Sie sind hier: RAV > PublikationenMitteilungen

Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts - Schwerpunkt: Iran

Aktions-Bericht vom 24. Januar 2024

Zum Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts am 24. Januar widmete sich der RAV im Jahr 2024 gleich mit mehreren Veranstaltungen dem Iran. Dort hatte der Tod von Jina Masha Amini 2022 landesweite Proteste ausgelöst, denen das Regime seither mit grausamer Gewalt begegnet. Alle paar Tage werden Menschen hingerichtet, im vergangenen Jahr waren es mindestens 600. Menschenrechte werden massenhaft verletzt.

„Doch ausgerechnet im Iran, wo sie so bitternötig wäre, ist anwaltliche Vertretung nur noch schwer möglich“, erklärte der Vorsitzende des RAV-Vorstands, Dr. Peer Stolle, bereits vorab in der Einladung. Das Mullah-Regime handele willkürlich und Anwält*innen würden verfolgt. Ihnen werde oft das gleiche vorgeworfen wie ihren Mandant*innen, so Stolle. RAV-Mitglied Nasrin Karimi, die aus Teheran stammt und sich heute in Berlin engagiert, erinnerte daran: „Das Land war 2009 schon einmal im Fokus, doch auch 15 Jahre später ist die Lage katastrophal.“

Die Anwältin wies zudem darauf hin: „Seit seiner Entstehung verletzt das Regime durchweg das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung. Und das, obwohl der Iran seit 1975 Mitglied des Internationalen Pakts über bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ist.“ Mehr Informationen zur Lage im Iran finden sich zudem im aktuellen Bericht der Europäischen Demokratischen Anwält*innen (EDA).

Veranstaltung mit iranischem Anwalt Sina Yousefi in Berlin

Welchen Gefahren sind Anwält*innen im Iran konkret ausgesetzt? Darüber informierte am Vorabend des Aktionstags der nach Deutschland geflüchtete Anwalt Sina Yousefi in den Räumen der Berliner Rechtsanwaltskammer, die die Veranstaltung gemeinsam mit DAV und RAV organisiert hatte. Es moderierte die Aktivistin und Journalistin Daniela Sepehri, es dolmetschte Dr. Sosan Jafari.

Anwalt Yousefi erinnerte an die zu diesem Zeitpunkt fünf inhaftierten Anwält*innen: Khosro Alikordi, Amirsalar Davoudi, Mohammad Najafi, Arash Keykhosravi und Jalal Fatemi. Weitere warteten noch auf die Vollstreckung der Haftstrafe. Anschließend erklärte er das Justizsystem, schilderte die Arbeitsbedingungen, beantwortete zahlreiche Fragen des Publikums in dem voll besetzten Raum und bedankte sich herzlich für die Unterstützung aus Deutschland.

„Je entschlossener Anwältinnen und Anwälte für ihre Unabhängigkeit kämpfen, desto stärker werden sie verfolgt“, ergänzte Karimi. „Aufgrund der verschärften Regelungen der Strafprozessordnung sind politische Gefangene gezwungen, sich an ‚Vertrauensanwälte‘ zu wenden, die die Oberste Justizbehörde des Landes zugelassen hat. Und die sind ganz und gar nicht unabhängig.“

„Hochachtung vor den Kolleg*innen“

„Ich habe Hochachtung vor dem Mut, mit dem viele Kolleg*innen im Iran diesen Kampf seit Jahrzehnten tagtäglich führen und dabei wörtlich alles riskieren. Viele Kolleg*innen im Iran zahlen mit ihrer Gesundheit, ihrer beruflichen Existenz, manche gar mit ihrem Leben", sagte Ursula Groos. Die Rechtsanwältin ist Teil des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Berlin, stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte sowie Mitglied im RAV.

