wiederzugeben. Gerade bei länger andauernden heimlichen Ermittlungsmaßnahmen muss der Ermittlungsrichter eine eigenständige Prüfung anhand des gesamten Akteninhalts vornehmen. Eine nur nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, wie sie der Bundesgerichtshof jetzt ausgesprochen hat, ersetzt auch nicht den Schutz der Betroffenen vor tiefen Grundrechtseingriffen. Dass die Richter am Bundesgerichtshof derart deutliche Worte finden ist richtig und überfällig. Es lässt aber befürchten, dass auch in anderen Verfahren ähnlichen Hintergrundes das Funktionieren der rechtsstaatlichen Institutionen zweifelhaft ist und insbesondere von Seiten der Generalbundesanwaltschaft massiv gegen Grundrechtsgarantien verstoßen wird. Für die  Betroffenen bedeutet die Telefonüberwachungen und Observationen massive Verletzungen ihrer Persönlichkeitsrechte über viele Jahre hinweg.

        Link zum Urteil]]>
        news-132Thu, 20 May 2010 19:40:00 +0200Grundrechte-Report 2010: Ex-Bundesinnenminister warnt vor weiteren Schritten zum Überwachungsstaat/publikationen/mitteilungen/mitteilung/grundrechte-report-2010-ex-bundesinnenminister-warnt-vor-weiteren-schritten-zum-ueberwachungsstaat-132Mitteilung"Auch in einer gefestigten Demokratie sind die Grundrechte nicht vor offener oder schleichender Aushöhlung sicher. Das zeigt der Report am Beispiel zahlreicher Einzelfälle und an einer Reihe von staatlichen Maßnahmen", bilanzierte Gerhart Baum den Zustand der Verfassungswirklichkeit in Deutschland. Dies sei im Grundrechte-Report anschaulich dokumentiert: "ELENA ist ein weiterer Schritt hin zum Überwachungsstaat, ebenso die Auslieferung der Kontodaten an die USA ohne wirksamen Datenschutz (SWIFT). Gefährdet ist das ohnehin verstümmelte Asylrecht und immer wieder das Demonstrationsrecht." Baum betonte in seinem Vortrag: "Der Kampf um die Grundrechte ist auch ein Kampf gegen die Gleichgültigkeit vieler Bürger. Die Freiheit schenkt sich nicht!".

        Mit zahlreichen Beispielen belegt der Grundrechte-Report 2010, dass nach wie vor die meisten Eingriffe in die Grundrechte von Maßnahmen der Exekutive ausgehen: Polizeiliche Videoüberwachung, Vorkommnisse um den NATO-Gipfel in Straßburg und Kehl, Untergrabung der journalistischen Unabhängigkeit durch Absetzung des ZDF-Intendanten. Auch exterritoriale Grundrechtsverletzungen werden thematisiert - wie die Tötung von Zivilisten bei der Bombardierung der Tanklaster in Kunduz im Sommer 2009 sowie der Kampf gegen Piraterie vor Somalia.

        Von Seiten der Herausgeber hob Marei Pelzer, PRO ASYL, als positive Entwicklung hervor, dass die im Grundrechte-Report geforderte Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention am 3. Mai 2010 von der Bundesregierung beschlossen worden sei. "Jetzt steht die Politik in der Pflicht, Flüchtlingskinder nicht länger wie Kinder zweiter Klasse zu behandeln. Sie gehören nicht in Abschiebeknäste." Der Report zeige anhand vieler Beispiele, dass Nichtdeutschen grundlegende Menschenrechte oftmals vorenthalten werden. Herausgeber Till Müller-Heidelberg, ehemaliger Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, kritisierte die ungebremste Datensammelwut staatlicher Behörden. Der geplanten Neuverhandlung des SWIFT-Abkommens - das nur durch das Europäische Parlament vorläufig verhindert worden sei - sei entschieden entgegenzutreten. "Die Arbeitnehmergroßdatenbank ELENA schafft den gläsernen Arbeitnehmer und ist mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit schlicht unvereinbar."

        Aus Sicht einer Betroffenen wurde ein Einzelfall staatlicher Kindesentziehung geschildert.

        Die Herausnahme eines Kindes aus einer Familie - aufgrund fragwürdiger Atteste - zeigt, wie schwerwiegend staatliche Stellen in die private Lebensführung eingreifen können und wie sehr eine rechtsstaatliche Kontrolle solcher Prozesse nötig, im vorliegenden Fall jedoch unterblieben ist.

        Der jährliche Report zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland zieht auch in seinem 14. Erscheinungsjahr mit 53 Beiträgen kritisch Bilanz zum Zustand der Grundrechte.

        Der im Fischer Taschenbuch Verlag verlegte, 1997 erstmals erschienene Grundrechte-Report versteht sich als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Neun Bürger- und Menschenrechtsorganisationen dokumentieren darin jährlich den Umgang mit dem Grundgesetz.

        Grundrechte-Report 2010 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland;

        Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, K. Schubert, M. Pelzer, A. Würdinger, M. Kutscha, R. Gössner und U. Engelfried;

        Fischer Taschenbuch Verlag; Mai 2010

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        Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-130Thu, 20 May 2010 11:58:00 +0200Strafverfahren zum 1. Mai 2009 / Berufungsurteil gegen Christan P./publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-zum-1-mai-2009-berufungsurteil-gegen-christan-p-130PressemitteilungVerurteilung trotz erheblicher Widersprüche Zum heutigen Berufungsurteil gegen Christan P. erklärt die Rechtsanwältin Maren Burkhard, Mitglied im Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein (RAV), die Verteidigung sehe in zentralen Punkten deutliche Hinweise, dass Polizeizeugen sich abgesprochen haben. „Außerdem bestehen massive Widersprüche zwischen den Aussagen der Beamten bezüglich des Tatortes und des Aussehens des Angeklagten“, so die Verteidigerin. Leider habe die Verteidigung nicht feststellen können, dass das Gericht sich mit diesen Problemen auseinandersetzen wollte. Christian P. war vom Landgericht Berlin am 12. Mai 2010 wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Seit dem 1. Mai 2009 befand sich der Angeklagte in Untersuchungshaft. Die Verteidigung hatte wegen der Widersprüche in den Aussagen der Zeugen einen Freispruch beantragt. Die Kritik an der Verfahrensführung bestätigt aus Sicht des RAV, dass Polizeibeamte als Zeugen eine Sonderstellung einnehmen, bei denen die üblichen Glaubwürdigkeitskriterien oftmals nicht gelten. Der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) tritt seit seiner Gründung im Jahr 1979 für das Ziel ein, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen. Kontakt:
        Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.Haus der Demokratie und Menschenrechte
        Greifswalder Straße 4
        10405 Berlin
        Tel.: +49 (0)30 41 72 35 55
        Email: kontakt@rav.de(pdf)  ]]>
        Politische Justiz (doublet)Polizeirecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-129Tue, 11 May 2010 09:29:00 +0200Neuer Schritt zum Feindstrafrecht? Die EU-Terrorlisten in Verbindung mit § 34 des Außenwirtschaftsgesetzes/publikationen/mitteilungen/mitteilung/neuer-schritt-zum-feindstrafrecht-die-eu-terrorlisten-in-verbindung-mit-34-des-aussenwirtschaftsgesetzes-129Diskussionsveranstaltung, Berlin, 21.5.10Prof. Dr. Andreas Paulus, Richter am Bundesverfassungsgericht
        RA Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR
        RAin Britta Eder
        Moderation: Wolfgang Neškovic, MdB, Bundesrichter a. D. Die Terrorlisten der Europäischen Union stehen bereits seit längerer Zeit in der Kritik. Wer auf einer dieser Listen steht, den treffen Reiseverbote und Finanzrestriktionen. Für die betroffene Person hat eine Listung zunächst die Sperrung sämtlicher Konten zur Folge. Zugleich dürfen der gelisteten Person auch keine Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Diese Sanktionen werden in einem demokratisch und rechtsstaatlich überaus fragwürdigen Verfahren verhängt. Das Vorgehen der Europäischen Union hat deshalb bereits scharfe Kritik erfahren. Dick Marty, der Sonderbeauftragte des Europarates, hat die Terrorlisten scharf angegriffen und sie als rechtsstaatlich skandalös bezeichnet. Für ihn kommt eine Listung auf einer Terrorliste einer zivilen Todesstrafe gleich. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sprach in einem Spiegelinterview von den Terrorlisten als »ganz heiklem und ungelöstem Problem«. Zurzeit wird in mehreren Gerichtsverfahren über Anklagen der Bundesanwaltschaft verhandelt, basierend auf dem § 34 Abs. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) in Verbindung mit den EU-Terrorlisten. Bei  der Strafvorschrift des § 34 Abs. 4 AWG handelt es sich um eine sogenannte Blankettnorm, d. h. das Gesetz beschreibt nicht abschließend, welche konkreten Handlungen strafbar sind, sondern überlässt diese Bestimmung europäischen oder internationalen Rechtsakten. Auf die Terrorlisten bezogen bedeutet dies, dass nicht etwa durch den deutschen Gesetzgeber entschieden wird, mit welchen Personen oder Organisationen finanzielle Kontakte strafbar sind, sondern dass diese Festlegungen durch in regelmäßigen Abständen wechselnde EU-Ministerratsbeschlüsse getroffen werden. In einem der Verfahren legte das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt mehrere Fragen an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Vorabentscheidung vor. Die entsprechende mündliche Verhandlung findet am 12. Mai statt. Kritiker sehen in den Anklagen einen neuen Schritt zum Feindstrafrecht und die Etablierung eines neuen Mittels zur Kriminalisierung unliebsamer politisch tätiger Menschen, das kaum mehr einer juristischen und demokratischen Kontrolle unterliegt. Nähere Informationen zu den rechtlichen Hintergründen sind zu finden unter: http://www.ecchr.de/Terrorismuslisten/articles/ecchr-nimmt-in-terrorismuslisten-prozess-stellung.html Weitere Nachfragen können gerichtet werden an oeffentlichkeit@rainnen-eder-pues.org Veranstalter: arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen (akj-berlin), Fraktion DIE LINKE im Bundestag, European Center für Constitutional and Human Rights (ECCHR), Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). 21.05.2010, 18.30 Uhr
        Humboldt-Universität zu Berlin, Senatssaal
        Unter den Linden 6, 10099 Berlin
        Hauptgebäude, Busverbindung: 100, 200, TXL, Tramverbindung: 50 und ML, S- und U -Bahn Haltestelle Friedrichstraße]]>
        Globale Gerechtigkeit (doublet)Europa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-128Fri, 07 May 2010 13:36:00 +0200EU-Terrorlisten: Mündliche Verhandlung am 12. Mai 2010 am Europäischen Gerichtshof über eine Vorlage des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Gültigkeit der EU-Terrorlisten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/eu-terrorlisten-muendliche-verhandlung-am-12-mai-2010-am-europaeischen-gerichtshof-ueber-eine-vorlage-des-oberlandesgerichts-duesseldorf-zur-gueltigkeit-der-eu-terrorlisten-128PressemitteilungDas Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Frage, ob die Aufnahme einer Organisation in die EU-Terrorliste (hier der DHKP-C) wirksam ist und Grundlage nationaler Strafverfolgung sein kann, wenn die Organisation selbst keine Klage gegen die sie betreffenden Beschlüsse erhoben hat, aber deren Listung unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien zustande gekommen ist.

        Der Fall:
        Vor dem OLG Düsseldorf findet seit März diesen Jahres ein Verfahren gegen eine Frau und zwei Männer statt, denen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, der DHKP-C, vorgeworfen wird (§ 129b StGB). Darüber hinaus werden sie beschuldigt, Spendenkampagnen für die DHKP-C durchgeführt und Erlöse aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen der Organisation zur Verfügung gestellt zu haben. Hierin sieht die Bundesanwaltschaft (BAW) einen Verstoß gegen § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer „einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient“.

        Diese kaum verständliche strafrechtliche Blankettvorschrift verweist auf die sog. EU-Terrorliste. Die auf der Grundlage einer EG-Verordnung (2580/2001) eingeführte und vom Rat der EU erstellte Liste bezeichnet Gruppen und Einzelpersonen, die als „terroristisch“ eingestuft werden und deren Vermögen eingefroren wird. Ihnen dürfen als Folge der EG-Verordnung 2580/2001 weder direkt noch indirekt Gelder oder Vermögenswerte zugeleitet werden. Aufgrund der so genannten doppelten Verweisung in § 34 Abs. 4 AWG wurden die EG-Verordnung sowie die Listen als solche in das nationale Strafrecht inkorporiert. Zu den gelisteten Organisationen zählt u.a. auch die DHKP-C.

        Rechtlicher Hintergrund
        Die EU-Terrorliste und das Prozedere zur Listung sind seit ihrer Einführung Gegenstand massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen, da eine Listung ohne ausreichende Begründung und Beweise sowie unter Missachtung grundlegender Verteidigungsrechte der Betroffenen erfolgt und ein effektiver Rechtsschutz nicht vorgesehen ist. Entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof erster Instanz (EuG) bereits in mehreren Verfahren die Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Listung hinsichtlich klagender Gruppen und Einzelpersonen festgestellt. Die Listung der DHKP-C beruht auf den gleichen Mängeln. Allerdings ist die Organisation bislang nicht gegen ihre Aufnahme in die EU-Terrorliste rechtlich vorgegangen.

        Das nun zur Entscheidung anstehenden Verfahren gibt dem EuGH die Gelegenheit zu einer grundlegenden Klarstellung: Hierzu erklärt Rechtsanwalt Carsten Gericke, Geschäftsführer des RAV:

        „Die Listung von Organisationen, die unstrittig unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien zustande gekommen ist, ist als nichtig zu klären. Sie kann keinesfalls eine Grundlage nationaler Strafverfolgung bilden. Andernfalls droht eine weitere Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien durch die europäische Hintertür.“

        Die mündliche Verhandlung findet am 12. Mai 2010 um 9.30 Uhr am EuGH (Rue du Fort Niedergrünwald, Luxemburg-Kirchberg) statt.

        (PDF)]]>
        Europa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)Globale Gerechtigkeit (doublet)
        news-127Wed, 05 May 2010 16:23:00 +0200Keine Staatenimmunität für Kriegsverbrechen: Eine Postkarte der Solidarität/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen-eine-postkarte-der-solidaritaet-127KampagnePostkarte kann online bei Aktion Sühnezeichen bestellt werden.  ]]>Globale Gerechtigkeit (doublet)NS-Verbrechen (doublet)news-126Tue, 27 Apr 2010 13:53:00 +0200Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen NS-Opfer verlangen Beteiligung am Verfahren und Abweisung der Klage Deutschlands gegen Italien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-staatenimmunitaet-fuer-ns-kriegsverbrechen-ns-opfer-verlangen-beteiligung-am-verfahren-und-abweisung-der-klage-deutschlands-gegen-italien-126PressemitteilungAm 23.12.2008 erhob die deutsche Regierung Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (Völkerrechtsgerichtshof der UNO). In dem Verfahren geht es um die grundlegende Frage, ob von Verbrechen Nazi-Deutschlands betroffene Menschen das Recht haben, direkt gegen Deutschland auf Entschädigung zu klagen und ihre Ansprüche gegen deutsches Staatseigentum – auch im Ausland - zu vollstrecken. Deutschland will mit der Klage den italienischen Staat zwingen, solche Gerichtsverfahren in Italien zu stoppen und die Vollstreckung bereits ergangener Entscheidungen zu verhindern. Um folgende Fälle geht es in Den Haag:
        Der ehemalige NS-Zwangsarbeiter Luigi Ferrini wurde am 4.8.1944 in ein deutsches Konzentrationslager deportiert, wo er Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten musste. Über seine Klage auf Entschädigung wurde in Italien noch nicht rechtskräftig entschieden. Im Fall des am 10. Juni 1944 von deutschen SS-Einheiten verübten Massakers an 218 Bewohnerinnen und Bewohnern des griechischen Dorfes Distomo haben Klagen in Griechenland bereits im Jahr 2000 zu einem rechtskräftigen Entschädigungsurteil gegen Deutschland über 28 Millionen Euro geführt. Gezahlt wurde nichts. Auf Antrag der griechischen Kläger wurde allerdings die Vollstreckbarkeit des Urteils in Italien anerkannt. Zur Sicherung der Ansprüche der Kläger wurden auf Anweisung eines römischen Gerichtes die Erlöse der Deutschen Bahn AG beschlagnahmt. Sie muss seit März 2009 auf alle Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf für Zugstrecken von Italien nach Deutschland verzichten. Die Anwältinnen und Anwälte fordern die Beteiligung ihrer Mandanten am Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, vor dem grundsätzlich nur Staaten als Prozessparteien zugelassen sind. Weder Italien und schon gar nicht Deutschland geht es in dem Verfahren um die Wahrung der Rechte der Betroffenen. Es geht um Politik, Macht und um den Versuch, es bezüglich der Vergangenheitsbewältigung im Wesentlichen bei schönen Worten zu belassen. Die Juristen weisen nach, dass die notwendige Berücksichtigung der rechtlichen Interessen der Opfer der NS-Verbrechen nur über eine direkte Beteiligung mit Antrags- und Gehörsrecht gewährleistet werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches will ihre Rechtsansicht durchgesetzt wissen, wonach sie durch die „Staatenimmunität“ vor solchen individuellen Entschädigungsprozessen geschützt sei. Italiens Gerichte haben allerdings mehrfach die Rechtsansicht der Anwälte bestätigt, dass das Privileg der Staatenimmunität nicht auf Fälle gemeiner Menschenrechtsverbrechen, wie sie Nazi-Deutschland u.a. in Distomo begangen hat, anzuwenden ist. In Den Haag werden mit diesem Verfahren nicht nur Rechtsfragen für Sachverhalte aus der Vergangenheit geklärt werden. Die Entscheidung verspricht eine hohe Brisanz für die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen aufgrund verbrecherischer Einsätze Militärangehöriger Zivilpersonen zu Schaden gekommen sind, wie z.B. in dem ohne UN-Mandat geführten Kosovokrieg oder bei dem von Oberst Klein befohlenen Luftangriff in Kundus. Athen/Florenz/Hamburg, den 27.4.2010 Rechtsanwalt Joachim Lau, Florenz
        Rechtsanwältin Kelly Stamoulis, Athen
        Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Hamburg
        Rechtsanwalt Martin Klingner, Hamburg Kontakt Florenz: RA Joachim Lau 0039/0552398546
        Kontakt Hamburg: RA Martin Klingner 0049/40/4396002 (PDF)]]>
        NS-Verbrechen (doublet)Globale Gerechtigkeit (doublet)
        news-18Thu, 22 Apr 2010 19:30:00 +0200Der Fall Distomo vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-fall-distomo-vor-dem-internationalen-gerichtshof-in-den-haag-18Veranstaltung, Hamburg, 22.4.2010 Centro Sociale, Sternstraße 2, 20357 Hamburg (U3 Feldstraße)
          Veranstalter: AK-Distomo und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.   Weitere Infos unter www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/ und unter www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/]]>
        Globale Gerechtigkeit (doublet)NS-Verbrechen (doublet)
        news-125Tue, 20 Apr 2010 12:03:00 +0200Bürgerrechte im Fokus, Podiumsdiskussion zur Landtagswahl/publikationen/mitteilungen/mitteilung/buergerrechte-im-fokus-podiumsdiskussion-zur-landtagswahl-125Veranstaltung, Bonn, 28.04.2010TeilnehmerInnen
        Christoph Lövenich, Moderation

        die Landtagskandidaten:
        Bernhard „Felix“ von Grünberg, SPD
        Jenny Morin, Linke
        Christian Trützler, Grüne
        NN, FDP
        Dieter Steffens, CDU Ort und Zeit
        28. April 2010, ab 19:30 Uhr
        Haus der Kirche
        Adenauerallee 37 (gegenüber Juridicum)
        53113 Bonn  ]]>
        Bürger- und Menschenrechte (doublet)Polizeirecht (doublet)ÜberwachungStrafprozessrecht (doublet)
        news-124Tue, 20 Apr 2010 08:20:00 +0200Offener Brief des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 20.04.2010 an die Bundesministerin der Justiz/publikationen/mitteilungen/mitteilung/offener-brief-des-arbeitskreises-vorratsdatenspeicherung-vom-20-04-2010-an-die-bundesministerin-der-justiz-124Mitteilung2. Aktion Freiheit statt Angst e.V.
        3. Attac Deutschland
        4. Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler e.V.
        5. Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) 6. Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal) e.V.
        7. Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V.
        8. Chaos Computer Club e.V.
        9. Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
        10. Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di 11. Deutscher Journalisten-Verband e. V.
        12. Deutscher Presserat
        13. DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG 14. DPV Deutscher Presse Verband – Verband für Journalisten e.V.
        15. DVD - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
        16. eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.
        17. Ev. Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e.V.
        18. FIfF - Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
        19. FoeBuD e.V.
        20. Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) e.V.
        21. Forum Menschenrechte e.V.
        22. Free Software Foundation Europe e.V.
        23. FREELENS e.V.
        24. Freie Ärzteschaft e.V.
        25. Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e. V. (GDD) 26. Humanistische Union e.V.
        27. IALANA
        28. IG Bauen-Agrar-Umwelt
        29. Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
        30. Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
        31. Lesben- und Schwulenverband LSVD
        32. Magistrats européens pour la Démocratie et les Libertés – MEDEL 33. naiin - no abuse in internet e.V.
        34. NAV-Virchow-Bund – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
        35. Netzwerk Neue Medien e.V.
        36. netzwerk recherche e.V.
        37. Neue Richtervereinigung e.V.
        38. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen 39. PRO ASYL e.V.
        40. Reporter ohne Grenzen e.V.
        41. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
        42. Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren VFLL e.V.
        43. Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V.
        44. Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
        45. Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte 46. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
        47. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ]]>
        Überwachung
        news-123Fri, 16 Apr 2010 10:52:00 +0200Duisburg-stellt-sich-Quer-Demonstration am 27. und 28. März 2010: Friedlicher und engagierter Widerstand gegen Nazi-Aufmarsch kriminalisiert/publikationen/mitteilungen/mitteilung/duisburg-stellt-sich-quer-demonstration-am-27-und-28-maerz-2010-friedlicher-und-engagierter-widerstand-gegen-nazi-aufmarsch-kriminalisiert-123PressemitteilungDemonstrationen und Blockaden verliefen friedlich und engagiert. Unbesonnenes Polizeihandeln führte jedoch zu Eskalationen und Eingriffen in Grundrechte. Mehrere Anwältinnen und Anwälte des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) unterstützten die ca. 6.000 Demonstrierenden bei der Wahrnehmung ihrer Versammlungsfreiheit und halfen gegen Polizeirepression.
        Insgesamt kam es laut Polizeiberichten zu 143 Gewahrsamsnahmen. Die Polizei leitete 20 Verfahren ein. Die genauen Tatvorwürfe sind noch unbekannt, erfahrungsgemäß wird es sich bei der Mehrzahl der eingeleiteten Verfahren um bloße Ordnungswidrigkeiten handeln.
        „Schon jetzt zeichnet sich die Fortsetzung des Trends von Heiligendamm und Dresden ab:friedliche Massenblockaden werden entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kriminalisiert“, so äußerte sich Rechtsanwalt Daniel Werner am Sonntag Abend für den RAV.

        Weiterhin kritisierte der RAV die Behinderung von journalistischer und anwaltlicher Tätigkeit durch die Polizei. Insbesondere am Hauptbahnhof wurde den Anwältinnen und Anwälten der Kontakt zu den eingekesselten Demonstrierenden verwehrt. „Einem Anwalt erteilte die Polizei einen Platzverweis, als er mit seinen 16jährigen, von der Polizei eingekesselten, Mandantinnen und Mandanten sprechen wollte.“ Die überwiegend minderjährigen Schülerinnen und Schüler wurden nur zur Feststellung ihrer Personalien über zwei Stunden von der Polizei festgehalten. Obwohl die Daten bereits nach einer Kontrolle der Personalausweise, zu Beginn der Einkesselung, bekannt waren.
        Das nordrhein-westfälische Polizeigesetz erlaubt keine Freiheitsentziehung, wenn lediglich die Feststellung der Personalien beabsichtigt ist. Weiterhin schützt die Versammlungsfreiheit nicht nur die Teilnahme sondern auch die Abreise von einer Demonstration. Einen Tag zuvor war es im Duisburger Kant-Park ebenfalls bei der Abreise von der Kundgebung, zu einer unverhältnismäßigen Polizeimaßnahme gekommen. Dabei wurde eine Demonstrantin so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Einem weiteren Demonstranten wurde bei dessen In-Gewahrsam-Nahme die Arme verdreht, das Gesicht auf den Straßenasphalt gepresst und von Polizeibeamten mit dem Knie auf den Rücken und den Nacken gedrückt. „Selbst als der Mann ausrief, dass er keine Luft mehr bekomme, war ein Nachlassen der Polizeimaßnahme nicht zu erkennen“, äußerte sich Rechtsanwalt Werner zu dem Vorfall im Kant-Park. „Dabei muss unmittelbarer Polizeizwang nach dem Gesetz verhältnismäßig angewendet und sofort beendet werden, wenn der Zweck der Maßnahme erreicht ist.“ Obwohl der Betroffene nach einem Rechtsbeistand verlangte ließen die Polizeibeamten einen anwesenden Anwalt nicht zu ihm durch. Journalisten, die das Geschehen dokumentierten, wurde von der Polizei unter In-Aussicht-Stellen einer Strafanzeige eingeschüchtert. Insgesamt musste der RAV am Demo-Wochenende vom 27. und 28. März Eingriffe der Polizei in die vom Grundgesetz geschützte Versammlungsfreiheit und in die ebenfalls grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit von Journalist_innen und Anwält_innen feststellen. Insbesondere polizeiliche Eskalationen während der Abreise von einer friedlichen Demonstration sind nicht hinnehmbar, denn sowohl Teilnahme, als auch An- und Abreise genießen den vollen Schutz der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG. Von der angekündigten Gewährung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit war die Polizeistrategie leider weit entfernt.

        Als Ansprechpartner für Rückfragen steht Ihnen Rechtsawalt Daniel Werner gern zur Verfügung.
        Kanzlei Vogel, Lothringer Str. 60, 46045 Oberhausen, Tel 0208.81 06 58 0 ]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)Polizeirecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-113Thu, 08 Apr 2010 15:35:00 +0200Gesetzesintiative zur Einführung einer Ausweisungs- und Kennzeichnungspflicht für Dienstkräfte der Ordnungsbehörden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gesetzesintiative-zur-einfuehrung-einer-ausweisungs-und-kennzeichnungspflicht-fuer-dienstkraefte-der-ordnungsbehoerden-113Stellungnahme: Gesetzentwurf der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, Schles. Holst. Landtaggesetzliche Regelung notwendig ist, zeigt nach Ansicht des RAV die Entwicklung in Berlin, wo eine entsprechende Vorlage des Polizeipräsidenten im Januar 2010 durch den Gesamtpersonalrat der Polizei unter anderem mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Kennzeichnungspflicht ein „pauschales Misstrauensvotum“ gegen die Polizei sei. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Grundprinzip der Demokratie die Kontrollierbarkeit staatlicher Macht ist. Gerade die Polizei als staatliche Exekutivgewalt mit weitreichenden und tiefgreifenden Eingriffsbefugnissen muss sich daher einer intensiven und effektiven - unabhängigen - Kontrolle stellen. Soweit von Seiten der Polizei weiterhin die Sorge geäußert wird, dass eine Kennzeichnung Polizeibeamte und deren Familien gefährde, existiert  keinerlei empirische Grundlage. Angriffe auf Polizeibeamte stehen erfahrungsgemäß in Zusammenhang mit deren Einsätzen, nicht mit deren Person. Es ist so auch kein einziger Fall bekannt, in dem aufgrund eines – zum Beispiel wegen einer Zeugenaussage des Polizisten im Rahmen einer Gerichtsverhandlung – bekannt gewordenen Namens eines Polizisten dieser außerhalb des Dienstes zu Schaden gekommen wäre. Im Übrigen wird dieser Befürchtung im Gesetzentwurf mit der Einzelfallregelung des § 174 a Abs. 4 S. 2 LVwG begegnet. Schließlich wird eine allgemeine Kennzeichnungspflicht in Konfliktsituationen deeskalierend wirken. Bislang galt, dass Polizeibeamte auf Nachfrage ihre Dienstnummer mitteilen müssen. Gerade in angespannten Situationen führte die Notwendigkeit entsprechender Nachfragen jedoch zu nicht sanktionierbaren Falschangaben („007“) oder wurde – selbst gegenüber Journalisten – gänzlich verweigert. Der RAV regt an, für die Entbindung von der Kennzeichnungspflicht nach § 174 a Abs. 4 S. 2 LVwG weitere Voraussetzungen vorzusehen. Dem Antrag sollte nur dann stattgegeben werden, wenn für Polizeiangehörige aufgrund ihres Tätigkeitsgebiets oder des konkreten Einsatzes nachweisbar eine persönliche Gefährdung besteht. Der RAV lehnt die Ausnahmeregelung des § 174 a Abs. 3 LVwG ab. Der in der Formulierung des Abs. 3 enthaltene Verweis auf eine „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“, derentwegen von der Kennzeichnung abzusehen ist, würde der Missachtung der Kennzeichnungspflicht Tür und Tor öffnen und keine hinreichende Bindungswirkung entfalten.. Sollte für die nicht-uniformierten Polizeikräfte ebenfalls eine Ausnahmeregelung von der Verpflichtung als notwendig erachtet werden, muss diese jedenfalls an enge Voraussetzungen wie die konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Polizeibeamten gebunden sein. Abschließend ist festzuhalten, dass Schleswig-Holstein mit der angestrebten Einführung einer Kennzeichnungspflicht der Selbstverpflichtung Deutschlands aus dem European Code of Police Ethics des Europarats von 2001 genüge täte, der Rechenschaftspflicht und Ausweisung der amtlichen Identität festschreibt. Für den RAV
        Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak, Berlin (PDF)  ]]>
        Bürger- und Menschenrechte (doublet)Polizeirecht (doublet)
        news-109Tue, 06 Apr 2010 11:20:00 +0200Aktuelles von und über die Kollegin Eren Keskin/publikationen/mitteilungen/mitteilung/aktuelles-von-und-ueber-die-kollegin-eren-keskin-109Stellungnahme zur Repression gegen Kolleginnen und Kollegen in der Türkei und den kurdischen Gebieten(PDF)]]>Menschenrechte/Türkei (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)Freie Advokatur (doublet)news-106Fri, 26 Feb 2010 14:15:00 +0100Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht (Stand vom 17.12.2009)/publikationen/mitteilungen/mitteilung/referentenentwurf-fuer-ein-gesetz-zur-staerkung-des-schutzes-von-vertrauensverhaeltnissen-zu-rechtsanwaelten-im-strafprozessrecht-stand-vom-17-12-2009-106StellungnahmeDer Entwurf nimmt sich mit einer Änderung von § 160a Abs. 1 StPO einer für die Rechtsanwaltschaft wichtigen, gegenwärtig auch vor dem Bundesverfassungsgericht streitbefangenen Regelung an. Es sei an dieser Stelle dahingestellt, ob – wie die Begründung zu dem Referentenentwurf annimmt – der von dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung u. a. vom 21.12.2007 vorgefundene Rechtszustand durch den § 160a StPO geltender Fassung tatsächlich nicht zum Nachteil der Anwaltschaft und der Rechtsratsuchenden verändert wurde. Jedenfalls hat eine gesetzliche Wertung, welche Berufsgeheimnisträger und welche Kommunikationsbeziehung in welchem Maße von Ermittlungsmaßnahmen betroffen werden dürfen, auch über die Strafprozessordnung hinaus weit reichende Bedeutung.

        Die in dem Referentenentwurf vorgeschlagene Formulierung erweitert den von dem Gesetzgeber beabsichtigten absoluten Schutz auf jede Kommunikationsbeziehung von Anwalt und Mandant und ist sowohl im allgemeinen Interesse an einer funktionierenden rechtsstaatlichen Rechtspflege als auch im Interesse des Einzelnen an einem von staatlicher Intrusion garantiert unabhängigen und unbeeinflussten Rechtsbeistand dringend geboten.

        Es besteht auch ein praktisches Bedürfnis für diese Regelung: Während, soweit ersichtlich, veröffentlichte Rechtsprechung zu § 160a StPO gegenwärtig noch nicht vorliegt, belegt eine Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten Jahre, dass Ermittlungsbehörden in der Vergangenheit Eingriffe in die berufliche Informationssphäre von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorgenommen und dabei auch geltendes Recht übertreten haben.

        Es ist nicht ersichtlich, dass sich an dieser Praxis etwas geändert hat. Dass demgegenüber die bekannte rechtstatsächliche Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg aus dem Jahre 2003 keine Hinweise auf praktische Fälle der Überwachung von Berufgeheimnisträgern gewonnen hat, ist vor diesem Hintergrund angesichts des Berichtsprogramms in § 100e Abs. 2 a. F. StPO, § 100e Abs. 6 StPO selbstverständlich. Da Benachrichtigungen gem. § 101 StPO in der Praxis selten erfolgen und sich allenfalls bei einigen Strafverfolgungsbehörden die systematische Beachtung der Benachrichtigungspflicht erkennen lässt, lassen die bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen annehmen, dass es sich bei diesen Einzelfällen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt.

        Der vorgelegte Referentenentwurf lässt in seiner Begründung keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung unabhängig von dem rechtstatsächlichen Ist-Zustand eine Verbesserung des Schutzes der Rechtsanwaltschaft bei strafrechtlichen Ermittlungen anstrebt. Es sei daran erinnert, dass dieser Schutz im Polizeirecht des Bundes durch die Differenzierung zwischen Strafverteidigern und anderen Rechtsanwälten in § 20u Abs. 1, Abs. 2 BKAG bislang versagt bleibt (vgl. hierzu die anhängigen Verfassungsbeschwerden, Az.: 1 BvR 1141/09). Die von dem Referentenentwurf aufgezeigten Gründe streiten auch im Polizeirecht des Bundes und der Länder für einen absoluten Schutz der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant vor Informationseingriffen.

        Verfasser: Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Berlin

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        Verfassungsbeschwerde BKA-GesetzStrafprozessrecht (doublet)
        news-104Thu, 11 Feb 2010 23:16:00 +0100Der Terrorismusvorbehalt im Flüchtlingsrecht am Beispiel der PKK - Mündliche Verhandlung vor dem EuGH zum Thema »Terrorismusvorbehalt« im Asylrecht am 9. März 2010 um 9:00 Uhr/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-terrorismusvorbehalt-im-fluechtlingsrecht-am-beispiel-der-pkk-muendliche-verhandlung-vor-dem-eugh-zum-thema-terrorismusvorbehalt-im-asylrecht-am-9-maerz-2010-um-9-00-uhr-104Stellungnahme zur Vorlage des BVerwG an den EuGH1. Die Ansicht der Bundesregierung und des BVerwG
        In der mündlichen Verhandlung im Verfahren 10 C 48.07 am 14.10.08 vor dem Bundesverwaltungsgericht verzichtete Herr Klein als Vertreter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge immer wieder zugunsten der Vertreterin des Bundesministeriums des Innern (BMI), Frau Stamm, auf seine Darlegung der Rechtsauffassung des Bundesamtes, was zu der erstaunlichen Stellungnahme im Namen des BMI führte, dass keinesfalls jede kämpfende Gruppe und deren Mitglieder als »terroristisch« und damit asylunwürdig i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylVfG angesehen würden. Das Problem der Aussage »Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer«, welchem man zukünftig womöglich bei Erfolg des entsprechenden Kampfes als politischem Repräsentanten eines neuen politischen Gebildes in diplomatischen Beziehungen gegenüberstehe, sei der Bundesregierung sehr wohl bewusst. Nicht jeder bewaffnete Kampf würde daher als »terroristisch« eingestuft. Allerdings ginge das BMI davon aus, dass ein bewusster Eintritt oder Verbleib in eine/r Organisation, welche unter anderem auch zu »terroristischen« Methoden greife, nach Ansicht der Regierungsvertreterin zum Ausschluss des Flüchtlingsstatus führen müsse. Solche Gruppen seien jedenfalls all diejenigen, die auf der EU–Terrorliste aufgeführt sind.
        Entsprechend geht das BVerwG davon aus, was sich in den Vorlagefragen an den EuGH spiegelt, dass die aktive, selbst unbewaffnete Unterstützung der Ziele einer Organisation, die auf der EU–Terrorliste verzeichnet ist und die unter anderem auch zu »terroristischen« Methoden greife, die Verweigerung des Rechts auf Schutz vor politischer Verfolgung rechtfertige, ohne dass es auf die weitere Prüfung der persönlichen Verantwortung für derartige Übergriffe ankomme. Selbst eine womöglich später erfolgte »Abkehr« könne an der einmal eingetretenen »Asylunwürdigkeit« des Betroffenen nichts mehr ändern.
        Diese eindimensionale und eingleisige Sichtweise wird weder der weltweiten Realität unterdrückter Menschen und Völker gerecht, noch beachtet sie die zwingenden Normen des Völkerrechts, welche eine sehr viel differenzierte Betrachtung erfordern. Sie resultiert letztlich aus einer eurozentrischen Hegemonievorstellung, welche die guten Beziehungen in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht selbst zu verbrecherischen Staaten zu Lasten der gedemütigten Bevölkerung in den Vordergrund stellt.

        2. Selbstbestimmungsrecht der Völker und Widerstandsrecht gegen verbrecherische Staaten
        In seinem berühmten Aufruf vom 1. Januar 1942 forderte der Dichter Abba Kovner: »Laßt uns nicht wie die Schafe zur Schlachtbank gehen!« Er wurde einer der Anführer der Partisanen von Wilna und überlebte den Krieg; noch bekannter als er aber wurde sein Zitat, das viele Menschen, und insbesondere die Täter, falsch interpretierten als Kritik an jenen Opfern, die sich nicht zur Wehr gesetzt hatten. Und in diesem Sinne wird die Aussage  leider auch heute noch häufig gebraucht. Was aber, wenn sich Menschen, Gruppen oder Völker gegen verbrecherische Regime zur Wehr setzen? Welche Institutionen besitzen das Recht und die Definitionsmacht zu bestimmen, wann Widerstand, und zwar auch bewaffneter Widerstand als letztes Mittel der legitimen Wahrnehmung des Rechts, gegen seine Vernichtung zu kämpfen, ehrenwert ist und wann nicht? (1) Muss eine Bevölkerung erst vernichtet werden, um posthum ihre Widerstandskämpfer zu ehren? Was, wenn die Weltgemeinschaft tatenlos bei der Vernichtung von Menschen und Völkern zusieht oder lediglich in hilflose Appelle verfällt, wie nicht selten auch in der jüngeren Geschichte geschehen?

        a) Im Völkerrecht wurde die Doktrin des unantastbaren souveränen Staates mit eigenem Hoheitsgebiet, welcher sich lediglich durch eigene Zustimmung und Ratifizierung entsprechender internationaler Abkommen einer von außen erfolgenden Kontrolle der seinen Staatsbürgern gegenüber erfolgenden Herrschaftsakte unterwirft, auch als Mittel von Herrschaftssicherung zunächst Europas in den Kolonien und sodann im Rahmen der Vereinten Nationen als Mittel der Herrschaftssicherung eines nationalen Staatsgebildes gegen die eignen Untertanen festgelegt. (2)
        In Folge der Befreiungskämpfe gegen den Kolonialismus und im weiteren historischen Verlauf der willkürlichen Grenzziehungen und Schaffung künstlicher souveräner Staaten durch Siegermächte nach Kriegen, welche die Siedlungsgebiete und Interessen der dort lebenden Gruppen und Völker vollständig unberücksichtigt ließen, kam es weltweit zu zahlreichen innerstaatlichen Konflikten, z.T. genozidären Ausmaßes, während derer die Völkergemeinschaft meist tatenlos zusah und die Betroffenen schutzlos der (Teil–)Vernichtung preisgab. Eines der betroffenen Völker ist dasjenige der Kurden. Das Siedlungsgebiet der Kurden wurde nach dem ersten Weltkrieg 1923 durch die Siegermächte im »Friedensvertrag von Lausanne« auf vier Länder aufgeteilt und vertragliche Schutzgarantien wurden lediglich für religiöse Minderheiten festgelegt. (3) Die in der Folge insbesondere auch durch den neu gegründeten Staat der Republik Türkei betriebene Assimilierungs– und Verleugnungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk wird durch renommierte Völkerrechtler als »genozidäres Massaker« beschrieben. Verbrechen und massive Menschenrechtsverletzungen gegen große Teile der kurdischen Bevölkerung unter permanenter Verletzung internationaler Abkommen bis in die jüngste Zeit, zumindest zeitweise mit dem Ziel der Vernichtung der kurdischen Bevölkerung oder großer Teile derselben, wurden durch die Völkergemeinschaft nicht nur nicht unterbunden, sondern stillschweigend geduldet. (4) Insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, als nach den USA und Russland drittgrößter Rüstungsexporteur, profitierte dabei erheblich von bewaffneten Konflikten in Krisengebieten und tat sich seit jeher mit Waffenlieferungen an die Türkei hervor, trotz des Wissens um ihren Einsatz auch gegen die zivile kurdische Bevölkerung. (5) Es ist heute unstrittig, dass schwere Menschenrechtsverletzungen keine inneren Angelegenheiten  souveräner Staaten mehr sind. Zudem ist eines der im Völkerrecht anerkannten Prinzipien dasjenige der gewohnheitsrechtlichen Geltung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker (6) und des Widerstandsrechtes gegen verbrecherische Staaten. Nach dem Aggressionsverbot ist das Selbstbestimmungsrecht die Norm des Völkerrechts, die am häufigsten als eine Jus–Cogens–Norm genannt wird. Bei massenhaften und groben Verletzungen grundlegender Menschenrechte durch einen Staat wird im Völkerrecht ausnahmsweise selbst ein Sezessionsrecht der Völker auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts angenommen. Die Geschichte der Menschheit ist seit dem Altertum gekennzeichnet von Diskussionen um die Idee einer »gerechten Herrschaft« und eines Widerstandsrechts der »Untertanen« bei Überschreitung der Grenzen von Herrschaft und Akten von Willkür. Die Theorie und Geschichte des Widerstandsrechts sind seit ihren Anfängen geprägt von Unklarheiten und Widersprüchen, die bis heute nicht gelöst sind und wohl auch prinzipiell unlösbar bleiben.(7) Schon im Grundgesetz, Art. 20 Abs. 4 GG, zeigt sich das Dilemma: Relevanz gewinnt das normierte Widerstandsrecht nur, wenn der Widerstand erfolgreich war und somit als Rechtfertigung für die rechtliche Beurteilung des Widerstandshandelns dienen kann. Das heißt jedoch übertragen auf die weltweite Situation, dass gerechtfertigte Freiheitskämpfer nur diejenigen sein können, welche erfolgreich kämpfen  (so zum Beispiel Nelson Mandela oder auch Yassir Arafat). Diese Herangehensweise entspricht der Sorge der existierenden Staaten, eines Tages einem heute als »Terroristen« geltenden Kämpfer morgen womöglich als Staatspräsidenten entgegentreten zu müssen. Der rechtfertigende Erfolg ist als Kriterium der Unterscheidung jedoch ein völlig untaugliches und illegitimes Mittel, da es dazu führen würde, die rechtliche Qualifikation von Widerstandshandeln der jeweilig erfolgreichen oder erfolglosen Vernichtung einer Bewegung preiszugeben. Historisch sind jedoch z.B. der jüdische und der armenische Widerstand unbestritten legitim und ehrenhaft gewesen.

        b) Bezogen auf die PKK heißt das folgendes:
        Die PKK hat ihren bewaffneten Kampf 1984 begonnen, zu einem Zeitpunkt als das kurdische Volk in der Türkei mit groben und massenhaften Menschenrechtsverletzungen überzogen wurde und in seinem Kern vernichtet werden sollte, daher die Begriffsbelegung »genozidäres Massaker«.(8) Nach dem Militärputsch 1980 hat diese Partei gezwungenermaßen im Untergrund operiert, da die Gewährung legaler politischer Oppositionsarbeit und die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln gegen die Willkürakte des türkischen Militärs und der nationalistisch türkischen Politik auch nicht ansatzweise vorhanden waren. (9) In der Folge wurde eine bewaffnete Abteilung – die Volksbefreiungsarmee – gegründet, welche insbesondere in militärische Auseinandersetzung mit der türkischen Armee trat. Dieser Kampf war von dem Gedanken und dem Ziel getragen, das kurdische Volk gegenüber Übergriffen türkischen Militärs zu schützen und dem Volk zu seiner legitimen Anerkennung als Kurden zu verhelfen. Vor dem Hintergrund der völlig rechtlosen Situation und Verleugnung des kurdischen Volkes war eines der Ziele, die Gründung eines kurdischen Staates, wie er noch im Vertrag von Sevres vom 10.08.1920  (10) vorgesehenen war und erst nach Intervention durch die Türkei sodann aus diplomatischer Rücksichtnahme aufgegebenen wurde.
        Fast jede kurdische Familie in der Türkei kann heute über Angehörige bei der Guerilla der PKK oder Verwandte, Kinder, Geschwister, Eltern oder Eheleute berichten, die wegen Unterstützung der PKK in Haft waren oder verschwunden sind, durch türkische Sicherheitskräfte heimlich getötet oder auf den Polizei– und Gendarmeriewachen gefoltert oder verstümmelt wurden. Unabhängig von allen denkbaren und notwendigen Kritiken ist es daher absolut unmöglich, den Großteil des nicht assimilierten kurdischen Volkes in der Türkei oder in der Diaspora von der Existenz der PKK zu trennen. Die Einordnung als kriminelle Terrorgruppe – welche man nach westlichem Denkmuster durch geeignete staatliche Maßnahmen vernichten oder im Zaum halten kann – ist daher völlig realitätsfremd. Das zeigt auch die jahrzehntelange Vernichtungspolitik der Türkei:
        Das Ergebnis ist, dass sich immer mehr Menschen dem Widerstand in den Bergen anschlossen und Hunderttausende die vor kurzem freiwillig in die Türkei zurückgekehrte Gruppe von Guerillakämpfern der PKK als ihre Kinder und als »Helden« der Befreiung feierten. (11) Es ist absurd,  den überwiegenden Teil eines Volkes als »Terroristen« abstempeln zu wollen. Aber auch völkerrechtlich ist diese Einordnung mit dem Begriff Terrorismus nicht vereinbar. Die PKK ist – egal was man von ihr halten mag – eine Volksbewegung und kann daher nicht mit den herkömmlichen, westlich dominierten Vorstellungen definiert werden. Die bewaffneten Einheiten jedenfalls befinden sich ganz überwiegend in einem militärischen Auseinandersetzung mit ebenfalls uniformierten, militärischen staatlichen Kräften, was sich nicht als »Terrorismus« definieren lässt. Dies sagt zugleich nichts darüber aus, wie rechtlich und ethisch inakzeptable Methoden der PKK wie z.B. die Ermordung Andersdenkender aus den eigenen Reihen oder vereinzelte tödliche und wahllose Übergriffe gegen wehrlose Zivilisten zu beurteilen sind.

        3. Terrorismus – Terrorlisten der EU
        Es fehlt an einer völkerrechtlich universellen Definition des »Terrorismus«, auf den sich die Völkergemeinschaft zu verständigen hätte. Die Streitpunkte beziehen sich auf die auch von der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommenen Frage nach der Unterscheidung zwischen »terroristischen Akten« und »legitimen gewaltsamen Handlungen in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und/oder des Widerstandsrechts gegen verbrecherische Staaten sowie auf die Frage, ob auch staatliche Streitkräfte »terroristische« Akte begehen können oder diese per se bei allen ihren Handlungen – und seien sie auch noch so sehr gegen Zivilisten gerichtet – legitimiert und damit rechtmäßig handeln. Wie bereits das VG Chemnitz in seiner Entscheidung vom 26.05.2008 – A 2 K 386/06 – (nicht veröffentlicht, noch nicht rechtskräftig) richtigerweise ausführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die PKK völkerrechtlich verbindlich als »terroristisch« einzustufen ist, solange die dargestellten unterschiedlichen Auffassungen der verschiedenen Staatengruppen fortbestehen. Allein Flugzeugentführungen, Geiselnahmen und Sprengstoffdelikte gegen die Zivilbevölkerung werden überwiegend einheitlich als »terroristische« Methoden angesehen, hierüber hinaus ist keine völkerrechtlich anerkannte Einordnung möglich. (12) Insbesondere die EU–Terrorliste ist in keiner Weise geeignet, Auskunft über die Einordnung einer Organisation (oder Person) als »terroristisch« zu geben: Die so genannten EU–und VN–Terrorlisten werden auf »Zuruf« einzelner Staaten und/ oder Staatengruppen je nach politischer oder diplomatischer Befindlichkeit gefertigt, wobei meistens die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den jeweiligen Regierungen der Herkunftsländer der betroffenen Organisationen eine erhebliche Rolle spielen (z.B. Türkei als viel gerühmter Wirtschafts– und Nato–Partner). In allen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes die EU–Terrorliste betreffend wurde betont, dass diese Listen unter völliger Missachtung rechtsstaatlicher Mindeststandards zu Stande kommen und damit willkürlich sind. (13) Eine Praxis der EU–Staaten, welche nach Urteilen des EuGH gegen grundsätzliche Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstößt, kann unmöglich Grundlage für eine derart weitreichende Entscheidung sein, wie sie vom BVerwG angestrebt wird: nämlich die Einstufung von Unterstützern der Ziele einer auf dieser Liste befindlichen Organisation als »asylunwürdigen Terroristen«.

        Dies ergibt sich zudem aus folgenden Überlegungen: Der Rechtsweg gegen die Entscheidung des EU–Ministerrates, einen Namen auf die EU–Terrorliste zu setzen, dauert manchmal Jahre und kann mit der Streichung enden: Wäre die Liste für die Anwendung von § 3 Abs. 2 AsylVfG in Asylverfahren entscheidend, wäre diese Einstufung insofern nichts anderes als willkürlich, als die Aufführung einer Organisation von der Zeit der Antragstellung und der Schnelligkeit des Rechtsweges gegen die Einstufung abhängt. Der Fall der Volksmudschahedin zeigt zudem, dass die Organisation bereits lange Jahre nicht mehr in Erscheinung getreten war und trotzdem auf der Liste verblieb. Wäre die Liste ein Indikator, wie vom BVerwG, BMI und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewünscht, müssten selbst Menschen als »asylunwürdig« eingestuft werden, welche zu einer Zeit in die Organisation eintreten, zu der diese bereits nicht mehr aktiv war. Die Liste ist somit keine Entscheidungshilfe.

        4. Theorie der »zweigesichtigen« Organisation?

        Massenorganisationen wie die PKK beginnen ihren Kampf meist in legitimer Weise und mit anerkennenswerten Zielen gegen ein Unrechtsregime. Der Kampf einer uniformierten Armee, der Guerilla, gegen eine andere uniformierte und bewaffnete Armee, dem staatlichen Militär, unterscheidet sich grundlegend von »terroristischen Methoden«. Befreiungsbewegungen verfallen aber im Laufe der Zeit nicht selten auch darauf zu Mitteln zu greifen, die ihren legitimen Kampf von der Methodik her zunehmend kritikwürdig machen: Eliminierung Andersdenkender aus den eigenen Reihen und Übergriffe gegen unbewaffnete Zivilisten gehören hierzu. Häufig geht eine solche Entwicklung einher mit der Leugnung dieser Methoden gegenüber der eignen Bevölkerung und mit dem absoluten Tabu, hierüber in den eignen Reihen zu sprechen. Wie die Methodik selber bereits indiziert, ist es fast unmöglich, derartige Handlungen innerhalb der Guerilla zu benennen und zu kritisieren, ohne selber in Lebensgefahr zu geraten. Hinzu kommt, dass es bei dem überwiegenden Teil der zivilen kurdischen Bevölkerung völlig unmöglich erscheint, wie oben dargelegt, das Ansehen ihrer Angehörigen und also der Freiheitskämpfer zu beflecken. Die Angst vor dem Vorwurf, Verräter an der eigenen Sache zu sein, Angst vor dem Ausstoß und Furcht vor weiterer Repression führen zu einem relativen Stillschweigen über diese Methoden. Hinzu kommt, dass keine reale Alternative für eine Politik im Sinne der kurdischen Sache existiert und in Anbetracht der extremen Opfer, welche durch die kurdische Bevölkerung erbracht wurden, verständlicherweise niemand als untätig dastehen möchte. Innerhalb der Guerilla selber wird versucht, diese Methoden geheim zu halten und es existieren strenge Hierarchien von Personen, die dieser Art Befehle von oben nach unten erteilen sowie Menschen, die sie ausführen. Andere sind nicht eingeweiht. Überwiegend stand und steht jedoch der Kampf gegen die bewaffneten Einheiten der Türkei im Vordergrund der PKK. Eine solche Organisation kann daher ohne Verdrängung der historischen Tatsachen nicht mit Gruppen auf eine Stufe gestellt werden, welche überwiegend zu Mitteln wie Selbstmordattentaten gegen zivile Ziele und ähnlichen Methoden greifen. Dies würde dem Charakter der PKK als Befreiungsorganisation nicht gerecht werden. Die scharf zu kritisierenden Methoden der PKK bei Angriffen, welche Zivilisten in Mitleidenschaft ziehen und die Tötung eigener Genossinnen und Genossen aufgrund abweichender Meinung sind als Straftaten der jeweils verantwortlichen Befehlsinhaber und der ausführenden Akteure zu beurteilen, für die diese allein strafrechtlich verantwortlich sind. Diese Methoden machen die Gesamtorganisation jedoch nicht zu einer »terroristischen« Organisation i.S.d. Völkerrechts. Man könnte daher den Begriff der »zwei– oder mehrgesichtigen Organisation« in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht vom »zwei– oder mehrgesichtigen Staat« (14) entwickeln. In Anbetracht dieser Realität stellt sich die Frage der Verantwortung des Einzelnen für alle Handlungen und Vorgehensweisen des Gesamtgebildes.

        5. Verantwortung für fremdes Handeln innerhalb einer Organisation?
        Die Verantwortung für alle Taten einer verbrecherischen Organisation, auch dann, wenn eine persönliche Teilnahme an konkreten Verbrechen nicht bestand, wurde nach dem deutschen Faschismus das erste Mal in Art. 9 – 11 des Londoner Statuts (Statut des Internationalen Militärtribunals – Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse) aufgestellt. Hier war Ausgangspunkt jedoch eine von ihren Zielen her ausschließlich verbrecherische Organisation, die nur darauf angelegt war Verbrechen i.S. d. Statuts, nämlich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Nach den Nürnberger Prinzipien ist zudem jede Person, die ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, hierfür verantwortlich. Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von der völkerrechtlichen Verantwortung. Verbrechen völkerrechtlicher Natur sind: Angriffskrieg, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

        Folgerichtig sollten im Flüchtlingsrecht Personen, welche in eine dieser drei Kategorien von völkerrechtlichen Verbrechen oder in eine schwere nicht politische Straftat vergleichbarer Größenordnung, insbesondere eine grausame Handlung, als Täter oder Teilnehmer verwickelt waren, keinen Schutz als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten. Teilnahme oder, wie das Gesetz ausdrücklich formuliert, Beteiligung, setzt eine vorsätzliche Handlung voraus, welche die konkrete Tat des Haupttäters ursächlich erleichtert oder fördert. Das Handeln setzt somit eigene Kenntnis, eignen konkreten Beitrag zur konkreten Tat und/oder zumindest die reale Möglichkeit ihrer Verhinderung voraus. Hier zeigt sich bereits klar, dass die uferlose Anwendung der Ausschlussparagraphen, wie sie durch das BVerwG über das Konstrukt der Organisationszusammenhanges herbeigeführt werden soll, mit der Intention des Gesetzes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

        Für die PKK habe ich versucht aufzuzeigen, dass die Hauptzielsetzung der bewaffneten Kräfte der PKK im Kampf gegen militärische Einheiten der Türkei zur Durchsetzung der Normen des Völkerrechts auch für das kurdische Volk besteht, also im Grunde das Gegenteil der gesetzlich angeführten völkerrechtlichen Verbrechen. Handlungen innerhalb der PKK, welche hiervon abweichen und schlicht kriminelles Unrecht darstellen, sind nur von denjenigen zu verantworten, welche sie befohlen, durchgeführt oder trotz realer Möglichkeiten nicht verhindert haben. Um die Verantwortung für die Handlungen anderer aufgebürdet zu erhalten, bedarf es zudem rechtlich aber auch ethisch einiger Vorbedingungen: Es bedarf der sichern Kenntnis der entsprechenden Handlungen, es bedarf des Weiteren der realen Möglichkeit des Verhinderns derselben und/oder der realen Möglichkeit des sich Entziehens.

        Solange dem kurdischen Volk keine reale Perspektive der Anerkennung seiner legitimen Rechte als eigenständiges, aber über Jahrzehnte geleugnetes Volk zuerkannt wird, wird eine Aufarbeitung der Verbrechen innerhalb der PKK unmöglich sein. Daran wird auch eine westlich dominierte und völkerrechtlich inakzeptable Herrschaftssicht nichts ändern, welche den überwiegenden Teil der kurdischen Bevölkerung kurzerhand zu Terroristen erklärt.

        6. Ergebnis
        Für eine Anwendung der Ausschlussnormen der Genfer Flüchtlingskonvention, der Qualifikationsrichtline und des § 3 Abs. 2 AsylVfG ist es zunächst erforderlich, konkret erfolgte Taten i.S.d. Vorschriften nachzuweisen, d.h., ein zeitlich und örtlich benennbares völkerrechtliches Verbrechen (Angriffskrieg, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gegen Prinzipien der Vereinten Nationen) oder ein anderes konkretes Verbrechen vergleichbaren Gewichts darzulegen. Die betreffende Person muss selber konkret Befehlsgeber, Organisator, Täter oder direkter Teilnehmer mit eigenem realen Beitrag an dieser konkreten Tat sein. Die Eingebundenheit in Organisationen kann nur dann zum Ausschluss führen, wenn diese Organisation die Begehung völkerrechtlicher Verbrechen oder die Begehung von Taten ähnlichen Gewichts i.S.d. Londoner Statuts zu ihrem eigentlichen Ziel hat, so dass sich international darauf verständigt wird, dass diese Organisation eine ausschließlich verbrecherische ist (wie z.B. bezüglich der SS oder der SA des deutschen Faschismus durch die Alliierten geschehen), (15) und die eingebundene Person konkret in der Lage ist, diese Verbrechen zu verhindern oder sich ihnen zu entziehen. Die Ausschlussgründe sollten aus der »Terrorismushysterie« zurückgeholt und die eigentlichen Beweggründe ihrer Etablierung in völkerrechtlichen Verträgen und Gesetzen wieder in den Vordergrund gerückt werden: Kriegsverbrecher, Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Täter von Verbrechen vergleichbaren Gewichts sollen nirgends auf der Welt Schutz vor Zugriff finden können. Jutta Hermanns, Rechtsanwältin (Berlin)   Fußnoten:

        1 Siehe auch: Roth/ Ladwig, Recht auf Widerstand? Ideengeschichtliche und philosophische Perspektiven, Hrsg. Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam, S. 29 f, S. 79.

        2 Antony Anghie, Die Evolution des Völkerrechts: koloniale und postkoloniale Realitäten in: Kritische Justiz,  Heft 1, 2009, S. 49 ff.

        3 Die deutsche Türkeipolitik und ihre Auswirkungen auf Kurdistan, Quellentexte von 1837 bis 1996, GNN Verlag 1997, S. 251.

        4 Yves Teron, Der verbrecherische Staat,  Völkermord im 20. Jahrhundert, 1996, S. 288 ff; Celalettin Kartal, er Rechtsstatus der Kurden im Osmanischen Recuh und in der modernen Türkei, Verlag Dr. Kovac 2002, S. 180 ff.

        5 Statt vieler: FR vom 18.12.08, FR–Online: »Deutsche Waffenexporte: Panzer an die Türkei«.

        6 Hans–Joachim Heintze, Selbstbestimmungsrecht und Minderheitenrechte im Völkerrecht, Nomos Verlag 1993, S. 22 m.w.N.

        7 Siehe Abhandlung von Klaus Roth, Geschichte des Widerstandsgedankens in: Roth/ Ladwig, Recht auf Widerstand?, a.a.O.

        8 Yves Ternon, a.a.O.

        9 Statt vieler: amnesty international: Türkei – die verweigerten Menschenrechte, 1988.

        10 Die deutsche Türkeipolitik (Fn 3), S. 247: « Art. 62 – 64 ...Eine Kommission der britischen, französischen und italienischen Regierung wird innerhalb von 6 Monaten die Autonomie für die vorwiegend von Kurden bewohnten Gebiete vorbereiten. Wenn die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung die Unabhängigkeit wünscht und der Völkerbund zustimmt, ist die Türkei verpflichtet, auf alle Rechte in diesen Gebieten zu verzichten...«.

        11 Der Standard, 21.10.2009 : Konvoi erreicht Diyarbakir, Diyarbakir – Im Südosten der Türkei haben zehntausende Menschen die Rückkehr von acht Rebellen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus dem Irak gefeiert. In Diyarbakir, der größten Stadt des Kurdengebiets, gingen am Mittwoch rund 100.000 Menschen auf die Straße, um die am Dienstag freigelassenen PKK–Kämpfer mit einem Feuerwerk, Gesängen und Sprechchören zu begrüßen.

        12 Zu den daraus allgemein resultierenden Problemen: Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Deutsches Institut für Menschenrechte, August 2005. (PDF–Datei; 789 kB).

        13 EuGH, Urt .v. 30.09.09 – T–341/07 – ( Jose Maria Sison); EuGH, U.v. 18.01.07, – C–229/05 – (PKK und Osman Öcalan); EuGH, U.v. 12.12.06, – T–228/02 – (Volksmudschahedin Iran), alle: http://curia.europa.eu

        14 BVerfG, Beschluss v. 10.07.1989, InfAuslR 1990 S. 21 ff

        15 Patrick Glöckner: Der Nürnberger Prozess – Versuch einer juristischen Annäherung

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        Migration & Asyl (doublet)Innere Sicherheit (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)Politische Justiz (doublet)Europa (doublet)
        news-103Thu, 11 Feb 2010 13:02:00 +0100Ermittlungspannen und unbedingter Verurteilungswille – Zum Umgang der Berliner Polizei und Justiz mit mutmaßlichen politisch motivierten Straftaten /publikationen/mitteilungen/mitteilung/ermittlungspannen-und-unbedingter-verurteilungswille-zum-umgang-der-berliner-polizei-und-justiz-mit-mutmasslichen-politisch-motivierten-straftaten-103Einladung zur Pressekonferenz, 15.2.2010, 11 - 11:30 Uhr
      1. Der polizeiliche Umgang mit Versammlungen – zwischen Provokation und Deeskalation


      2. Veranstalter:
        Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein RAV e.V., www.rav.de
        Anwältinnen und Anwälte des Berliner Ermittlungsausschusses
        Kontakt: Rechtsanwalt Rüdiger Jung, Tel.: 030-889 1630. Mobil: 0175-5996267 Zeit:
        Montag, den 15. Februar 2010
        11.00 – 11.30 Uhr Ort:
        Dorotheenstädtische Buchhandlung
        Turmstraße 5
        10559 Berlin-Moabit
        (gegenüber Haupteingang Kriminalgericht Moabit)]]>
        Freie Advokatur (doublet)Politische Justiz (doublet)
        news-102Fri, 29 Jan 2010 13:25:00 +0100Freispruch für Yunus K. und Rigo B. Anwaltsverein protestiert gegen Kritik des Gerichts an Verteidigern und Medien. Polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen von Einseitigkeit geprägt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freispruch-fuer-yunus-k-und-rigo-b-anwaltsverein-protestiert-gegen-kritik-des-gerichts-an-verteidigern-und-medien-polizeiliche-und-staatsanwaltliche-ermittlungen-von-einseitigkeit-gepraegt-102Pressemitteilung Gestern, am 28. Januar 2010, wurden Yunus K. und Rigo B. vom Landgericht Berlin nach fünf Monaten Hauptverhandlung vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Die beiden Schüler saßen zuvor gut sieben Monate in Untersuchungshaft.