Sie betonte, wie wichtig die freie Berufsausübung ist und dankte den Kolleg*innen im Iran für ihren Kampf. „Sie kämpfen auch für uns. Denn die Menschenrechte – und somit wir alle – werden geschwächt, solange deren Ausübung auch nur einem einzigen Menschen vorenthalten wird.“

50 Personen vor der Iranischen Botschaft in Berlin

Am 24. Januar 2024 demonstrierten ca. 50 Personen vor der iranischen Botschaft in Berlin vom RAV, in Kooperation mit der Rechtsanwaltskammer Berlin und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen sowie der VDJ. Dabei wurde die Petition der Foundation of the Endagered Lawyer verlesen, die eine Vielzahl von Rechtsanwaltsorganisationen weltweit unterzeichnet hatte. Der Vorsitzende des RAV, Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, hat in einem Redebeitrag auf die Situation des Kollegen Amirsalar Davoudi hingewiesen, der seit 2018 inhaftiert ist und für den der RAV eine Patenschaft übernommen hat. Der RAV fordert dringend seine Freilassung. Die Kollegin Nasrin Karimi wies zudem auf das Schicksal vieler weitere Kolleginnen und Kollegen hin, die teilweise bei den Protesten getötet wurden oder inhaftiert sind.

Hamburg nähert sich dem Thema künstlerisch

Auch in Hamburg gab es am 24. Januar um 15 Uhr einen Protest vor dem iranischen Konsulat. Einige der 12 Anwält*innen sind in ihren Roben erschienen, die Kolleg*innen Maede Soltani und Afrouz Maghzi hielten Reden. Dann wurde eine Schweigeminute in Gedenken an die tags zuvor im Iran Hingerichteten abgehalten.

Fortgesetzt wurde die Veranstaltung ab 17 Uhr in den Räumen von Kölibri/GWA in St. Pauli, in Kooperation mit dem Verein Interkulturelle Werkstatt e.V. Zu sehen war eine Ausstellung des queeren Aktivisten und Künstlers Ashkan Shabani. Er führte persönlich durch eine interaktive Lichtinstallation und stimmte so auf einen Abend voller Austausch und Erkenntnis ein.

Bei einer anschließenden Theater-Performance der Gruppe Drang und der Initiative Splitter im Exil ging es um das Trauma des ehemaligen Teheraner Universitätsdozenten Ali Fathi. Bei einer Demonstration im Iran im Jahr 1981 hatten ihn Splitter einer Handgranate getroffen. Er flüchtete nach Deutschland und stellte fest: Die Granate, die ihn verletzte, war in dem Land, produziert worden, das ihm Zuflucht gewährte: Deutschland. Basierend auf dieser Erfahrung hat er ein Theaterstück geschrieben.

Die ehemalige politische Gefangene Shohreh Ganbary sprach über ihre persönliche Erfahrung in der Isolationshaft. Besonders erschüttert hat, unter welchen Bedingungen Schwangere in der Haft Kinder zur Welt bringen. Doch Ganbary übte auch Widerstand in Form von Kunst, die sie an diesem Abend in Hamburg präsentierte.

Zudem wurde der Film "Sie Töteten" von der Maahaa Gruppe und der Regisseurin Maryam Soleimani Rad gezeigt. Er bot einen Überblick über die Gewaltwellen, in denen das Regime seit seiner Machtübernahme Regimekritiker*innen ermordet hat. Trotz der schweren Themen herrschte eine einladende Stimmung, im Raum duftete es nach einer köstlichen Suppe, die deutschen und iranischen Kolleg*innen begegneten sich in einer warmen, herzlichen Stimmung.

Was ist der 24. Januar für ein Tag?

Der Tag der bedrohten Anwältin und des bedrohten Anwalts wird jeden 24. Januar in mehreren Städten, Ländern und Kontinenten abgehalten. Gelegentlich ist auch von „Tag des gefährdeten Anwalts“ oder des „Anwalts in Gefahr“ die Rede, gemeint ist immer dasselbe. Auf Englisch heißt er „Day of the Endangered Lawyer“. Etabliert haben ihn 2009 die EDA. Das Datum 24. Januar geht zurück auf einen Mord im Jahr 1977: Damals töteten in Madrid Faschisten drei Gewerkschaftsanwälte in deren Kanzlei. Vergangenes Jahr war der Tag Afghanistan gewidmet, 2022 stand Kolumbien im Fokus.