        So sehr die Entscheidung der Strafkammer seitens des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) begrüßt wird, gibt die gestern vorgetragene mündliche Urteilsbegründung doch Anlass für Kritik:

        Die Strafkammer hatte den in dem Prozess verteidigenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten pauschal vorgeworfen, sich als Verteidiger unzulässig verhalten zu haben. Dies sei selbst in einem konfliktgeladenen Strafverfahren nicht hinnehmbar, so die Vorsitzende Richterin Müller.

        „Nur durch den engagierten Einsatz der Verteidigerinnen und Verteidiger konnten die Zweifel an der These der Staatsanwaltschaft untermauert und so letztendlich der Freispruch erzielt werden", erklärt dazu Rechtsanwältin Franziska Nedelmann für den Vorstand des RAV. „Wir weisen die Vorwürfe in aller Form zurück. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich korrekt verhalten. Wenn die Verteidigung  für ihre Mandanten nicht mehr mit den in der Strafprozessordnung vorgesehenen Mitteln arbeiten kann, ohne dafür vom Gericht gerügt zu werden, dann verdient das Wort Verteidigung seinen Namen nicht mehr."

        Ebenso wenig nachvollziehbar ist für den RAV die Kritik der Kammer an der Berichterstattung der Medien: „Es ist legitim und wünschenswert, dass die Presse ihrem Auftrag nachkommt, Vorgänge von öffentlichem Interesse kritisch zu begleiten", so Nedelmann vom RAV weiter. „Weder gab es eine Kampagne der Medien, noch haben die Medien den Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz vermissen lassen, wie es die Kammer in ihrer mündlichen Begründung behauptet."

        Der RAV bedauert weiterhin, dass die Strafkammer in der mündlichen Urteilsbegründung die Chance verpasst hat, deutliche Worte für den Status von Polizeizeugen zu finden. Die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Polizeibeamten müsse genauso überprüft werden wie die anderer Zeugen. „Es darf keine Zeugen 1. und 2. Klasse geben", erklärt Rechtsanwältin Nedelmann. „Polizeibeamte können sich genauso irren wie andere Zeugen auch."

        Der RAV, der den Prozess durch seine Mitglieder beobachten ließ, hat den Eindruck gewonnen, dass die polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen von Einseitigkeit geprägt waren. Vor dem Hintergrund nicht nur dieses Verfahrens und sondern auch anderer Freisprüche etwa in den Verfahren wegen Brandstiftung an Kraftfahrzeugen fordert der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein eine zügige und öffentliche Aufarbeitung dieses Verfahrens in der Justiz.


        Der RAV ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und

        Rechtsanwälten. Seit 1978 verteidigt der RAV Bürger- und Menschenrechte und wirkt auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hin. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Kampf um die freie Advokatur, denn die Freiheit von staatlicher Bevormundung stellt für die anwaltliche Tätigkeit eine notwendige Bedingung dar.

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        Politische Justiz (doublet)
        news-101Fri, 08 Jan 2010 19:54:00 +0100Ausweisung aus dem Recht?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ausweisung-aus-dem-recht-101Veranstaltung, Berlin, 6.2.2010, 11 - 17 UhrDas Ausweisungsrecht ist ein Sonderrecht, das ausschließlich nichtdeutsche Staatsangehörige trifft. Wird ein Mensch aus Deutschland ausgewiesen, so bedeutet dies nicht nur die Beendigung seines Aufenthaltsrechts und die zwangsweise Durchsetzung durch Abschiebung, sondern beinhaltet zugleich ein auf unbestimmte Zeit bestehendes Einreiseverbot in sämtliche Schengen-Staaten. Auch in den Fällen, in denen eine Abschiebung nicht durchgeführt werden kann, werden die Betroffenen lediglich geduldet und haben in alle Lebensbereichen mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen. Dies geht vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger Herabsetzung von öffentlichen Leistungen bis zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Welche Funktion erfüllt ein derartiges Rechtsinstitut in einer Gesellschaft, die sich selbst als Zuwanderungsgesellschaft bezeichnet? Kann das Instrumentarium der Ausweisung in einer europäischen, rechtsstaatlich und demokratisch verfassten Gesellschaft noch einen Platz beanspruchen? Ist die Staatsangehörigkeit einer Person ein angemessener Anknüpfungspunkt für eine Sanktion? Und: was hat das alles mit Integration zu tun? Der RAV wie auch der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen (akj-berlin) stehen dem Ausweisungsrecht kritisch gegenüber und laden zu einer anregenden rechtspolitischen Diskussion über Sinn und Unsinn dieses Rechtsinstituts ein. ReferentInnen:Moderation: Andrea Würdinger (Rechtsanwältin in Berlin und Vorsitzende des RAV) Prof. Alexy ist als Richter am OVG Bremen mit der alltäglichen Rechtsprechungspraxis im Ausweisungsrecht befasst. Er wird erörtern, inwiefern das deutsche Aufenthaltsgesetz überhaupt noch die aktuelle Rechtslage, die insbesondere von der Rechtsprechung der europäischen Gerichte, des Bundesverwaltungs- und Verfassungsgerichts geprägt ist, wiedergibt. Er wird die Frage aufwerfen, ob die aktuellen deutschen Gesetze vor dem Hintergrund dieser Entwicklung noch den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Normklarheit und Normsicherheit gerecht werden. Darüber hinaus wird er die Voraussetzungen darstellen, unter denen eine Ausweisung erfolgen kann und die diesbezüglichen Anknüpfungspunkte, wie Staatsangehörigkeit, Gefährlichkeit, und präventive Gefahrenabwehrerwägungen kritisch hinterfragen. Der Soziologe und Kulturwissenschaftler Tobias Schwarz wird sich mit den Begriffen der Assimilation, Integration und Inklusion beschäftigen und die Wechselwirkung zwischen öffentlicher Diskussion und Rechtssetzung im Ausweisungsrecht darstellen. Er wird kritisch auf die jüngsten Entwicklungen eingehen, nach denen vermehrt eine Pflicht zur Integration gefordert wird, und seine Forderung erläutern, das Ausweisungsrecht abzuschaffen. Die Rechtsanwältin und Diplom-Kriminologin Christine Graebsch nähert sich der Problematik mit der provokanten These: „Ausweisung aus dem Recht?“ und stellt in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung die unterschiedliche Behandlung von deutschen und ausländischen Straftätern unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr. Diese These wird bezogen auf (menschen-) rechtliche Grundgarantien und ihre rechtstatsächliche Geltung für MigrantInnen dargestellt. Sie wirft die Frage auf, ob und inwieweit sich die Ausweisung mit den Argumenten der Gefahrenabwehr rechtfertigen lässt oder eher gegenteilige Effekte nach sich zieht. Die Veranstaltung richtet sich gleichermaßen an rechtspolitisch Interessierte, Studierende, JuristInnen und politische Entscheidungsträger.

         

        Samstag den 6. Februar 2010
        von 11 bis 17 Uhr
        Humboldt-Universität Berlin, Juristische Fakultät
        Unter den Linden 9, 2. OG, Raum 213

        Während einer kleinen Mittagspause wird es Suppe und Getränke geben.

        Die Juristische Fakultät befindet sich im Gebäudekomplex Kommode / Altes Palais / Gouverneurshaus (Bebelplatz 1, Unter den Linden 9 und 11) am Bebelplatz gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte.

        S- & U- Bahnhof Friedrichstraße oder Bushaltestelle Staatsoper (Linien 100, 200, TXL)]]>
        news-100Tue, 15 Dec 2009 14:22:00 +0100Argentinische Diktaturprozesse: ECCHR-Prozessbeobachtung und Videoblog, Buenos Aires 2009/2010/publikationen/mitteilungen/mitteilung/argentinische-diktaturprozesse-ecchr-prozessbeobachtung-und-videoblog-buenos-aires-2009-2010-100MitteilungVideoblog. Der RAV ist Mitglied der „Koalition gegen Straflosigkeit“ und unterstützt diese seit vielen Jahren in ihrem Kampf um eine strafrechtlichen Verfolgung von schweren Menschenrechtsverstößen. ]]>Globale Gerechtigkeit (doublet)Völkerstrafrecht (doublet)news-99Tue, 15 Dec 2009 11:40:00 +0100Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde: Entschädigung für illegale Inhaftierung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/erfolgreiche-verfassungsbeschwerde-entschaedigung-fuer-illegale-inhaftierung-99Mitteilung des Komitee für Grundrechte und DemokratieVerfassungsgericht begründet Mittel gegen renitente Polizeibehörden Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im November 2009 zwei Demonstrationsbeobachtern das Recht auf Schmerzensgeld zugesprochen (1 BvR 2853/08). Im Jahr 2001 waren Helga Dieter und Ulrich Billerbeck als Demonstrationsbeobachter des Komitee für Grundrechte und Demokratie im Wendland unterwegs. Außerhalb der Demonstrationsverbotszone wurden sie aus ihrem Auto heraus festgenommen und mehrere Stunden unter unzumutbaren Bedingungen in Gewahrsam gehalten. Im März 2007 stellte das Amtsgericht Uelzen die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung fest. Die bereits im Juli 2004 erhobene Amtshaftungsklage führte jedoch weder beim Landgericht Lüneburg noch beim Oberlandesgericht Celle zum Erfolg. Die Gerichte argumentierten, die „maßgebliche Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion“ sei „bereits durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme“ erfüllt. Die Geschichte der Wahrnehmung des Demonstrationsrechts ist voll von solchen Geschichten. Der „Hamburger Kessel“ vom 8. Juni 1986 war rechtswidrig. Die Zivilgerichte sprachen den Teilnehmern immerhin ein Schmerzensgeld von 200 DM zu. Die Anzahl der polizeilichen Kessel seit dieser Rechtsprechung ist ungezählt. Im Wendland wurden ganze Dörfer – rechtswidrig – eingekesselt. Solange dies allenfalls juristisch festgestellt wird, daraus aber keine Konsequenzen für die Polizei entstehen, bleiben diese Urteile folgenlos. Geringe Schmerzensgeldzahlungen, die sowieso nur selten durchgesetzte werden können, kann sie sozusagen aus der Portokasse bezahlen. Illegale Haft erfordert spürbare KonsequenzenDas BVerfG belehrt die Gerichte nun jedoch, dass nicht nur der „Schutzauftrag des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes einen Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens gebietet“. Wenn, wie hier, zusätzlich das Grundrecht auf Freiheit der Person betroffen ist, gilt dies erst recht. Gerade der illegale Freiheitsentzug gebietet einen angemessenen Ausgleich, um dem Verkümmern des Rechtsschutzes entgegenzuwirken. Des weiteren bemängelt das höchste Gericht, dass auch die Bedingungen des Gewahrsams allzu oberflächlich als unvermeidbar bei Großeinsätzen gerechtfertigt wurden. Es hätte geprüft werden müssen, ob die dadurch entstandenen Rechtseinbußen bei sorgfältiger Planung nicht hätten vermieden werden können. Aber nicht nur die Grundrechte aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 GG haben die unteren Gerichte nicht ausreichend gewürdigt. Zu beanstanden sei, dass das OLG die abschreckende Wirkung einer solchen Maßnahme auf die Ausübung von Grundrechten nicht erkannt hätte. Nicht nur derjenige, der eine derartige Behandlung erfahre, sondern auch alle potentiellen Demonstrationsteilnehmer könnten vom künftigen Gebrauch ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) abgeschreckt werden. Die Demonstrationsbeobachtung sei zudem durch dieses Grundrecht in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Das Gericht formuliert: „Zu beanstanden ist weiter, dass das Oberlandesgericht in der mindestens zehnstündigen Festsetzung der Beschwerdeführer keine nachhaltige Beeinträchtigung gesehen hat, ohne die abschreckende Wirkung zu erwägen, die einer derartigen Behandlung für den künftigen Gebrauch grundrechtlich garantierter Freiheiten – namentlich die durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Teilnahme an Demonstrationen oder deren von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Beobachtung – zukommen konnte und die der Rechtsbeeinträchtigung ein besonderes Gewicht verleihen kann.“ Rechtsschutz darf nicht verkümmernDie beiden Demonstrationsbeobachter hatten auf verhältnismäßig geringe Entschädigungen geklagt. Sie wollten für die je unterschiedlichen Grundrechtsverletzungen im Gewahrsam 500,- und 2000,- Euro Schmerzensgeld. Über die Höhe dieses Betrags wird das Landgericht Lüneburg nun zu entscheiden haben. Bei einem unverfänglichen, aber heimlich aufgenommenen Foto des Fürstenehepaares von Monaco hat der Bundesgerichtshof immerhin eine Entschädigung von 150.000 DM (dem Kleinkind) und 125.000 DM (der Mutter) zugesprochen. Erst wenn solche Beträge nicht mehr aus der Portokasse zu zahlen sind, wird die Polizei vielleicht ihre illegalen Vorgehensweisen etwas seltener einsetzen. Dafür bedarf es allerdings noch häufig des langen Klage-Atems. Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie]]>Demonstrationsfreiheit (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-98Fri, 27 Nov 2009 15:04:00 +0100Menschenrechtsschutz oder Staatenimmunität? Die Klage Deutschlands gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof/publikationen/mitteilungen/mitteilung/menschenrechtsschutz-oder-staatenimmunitaet-die-klage-deutschlands-gegen-italien-vor-dem-internationalen-gerichtshof-98Veranstaltung, Berlin, 3.12.2009darauf, dass die italienischen Gerichte den Grundsatz der Staatenimmunität verletzt hätten. Dieser schließe es kategorisch aus, dass ein Staatvor Gerichten eines Staates verklagt werde. Die griechischen und italienischen Gerichte hatten demgegenüber festgestellt, dassdie Durchsetzung der Menschenrechte vorrangig ist und der Grundsatz der Staatenimmunität jedenfalls bei Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen keine Geltung hat. Es ist zu befürchten, dass die zu erwartende Entscheidung des IGH nicht nur negative Auswirkungen auf eine Vielzahl von Verfahren nicht entschädigter NS-Opfer zeitigen, sondern darüber hinaus in Zukunft die Durchsetzbarkeit von Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen generell erschweren, wenn nicht vereiteln kann. Zurzeit läuft beispielsweise ein Beschwerdeverfahren von Opfern aus dem serbischen Dorf Varvarin, das im Mai 1999 von NATO-Streitkräften bombardiert wurde, vor dem Bundesverfassungsgericht. Dabei geht es um die Durchsetzbarkeit unmittelbarer Ansprüche auf Entschädigung von Opfern von Kriegsverbrechen gegen die Bundesrepublik Deutschland. Jahrzehntelange internationale Bemühungen, Kriegsverbrechen strafrechtlich, aber auch zivilrechtlich zu sanktionieren drohen in dem auch über den Fall der NS-Entschädigungen hinaus hochbedeutenden IGH-Verfahren konterkariert zu werden. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) laden zu diesem Thema am 03. Dezember 2009 in den Räumen des ECCHR ab 18 Uhr zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung ein. Expertinnen und Experten aus der Menschenrechtsarbeit, der Politikwissenschaft, dem Völkerrecht sowie der Anwaltschaft diskutieren in zwei Podien die Stellung und Durchsetzbarkeit von individuellen Entschädigungsansprüchen nach Kriegsverbrechen. Die möglichen Konsequenzen des Verfahrens vor dem IGH werden ebenso Gegenstand der Veranstaltung sein wie die Entschädigungspolitik Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.   Wir bitten um Anmeldung unter info@ecchr.eu und freuen uns auf Ihr Kommen!3. Dezember 2009, 18:00 bis 21:30 Uhr, ECCHR, Zossener Straße 55-58, Aufgang D, 10961 Berlin  

                                    

        Programm 18:00 – 19:30: Entschädigungsansprüche von Opfern in bewaffneten Konflikten und deren Durchsetzbarkeit Völkerrechtliche Individualansprüche im Spannungsverhältnis von Recht und Politik (Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano/Universität Bremen) Die Entwicklung und heutige Bedeutung der Staatenimmunität bei schwersten Menschenrechtsverletzungen (Dr. Monika Lüke, Generalsekretärin Amnesty International und Beiratsmitglied des European Center for Constitutional and Human Rights) 20:00 – 21:30: Entschädigung von NS-Verbrechen Ein- und Ausschlüsse von NS-Opfern - Grundzüge der deutschen Entschädigungspolitik (Dr. Anja Hense) Der Fall Distomo - Staatenimmunität als Instrument der Entschädigungsverweigerung (Martin Klingner, Rechtsanwalt)   Moderation: Carsten Gericke (Rechtsanwalt, RAV)]]>
        Globale Gerechtigkeit (doublet)NS-Verbrechen (doublet)
        news-97Fri, 27 Nov 2009 14:54:00 +0100Filmen verboten - Atomkraftgegner wehren sich gegen Film- und Videoaufnahmen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/filmen-verboten-atomkraftgegner-wehren-sich-gegen-film-und-videoaufnahmen-97MitteilungBI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.  ]]>Demonstrationsfreiheit (doublet)ÜberwachungBürger- und Menschenrechte (doublet)news-96Wed, 25 Nov 2009 19:00:00 +0100Letzter Ausgang aus Afghanistan. Perspektiven zur Beendigung des deutschen Militäreinsatzes./publikationen/mitteilungen/mitteilung/letzter-ausgang-aus-afghanistan-perspektiven-zur-beendigung-des-deutschen-militaereinsatzes-96Republikanische Vesper- Mit welchen Schritten kann der Vorrang ziviler Entwicklungsziele wieder hergestellt werden?
        - Wie kann eine deutsche Exit-Strategie aussehen, die die Sicherheitsbedürfnisse afghanischer Bürgerinnen und Bürger, ziviler Aufbauprojekte und der westlichen Entwicklungshelfer berücksichtigt?
        - Wie kann diese Strategie international vernetzt werden? Für Impulsreferate haben wir eingeladen: - Ute Finckh-Krämer (Bund für Soziale Verteidigung)
        - Martin Kutscha (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin)
        - Moderation: Werner Koep-Kerstin (Humanistische Union). Die Vespern dienen dem freien und gleichberechtigten Austausch über zeitpolitische Fragen und sollen in ungezwungener Atmosphäre zur Diskussion unter den Beteiligten anregen. Zur Vesper gibt es Brot und Käse, Wasser und Wein. Die Republikanischen Vespern finden normalerweise an jedem letzten Donnerstag im Monat statt - nur diesmal ausnahmsweise bereits am Mittwoch. Veranstalter: Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Redaktion Ossietzky, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein & Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte

        Mittwoch, 25.11.2009 um 19:00 Uhr

        Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

        Tram M4, Haltestelle „Am Friedrichshain“, Bus 200 und 240

        ]]>
        news-95Sun, 08 Nov 2009 17:52:00 +0100Folter im „Kampf gegen den Terror“/publikationen/mitteilungen/mitteilung/folter-im-kampf-gegen-den-terror-95Veranstaltung, Hamburg, 25.11.2009Universität Hamburg, Raum ESA H, Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude), 20146 Hamburg

        Rechtsanwalt Gonzalo Boyé berichtet über aktuelle Ermittlungen spanischer Strafverfolgungsbehörden gegen hochrangige US-Juristen, die mittels „Rechtsgutachten“ maßgeblich die Grundlage für das „System Guantanamo“ gelegt haben.

        Referenten: Rechtsanwalt Gonzalo Boyé (Madrid)
        Prof. Dr. Rainer Keller (Universität Hamburg)
        Moderation: Rechtsanwalt Carsten Gericke (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, RAV) Im März 2009 reichte der spanische Rechtsanwalt Gonzalo Boyé zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen in Spanien eine Strafanzeige gegen hochrangige Juristen der vormaligen US-Regierung ein, die durch vermeintliche Rechtsgutachten die Rechtfertigung für die Anwendung von Folter bei Verhören u.a. in dem Gefangenenlager Guantanamo geliefert haben. In der Folgezeit gelangten sowohl durch einen umfassenden Report des Internationalen Roten Kreuzes, aber auch durch einen internen Bericht der CIA eine Vielzahl weiterer grausamer Fakten über die Folterpraxen an die Öffentlichkeit. Eine strafrechtliche Aufarbeitung dieser Vorgänge steht jedoch auch nach dem Regierungswechsel in den USA bislang aus. Trotz erheblichen Drucks aus den USA und seitens der spanischen Justiz entschied der zuständige Ermittlungsrichter Baltasar Garzón Ende April 2009, das Verfahren zu eröffnen.

        Bereits im November 2006 hatten das New Yorker Center for Constitutional Rights (CCR), der RAV und andere Menschenrechtsorganisationen in Deutschland eine umfassende Strafanzeige auch hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der US-Juristen eingereicht. Dieses Gesuch lehnte Generalbundesanwältin Monika Harms im April 2007 ab.

        Die aktuellen Ermittlungen in Spanien können dazu beitragen, endlich effektiv die Hintergründe des „Systems Guantanamo“ und die maßgeblichen politischen Vorgänge in der damaligen US-Regierung zu durchleuchten und der Straflosigkeit der Folter ein Ende zu setzen.

        Gonzalo Boyé ist als Strafverteidiger tätig, vertrat aber u.a. auch Nebenkläger im Verfahren um die Terroranschläge in Madrid 2004. Er wird über den näheren Inhalt der aktuellen Strafanzeige ebenso berichten wie über die praktischen Hindernisse bei der staatlichen Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen.

        Prof. Rainer Keller lehrt an der Universität Hamburg u.a. Internationales Strafrecht und beschäftigt sich seit Jahren mit Möglichkeiten und Grenzen, durch internationale Strafverfolgung Menschenrechte effektiv zu schützen.

        Der Vortrag von Gonzalo Boyé wird in Englisch gehalten und übersetzt werden. Im Anschluss besteht ausreichend Raum für Fragen und Diskussion.

        Der Eintritt ist frei.

        Veranstalter:

        Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ), Amnesty International Bezirksverband Hamburg, DFG-VK-Ortsgruppe Bad Oldesloe, Hamburger Forum, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) mit freundlicher Unterstützung der Hagemann-Stiftung, der Holtfort-Stiftung sowie der Amnesty International Bezirksverbände Flensburg und Kiel  ]]>
        Strafanzeige gegen Rumsfeld (doublet)Folterverbot (doublet)Guantánamo (doublet
        news-94Fri, 23 Oct 2009 12:56:00 +0200Republikanische Vesper: Staatenimmunität bei Kriegsverbrechen?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/republikanische-vesper-staatenimmunitaet-bei-kriegsverbrechen-94Republikanische VesperNS-Verbrechen (doublet)news-93Fri, 23 Oct 2009 09:43:00 +0200Mitgliederversammlung mit anschließender Diskussion/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mitgliederversammlung-mit-anschliessender-diskussion-93Berlin, 20.11.2009news-91Mon, 12 Oct 2009 14:36:00 +0200Mumia Abu Jamal, Protagonist der Bewegung gegen die Todesstrafe, muss entlassen werden/publikationen/mitteilungen/mitteilung/mumia-abu-jamal-protagonist-der-bewegung-gegen-die-todesstrafe-muss-entlassen-werden-91Pressemitteilung
        Der RAV teilt die Auffassung des Verteidigers von Mumia Abu Jamal, Robert Bryan, der die schlampige Beweisaufnahme im Vorfeld des ersten Prozesses sowie rassistische Ressentiments bei der Zusammensetzung der Jury monierte. Der RAV unterstützt deshalb die Forderung von Mumia Abu Jamal und seinem Verteidiger nach einem neuen und fairen Prozess.

        Der RAV ergreift keine Partei für oder gegen eine Schuld des Journalisten Mumia Abu-Jamal an dem ihm zur Last gelegten Mord im Jahre 1981. In Übereinstimmung mit der europäischen Rechtsauffassung vertritt der RAV die Meinung, ein Gefangener müsse nach mehr als fünfundzwanzig Jahre Haft ein Recht auf Freilassung genießen. Mumia Abu Jamal wird von uns nicht nur als Betroffener, sondern auch als profilierter Protagonist der Bewegung gegen die Todesstrafe unterstützt.

        8. Oktober 2009, Berlin

        Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein ]]>
        news-92Mon, 12 Oct 2009 10:52:00 +0200Kontrollverluste. Interventionen gegen Überwachung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/kontrollverluste-interventionen-gegen-ueberwachung-92Veranstaltung zur Buchmesse, Frankfurt/Main, 16.10.2009"Gegen Buch Masse" anlässlich der Buchmesse in Frankfurt/Main. 

        Freitag, 16.10.2009, 20 UHR

        Faites votre jeu! Klapperfeldstraße 5, Frankfurt
        (NÄHE KONSTABLERWACHE)


        Veranstalter: P.A.C.K., Faites votre jeu!

         ]]>
        Bürger- und Menschenrechte (doublet)Innere Sicherheit (doublet)
        news-90Mon, 21 Sep 2009 11:20:00 +0200Die Kontrolle der Räume - Vorträge und Diskussion/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-kontrolle-der-raeume-vortraege-und-diskussion-90Veranstaltung, Bremen, 24.9.2009http://red-park.net). Forschungsschwerpunkte sind Machtanalytik, der urbane Alltag und Performance-Theorie. Peer Stolle ist Rechtsanwalt in Berlin und beschäftigt sich mit den Folgen staatlicher Terrorismusbekämpfung, der Erweiterung polizeilicher Eingriffsbefugnisse und modernen Formen sozialer Kontrolle. Er ist Mitglied im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und zusammen mit Tobias Singelnstein Autor des Buches »Die Sicherheitsgesellschaft. Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert«.  Nicole Vrenegor, Politologin und Journalistin, lebt und arbeitet in Hamburg. Sie ist Redakteurin der Monatszeitung »ak - analyse und kritik«, aktiv in der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) und gehört zum Archiv »Kultur & Soziale Bewegung« . Dr. Jan Wehrheim lehrt und forscht seit vielen Jahren zu Fragen von Stadtentwicklung, Überwachung, Kontrolle und sozialer Ausgrenzung. Er ist Autor bzw. Herausgeber der Bücher "Die überwachte Stadt" (2006), "Shopping Malls - interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps" (2007) sowie "Der Fremde und die Ordnung der Räume" (2009).]]>Innere Sicherheit (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)news-89Tue, 15 Sep 2009 16:34:00 +0200Gegen Strafverschärfungen im Jugendstrafrecht /publikationen/mitteilungen/mitteilung/gegen-strafverschaerfungen-im-jugendstrafrecht-89PressemitteilungStrafverschärfungen führen zum Anstieg der Kriminalität Die Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, wie sie von der Union gefordert wird, ist – erneut - überflüssig. Sie erscheint als geradezu gebetsmühlenartiger gänzlich unfundierter Ruf nach einer unsinnigen Gesetzesänderung, für die keinerlei Bedarf besteht.

        Erneut wird eine schrecklicher Einzelfall medial ausgewalzt und für Wahlkampfzwecke ausgeschlachtet, um das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung weiter zu schüren und diese glauben zu machen, eine härtere „Gangart“ und Verschärfung des Jugendstrafrechts sei zur Verhinderung gleichartiger Taten geeignet. Das Gegenteil ist der Fall. Wiederholt hat die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. darauf hingewiesen, dass die Statistik belegt, dass eine Verschärfung des Jugendstrafrechts einen Anstieg der Kriminalität bedingen wird. Ein Blick auf die Rückfallquoten spricht eindeutig gegen längere Haftstrafen. Achtzig Prozent der Jugendlichen, die Haft oder Arrest verbüßt haben, werden nach ihrer Entlassung rückfällig. Über einen bestimmten Zeitraum hinaus, den Experten mit etwa vier Jahren bemessen, entfaltet Jugendstrafe keinerlei positive erzieherische Wirkung. Gerade der vorliegende Fall eignet sich zur Begründung der von der Union erhobenen Forderungen überhaupt nicht. Soweit die Union erneut die Einführung eines sog. Warnschussarrestes fordert, sei darauf hingewiesen, dass der Presseberichterstattung über die Münchener Tatverdächtigen zu entnehmen ist, dass jedenfalls einer der Beschuldigten bereits vier Wochen Dauerarrest und U-Haft in anderer Sache verbüßt hat. Die Statistik belegt, dass Jugendliche, die Haft beziehungsweise Jugendarrest verbüßt haben, eine höhere Rückfallquote aufweisen, als diejenigen, die mit anderen Sanktionen konfrontiert worden sind. Der vorliegende Fall bestätigt die Statistik. Dies führt die Forderung nach der Einführung eines Warnschussarrestes ad absurdum. Wenn darüber hinaus der Bevölkerung suggeriert wird, mit der Hochsetzung der Höchststrafe von zehn auf fünfzehn Jahre sei dem Problem beizukommen, kann auch dies nur als hilflose und plakative Wahlkampfforderung qualifiziert werden. Die Botschaft, härtere Strafen entfalteten eine höhere Abschreckung, ist gerade im Be-reich schwerer Gewaltdelikte schlichtweg falsch. Es erscheint geradezu naiv anzunehmen, die Täter des in der Berichterstattung als „S-Bahn-Mord“ bezeichneten Geschehens hätten von der Tat abgelassen, wenn sich auch der jugendliche Täter bewusst gemacht hätte, dass ihm anstelle des Strafrahmens von derzeit bis zu 10 Jahren Jugendstrafe eine solche von fünfzehn Jahren drohen würde. Dem bereits 18-jährigen Täter droht nicht nur eine fünfzehnjährige Jugendstrafe, hier steht lebenslang im Raum. Auch dies hat offenbar keinerlei abschreckende Wirkung entfaltet. Auch hier belegt die Statistik, dass Strafverschärfungen nichts bringen – außer einem Anstieg der Kriminalität. Mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz wurden 1998 die Strafrahmen gerade für die Körperverletzungsdelikte teilweise drastisch erhöht. So wurde etwa die Höchststrafe für die gefährliche Körperverletzung von fünf auf zehn Jahre verdoppelt. Gerade in diesem Bereich von Taten soll die Statistik seitdem einen deutlichen Anstieg verzeichnen. Demzufolge ist auch die Forderung der Union nach einer „restriktiveren“ Regelung zur Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende sinnlos. Ganz offenbar liegt die Ursache derartiger Gewaltexzesse nicht in der Überzeugung der Täter, mit einer milden Bestrafung davon zu kommen, sondern vielmehr in der Perspektivlosigkeit ihres Daseins – beide Tatverdächtige aus München sind laut Presseberichterstattung arbeits- und berufslos. Hier muss die Politik ansetzen. Rechtsanwältin Nicole Friedrich
        für den Vorstand]]>
        Strafprozessrecht (doublet)Innere Sicherheit (doublet)
        news-88Fri, 04 Sep 2009 16:57:00 +0200Meine Daten gehören mir! Informations- und Diskussionsveranstaltung zu (Gegen-)Strategien europäischer Sicherheitspolitik/publikationen/mitteilungen/mitteilung/meine-daten-gehoeren-mir-informations-und-diskussionsveranstaltung-zu-gegen-strategien-europaeischer-sicherheitspolitik-88Veranstaltung, Berlin, 1.10.2009Frei flutende Daten Das Sammeln von Daten durch die nationalen und die europäischen Institutionen, deren reibungsloser Austausch und deren ungehinderte technische Auswertung sind die zentrale Grundlage, auf der diese Entwicklungen beruhen. "Unsere" Daten fluten frei durch die Datensammlungen von Polizeien und Geheimdiensten und die Schlüsse, die sie daraus ziehen, sind nicht mehr von uns zu kontrollieren. Wir wollen informieren und Protestformen vorstellen - Datenschutz muss auch in der EU gelten - meine Daten gehören mir! * Freier Binnenmarkt für Polizeidaten: Vom Prinzip der "Verfügbarkeit" zu dem der "Konvergenz"; DNA- und Fingerabdruckdaten als Einstiegs"drogen" für einen umfassenden gegenseitigen Zugriff auf nationale Polizeidaten * Schengen Informationssystem (SIS), Visa Informationssystem (VIS) und mehr: das elektronische Instrumentarium der Festung Europa, die biometrischen Konzepte * "Troublemakers": der Austausch von Daten über DemonstrationsteilnehmerInnen und Fußball-Fans. Die bisherige Praxis, die nationalen Datensammlungen, die für diesen Austausch bereitgestellt werden, die Regelungen des Prüm-Vertrages, die Planungen für eine eigenständige Datenkategorie im SIS * Zur Notwendigkeit der Kampagne "Reclaim your data" - wir alle können uns beteiligen und unsere Daten zurückfordern. ReferentInnen: * Heiner Busch (Komitee für Grundrechte und Demokratie, Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP) * Angela Furmaniak (Rechtsanwältin) * Matthias Monroy (gipfelsoli, Kampagne "Reclaim your data") * Eric Töpfer (Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin)  
        Hintergrundinformationen zum Widerstand gegen das "Stockholm-Programm"
          Veranstalter: * Gipfelsoli (www.gipfelsoli.org) * Humanistische Union (www.humanistische-union.de) * Komitee für Grundrechte und Demokratie (www.grundrechtekomitee.de) * Neue Richtervereinigung (www.nrv-net.de) * Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein   Veranstaltungsort:
        Haus der Demokratie und Menschenrechte
        Robert-Havemann-Saal
        Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Wegbeschreibung: Tramlinie M4 (z.B. vom Alexanderplatz) sowie Buslinien 200 und 240 - Haltestelle ist jeweils "Am Friedrichshain"  ]]>
        ÜberwachungEuropa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-87Tue, 01 Sep 2009 17:57:00 +0200US-Deserteur André Shepherd braucht Asyl!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/us-deserteur-andre-shepherd-braucht-asyl-87Aufruf zum Antikriegstag 2009 

        Sie finden die Erklärung als pdf-Datei auch unter www.Connection-eV.de/pdfs/erklärung_shepherd_09-09-01.pdf.

         

        Wortlaut der Erklärung:

         
        US-Deserteur André Shepherd braucht Asyl!

        André Shepherd desertierte aus der US-Armee und beantragte im November 2008 in Deutschland Asyl. Er stellt sich damit gegen eine Kriegs- und Besatzungspolitik, die im Namen des „Krieges gegen den Terror“ zu großem Leid, Zerstörungen und Hunderttausenden von Toten geführt hat, insbesondere in Irak und Afghanistan.

        André Shepherd verweigerte den Einsatz als Hubschraubermechaniker im Irak: „Bei einer weiteren Beteiligung wäre ich verantwortlich für zahlreiche völkerrechtswidrige Handlungen. Für mich war daher der Weg eindeutig: Ich musste raus aus dem Militär.“ Er machte zugleich deutlich, dass „auch die Gräueltaten in Afghanistan nicht heruntergespielt werden dürfen. Wenn Obama einen wirklichen Wandel will, muss er den ‘Krieg gegen den Terror’ vollständig beenden.“

        In seinem Asylantrag beruft sich André Shepherd auf die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union, die seit Oktober 2006 in Kraft ist. Mit ihr sollen die geschützt werden, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen.

        André Shepherds Entscheidung ist mutig angesichts der drohenden Konsequenzen. Auch unter einem US-Präsidenten, auf den viele Hoffnungen gesetzt werden, bleibt er von Strafverfolgung und mehrjähriger Haft bedroht. Zudem werden Deserteure unehrenhaft aus der Armee entlassen, womit sie in den USA als Verräter gelten, ausgegrenzt werden und z.B. kaum einen Job finden können.

        Wir betonen: Kriegsdienstverweigerung und Desertion sind mutige individuelle Schritte, sich nicht an Krieg, Kriegsverbrechen und militärischer Gewalt zu beteiligen. Das Nein zum Krieg ist ein wichtiger Schritt zur Beendigung des jeweiligen Krieges.

        Zum diesjährigen Antikriegstag erklären die unterzeichnenden Organisationen daher ihre Solidarität mit André Shepherd, der mit seiner Verweigerung ein entschiedenes Zeichen gegen den Krieg gesetzt hat. Die Organisationen fordern die Bundesregierung auf, ihm Asyl zu gewähren und generell Verweigerer und Verweigerinnen zu schützen, die sich den Verbrechen der Kriege entziehen und flüchten.

         

        Die unterzeichnenden Organisationen rufen zugleich dazu auf, für André Shepherd aktiv zu werden. Weitere Informationen sind über die untenstehenden Adressen zu erhalten.

        Unterzeichnet von folgenden Gruppen und Organisationen (Stand: 31.8.2009): Aachener Friedenspreis e.V.; American Voices Abroad Military Project; amnesty international, Gruppe 1363 (Emden); Ansbacher Friedensbündnis; Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier; Arbeitskreis Asyl, Offenbach; Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. (asfrab); Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung in der Ev.-luth. Kirche in Bayern; ARGE Wehrdienstverweigerung Salzburg, Österreich; Asylkreis Emden; Augsburger Friedensinitiative (AFI); Bayerischer Flüchtlingsrat; Bündnis gegen Rechts, Emden; Bund für Soziale Verteidigung (BSV); Bundesvorstand der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerer (EAK); Bundeswehr wegtreten Köln; Bürengruppe Paderborn; Bürgerprojekt AnStifter Stuttgart e.V.; Christinnen und Christen für den Frieden Dortmund / pax christi; Connection e.V.; Courage to Resist, USA; Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Bundesverband, Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, Gruppen Darmstadt, Hannover, Karlsruhe, Kleve, Lüdenscheid, Mainz, Mülheim/Oberhausen/Bottrop, München, Offenbach, Schweinfurt, Stuttgart und Wiesbaden; Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA); Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee; Die Linke , LV Bayern; Die Linke, KV Würzburg - Main-Spessart – Kitzingen; DKP Märkischer Kreis; Eritreische Antimilitaristische Initiative (EAI); European Bureau for Conscientious Objection – Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO); Federacija rabotnikov obrazovanija, nauk i techniki, Moskau; Flüchtlingsrat Hamburg e.V.; Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.; Forum voor Vredesaktie, Belgien; Freiburger Friedensforum; Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. Frankfurt; Friedensbüro Hannover; Friedensforum Düsseldorf; Friedensforum Emden; Friedensinitiative Landshut; Friedenspfarramt der Ev. Kirche in Hessen und Nassau; Friedenszentrum e.V. Braunschweig; Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) Münster; graswurzelrevolution; Haus International, Landshut; Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg; Heidelberger Friedensratschlag; Hessischer Flüchtlingsrat; Informationsstelle Militarisierung (IMI); Infostelle für Friedensarbeit; Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V., Deutsche Sektion (IPPNW); Internationale der KriegsdienstgegnerInnen (IdK) e.V.; Internationaler Versöhnungsbund - Deutscher Zweig; Iraq Veterans Against the War (IVAW), USA; Kampagne gegen Wehrpflicht Potsdam; Kölner Netzwerk „kein mensch ist illegal“; Komitee für Grundrechte und Demokratie; Kulturverein Solidarität e.V., Schweinfurt; Military Counseling Network; Motorradclubs Brigadistas Düsseldorf; Mouvement Chrétien pour la Paix (MCP), Belgien; Netzwerk Friedenskooperative; Oberhausener Friedensinitiative; Ohne Rüstung Leben (ORL); Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten (IKvu); Ökumenisches Netz Rhein Mosel Saar e.V.; Pax an - Arbeitskreis Frieden Köln; pax christi, deutsche Sektion sowie die Gruppen Rottenburg-Stuttgart und Offenbach; Pro Asyl; Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV); Rostocker Friedensbündnis; SAGA-Bündnis gegen Abschiebung, Freiburg; Stop the War Brigade – Vietnam Veterans Against the War Germany AI; TKDV-Initiativen Dresden und Frankfurt am Main; Tübingen Progressive Americans; Union Pacifiste de France (UPF); Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) Landesverband Nordrhein-Westfalen, Kreisverband Düsseldorf und Gruppe Heidelberg; War Resisters’ International (WRI); War Resisters Support Campaign, Kanada; Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden; Wetzlarer Friedenstreff; Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen; Zentrum für Freiwilligen-, Friedens- und Zivildienst der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck

         
        Weitere Infos bei Connection e.V., Tel.: 069-82375534, www.Connection-eV.de oder Military Counseling Network, Tel.: 06223-47506, www.mc-network.de

         

        ]]>
        Migration & Asyl (doublet)
        news-85Tue, 25 Aug 2009 12:51:00 +0200Nimm dir dein Recht im Europa der Polizeien, hol dir deine Daten zurück!/publikationen/mitteilungen/mitteilung/nimm-dir-dein-recht-im-europa-der-polizeien-hol-dir-deine-daten-zurueck-85Kampagne zu Auskunftsersuchen in europäischen DatenbankenWeitere Informationen und das Angebot einer automatisierten Erstellung entsprechender Anschreiben finden sich unter:

        http://www.datenschmutz.de/cgi-bin/moin.cgi/AuskunftErsuchen

        Mehr zu den zukünftigen Plänen europäischer Innen- und Justizminister: http://stockholm.noblogs.org

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        Innere Sicherheit (doublet)ÜberwachungEuropa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-75Mon, 13 Jul 2009 18:30:00 +0200Videoüberwachung, Kontrollen, Aufenthaltsverbote: Soziale Ausschluss und Normierung des öffentlichen Raums mittels Polizeirecht/publikationen/mitteilungen/mitteilung/videoueberwachung-kontrollen-aufenthaltsverbote-soziale-ausschluss-und-normierung-des-oeffentlichen-raums-mittels-polizeirecht-75Veranstaltung, Hamburg, 13.07.2009 

        Montag, 13. 7. 2009, 19 Uhr

        Universität Hamburg, Allendeplatz 1, 20146 Hamburg, Raum 138

        Eintritt frei

        Referenten:

        Jan Wehrheim, Universität Hamburg - Institut für Kriminologische Sozialforschung

        Ulf Treger, Medienproduzent, Mitglied von city.crime.control

        Carsten Gericke, Rechtsanwalt in Hamburg, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

         

         

        Veranstaltung der Gruppe Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ) in Zusammenarbeit mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV).

         

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        Polizeirecht (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-32Fri, 26 Jun 2009 09:00:00 +0200Frieden durch Recht?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/frieden-durch-recht-32Tagung, Berlin, 26. - 27.06.2009pdf) 1. Der I. Weltkrieg verursachte ca. 15 Millionen Kriegstote, der II. Weltkrieg mehr als 55 Millionen und in den über 200 Kriegen, die seit 1945 stattgefunden haben, kamen ca. 25 bis 35 Millionen Menschen um (ca. 70 bis 90 % waren Opfer aus der Zivilbevölkerung). Allein der 2003 begonnene US-geführte Angriffskrieg der "Koalition der Willigen" gegen Irak soll bis 2006 ca. 655.000 Menschen das Leben gekostet haben. Schon die Zahlen zeigen: Die Menschheit war in ihrer Geschichte – bis heute – nicht besonders produktiv bei der Beantwortung der Frage: Wie bringt man die vielfältigen und vielfach gegenläufigen Interessen sowie die auseinanderstrebenden Willen der Individuen, Gemeinschaften, Völker und Staaten in einen das friedliche Zusammenleben ermöglichenden Rahmen? Wie ist der Kampf aller gegen alle zu vermeiden, wie ist die Verfolgung individueller und gemeinsamer Interessen aufeinander abzustimmen? Soziologen sagen uns: Die Menschheit hat im Grunde bisher nur vier solcher Steuerungsmittel gefunden: Macht, Markt, Moral und eben das Recht. Das gilt nicht nur für den innergesellschaftlichen und innerstaatlichen Bereich, sondern auch für die internationalen Beziehungen.

        2. Recht kann Frieden nicht bewirken, aber es ist für Frieden unverzichtbar.
        Im Verhältnis von Recht und Macht liegt der bedeutendste Nutzen des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen darin, die Gewaltanwendung bei der Austragung und Lösung von Konflikten auf ein anderweitig nicht erreichbares Minimum zu beschränken. Macht reicht dazu nicht aus. Auch der Markt mit seinen strukturellen Defiziten kann dies nicht erreichen, ebenso wenig wie die Steuerungsressource Moral.
        Das Verhalten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte zueinander berechenbarer zu machen, gehört zu den wichtigsten friedenssichernden Funktionen des Völkerrechts.
        Völkerrecht schafft zudem institutionelle Rahmenbedingungen für den Verzicht oder jedenfalls die Begrenzung von Gewalt. Es stellt Regeln und Verfahren für die Austragung, Regelung und Beilegung von Streitigkeiten zur Verfügung. Hier haben vor allem auch internationale Organisationen und Institutionen, die ihrerseits auf völkerrechtlichen Verträgen und Abmachungen beruhen, ihre wichtige Funktion. Dazu gehört die im Angesicht der - von Deutschland ausgehenden und für mehr als 50 Millionen Menschen tödlichen - Massaker des 2. Weltkriegs geschaffene UN-Charta, eine der bedeutendsten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheitsgeschichte.

        3. Wir müssen dennoch immer wieder die bestürzende Erfahrung machen: Gerade die Normen des Völkerrechts, die auf die Bewahrung und Schaffung des Friedens ausgerichtet sind, aber auch die Gewaltverbote und Friedensgebote des nationalen Rechts werden immer wieder missachtet, gerade auch von denen, die einen Amtseid auf die Verfassung und damit zugleich auch auf das geltende Völkerrecht geleistet haben. Dies geschieht nicht nur durch Regierungen und Exekutivorgane, die sich in ihrer Außenpolitik nach ihren Worten immer nur für „den Frieden“ einsetzen. Es gilt auch für Gerichte, deren Entscheidungen friedensrechtliche Gebote fahrlässig übersehen, übergehen oder gar missachten. Die jüngere und jüngste Vergangenheit bietet dafür zahlreiche illustrative Beispiele, auch für Deutschland:
        • die aktive politische und militärische Beteiligung am Krieg der NATO-Staaten gegen Jugoslawien,
        • die direkte und indirekte Unterstützung für die US-geführte „Koalition der Willigen“ im Krieg gegen Irak (Gewährung von Überflugrechten, Gestattung der unkontrollierten Nutzung der inländischen Infrastruktur und Militärbasen, logistische und nachrichtendienstliche Kooperation bei der Kriegsführung bis hin zur Zielauswahl, Missachtung der Neutralitätspflichten aus dem V. Haager-Abkommen etc.),
        • die Hinnahme von oder gar Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen im „Krieg gegen den Terror“ (z.B. Duldung von Flügen im deutschen Luftraum und Nutzung des deutschen Territoriums im Rahmen von Renditions-Aktionen u.a. der CIA; Übernahme und Verwertung von „Folter-Geständnissen“; menschenrechtswidrige Schutzverweigerung für Guantanamo-Häftlinge z.B. im Falle Kurnaz; Behinderung der Strafverfolgung von Folter-Verantwortlichen),
        • die Weigerung, (auch) für Militäreinsätze der Bundeswehr und für die militärische Nutzung von ausländischen Militärbasen in Deutschland die obligatorische Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag anzuerkennen,
        • entgegen dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 weiterhin an der NATO-Nuklearstrategie festzuhalten, die die Androhung und den Einsatz von Atomwaffen vorsieht, und im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ diesen aktiv zu üben,
        • die fortlaufende Missachtung der in Art. VI des Atomwaffensperrvertrages normierten Verpflichtung aller Staaten, dafür einzutreten unverzüglich in redlicher Absicht Verhandlungen über eine vollständige nukleare Abrüstung aufzunehmen und zum Abschluss zu bringen.

        4. Dabei gibt es das „Friedensgebot“ des Grundgesetzes und der UN-Charta, das vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zu Bundeswehreinsätzen im Ausland vielfach rhetorisch herangezogen, jedoch in seinen Wirkungen weder praxisnah entfaltet noch hinreichend zur Wirksamkeit gebracht wird.
        Es ist deshalb dringend an der Zeit, die konkreten Inhalte und Funktion(en) der Friedensgebote des Grundgesetzes und des geltenden Völkerrechts neu zu vermessen. In welcher Weise können Juristinnen und Juristen bei deren Anwendung und praktischer Umsetzung wirkungsvoller mitwirken? Dazu gehört auch die kritische Frage, ob das geltende Völkerrecht in seinem heutigen Zuschnitt in der Lage ist, diese Friedensgebote implementieren zu helfen? Kann die feministische Kritik des Völkerrechts wichtige Beiträge dazu liefern, ggf. welche? Ist eine stärkere Verrechtlichung der internationalen Beziehungen sinnvoll und wünschenswert? Welche Rolle kann dabei innerstaatlichen und internationalen Gerichten zukommen? Empfiehlt es sich, z.B. bei Verletzungen des völkerrechtlichen Gewaltverbotes oder anderer völkerrechtlicher Delikte stärker auf strafrechtliche Verfahren gegen Entscheidungsträger zu setzen, in welcher Weise? Können zivilgerichtliche Schadensersatzklagen (Amtshaftung) dazu beitragen, den Krieg als Mittel der Politik unattraktiver zu machen?
        Zu diskutieren ist auch, ob sich die Herausbildung und Schaffung eines neuen Rechtsgebiets, des „Friedensrechts“ empfiehlt, um jedenfalls die Komplexität der friedensrechtlichen Quellen zu ordnen, inhaltlich zu klären und das Bewusstsein für die Zusammenhänge zu schärfen. Könnte so allgemein und insbesondere den Rechtsanwendern auch besser bewusst gemacht werden, welche friedensrechtlich relevanten Normen höherrangigen Rechts sie in ihrer Berufspraxis bei der Anwendung einfachen Rechts beachten müssen?

        5. Zur Diskussion dieser Fragen ruft die IALANA zusammen mit den Mitveranstaltern für den 26. und 27. Juni 2009 in- und ausländische Fachleute, Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, StrafrechtlerInnen, SozialwissenschaftlerInnen, PolitikerInnen, Studentinnen und Studenten, VerwaltungsjuristInnen und interessierte Bürgerinnen und Bürger in die Berliner Humboldt-Universität, um in Plenarveranstaltungen, Workshops und Panels Erfahrungen und Know How auszutauschen, Antworten zu finden und auch den Versuch zu unternehmen, ein Netzwerk für die weitere Kooperation von friedensrechtlich Interessierten zu schaffen. Es wäre schön, wenn Sie mittun würden.

        Berlin im April 2009 Veranstalter:
        IALANA (JuristInnen und Juristen gegen atomare biologische und chemische Waffen) in Zusammenarbeit mit:
        • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein e.v. (RAV)
        • European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH)
        • Neue Richtervereinigung e.V. (NRV)
        • RichterInnen und StaatsanwältInnen in Ver.di
        • The European Law Students‘ Association (ELSA)
        • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)
        • Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) Veranstaltungsort:
        Humboldt-Universität zu Berlin
        Fachbereich Jura
        Bebelplatz 1
        10117 Berlin
        (gegenüber von dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6) Anmeldungen:
        IALANA-Geschäftsstelle, Schützenstr. 6; 10117 Berlin
        Fax: +49.30.20654858
        Email:kongress@ialana.de (Stichwort: Kongress "Frieden durch Recht")

        Auskünfte:

        IALANA-Geschäftsstelle Tel. 030.20654857
        E-Mail-Anfragen bitte unter dem Stichwort "Frieden durch Recht" an kongress@ialana.deTeilnahmegebühr:
        Berufstätige: 30 Euro
        Studierende und Erwerbslose: 5 Euro
        Sonderregelungen sind nach Absprache mit dem Tagungssekretariat möglich.
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        Globale Gerechtigkeit (doublet)
        news-30Wed, 20 May 2009 12:34:00 +0200BKA-Gesetz: RAV erhebt Verfassungsbeschwerde/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bka-gesetz-rav-erhebt-verfassungsbeschwerde-30Pressemitteilung vom 11.05.2009Zusammenfassung der Beschwerdeschrift (PDF) entnommen werden. Für Fragen und Stellungnahmen steht Rechtsanwalt Sönke Hilbrans zur Verfügung.
        Tel: +49 (030) 4467920]]>
        Verfassungsbeschwerde BKA-Gesetz
        news-9Tue, 19 May 2009 19:41:00 +0200"Wenigstens hinsehen muss man doch..." - Die EU-Außengrenzen und das Europäische Flüchtlingsregime/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wenigstens-hinsehen-muss-man-doch-die-eu-aussengrenzen-und-das-europaeische-fluechtlingsregime-9Veranstaltung, Berlin, 28.05.2009afrikanische Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Seit 2007 steht er deshalb
        gemeinsam mit dem damaligen Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel im italienischen Agrigent wegen "Schlepperei" vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft beantragte jeweils 4 Jahre Gefängnis und 400.000 Euro Geldstrafe - das Urteil wird nunmehr für Juni erwartet.
        Stefan Schmidt berichtet von einem ganz eigenen Stück des Dramas, das sich tagtäglich kurz vor und kurz hinter den Mauern der „Festung Europa“
        abspielt. Zusammen möchten wir diskutieren, welche Perspektiven für eine
        menschenwürdige europäische Flüchtlingspolitik denkbar wären.

        Zur Vesper gibt es Brot und Käse, Wasser und Wein.
        Veranstalter: Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Redaktion Ossietzky, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein & Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte Donnerstag 28. 05. um 19:00 
        Haus der Demokratie und Menschenrechte
        Robert-Havemann-Saal
        Greifwalderstr. 4
        10405 Berlin
        Anfahrt: Tramlinie M4 sowie Buslinien 200 und 240. Haltestelle ist jeweils
        "Am Friedrichshain".]]>
        Migration & Asyl (doublet)Europa (doublet)
        news-41Mon, 18 May 2009 16:49:00 +0200Grundrechte-Report 2009: Ex-Bundesverfassungsrichter mahnt sorgsameren Umgang mit Grundrechten an/publikationen/mitteilungen/mitteilung/grundrechte-report-2009-ex-bundesverfassungsrichter-mahnt-sorgsameren-umgang-mit-grundrechten-an-41 Ex-Bundesverfassungsrichter mahnt sorgsameren Umgang mit Grundrechten an Hassemer lobt anlässlich der Vorstellung des neuen Grundrechte-Reports gestiegenes Bewusstsein für Datenschutz. Zugleich fordert er ein striktes Verbot der Verwertung von Folter-Aussagen.

        Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Winfried Hassemer, hat zu einem sorgsameren Umgang mit den Grundrechten aufgerufen. "Wir beobachten in Gesetzgebung und Verwaltung einen allgemeinen Trend hin zu mehr Sicherheit und Prävention, der häufig zu Lasten der klassischen bürgerlichen Freiheiten geht", sagte Hassemer anlässlich der Vorstellung des Grundrechte-Reports 2009 am Montag in Karlsruhe. Als Beispiel nannte er die zunehmende Beschränkung der Demonstrationsfreiheit durch immer strengere Versammlungsgesetze.

        Kurz vor dem 60. Jubiläum des Grundgesetzes am 23.5.2009 zog Hassemer ein kritisches, aber auch positives Fazit der deutschen Verfassungswirklichkeit. "Insbesondere im Bereich des Datenschutzes erleben wir, dass ein schon fast tot geglaubtes Grundrecht neu an Bedeutung gewinnt, weil die Bürger durch die Überwachungsskandale in großen Unternehmen aufgeschreckt werden", sagte der ehemalige Bundesverfassungsrichter, der von 1991 bis 1996 auch hessischer Datenschutzbeauftragter war.

        Klar wandte der emeritierte Professor für Strafrecht der Universität Frankfurt sich gegen Tendenzen, zum Zweck der Verfolgung oder Verhütung von Terroranschlägen das Folterverbot des Grundgesetzes aufzuweichen. "Vor vergifteten Beweismitteln dürfen wir nicht die Augen verschließen. Wenn es belastbare Anzeichen gibt, dass Zeugenaussagen in ausländischen Gefängnissen unter Folter erzwungen wurden, dann muss ihre Verwendung sowohl deutsche Behörden als auch Gerichten strikt verboten sein."

        Für die Herausgeber des Grundrechte-Reports kritisierte Till Müller- Heidelberg, ehemaliger Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, einen abnehmenden Respekt der Politik gegenüber dem Grundgesetz. Als Beispiel nannte er die im vergangenen Jahr durch das Bundesverfassungsgericht verworfene Online-Durchsuchung: "In das neue BKA-Gesetz wurde die Erlaubnis dazu dann gleich wieder hineingeschrieben, zusammen mit einem Bündel von fragwürdigen Eingriffsermächtigungen - vom Belauschen von Berufsgeheimnisträgern bis zur schon tot geglaubten Rasterfahndung", sagte Müller-Heidelberg. Ebenso rügte er die Rechtsblindheit von Ermittlungsbehörden und sogar Gerichten, die immer wieder gegen die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zur Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz verstießen.

        Auch Betroffene kamen bei der Präsentation des Grundrechte-Reports 2009 zu Wort. So schilderte ein Totalverweigerer "erzieherische Maßnahmen" der Bundeswehr, die darauf hinausgelaufen seien, seine Gewissensentscheidung gegen die Wehrpflicht zu brechen. Der Anmelder einer Demonstration in Karlsruhe berichtete, wie er zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil Teilnehmer sich an vergleichsweise marginale Auflagen nicht gehalten hatten: Die Ordner seien der Polizei 15 Minuten zu spät vorgestellt worden, manche Teilnehmer "zu ähnlich gekleidet" gewesen.

        Der im Fischer Taschenbuch Verlag verlegte, 1997 erstmals erschienene "Grundrechte-Report" versteht sich als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Neun Bürger- und Menschenrechtsorganisationen dokumentieren darin jährlich den Umgang mit dem Grundgesetz. Er wird gemeinsam herausgegeben von: Humanistische Union, Gustav Heinemann- Initiative, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen o PRO ASYL, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen, Internationale Liga für Menschenrechte und der Neue Richtervereinigung.

        Grundrechte-Report 2009 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, M. Assall, M. Pelzer, A. Würdinger, M. Kutscha, R. Gössner und U.

        Engelfried; Preis 9,95 €; 256 Seiten; ISBN 978-3-596-18373-9; Fischer Taschenbuch Verlag; Juni 2009.

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        Innere Sicherheit (doublet)
        news-35Fri, 15 May 2009 18:28:00 +02009. Fachtagung gegen Abschiebehaft/publikationen/mitteilungen/mitteilung/9-fachtagung-gegen-abschiebehaft-35TagungTagungsprogramm (pdf)]]>Migration & Asyl (doublet)news-33Mon, 20 Apr 2009 19:00:00 +0200Keine Ruhe den NS-Kriegsverbrechern - Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ruhe-den-ns-kriegsverbrechern-keine-staatenimmunitaet-fuer-ns-kriegsverbrechen-33Veranstaltungsreihe
        München
        Veranstaltung am Montag, 20. April 2009, 19.00 Uhr, Gasteig, Rosenheimer Straße 5, 81667 München
        mit
        Argyris Sfountouris (Griechenland) und Angiola Lescai (Italien)
        Martin Klingner, Rechtsanwalt von Distomo-Opfern in der Bundesrepublik Deutschland und
        Gabriele Heinecke, Rechtsanwältin (Mitglied im Bundesvorstand des RAV/ Vertreterin der Nebenklage in dem Prozess gegen Scheungraber)
        Moderation: Michael Backmund (Mitglied im Vorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) beim Ortsverband München)

        Unterstützer: Israelitische Kultusgemeinde München und Bayern, VVN/BDA München, Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, Neue Richtervereinigung (NRV) Landesverband Bayern, Arbeitskreis Aktiv gegen Rechts in ver.di München

        Berlin
        Filmvorführung „Ein Lied für Argyris“ am Dienstag, den 21.4.2009, 19.00 Uhr, Willi-Münzenberg-Saal im ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin (Nähe Ostbahnhof)
        Anschließende Diskussion mit Argyris Sfountouris und Informationen zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung um die Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen von Rechtsanwalt Martin Klinger (Hamburg).

        Den Haag

        Filmvorführung „Ein Lied für Argyris“ am Donnerstag, den 22.4.2009, 19.00 Uhr, Film Huis Den Haag, Spui 191, Den Hague
        Anschließende Diskussion mit Argyris Sfountouris und Informationen zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung um die Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen von Rechtsanwältin und Mitglied im Bundesvorstand des RAV Gabriele Heinecke und Rechtsanwalt Martin Klinger.

        Im Juni 1944 wütete die deutsche Wehrmacht als Besatzerin u.a. in Italien und in Griechenland. In Distomo, einer kleinen Ortschaft nicht weit von Delphi, ermorden am 10. Juni 1944 Angehörige der 4.SS-Polizei-Panzergrenadier-Division im Zuge einer sogenannten „Vergeltungsaktion“ 218 Dorfbewohner. Für das Massaker wurde kein Soldat je strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

        Argyris Sfountouris (Protagonist des Filmes „Ein Lied für Argyris“) war im Juni 1944 knapp 4 Jahre alt und überlebte durch Zufall. Er verlor seine Eltern und 30 Familienangehörige. Obwohl der Areopag, das höchste griechische Gericht, im Mai 2000 die Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig verpflichtete, eine Summe von insgesamt 28 Millionen Euro Entschädigung an die Opfer aus Distomo zu zahlen, hat er wie die anderen Überlebenden und Angehörigen bis zu heutigen Tage keinen Cent gesehen.

        Auch vor italienischen Gerichten haben inzwischen italienische Opfer der deutschen Besatzer erfolgreich auf Entschädigung, die griechischen Opfer erfolgreich auf Vollstreckbarkeit ihres griechischen Rechtstitels gegen deutsches Eigentum in Italien geklagt. Deutschland hat eingewendet, es habe sich jeweils um „hoheitliche Maßnahmen“ gehandelt, und in allen Entschädigungsverfahren „Staatenimmunität“ für die Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen gefordert. Dieses Argument haben sowohl der Areopag als auch der italienische Kassationshof zurück gewiesen. Um der Vollstreckung der Entschädigungsansprüche zu entgehen, hat die Bundesregierung im Dezember 2008 Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag erhoben. Deutschland versucht den Rollentausch und stellt sich in diesem Verfahren als Opfer dar.

        In Falzano di Cortona, einem kleinen toskanischen Dorf, ermorden am 27. Juni 1944 Angehörige des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 im Zuge einer „Vergeltungsaktion“ am Widerstand der Partisanen völlig unbeteiligte Dorfbewohner. Bei Durchkämmungen werden eine 74-jährige Frau, ein 14-jähriger Junge sowie 3 Männer im Alter zwischen 21 und 55 Jahren erschossen. 13 Männer zwischen 15 und 74 Jahren werden festgenommen, 11 von ihnen in die „Casa Canicci“ gesperrt. Das Haus wird vermint und mit den Eingesperrten in die Luft gesprengt. Wie durch ein Wunder überlebt der damals 15-jährige Gino M.; Angiola Lescai verlor bei dem Massaker zwei Angehörige ihrer Familie.

        Die verantwortlichen Offiziere der Einheit, Herbert Stommel - Bataillonskommandeur - und Josef Scheungraber – Kompaniechef – wurden im September 2006 vom Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Da eine Auslieferung nach deutschem Recht nicht möglich ist, wird gegen den noch verhandlungsfähigen 90-jährigen Josef Scheungraber seit September 2008 vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts München wegen vielfachen Mordes verhandelt. 65 Jahre nach dem Massaker sind viele Zeugen verstorben, die Beweisaufnahme ist schwierig, der Ausgang ungewiss.

        Die Veranstaltung in München bildet den Auftakt einer Veranstaltungsreihe, die in Berlin und Den Haag fortgesetzt wird. Ziel ist es, auf den Skandal aufmerksam zu machen, dass die Bundesrepublik Deutschland versucht, sich aus der Verantwortung für NS-Verbrechen gegen die Menschheit zu stehlen.
        Die Veranstaltungsreihe wird gefördert durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).


        Weitere Informationen: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/]]>
        Globale Gerechtigkeit (doublet)NS-Verbrechen (doublet)
        news-74Wed, 15 Apr 2009 18:01:00 +0200Widerstand gegen das "Stockholm-Programm"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/widerstand-gegen-das-stockholm-programm-74StellungnahmeErklärung des Europäischen Bürgerrechtsnetzwerks (ECLN) zum neuen Fünfjahresplan der EU zur Justiz- und Innenpolitik [1,2]

        Das "Stockholm-Programm" legt die Agenda für die europäische Justiz-und Innenpolitik sowie die Politik zur Inneren Sicherheit von 2009 bis 2014 fest. Die EU hat bereits durch die Schaffung militarisierter Grenzen, die Verpflichtung zu einem proaktiven Überwachungsregime und durch die zunehmend aggressive Außen-und Verteidigungspolitik einen bedenklich autoritären Charakter angenommen. Die laufende Diskussion unter politischen Entscheidungsträgern der EU lässt erwarten, dass dieser Ansatz in den nächsten fünf Jahren vertieft und ausgeweitet wird. Es ist davon auszugehen, dass das "Stockholm-Programm", das auf den Abschlussbericht der EU-Zukunftsgruppe gründet -eingehend analysiert in "The Shape of Things to Come"(**) [3] -, im Dezember unter der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft vom Europäischen Rat (den 27 Regierungen) verabschiedet wird.

        Wir machen uns große Sorgen angesichts dieser Entwicklungen und haben deshalb die Initiative ergriffen, dieÖffentlichkeit über diesen Angriff auf die demokratischen Rechte und die Verschlechterung der Menschenrechtslage in Europa und jenseits von Europa zu informieren. Wir rufen Bürgerrechtsgruppen und Einzelpersonen auf, ihre Meinung über das Stockholm-Programm zu äußern und an einem demokratischen Europa zu arbeiten.

        Hintergrund: Tampere, Den Haag und Stockholm
        Die EU ist seit mehr als einem Jahrzehnt dabei, die sogenannte "Zone für Freiheit, Sicherheit und Recht" Gesetze und Politik zu Polizeizusammenarbeit, Terrorabwehr, Einwanderung, Asyl und Grenzkontrollen - zu entwickeln. Sie behauptet, die Bürgerrechte gewahrt und in ihrer Politik den Schutz der Privatsphäre berücksichtigt zu haben. Viele sind jedoch anderer Meinung und argumentieren, dass die EU die Menschenrechte und demokratischen Standards nicht einhält, auf denen sie zu gründen behauptet. Das Stockholm Programm baut auf den zwei vorangegangenen Fünfjahresplänen auf - dem von Tampere-(19992004) und dem Den Haager-Programm (2005-2009) -, die beide ohne jegliche Beteiligung von Parlamenten oder Zivilgesellschaft ausgearbeitet und verabschiedet wurden. Während die EU-Verträge, wie Amsterdam (oder Lissabon, wenn er angenommen wird), die rechtliche Grundlage für die Gesetzgebung bilden, legen die Fünfjahrespläne fest, wie die Befugnisse eingesetzt werden, indem sie die Parameter für die künftige Politik und Praxis bestimmen.
        Diesmal ist der Ablauf ein wenig anders. Im Jahr 2007 hat der Rat (27 EU-Regierungen) die "Zukunftsgruppe" eingesetzt, die ihren Bericht(**) im Juli 2007 herausgegeben hat. Dieser beinhaltet die Agenda für einen Kommissionsvorschlag, zu dem die nationalen Parlamente sowie das Europäische Parlament "konsultiert" werden - die letzte Entscheidung liegt jedoch beim Rat allein.
        Es wird deutlich, wie viel bereits verloren ist und wie viel auf dem Spiel steht.

         

        Die totale Überwachung installieren
        Die EU ist in den von ihr zur Überwachung ihrer Bürger verabschiedeten Gesetzen wesentlich weitergegangen als die USA. Während der PATRIOT ACT eine traurige, allgemeine Bekanntheit erlangt hat, hat die EU still und leise die Gesetze zur obligatorischen Aufnahme von Fingerabdrücken in alle EU-Pässe, Visa und Aufenthaltsgenehmigungen verabschiedet sowie die obligatorische Speicherung aller Telekommunikationsdaten (unsere Telephon-, E-Mail-und Internetprotokolle) und aller Fluggastdaten (von Passagieren nach, aus und durch Europa) - zum Zweck der Strafverfolgung.
        Auf der Grundlage der nationalen Gesetze, die EU-Recht umsetzen, machen die staatlichen Stellen sich daran, ein zuvor nicht vorstellbar detailliertes Profil des privaten und politischen Lebens ihrer Bürger zu erstellen, oftmals ohne jegliche Datenschutzstandards, richterliche oder demokratische Kontrollen.
        Laut der EU-"Zukunftsgruppe" ist dies lediglich der Anfang eines "digitalen Tsunamis", der die Strafverfolgung revolutionieren soll, indem er der Polizei und den Geheimdiensten eine ungeheure Menge an Informationen bereitstellt. Das EU-Datenschutzrecht, nach dem Überwachung fast ausgeschlossen ist, wurde damit bereits hinter sich gelassen. Das Recht des einzelnen auf Privatsphäre und individuelle Freiheiten wird auf fatale Weise ausgehöhlt.
        Die EU finanziert zugleich die Entwicklung einer europäischen "Heimatschutz"-Industrie, indem sie europäische Unternehmen mit Milliarden von Euro subventioniert, damit diese auf dem lukrativen Markt für Kriegsgerät und Sicherheitstechnologie mit dem militärisch-industriellen Komplex der USA konkurrieren können. Im Gegenzug üben die Unternehmen einen wachsenden und unüberprüfbaren Einfluss auf die Sicherheitspolitik der EU aus.
        Dies ist in den nächsten fünf Jahren zu erwarten: ein EU-Personalausweis und -Bevölkerungsregister, "Online"- Durchsuchungen von Computerfestplatten durch die Polizei, Internetüberwachungssysteme, Satellitenüberwachung, automatisierte Ausgangs- und Zugangssysteme, die von Maschinen betrieben werden, autonome Zielsysteme, Risikoanalysen- und Profilerstellungssysteme.

         

        Festung Europa: Von der Grenzkontrolle zur sozialen Kontrolle
        Seit Ende der 1970er Jahre führen die EU-Mitgliedstaaten und seit kürzerem auch EU-Institutionen einen selektiven Krieg gegen Migration. In den 1970ern wurden die Möglichkeiten zur Arbeitsimmigration eingeschränkt, gefolgt von der Installation substantieller und verfahrensrechtlicher Barrieren für die Beantragung und Erteilung von Asyl zu Beginn der 90er. Ende der 90er wurden die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt und militarisiert, gefolgt von der allmählichen Verlagerung der Migrationskontrolle in den Bereich jenseits der Grenzen mit Hilfe von Rückübernahmeabkommen mit Drittländern sowie Internierungszentren rund um die EU sowie FRONTEX, die im Mittelmeer patrouilliert.
        Es handelt sich um einen selektiven Krieg gegen Migration, weil sich die restriktiven Maßnahmen der EU besonders gegen jene richten, die aus Armut und vor Verfolgung fliehen: während Industriestaaten "weiß gelistet" bleiben, werden die armen Länder auf die "schwarze Liste" für EU-Visa verbannt und werden gegen ihre Bürger restriktive Kontrollen eingesetzt. Während eine sich schnell entwickelnde, militärisch ausgerichtete EU-Grenzpolizei (FRONTEX) und eine Reihe zentraler Datenbanken (SIS, SIS II, Eurodac, VIS) geschaffen werden, um Migration ohne Papiere oder die irreguläre Migration auf globaler Ebene zu "bekämpfen", werden gut ausgebildete Fachkräfte zur Einwanderung ermutigt, um das alternde Arbeitskräftepotential der EU zu ersetzen, den dortigen Lebensstandard zu halten und die "Wettbewerbsfähigkeit" der EU in der globalen Marktwirtschaft zu sichern. Zur gleichen Zeit wird die Arbeit von Migranten ohne Papiere, von Illegalisierten, die ohne arbeits- und sozialrechtlichen Schutz arbeiten -und ständig von Abschiebung bedroht sind -in Europa schamlos ausgebeutet. Deren Arbeit kommt Europas produktivem Wirtschaftssektor zugute, der Landwirtschaft und der Bauwirtschaft, sowie dem Dienstleistungsbereich und der reproduktiven Wirtschaft, insbesondere dem Reinigungs-, Hotel- und Restaurantsektor sowie den Privathaushalten. Es ist weithin bekannt, dass die EU-Wirtschaft auf die Arbeit der Migranten angewiesen ist, dennoch verweigern die Regierungen den Arbeitnehmern in klarer Verletzung der internationalen Schutzstandards, die in der EU-eigenen Menschenrechtskonvention wie auch denen der UNO oder der ILO niedergelegt sind, systematisch ihre Arbeits-und Menschenrechte.
        Während EU-Politiker die Verletzung der internationalen Menschenrechte durchweg ignoriert und sogar dazu ermutigt haben, haben Aktivisten für soziale Menschenrechte Belege für die "tödliche Realität" der ausschließenden Immigrations- und Asylpolitik geliefert. Sie haben fast 10.000 Todesfälle dokumentiert, die eine direkte Folge der "Festung Europa" darstellen. Es ist eine erdrückende Anklage gegen neoliberale Globalisierung. Während um des Profits bestimmter Industrien willen zur Reise um die Welt ermutigt wird, wird Reisen um des Überlebens willen verurteilt. Zur gleichen Zeit wird der wirtschaftliche Beitrag, den Migranten, die in Niedriglohnsparten arbeiten, für die Zielländer leisten, von diesen Ländern nicht anerkannt.
        Der Apparat und die Institutionen, die geschaffen wurden, um Immigration in die EU zu kontrollieren, dehnen sich rasch aus. Die Grenzkontrollen entwickeln sich kontinuierlich zu einer breiteren Form sozialer Kontrolle, die nicht allein Migranten, sondern alle Bürger betrifft. Flughäfen und Außengrenzen werden schnell zu Polizei- und Militärkontrollpunkten, an denen ein jeder einer ausgedehnten Überprüfung und Sicherheitskontrolle unterworfen wird. Diese Infrastruktur entwickelt sich zu einem wuchernden, datengestützten Netz, das sich von den Grenzen her ausbreitet, um schließlich ganze Territorien und Bevölkerungen einzufangen.
        Dies ist in den nächsten fünf Jahren zu erwarten: E-Grenzen, Fahndungssysteme für Passagiere, ein EU-"Zugangs/Ausgangs"-System, Drohnen zur Grenzüberwachung, gemeinsame EU-Abschiebeflüge, spezielle EU-Abschiebeflugzeuge, EU-finanzierte Internierungszentren und Flüchtlingslager in Drittstaaten.

         

        Die Militarisierung der Sicherheit, die Versicherheitlichung von allem
        Die EU befindet sich mitten in einem Paradigmenwechsel bezüglich der Art und Weise wie Europa und der Rest der Welt kontrolliert werden. Das ist das Ergebnis einer Reihe miteinander verknüpfter historischer Trends, wie die allmähliche Verwischung der Grenzen zwischen Polizei- und Militäreinsatz und zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit, der weitverbreitete Einsatz von Überwachungstechnologien und die Entwicklung eines eigenen Komplexes der Sicherheitsindustrie, des wirtschaftlichen Motors für diese Entwicklungen.
        Wir erleben zur Zeit die politische "Versicherheitlichung" einer Unmenge komplexer politischer Themen, angefangen von der Nahrungsmittel- und Energieversorgung bis hin zu komplexen sozialen und ökologischen Phänomenen wie Klimawandel und Migration. Das Ergebnis ist eine zunehmend sicherheitspolitisch militarisierte Herangehensweise an anhaltende soziale und wirtschaftliche Probleme. In Zeiten erhöhter globaler Unsicherheit besteht die Gefahr, dass die Frage der Legalität gegenüber dem Ziel, die Bedrohung zu beseitigen, in den Hintergrund tritt. Wie die NATO positioniert sich die EU neu als Weltpolizist und entwickelt die Voraussetzungen, um in gescheiterten Staaten und Konfliktzonen einzugreifen, den zu erwartenden Folgen von Klimawandel, Energiekrise, Nahrungsmittelkrise und "unkontrollierten" oder autonomen Migrationsbewegungen entgegenzutreten und Menschenhandel, Terrorismus und Piraterie auf hoher See zu bekämpfen.
        Die EU geht den gleichen militaristischen Weg bei sozialen Konflikten und Krisenmanagement innerhalb Europas. Die EU-Politik zur Kontrolle von Gipfeln und Protesten gegen internationale Organisationen, zum Schutz wichtiger Infrastruktur, der zivile Notstand, Krisenmanagement und Katastrophenschutz basieren jeweils auf der gleichen Strategie: die Situation mit Gewalt kontrollieren; intervenieren, um Bedrohungen und Opposition zu bekämpfen. Auf diese Weise wird man auch verfahren, falls die aktuelle ökonomische Krise zu vermehrten sozialen Spannungen und Protesten führt.
        Dies ist von den nächsten fünf Jahren zu erwarten: Ausbau der paramilitärischen europäischen Gendarmerieeinheiten, Aufbau von EU-Kampfgruppen, Krisenmangementmissionen in Afrika, permanente EU-Militärkontrollen in Mittelmeer und Atlantik.

         

        Ein rechenschaftsfreier EU-Staatsapparat
        Mit der Entwicklung und Umsetzung dieser Strategien geht die Entwicklung eines immer ausgeklügelteren internen und externen Sicherheitsapparats unter der Schirmherrschaft der EU einher. Dieser besteht aus Strafverfolgungs- und Sicherheitsagenturen (die europäische Polizeibehörde EUROPOL, die Behörde für die Zusammenarbeit der Justiz EUROJUST und das gemeinsame Lagezentrum SITCEN), EU-Datenbanken und -Informationssystemen (Polizei- und Zollinformationen, Verbrechens- und Immigrationsstatistiken, DNA-und Fingerabdrücke), paramilitärischen Organisationen wie FRONTEX und der Europäischen Polizeitruppe, einer wachsenden militärischen Leistungsfähigkeit und einem Netzwerk von Verantwortlichen, die kaum zur Rechenschaft gezogen werden können, das die allgemeinen Regeln und die Politik der EU täglich weiterentwickelt. Dieser Apparat wird mit jedem Vorschlag zur "Harmonisierung", "Interoperabilität" oder "Konvergenz" in Recht und Praxis der Mitgliedstaaten ausgeweitet. Dies ist von den nächsten fünf Jahren zu erwarten: Mehr Macht für die EU-Behörden, Vernetzung nationaler Polizeisysteme, eine EU-Verbrechensdatei, ein Ständiger EU-Ausschuss zur Inneren Sicherheit [4] (COSI), der sich mit Einsatzfragen befasst.

         

         

        Aufruf zum Wandel
        Die an Sicherheit orientierte Antwort auf soziale und wirtschaftliche Konflikte ist eine Wahl und nicht im mindesten ein notwendiges Übel. Terrorismus und gewaltsame Konflikte sind das Ergebnis spezifischer sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeiten, einer ungleichen Verteilung des weltweiten Wohlstands und anhaltender Armut. Diese Ungleichheiten und Ungleichgewichte auf der lokalen, regionalen und globalen Ebene anzugehen, sollte auf jeder politischen Agenda an erster Stelle stehen. Die Wahl, Konflikte mit Waffengewalt, Datensammlungen, präventiven Polizeimaßnahmen und Überwachung zu beantworten, dient den spezifischen Interessen einiger weniger, aber ganz sicher nicht den Interessen der globalen oder nationalen Bevölkerungen.
        Wir fordern einen Wandel der aktuellen politischen Agenda in Richtung des Schutzes der sozialen, wirtschaftlichen sowie der allgemeinen Menschenrechte. Die Stockholm-Agenda und viele weitere ihr vorausgegangene Strategien der Justiz- und Innenpolitik zu Migration, Terrorismus, Polizeiarbeit und Sicherheit stellen eine deutliche Verletzung der demokratischen Standards und der Menschenrechte dar. Daher fordern wir die Rücknahme der Antiterrorgesetzgebung und restriktiven Migrationsgesetze und die Schaffung eines wirklich demokratischen politischen und Wirtschaftssystems.
        Wir rufen alle dazu auf, sich an den Diskussionen über das Stockholm-Programm zu beteiligen, sich selbst und andere zu informieren und die eigenen Ansichten kundzutun und Freiheit und Demokratie gegen die Überwachungsgesellschaft zu verteidigen, zu der die EU sich entwickelt.

         

        April 2009

        Erklärung "Widerstand gegen das Stockholm-Programm" (pdf)

         

        (*) Als Download erhältlich unter http://www.statewatch.org/analyses/the-shape-of-things-to-come.pdf, als Buch erschienen bei Spokesman Books (£5.99, 80 Seiten, Paperback, ISBN: 978 085124 7601), siehe http://www.spokesmanbooks.com/acatalog/Socialist_Renewal.html#a436.

         

        Eine Dokumentation zum Stockholm-Programm ist zu finden unter http://www.statewatch.org/future-group.htm

         

        Weitere Hintergrundinformation: http://stockholm.noblogs.org/

         

        Kontakt für weitere Informationen:

        ECLN -European Civil Liberties Network

        Tel: +44 (0)20 8802 1882

        Email: info@ecln.org

        http://www.ecln.org/

         

        Übersetzung aus dem Englischen: Redaktion Schattenblick

         

        Anmerkungen der Redaktion Schattenblick:

         

        [1] übersetzt von und veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2009; überarbeitet vom Komitee für Grundrechte und Demokratie; im Zweifel gilt das englische Original

        [2] European Civil Liberties Network -deutsche Fassung der Gründungserklärung siehe http://www.ecln.org/about_de.html

        [3] Die Gestalt der Dinge, die kommen werden / Die Kontur der Zukunft

        [4] EU Standing Committee On Internal Security - COSI

        Der RAV ist Teil des Europäischen Bürgerrechtsnetzwerks ECLN.
        Die Gründungserklärung des ECLN und eine Liste der Gruppen und Einzelpersonen, die an der Gründung beteiligt waren oder das ECLN unterstützen ist abrufbar unter http://www.ecln.org/about_de.html.

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        Europa (doublet)Repression in Europa (doublet)Bürger- und Menschenrechte (doublet)
        news-36Fri, 03 Apr 2009 18:00:00 +0200Straflosigkeit von Folter: Lang ersehnter Schlussstrich oder Kontinuität?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/straflosigkeit-von-folter-lang-ersehnter-schlussstrich-oder-kontinuitaet-36Veranstaltung, Berlin, 3.04.2009
        Die Referentinnen und Referenten werden über die aktuellen rechtlichen und politischen Entwicklungen in den USA und Europa berichten:

        Michael Ratner, (CCR), New York, (ECCHR), Berlin
        Pardiss Kebriaei, CCR, New York
        Andrea Würdinger, (RAV), Berlin
        Wolfgang Kaleck, ECCHR, Berlin Moderation: Carsten Gericke, (RAV), Hamburg Veranstalter: RAV, akj, ECCHR Freitag 3. April 18:00 Uhr, Humboldt-Universität zu Berlin,
        Unter den Linden 6, 10099 Berlin, Hauptgebäude, 2. OG, Raum 3075]]>
        Globale Gerechtigkeit (doublet)Folterverbot (doublet)Guantánamo (doubletVölkerstrafrecht (doublet)
        news-31Fri, 27 Feb 2009 16:29:00 +0100Bundesverfassungsgericht setzt Verschärfung des Versammlungsrechts in Bayern außer Kraft/publikationen/mitteilungen/mitteilung/bundesverfassungsgericht-setzt-verschaerfung-des-versammlungsrechts-in-bayern-ausser-kraft-31Pressemitteilung vom 27.2.2009
        Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen Großteil der
        Bußgeldvorschriften des Bayrischen Versammlungsgesetzes sowie das Recht, anlasslos jede Demonstration zu filmen vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – außer Kraft gesetzt. (Beschluss vom 17. Februar 2009
        – 1 BvR 2492/08 –). Das Bundesverfassungsgericht darf eine Regelung nur dann vorläufig außer Kraft setzen, wenn durch die Geltung des Gesetzes erhebliche Nachteile entstehen und eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann.
        Wer in Bayern demonstrierte, sah sich seit Oktober letzten Jahres mit einer Vielzahl von neuen Ge- und Verboten konfrontiert, deren Nichteinhaltung empfindliche Bußgelder nach sich ziehen sollte. Außerdem mussten alle damit rechnen, bei der Ausübung ihres Grundrechts gefilmt zu werden. Bayern hatte als erstes aller Bundesländer von seiner neuen Länder-Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht Gebrauch gemacht. Weitere Länder-Versammlungsgesetze sind geplant oder schon im Gesetzgebungsverfahren. Das Bayrische Gesetz diente in Niedersachsen als Vorlage.
        Das Bundesverfassungsgericht befürchtete, dass Bürgerinnen und Bürger durch das Gesetz vom Demonstrieren abgeschreckt werden könnten. Ohne die Machtkritik durch das Volk entstünde jedoch ein schwerer Schaden für die Grundrechte einzelner und das freiheitlich-demokratische Gemeinwesen.
        Der RAV begrüßt die Entscheidung. Zugleich zeigt sich der Vorstand besorgt darüber, wie häufig das Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit korrigierend eingreifen muss. Eine Vielzahl weiterer Verfassungsbeschwerden, unter anderem zu weitreichenden Demonstrationsverboten bei Castor-Transportensind noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig. „Offensichtlich ist den Parlamentariern und Versammlungsbehörden das Grundrechtsbewusstsein abhanden gekommen, so dass sie immer wieder vom Verfassungsgericht belehrt werden müssen“, so Karen Ullmann, RAV-Vorstandsmitglied und Rechtsanwältin in Hamburg. „Es ist bemerkenswert und zeigt den Trend der Zeit, dass die Länder ihre neue Gesetzgebungskompetenz ausschließlich nutzen, um das geltende Recht zu verschärfen, anstatt endlich verständliche und grundrechtsfreundliche Regeln zu schaffen.“
        Die nächste Probe für die Versammlungsfreiheit stellt sich bei der Nato-Tagung Anfang April in Strasbourg. Auch auf deutscher Seite sind zahlreiche Gegendemonstrationen geplant. Die Demokratie der Straße darf nicht, wie regelmäßig im Wendland oder auch beim G8-Gipfel, polizeitaktischen Erwägungen geopfert werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht deutlich, dass eine Rückkehr von der Grundrechts-Demontage durch Gesetzgebung und Polizei hin zu effektivem Grundrechtsschutz auf der Straße dringend notwendig ist.

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        Demonstrationsfreiheit (doublet)
        news-37Tue, 24 Feb 2009 20:00:00 +0100Do It Yourself: Identitätsverschleierung und Datensicherheit/publikationen/mitteilungen/mitteilung/do-it-yourself-identitaetsverschleierung-und-datensicherheit-37Veranstaltung
        Welche Daten sind auf dem Chip im Reisepass gespeichert und was passiert, wenn der Pass in der Mikrowelle landet? Wie lässt sich die Datenspur im Internet verwischen? Und warum ist es in manchen Situationen am besten, sein Handy wegzuwerfen?
        Das Verschleudern von persönlichen Daten ist mittlerweile so normal, dass man sich nicht einmal mehr fragt, welche Räume man sich nimmt, wenn man die Türen offen lässt. Vom Online-Shopping bis zum Social Web, vom Zeitungsrätsel bis zum Abonnement, von der Gesundheitskarte bis zur Steuernummer – selten fühlt man sich bemüßigt, eingeforderte Daten oder deren Speicherung zu verweigern. Im Zweifel gewinnt der Rabatt gegen den Stress. Über diesen rasanten Verlust des Datensicherheitsbewusstseins freuen sich vor allem Wirtschaft und Regierung.

        Am 24. Februar erklären Constanze Kurz und Frank Rieger vom CCC, wie Datensicherheit auch Vergnügen bereiten kann. Denn Wissen bedeutet Selbstermächtigung: Wer eine Email verschicken kann, kann sie auch verschlüsseln. Wer im Internet surfen kann, kann die Spuren auch anonymisieren. Wer ein Handy nutzt, sollte wissen, was ein IMSI-Catcher ist und wie die Polizei ihn bei Großdemonstrationen einsetzt.
        Die Veranstaltung im Salon mit Elbblick informiert darüber, was mit den Daten passiert, welche Entscheidungen man treffen und wie man einfache Maßnahmen gegen die technische Überwachung ergreifen kann.

        Veranstaltet vom Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein und dem re[h]tro frauentag beim Freien Sender Kombinat FSK

        Die Veranstaltung wird durch die Holtfort-Stiftung unterstützt. Dienstag, 24. Februar 2009, 20:00 Uhr
        Golden Pudel Salon, Am St. Pauli Fischmarkt 27, 20359 Hamburg, 1. OG]]>
        Innere Sicherheit (doublet)Überwachung
        news-38Tue, 24 Feb 2009 19:00:00 +0100Vortrag und Lesung mit Christian Bommarius: Das Grundgesetz. Eine Biographie/publikationen/mitteilungen/mitteilung/vortrag-und-lesung-mit-christian-bommarius-das-grundgesetz-eine-biographie-38Veranstaltung, 24.02.2009
        (Aus: Christian Bommarius, Das Grundgesetz. Eine Biographie)

        Der Buchautor und Journalist ("Berliner Zeitung") wird zum Thema seines im Januar 2009 im Rowohlt-Verlag erschienenen Buches einen Vortrag halten. Er wird biografische und politische Geschichten erzählen, die den Entstehungsprozess des Grundgesetzes erhellen. Eine besondere Rolle werden die Menschenwürde und das Folterverbot sowie die Grundrechte spielen.

        Unter dem Titel "Chronik einer Belagerung" beschreibt er, wie die Freiheitsgarantien des Grundgesetzes, "eine Verfassung im Ausnahmezustand, im Notstand geschrieben" von Politikern (Notstandsgesetze, Luftsicherheitsgesetz), mitunter aber auch vom Bundesverfassungsgericht (Urteil zum Asylrecht) im Laufe der Jahre zurechtgestutzt wurden und wie sich das Gesetz und sein verbindlichster Interpret, das Bundesverfassungsgericht, zur Zeit im Belagerungszustand befindet und mittels "Kanonaden von Sicherheitsgesetzen" sturmreif geschossen werden soll.
        Moderation: Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck (RAV) 24. Februar 2009, 19.00 Uhr Literaturhaus, großer Saal, Fasanenstrasse 23, 10719 Berlin U-Bahnstation Kurfürstendamm (U-1 und U-9)]]>
        Innere Sicherheit (doublet)
        news-34Thu, 25 Sep 2008 19:04:00 +0200Stellungnahme zum Gesetz zur Überarbeitung des Untersuchungshaftrechts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/stellungnahme-zum-gesetz-zur-ueberarbeitung-des-untersuchungshaftrechts-34Gesetzgebungsverfahren(pdf)  ]]>Strafprozessrecht (doublet)news-39Tue, 23 Sep 2008 20:00:00 +0200Personelle und inhaltliche Kontinuitäten am Bundesgerichtshof: Folgen der gescheiterten Entnazifizierung der Justiz nach 1945/publikationen/mitteilungen/mitteilung/personelle-und-inhaltliche-kontinuitaeten-am-bundesgerichtshof-folgen-der-gescheiterten-entnazifizierung-der-justiz-nach-1945-39Veranstaltung, Berlin, 23.9.2008
        Klaus-Detlev Godau-Schüttke, 1942 geboren, war bis 2007 Richter am Landgericht Itzehoe. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit dem Themengebiet der Kontinuitäten in der bundesdeutschen Justiz nach 1945. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zum Thema gehören: Der Bundesgerichtshof. Justiz in Deutschland (2005), Die Heyde/Sawade-Affäre (1998) sowie Die „Renazifizierung“ der schleswig-holsteinischen Justiz nach 1945 (1993).

        Hannes Honecker ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins e.V.

        Dienstag 23. September 2008 20.00 Uhr

        Vortrag: Dr. Klaus-Detlev Godau-Schüttke, Itzehoe
        Moderation: Hannes Honecker, Berlin
        Martin-Gropius-Bau Kinosaal
        Niederkirchnerstr. 7 | 10963 Berlin-Kreuzberg
        - Eintritt frei -]]>
        NS-Verbrechen (doublet)
        news-71Thu, 17 Jul 2008 18:26:00 +0200Gewalt in Bolzaneto wurde bestätigt: Wir haben die Wahrheit, aber keine Gerechtigkeit/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gewalt-in-bolzaneto-wurde-bestaetigt-wir-haben-die-wahrheit-aber-keine-gerechtigkeit-71Pressemitteilung der EDA/AEDvom 17.7.2008 Sieben Jahre nach den Vorkommnissen und vier Jahre nach Prozesseröffnung hat das Gericht in Genua den Opfern des Bolzaneto-Lagers teilweise Gerechtigkeit widerfahren lassen.

        Das Gericht hat die schlimmsten Verletzungen der Grundrechte bestätigt, u. a. die unmenschliche Behandlung Gefangener und die Gewaltanwendung. Alle Beamten, die für die Struktur verantwortlich waren, wurden verurteilt. Wir warten nun die Urteilsbegründungen ab, um die zur Zeit noch unklaren Punkte bewerten zu können, z. B. der Freispruch einiger Beschuldigter, die augenscheinlich eine Falschaussage geleistet haben, und die milden Strafen, die teilweise verhängt wurden. Die Tatsache, dass es kein Gesetz zur Bestrafung von Folter gibt, sowie das geschlossene Stillschweigen der Polizeikräfte haben verhindert, dass trotz der schwerwiegenden Fakten härtere Strafen ausgesprochen wurden.

        Hintergrund:
        Im so genannten Bolzaneto-Prozess werden mutmaßliche Misshandlungen an Demonstranten durch Polizisten und Wachpersonal im Rahmen des G8-Gipfels in Genua (Italien) in der Polizeikaserne Bolzaneto verhandelt.
        Während der Demonstrationen, die 2001 in Genua gegen den G8-Gipfel stattfanden, kam es zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen Globalisierungskritikern und den italienischen Sicherheitskräften. Viele Demonstranten wurden verhaftet, ca. 300 von ihnen in der Kaserne Bolzaneto, die als provisorische Gefangenensammelstelle diente, für wenige Tage festgehalten. Hier soll es zu gewalttätigen Übergriffen, Misshandlungen und Folterungen gegen die Insassen gekommen sein. Im einzelnen gibt es Schilderungen von erzwungenem stundenlangen Stehen, Schlafentzug, Verweigerung des Toilettenbesuchs, Androhung sexueller Gewalt, Erniedrigung insbesondere in Verbindung mit dem Zwang, sich ausziehen zu müssen und im allgemeinen über massive Gewaltanwendung. Insassen berichten, dass sie gezwungen wurden faschistische Lieder zu singen. Ärzten und Pflegepersonal wird mangelnde Versorgung der vielen Verletzten unter den Inhaftierten vorgeworfen, anderen unterlassene Hilfeleistung oder schlichte Duldung der Vorgänge. Insgesamt müssen sich 45 Angeklagte für Körperverletzungen und Verletzung der Amtspflicht verantworten. Im Oktober 2005 wurde die Hauptverhandlung eröffnet.

        Weitere Informationen finden sie unter dem folgenden Link. Diese Informationen sind auf Englisch, Italienisch und Französisch zugänglich. www.aeud.org

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        Repression in Europa (doublet)
        news-40Fri, 18 Apr 2008 16:20:00 +0200Drohendes Berufsverbot für die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin in der Türkei/publikationen/mitteilungen/mitteilung/drohendes-berufsverbot-fuer-die-rechtsanwaeltin-und-menschenrechtsaktivistin-eren-keskin-in-der-tuerkei-40Pressemitteilung vom 11.04.2008Unsere Kollegin Eren Keskin, bekannt für ihr unermüdliches und mutiges Engagement für Menschen- und Freiheitsrechte in der Türkei, wurde am 20.03.08 durch das Amtsgericht Kartal/ Istanbul zu 6 Monaten und 20 Tagen Haft sowie einer Geldstrafe in Höhe von 4000 NTLira (ca. 2000 €) gem. Art. 301 Abs. 2 Türkisches Strafgesetzbuch wegen Verunglimpfung und Herabwürdigung des Türkischen Militärs verurteilt. Strafverschärfend wurde gem. Absatz 3 des Art. 301 TStGB  bewertet, dass die Tat durch eine türkische Staatsangehörige im Ausland begangen wurde.

        Der Verurteilung liegt ein Interview zu Grunde, welches in der Zeitung „Tagesspiegel“ vom 24.06.2006 veröffentlicht wurde und in welchem Rechtsanwältin Keskin erneut ihre Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass die Politik der Türkei nach wie vor vom Militär bestimmt wird und ein Zusammenschluss von Personen, welcher bei der Abteilung für Sonderkriegsführung beim Generalstab angesiedelt ist, mit aller Macht die Aufrechterhaltung der autoritären Staatsordnung zu bewirken versucht. Sie sei der Ansicht, dass auch der Anschlag auf das oberste Verwaltungsgericht in der Türkei durch diese Kräfte lanciert worden sei, um so Angst und Schrecken vor einer vermeintlich islamischen Gefahr zu schüren, hierdurch von den eigentlichen Demokratisierungsproblemen der Türkei abzulenken und auf diese Art die Macht des Militärs zu stärken.

        In der mündlichen Verhandlung berief sich die Kollegin Eren Keskin auf die Meinungs- und Äußerungsfreiheit:  „Es ist meine Überzeugung, dass das Militär die Demokratisierung der Türkei behindert. Ich bin der Ansicht, dass das Militär zu großen Einfluss auf die Justiz und Politik der Türkei ausübt und dass es sich daraus zurückziehen sollte. Ich habe damit nicht die Armee herabwürdigen, sondern meine politische Meinung äußern wollen. Ich bin der Überzeugung, dass das keine Straftat sein kann.“

        Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt. Etliche Strafverfahren ähnlichen Hintergrunds gegen Eren Keskin sind noch anhängig oder befinden sich in der Rechtsmittelinstanz. Aber nicht nur die drohende Haft soll unsere Kollegin zum Schweigen bringen.

        Auf die Aufforderung des Präsidiums des militärischen Generalstabs hin hat die Rechtsanwaltskammer Istanbul schon mit Beschluss vom 06.12.2007 ein Disziplinarverfahren gegen Eren Keskin eingeleitet, an dessen Ende ein erneutes Berufsausübungsverbot droht. Allein die breite öffentliche Diskussion dieser Entscheidung hat bereits jetzt dazu geführt, dass Mandantinnen und Mandanten eingeschüchtert das Mandat entziehen und sich aus Angst kaum noch Menschen mit ihrer Sache an die Kollegin Keskin wenden, so dass diese auch existenziell in eine Notlage gerät.

        Bereits am 12.07.2002 hatte die Nationale Anwaltskammer der Türkei ein einjähriges Berufsausübungsverbot gegen Eren Keskin verhängt, welches durch das Justizministerium bestätigt worden war. Auch damals lagen Verurteilungen wegen Meinungsäußerungsdelikten dem Entzug der Zulassung zu Grunde.

        Wir fordern die Anwaltskammer auf, Kolleginnen und Kollegen, welche von ihrem unveräußerlichen Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, nicht in ihrer Berufsausübung zu behindern, sondern sich stützend hinter diese zu stellen und so die freie Advokatur und die Menschenrechte in der Türkei zu stärken.

         

         
        Berlin, 11.04.08

        Jutta Hermanns für den RAV  ]]>
        Menschenrechte/Türkei (doublet)Freie Advokatur (doublet)
        news-43Fri, 15 Feb 2008 16:18:00 +0100Wen schützt die Bundeswehr in Afghanistan? – Welche Rolle können/müssen zivile Konfliktlösungsstrategien im Friedensprozess in Afghanistan spielen?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/wen-schuetzt-die-bundeswehr-in-afghanistan-welche-rolle-koennen-muessen-zivile-konfliktloesungsstrategien-im-friedensprozess-in-afghanistan-spielen-43Veranstaltung, Berlin, 15.2.2008 Bleibt es dabei: Krieg löst keine Probleme, sondern verschärft sie?
        Die verbale Ablehnung von Krieg schafft noch keinen Frieden. Kontrovers diskutiert werden Strategien mit oder ohne Militär, die Frieden sichern sollen.
        Das Völkerrecht wird zur Begründung unterschiedlicher Friedensstrategien herangezogen, ge- und auch missbraucht.
        Die Rolle von Militär, die Bedeutung und Funktion von Hilfsorganisationen und humanitärer Hilfen, die Möglichkeiten der zivilen Konfliktregulierung und der Konflikt-Prävention sind zentrale Stichworte dieser Debatten. Geht es in Afghanistan auch um imperiale Interessen, den Zugang zu Rohstoffen und Ressourcen in dieser Weltregion? Welche Rolle spielen Fragen der „Bündnis-Solidarität“? Welche strategischen Interessen verbergen sich hinter dem Konzept des „War on Terror“?

        Wir wollen mit der Veranstaltung, mit Experten, für ein wenig mehr Klarheit sorgen, Positionen verdeutlichen, für einen Frieden ohne Gewalt werben.

        Mit
        Christoph Strässer, MdB, SPD
        Winfried Nachtwei, MdB, Bündnis 90/Die Grünen
        Wolfgang Gehrcke, MdB, Die Linke
        Cornelia Brinkmann, langjährige Tätigkeit im Rahmen ziviler Konflikt-Bearbeitung in Afghanistan, ZFD
        Dr. Reinhard Mutz (angefragt), Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (ISFH)
        Moderation: Rechtsanwalt Otto Jäckel, Vorstand der IALANA Eine Diskussionsveranstaltung der IALANA und des RAV am Freitag, den 15. Februar 2008 um 19.00 Uhr in Berlin, Glinkastraße 5 (U-Bahn-Station Mohrenstrasse (U2)), Versammlungsraum Erdgeschoss.]]>
        Globale Gerechtigkeit (doublet)
        news-42Mon, 17 Dec 2007 16:14:00 +0100Null Toleranz für die Versammlungsfreiheit? Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und Überwachungsstaat“ am 15. Dezember in Hamburg: Grundrechte mit Polizeistiefeln getreten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/null-toleranz-fuer-die-versammlungsfreiheit-demonstration-gegen-sicherheitswahn-und-ueberwachungsstaat-am-15-dezember-in-hamburg-grundrechte-mit-polizeistiefeln-getreten-42Pressemitteilung vom 17.12.2007Demonstrationsfreiheit (doublet)news-70Thu, 06 Dec 2007 18:21:00 +0100Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2007 an den Anwaltlicher Notdienst/Legal Team/Buchneuerscheinung "Feindbild Demonstrant"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verleihung-der-carl-von-ossietzky-medaille-2007-an-den-anwaltlicher-notdienst-legal-team-buchneuerscheinung-feindbild-demonstrant-70Pressemitteilung vom 6.12.2008Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team zum G8-Gipfel in Heiligendamm wird am Sonntag, dem 9. Dezember, von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2007 ausgezeichnet. Für den Anwaltlichen Notdienst nehmen die Rechtsanwältinnen Verina Speckin (Rostock), Silke Studzinsky (Berlin) und Undine Weyers (Berlin) die Auszeichnung entgegen.

        Unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und in Kooperation mit der Strafverteidigervereinigung Mecklenburg-Vorpommern sowie mehreren Ermittlungsauschüssen wurde für die Zeit der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Rostock Anfang Juni diesen Jahres ein Anwaltlicher Notdienst/Legal Team eingerichtet. Mehr als 100 KollegInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Belgien, Spanien und Griechenland beteiligten sich daran ehrenamtlich.

        Aus Anlass des Tages der Menschenrechte, dem 10. Dezember, verleiht die Internationale Liga für Menschenrechte in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille an den Anwaltlichen Notdienst/Legal Team. Die Internationale Liga für Menschenrechte würdigt damit "eine Gruppe, deren Mitglieder im Kampf für die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte während der Proteste gegen den G8-Gipfel in und um Heiligendamm Vorbildliches geleistet haben". Schon im November war der Anwaltliche Notdienst/Legal Team mit dem Preis "pro reo" der AG Strafverteidigung des Deutschen Anwaltsvereins ausgezeichnet worden.

        Zeitgleich mit der Preisverleihung erscheint das Buch "Feindbild Demonstrant. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienst/Legal Team" im Verlag Assoziation A. Die Beiträge beschäftigen sich u.a. mit verschiedenen Aspekten des modernisierten präventiven Sicherheitsstaats, der Verteidigung elementarer Grund- und Bürgerrechte und den Erfahrungen des Anwaltlichen Notdienstes. RechtsanwältInnen, JournalistInnen und ProtestbeobachterInnen analysieren hier die Facetten dieses "größten Polizeiansatzes aller Zeiten in Deutschland": mit den Razzien und der Kriminalisierung der GipfelkritikerInnen im Vorfeld, der gezielten Desinformationspolitik, den gravierenden Einschränkungen des Demonstrationsrechts, der Entfesselung des Polizeiapparats, der Beschneidung der Rechte von Inhaftierten sowie dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

        Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team leistete nicht nur den über 1.000 Fest- und Ingewahrsamgenommenen der Rostocker Protesttage rechtlichen Beistand. Die Haftunterbringung sowie die Vorführung vor den gesetzlichen Richter wurden ebenso zum Gegenstand anwaltlicher Arbeit wie die Dokumentation massenhafter Grundrechtsverletzungen durch die Polizei und die öffentliche Berichterstattung hierüber. KollegInnen des Notdienstes vertraten auch die OrganisatorInnen verschiedener Demonstrationen und Aktionen vor den Gerichten – bis hin zum Bundesverfassungsgericht, um juristisch gegen die massiven Einschränkungen der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit durch die Sicherheitsbehörden vorzugehen. Zudem begleiteten KollegInnen des Anwaltlichen Notdienstes/Legal Team auch Demonstrationen und boten auf der Straße rechtlichen Beistand. Dabei waren sie mit massiven Behinderungen ihrer anwaltlichen Tätigkeit bis hin zu Gewaltanwendung durch Polizeibeamte konfrontiert.


        Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein/Legal Team (Hg.): Feindbild Demonstrant Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes. Assoziation A, Berlin 2007. ISBN 978-3-935936-68-2. 176 Seiten. 10 Euro.

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        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-66Fri, 23 Nov 2007 17:49:00 +0100Polizeiliche Übergriffe und Gegenstrategien/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizeiliche-uebergriffe-und-gegenstrategien-66Veranstaltung, Berlin, 23.11.2007
        Moderation: Heike Kleffner Freitag, 23. November 2007, 17-20 Uhr Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin Raum 3094 (Hauptgebäude, Seitenflügel, 3. OG)

        Eine Veranstaltung von amnesty international (ai) und dem RAV
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        Polizeirecht (doublet)
        news-69Tue, 20 Nov 2007 18:15:00 +0100Sammelklagen gegen willkürliche und menschenunwürdige Inhaftierung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/sammelklagen-gegen-willkuerliche-und-menschenunwuerdige-inhaftierung-69Pressemitteilung vom 20.11.2007
        Hintergrund: Nachdem am frühen Morgen des 7. Juni 2007 auf einer Straße zwischen den Ortschaften Kühlungsborn und Kröppelin von Unbekannten eine brennende Barrikade errichtet worden war, ließ die Polizei ab 7.30 Uhr in den umliegenden Waldstücken wahllos alle Personen verhaften, die sich auf dem Weg zu Protestaktionen gegen den G8-Gipfel befanden. Obwohl sich aus den Akten ergibt, dass ein Eilrichter bereits gegen 15.30 Uhr für etliche der Betroffenen ausdrücklich die sofortige Freilassung verfügt hatte, wurden sie teilweise bis in die Nachtstunden des Folgetages in Käfigzellen der BAO Kavala festgehalten.

        "Laut Aktenlage hat sich die Polizeibehörde Kavala damit sogar über gerichtliche Entscheidungen hinweg gesetzt," kritisiert Rechtsanwältin Karen Ullmann.

        Sie hat wegen dieser Vorgänge bereits am 14. August 2007 Strafanzeige u.a. wegen Freiheitsberaubung gegen die verantwortlichen Polizeibeamten -- u.a. gegen KOR Krense als Leiter der Gefangenensammelstellen - bei der Staatsanwaltschaft Rostock erstattet.

        Unmittelbar nach dem G8-Gipfel leitete die Polizei gegen alle 193 in der "Kühlung" festgenommenen GlobalisierungskritikerInnen ein Strafverfahren wegen "gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr" (§ 315 b StGB) ein. Die Verfahren wurden jedoch bereits im September 2007 durch die Staatsanwaltschaft Rostock wieder eingestellt. Begründet wurde dies mit der ausdrücklichen Feststellung, dass alle Personen in dem Waldstück festgenommen wurden, ohne dass irgendein Bezug zur Errichtung der Straßenblockade bestand.

        Mit den nun gemeinsam eingereichten Klagen setzen sich die Betroffenen zur Wehr. Sie wollen zum einen gerichtlich festgestellt wissen, dass die Freiheitsentziehungen rechtswidrig waren. Denn: "Das Vorgehen der BAO Kavala war willkürlich und ohne jede Tatsachengrundlage und wurde dann auch noch trotz gegenteiliger Richterentscheidungen fortgesetzt," so Rechtsanwältin Britta Eder.

        Zum anderen soll die Menschenunwürdigkeit der Unterbringung und die
        Vereitelung von Rechtsschutz durch die BAO Kavala gerichtlich
        festgestellt werden, insbesondere:
        * die stundenlange Unterbringung mit bis zu 50 Gefangenen unter
        Aufhebung jeglicher Privatsphäre in teilweise durchgehend
        beleuchteten und videoüberwachten Käfigzellen;
        * die ebenso rechtswidrige wie schikanöse Fesselung von Gefangenen
        mittels sog. Kabelbinder selbst in den Käfigzellen
        * und die Verweigerung von Telefonaten zur Kontaktaufnahme mit
        RechtsanwältInnen.

        Bereits während des G8-Gipfels waren die Haftbedingungen in den
        Gefangenensammelstellen vom Anwaltlichen Notdienst und verschiedenen Menschenrechtsgruppen kritisiert worden.

        Neben der Rehabilitierung der Betroffenen geht es bei den Feststellungsklagen auch um die Desinformationspolitik seitens der BAO Kavala und des Schweriner Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Insbesondere Innenminister Caffier hatte nach dem G8-Gipfel mehrfach gegenüber Medien und Parlamentsausschüssen versucht, die Massenverhaftungen als legitim darzustellen, die unmenschlichenHaftbedingungen zu bagatellisieren sowie die Fesselung in den Gefangenensammelstellen und die Verweigerung von Anwaltskontakten zu leugnen.

        "Eine ernsthafte parlamentarische Aufarbeitung der vielfältigen Grundrechtsverstöße anlässlich des G8-Gipfels hat bislang nicht stattgefunden und war offensichtlich nicht gewollt. Es ist leider einmal mehr an der Justiz, der Politik die rechtsstaatlichen Standards aufzuzeigen. Wir hoffen daher auch, dass sich das Verwaltungsgericht
        zügig mit den Sachverhalten befasst," sagt Rechtsanwalt Carsten Gericke.

        Für weitergehende Informationen und Fragen:

        Rechtsanwältin Britta Eder/Rechtsanwältin Karen Ullmann
        Tel.: 040/32033756 Tel.:040/99993906

        Rechtsanwalt Carsten Gericke/Rechtsanwalt Felix Isensee
        Tel: 040/43135110 Tel.:0331/5817779]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-68Fri, 09 Nov 2007 18:12:00 +0100Anwaltlicher Notdienst zum G8-Gipfel in Heiligendamm erhält „pro reo“-Preis des Strafrechtsauschusses des Deutschen Anwaltsvereins/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-zum-g8-gipfel-in-heiligendamm-erhaelt-pro-reo-preis-des-strafrechtsauschusses-des-deutschen-anwaltsvereins-68Pressemitteilung vom 9.11.2007
        Unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und in Kooperation mit der Strafverteidigervereinigung Mecklenburg-Vorpommern sowie mehreren Ermittlungsauschüssen wurde für die Zeit der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Rostock Anfang Juni diesen Jahres ein Anwaltlicher Notdienst/Legal Team eingerichtet. Mehr als 100 KollegInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Belgien, Spanien und Griechenland beteiligten sich daran ehrenamtlich.

        Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team leistete nicht nur den über 1.000 Fest- und Ingewahrsahmgenommenen der Rostocker Protesttage rechtlichen Beistand. Die Haftunterbringung sowie die Vorführung vor den gesetzlichen RichterInnen wurden ebenso zum Gegenstand anwaltlicher Arbeit wie die Dokumentation massenhafter Grundrechtsverletzungen durch die Polizei und die öffentliche Berichterstattung hierüber. KollegInnen des Notdienstes vertraten auch die OrganisatorInnen verschiedener Demonstrationen und Aktionen vor den Gerichten – bis hin zum Bundesverfassungsgericht, um juristisch gegen die massiven Einschränkungen der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit durch die Sicherheitsbehörden vorzugehen. Zudem begleiteten KollegInnen des Anwaltlichen Notdienstes/Legal Team auch Demonstrationen und boten auf der Straße rechtlichen Beistand. Dabei waren sie mit massiven Behinderungen ihrer anwaltlichen Tätigkeit bis hin zu Gewaltanwendung durch Polizeibeamte konfrontiert.

        Der AG Strafrecht des DAV würdigt mit dem Preis „pro reo“ die weit über den Bereich der Strafverteidigung hinausgehende professionelle Arbeit der im Notdienst arbeitenden KollegInnen. Diese vereinigten in fast einzigartiger Art und Weise ExpertInnen im Bereich der Strafverteidigung, des Polizeirechts, des Versammlungsrechts, des polizeilichen Freiheitsentziehungsrechts, des Datenschutzrechtes und des Verfassungsrechts.

        “Die elementaren Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit werden in den Gerichtssälen, aber auch auf der Straße, auf Veranstaltungen und Demonstrationen verteidigt,” sagt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV. “Der Preis der AG Strafrecht des DAV ist gleichzeitig auch eine Ermutigung, in diesem Engagement nicht nachzulassen.” Preisverleihung: Samstag, den 10.11.2007, um 11.15 Uhr im Grand Elysee Hotel, Hamburg ]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-67Thu, 01 Nov 2007 18:09:00 +0100Strafverfahren gegen G8-Gegner wegen „Autobahnblockade“ in Rostock-Laage eingestellt – Betroffene erstatten Anzeige gegen die ermittelnden Polizeibeamten wegen Freiheitsentziehung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafverfahren-gegen-g8-gegner-wegen-autobahnblockade-in-rostock-laage-eingestellt-betroffene-erstatten-anzeige-gegen-die-ermittelnden-polizeibeamten-wegen-freiheitsentziehung-67Pressemeldung 1.11.2007Die Staatsanwaltschaft rügt das pauschale Vorgehen der Polizei gegen 98 Mitfahrer der Pkws, die bei einer angeblichen Autobahnblockade festgenommen wurden. Die mittlerweile aufgelöste Sonderbehörde Kavala und das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns hielt sich nicht an die rechtlichen Vorgaben der Staatsanwaltschaft Rostock und überzog willkürlich mutmaßliche Gipfelgegner mit Ermittlungsverfahren.

        Am 6.Juni 2007 waren 98 Personen auf der BAB vom Flughafen Laage nach Rostock von der Polizei auf einen Parkplatz geleitet und dort festgenommen worden. Der Vorwurf lautet, sämtliche 98 festgenommenen Personen hätten gemeinsam mit insgesamt 23 Fahrzeugen versucht, eine Autobahn zu blockieren und sich damit der "kollektiven Nötigung" und eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht. Alle Betroffenen waren mehr als 2 Stunden gefesselt in einem Polizeikessel auf dem Parkplatz festgehalten und dann in die Gefangenensammelstelle Industriestraße verbracht worden. Dort waren sie in Massenkäfigen verwahrt worden. Im Kessel und später in der Gefangenensammelstelle war ihnen der Kontakt zu den AnwältInnen des anwaltlichen Notdienstes verweigert worden. Erst kurz vor Mitternacht war ein Teil der Betroffenen sukzessive entlassen worden, ohne dass sie einen Richter sahen. Etwa 15 Personen wurden erst lange nach Mitternacht den Eilrichtern vorgeführt, die dann die Freilassung verfügten, weil gegen alle Betroffenen nichts vorlag.

        Die ehemalige Sonderpolizeibehörde Kavala leitete entgegen der rechtlichen Einschätzung der Staatsanwaltschaft Rostock gegen alle Betroffenen ein Ermittlungsverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft verfügte darauf am 5. September 2007 die Einstellung der Verfahren.

        Sie führt in ihrer Einstellungsverfügung aus:

        "Ein Blockieren dieser Autobahn ist bereits möglich, wenn nur zwei Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit bis zum Stillstand verringern (...). Nicht ermittelt worden ist, warum aber genau 23 Fahrzeugführer aktiv an dem Abbremsen und dem "Hindernis bereiten" beteiligt gewesen sein sollen.

        Unverständlich (...) ist weiterhin, warum gegen 86 Fahrzeuginsassen Strafanzeige wegen Mittäterschaft erstattet worden ist. Es heißt dazu in der Strafanzeige lediglich, dass diese "durch ihre Passivität" das Handeln der anderen Fahrzeugführer billigten."

        Der Einstellungsvermerk führt weiter aus, dass "demonstrative Blockaden" nur dann Nötigung darstellen können, wenn Gewalt gegen Dritte ausgeübt wird. Die Ausübung von Zwang als Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit für politische Ziele sei zwar im einzelnen umstritten, setzt aber eine "Verwerflichkeit" im Verhältnis von Zweck und Mittel voraus, die hier nicht ersichtlich gewesen sei.

        Die Staatsanwaltschaft hat daher die Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit der vermeintlichen Autobahnblockade angeordnet.

        Noch immer führt das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns in seinen Abschlußberichten diese Ermittlungsverfahren als Beweis der "Gewaltbereitschaft" der Gipfelgegner auf. Augenscheinlich nutzten Innenministerium und seine ehemalige Sonderbehörde Ermittlungsverfahren auch gegen rechtliche Bedenken zur Sanktionierung von Gipfelgegnern und zu politischen Zwecken.

        Einige der Betroffenen haben nun eigene Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung gegen die Polizei einreicht. Auch sind noch Verfahren vor dem Amtsgericht Rostock, dem Landgericht Rostock und dem Verwaltungsgericht Schwerin wegen nachträglicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung, der Fesselung und der Käfighaltung noch anhängig.


        Kontakt:
        Rechtsanwältin Ulrike Donat
        Holstenstr. 194 c, 22765 Hamburg
        040 - 39 10 61 80

        Rechtsanwältin Karen Ullmann
        Bergiussstr. 22, 22765 Hamburg
        040 - 9999 3906

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        Politische Justiz (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-47Thu, 25 Oct 2007 16:51:00 +0200Mitteilung an die Presse im Fall Andrej H. /publikationen/mitteilungen/mitteilung/mitteilung-an-die-presse-im-fall-andrej-h-47Pressemitteilung 25.10.2007Politische Justiz (doublet)news-48Sun, 30 Sep 2007 16:56:00 +0200Ist jetzt alles Terrorismus? Die politische Dimension des § 129a/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ist-jetzt-alles-terrorismus-die-politische-dimension-des-129a-48Veranstaltung, Berlin, 30.9.2007Informationsveranstaltung zum aktuellen § 129a-Verfahren in Berlin und zur Sicherheitspolitik der Bundesregierung

        Ende Juli 2007 wurden sieben Personen in Berlin von der Generalbundesanwaltschaft beschuldigt, Mitglieder einer 'terroristischen' Vereinigung, der 'militanten gruppe' (mg), zu sein (nach § 129a Strafgesetzbuch). Vier von ihnen wurden verhaftet. Drei befinden sich noch immer unter verschärften Haftbedingungen in Untersuchungshaft. Sie werden beschuldigt, an Fahrzeugen der Bundeswehr Brandsätze angebracht zu haben. Die anderen vier werden einer Art intellektueller Täterschaft bezichtigt. Ihre wissenschaftlichen und journalistischen Publikationen enthalten Begriffe, die auch in Bekennerschreiben der 'mg' zu finden sein sollen. Ihnen wird vorgeworfen, sich an Debatten zu beteiligen, die etwa die gegenwärtigen Militäreinsätze der Bundesregierung, die Umstrukturierung von Städten oder Stadtteilen oder den Ausbau des Sicherheitsstaats kritisieren. Der Vorwurf der Generalbundesanwaltschaft, dass es sich bei den sieben Personen um eine 'terroristische Vereinigung' handeln soll, baut auf abenteuerlichen Konstrukten auf.

        Die Vorfälle sind vorläufiger Höhepunkt einer Kriminalisierungs- und Stigmatisierungskampagne von kritischer Wissenschaft und politischer Praxis, die stark an die 1980er Jahre erinnert. Gleichzeitig sind sie Ausdruck einer zunehmenden Einschränkung politischer Grundrechte. Wenn es aufgrund des bundesanwaltschaftlichen Konstrukts zu Verurteilungen kommt, werden wir in einer anderen Republik leben. Dann könnten zukünftig alle kriminalisiert werden, die sich kritisch mit staatlicher Politik und ökonomischer Macht auseinandersetzen.

        Die vier der 'intellektuellen Täterschaft' Beschuldigten werden bereits seit September 2006 rund um die Uhr überwacht. Die drei derzeit Inhaftierten wurden überwacht, nachdem sich im April 2007 einer von ihnen mit einem der vier, die der 'intellektuellen Täterschaft' beschuldigt werden, 'konspirativ' getroffen haben soll. Was Gegenstand dieser Treffen gewesen sein soll, kann die Generalbundesanwaltschaft nicht sagen.

        Bisher haben im In- und Ausland eine Vielzahl von Initiativen und Tausende von Einzelpersonen Aufrufe unterschrieben und die Generalbundesanwaltschaft aufgefordert, das Verfahren nach § 129a sofort einzustellen. Dennoch scheint die Tragweite dieser Geschehnisse noch nicht öffentlich wahrgenommen zu werden. Es handelt sich hier nicht um einen Einzelfall. Vielmehr zeigen diese Ereignisse den Wandel des bürgerlichen Rechtsstaats zum präventiven Sicherheitsstaat – im Namen eines angeblichen Kampfes gegen den 'Terror'.

        Das Konstrukt einer 'terroristischen Vereinigung' durch die Bundesanwaltschaft mit Hilfe des § 129a ist für die breite Öffentlichkeit kaum verständlich. Noch weniger verstanden wird bisher jedoch, welche Folgen dieses Verfahren für kritische Wissenschaft, Kunst und politisches Engagement haben wird. Die Freiheit der Rede, des künstlerischen Ausdrucks und der politischen Praxis drohen in einem Klima der Angst zu ersticken.

        Die Veranstaltung wird über den aktuellen Fall und über den § 129a
        informieren: Welche Geschichte hat der § 129a? Welchen Zweck hat dieser Paragraf heute? Sind politische Interessen im Spiel oder zeigt sich in seiner Anwendung nur die normale Funktionsweise der so genannten Inneren Sicherheit? Welche Gesetzesänderungen stehen an? Was bedeutet dies für politisches Engagement und kritische Wissenschaft? Werden demokratische Grundrechte aufgegeben?

        Es sprechen:

        • Christina Clemm (Rechtsanwältin) informiert zum aktuellen Stand des Verfahrens in Berlin.
        • Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte) klärt über die historische und gegenwärtige Bedeutung des § 129 a, seine justizpolitischen Implikationen und dessen europäische Dimension auf.
        • Dr. Fritz Storim (Politischer Aktivist und von mehreren Strafverfahren nach dem § 129a betroffen; Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz, MAUS e.V., Bremen) verdeutlicht, welche Auswirkungen dieser Paragraf – ohne dass Straftaten nachgewiesen werden – auf die davon Betroffenen hat.
        • Prof. Dr. Roland Roth (Hochschule Magdeburg-Stendal, Komitee für Grundrechte und Demokratie) beschreibt die gegenwärtigen Bestrebungen der Bundesregierung, über den § 129a hinaus weitere Überwachungsmaßnahmen, Strafgesetze und Kriminalisierungen einzuführen – und er zeigt, was derartige Kriminalisierungen bereits heute für soziale Bewegungen bedeuten.
        • Dr. Britta Grell (Moderation, INURA. International Network of Urban Research and Action, Berlin)


        Sonntag, 30. September 2007, 11.00 – 13.30 Uhr
        Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
        Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
        Linienstraße 227, 10178 Berlin
        [Anfahrt: U 2 Rosa-Luxemburg-Platz
        S-Bahn Alexanderplatz
        Busse: 200, 240, TXL ; Tram: M2, M8 an der Torstraße]
         
        Veranstalter:
        Bündnis für die Einstellung des § 129a-Verfahrens, Berlin
        akj-berlin. arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin
        Berliner MieterGemeinschaft e.V.
        Berliner Sozialforum
        FelS – Für eine linke Strömung
        INURA – International Network for Urban Research and Action, Berlin
        Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
        PROKLA – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
        RAV – Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
        Rosa Luxemburg Stiftung
        Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte, Vorstand
        Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

        Unterstützer:
        ak – analyse & kritik
        Zeitschrift telegraph]]>
        Innere Sicherheit (doublet)Politische Justiz (doublet)
        news-65Mon, 27 Aug 2007 17:47:00 +0200Verwaltungsgericht Schwerin soll Rechtswidrigkeit der Tornado-Aufklärungsflüge gegen Globalisierungskritiker feststellen - "Einsatz von Militär gegen Bürgerinnen und Bürger darf nicht zur Normalität werden."/publikationen/mitteilungen/mitteilung/verwaltungsgericht-schwerin-soll-rechtswidrigkeit-der-tornado-aufklaerungsfluege-gegen-globalisierungskritiker-feststellen-einsatz-von-militaer-gegen-buergerinnen-und-buerger-darf-nicht-zur-normalitaet-werden-65Pressemitteilung 27.8.2007
        Die Kläger - einer der Pächter des Camp-Geländes und zwei Mitglieder des Bundesvorstands der Jugendorganisation von Bündnis90/DIE GRÜNEN hielten sich während der mittlerweile vom Bundesverteidigungsministerium eingeräumten Tornado-Aufklärungsflüge am 5. Juni über dem Camp Reddelich bei Rostock auf. Sie wurden - ebenso wie tausende weiterer Camp-TeilnehmerInnen - von den Infrarotkameras der Tornados gefilmt. Zudem fühlten sie sich durch den niedrigen Überflug der Kampfflugzeuge massiv bedroht.

        "Mit der Klage beim Verwaltungsgericht Schwerin wird deutlich gemacht, dass der Tornado-Einsatz die Grundrechte der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung, Demonstrations- und Meinungsfreiheit verletzt," so Rechtsanwalt Sönke Hilbrans. Denn die angefertigten Luftbilder betreffen die Kläger und mehrere tausend weitere GlobalisierungskritikerInnen in ihrem Recht auf unbeobachtetes Auftreten in der Öffentlichkeit als Aspekt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wie es in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert ist.

        "Der Einsatz von Militär gegen Bürgerinnen und Bürger darf nicht zur Normalität werden," betont Rechtsanwalt Hilbrans. Angesichts der Tatsache, dass die politisch Verantwortlichen bislang keine Konsequenzen aus der Affäre gezogen haben, müssten nun die Gerichte den Schutz der Bürgerrechte wieder herstellen und der Bundeswehr - ähnlich wie bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam gegen das so genannte "Bombodrom" bei Wittstock - Grenzen setzen.

        Kontakt:
        RA Sönke Hilbrans: +49 30 446792 16 | www.diefirma.net |
        kanzlei@diefirma.net
        Gipfelsoli Infogruppe: +49 160 953 14 023 | www.gipfelsoli.org]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-73Wed, 08 Aug 2007 16:45:00 +0200Die Türkei und der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-tuerkei-und-der-internationale-pakt-ueber-buergerliche-und-politische-rechte-der-vereinten-nationen-73Stellungnahme (IPwskR). Rechtsanwältin Jutta Hermanns stellt die wesentliche Inhalte des IPbpR vor und untersucht, welche Konsequenzen sich nach dem Beitritt der Türkei zu diesem Pakt für die dort lebende kurdische Bevölkerung ergeben. Artikel lesen (pdf)]]>Globale Gerechtigkeit (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)news-64Fri, 13 Jul 2007 17:44:00 +0200Polizei setzt gezielte Desinformation fort – Zur Rede des Innenministers Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU) zu den Polizeieinsätzen anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm/publikationen/mitteilungen/mitteilung/polizei-setzt-gezielte-desinformation-fort-zur-rede-des-innenministers-mecklenburg-vorpommern-lorenz-caffier-cdu-zu-den-polizeieinsaetzen-anlaesslich-des-g8-gipfels-in-heiligendamm-64Pressemitteilung vom 13.7.2007 In einer vorab verbreiteten Rede vor dem Innenausschuss im Schweriner Landtag am heuti-gen Freitag leugnet Innenminister Lorenz Caffier (CDU) die Behinderung der anwaltlichen Tätigkeit vor Ort und in den Gefangenensammelstellen ebenso wie die Fesselungen der Gefangenen in den Zellen. Laut Caffier sei es zu 433 Anfragen nach Gefangenen von RechtsanwältInnen gekommen, die alle in Kontaktaufnahmen zu den MandantInnen endeten.

        Viele Betroffene bestätigen gegenüber VertreterInnen des Anwaltlichen Notdienstes, dass ihren Bitten nach einem Anwaltskontakt nicht nachgekommen wurde. Außerdem wurde AnwältInnen, die die Gefangenen direkt nach der Festnahme betreuen wollten, die Kontaktaufnahme verweigert mit der Begründung, diese sei nur in der Gefangenensammelstelle (Gesa) möglich. Dort wurde den AnwältInnen dann die Kontaktaufnahme verweigert, weil sie keine Namen der Betroffenen nennen konnten – den AnwältInnen vor Ort war jedoch verweigert worden, die Namen der Betroffenen aufzunehmen. Vor dem 6. Juni 2007 durfte jede/r Anwal-tIn in der Gesa nur den Namen einer Person nennen, nach der dann, teilweise bis zu einer Stunde, gesucht wurde. Anfragen nach weiteren MandantInnen wurden während dieser Zeit nicht entgegen genommen. Mindestens zwei Mal wurden alle AnwältInnen der Gefangenen-sammelstelle Industriestraße verwiesen.

        Am 06. Juni 2007 wurde den AnwältInnen vor Ort mitgeteilt, Anfragen nach MandantInnen müssten nunmehr telefonisch an eine/n bestimmte/n SachbearbeiterIn gerichtet werden. Die-se/r vermerke dann in der elektronischen Akte, dass ein/e RechtsanwältIn nach dem Man-danten gefragt habe. Es ist möglich, dass deshalb das Datensystem der Polizei 433 Anwaltskontakte ausweist. Wenn die/der für die Person zuständige SachbearbeiterIn diese Akte öffne, würde sie/er den Vermerk sehen und die/den AnwältIn benachrichtigen. Eine direkte Kontaktaufnahme der vor Ort anwesenden RechtsanwältInnen zu den Betroffenen nach An-frage war daher gerade nicht möglich, zumal es regelmäßig viele Stunden dauerte, bis den einzelnen Gefangenen einzelne SachbearbeiterInnen zugeordnet wurden.

        Auch für die stundenlange Fesselung der in Gewahrsam Genommenen in den Zellen gibt es viele Zeugen. Betroffen war unter anderem eine Gruppe, die am 7. Juni 2007 in einem Wald-stück mit dem Vorwurf festgenommen worden war, eine Barrikade angezündet zu haben. Es handelte sich um ca. 150 Personen, die gegen Mittag in der Gesa Ulmenstraße eintrafen. Ein Betroffener: "Es war ca. 14:00/14:30 Uhr. Wir saßen oder lagen alle gefesselt auf dem nackten Betonboden. Innerhalb von einer 3/4 bis 1 Stunde füllte sich der Käfig immer mehr. Ab der 30. Person beschwerten wir uns, dass es zu voll sei und versuchten, uns vor den Ein-gang zu stellen. Doch die Polizisten drückten immer noch mehr Männer in den Käfig, bis wir schließlich genau 50 Personen waren. "Da passt noch einer rein" war immer die Antwort. Wir kauerten wie die Tiere in dem viel zu vollen Käfig. Auch bei Toilettengängen wurden die Fesseln nicht gelöst. Erst um 18:00 Uhr kam eine neue Schicht, die die Fesseln entfernte. Schon zu Beginn der Festnahme und noch einmal bei der Aufnahme in der Gesa habe ich darum gebeten, telefonieren zu können und einen Rechtsanwalt sehen zu dürfen. Beides wurde mir versagt".

        Offensichtlich war die Polizei nicht nur damit überfordert, die Vielzahl von Gefangenen abzu-arbeiten, sondern auch rechtsstaatliche Standards wie Anwaltszugang, menschenwürdige Behandlung und unverzügliche Richterentscheidung sicherzustellen. In dem durch die man-gelhafte polizeiliche Organisation bei Masseningewahrsamnahmen vorprogrammierten Chaos wurde die Arbeit der Polizei durch engagierte AnwältInnen "gestört", die versucht haben, die Rechtsverletzungen der Polizei zu begrenzen und den Betroffenen Rechtsschutz zu ge-währen.

        „Wenn die Polizei das Recht von Gefangenen auf anwaltlichen Beistand als Störung empfindet, weist dies einmal mehr auf die fehlende Bereitschaft der Polizei hin, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren“, sagt Rechtsanwältin Ullmann vom RAV.

        Innenminister Lorenz Caffier behauptet nun, der RAV sei an einem konstruktiven Dialog nie interessiert gewesen, außerdem seien ständig wechselnde Personen im Namen des RAV aufgetreten. „Dies können wir nur als Versuch werten, von dem rechtswidrigen Polizeiverhal-ten vor Ort, der unzulänglichen Organisation der Gefangennahmen und der Vielzahl von er-schreckenden Betroffenenberichten dadurch abzulenken, dass der Überbringer der schlechten Nachricht stellvertretend für die Ursache zur Verantwortung gezogen werden soll. Dieses Verhalten zeigt, dass die Polizei nicht an einer Aufklärung der Vorkommnisse interessiert ist, sondern allein daran, ihre rechtswidrigen Standards bei Masseningewahrsamnahmen zu verteidigen und von Kritik an ihrem Verhalten abzulenken. Bei den von Innenminister Caffier verbreiteten Falschmeldungen muss mittlerweile leider von einer gezielten Desinformationskampagne gesprochen werden“ so Rechtsanwältin Ullmann.

        Bei Bedarf stellt der RAV für MedienvertreterInnen auf Anfrage Kontakt zu Betroffenen und vor Ort tätigen AnwältInnen her. Zur Rede des Innenministers Caffier: http://www.mv-zeitung.de/article-print-15580.html

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        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-63Wed, 27 Jun 2007 17:38:00 +0200Hearing "Was geschah in Heiligendamm?"/publikationen/mitteilungen/mitteilung/hearing-was-geschah-in-heiligendamm-63Pressemitteilung vom 27.06.2007Nach dem fünfstündigen Hearing "Was geschah in Heiligendamm?" erheben die Veranstalter massive Vorwürfe gegen Polizei und Politik und fordern Konsequenzen zur Bewahrung der Bürger- und Freiheitsrechte. Bei der gestrigen Anhörung in den Räumen der Gewerkschaft ver.di in Berlin kamen über 30 Zeuginnen und Zeugen zum Ablauf der G8-Protestwoche zu Wort.

        Die Planung des Polizeieinsatzes war von Anfang an auf Eskalation ausgelegt. Politische Zielvorgabe war die weiträumige und totale Abschottung der Gipfelteilnehmer von ihren Kritikerinnen und Kinder. Dabei kam es zu einer weit reichenden Außerkraftsetzung von rechtsstaatlichen Schutzstandards und bürgerlichen Freiheitsrechten. Die Folge war die Behinderung und Unterbindung von politischem Protest.

        Die polizeiliche Sonderbehörde Kavala setzte diese Vorgaben in einem obrigkeitsstaatlichen Einsatzkonzept um. Geheimdienste, Bundeswehr und die Länderpolizeien wurden gegen das verfassungsrechtliche Trennungsgebot in den Planungen und ihrer Umsetzung integriert.

        Das Versammlungsrecht wurde mit den weiträumigen Demonstrationsverboten schwer beschädigt. Den Demonstranten blieb es in Heiligendamm überlassen, Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht zu verteidigen und sich dazu auch über rechtswidrige Verbote hinwegzusetzen. Die unzähligen polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld, bei den Grenzkontrollen und der Anreise, Schikanen gegenüber den Campenden, willkürliche Kontrollen und Platzverweise verschärften die Einschüchterung weiter.

        Der Datenschutzbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Neumann, bezeichnete die massiven Datenerhebungen, die zu keinen Verfahren führten, im Hearing zutreffend als "rechtswidrigen Überwachungsdruck".


        Die Behörde Kavala bediente sich der Propaganda und Provokation. Die vielen gezielten Falschmeldungen z.B. über Vermummungen und Steinewerfer in absolut friedfertigen Demonstrationen oder die angebliche "Säureattacke" durch Clowns führten auch zur weiteren Aufladung des Feindbildes bei den eingesetzten Beamten. Vielfach kam es zu willkürlichen Übergriffen auf Demonstrierende. Eine Gruppe von Fahrradfahrern wurde auf dem Heimweg ohne jeden Anlass mit Pfefferspray und Schlagstöcken attackiert.
        Mindestens zwei Personen erlitten schwere Augenverletzungen, hervorgerufen durch den harten Strahl von Wasserwerfern. Dies muss nach Ansicht der Veranstalter aufgeklärt werden und zu Strafverfahren führen. Durch die eidesstattliche Versicherung eines Zeugen wurde beim Hearing auch der gezielte Einsatz von Zivilbeamten als agents provocateurs untermauert.
        Deeskalation ging immer wieder von besonnenen Demonstrierenden aus - nicht von der Polizei. Das gilt auch für die Auseinandersetzungen während der Großdemonstration am Samstag, bei dem sich Hunderte an den Straßenschlachten mit der Polizei beteiligt hatten und viele Unbeteiligte durch prügelnde Polizei, Reizgas- und Wasserwerfereinsätze an Leib und Leben bedroht waren. Ein Symbol dafür ist der vielfache Einsatz der selbständig agierenden Beweis- und Festnahmeeinheiten (BFE), die bei den Auseinandersetzungen am Rande der Rostocker Großdemonstration maßgeblich beteiligt waren. Die Beruhigung kam erst nach intensiven Bemühungen eigener Ordner und Demonstranten zustande. Die Polizeieinheiten mussten mühselig (auch durch Kollegen) überzeugt werden, deeskalierende Absprachen zwischen Demonstrationsleitung und Polizeiführung einzuhalten.

        Betont wurde beim Hearing, dass es durchaus besonnene Polizeiführer und -einheiten gab, die sich korrekt, freundlich und deeskalierend verhielten - und auch bei Kavala gegen unsinnige Befehle intervenierten.

        Bei den Ingewahrsamnahmen und in den Gefangenensammelstellen wurde den Betroffenen seitens Kavala systematisch der Rechtsbeistand verweigert. Anwältinnen und Anwälte wurde der Zugang verweigert, obwohl die Inhaftierten nach anwaltlicher Unterstützung verlangten. Dabei wurde das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt. Die Polizei bestimmte darüber, ob Anwältinnen und Anwälte Zugang zu den in den Gefangenensammelstellen tätigen Richtern gewährt wurde oder nicht. Die Richter waren mit einem Schild "Kavala Justiz" gekennzeichnet. Sie präsentierten sich damit als Teil der Exekutive.

        Die rechtswidrige Ingewahrsamnahme unter fadenscheinigen Gründen war kein Einzelfall, sondern die Regel. Die Situation in den Gefangenensammelstellen war menschenunwürdig. Die oftmals tagelange Unterbringung in Käfigen bei permanenter Überwachung und Beleuchtung, die stundenlange Verzögerung der Freilassung trotz richterlichen Beschlusses und die Durchsuchung der Inhaftierten unter völligem Entkleiden verletzen die Menschenrechte von Gefangenen.

        Die Veranstalter des Hearings fordern daher parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum Verhalten der Polizei. Es muss ermittelt werden, wer für Planung und Einsatz bei Polizei, Bundeswehr und Politik verantwortlich war. Darüber hinaus ist endlich eine durchgehende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte einzuführen, um die Polizei bei rechtswidrigem Verhalten identifizieren zu können. Die Veranstalter betonen, dass letztlich die Politik für die Wahrung der Freiheitsrechte und ein rechtsstaatliches Vorgehen der Sicherheitsbehörden verantwortlich ist. Wer von der Polizei einen absolut störungsfreien G8-Gipfel ohne Wahrnehmung von Protest fordert, verlangt die
        Verletzung der Verhältnismäßigkeit.

        Ansprechpartner für die Veranstalter:
        · Manfred Stenner, Netzwerk Friedenskooperative,
        Tel. 0177-6014894
        · Matthias Monroy, Gipfelsoli Infogruppe, Tel. 0160-95314023
        · Michael Hiller, Rote Hilfe e.V., Tel. 0178-1489738
        · Peer Stolle, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein,
        Tel. 01577-4704760
        · Sven Giegold, Attac Deutschland, Tel. 0163-5957590

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        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-72Tue, 26 Jun 2007 02:06:00 +0200Die Türkei und die Minderheitenrechte am Beispiel der kurdischen Sprache/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-tuerkei-und-die-minderheitenrechte-am-beispiel-der-kurdischen-sprache-72StellungnahmeArtikel lesen (pdf)
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        Globale Gerechtigkeit (doublet)Menschenrechte/Türkei (doublet)
        news-62Tue, 19 Jun 2007 17:36:00 +0200Anwaltlicher Notdienst/Legal Team ist erschrocken über das Ausmaß polizeilicher Übergriffe während des G8 und fordert die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-legal-team-ist-erschrocken-ueber-das-ausmass-polizeilicher-uebergriffe-waehrend-des-g8-und-fordert-die-einrichtung-eines-parlamentarischen-untersuchungsausschusses-62Pressemitteilung vom 19.06.2007
        Im folgenden nur einige der gravierendsten Beispiele:
        Einem Ingewahrsamgenommenen wurde bei der Festnahme ein T-Shirt über den Kopf gezogen und im Nacken verknotet, so daß er nicht mehr sehen konnte. Er wurde gefesselt und mehrmals mit dem Kopf auf den Boden geschlagen.

        Eine Vielzahl von Menschen wurde bei der Festnahme geschlagen und verletzt und ohne ärztliche Versorgung in Gewahrsam genommen. Einem Clown wurde grundlos eine ca. 30cm große Gasflasche ins Gesichtgeschlagen. Clowns wurden gezwungen Wasser aus ihren Wasserpistolen zu trinken.

        Festgenommenen wurden in den Gefangensammelstellen, neben der Unterbringung in Käfigen Medikamente und Hilfsmittel wie z.b. Asthmaspray und Brillen abgenommen. Mehr als 50 Personen waren über einen Zeitraum 11 Stunden mit Kabelbindern mit den Händen auf dem Rücken gefesselt.

        Mindestens drei Betroffene wurden nach der Ingewahrsamnahme oder während Demonstrationen geschlagen, in hilflose Lagen versetzt und mit dem Tode bedroht. In jedem Fall wurde eine - wenn dann Logik - eröffnet und bei Nichtaussage oder Weiterprotestieren die Tötung durch Polizeibeamte angedroht. In einem Fall wurde auch das Verschwindenlassen angekündigt.

        Bei Kontrollen an einer S-Bahn Station nahe dem Camp Rostock Fischereihafen griffen Polizeibeamte Frauen in den Schritt und machten dabei anstößige Geräusche. Darüber hinaus mussten sich mehrere Frauen bei Kontrollen vor männlichen Beamten ausziehen.

        Der anwaltliche Notdienst ist erschrocken über eine derartige Praxis der Polizei und die Vielzahl und Vehemenz der Übergriffe und fordert die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klärung der Übergriffe. „Diese Vorfälle sind in ihrer Gesamtheit erschreckend und beängstigend zugleich, insbesondere in einem Staat, der für sich in Anspruch nimmt, ein rechtstaatlicher zu sein. Um dieser Willkür Einhalt zu gebieten, müssen sämtliche PolizeibeamtInnen offen eine Dienstnummer tragen, um Schwarze Schafe zur Verantwortung ziehen zu können“ sagt Dirk Audörsch einer der Anwälte des Legal Teams.

        Eine brutale Praxis wie diese lässt sich u.a. dadurch erklären, dass PolitikerInnen schon im Vorfeld des G8 die pauschale Stigmatisierung und Kriminalisierung der Protestbewegung betrieben haben. Diese Feindbildschaffung sowie die, in Zusammenhang damit, auf Eskalation angelegte Polizeistrategie machten es den Beamten möglich protestierende Menschen als Objekte zu betrachten und Übergriffe als normales und geduldetes Vorgehen anzusehen. Das ist durch nichts zu entschuldigen und nicht hinnehmbar.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Polizeirecht (doublet)
        news-61Thu, 07 Jun 2007 17:32:00 +0200AnwältInnen demonstrieren vor der Gefangenensammelstelle Industriestraße/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaeltinnen-demonstrieren-vor-der-gefangenensammelstelle-industriestrasse-61Pressemitteilung vom 7.6.2007 Motto der Anwaltsdemonstration "Für faire Verfahren und freien Zugang zu den Verhafteten" /Hungerstreik von sechs Ingewahrsamgenommenen in der JVA Lübeck

        Um gegen die Behinderung ihrer anwaltlichen Arbeit zu protestieren, werden
        heute Nachmittag ab 15Uhr AnwältInnen des Legal Teams/Anwaltlicher Notdienst vor der Gefangenensammelstelle Industriestraße in Rostock-Schmarl
        demonstrieren. Mit dem Motto "für faire Verfahren und freien Zugang zu den
        Verhafteten" wollen die AnwältInnen auf die unhaltbaren Zustände in der
        Gefangenensammelstellen der BAO Kavala aufmerksam machen. Nach Informationen des Legal Team/Anwaltlicher Notdienst sitzen in der Gesa Industriestraße zur Zeit an die einhundert Menschen ein. Die Mehrheit von ihnen verlangt anwaltlichen Beistand, der ihnen durch die BAO Kavala verwehrt wird.

        Das Recht auf unverzüglichen anwaltlichen Beistand gehört zu den Grundrechten nach einem Freiheitsentzug. Zudem hindert die BAO Kavala die AnwältInnen an der freien Berufsausübung, wenn sie den AnwältInnen Beratungsgespräche mit den Inhaftierten verweigert. Um diesen Skandal öffentlich zu machen, haben sich die AnwältInnen zu dieser ungewöhnlichen Aktion entschieden.

        Heute morgen um 6 Uhr wurden sechs sich in Gewahrsam befindende junge Männer aus der JVA Bützow in die JVA Lübeck verbracht. Gegenüber den Betroffenen wurde die Maßnahme mit der Bemerkung begründet, es gäbe Platzprobleme vor Ort. Unter den Betroffenen befindet sich ein 23-Jähriger, der am Abend des 3. Juni nach dem Konzert am Stadthafen von Polizeibeamten aus Baden-Württemberg brutal misshandelt wurde. Der junge Mann befindet sich auf richterliche Anordnung bis zum 9. Juni, 12 Uhr in Gewahrsam. Obwohl die sechs jungen Männer sich nicht in Untersuchungshaft befinden, werden sie in der JVA Lübeck in Einzelzellen festgehalten. Zudem werden ihnen Telefonate mit ihren AnwältInnen verweigert.

        Aus Protest gegen diese Behandlung sind die jungen Männer in Hungerstreik getreten.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-60Wed, 06 Jun 2007 17:30:00 +0200Anwaltlicher Notdienst stellt erfolgreich Eilanträge gegen Platzverweise/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-stellt-erfolgreich-eilantraege-gegen-platzverweise-60Pressemitteilung vom 6.6.2007
        Inzwischen liegen dem Legal Team/Anwaltlichen Notdienst mehrere Platzverweise vor, die über einen Zeitraum von 3. bis zum 9. Juni andauern und das gesamte Stadtgebiet von Rostock sowie den Landkreis Bad Doberan umfassen. Andere Betroffene haben Platzverweise für den Innenstadtbereich von Rostock erhalten – einer so genannten Zonen 100 und 101. Diese Platzverweise umfassen dann beispielsweise auch den Stadthafen, so dass die Betroffenen die dortigen kulturellen Veranstaltungen nicht mehr besuchen können. Andere Platzverweise umfassen eine so genannte Zone EA7, die von Warnemünde bis Roggentin und Groß Schwaaß reicht.

        An das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst wenden sich derzeit eine Vielzahl von verängstigten Betroffenen. Denn zum einen kann ein Verstoß gegen den Platzverweis zu einer Ingewahrsamnahme führen. Zum anderen können mehrere Platzverweise dazu führen, dass die Betroffenen in die überregionale Polizeidatei „gewaltbereite Störer“ aufgenommen und bei zukünftigen Demonstrationen in Vorbeugegewahrsam genommen werden.

        Das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst rät daher allen Betroffenen, Widerspruch mit kurzer Fristsetzung gegen den Platzverweis einzulegen. Bei Ablehnung des Widerspruchs durch die BAO Kavala werden beim Verwaltungsgericht Schwerin Eilanträge auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gestellt. Bislang hat das VG Schwerin in mehreren Fällen positiv entschieden und die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wieder hergestellt.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)Polizeirecht (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-59Wed, 06 Jun 2007 17:28:00 +0200AnwältInnen wehren sich gegen erschwerte Bedingungen für Anwaltlichen Notdienst/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaeltinnen-wehren-sich-gegen-erschwerte-bedingungen-fuer-anwaltlichen-notdienst-59Pressemitteilung vom 6.6.2007Nach den ersten drei Tagen, in denen das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst in Rostock bei den Protesten gegen das G8-Gipfeltreffen arbeitet, sind die über einhundert AnwältInnen des Legal Teams besorgt über die sich verschlechternden anwaltlichen Arbeitsbedingungen auf der Straße und in der Gefangenensammelstelle Industriestraße in Rostock. Die Situation, mit der die AnwältInnen unter anderem bei den Demonstrationen der vergangenen Tage konfrontiert war, wird von der Ordnungsbehörde als "polizeilicher Notstand" bezeichnet. Um die Grundrechte der Betroffenen zu wahren, organisiert das Legal Team/Anwaltlicher Notdienst daher auch AnwältInnen die auf der Straße Protestorganisatoren und -teilnehmerInnen begleiten. Diese AnwältInnen sind deutlich mit gelben Leuchtwesten mit der Aufschrift "Legal Team" gekennzeichnet.

        "Unter den außergewöhnlichen Bedingungen der Demonstrationen der letzten Tage ist ein anwaltlicher Beistand nur zu gewährleisten, wenn möglichst direkt nach der Festnahme durch die Polizei eine kurze anwaltliche Kontaktaufnahme erfolgen kann", sagt ein Sprecher des Legal Teams. Dies ist der BAO Kavala bekannt. Trotzdem wurden in den vergangenen drei Tagen AnwältInne des Legal Teams auf der Straße bei der Ausübung ihrer anwaltlichen Tätigkeit behindert. Zwei AnwältInnen wurden von beamten zu Boden gestoßen, in mehreren Fällen wurden AnwältInnen Schläge angedroht für den Fall, dass sie nicht "das Maul halten" und aufhören würden, Festgenommene nach ihren Namen zu fragen. Darüber hinaus hat die BAO Kavala in der Gefangenensammelstelle Industriestraße angekündigt, dass dortige Anwaltszimmer ab heute Nachmittag zu schließen. Den AnwältInnen wurde eröffnet, sie sollten draußen vor dem Gebäude warten, bis man ihre Mandanten gefunden habe. Angesichts der langen Zeit, die dies in einigen Fällen in Anspruch hält und den bekannten instabilen Wetterverhältnissen in Rostock, kann man das durchaus als Schikane bezeichnen.]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Repression gegen Rechtsanwälte (doublet)
        news-58Sun, 03 Jun 2007 17:26:00 +0200Ernüchternde erste Bilanz des anwaltlichen Notdienstes/publikationen/mitteilungen/mitteilung/ernuechternde-erste-bilanz-des-anwaltlichen-notdienstes-58Pressemitteilung vom 3.6.2007
        Aus Sicht des Legal Teams ist die Situation der Festgenommen immer noch dadurch bestimmt, dass die BOA Kavala den anwaltliche Beistand und Kontaktaufnahme zu MandantInnen behindert. Betroffene wurden z.B. bis zu neun Stunden in Gefangenensammelstellen (Gesa) festgehalten, ohne dass ihnen die Kontaktaufnahme zu Anwältinnnen ermöglicht wurde. Obwohl Anwälte Zutritt zu ihren MandantInnen verlangten, wurden sie entweder abgewiesen oder den Mandanten mitgeteilt, dass keine Anwälte zu erreichen seien.

        Seit gestern Abend hat die BAO Kavala „Anwaltsbetreuer“ eingesetzt. „Sie verhindern eher den Zugang zu MandantInnen als ihn zu gewähren. Grund dafür ist die personelle Unterbelegung der Polizei Vorort sowie die unnötige Komplikation des Verfahrens seitens der ‚Anwaltsbetreuer’. Dadurch wird schlichtweg der zeitnahe Zugang, auf den es einen rechtlichen Anspruch gibt, verhindert“, kritisiert Rechtsanwältin Silke Studzinsky vom anwaltlichen Notdienst des RAV.

        Bezeichnend für die Situation der Inhaftierten ist darüber hinaus auch, dass Eilrichter Entscheidung über die Länge der Ingewahrsamnahmen mit dem Verweis auf nicht vorhandene Akten verwehrten. Entsprechend der geltenden Rechtsprechung ist jedoch bei Ingewahrsamnahmen ein unverzüglicher richterlicher Entscheid notwendig. Erst auf telefonische Intervention des Europaparlamentariers Tobias Pflüger wurden die benannten Rechte gewährt.

        „Beim Umgang mit Ingewahrsamgenommenen werden normale rechtstaatliche Abläufe außer Kraft gesetzt. Das reiht sich nahtlos in das übertriebene und brutale Vorgehen der Polizei am gestrigen Tag ein“, kommentiert Tobias Pflüger MdEP GUE/NGL seine Erfahrungen.

        Der anwaltliche Notdienst betrachtet die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Polizei und der BAO Kavala während und im Nachfeld der Auftaktdemonstration gegen den G8 Gipfel mit großer Sorge. In diesem Zusammenhang weist der RAV darauf hin, dass Betroffenen ab dem Zeitpunkt der Verhaftung - unabhängig von etwaigen Vorwürfen - ein Anrecht auf anwaltlichen Beistand haben. Eine Verweigerung oder Verzögerung dieses Zugangs bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-57Thu, 31 May 2007 17:24:00 +0200Versuch der Verhinderung kritischer Berichterstattung durch Akkreditierungsentzug /publikationen/mitteilungen/mitteilung/versuch-der-verhinderung-kritischer-berichterstattung-durch-akkreditierungsentzug-57Pressemitteilung vom 31.5.2007
        Mittlerweile hat Majchrzak Widerspruch eingereicht. Da in der Akkreditierungsstelle in Kühlungsborn eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anerkannt wird, reicht der Anwalt des Journalisten nun Klage beim Verwaltungsgericht ein.

        „Der anwaltliche Notdienst des RAV sieht in dem Umgang der BPA mit Akkreditierungen einen Eingriff in die Pressefreiheit. Es drängt sich der Eindruck auf, dass auf diese Weise eine kritische Berichterstattung verhindert werden soll“, so Sönke Hilbrans, der Anwalt des Betroffenen.]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-56Thu, 31 May 2007 17:22:00 +0200Legal Team/Anwaltlicher Notdienst bietet Rechtsbeistand für Festgenommene und bei polizeilichem Fehlverhalten/publikationen/mitteilungen/mitteilung/legal-team-anwaltlicher-notdienst-bietet-rechtsbeistand-fuer-festgenommene-und-bei-polizeilichem-fehlverhalten-56Pressemitteilung vom 31.5.2007
        Unter der Telefonnummer 038204-768111 können sich Festgenommene, aber auch ZeugInnen von Festnahmen oder polizeilichem Fehlverhalten beim Legal Team melden. RechtsanwältInnen versuchen dann, das Recht jedes Betroffenen auf rechtliche Beratung und Vertretung bei Polizei und Justiz durchzusetzen und weitere Grundrechtsverletzungen zu unterbinden.

        Für MedienvertreterInnen ist der Presseservice des Legal Teams und des RAV zu den G-8 Protesten unter den Telefonnummern 01577-4704760, 0163-6195151 und 0179-4608473 zu erreichen.

        Der Presseservice informiert u.a. über die Anzahl von Verhaftungen, Einreiseverboten und den Stand der Beschwerden gegen die Demonstratiosnverbote und vermittelt AnsprechpartnerInnen aus dem Legal Team.]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-55Wed, 30 May 2007 17:18:00 +0200Mündliche Anhörung am OVG Greifswald zu Demonstrationsverbot in Heiligendamm/publikationen/mitteilungen/mitteilung/muendliche-anhoerung-am-ovg-greifswald-zu-demonstrationsverbot-in-heiligendamm-55Pressemitteilung vom 30.5.2007
        Das VG Schwerin hatte das Verbot des Sternmarsches durch die BAO Kavala zwar aufgehoben – allerdings nur bis zum Zaun, der den Gipfelaustragungsort weiträumig absperrt.

        Mit der Beschwerde wollen die OrganisatorInnen erreichen, dass der Protest der GlobalisierungskritikerInnen „in Sicht und Hörweite“ der G-8 Regierungschefs stattfinden kann. Sie berufen sich dabei auf das so genannte Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1985, und sind gleichzeitig bereit, die Zahl der TeilnehmerInnen des Sternmarsches zu begrenzen.

        Die BAO Kavala hat ihrerseits Beschwerde gegen die weitgehende Aufhebung ihrer Allgemeinverfügung – mit der u.a. eine zweite Sperrzone für Proteste vor dem Zaun durchgesetzt werden soll - eingelegt. Die Sicherheitsbehörden streben nach wie vor ein flächendeckendes Demonstrationsverbot auf einer Fläche von ca. 40 Quadratkilometern rings um Heiligendamm an.

        An der mündlichen Verhandlung am OVG Greifswald nehmen Vertreter der Sternmarsch-OrganisatorInnen teil. Da die Verhandlung nicht öffentlich ist, steht Ihnen Rechtsanwalt Carsten Gericke als Prozessbevollmächtigter der Sternmarsch-OrganisatorInnen im Anschluss an den Termin für Auskünfte zur Verfügung.

        Obwohl die juristische Auseinandersetzung um die Demonstrationen noch andauert, versucht die BAO Kavala und ihr zugeteilte Polizeieinheiten anreisende GlobalisierungskritikerInnen durch Schikanen und Willkür einzuschüchtern. Über fünf Stunden wurde am gestrigen Dienstag beispielsweise bei Neubukow ein Konvoi von zehn LKW, auf denen sich u.a. eine größere Anzahl von Fahrrädern befand, auf dem Weg zum angemeldeten Camp der GlobalisierungskritikerInnen in Wichmannsdorf festgehalten. Die polizeiliche Begründung, es könne sich um gestohlene Fahrräder handeln und dies müsse nun überprüft werden, entbehrte jeglicher Grundlage. Als die Fahrzeuge gegen 21 Uhr abends zu Ende durchsucht waren, durften die Betroffenen nur im Konvoi und unter Polizeibegleitung weiterfahren. Zudem wurde ihnen von der Polizei untersagt, die LKW am Camp in Wichmannsdorf zu entladen mit der offensichtlich falschen Begründung, das Camp sei nicht genehmigt.

        „Hier handelt es sich um eine weitere willkürliche Maßnahme, die der Einschüchterung dienen soll,“ so der Prozessbevollmächtigte der OrganisatorInnen des Sternmarsches, Rechtsanwalt Carsten Gericke vom Bundesvorstand des RAV. ]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-54Wed, 30 May 2007 17:15:00 +0200Die Einschränkung der Grundrechte im Zusammenhang mit dem G8 in Heiligendamm - Die Bundesrepublik auf dem Weg zum Feindstrafrecht?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/die-einschraenkung-der-grundrechte-im-zusammenhang-mit-dem-g8-in-heiligendamm-die-bundesrepublik-auf-dem-weg-zum-feindstrafrecht-54Veranstaltung, Hamburg, 30.5.2007 

        Diskussionsveranstaltung am 30.05.07 um 19:00 Uhr an der Universität Hamburg mit: Antje Möller (Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft/GAL) Prof. Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestags/Die Linke) Rechtsanwältin Britta Eder (Vorstandmitglied des RAV) Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel werden zur Zeit die Grundrechte in Frage gestellt und missachtet. Das gilt bezüglich des Rechts auf Versammlung, des Rechts auf freie Meinungsäußerung, des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung, des Briefgeheimnisses und weiterer Grund- und Freiheitsrechte. Mit nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen gestützten Durchsuchungsbeschlüssen wurden bundesweit unter Berufung auf den § 129a StGB ca. 60 Wohnungen und Projekte durchsucht. Mit 129a-Ermittlungen sind die gravierendsten Eingriffsbefugnisse verbunden: Telefon- und Raumüberwachung, Einsatz von verdeckten Ermittlern und auch Durchsuchungen. In Hamburg wird Presseberichten zufolge darüber hinaus die Post bestimmter Bezirke von Beamten des LKA und BKA kontrolliert. An der Hamburger Universität sprach die Polizei Professoren an und wollte von Ihnen die Namen von Studierenden erfahren, die G8-kritisch sind. Darüber hinaus wurde ein PKW beschlagnahmt weil in ihm Flugblätter zum G8 und angemalte Steine sichtbar waren. Neben einem Zaun, der im Abstand von 12 km rings um den Gipfelaustragungsort in Heiligendamm installiert worden ist, wird versucht jeglichen Protest vor Ort unmöglich zu machen. Zusätzlich wurde mit Hilfe einer Allgemeinverfügung faktisch eine Bannmeile um den Zaun geschaffen, in der in der Zeit vom 30.05. bis zum 08.06.2007 jegliche angemeldeten und unangemeldeten Demonstrationen in einem weiträumigen Gebiet untersagt werden sollen. Von dieser Sperrzone sind auch bereits seit Monaten angemeldete Demonstrationen betroffen. Die Globalisierungskritiker werden von den Versammlungsbehörden zur juristischen Auseinandersetzung vor den Gerichten genötigt, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durchzusetzen. Die Polizeibehörden sind nicht bereit im Vorfeld der Proteste gegen das Treffen der G8 in Heiligendamm und Hamburg, z.b. zum Treffen der Außenminister, mit AnwältInnen deeskalierende Maßnahmen zu erörtern und notwendige Grundrechtsgewährungen zuzusagen. In den letzten Wochen wurden bereits Demonstrationen in Hamburg durch unrechtmäßige Wasserwerfereinsätze und Ingewahrsamnahmen von Seiten der Polizei eskaliert. Auch durch gezielte Tabubrüche seitens der Politik (Diskussion über die Aufweichung des Folterverbots und die Ermöglichung von Einsätzen der Bundeswehr im Inland, das Schüren von Terrorismusangst usw.) wird die Idee der Grundrechte als Abwehrrecht der Menschen gegenüber dem Staat ad Absurdum geführt. Die Veranstaltung soll der aktuellen Diskussion der grundrechtsrelevanten Themen dienen und die rechtlichen und politischen Zusammenhänge verdeutlichen. Die Konzeption des Feindstrafrechts beschreibt in der rechtspolitischen Diskussion die Aushebelung individueller Grund- und Menschenrechte vor dem Hintergrund so genannter kollektiver Sicherheitsbedürfnisse. Uni Hamburg, Hauptgebäude, Edmund Siemers Allee1, Hörsaal C, Mittwoch der 30.05.2007 um 19.00 Uhr]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-53Tue, 29 May 2007 17:14:00 +0200Anwaltlicher Notdienst des RAV zum G8 Gipfel eingerichtet – Nummer des EA jetzt eingerichtet/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-des-rav-zum-g8-gipfel-eingerichtet-nummer-des-ea-jetzt-eingerichtet-53Pressemitteilung vom 29.5.2007
        Zur Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren in der Zeit der Proteste rund um den G8-Gipfel haben RAV und die Vereinigung der Strafverteidiger Mecklenburg Vorpommern einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. In diesem Rahmen arbeiten wir eng mit dem in dieser Zeit vorhandenen Ermittlungsausschuss (EA) zusammen und sind über diesen für alle DemonstrantInnen 24 Stunden erreichbar. Die Nummer des EA lautet: 038204 – 768111 ist ab dem 28.Mai erreichbar.

        Die Anwältinnen und Anwälte werden im Rahmen des Notdienstes verschiedene Bereiche abdecken. Bei Demonstrationen oder anderen Aktionen werden wir unmittelbar vor Ort sein, um die Betroffenen bei der Verwirklichung und Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen und gegenüber der Polizei zu vertreten. Darüber hinaus ist uns wichtig in den Gefangenensammelstellen präsent zu sein und insbesondere bei richterlichen Anhörungen die Betroffenen zu vertreten. Es kann also jeder Mensch zu jeder Zeit beim EA anrufen um anwaltlich vertreten zu werden. Ein sofortiger Anruf steht auch jedem der In Gewahrsam oder festgenommen wird zu.]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-52Tue, 29 May 2007 17:10:00 +0200Studierendendemonstration gegen den G8 - Einschränkung des Versammlungsrechts/publikationen/mitteilungen/mitteilung/studierendendemonstration-gegen-den-g8-einschraenkung-des-versammlungsrechts-52Pressemitteilung vom 29.5.2007
        Da die Polizeibehörden nicht bereit waren im Vorfeld der Proteste, z.b. der Studierendendemonstration und der anstehenden Demonstration zum Treffen der Außenminister, mit Anwälten deeskalierende Maßnahmen zu erörtern und notwendige Grundrechtsgewährungen zuzusagen, war ein derartiges Vorgehen zu befürchten. Notwendig gewesen wäre u.a. die Einrichtung eines verwaltungsgerichtlichen Eildienstes, der Vorort entstehende Fragen sofort entscheiden hätte können. So konnte der leitende Polizeiführer, LPD Born, der schon im vornhinein jegliches Gespräch mit der Anwaltschaft ablehnte, nahezu zynisch auf den nachträglichen Rechtsschutz verweisen. Die Polizei verweigerte darüber hinaus, sich mit schriftlichen und mündlichen Widersprüchen auseinander zu setzen.

        Von der friedlichen Demonstration der Studierenden ging keinerlei Gefahr aus. Trotzdem wurde die Demonstration ständig gestoppt, mit rechtswidrigen Auflagen versehen und darüber hinaus ohne rechtliche Grundlage gefilmt. Eine der Auflagen bestand darin, wie in Hamburg üblich, keine Seitentransparente über 1,50 Länge mitzuführen. Schon zu Beginn wurde die Demonstration von dem martialischen Polizeiaufgebot brutal gestoppt. In dieser Situation wurde der Anmelder gewaltsam daran gehindert mit dem Einsatzleiter Kontakt aufzunehmen und die Situation zu deeskalieren. Um die Exekutive in ihre rechtlichen Schranken zu verweisen wäre der benannte verwaltungsgerichtliche Eildienst notwendig gewesen. „Nur dem besonnen verhalten der DemonstrantInnen ist es zu verdanken, dass das martialische und bedrohliche Auftreten der Polizei nicht zu einer gewalttätigen Eskalation geführt hat“, kommentiert Rechtsanwältin Britta Eder, Vorstandsmitglied des RAV.

        Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel werden zur Zeit massiv die Grundrechte in Frage gestellt und missachtet. Die gesamte soziale Bewegung soll anscheinend diskreditiert und kriminalisiert werden. Hierbei wird das Recht auf Versammlung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und weitere Grund- und Freiheitsrechte teilweise ausgehebelt. Da die Polizeiführung für die Demonstration gegen das Treffen der Außenminister (ASEM) eine niedrige Einsatzschwelle angekündigt hat, befürchtet der anwaltliche Notdienst des RAV bezüglich unangekündigter Wasserwerfereinsätze, massenweisen Freiheitsentziehungen und weiteren Eskalationsaspekten schlimmstes.

         

         

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        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-51Fri, 25 May 2007 17:07:00 +0200Anwaltlicher Notdienst des RAV kritisiert unhaltbare Grundrechteingriffe im Zusammenhang mit 129a Verfahren/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-des-rav-kritisiert-unhaltbare-grundrechteingriffe-im-zusammenhang-mit-129a-verfahren-51Pressemitteilung vom 25.5.2007 Bei der Fahndung nach so genannten militanten Globalisierungsgegnern führt das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) zur Zeit umfangreiche Briefkontrollen durch. Ganze Stadtteile sind dabei von „Vorfeldermittlungen“ betroffen. An der Universität Hamburg versuchten Polizeibeamten einen Professor über vermeintliche G8 GegnerInnen zu befragen.

         

        Im Briefzentrum Hamburg-Mitte kontrollieren, einem Bericht der tageszeitung (taz) vom 25.05.07 zufolge, derzeit ca. ein Dutzend Beamte des LKA Hamburg unter Federführung des BKA die Postsendungen mehrerer Zustellungsbezirke - vor allem diejenigen der Stadtteile Altona, St. Pauli, Eimsbüttel sowie des Schanzen- und des Karoviertels. In diesem Rahmen werden, dem Bericht nach, verdächtig erscheinende Postsendungen abgefangen und geöffnet. Auch einzelne Postkastenentleerer seien vom LKA genötigt worden Briefe kontrollieren und beschlagnahmen zu lassen. Ziel der Aktion ist scheinbar mögliche Bekennerbriefe an die Medien frühzeitig abzufangen.

         

        Die Ermittlungen stehen in Zusammenhang mit den ca. 60 Hausdurchsuchungen aufgrund des §129a Strafgesetzbuch. Der anwaltliche Notdienst des RAV kritisiert das die Grundrechte einer Vielzahl von Menschen durch das Bundeskriminalamt (BKA) und das LKA Hamburg immer weitergehend missachtet werden, um gegen G8 GegnerInnen vorzugehen. Um soziale Bewegungen zu kriminalisieren wird §129a aufgrund seiner weitgehend Auslegungsmöglichkeiten genutzt. Ca. 97% aller Verfahren werden nach erheblichen Datenerhebungen ohne Prozess eingestellt. Im Fall der Postkontrollen ist er allerdings nicht anwendbar.

        Rechtsanwalt Sönke Hilbrans sagt dazu: "Welche Opfer sollen die Bürgerinnen und Bürger ganzer Stadteile für das Gipfeltreffen noch bringen? Nicht nur durch die Entnahme von Geruchsproben, sondern jetzt auch bei der Postkontrolle greifen manche Sicherheitsbehörden immer unverblümter zu Stasi- Methoden. Es gibt offenbar Minister und Polizisten, denen das Maß für rechtsstaatlich angemessenes Handeln abhanden gekommen ist. Wenn die Justiz sie nicht endlich aufhält, ist das Land auf dem Weg in eine andere Republik."

         

        Auch an der Universität Hamburg wurden Polizeibeamte im Zusammenhang mit den Gipfelprotesten aktiv. In der Pause einer Vorlesung über „Angst als sozialdisziplinierende Maßnahme“ versuchten zwei PolizistInnen einen Lehrenden der Universität Hamburg dazu zu bewegen, ihnen pauschal und ohne Benennung weiterer Gründe die Namen vermeintlicher G8 GegnerInnen zu nennen. Der Professor wies dies entschieden zurück und bat die BeamtInnen das Gebäude wieder zu verlassen. „Der Versuch Lehrende dazu zu bewegen StudentInnen zu denunzieren, die politisch aktiv sind, ist meiner Ansicht nach ein Skandal. Hier wird sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) als auch die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3) massiv beeinträchtigt. Offensichtlich reicht bereits eine globalisierungskritische Äußerung in einer Vorlesung um in den Fokus der Polizei zu geraten. Ein solches Vorgehen ist inakzeptabel“ kommentiert Britta Eder, Vorstandsmitglied im RAV diese Vorgehen.

        Der anwaltliche Notdienst des RAV betrachtet mit großer Sorge das Globalisierungsgegner unter einen Generalverdacht und somit kriminalisiert werden. Das Grundrecht auf demokratische Proteste soll so anscheinend delegitimiert werden. Die Menschen werden im Falle politischer Aktivität seitens der Polizeibehörden zu Feinden erklärt. Die Anwendung von Feindstrafrecht sollte jedoch kein Mittel rechtlicher Praxis in demokratischen Staaten sein.

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        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Politische Justiz (doublet)
        news-50Tue, 15 May 2007 17:05:00 +0200Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein kritisiert polizeiliches Demonstrationsverbot gegen den G8-Gipfel als „eklatante Verletzung des Grundrechts auf Protest“ - Unterstützung für Betroffene zugesagt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/republikanischer-anwaeltinnen-und-anwaelteverein-kritisiert-polizeiliches-demonstrationsverbot-gegen-den-g8-gipfel-als-eklatante-verletzung-des-grundrechts-auf-protest-unterstuetzung-fuer-betroffene-zugesagt-50Pressemitteilung vom 15.5.2007
        Schon bislang hatten die Sicherheitsbehörden durch einen Zaun, der im Abstand von 12 km rings um den Gipfelaustragungsort Heiligendamm installiert worden ist, jeglichen Protest vor Ort unmöglich gemacht. Mit der Allgemeinverfügung schaffen die Sicherheitsbehörden nun faktisch eine Bannmeile für den Zaun, in der in der Zeit vom 30.5. bis zum 8.6.2007 jegliche angemeldeten und unangemeldeten Demonstrationen in einem Gebiet, das von Börgerende-Rethwisch bis Bad Doberan und Steffenshagen reicht, untersagt werden. Dieses Gebiet, das von der BAO Kavala als Zone II bezeichnet wird, ist wesentlich größer als die Kernzone innerhalb des Zauns um Heiligendamm. Von der Allgemeinverfügung sind seit Monaten angemeldete und geplante Protestaktionen betroffen. Bislang sind von der BAO Kavala lediglich 10 von 60 angemeldeten Protestaktionen genehmigt worden. Die Begründung der Demonstrationsverbote mit dem Satz: Die Beschränkung des Versammlungsrechts sei „unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht nur erforderlich, sondern auch verhältnismäßig,“ kann vor diesem Hintergrund nur als zynisch bezeichnet werden.

        „Diese eklatante Verletzung des Grundrechts auf Protest ist nicht hinnehmbar,“ kritisiert Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins diese Allgemeinverfügung. „Der RAV geht davon aus, dass dagegen mit allen verfügbaren juristischen Mitteln vorgegangen wird und unterstützt die Betroffenen dabei.“

        Aus Sicht des RAV treiben die Sicherheitsbehörden mit der nunmehr erlassenen Allgemeinverfügung die Politik der Abschottung des G8-Gipfels vor Protest sowie ihre Strategie der Eskalation bewusst voran. Alle Erklärungen, Protest gegen die Politik der G8 sei willkommen, haben sich spätestens jetzt als hinfällig erwiesen. Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal an das sogenannte Brokdorf-Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Die obersten Richter stellten schon 1985 fest, das Recht auf Protest am Ort des Geschehens sei ein „notwendiges Korrektiv für politische Fehlentscheidungen und unverzichtbarer Bestandteil repräsentativer Demokratie.“ Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird durch die BAO Kavala offensichtlich ignoriert.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-49Mon, 14 May 2007 17:01:00 +0200Der RAV kritisiert das unkooperative Verhalten der Polizei im Vorfeld des G8 Gipfels/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-rav-kritisiert-das-unkooperative-verhalten-der-polizei-im-vorfeld-des-g8-gipfels-49Pressemitteilung vom 14.5.2007
        Zur Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren in der Zeit der Proteste rund um den G8-Gipfel haben RAV und die VdSMV einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. Um zu einem reibungslosen Ablauf der Großveranstaltung beizutragen, streben die Anwältinnen und Anwälte verbindliche Absprachen und konkrete Zusagen seitens der BAO „Kavala“ der Polizeidirektion Rostock für die bevorstehenden Polizeieinsätze im Rahmen der G8 Proteste an.

        Zur Sicherung von Freiheits- und Grundrechten und zur Vermeidung willkürlichen Polizeihandelns sind Vereinbarungen zwischen Polizei und Anwaltschaft im Vorfeld derartiger Großereignisse notwendig. Nur auf diese Weise kann Rechtsverstößen seitens der Staatsgewalt effektiv vorgebeugt werden. Die erforderlichen Voraussetzungen für eine adäquate anwaltliche Arbeit für die von Polizeimaßahmen Betroffene können nur so gewährleistet werden.

        Zum Zweck der Sicherung der rechtstaatlichen Vorgaben wurden die Verantwortlichen der BAO „Kavala“ durch den anwaltlichen Notdienst am 3.4.2007 mündlich in einem gemeinsamen Gespräch und nach zugesagter und nicht erteilter Antwort schriftlich mit einem Zeitrahmen für eine Antwort bis zum 4.5.2007 vergeblich zu verbindlichen Zusagen aufgefordert. Das wesentliche Anliegen der AnwältInnen ist die Erörterung der Sicherstellung der freien Berufsausübung der Anwaltschaft und ihrer MitarbeiterInnen, die Sicherung des Zugangs zu Betroffenen in den Gefangenensammelstellen und im evtl. in Sperrzonen befindlichen „Einsatzraum“, z.B. im sogenannten polizeilichen „Kessel“, die Einhaltung von Grundrechten wie z.B. die Gewährleistung von Telefonaten für Betroffene einer freiheitsentziehenden Maßnahme, die Verhinderung unverhältnismäßiger Polizeimaßnahmen (z.B. ED Behandlung trotz mitgeführtem Identitätsnachweis oder die Anfertigung von Fotos bei jeder Festnahme), die Gewährleistung einer zeitnahen Richtervorführung auch bei Freiheitsentziehungen „im freien Felde“, Ausstattung der Gefangenensammelstellen mit Anwaltszimmern und ausreichenden Besprechungsräumen sowie das Mitteilen der Ansprechpartner des Führungs- und Lagestabes der Polizei.

        „Die Verweigerungshaltung der BAO „Kavala“ werten wir als mangelnde Kooperationsbereitschaft mit dem anwaltlichen Notdienst. Die genannten Fragen sind im Rahmen der Castor-Transporte und anderer Großveranstaltungen einschlägig als Probleme bekannt. Die Rechte der Betroffenen und ihrer Anwälte sind durch zahlreiche gerichtliche Entscheidungen bestätigt worden“ kommentiert Britta Eder, Mitglied im Vorstand des RAV, die Erfahrungen und das bisherige Vorgehen der Polizei.

        Der RAV befürchtet aufgrund der bisherigen Kooperationsverweigerung, dass seitens der BAO „Kavala“ wenig Interesse an der Anwendung einer deeskalierenden Polizeistrategie besteht. Die Tatsache, dass Zusagen nicht eingehalten werden, macht deutlich, dass sich die Polizei ihrer Verantwortung für einen reibungslosen Ablauf des G8-Gipfels entzieht. „Der RAV hält demgegenüber die sofortige Erörterung der rechtlichen Verfahrensweisen für eine notwendige Voraussetzung einer rechtstaatlich orientierten Bewältigung der skizzierten Problemlage“ bekräftigt Britta Eder.]]>
        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-46Thu, 10 May 2007 16:31:00 +0200G8-Gipfel: Kriminalisierung des G8-Protests/publikationen/mitteilungen/mitteilung/g8-gipfel-kriminalisierung-des-g8-protests-46Pressemitteilung vom 10.5.2007
        Besonderen Augenmerk legte die BAW auf Computer, Festplatten sowie den alternativen Server SO36.net. Viele linke und alternative Projekte haben ihre Webseiten, Mailinglisten und Mailadressen dort abgelegt. Eine Vielzahl von Computern und Laptops - auch Dritter, Nichtbeschuldigter - wurde beschlagnahmt. Damit soll ganz offenkundig die Kommunikationsstruktur der Anti-G8-Bewegung empfindlich gestört werden. Eines der den Maßnahmen zugrunde liegenden beiden Ermittlungsverfahren richtet sich gegen die "militante gruppe" (mg) und dauert bereits länger an. Die Durchsuchungsbeschlüsse konstruieren einen Zusammenhang zwischen einem alten 129a-Verfahren und angeblichen Plänen zur Störung oder Verhinderung des G8-Gipfels.

        Wie üblich werden die weiten Handlungsspielräume eines §129a- Verfahrens genutzt, um offen und öffentlichkeitswirksam Daten zu sammeln. Regelmäßig bringen § 129a StGB-Verfahren mit großem Ermittlungsaufwand zwar Massen an Information. Verurteilungen sind allerdings rar. Rechtsanwalt Hannes Honecker, Geschäftsführer des RAV : „Die Durchsuchungsaktionen vor dem G8 Gipfel zielen vornehmlich auf die öffentliche Meinung. Sie dienen einerseits der Einschüchterung der Protestbewegung und zwar auch der breiten Masse der 100.000 zum Gipfel erwarteten Demonstranten, andererseits der Delegitimation der Kritik durch Kriminalisierung“.

        Die Massendurchsuchungen mit hohem Aufwand und medialem Effekt zeigen, wie notwendig es ist, sowohl auf der justiziellen als auch auf der politischen Ebene den Kriminalisierungseffekten entgegen zu treten. Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV : „Der RAV fordert seit Jahren die Abschaffung der in den 70ern Jahren eingeführten Anti-Terrorvorschriften im Strafgesetzbuch und Strafprozessrecht und vor allem der zentralen Vorschrift des § 129 a StGB. Diese Ausnahmeregelungen sind mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht unvereinbar und wurden schon in der Vergangenheit oft zur Bekämpfung unliebsamer politischer Bewegungen eingesetzt“.

        Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein bereitet seit Monaten einen anwaltlichen Notdienst während des G8 Gipfels in Rostock-Heiligendamm vor. Dieser Notdienst, an dem über 100 Anwältinnen und Anwälte aus dem In- und Ausland teilnehmen will den rechtlichen Schutz des Protestes gegen den G8-Gipfel sichern und soll verhindern helfen, dass legitimer Protest durch Kriminalisierung unterbleibt, verhindert oder eingeschränkt wird.]]>
        Politische Justiz (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)
        news-44Sat, 28 Apr 2007 16:21:00 +0200Freiheit stirbt mit Sicherheit?/publikationen/mitteilungen/mitteilung/freiheit-stirbt-mit-sicherheit-44Veranstaltung, Rostock, 28.4.2007
        Rechtsanwalt Sönke Hilbrans (Berlin) Datenbanken, Meldeauflagen, Kontrollstellen
        - Bewegungsfreiheit bei Gipfelprotesten -
        Rechtsanwältin Ulrike Donat (Hamburg) Freiheitsentziehungen bei Protesten
        -Erfahrungen aus dem Wendland -
        Elke Steven (Köln) Gipfelproteste und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
        - Erfahrungen aus der Demonstrationsbeobachtung -
        Tilman Jeremias (Rostock) Polizeieinsätze und Demonstrationsfreiheit
        - Der 1. Mai 2006 in Rostock -

        Eine gemeinsame Veranstaltung von:
        Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
        StadtgesprächeRostock
        und Soziale Bildung e. V.
        Mit Unterstützung des AStA der Uni Rostock Veranstaltungort:
        Universität Rostock / 28.04.07 / 19:00 Uhr

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        Demonstrationsfreiheit (doublet)G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Polizeirecht (doublet)Innere Sicherheit (doublet)
        news-45Tue, 17 Apr 2007 16:27:00 +0200Anwaltlicher Notdienst auf dem G-8 Gipfel 2007: Gemeinsamer Aufruf des RAV und des Organisationsbüros der Strafverteidigervereinigungen zur Verteidigung demokratischer Grundrechte/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-auf-dem-g-8-gipfel-2007-gemeinsamer-aufruf-des-rav-und-des-organisationsbueros-der-strafverteidigervereinigungen-zur-verteidigung-demokratischer-grundrechte-45Pressemitteilung vom 17.4.2007
        Anfang Juni 2007 treffen sich die Regierungschefs der G 8 in Heiligendamm bei Rostock. Mit ihnen werden etliche Tausend anreisen, um gegen die Politik der G 8 zu demonstrieren. Erwartungsgemäß wird es zu großflächigen Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten kommen. Bereits jetzt wird geplant, wie Protestierer an Grenzen zurück- oder auf dem flachen Land festgehalten werden können, wie man Demonstrationen vom Gipfeltreffen fernhalten und große Gruppen in vorübergehenden Gewahrsam nehmen kann. Landesregierung und Polizei rüsten sich und die öffentliche Erwartung mit dramatischen Schilderungen der angeblich zu erwartenden Gewalttätigkeiten auf und bereiten so das Klima für massive Polizeieinsätze.

        Der vielstimmige Protest, der sich gegen den Gipfel formiert, droht so schon im Vorfeld kriminalisiert zu werden. Kritische Gegenstimmen sollen und müssen sich versammeln und artikulieren können. Die Verteidigung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist nicht nur in Gerichtssälen und nach der Strafprozessordnung erforderlich. Freiheit wird nicht nur im Strafverfahren und mit dem Haftbefehl eingeschränkt. Gravierende Einschnitte in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit finden bereits auf der Straße statt und werden angesichts des polizeilichen Sicherheitskonzepts absehbar auch während des G8 Gipfels stattfinden. Diese Rechte müssen effektiv verteidigt werden - auf der Straße, auf Veranstaltungen, vor der Einsatzleitung der Polizei und vor Bereitschaftsgerichten.

        Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie der Strafverteidigerinnen- und Strafverteidigerverein Mecklenburg-Vorpommerns werden zwischen dem 15. Mai und dem 30. Juni 2007 ad-hoc-Büros in Rostock und Bad Doberan für einen anwaltlichen Notdienst einrichten. Der Notdienst wird sich in Zusammenarbeit mit dem Ermittlungsausschuss um effektiven Rechtsschutz gegen unrechtmäßige Masseningewahrsamnahmen, gegen Einreiseverbote und Zurückhalten von Bussen mit Demonstranten auf dem Lande, gegen unrechtmäßigen Unterbindungsgewahrsam und die Beschlagnahme von Flugblättern und Transparenten einsetzen. Hierzu wurden schon erste Kontakte mit Bereitschaftsgerichten
        geknüpft, der Zugang von Anwälten zu Gefangenensammelstellen gesichert und ein Büro mit einer kompletten Infrastruktur eingerichtet.]]>
        G8-Gipfel Heiligendamm 2007 (doublet)Demonstrationsfreiheit (doublet)
        news-2Mon, 13 Nov 2006 13:16:00 +0100Strafanzeige gegen Rumsfeld wird der Öffentlichkeit vorgestellt/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-gegen-rumsfeld-wird-der-oeffentlichkeit-vorgestellt-2Pressemitteilung vom 13.11.2006 Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck vertritt mit der Strafanzeige zwölf Folterüberlebende, elf ehemalige Insassen von Abu Ghraib sowie einen Gefangenen in Guantanamo Bay wegen Straftaten, die Verbrechen nach dem 2002 in Deutschland in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuch darstellen. „Zwei Jahre nach der Einreichung der ersten Strafanzeige in Deutschland kann das Fehlen und die Weigerung der Ermittlungsbehörden in den USA, Ermittlungen gegen hochrangige Verantwortliche zu führen, nicht deutlicher zu Tage treten“, sagt Michael Ratner, Präsident des CCR. „Der kürzlich verabschiedete Military Commissions Akt, der zur Amnestierung der mutmaßlichen Kriegsverbrechen führt, ist sicherlich das deutlichste Zeichen des fehlenden Willens zur Strafverfolgung in den USA. Diese Straftaten sind nicht die Fehltritte einiger fauler Äpfel; sie waren geplant und durchgeführt auf der höchsten Ebene der US-Regierung.“ Die Strafanzeige wird begleitet von einer Anzahl von Gutachten namhafter Experten. Wir veröffentlichen an dieser Stelle die Gutachten von  Bill Bowring, Jordan Paust, Ben Davies, Richard Falk, Jules Lobel, und Michael Bothe/ Andreas Fischer- Lescano. Ferner fügen wir die Aussagen wichtiger Zeugen bei: David DeBatto, Gitanjali S. Gutierrez, Janis Karpinski. Die website des CCR mit englischsprachigen Materialien und einer Übersetzung finden Sie hier.http://www.ccr-ny.org/v2/GermanCase2006/Germancase.asp]]>Strafanzeige gegen Rumsfeld (doublet)news-276Flüchtlingsschutz in Europa_10 Jahre Dublin II-Verordnung/publikationen/mitteilungen/mitteilung/fluechtlingsschutz-in-europa-10-jahre-dublin-ii-verordnung-276Vortrag und DiskussionDr. Maria-Teresa Gil-Bazo,  Refugee Studies Centre, University of Oxford/Newcastle Law School, University of Newcastle Die Dublin II-Verordnung regelt die Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten für Flüchtlinge innerhalb der EU. Die dort geregelte Zuständigkeit des Ersteinreisestaates führt dazu, dass sich die EU-Staaten, in denen die Flüchtlinge letztlich um Schutz nachsuchen oder nachsuchen wollen, für unzuständig erklären können (Drittstaatenregelung). Stattdessen verweisen sie auf die Zuständigkeit des Staates der Ersteinreise und praktizieren damit ein System innereuropäischer Abschiebungen. Nach Einfügung der Drittstaatenregelung in das Grundgesetz bringt dessen Export nach Europa Flüchtlinge in eine verzweifelte Situation: Angekommen in Deutschland, sollen sie nach Malta, Italien, Ungarn, Griechenland oder Litauen, wo ihnen Haft oder Obdachlosigkeit drohen, ohne dass ihnen ein menschen- und europarechtlichen Mindeststandards genügendes Asylsystem zur Verfügung stünde. Die anstehende Reform der Dublin II-Verordnung in Gestalt der wohl ab Herbst geltenden Dublin III-Verordnung wird an dieser Struktur nichts ändern. Die Prämisse dieses Konzepts ist ein nicht mehr hinterfragter Bestandteil des europäischen Flüchtlingsrechts geworden. Sie war Ausgangspunkt der Harmonisierung des Asylrechts, basierend auf der Fiktion, dass es einheitliche asylrechtliche Standards in Europa gebe. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Anwendung, Legitimität und Legalität dieses Konzepts. Ist es völkerrechtlich, europarechtlich und menschenrechtlich zulässig, dass die Staaten ihre Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden, z.B. nach der Genfer Flüchtlingskonvention, an andere Staaten delegieren? Oder ist es 20 Jahre nach Änderung des Asylgrundrechts höchste Zeit, die deutsche und europäische Asylpolitik grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen? Der Vortrag ist in englischer Sprache. Es besteht die Möglichkeit, sich an der Diskussion in deutscher Sprache zu beteiligen. Zeit: Freitag, 22. März 2013, 18.00 Uhr Ort: Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 9 (Altes Palais), Raum 213, 10099 Berlin
        S- und U-Bahnhof Friedrichstraße oder Bushaltestelle Staatsoper (Linien 100, 200, TXL) Veranstalter:
        Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit dem RAV, borderline europe und dem akj-berlin.
        Realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Flüchtlingsschutz in Europa_10 Jahre Dublin II-Verordnung (PDF)]]>
        Migration & Asyl (doublet)Empfehlung (Termine)